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Habilitationsschrift
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis V
Abbildungsverzeichnis X
Tabellenverzeichnis XV
Abkürzungsverzeichnis XVI
1 Einleitung 1
4 Zielsetzung 25
4.1 Offene Fragen 25
4.2 Ziel des Projekts 25
4.3 Von der Idee zur klinischen Anwendung 25
4.4 Experimentelle Vorgehensweise 26
5 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie 27
5.1 Allgemeine Grundlagen 27
5.2 Druckwasserstrahl 27
5.2.1 Wirkungsgrad 28
5.2.2 Strahlgeschwindigkeit 29
VI Inhaltsverzeichnis
5.2.3 Wasserdurchsatz 29
5.2.4 Hydraulische Leistung 30
5.2.5 Wechselwirkung des Strahls mit der Umgebung 30
5.2.6 Werkstoffbeanspruchung 31
5.2.7 Mechanismen des Materialabtrags 32
5.2.8 Erzeugungsorientierte Parameter 34
5.2.9 Prozessorientierte Parameter 34
5.3 Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl 35
5.3.1 Erzeugung der Strahldiskontinuität 36
5.3.2 Erzeugungsorientierte Parameter 37
5.3.3 Prozessorientierte Parameter 37
5.4 Abrasivdruckwasserstrahl 38
5.4.1 Wasserabrasivinjektorstrahl 38
5.4.2 Wasserabrasivsuspensionsstrahl 39
5.4.3 Abrasivparameter 41
5.4.4 Mechanismen des Materialabtrags 42
5.4.5 Erzeugungsorientierte Parameter 43
5.4.6 Prozessorientierte Parameter 45
5.5 Modellierung des DWS-Trennens 46
5.5.1 Modelle für den Druckwasserstrahl 47
5.5.2 Modelle für den diskontinuierlichen Druckwasserstrahl 49
5.5.3 Modelle für den Abrasivdruckwasserstrahl 50
5.5.4 Modelle als Ersatz für Schnittversuche 51
5.5.5 Empirisches Modell des DWS-Trennens bei einer Operation 51
7 Nukleotomie – Projektphase 1 64
VII
8 Nukleotomie – Projektphase 2 83
8.1 Instrumente für die Druckwasserstrahl-Nukleotomie 83
8.2 Vergleich des Materialabtrags 84
8.2.1 Problem 84
8.2.2 Material und Methode 85
8.2.3 Ergebnis 86
8.2.4 Diskussion 86
8.2.5 Schlussfolgerung 86
8.3 Vergleich der Biomechanik 86
8.3.1 Problem 86
8.3.2 Material und Methode 87
8.3.3 Ergebnis 88
8.3.4 Diskussion 89
8.3.5 Schlussfolgerung 90
9 Nukleotomie – Projektphase 3 93
9.1 Problem 93
9.2 Material und Methode 93
9.3 Ergebnis 94
9.4 Diskussion 96
9.4.1 Schädigung 96
9.4.2 Schmerztherapie als Operationsziel 97
9.4.3 Ergebnisse bekannter Verfahren 97
9.5 Schlussfolgerung 98
10 Endoprothesenrevision – Projektphase 1 99
10.1 Druckwasserstrahl 99
10.1.1 Material und Methode 99
10.1.2 Ergebnis 99
10.1.3 Diskussion 100
VIII Inhaltsverzeichnis
16 Zusammenfassung 157
IX
17 Literatur 160
18 Glossar 189
19 Anhang 197
19.1 Gleichungen 197
19.2 Vorversuche 200
19.2.1 Vergleich potenzieller Bioabrasivstoffe 200
19.2.2 In-vitro-Prüfung des Instrumentariums für die DWS-Nukleotomie 201
19.2.3 Volumenbestimmung 203
19.2.3 Volumenbestimmung 203
19.3 Paravertebrale Weichgewebe im histologischen Bild 205
19.4 Eigenschaften der Materialien und Abrasivstoffe 208
19.4.1 Hartgewebe Kortikalis 208
19.4.2 Knochenzement 208
19.4.3 Technische Abrasivstoffe 209
19.4.4 Eigenschaften der Bioabrasive 209
19.5 Verfahren zur Härtebestimmung 213
19.6 Details zu Methoden zur Druckerzeugung 214
19.7 Schüttgutförderung 217
19.7.1 Schüttgüter 217
19.7.2 Förderung abrasiver Feststoffe 217
19.7.3 Zusammenfassung 220
19.8 Histologische Techniken 221
19.8.1 Allgemeine Übersicht 221
19.8.2 Histologische Färbeverfahren 222
19.9 Unabhängige und abhängige Variablen 224
19.10 Details zum biomechanischen Vergleich 224
19.11 Methoden zur Erfolgsbeurteilung 226
19.12 Statistische Sicherheit der empirischen Modelle der Weichgewebebearbeitung 229
19.13 Kerbflankenrauigkeit bei GMA und Laktose 230
19.14 Sonstiges 231
19.14.1 Votum der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg 231
19.14.2 Projektförderung 232
X Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8-8: Eingeleitete Kompressionskraft und die abhängigen Variablen Druck und Weg
über die Zeit. 88
Abbildung 8-9: Typische Hysteresekurven des Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der
relativen Höhe. 88
Abbildung 8-10: Bandscheibendruckdifferenz in Abhängigkeit von der Operationsmethode. 88
Abbildung 8-11: Bandscheibenhöhendifferenz in Abhängigkeit von der Operationsmethode. 89
Abbildung 9-1: DWS-Instrumentarium bei einer Operation am Patienten. 94
Abbildung 9-2: Subjektive Zufriedenheit 12 Monate nach der Operation. 95
Abbildung 9-3: Oswestry-Score in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 9-4: Schmerz in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 9-5: Finger-Bodenabstand in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt. 95
Abbildung 10-1: Kerbtiefe in Knochen und PMMA in Abhängigkeit vom Druck bei senkrecht
auftreffendem Strahl. 100
Abbildung 10-2: Typische Kerbbilder in Knochen im Vergleich zu PMMA. 100
Abbildung 10-3: Gemessene und berechnete Strahlkraft in Abhängigkeit vom Druck. 102
Abbildung 10-4: Errechnete und gemessene Kerbtiefen in Abhängigkeit vom Druck für
Knochen und PMMA. 103
Abbildung 10-5: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Druck und Frequenz. 105
Abbildung 10-6: Auf die hydraulische Leistung bezogene Kerbtiefen in Abhängigkeit von
Material und Frequenz. 106
Abbildung 10-7: Der Massenabtrag in PMMA in Abhängigkeit von Druck und Frequenz. 106
Abbildung 10-8: PMMA-Proben nach Bearbeitung mit dem DDWS. 106
Abbildung 10-9: Ansicht einer PMMA-Probe. 107
Abbildung 10-10: Beeinflussung von Stoß- und Staudruck durch die Frequenz. 107
Abbildung 10-11: Kerbtiefen mit dem ADWS in Abhängigkeit vom Druck. 110
Abbildung 10-12: Kerbtiefen mit DWS und ADWS in Abhängigkeit von Druck und Material.
111
Abbildung 10-13: Elektronenmikroskopie einer ADWS-Kerbe in Knochen. 112
Abbildung 10-14: Mit dem DWS und dem ADWS geschnittene Proben im Vergleich. 112
Abbildung 10-15: Ansicht einer PMMA-Kerbflanke mit dem ADWS. 112
Abbildung 10-16: Lichtmikroskopie der Zone 1. 112
Abbildung 10-17: Lichtmikroskopie der Zone 2. 113
Abbildung 10-18: Elektronenmikroskopie der Kerbwandung in Knochen. 113
Abbildung 10-19: Schemazeichnung der Strahloszillation und des resultierenden Kerbbildes.
114
Abbildung 10-20: Schematische Darstellung des zyklischen Abtragsprozesses in der Zone 2.
115
Abbildung 10-21: Schema des Kerbquerschnitts mit Bezeichnung der Zonen. 116
Abbildung 10-22: Schematische Darstellung des hypothetischen Abtrags durch eine
Kerbgrundreflexion. 116
Abbildung 10-23: Ansicht der Kerbflanken einer PMMA-Probe mit schrittweiser Reduktion der
Materialstärke. 117
Abbildung 10-24: Schematische Darstellung des relativen Verschleißes in Abhängigkeit von
der Partikelhärte. 118
Abbildung 10-25: ADWS-Schnittversuch an einem Plexiglaskeil. 118
Abbildung 10-26: Lichtmikroskopie der Abrasivpartikel vor und nach dem Schneiden. 119
Abbildung 10-27: Kerbtiefe in Abhängigkeit vom Massen- und Volumenstrom des
Abrasivmittels. 120
Abbildung 10-28: Schematische Darstellung einer ADWS-Kerbe. 120
Abbildung 10-29: Die Kerbbreiten, gemessen an der Oberfläche und an der engsten Stelle der
Kerben in Abhängigkeit vom Abrasivmassenstrom. 120
XIII
Abbildung 10-30: Schema der Energieverteilung und der daraus resultierenden Kerbbreite. 121
Abbildung 10-31: Die Kerbflanke einer mit GMA geschnittenen Plexiglasprobe. 122
Abbildung 10-32: PMMA-Probe, die nicht von einer Materialkante ausgehend geschnitten
wurde. 123
Abbildung 10-33: Lichtmikroskopie einer Kerbfront in PMMA. 123
Abbildung 11-1: Gemessene Strahlkraft in Abhängigkeit von Druck und Massenstrom. 125
Abbildung 11-2: Die gemessenen im Vergleich zu den errechneten Kerbtiefen in Abhängigkeit
von Druck und Massenstrom. 128
Abbildung 11-3: Gemessenen im Vergleich zu mit Gleichung 11-6 errechneten Kerbtiefen in
Abhängigkeit vom Druck. 129
Abbildung 11-4: Die gemessenen im Vergleich zu den mit dem Modell errechneten Kerbtiefen
in Abhängigkeit von Massenstrom und Druck. 131
Abbildung 12-1: Kerbtiefen des senkrecht auftreffenden Strahls in Abhängigkeit vom Druck.
133
Abbildung 12-2: Kerbtiefen des senkrecht im Vergleich zum mit 30° auftreffenden Strahls in
Abhängigkeit vom Druck in Knochen. 134
Abbildung 12-3: Typische Kerben in Knochenzement mit dem ADWS im Vergleich zum DWS.
134
Abbildung 12-4: Elektronenmikroskopie einer Kerbflanke in Knochen. 135
Abbildung 12-5: Im Kerbversuch gemessene und mit Modellen errechnete und Kerbtiefen in
Abhängigkeit vom Druck. 136
Abbildung 12-6: Lichtmikroskopie des Abtragsbildes an Poren in Knochenzement. 137
Abbildung 12-7: Knochen nach ADWS-Bearbeitung mit verschiedenen Winkeln. 137
Abbildung 12-8: Farbliche Markierung einer Kerbflanke in Knochenzement. 138
Abbildung 12-9: Bezug der Rillen zu den Poren in Knochenzement (schematisch). 138
Abbildung 13-1: Schema des Koordinatensystems der Spongiosaproben. 142
Abbildung 13-2: Schnittfugenwinkel in Abhängigkeit von Trennmethode, Druck und
Abrasivmassenstrom. 142
Abbildung 13-3: Rauigkeit der Kerbflächen in Spongiosa. 143
Abbildung 13-4: Lichtmikroskopien einer ADWS getrennten Spongiosaprobe und das
zugehörige Oberflächenprofil. 144
Abbildung 13-5: Schaumprobe zur Simulation der intertrabekulären Hohlräume. 146
Abbildung 13-6: Typischer Kerbquerschnitt mit negativem Schnittfugenwinkel für zwei
Abrasivmassenströme. 146
Abbildung 13-7: Histologische Schnitte von Spongiosaproben im Bereich der Trennfläche. 147
Abbildung 15-1: Operationsroboter mit einem ADWS-Strahlkopf. 156
Abbildung 19-1: Die Kerbtiefe in Abhängigkeit vom Abrasivmassenstrom für verschiedene
Bioabrasivstoffe. 200
Abbildung 19-2: Schema des Versuchaufbaus zur Druckmessung während der DWS-
Nukleotomie. 201
Abbildung 19-3: Schema zur Definition der Düsenpositionen. 202
Abbildung 19-4 Typischer Verlauf des Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der Zeit. 202
Abbildung 19-5: Der Bandscheibendruck in Abhängigkeit von der Düsenposition und der
Saugstärke. 202
Abbildung 19-6: Das Nukleusvolumen in Abhängigkeit vom Präparat. 204
Abbildung 19-7: Histologie von Fett. 205
Abbildung 19-8: Histologie eines Muskels. 205
Abbildung 19-9: Histologischer Querschnitt eines Rückenmarks 205
Abbildung 19-10: Histologie eines Spinalnervs. 206
Abbildung 19-11: Histologie eines Nukleus pulposus. 206
Abbildung 19-12: Histologie eines Anulus fibrosus. 206
XIV Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-1: Eigenschaften der vertebralen Weichgewebe und des Knochens als vertebrales
Hartgewebe. 15
Tabelle 7-1: Kerbtiefen in Abhängigkeit von Düsendurchmesser, Arbeitsabstand, Gewebe und
Druck. 65
Tabelle 7-2: Kerbtiefen für die Gewebe der Wirbelsäule. 68
Tabelle 7-3: Expansion (d/d0) für die Gewebe der Wirbelsäule. 73
Tabelle 7-4: Gewebetypische Faktoren der quadratischen Kurvenanpassung für die Expansion.
76
Tabelle 7-5: Gewebstypische Faktoren des empirischen Kerbtiefenmodells. 79
Tabelle 7-6: Materialtypische Abtragsenergie (ESP) für die Gewebe der Wirbelsäule. 80
Tabelle 9-1: Patientengut der Pilotstudie. 93
Tabelle 10-1:Kerbtiefen mit dem DWS an Rinderkortikalis und PMMA. 101
Tabelle 10-2 : Kerbtiefen für das Hartgewebe Kortikalis (Rind) und das Biomaterial
PMMA. 111
Tabelle 10-3: Die Härten der Materialien und einiger Abrasivstoffe. 118
Tabelle 19-1: E-Modul von humaner Kortikalis in Zug- und Druckrichtung im Vergleich zu
Rinderkortikalis231;232. 208
Tabelle 19-2: Zug- und Druckfestigkeit von humaner Kortikalis im Vergleich zu
Rinderkortikalis231;232. 208
Tabelle 19-3: Mechanische Eigenschaften im Vergleich zwischen Technovit und Refobacin-
Palacos und CMW-3. 208
Tabelle 19-4: Vergleich der mechanischen Eigenschaften von CMW-3-Knochenzement bei
verschiedenen Anmischtechniken160;181. 208
Tabelle 19-5: Klassifizierung der Korngröße nach König124;170. 209
Tabelle 19-6: Lichtmikroskopie des Abrasivstoffs Garnet* (GMA) und seine
Zusammensetzung. 209
Tabelle 19-7: Aminosäuren und ihre wichtigsten Eigenschaften. 212
Tabelle 19-8: Der Volumenstrom des Wasserstrahlskalpells in Abhängigkeit von Druck und
Düsendurchmesser. 214
Tabelle 19-9: Farbliche Darstellung verschiedener Gewebskomponenten in Abhängigkeit von
der Färbemethode. 223
Tabelle 19-10: Unabhängige und abhängige Variablen. 224
Tabelle 19-11: Bestimmtheitsmaß r2 für die linearen Korrelationen zwischen Druck und
Kerbtiefe sowie für die quadratischen Korrelationen zwischen Druck und
Expansion. 229
XVI Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
Die Bearbeitung von lebenden Geweben und Der Begriff der „Präparation“ umschreibt
Organen stellt eine Besonderheit dar: Die einen operativen Trennprozess, der nicht nur
Operation am Biomaterial ist immer mit ei- geometrischen, sondern auch funktionellen
nem direkten Eingriff in den lebenden Orga- Zielparametern folgt. Bei der Präparation
nismus verbunden. Der Erfolg der Operation eines Nervs oder eines Blutgefäßes legt der
ist nicht unerheblich vom Ausmaß dieser Operateur eine Struktur frei, ohne sie in ihrer
Traumatisierung abhängig. Obwohl die Ziele funktionellen Integrität zu beeinträchtigen.
einer Operation, wie z.B. die Linderung von Das Präparieren selbst subsummiert ver-
Schmerzen, in den Ingenieurswissenschaften schiedenste Trennverfahren (z.B. Scher-
nicht eingeführte Parameter sind, haben auch schneiden, Messerschneiden oder Reißen) in
im Operationssaal die Begriffe der Ferti- einer individuell vom Operateur abhängigen
gungstechnik Gültigkeit. Zwar beruht die Art und Reihenfolge. Der Erfolg der Präpa-
orthopädische Chirurgie zu großen Teilen auf ration ist in erster Linie an Begabung, Erfah-
handwerklichen Fähigkeiten, aber besonders rung und Aufmerksamkeit des Chirurgen
in den letzten Jahren wurde der Schulter- gebunden.
schluss zu industriellen Standards vollzogen: Die Situation der Operation unterscheidet
Die Verwendung der Daten aus den Schnitt- sich darüber hinaus in einem ganz entschei-
bildverfahren Computer- und Kernspintomo- denden Punkt von industriellen Prozessen:
grafie macht es heutzutage möglich, Operati- Das Material, also das Gewebe, ist für den
onen patientenindividuell im dreidimensio- Patienten oft unersetzbar. Der weitere Ver-
nalen Raum zu planen und mit definierten lauf der Krankheit oder sogar sein Leben
Fertigungstoleranzen umzusetzen. Hierzu können davon abhängen.
verwendet man z.B. Roboter (Abbil-
dung 1-1)132.
Ein Beispiel dafür stellt die Neurochirurgie Neben der langen und deshalb komplikati-
dar: Das Gehirn ist in bestimmten Arealen onsträchtigen Operation erschwert diese
unverzichtbar. Schon minimale Materialver- Schädigung des Knochens die Verankerung
luste, z.B. im Sprachzentrum, entscheiden einer neuen Prothese.
über die Zukunft des Patienten. Gefragt ist also ein Trennverfahren, das ei-
In der orthopädischen Chirurgie ist die Dra- nerseits den Verlust des Gewebes minimiert
matik naturgemäß geringer, aber auch hier und andererseits sowohl geometrische als
finden sich Situationen, in denen wichtige auch funktionelle Zielparameter erfüllt.
Gewebe der Unzulänglichkeit der Trennver- Die Druckwasserstrahltechnik umfasst eine
fahren geopfert werden müssen: Die Entfer- Gruppe von Trennverfahren, die nicht nur in
nung einer infizierten, aber fest verankerten der Industrie immer häufiger zum Einsatz
Hüftendoprothese ist z.B. nur mit großen kommen. Das Trennen mit Druckwasser-
Knochensubstanzverlusten möglich (Abbil- strahlen (DWS) weist einige Eigenschaften
dung 1-2), weil im dünnen Spalt zwischen auf, die bei der Bearbeitung von lebendem
Knochen und Prothese herkömmliche Werk- Gewebe von Vorteil sein könnten: Einerseits
zeuge versagen. ist der Trennprozess nahezu athermisch, an-
dererseits sind die Kräfte, die auf das Mate-
rial einwirken, vergleichsweise gering. Die
Eigenschaften des Materials haben beim
Druckwasserstrahltrennen einen überaus gro-
ßen Einfluss auf das Abtragsergebnis: Die
Materialparameter determinieren ganz we-
sentlich Art und Menge des Abtrages. Da-
durch ist die Chance für einen materialselek-
tiven Abtrag bei diesem Trennverfahren ge-
geben.
Diese Arbeit untersucht die Möglichkeiten
und Grenzen der DWS-Technik für die An-
wendung in der orthopädischen Chirurgie. Da
diese Anwendung neu ist, mussten sowohl
präklinische als auch anwendungsnahe klini-
sche Studien durchgeführt werden, um die
Technologie in die Nähe des orthopädischen
Patienten zu bringen.
Die Arbeit dokumentiert ein interdisziplinä-
res Projekt zwischen einer Technischen Uni-
versität und einem Krankenhaus. Es werden
daher zum Teil in der Medizin geläufige Be-
Abbildung 1-2: Bei der Revision entfernte Hüften-
doprothese.
griffe in Klammern erklärt. Außerdem wurde
Deutlich erkennbar sind die auf der Pfanne und dem der Arbeit ein Glossar angefügt (S.189). Dies
Stiel verbliebenen Knochenreste. soll dazu beitragen, den Inhalt gleichermaßen
für den Ingenieur und den Mediziner lesbar
zu machen.
3
den Vorteil, dass neben der Trennung von schen Zeit bis heute kaum gewandelt: Beim
Geweben eine Thermokoagulation, also ein Trennen eines Gewebes im lebenden Orga-
Verschließen der kleineren Blutgefäße statt- nismus werden immer auch andere Gewebe,
findet. Die wärmeinduzierte Proteindenatu- die anderen funktionellen Systemen oder
rierung (eigentlich eine Gewebeschädigung) Organen zugeordnet sind, in Mitleidenschaft
ist unter diesem Gesichtspunkt ein Vorteil gezogen. Häufigstes Beispiel hierfür ist die
dieser Trennverfahren. Verletzung des Gefäßsystems mit resultie-
Das Schneiden mit Ultraschall findet insbe- render Blutung. Ebenso ist die Nervenschä-
sondere in der Weichteilchirurgie Anwen- digung eine nicht seltene Komplikation. Der
dung230;298. Wirkbereich der bisher bekannten chirurgi-
Die Zerstörung der Funktion bestimmter Ge- schen Trennverfahren ist in erster Linie geo-
webeareale ohne deren chirurgische Entfer- metrisch und nicht funktionell begrenzt. Die
nung zählt zu den neueren medizinischen neueren Technologien (Elektroschneiden,
Verfahren, wobei der „Abtrag“ des nekroti- LASER und Ultraschall) bieten unter diesem
schen (toten) Gewebes dem Organismus Gesichtspunkt kaum Vorteile gegenüber dem
überlassen bleibt. Weiträumig bekannt ist die klassischen Messerschneiden.
Bestrahlung von Tumoren, ein nicht chirurgi- Lediglich die Präparation mit der Schere
sches Verfahren, das jedoch ähnliche Zielpa- durch Spreizen der Branchen ermöglicht eine
rameter wie die Tumoroperation verfolgt. Unterscheidung der Gewebe, so dass wich-
Auch lokal begrenzte Wärme- oder Kältean- tige Strukturen wie Nerven oder Gefäße im
wendungen sowie die Mikroembolisation von Trennprozess geschont werden können.
kleinen Gefäßen, die zu einer Nekrose des Durch das Aufspreizen der Schere kann der
Versorgungsgebiets führt, finden Anwen- Operateur eine Zugkraft ausüben. Dies er-
dung. laubt eine Differenzierung unterschiedlicher
Der Verschluss der Operationswunde ist der Gewebe über die Materialeigenschaft Zug-
Hauptgruppe „Fügen“ (DIN 85801) zuzu- festigkeit. Während z.B. die Blutgefäße die-
ordnen. Hier findet am ehesten das „textile ser Zugkraft widerstehen, wird das Binde-
Fügen“ in Form von unterschiedlichen Naht- gewebe, das die Gefäße umgibt, getrennt
techniken Anwendung; aber auch Klebetech- (Abbildung 2-1).
niken sind übliche Prozeduren. Fügen durch Hierbei handelt es sich aber nicht um eine
An- und Einpressen findet sich z.B. in der verfahrenstechnisch gebundene Qualität,
Verankerung zementfreier Endoprothesen: sondern vielmehr um eine von der Erfahrung
Hier wird der Prothesensitz im Knochen mit des Operateurs abhängige Gewebsdifferen-
einem Untermaß gefertigt und die Prothese in zierung.
diese Passung eingetrieben (press-fit), so dass In der orthopädischen Chirurgie finden sich
sich die Primärstabilität der Prothese aus Situationen, in denen aufgrund der räumli-
einer Kombination von Kraft- und Form- chen Verhältnisse diese Gewebsdifferenzie-
schluss ergibt. rung durch den Operateur nicht möglich ist:
Abbildung 2-1: Gewebspräparation durch das Abbildung 2-2: Mit einem LASER getrennte Mus-
Spreizen einer Schere. kelprobe.
Man sieht, wie die Blutgefäße ( ) der Zugkraft Links: Makroskopisch und
widerstehen, während das Bindgewebe (*) zwischen rechts: Mikroskopisch sieht man eine Nekrosezone
den Branchen der Schere zerrissen ist. (Pfeile) die breiter als der Schnitt selbst ist.
Bei der Operation eines Bandscheibenvor- deshalb beim Mikroschneiden wie z.B. zum
falls oder beim Entfernen von Knochenze- Trennen von DNA-Ketten benutzt254. Im Be-
ment während eines Endoprothesenwechsels reich der Augenheilkunde werden sie ver-
sind die räumlichen Verhältnisse so beengt, wendet um im Falle einer Fehlsichtigkeit
dass eine Gewebs- oder Materialdifferenzie- Material von der Cornea (Hornhaut) abzutra-
rung nur dann möglich ist, wenn sie an das gen. Es werden auch beim UV Laser Nekro-
Trennverfahren gebunden ist. sezonen von 0,1mm berichtet111;289.
Ein zweites Problem stellt die Gewebsschä- Das Trennen von Geweben des Stütz- und
digung durch die Trennverfahren dar. Da in Bewegungsapparats mit Hochdruckflüssig-
allen Geweben Proteine enthalten sind, die keitsstrahlen stellt eine Alternative zu be-
schon bei 42°C denaturieren können, ist in kannten Verfahren dar. Im Gegensatz zum
erster Linie die thermische Schädigung zu Trennen mit geometrisch bestimmten
nennen. Mag dies in einigen Fällen zur Koa- Schneiden oder mit dem LASER sind für den
gulation (Blutstillung erwünscht sein, so ist Hochdruckflüssigkeitsstrahl im menschlichen
sie besonders dann von großem Nachteil, Gewebe die Materialparameterunterschiede
wenn die biologische Potenz, also die Vitali- groß genug, um einen unterschiedlichen Ma-
tät des Gewebes wichtig ist. Hier haben be- terialabtrag verschiedener Gewebe grund-
sonders die neuen Technologien wie LASER sätzlich möglich zu machen. Dies kann für
oder Hochfrequenzschneiden erhebliche eine Gewebsselektion genutzt werden. Dar-
Nachteile. Eine mit dem Neodym-Yag- über hinaus entsteht beim Trennen mit Flüs-
LASER getrennte Muskelprobe zeigt z.B. sigkeitsstrahlen systembedingt keine hohe
eine thermische Schädigung des Gewebes in Prozesswärme. Es ist daher zu erwarten, dass
Form einer Nekrose (Gewebstod, Abbil- auch die thermische Schädigung des Gewe-
dung 2-2). UV-Laser haben grundsätzlich bes sehr gering ist.
günstigere Abtragseigenschaften durch hohe An einer Flüssigkeitsstrahl- getrennten Mus-
Verdampfungsraten infolge hoher Strahlin- kelprobe kann auch mikroskopisch keine
tensitäten mit kleiner zeitlicher und räumli- Nekrosezone nachgewiesen werden (Abbil-
cher Wirkauflösung. Sie werden dung 2-3).
6 Verfahren bei Operationen
Neurochirurgie
Die Neurochirurgen nutzen den DWS z.B.
bei der Entfernung von Hirntumoren. Beson-
ders im Gehirn kommt es auf eine schonende,
aber effektive Blutstillung an, denn die an
pW=3MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE. das Operationsgebiet angrenzenden Hirn-
Abbildung 2-4: DWS-Schnitt einer Leber. areale sind meist funktionell von äußerster
Links: Makroskopisch finden sich unverletzte Blutge- Wichtigkeit. In der ersten Publikation im
fäße, die die Kerbe kreuzen. Gebiet der Neurochirurgie wurde das Wasser
Rechts: Mikroskopisch erkennt man unverändertes
Parenchym (Organgewebe) neben der Kerbe und ein noch mit Spritzen appliziert282. Spätere Stu-
unversehrtes Kapillargefäß (Pfeil). dien belegten, dass das Hirngewebe schon
mit einem Druck von pW=0,5MPa bearbeitet
werden kann. In histologischen Untersuchun-
Urologie gen konnte keine Nekrosezone nachgewiesen
In der Urologie stellt der DWS eine Alterna- werden (Abbildung 2-6)281.
tive in der organerhaltenden Nierenchirurgie Bei der operativen Entfernung von Tumoren
dar (Abbildung 2-5). des Großhirns werden die Selektivität, feh-
Mit herkömmlichen Methoden waren Blu- lende thermische Effekte und das leichte
tungen und Urinfisteln nicht selten. Die Handling des DWS-Werkzeugs hervorgeho-
Komplikationsrate konnte durch die Anwen- ben224.
dung der DWS-Technologie deutlich redu- Auch hier gibt es erste endoskopische An-
ziert werden24;25. Das DWS-Trennen macht wendungen im Hirnventrikelsystem (Raum
es auch hier möglich, diese Eingriffe lapa- des Liquors = Flüssigkeit, in der Gehirn und
roskopisch durchzuführen256;257. Rückenmark schwimmend gelagert sind)147.
8 Verfahren bei Operationen
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Der DWS ist ein ideales Werkzeug, um Tu-
more im Bereich der Glandula parotis (Ohr-
pW=1MPa, dD=0,1mm, s=5mm, HE. speicheldrüse) zu entfernen191;263. Innerhalb
Abbildung 2-6: DWS-Schnitt eines Hirns.
der Parotis zweigt sich der wichtigste motori-
Links: Makroskopisch sieht man einen Kerbschnitt sche Gesichtsnerv auf. Mit dem DWS ist der
der Hirnrinde. Chirurg in der Lage, das Drüsengewebe zu
Rechts: Im histologischen Präparat findet man unmit-
telbar neben der mit Tusche markierten Kerbe unge-
trennen, ohne diesen Nerven zu verletzen.
schädigte Nervenzellen. Eine ähnliche Situation findet sich in der
Zungenchirurgie. Auch hier werden Gefäß-
und Nervenstrukturen geschont, wenn ein
Diese mikroinvasiven Eingriffe sind für den Teil der Zunge entfernt werden muss.
Patienten wesentlich schonender als die kon-
ventionellen offenen Operationen. Die hier angeführten Beispiele aus verschie-
den Gebieten der Medizin zeigen, dass die
Augenheilkunde Selektivität als einer der entscheidenden
In der Augenheilkunde wird vom bisher ex- Vorteile zu werten ist. Der Begriff „Selekti-
perimentellen Einsatz der DWS-Technik be- vität“ bedeutet im medizinischen Kontext,
richtet, um die bei der Katarakt (Grauer Star) dass der chirurgische Prozess in einem funk-
getrübten Linsenanteile aus dem Auge zu tionellen System stattfindet, ohne dass un-
entfernen291. Auch in der Kataraktchirurgie mittelbar benachbarte Systeme verletzt oder
steht die Selektivität des Verfahrens im Vor- in ihrer Funktion gestört werden. Beispiels-
dergrund. Der Linsenkern wird abgetragen, weise wird Lebergewebe getrennt, ohne das
während die etwas festere Linsenkapsel un- funktionelle System des Blutkreislaufs oder
beschädigt bleibt. Es ist extrem wichtig, die der Gallengänge zu beeinflussen.
Kapsel der Linse bis auf die letzten Zell- In den zitierten medizinischen Publikationen
schichten zu „polieren“, weil von verbliebe- wird das DWS-Trennen ausschließlich aus
nen Zellresten der gefürchtete Nachstar aus- der Sichtweise des Mediziners beschrieben.
gehen kann. Auch hier zeigt der DWS deutli- Die „funktionelle Selektivität“ des DWS bei
che Vorteile gegenüber klassischen Metho- bestimmten erzeugungs- und prozessorien-
den292. tierten Parametern ist aber an mechanische
Eigenschaften der Gewebe, also an Material-
Plastische Chirurgie parameter gebunden.
In der plastischen Chirurgie nutzt man den Bisher offen ist die Frage, ob sich die DWS-
DWS zur Ausdünnung der Haut und zur Zer- Technik auch zum Trennen von Geweben
kleinerung von Fettgewebe, welches dann und Biomaterialien des orthopädischen Fach-
abgesaugt wird262. gebiets eignet.
9
Die Verwendung der DWS-Technik in der schicklichkeit und Erfahrung spielt bei der
orthopädischen Chirurgie ist nur zu rechtfer- Materialbearbeitung, der Auswahl der
tigen, wenn daraus deutliche Vorteile für den Trenntechnik und der Wahl der Parameter
Patienten und für das Gesundheitssystem eine wesentliche Rolle.
resultieren.
In diesem Kapitel werden orthopädische
Krankheitsbilder und zugehörige Operations- 3.2 Empirisches Modell zu Trenn-
verfahren mit ihren Vor- und Nachteilen vor- prozessen bei einer Operation
gestellt. Ein empirisches Modell zu Trenn-
prozessen bei einer Operation soll es ermög- Das Trennverfahren in einer Operation wird
lichen, die bekannten Trennverfahren und die in der Regel aufgrund der erzielten Schnitt-
Druckwasserstrahltechnik in der spezifischen qualität und Schnitteffektivität ausgewählt
Operationsanwendung zu analysieren. (Abbildung 3-1). Die Ansprüche an die
Qualität der Schnittflächen sind zum Teil
sehr unterschiedlich. Eine hohe Qualität hat
3.1 Ziel einer Operation aber in der Regel eine geringe Effektivität zur
Folge.
Das übergeordnete Ziel einer Operation ist, Die Effektivität wiederum ist ein wesentli-
wie bei jeder ärztlichen Handlung, die Wie- cher Faktor für die Operationszeit und somit
derherstellung oder Bewahrung der Gesund- letztendlich für die Effizienz der Trennme-
heit. Dies reduziert sich bei orthopädischen thode. Die perioperative Morbidität ist defi-
Operationen in der Regel auf die Linderung niert als die Wahrscheinlichkeit, dass ein
von Schmerzen und/oder den Erhalt bzw. die Patient durch den operativen Eingriff eine
Verbesserung der Funktion des Stütz- und neue Erkrankung davonträgt. Beispiel dafür
Bewegungsapparats. wäre eine Thrombose, eine Lungenembolie
In Hinblick auf die Erfüllung des übergeord- oder eine Infektion. Die perioperative Morbi-
neten Operationsziels werden die dazu ge- dität ist grundsätzlich positiv korreliert mit
nutzten Trennverfahren anhand verschie- der Operationszeit und dadurch auch abhän-
denster Zielparameter, wie z.B. Effektivität gig von der Effektivität des Trennprozes-
und Qualität und nach der Effizienz ausge- ses221;285
wählt. Das Bewertungskriterium „Schädigung“ lei-
Jedes Trennverfahren verfügt über erzeu- tet sich aus der von Hippokratesa formulierten
gungsorientierte und prozessorientierte Pa- Grundregel für ärztliches Handeln „Nihil
rameter, die vom Operateur vor oder während nocere“ ab113. Jeder Trennprozess birgt
des Trennprozesses gewählt werden müssen. Schädigungsrisiken sowohl für den Patienten
Hierzu gehört z.B. die Energiedichte bei der als auch für das medizinische Personal, wel-
Verwendung eines LASERS (erzeugungsori- ches das Trennwerkzeug bedient.
entierter Parameter) oder die Vorschubge-
schwindigkeit einer oszillierenden Sägema-
schine (prozessorientierter Parameter). Die
Qualität des Operateurs in Form von Ge-
a
Hippokrates von Kos, um 460 - 370 v. Chr.
10 Probleme bei orthopädischen Operationen
Chirurgisches Trennverfahren
Erzeugungsorientierte Prozessorientierte
Parameter Geschwindigkeit Parameter
Qualität des
Operateurs
Zielparameter
Schädigung des zu
Schnittrauigkeit Schnitttiefe trennenden Materials
Schädigung des
Schnittgeometrie Schnittbreite Gewebeverbundes
Schädigung von
benachbartem Gewebe
Fernschäden
Perioperative Morbidität
Bei der Schädigung des Patienten kann zwi- die Verletzung eines Nervs sind Beispiele für
schen vier Schadensklassen unterschieden die Schadensklasse III.
werden (Abbildung 3-1):
Fernschäden (Schadensklasse IV):
Schädigung des zu trennenden Materials Fernschäden können vom Trennprozess sel-
(Schadensklasse I): ber z.B. durch in den Organismus einge-
Unter dieser Schadensklasse sind Schäden in brachte Stoffe ausgelöst werden. Fernschäden
Form von Materialabtrag oder Materialver- können auch Folge der Schadensklassen 2
änderung in unmittelbarer Umgebung der und 3 sein. Wird z.B. das Gefäßsystem er-
eigentlichen Schnittfuge subsummiert. Als öffnet und Luft in das venöse System einge-
Beispiel sei die thermische Schädigung der bracht, so kann es zu einer Luftembolie
Schnittflächen beim LASER-Schneiden ge- kommen, die unter Umständen zum soforti-
nannt (Abbildung 2-2, S.5). gen Tod des Patienten führen kann. Die
Schäden jeder Schadensklasse verlängern die
Schädigung des Gewebeverbundes Operation und können den Operationserfolg
(Schadensklasse II): in Frage stellen. Sie beeinflussen also die
Schäden an Gewebe, das mit dem zu tren- perioperative Morbidität.
nenden Material in unmittelbarer Verbindung Ein weiterer Faktor, der bei der Bewertung
steht, sind meistens unvermeidlich. Das an- von Trennverfahren berücksichtigt werden
schaulichste Beispiel ist die Verletzung von muss, ist die Sicherheit des medizinischen
kleinen Blutgefäßen, die das zu trennende Personals. Diese kann einerseits durch Ver-
Material durchziehen und versorgen. Auch haltensregeln, andererseits durch Schutzvor-
die Verletzung von Nervenästen, die mit dem richtungen gewährleistet werden. Die Ar-
zu trennenden Material im Verbund stehen, beitssicherheit kann aber auch bedingen, dass
ist zu diesen unmittelbaren Schädigungen zu Qualität und Effektivität des Trennprozesses
zählen. beeinflusst werden.
In den 1980er Jahren wurden mikroinvasive einer Schrumpfung des Nukleus pulposus
Verfahren entwickelt, die auf einen offenen führen148.
und direkten Zugang zur Bandscheibe ver- Die Automatisierte Perkutane Lumbale
zichten63;64;127;128;192;268. Diskotomie (APLD) ist ebenfalls weit ver-
Der dorsolaterale Zugang (Abbildung 3-3) er- breitet128;192. Die APLD erzielt den
möglicht es, durch zentrale Druckentlastung Materialabtrag mit Hilfe eines in die Band-
im Nukleus pulposus eine indirekte Reduk- scheibe eingeführten Gerätes zum Scher-
tion des Drucks im prolabierten Gewebe zu schneiden. Es wird im medizinischen
erreichen (Abbildung 3-4)54;56. Sprachgebrauch als Saugstanze bezeichnet
Vorteil dieser Methode ist einerseits die (Abbildung 3-5).
Möglichkeit des mikroinvasiven Vorgehens
durch eine Stichinzision, andererseits die
Tatsache, dass der Spinalkanal und die Ner- pneumatischer Antrieb
venwurzeln nicht tangiert werden. So ist eine
klinisch relevante Narbenbildung nahezu
ausgeschlossen. Die mikroinvasive Nukleo-
tomie beschränkt sich auf Protrusionen
(Bandscheibenvorwölbungen) oder nicht se-
questrierte Vorfälle (Bandscheibenvorfälle,
Sauger Schneiden
die noch mit dem Gallertkern in Verbindung
stehen).
Abbildung 3-5: Schema zum Aufbau des APLD-
Werkzeugs.
scheibe geschlossen ist, damit das aggressive ckenmark bzw. die Spinalnerven verlaufen.
Enzym nicht in den Spinalkanal eindringen Die Spinalnerven ziehen jeweils zwischen
kann. Meist verspürt der Patient durch den zwei Wirbelkörpern in die Peripherie.
chemischen Reiz zunächst eine deutliche Die Nähe der Bandscheibe zum Spinalkanal
Verschlimmerung seiner Beschwerden im bedingt, dass bei operativen Eingriffen die
Sinne einer chemischen Diszitis (Entzündung neurologischen Strukturen potenziell gefähr-
der Bandscheibe). Zusätzlich besteht ein det sind. Daraus ergibt sich für eine Scha-
nicht geringes Risiko auch lebensbedrohli- denklassifizierung nach dem empirischen
cher allergischer Reaktionen43;200. Modell zu Trennprozessen bei einer Opera-
Die Ergebnisse der APLD sind klinisch nach tion (Abbildung 3-1, S.10) die Notwendig-
eigener Erfahrung nicht zufrieden stellend keit, alle in der Abbildung 3-6 bezeichneten
und stehen in keiner guten Relation zum wirbelsäulennahen Gewebe zu untersuchen.
Zeitaufwand. Die Erfolgsraten werden in der
Literatur mit 37% bis 89% angegeben193;236.
Der LASER ist nicht selektiv, d.h., er bear-
beitet gleichermaßen Nukleus pulposus und
Anulus fibrosus45;226. Tritt der LASER-Strahl
aus dem Anulus fibrosus aus, so wird im
schlimmsten Fall Nervengewebe verletzt.
LASER-Anwendungen sollten daher endo-
skopisch kontrolliert werden. Die bei einer
LASER-Operation entstehende Hitze kann zu
einem starken Temperaturanstieg innerhalb
der Bandscheibe führen. Die so herbeige-
führte Nekrose von Nukleus- und Anulus-
zellen kann zu einer Segmentinstabilität bei- Abbildung 3-6: Schematische Darstellung eines
Teilbereichs der Lendenwirbelsäule.
tragen45.226 Die bei einer Nukleotomie relevanten Gewebe sind
bezeichnet. Die obere Bandscheibe zeigt einen Vorfall
mit Bedrängung eines Spinalnervs.
3.3.2 Anatomie und Gewebstypisierung
Die Wirbelsäule ist das zentrale Achsorgan Die Gewebe haben sehr unterschiedliche
des menschlichen Körpers. Einerseits dient Funktionen, was sich auch an den sehr unter-
sie als Vielgelenkkette der Rumpfbeweglich- schiedlichen Materialeigenschaften ablesen
keit, andererseits als Schutz für Strukturen lässt (Tabelle 3-1). Eine weitergehende histo-
des zentralen (Rückenmark) und des periphe- logische Typisierung findet sich im Anhang
ren Nervensystems (Spinalnerven). Die Wir- (S.205).
belsäule besteht aus einzelnen Wirbeln, die
untereinander durch die Bandscheibe, Ge-
lenke und Bänder miteinander in Verbindung
stehen. Direkt dorsal der Wirbelkörper befin-
det sich der Spinalkanal, in dem das Rü-
Nukleotomie 15
Die Erfahrungen und Ergebnisse der DWS- Dies kann im schlimmsten Falle zur Quer-
Anwendung in anderen Bereichen der Medi- schnittslähmung führen. Daher ist es nicht
zin geben Anlass zu der Hypothese, dass nur wichtig, die Parameter für die Bearbei-
auch im Bereich der Bandscheibenchirurgie tung des Zielmaterials „Nukleus pulposus“ zu
die Vorteile der Gewebsselektivität zu nutzen kennen. Der Chirurg muss wissen, welche
sind. Die Anatomie der Bandscheibe mit dem grundsätzliche Gefährdung vom DWS aus-
faserigen Anulus fibrosus und dem zentralen geht. Vor einer klinischen Anwendung müs-
gallertartigen Nukleus pulposus impliziert die sen daher Daten zur Wirkweise des DWS an
Möglichkeit, das Nukleusgewebe mit einem allen vertebralen Geweben vorliegen.
Hochdruckwasserstrahl selektiv zu bearbei-
ten, ohne den Anulus fibrosus zu schädigen. Schadensklasse I:
Hauptanforderung an den Einsatz eines DWS Schäden am Material selbst wären denkbar in
für die mikroinvasive Nukleotomie ist die Form einer Veränderung der mechanischen
Entfernung von Nukleusgewebe, also der Eigenschaften des Nukleus pulposus durch
volumetrische Abtrag, der sich aus Schnitt- die Strahlflüssigkeit oder eine Erhöhung des
breite und -tiefe ergibt. Die Schnittqualität intradiskalen Drucks.
spielt bei dieser Anwendung keine besondere
Rolle. Schadensklasse II:
Eine gefürchtete Komplikation bei jeder Art Die Gefahr von Blutungen ist beim Nukleus
von Wirbelsäulenoperationen ist jegliche pulposus nicht gegeben, weil dieser keine
Verletzung der Spinalnerven oder des Rü- Gefäße besitzt, denn er wird ausschließlich
ckenmarks. über Diffusion ernährt. Auch befinden sich
16 Probleme bei orthopädischen Operationen
ohne Prothese
mit Prothese
Partikel Abbildung 3-8: Schematische Darstellung der Ver-
ankerungsprinzipien von Hüftendoprothesen.
Osteolysen Knochen- Links: zementierter Prothesenstiel.
Rechts: zementfreier Prothesenstiel.
atrophie
Bei zementierten Prothesen kann zwar in der Ein wesentlicher Nachteil der genannten
Regel der metallische Prothesenstiel aus dem Techniken ist die fehlende selektive Arbeits-
Zementköcher extrahiert werden, aber auch weise. Bei der ESWL werden auch im an-
der im Knochen verbliebene Zement stellt grenzenden Knochengewebe elektronenmik-
den Operateur vor große Probleme (Abbil- roskopisch nachweisbare Mikrobrüche er-
dung 3-10)216. zeugt (Schadensklasse II). Ultraschall und
Bisher beschriebene Alternativen zu den her- LASER schädigen den Knochen zusätzlich
kömmlichen Werkzeugen haben sich aus thermisch. ESWL, Ultraschall und LASER
unterschiedlichen Gründen klinisch nicht zeigen hinsichtlich der erzielbaren Material-
durchgesetzt. Weder die extrakorporale abtragsrate keine wesentlichen Vorteile im
Stoßwellenlithotrypsie (ESWL), die Mikro- Vergleich zu herkömmlichen Werkzeugen.
brüche im Knochenzement generieren und Eine intraoperative Anwendung der DWS-
die Scherkraftbelastbarkeit herabsetzen Technologie zum Trennen von Knochen oder
156;196;288
soll noch das Aufschmelzen und anderen harten Biomaterialien wurde bisher
anschließende Entfernen des Zements durch nicht beschrieben, obwohl der verfahrensbe-
Ultraschallsonden48;49;94;139;163 oder die dingt athermische Abtragsvorgang von bio-
252;307
LASER-Anwendung führten zum logischem Vorteil sein könnte.
Durchbruch.
Lediglich Giraud et al. erwähnten 1991 die Ein Osteon ist jedoch keine abgeschlossene
grundsätzliche Möglichkeit, mit einem DWS isolierte Baueinheit, sondern Teil eines zu-
Knochen zu schneiden, ohne über Ergebnisse sammenhängenden Systems:
zu berichten98. Untereinander und mit den Gefäßen von Pe-
riost (Knochenhaut) und Markraum sind
Osteone durch perforierende, radiär angeord-
3.4.2 Gewebs- und Materialtypisierung nete Gefäße, die Volkmann-Kanäle, verbun-
den.
Kortikaler Knochen Der Knochen ist demnach ein Verbundwerk-
Kleinste Baueinheit des Knochengewebes ist stoff, bestehend aus organischen Kollagenfa-
das Osteon (auch Havers-System genannt). serbündeln und der anorganischen Hydroxyl-
Diese in unterschiedlicher Größe vorkom- apatitgrundsubstanz. Innerhalb einer Lamelle
mende zylindrische Struktur ist 5–20mm lang verlaufen die Kollagenfibrillen als spitz-
und hat eine zentrale, 20–300µm weite Röhre winklig kreuzende Gitter mit insgesamt
(Havers-Kanal), die Blutgefäße und Nerven schraubenförmigem Verlauf. Durch den ge-
enthält (Abbildung 3-11). genläufigen Verlauf der Kollagenfibrillen
Die Osteone sind in Richtung der hauptsäch- von Lamelle zu Lamelle entstehen bei Druck-
lichen Druck- bzw. Zugspannung, also im und Zugbelastung Flächenpressungen, die
Diaphysenbereich parallel zur Röhrenkno- zusätzlich die Festigkeit erhöhen68. Aus den
chenlängsachse ausgerichtet. Jedes Osteon ist Fasersystemen benachbarter Lamellen mün-
aus 4–20 konzentrisch um den Havers-Kanal den Fasern ein und festigen hierdurch den
angeordneten Lamellen aufgebaut, die 5– Zusammenhalt zwischen den Lamellen.
10µm dick und durch ca. 0,1µm dünne Ze- Diese hochorganisierte Struktur hat zur
mentschichten voneinander getrennt sind47. Folge, dass die mechanischen Eigenschaften
des Knochens richtungsabhängig sind.
Knochengewebe ist in longitudinaler Rich-
tung um ca. 3% und senkrecht dazu um 0,7%
elastisch verformbar27;210;233;280.
Die Energieabsorption eines solchen Materi-
als ist aufgrund der an ihm zu leistenden
Formveränderungsarbeit größer als die eines
spröden Werkstoffs gleicher Druck- und Zug-
festigkeit. Daher ermöglicht die plastische
Verformung von Knochengewebe eine relativ
hohe Energieabsorption bis zum Erreichen
der Bruchgrenze233. Die plastische Verfor-
mung von Knochen unterscheidet sich von
der von Metallen, wobei die zu Grunde lie-
genden Vorgänge noch nicht endgültig ge-
MG+EvG. klärt sind. Es wird angenommen, dass Oste-
Abbildung 3-11: Histologie einer Femurkortikalis.
one gegeneinander verschoben und die Ze-
Man erkennt die um den zentralen Havers-Kanal (*) mentlinien zerstört werden233.
angeordneten Knochenlamellen und die Zellkerne der
Osteozyten (Knochenzellen, Pfeile).
20 Probleme bei orthopädischen Operationen
3.5 Endoprothesenimplantation
und Osteotomie
Der Antrieb ist pneumatisch oder elektrisch, Die Effektivität ist gut, die Genauigkeit ist
der Vorschub erfolgt von Hand. bei Verwendung entsprechender Schablonen
hinreichend. Als limitierender Faktor muss
angeführt werden, dass lediglich planparal-
lele Flächen gefertigt werden können. Au-
ßerdem entsteht Reibungswärme, welche die
Biologie der Schnittflächen negativ beein-
flusst.
Bei Operationsrobotern hat sich hingegen das
Fräsen bewährt284. Die so mit dem Roboter
erzielte Fertigungsgenauigkeit übertrifft die
des Sägens deutlich, die Reibungswärme
jedoch ist auch hier für die Knochenbiologie
von erheblichem Nachteil23;87.
Abbildung 3-15: Oszillierende Sägemaschine zum
Trennen von Knochen.
Endoprothesenimplantation und Osteotomie 23
Schadensklasse I:
Für die Knochenheilung ist entscheidend,
dass an den Schnittflächen die biologische
Potenz des Knochens erhalten bleibt.
Der Knochen, der an die Schnittfuge angrenzt
darf daher nicht geschädigt werden.
4 Zielsetzung
4.1 Offene Fragen 4.3 Von der Idee zur klinischen
Anwendung
a
Gesetz über Medizinprodukte,
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/mpg
26 Zielsetzung
Erst als sich in dieser Projektphase belegen und Biomaterialien analysiert werden. In
ließ, dass in der Risiko-Nutzenabwägung weiterer Folge werden im Rahmen einer em-
immer noch deutliche Vorteile für die An- pirischen Modellbildung Zusammenhänge
wendung der DWS-Technik zu erwarten zwischen erzeugungsorientierten Parametern
sind, war eine In-vivo-Anwendung am Pati- und Zielparametern aufgezeigt. Gleichzeitig
enten, also eine 3. Projektphase möglich. soll die Gültigkeit analytischer Kerbtiefen-
Die klinische Pilotstudie ist die einzige Mög- modelle für Gewebe und Biomaterialien
lichkeit, den Operationserfolg im Sinne einer überprüft werden.
Schmerzlinderung beurteilen zu können. Im Anschluss daran findet eine kritische Be-
wertung der Ergebnisse im Hinblick auf die
spezielle OP-Situation statt, um entscheiden
4.4 Experimentelle zu können, welche Anwendungen für weitere
Vorgehensweise Projektphasen bis hin zur klinischen Nutzung
in Frage kommen.
In dieser Arbeit werden im Rahmen der Pro- Für diese Anwendungen werden in den wei-
jektphase 1 Schnittversuche an Weichgewe- teren Kapiteln dieser Arbeit die Versuche zur
ben, Hartgeweben und Knochenzement vor- Projektphase 2 und die Anwendung der
gestellt. Anhand dieser Versuche soll der DWS-Technik am Patienten als Projekt-
Materialabtragsmechanismus in Geweben phase 3 beschrieben.
Allgemeine Grundlagen 27
5 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Dieses Kapitel soll in die Prinzipien der realisieren lässt. Mit Hilfe der Strahldynami-
DWS-Technik und in die Mechanismen des sierung beim diskontinuierlichen Druckwas-
Materialabtrags einführen. Die Parameter, die serstrahl (DDWS) kann zwar die Abtragsrate
den Materialabtrag beeinflussen, werden für bestimmte Materialien gesteigert wer-
definiert und Modelle zur Darstellung der den78, aber keramische Werkstoffe oder ge-
Abhängigkeiten untereinander vorgestellt. härtete Stähle sind auch mit dieser Technik
Dies dient als Grundlage für die Bildung ei- schlecht zu bearbeiten.
nes empirischen Modells zum DWS-Trennen Anfang der 1980er Jahre wurde das Trennen
bei einer Operation. mit Abrasiv-Druckwasserstrahlen (ADWS)
entwickelt125. Beim ADWS wird die Trenn-
wirkung des reinen DWS durch Zusatz von
5.1 Allgemeine Grundlagen Feststoffpartikeln als Schneidmedium so ge-
steigert, dass auch gehärtete Stähle, Glas und
Bereits zum Ende des 18. Jh. wurden Druck- Keramik bearbeitet werden können. Beim
wasserstrahlen zum Abbau von Gesteinen in ADWS dient der DWS in erster Linie zur
den Goldminen Alaskas benutzt. In den Beschleunigung des Abrasivstoffs, der den
1960er Jahren wurde diese Idee zum Trennen größten Teil des eigentlichen Materialabtrags
von Faserverbundwerkstoffen in der Luft- bewirkt.
und Raumfahrtindustrie wieder aufgegriffen. Das Trennen mit DWS ist den in DIN8200
Inzwischen sind hochenergetische Flüssig- beschrieben Strahlverfahren zuzuordnen2.
keitsdruckstrahlen in vielen Bereichen der Strahlen wird hier definiert als ein Ferti-
industriellen Fertigungstechnik als Schneid-, gungsverfahren, das Strahlmittel in Strahlge-
Bohr- und Reinigungswerkzeug67;96;167;201 räten beschleunigt und zum Aufprall auf die
etabliert. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber Werkstückoberfläche bringt. Das Strahlsys-
anderen Trennverfahren liegt im athermi- tem ist der Druckflüssigkeitsstrahl.
schen Charakter des Abtragsprozesses. Dar- Unabhängig von der verfahrenstechnischen
über hinaus bietet der DWS die Option des Systematik der DIN8200 hat sich die Unter-
selektiven Abtrags eines Werkstoffs im teilung der DWS nach Belastungsregime und
Werkstoffverbund, wenn die mechanischen Strahlmittel neben der Klassifizierung des
Eigenschaften unterschiedlich genug sind. Druckbereichs bewährt204.
Ein weiterer Vorteil ist, dass trotz der hohen
lokalen mechanischen Beanspruchung die
Reaktionskräfte am gesamten Werkstück und
am Schneidwerkzeug selbst vergleichsweise 5.2 Druckwasserstrahl
gering sind. Das Schneidwerkzeug unterliegt
einem im Vergleich zu anderen Trennverfah- Das Prinzip des reinen DWS ist die Um-
ren sehr geringen Verschleiß290. wandlung potenzieller Energie in kinetische
Der Einsatz des reinen DWS ist vorwiegend Energie.
auf nicht-metallische Werkstoffe beschränkt, Die potenzielle Energie kann über verschie-
weil sich der zum Schneiden härterer Werk- denartige Druckerzeuger (Pumpen) bereitge-
stoffe notwendige sehr hohe Pumpendruck stellt werden105. Zentraler Bestandteil einer
technisch schwer und nur mit hohen Kosten DWS-Anlage ist die Düse, in der die Strahl-
28 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Düsenöffnung
Wasser- Kernstrahlzone
tank
Kompaktstrahlzone
Pumpe
Zerstäubungskegel
Düse
Sprayzone
Werkstück
Abbildung 5-1: Schematische Darstellung einer Druckwasserstrahlanlage und der Zonen des Freistrahls.
Links: DWS-Anlage bestehend aus einer Pumpe und einer Düse, in der die potenzielle Energie des Wassers in
kinetische Strahlenergie umgewandelt wird.
Rechts: Freistrahl im Umgebungsmedium Luft mit Darstellung der Kernstrahlzone, der Kompaktstrahlzone und
des Zerstäubungskegels.
Druckwasserstrahl 29
Die Kontraktionszahl (α) gibt Aufschluss mengefasst (Gleichung 5-2). Diese wird
über das Verhältnis von Durchmesser des experimentell bestimmt und liegt für stetige
erzeugten Strahls zum Düsendurchmesser Düsen zwischen 0,6 und 0,75.
und ist in erster Linie von der Düsengeomet-
rie abhängig. Mit einer stetigen Düsengeo- Gleichung 5-2: µ = α⋅ε
metrie werden höhere Kontraktionszahlen µ ....... Ausflusszahl
erreicht als mit einer unstetigen (Abbildung α....... Kontraktionszahl
5-2). ε ....... Geschwindigkeitszahl
5.2.2 Strahlgeschwindigkeit
unstetige Düse
Die Geschwindigkeit des resultierenden
Strahls kann nach Bernoulli unter Berück-
stetige Düse sichtigung von ε berechnet werden (Glei-
chung 5-3).
Bei einem Wasserdruck von pW=50MPa, 5.2.5 Wechselwirkung des Strahls mit
einem Düsendurchmesser von dD=0,2mm der Umgebung
und einer Ausflusszahl von µ=0,7 resultiert
ein Wasserdurchsatz von ca. 7g/s. In der in- Nach Verlassen der Düse tritt das Wasser mit
dustriellen Anwendung werden solche Men- dem Umgebungsmedium Luft in Wechsel-
gen belächelt, im Operationssaal stellen ste- wirkung, was den Zerfall des Strahls bewirkt.
rile 5L-Beutel schon die größte handelsübli- Ohnesorge beschrieb schon 1936 die bis
che Einheit dar. Bei den zuvor genannten heute gültigen Zerfallsmechanismen „Zer-
Parametern ergibt sich hier eine maximale tropfen“, „Zerwellen“ und „Zerstäuben“215.
Schneiddauer von 11,9min. Die Art des Strahlzerfalls ist einerseits von
der Reynoldszahl, andererseits von der Ober-
flächenspannung der Flüssigkeit abhängig.
Gleichung 5-4: & W = α ⋅ AD ⋅ ρW ⋅ vW
m Im Verlauf der Tropfenbildung wird Arbeit
gegen die Oberflächenspannung der Flüssig-
m
& W .......Wasserdurchsatz keit verrichtet, wodurch dem Strahl zusätz-
lich Energie entzogen wird. Es wird zwischen
α ..........Kontraktionszahl
AD ........Düsenquerschnitts- Kernstrahlzone, Kompaktstrahlzone, Zer-
fläche stäubungskegel und Sprayzone unterschieden
ρW ........Dichte des Wassers (Abbildung 5-1)150.
vW.........Strahlgeschwindigkeit Die Kernstrahlzone ist ein Bereich, der un-
mittelbar an die Düse anschließt und annä-
hernd die Form eines Kegels hat. Geschwin-
5.2.4 Hydraulische Leistung digkeit und axialer Staudruck sind in dieser
Zone nahezu konstant und der Strahl hat
Eine weitere wichtige Größe ist die hydrauli- seine größte Energiedichte150. Die Länge
sche Leistung (Ph), die sich als Produkt aus der Kernstrahlzone (sc) wächst mit steigen-
Druck und Volumenstrom berechnet (Glei- dem Düsendurchmesser an. Unterhalb einer
chung 5-5). Grenz-Reynoldszahl von etwa Re=460.000
ist sc zudem umgekehrt proportional zur
Strahlgeschwindigkeit. Über dieser Rey-
noldszahl ist die Kernstrahllänge geschwin-
µ⋅π 3
2
digkeitsunabhängig. Yanaida, dessen Unter-
Gleichung 5-5: Ph = ⋅ pW 2 ⋅ dD
8ρ w suchung bis heute Gültigkeit hat, gibt die
Länge der Kernstrahlzone mit dem 73- bis
Ph .........Hydraulische Leistung 135-fachen des Düsendurchmessers dD an300.
µ...........Ausflusszahl Die Kernstrahlzone wird von der Kompakt-
ρW ........Dichte des Wassers strahlzone umschlossen, die sich axial weiter
pW.........Wasserdruck in Strahlrichtung fortsetzt. Diese Zone ist von
dD .........Düsendurchmesser der Wechselwirkung des Strahls mit dem
Umgebungsmedium (meist Luft) gekenn-
zeichnet. Geschwindigkeit und Druck neh-
men zum Randbereich hin und mit zuneh-
mendem Abstand von der Düse ab. Die Ge-
Druckwasserstrahl 31
p
Umgebungs-
1– druck
t
p
Druck-
2–
anstieg
t
p
3– Stoßdruck
t
p
4– Staudruck
t
p
Umgebungs-
5– druck
t
bis auf den Umgebungsdruck zurück, son- eine Tropfenschlagfrequenz von 16.106Hz
dern fällt auf den Staudruck ab. berechnet246. Beutin konnte einen Zu-
Der initiale Stoßdruck wirkt zwar nur für sammenhang zwischen der Höhe des Drucks
einige Mikrosekunden, kann den Staudruck und der Aufschlagfrequenz und der Auf-
aber um ein Vielfaches übertreffen181. schlaggeschwindigkeit verschiedener Trop-
Darüber hinaus wirkt im Bereich des fengrößen nachweisen28.
Strahlmantels ein Mehrfachtropfenschlag,
dessen komplexe Materialbeanspruchung bis
heute nicht im Einzelnen geklärt ist. Die 5.2.7 Mechanismen des Materialabtrags
Feststoffoberflächen werden durch Tropfen-
kollektive beansprucht, deren Größenvertei- Rissinitiierung
lung unbekannt ist. Auch die Zahl der Trop- Der Materialabtrag beim DWS beruht auf
fen kann nur überschlägig geschätzt werden. Druck-, Zug- und Schubspannungen, die in
Schikorr hat für die Voraussetzung eines die Werkstückoberfläche eingebracht wer-
konstanten Tropfendurchmessers von 200µm den188. Zu Beginn des Aufschlags einer Was-
Druckwasserstrahl 33
Erosion Kavitation
Erosionseffekte sind für den Materialabtrag Wasserdampfgefüllte Bläschen entstehen an
von Bedeutung, wenn das Material für Was- Orten turbulenter Strömungsverhältnisse, wie
ser permeabel ist. Der Begriff Erosion um- sie beim Aufprall des Strahls auf Poren und
fasst ein Schädigungsmuster, das auf der Risse vorliegen, wenn der Dampfdruck des
Wirkung des Wassers in Poren des Materials Wassers unterschritten wird. Die Lebens-
beruht (Abbildung 5-4). dauer einer Kavitationsblase ist extrem kurz
Die sich im Porensystem entwickelnde Strö- und ihre Größe liegt im Mikrometer-Bereich.
mung erzeugt Kräfte, die auf die Wandung Die Implosion einer Kavitationsblase erzeugt
der Poren wirken. Zum Materialabtrag müs- eine Druckwelle, durch die Materialabtrag
sen diese so groß sein, dass die Bindungen hervorgerufen werden kann204. Durch ver-
innerhalb des Materials aufgehoben wer- schiedene technische Modifikationen des
den231. Der Stellenwert der Erosion als Ab- Düsenkopfes ist es möglich die Anzahl der
tragsmechanismus wurde für verschiedene Kavitationsbläschen zu erhöhen, so dass der
Gesteine nachgewiesen22. Kavitationseffekt andere Mechanismen des
Materialabtrags übertreffen kann152.
Der makroskopisch sichtbare Materialabtrag
ist eine Kombination der oben beschriebenen
34 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
5.3.1 Erzeugung der Strahldiskontinuität ein Wasseranteil verdampft, was den Strahl
kurzzeitig unterbricht (Abbildung 5-8).
Im DDWS kann die Diskontinuität z.B. durch Der Nachteil besteht im Aufwand der Erzeu-
mechanische Strahlzerteiler185, Resonanz58 gung der notwendigen Laserenergie.
oder gezielte Kavitation286 hervorgerufen
werden.
Frequenzen bis 3000Hz werden durch Loch-
oder Zahnscheiben, die den Strahl zyklisch
unterbrechen, realisiert (Abbildung 5-7). Dies
hat jedoch den Nachteil, dass ein Teil der
hydraulischen Energie für den Abtragspro-
zess nicht genutzt werden kann. Bei der
Selbstresonanz wird das Prinzip der Helm-
holz-Oszillation auf Flüssigkeitsstrahlen
übertragen.
Hierbei wird die Randschicht (Scherschicht)
zwischen Strömung und Wandung gezielt zur
Abbildung 5-8: Schematische Darstellung der
Ablösung angeregt. Johnson und Cahaine Strahlzerteilung durch LASER.
berichteten erstmals 1984 über entsprechende
Kammergeometrien151.
t
Abbildung 5-10:
5.3.2 Erzeugungsorientierte Parameter p pStoß f=1; ϕ=270°
Druck in Abhängigkeit
von der Zeit bei Varia-
2– pStau
Das Verhältnis zwischen Stoß- und Stau- tion der Frequenz und
des Phasenwinkels im
druckanteilen kann beim DDWS ebenso wie
t DDWS.
die Frequenz variiert werden. Am anschau- Druck (p); Zeit (t), Fre-
lichsten lässt sich dies anhand eines DDWS f=2; ϕ=180°
quenz (f), Phasenwinkel
p (ϕ).
erklären, der mit einer rotierenden Loch-
scheibe erzeugt wurde. Der Stoßdruckanteil 3–
ist proportional zur Drehzahl der Loch-
scheibe und damit der Frequenz, mit der die t
Öffnung der Lochscheibe durch den Strahl
geführt wird. Der Staudruckanteil ist weitge-
hend unabhängig von der Frequenz, denn das
Winkelverhältnis zwischen Öffnungs- und 5.3.3 Prozessorientierte Parameter
Schließwinkel (Phasenwinkel ϕ) der Loch-
scheibe bestimmt den Staudruckanteil (Ab- Die prozessorientierten Parameter entspre-
bildung 5-10). Der Stoßdruck bleibt von chend im Wesentlichen jenen des DWS
ϕ aber unbeeinflusst. (siehe S.34). Im Gegensatz zum DWS wird
Vergrößert man ϕ (Abbildung 5-10, 1–/2–) beim DDWS jedoch schon bei einem gerin-
so bleibt die Anzahl der Stoßdruckimpulse gen Arbeitsabstand eine dynamische Werk-
gleich, aber der Staudruckanteil wird größer. stückbelastung erzielt.
Bei Erhöhung der Frequenz f erhöht sich die Sind die Geschwindigkeitsdifferenzen, die
Anzahl der Stoßdruckimpulse. Der Stau- für die Formierung der einzelnen Pulsseg-
druckanteil bleibt rechnerisch konstant (Ab- mente bestimmend sind, nicht groß genug, so
bildung 5-10, 1–/3–). Die Zeitperiode, in der ist ein gewisser Mindestarbeitsabstand erfor-
ein Staudruck wirkt, ist jedoch kürzer. derlich, um die Vorteile der Pulsation zu nut-
Da der Staudruck zur Risspropagierung auch zen. Der Abstand zwischen den Pulsseg-
eine Mindestwirkzeit benötigt, schließt Yie, menten sollte darüber hinaus ausreichend
dass der für den Materialabtrag wirksame sein, damit genug Zeit für den Aufschlag und
Staudruckanteil umgekehrt proportional zur das Abfließen eines Pulssegmentes zur Ver-
Frequenz ist302. fügung steht bevor das nächste Segment auf-
schlägt302.
38 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
5.4 Abrasivdruckwasserstrahl
Wasser Abrasivstoff
Düsenöffnung
Mischkammer
Pumpe
Fokusrohr
Abrasiveffekt
WAIS-Kopf Vp Vp Vp
Werkstück
Abbildung 5-11: Prinzip des Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahls (WAIS).
Links: Schema einer ADWS-Anlage, bestehend aus einer Pumpe und einem WAIS-Kopf, in dem die Energie des
Wassers auf die Partikel übertragen wird.
Rechts: Schema eines WAIS-Kopfes mit einer Mischkammer und einem Fokusrohr und schematische Darstellung
des Abrasiveffekts.
5.4.2 Wasserabrasivsuspensionsstrahl
Der WASS geht von einer primären Mi- Technik zu höheren Druckbereichen bisher
schung des Abrasivstoffs mit Wasser aus, verhindert hat.
also einer Suspension im Hochdruckbereich, Das Prinzip „indirektes Pumpen“ verwendet
die in der Düse beschleunigt wird. WASS einen Abrasivstoffvorratsbehälter, in dem
können mit verschiedenen Techniken erzeugt sich eine fertig angemischte Suspension und
werden: Das „direkte Pumpen“ beruht auf der ein verschieblicher Kolben („Separator“)
Verdichtung einer im Niederdruckbereich befinden (Abbildung 5-12). Der Kolben wird
vorgemischten Suspension (Abbildung 5-12). auf der einen Seite mit Druckwasser beauf-
Dieses Verfahren wurde bei geringem Druck schlagt und drückt die Suspension aus dem
bisher nur zur Unterstützung von Bohrpro- Vorratsbehälter durch die Düse. Größter
zessen in Gesteinen eingesetzt. Von erhebli- Nachteil des indirekten Pumpens ist die
chem Nachteil ist die abrasive Belastung Mengenbegrenzung. Die Pumpe ist aber kei-
der Pumpe, die eine Weiterentwicklung dieser ner abrasiven Beanspruchung ausgesetzt.
40 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Suspension
Abrasivstoff
Das „Bypass-Prinzip“ ist am weitesten ver- ser und Abrasivstoff besteht. Dadurch wer-
breitet: Über eine Bypassleitung wird der den Abrasivstoff und Wasser besser durch-
Abrasivstoffvorratsbehälter mit einem Teil mischt und die Abrasivpartikel erreichen
des Druckwassers beaufschlagt. Das durch durch die gemeinsame Beschleunigung mit
den Vorratsbehälter strömende Wasser reißt dem Wasser höhere Endgeschwindigkeiten.
kontinuierlich Abrasivstoffpartikel mit. Die Der so generierte WASS ist insgesamt stabi-
aus dem Vorratsbehälter strömende Suspen- ler, und die Energiedichte im WASS ist bis
sion wird dem Hauptstrom wieder zuge- zu 20 -fach höher als im WAIS. Bei der Sus-
mischt (Abbildung 5-12). Die Konzentration pensionstechnik müssen allerdings beide
der Abrasivpartikel in der Suspension kann Phasen (Wasser und Feststoff) die Düse pas-
mit dem Wasservolumen, das durch den Vor- sieren, was einerseits einen hohen Düsenver-
ratsbehälter strömt, reguliert werden. schleiß bedingt, andererseits aber auch den
Ein Vorteil der WASS-Technik gegenüber minimalen Düsendurchmesser limitiert.
der WAIS-Technik ist, dass der WASS luft-
Härte
Der Härtewert stellt ein direktes Vergleichs- Mechanisches Verhalten
maß für den abrasiven Verschleißwiderstand Masse und Geschwindigkeit der Abra-
dar. Die von der Struktur abhängige Härte sivstoffe beim Aufprall auf die Werkstoff-
eines Abrasivstoffs wird bei mineralischen oberfläche bestimmen neben den genannten
Strahlmitteln mit dem Ritzverfahren nach Parametern das Ausmaß des Materialab-
Mohs und bei metallischen Strahlmitteln mit trags88. Die Geschwindigkeiten der einzelnen
verschiedenen Eindringverfahren (z.B. Abrasivpartikel liegen in der Regel über den
Rockwell, Vickers) bestimmt (vgl. Abbil- Grenzwerten für Prallzerkleinerung. Die
dung 19-17, Anhang S. 214)74. Die Mohs- Körner werden deshalb beim Auftreffen auf
Härte gebräuchlicher technischer Abra- Feststoffoberflächen (z.B. Mischkammer,
sivstoffe variiert zwischen 5,5 (Glasbruch) Fokusrohr, Werkstück) zerkleinert264.
und 9,1 (Siliziumkarbid)283.
42 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
timum fällt die Kerbtiefe wieder ab. Der op- metern, meist der Kerbtiefe herzustellen
timale Abrasivmassenstrom ist abhängig von (Gleichung 5-11).
Pumpendruck, Wasserdurchsatz und Fokus-
rohrgeometrie110.
Die industriell verwendeten Abrasivstoffe Gleichung 5-11: k = C ⋅ dD ⋅ pW
werden in Beladungen von ca. 20% bis 40%
zudosiert15;115;205. k.......Kerbtiefe
C......Prozess- und Material-
Abrasivparameter kennwert
Die Korngröße, Kornverteilung, Partikel- dD .....Düsendurchmesser
form, Partikelhärte und Partikeldichte sind pW ....Wasserdruck
die wichtigsten Abrasivparameter. Der ma-
ximale Partikeldurchmesser sollte den halben Bei analytischen Modellen werden diese Zu-
Fokusrohrdurchmesser nicht überschreiten. sammenhänge aufgrund von physikalischen
Zu kleine Partikel besitzen aufgrund ihrer Gesetzmäßigkeiten deduktiv hergeleitet.
geringeren Masse einen zu geringen Impuls, Diese Vorgehensweise kann hilfreich sein,
so dass bei sonst konstanten Parametern die die Anzahl der Kerbversuche zu reduzieren
maximal erzielbare Kerbtiefe sinkt110;279. Mit oder im Idealfall vollständig zu ersetzen.
zunehmender Partikelgröße sind mineralische Analytische Modelle zur Bestimmung der
Abrasive weniger scharfkantig, was ebenfalls Kerbtiefe und anderer Zielparameter der
zu einer geringeren Schnittleistung führt. DWS-Bearbeitung sind von verschiedenen
Generell wird in der technischen Anwendung Autoren aufgestellt worden179. Aufgrund des
gefordert, dass die Abrasivpartikel eine grö- komplexen Materialabtragsmechanismus
ßere Härte als das zu bearbeitende Material, beim DWS-Schneiden müssen auch bei allen
aber eine geringere Härte als das Fokusrohr- bisher bekannten analytischen Modellen
material aufweisen. darin enthaltene Parameter experimentell
bestimmt werden, so dass eine gewisse An-
zahl von Kerbversuchen weiterhin notwendig
bleibt140. Wegen der schlechten praktischen
5.5 Modellierung des DWS- Anwendbarkeit ist es nach wie vor – selbst
Trennens bei homogenen, isotropen Werkstoffen –
Stand der Technik, die optimalen erzeu-
Die Vielfalt der Einflussfaktoren beim DWS- gungs- und prozessorientierten Parameter
Trennen lässt für die praktische Anwendbar- durch Kerbversuche zu ermitteln.
keit die Frage aufkommen, inwieweit opti- In der Regel sind Kerbtiefenmodelle nur für
male erzeugungs- und prozessorientierte Pa- bestimmte Materialien, wie z.B. Ge-
rameter für den speziellen Anwendungsfall steine66;86;162;176, Kohle100;175 und Beton60
durch eine Modellbildung hergeleitet werden gültig und können nicht ohne weiteres auf die
können. Grundsätzlich kann zwischen empi- in dieser Arbeit untersuchten Gewebe und
rischen Modellen und analytischen Modellen Biomaterialien übertragen werden. Dies
unterschieden werden. Empirische Modelle erklärt sich aus der Tatsache, dass diese Mo-
basieren auf Kerbversuchen, die dazu dienen, delle für poröse Werkstoffe unter maßgebli-
Zusammenhänge zwischen den erzeugungs- cher Beteiligung des Abtragsmechanismus
orientierten Parametern und den Zielpara- Erosion aufgestellt wurden. Crow69 und Reh-
Modellierung des DWS-Trennens 47
binder232 z.B. erstellen Modelle unter der sacht wird. Unter Berücksichtigung der Ge-
Annahme, dass die vom DWS beanspruchten setze der Massen- und Impulserhaltung und
Materialien aus vergleichsweise groben Par- bei Vernachlässigung der Wärme- und Rei-
tikeln bestehen, was bei Geweben nicht der bungsverluste leitet Hlavac die Gleichung
Fall ist. Auf diese Partikel wirken Erosions- 19-2 (Anhang S.197) ab.
kräfte, die laut Rehbinder in der Umgebung Hlavac verzichtet in seiner Publikation auf
des Wasserstrahlaufschlagpunktes Gefügebe- eine genaue Spezifizierung vieler Variablen
standteile aus dem Verbund herauslösen. Die und beschreibt insbesondere nicht, wie die
Kräfte müssen so groß sein, dass sich Bin- zur Berechnung der Kerbtiefe notwendigen
dungen zwischen einzelnen Partikeln aufhe- Parameter durch Messung zu ermitteln sind.
ben. Sie legen jeweils eine homogene Poren- Hier sind z.B. im Bereich der Materialpara-
größe, eine gleichmäßige Kornverteilung und meter der Widerstandskoeffizient der Materi-
Permeabilität des Materials zugrunde, was im alstruktur gegen den Strahl (Ck) und die dy-
Gewebe nicht gegeben ist. Crow geht darüber namische Materialpermeabilität (g) zu nen-
hinaus davon aus, dass es an Abtragsflächen nen. Im Bereich der erzeugungsorientierten
hinter freigelegten Gesteinspartikeln zu Parameter sind Variablen, wie z.B. der Ab-
Kavitationen kommt, deren Implosion Parti- schwächungskoeffizient des Strahls zwischen
kel aus dem Material entfernen. Das Fehlen Düse und Material (ξ) oder der Koeffizient
von Partikeln und die grundweg von Gestei- der Expansion des reflektierten Strahls durch
nen und Beton verschiedenen Materialeigen- Vermischung mit abgetragenem Material (χ)
schaften führen zu dem Schluss, dass dieser als Größen aufzufassen, für deren Messung
Abtragsmechanismus im Weichgewebe nicht keine Information vorliegt. Das Kerbtiefen-
zutrifft und das Modell nicht anwendbar ist.. modell ist deshalb laut Momber für prakti-
Die für diese Projekt in Frage kommenden sche Belange ungeeignet205. Wegen der Un-
Modelle seien hier kurz skizziert: durchführbarkeit der Modellparameteridenti-
fikation wurde auf eine weiterführende Ana-
5.5.1 Modelle für den Druckwasserstrahl lyse bezüglich der Anwendbarkeit bei Kerb-
versuchen an Weichgeweben, Hartgeweben
Kerbtiefenmodell nach Hlavac und Knochenzement verzichtet.
Ein allgemeingültiges Kerbtiefenmodell
wurde 1992 von Hlavac publiziert130. Seine Kerbtiefenmodell nach Hashish
Beschreibung der Interaktion zwischen Flüs- Hashishs Kerbtiefenmodell von 1978 basiert
sigkeit und Material basiert auf dem Gesetz auf dem Gleichgewicht der in einem Kon-
der Energieerhaltung. Die kinetische Strahl- trollvolumen auf die Kerbe wirkenden Kräfte
energie wird bei der Interaktion mit dem (Abbildung 5-15)120. Eine Reststrahlkraft
Material aufgeteilt in: wird bei der Modellierung nicht berücksich-
• Energie, die für den Materialabtrag not- tigt. Das durch den Wasserstrahl bean-
wendig ist spruchte Material wird als Bingham-Medium
• kinetische Energie des reflektierten Strahls modelliert. Oberhalb einer materialspezifi-
• kinetische Energie des abgetragenen schen Schubspannung beginnt es zu fließen.
Materials Der hydrodynamische Reibungskoeffizient
• Wärme- und Reibungsverluste (Cf) und der Dämpfungsfaktor (ηD) sind
Es wird angenommen, dass der Materialab- wichtige Bestandteile seiner Gleichung (Glei-
trag aufgrund von Scherspannungen verur- chung 19-11, S.199). Sie müssen mit
48 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Kerbtiefe
FS3 2 − FRb
32
− FRS
32
Gleichung 5-12: k=
π ⋅ ρ W ⋅ α ⋅ E SP ⋅ d D ⋅ b K ⋅ v V
k.................. Kerbtiefe ESP ...............Materialtypische Abtrags-
FS ................ Strahlkraft energie
dD.................Düsendurchmesser
FRb .............. Reibungskraft
bK.................Kerbbreite
FRS .............. Reststrahlkraft
vV.................Vorschubgeschwindigkeit
ρW ............... Dichte des Wassers
α ................. Kontraktionszahl
π ⋅ d 2D ⋅ α ⋅ ε 2 ⋅ p W FS ................Strahlkraft
Gleichung 5-13: FS =
2 dD ................Düsendurchmesser
2FS α ................. Kontraktionszahl
⇔ α ⋅ ε2 =
π ⋅ d 2D ⋅ p W ε .................. Geschwindigkeitszahl
pW ...............Druck der Flüssigkeit
tikelgröße über einen Impulsaustausch zwi- Es ist daher weder möglich, durch diese Mo-
schen Wasser und Partikel. dellgleichungen Kerbversuche zu ersetzen
Neben einer Abtragswahrscheinlichkeit defi- noch die Gültigkeit der genannten Modelle
niert er eine Grenzenergie, die benötigt wird, nach erfolgten Kerbversuchen zu überprüfen.
eine minimale Kerbe zu erzeugen. Deckers Kerbtiefenmodell kann ebenfalls
Eine experimentelle Überprüfung des Kerb- nicht alle Kerbversuche ersetzen, weil die in
tiefenmodells für den ADWS fand bisher seiner Gleichung enthaltene materialtypische
nicht statt. Abtragsenergie neben anderen Parametern
Alle vorgestellten Ansätze zeigen, dass eine durch Versuche zu ermitteln ist72. Die Gül-
Berechnung der Kerbtiefe über herkömmli- tigkeit für den Bereich der Biomaterialien
che physikalische oder werkstoffkundliche kann jedoch anhand der durchgeführten Ex-
Ansätze sehr aufwendig ist. Die Vielzahl der perimente überprüft werden.
unbekannten Parameter macht diese Modelle Weiterhin haben alle beschrieben Modelle
meist für praktische Belange unbrauchbar. den Nachteil, dass nur ein Zielparameter,
meist die Kerbtiefe, hergeleitet wird. Die für
die medizinische Anwendung erforderliche
5.5.4 Modelle als Ersatz für Klassifizierung des Schädigungspotenzials ist
Schnittversuche mit Hilfe dieser Modelle daher nur sehr ein-
geschränkt möglich.
Biologische Gewebe und Organe sind in ihrer
Mikro- und Makrostruktur sehr komplexe
Verbundwerkstoffe, so dass mit einer großen 5.5.5 Empirisches Modell des DWS-
Anzahl unbekannter Materialparameter zu Trennens bei einer Operation
rechnen ist. Die mechanischen Eigenschaften
der Bandscheibe und anderer Gewebe des Aus den genannten Gründen wurde für dieses
Stütz- und Bewegungsapparats sind zwar Projekt ein empirisches Modell, das sowohl
zum größten Teil hinreichend bekannt, aber die Parameter der DWS-Technik als auch die
erzeugungsorientierte Parameter für eine Materialparameter der Gewebe und Biomate-
DWS-Bearbeitung sind durch Kerbtiefenmo- rialien beinhaltet, aus der Erfahrung des ope-
delle mit Hilfe dieser Werkstoffeigenschaften rativen Alltags aufgestellt (Abbildung 5-17).
nicht herzuleiten205. Da dieses Modell dazu genutzt werden soll,
Hlavac130 verwendet in seinem Kerb- eine Anwendung der DWS-Technik bei or-
tiefenmodell keine gebräuchlichen Werk- thopädischen Operationen zu überprüfen,
stoffparameter, so dass die Kenntnis der Zug- müssen die Zielparameter einer Operation
oder Druckfestigkeit eines Weichgewebes berücksichtigt werden.
Kerbversuche nicht ersetzen kann.
Hashish integriert die Druckfestigkeit des Diese sind analog zum empirischen Modell
Materials als eine Größe zur Beurteilung des zu Trennprozessen im lebenden Körper (Ab-
Materialwiderstandes in seine Kerbtiefen- bildung 3-1, S.10) klassifiziert in Effektivität,
Gleichung120. Allerdings benötigt er in sei- Qualität und Schädigung (Abbildung 5-17).
nem Kerbtiefenmodell, ebenso wie Hlavlac, Diese Zielparameter ergeben sich direkt aus
Kenngrößen, die selbst mit Hilfe von Kerb- der Materialbearbeitung. Sie werden beein-
versuchen nicht zu ermitteln sind. flusst von den Eigenschaften des Materials,
welches bearbeitet wird. So kann z.B. die
52 Druckwasserstrahl-Verfahrenstechnologie
Härte des Gewebes oder Biomaterials die chung einen direkten Einfluss auf die Zielpa-
Effektivität des Trennprozesses beeinflussen. rameter. Bei Anwendung des ADWS ergeben
Die Effektivität kann durch die prozessorien- sich andere Aspekte in Bezug auf den Zielpa-
tierten Parameter oder die erzeugungsorien- rameter Schädigung als beim DWS und
tierten Parameter des DWS beeinflusst wer- DDWS, weil ein Abrasivstoff in den Körper
den. Beide beeinflussen wiederum auch die eingebracht werden muss.
Zielparameter Qualität, Schädigung aber Eine sinnvolle Eingrenzung der Strahltech-
ebenso Effizienz und Arbeitssicherheit (Ab- nik, der erzeugungsorientierten sowie der
bildung 5-17).). prozessorientierten Parameter ist nur mög-
In diesem Projekt sollen sehr verschiedene lich, wenn auf Erfahrungswerte aus der
Gewebe und Biomaterialien, also sehr vari- Technik zurückgegriffen wird. Weiterhin
able Materialparameter im Hinblick auf die muss die Fülle der möglichen Parameter
Zielparameter untersucht werden. Theore- durch empirische Studien sinnvoll einge-
tisch sind alle Subtypen der DWS-Technik grenzt werden.
zum Trennen von Geweben und Biomateria-
lien einsetzbar.
Die Wahl der Strahltechnik hat über die
Strahlerzeugung und die Materialbeanspru-
Modellierung des DWS-Trennens 53
Druckwasserstrahltechnik
Frequenz Kornverteilung
Phasenwinkel Korngröße
Fokusrohrgeometrie Partikelform
Pumpendruck Partikelhärte
Düsendurchmesser Strahlerzeugung Partikeldichte
Prozessorientierte
Materialbearbeitung Materialparameter
Parameter
Arbeitsabstand Härte
Vorschubgeschwindigkeit Festigkeit, Elastizität
Anzahl der Übergänge Duktilität
Strahlanstellwinkel Porosität
Strahl-Werkstückwinkel
Zielparameter Struktur
Abrasivmassenstrom Verbund
Ein eingeführtes Modell in der biomechani- Für die Schnittversuche standen 60 sofort
schen Forschung der Wirbelsäule ist der In- nach der Schlachtung tiefgefrorene Rinder-
vitro-Versuch an menschlichen Präparaten. femora (Oberschenkelknochen) zur Verfü-
Präparate vom Menschen sind nicht zuletzt gung. Aus der mittleren Diaphyse wurden mit
aus ethischen Gründen nur in einer sehr be- Hilfe einer diamantbestückten Bandsägema-
grenzten Anzahl verfügbar. Außerdem ist es schinea Knochenproben von 80×15×15mm³
aus hygienischen Gründen nicht vorstellbar, (L×B×H) gewonnen. Die dem Wasserstrahl
dass humane Präparate in industriellen Was- zugewandte periostale Fläche wurde plan
serstrahlanlagen, die zum Teil für die Versu- geschliffen (600er Körnung).
che Verwendung fanden, bearbeitet werden. Darüber hinaus wurden neun humane Femora
Präparate natürlich Verstorbener entsprechen (65±8J) mit der Bandsägemaschine in
darüber hinaus in der Regel nicht den Wir- 36 Diaphysensegmente zerteilt. Die Kno-
belsäulen eines Patientenkollektivs mit fri- chenblöcke wurden ständig mit 4°C kalter
schen Bandscheibenvorfällen, weil Band- isotonischer Kochsalzlösung feucht gehalten.
scheibenvorfälle eher im mittleren Lebens- Für die Schnittexperimente zur Knieen-
alter auftreten. doprothesenimplantation wurden 60 Spongio-
Die Gültigkeit eines In-vitro-Tiermodells, mit saproben aus den Femurkondylen schlachtfri-
dem die genannten Bedenken zu relativieren scher Schweine (12±1,4 Monate) gewonnen.
wären, ist für DWS-Schneidversuche bisher Diese wurden mit der diamantbestückten
nicht belegt worden. Bandsägemaschinea auf das Format
Es standen insgesamt 60 Lendenwirbelsäu- 30×20×15mm³ (L×B×H) zugerichtet.
lenpräparate für die Versuche zur Verfügung,
die innerhalb von 24 Stunden post mortem
entnommen und, ohne sie zuvor tiefzugefrie-
ren, den Versuchen zugeführt wurden.
a
EXAKT Apparatebau GmbH & Co. KG, Norderstedt,
DE, http://www.exakt.de.
Bioabrasivstoffe 55
Knochenzement wird aus Polymethylmeth- Das Zumischen eines Abrasivstoffs zur Stei-
acrylat-Granulat und dem entsprechenden gerung des Materialabtrags ist in der indus-
Monomer angemischt. Nach dem Aushärten triellen Technik ein weit verbreitetes Prinzip
sieht man mikroskopisch die durch PMMA (vgl. Kapitel 5.4, S.38). Eine chirurgische
verbundenen Polymerkugeln (Abbil- Anwendung des Abrasiv-Druckwasserstrahls
dung 6-1). Es wurde eine entsprechende (ADWS) ist erstmals im Rahmen dieses Pro-
Anzahl Materialproben in Form von Blöcken jekts beschrieben worden134.
der Maße 80×15×15mm³ (L×B×H) aus Po- Im technischen System werden die Abra-
lymethylmethacrylat (PMMA), einem techni- sivstoffe einfach im sog. Strahlcatcher aufge-
schen Äquivalent zu Knochenzement (Tech- fangen und können zum Teil sogar wieder-
novit 4004a), in einem im Operationssaal verwertet werden. Bei einer Operation ist
üblichen Mischsystem unter Vakuum herge- daran nicht zu denken. Man muss vielmehr
stellt. davon ausgehen, dass sich das Abrasivmittel
weiträumig im gesamten Operationsgebiet
verteilt. Eine Möglichkeit, dieses sekundär
z.B. durch Spülen vollständig zu entfernen,
besteht nicht. Neben der weiteren abrasiven
Wirkung, die z.B. in der Gleitpaarung einer
Endoprothese Drittkörperverschleiß hervor-
ruft, ist an toxische Wirkungen zu denken.
Vor einer denkbaren Anwendung bei einer
Operation muss daher erst ein geeigneter
Abrasivstoff gefunden werden. Die in der
Industrie bekannten Abrasivstoffe sind für
die medizinischen Anwendung ungeeignet.
Denn Biokompatibilität ist unabdingbar: Der
Abrasivstoff darf nicht toxisch sein und muss
Abbildung 6-1: Lichtmikroskopie einer
Knochenzementprobe. im Körper gelöst, verstoffwechselt oder aus-
Die einzelnen Polymerkugeln sind ebenso wie die geschieden werden können (Anhang S.209).
eingelagerten Poren (Pfeile) sichtbar.
Trotzdem soll er die Eigenschaften techni-
scher Abrasivmittel erfüllen, also möglichst
hart und wenig hygroskopisch sein. Pharma-
Für weitere Kerbversuche wurde der Kno-
kokinetik und -dynamik müssen es zulassen,
chenzement CMW-3b in gleicher Weise zu
die Substanz auch in höheren Dosierungen in
Probeblöcken vergossen.
den Organismus einzubringen, ohne dass im
Gebiet der Bearbeitung oder im Organismus
Schäden eintreten. Daraus ergibt sich die
Forderung nach einem hohen Molekularge-
wicht, damit der Abrasivstoff auch in hohen
Massenströmen ohne Überschreitung der
a
Heraeus Kulzer GmbH, Hanau, DE, physiologischen Osmolarität zugesetzt wer-
http://www.kulzer.com. den kann. Wird die Osmolarität im extrazel-
b
DePuy, Leeds, GB, http://www.depuy.com.
56 Material und Methode der Projektphasen 1
lulären Raum überschritten, so wird den Zel- Im Injektorverfahren ist die kristalline Sub-
len Wasser entzogen, was zum Zelltod führen stanz nur kurze Zeit mit dem Wasser in
kann. Kontakt, so dass die Gefahr von Lösungs-
Der ideale Abrasivstoff aus biologischer und Abrundungsvorgängen im Wasser als
Sicht wäre daher Wasser in seinem festen gering anzusehen ist. Die folgenden Parame-
Aggregatzustand (Eis), das von einem DWS terstudien wurden daher mit dem Wasser-
beschleunigt wird. Icejetting, das zum Teil Abrasiv-Injektor-Strahl = WAIS durchge-
zum Entfernen alter Lackschichten von Flug- führt.
zeugtragflächen eingesetzt wurde, stellt einen Die Anwendung der Suspensionstechnik, die
großen verfahrenstechnischen Aufwand ohne Frage den Vorteil der geringeren Luft-
dar97;184;258;265. Die Wasserinjektion in eine beimengung bietet, ist aber konzeptionell
gekühlte Gasphase ist bei Schneemaschinen weiter zu überdenken, weil Luft in den Gefä-
zwar Stand der Technik, aber der hohe Druck ßen eine unter Umständen tödliche Luftem-
und der Einsatz von Wasser als Beschleuni- bolie hervorrufen kann.
gungsmedium erschweren die Umsetzung In der Regel folgt die Auswahl technischer
erheblich. Man könnte sich den Vorgang der Abrasivstoffe der Gesetzmäßigkeit, dass
Energieaufnahme einer Flüssigkeit beim abrasiver Verschleiß mit Partikeln, die härter
Druckabfall hinter der Düse zu Nutze ma- als der zu bearbeitende Werkstoff sind, mög-
chen, um Eiskristalle entstehen zu lassen. lich ist. Die Bio-Abrasivbearbeitung kann in
Doch dies ist nur mit Flüssigkeiten, die bei Ermangelung geeigneter Stoffklassen diese
Raumtemperatur verdampfen (z.B. Ether) Optimierung nicht leisten.
möglich, was wiederum der Biokompatibili- Durch Vorversuche (Anhang S.200) wurden
tät entgegen stünde. Neben dem verfahrens- die ausgewählten Bioabrasive auf ihre abra-
technischen Aufwand hat Eis jedoch weitere sive Wirkung hin verglichen. In Abwägung
entscheidende Nachteile: Die Masse ist ge- der Kriterien Biokompatibilität, Verfügbar-
ringer als die von flüssigem Wasser, so dass keit in entsprechenden Korngrößen, techni-
der Impuls durch den Aufprall relativ gering scher Handhabbarkeit und Preis wurde für
sein dürfte. Auch die Härte von Eiskristallen folgende Studien das Disaccharid α-Laktose-
ist mit einer Vickers-Härte von 10HV nicht Monohydrat gewählt.
sehr hoch. Laktose (Milchzucker) wird bereits zur Infu-
Für die weiteren Projektschritte wurden vier sionstherapie genutzt. Die Verträglichkeit
Substanzgruppen (Disaccharide, Zuckeralko- auch größerer Mengen ist durch Studien be-
hole, Salze und Aminosäuren) gefunden, die legt worden, so dass für diesen Stoff keine
theoretisch für die Anwendung in einer Ope- Neuzulassung nötig wäre7;235.
ration geeignet sind (Abbildung 6-2 und An- Laktose ist in verschiedenen Korngrößena
hang S.209). erhältlich und gut rieselfähig, also kaum hyg-
Die Löslichkeit dieser Bioabrasive legt nahe, roskopisch. Laktose hat eine Molmasse von
dass die Anwendung leichter im Injektorver- 360,32 g/Mol, eine Dichte von 1,52g/cm3 und
fahren als im Suspensionsverfahren umsetz- ist bei 25°C langsam in Wasser löslich (Sät-
bar ist (vgl. S.39). tigung ca. 16% Volumen, 25% Masse).
a
Danone GmbH, München, DE,
http://www.danone.com.
Druckerzeugung 57
6.3 Druckerzeugung
Beim indirekten Pumpen hingegen wird im
Beim industriellen Wasserstrahlschneiden unsterilen Bereich z.B. mit einer Hydraulik
wird der Druck in den meisten Fällen durch der Druck aufgebaut. Dieser wird über eine
Plungerpumpen, die elektrisch angetrieben Membran oder einen Kolben auf die sterile
werden, zur Verfügung gestellt. Diese er- Lösung übertragen (Abbildung 6-3).
möglichen derzeit Betriebsdrücke bis zu Bei dieser Methode ist die Wassermenge auf
1400MPa und Förderleistungen bis zu das Volumen des Vorratsbehälters begrenzt.
300L/min. Das direkte Pumpen mit sterilisierbaren Kol-
Problem der medizinischen Wasserstrahlan- benpumpen, Rollenpumpen oder Peristaltik-
wendung ist die Druckerzeugung unter steri- pumpen beschränkt sich zur Zeit auf die nicht
len Bedingungen. Dabei müssen die Mecha- CE-zertifizierte Anwendung in Forschung
nismen zur Regelung des Drucks genau und und Entwicklung.
schwankungsfrei sein, weil unbeabsichtigte Mit dem direkten Pumpen lassen sich höhere
Druckerhöhungen erhebliche Schäden nach Volumenströme erzeugen. Für den Opera-
sich ziehen können. Zylinder, Kolben und tionssaal stellen sie das beste System dar,
Ventile einer Kolbenpumpe müssen sterili- wenn die Volumenströme hoch sein müssen.
sierbar sein.
58 Material und Methode der Projektphasen 1
6.3.1 Pumpe für Weichgewebeversuche 6.3.2 Pumpe für Versuche mit Knochen
und Knochenzement
Zum Aufbau des Drucks bei den Weichge-
websversuchen wurde das Wasserstrahlskal- Um Hartgewebe und Knochenzement bear-
pell „Helix Hydrojet“ a verwendet. Die Funk- beiten zu können, war es erforderlich, einen
tion dieses Gerätes basiert auf dem Verfahren Druck pW>16MPa zu erreichen. Zum Einsatz
des indirekten Pumpens, wobei eine sterile kam eine industrielle Wasserstrahlanlage, die
Flüssigkeitsmenge in einem Zylinder mit mit einer Hochdruckpumpeb, ausgelegt für
Hilfe eines Kolbens verdichtet wird (Abbil- einen Maximaldruck von 400MPa Abbil-
dung 6-3). dung 6-4und Anhang S.215), ausgestattet
Geräte dieser Bauart sind Standard in der war. Da diese Anlage fest in einer industriel-
chirurgischen Anwendung. So nutzt bei- len Umgebung installiert war, wurde sie aus-
spielsweise das in Schwerin entwickelte schließlich für Versuche mit nicht humanen
Wasserstrahlskalpell eine sterile Einmalkar- Geweben verwendet.
tusche, die über eine Hydraulik ausgepresst Für weiter gehende Untersuchungen wurde
wird. eine Laboranlage zum Schneiden humaner
Der Druck lässt sich bis 16MPa mit einer Gewebe entwickelt (Abbildung 6-5).
Genauigkeit von 0,05MPa einstellen. Der Zentrales Element bildet eine Differenzial-
Volumenstrom variiert in Abhängigkeit vom kolbenpumpe (ASF-122c), die im
Düsendurchmesser bis zu 200ml/min (An- Primärkreislauf mit Druckluft angetrieben
hang S.214). wird.
b
Böhler Hochdrucktechnik, Graz, AT,
http://www.bht.kom.at.
a c
Andreas Pein Medizintechnik, Schwerin, DE, Haskel Hochdrucksysteme GmbH, Wesel, DE,
http://www.helix-hydro-jet.de. http://www.haskel.de.
Strahlköpfe 59
Diskontinuierlicher Druckwasserstrahl
Der o.g. Strahlkopf wurde in einem Strahl-
zerteiler montiert:
Eine motorgetriebene Lochscheibe wurde
dazu 2mm hinter der Düsenöffnung angeord-
net (Abbildung 6-8). Die Lochscheibe des
Strahlzerteilers hatte acht Öffnungen, wobei
Öffnungs- und Schließwinkel jeweils gleich
groß waren.
Abbildung 6-6: Kapillardüse für Schnittversuche
an Weichgeweben.
Links: Man sieht die Spitze eines Metallröhrchens,
(∅=1,5mm) verschlossen durch einen Düsenstein, und
den DWS.
Rechts: Lichtmikroskopie eines Düsensteins (Rubin).
Druckwasserstrahl
Bei den Versuchen mit einem DWS und
DDWS wurde ein industrieller Strahlkopf mit Abbildung 6-8: Ansicht des mechanischen
Strahlzerteilers für Versuche mit dem DDWS.
Saphirdüsen (Abbildung 6-7) verwendeta. Die Man erkennt die Positionierung der Lochscheibe vor
Düse wurde in einem Strahlkopf mit einer dem Düsenkopf.
Überwurfmutter gesichert.
Abrasivdruckwasserstrahl
Für die orientierenden Kerbversuche wurde
Abbildung 6-7: das Injektorverfahren gewählt, da dieses aus
Schnittzeichnung technischer Sicht am einfachsten zu realisie-
der Düse für Ver-
suche an Knochen ren ist und weil eine kurze Kontaktzeit von
und Knochenze- Wasser und löslichem Abrasivstoff realisiert
ment. ist. Der Strahlkopf verfügte über ein Hart-
Bild: Comadur
metallfokusrohr mit einem Innendurchmesser
von 1mm und einer Länge von 60mm (Abbil-
dung 6-9).
a b
Typ 10, Comadur, Le Locle, CH, Typ DT1L, Conrad Elektronik, Hirschau, DE,
http://www.comadur.ch. http://www.conrad.de.
Vorschubeinrichtungen 61
6.5 Vorschubeinrichtungen
b
Hahn und Kolb, Stuttgart, DE, http://www.hahn-
kolb.de.
c
LEO 1530, LEO Electron Microscopy Ltd,
Cambridge, UK, http://www.leo-em.co.uk.
a d
Typ Magnifying Luna, No.1208, Chung Luen Optik, Mitutoyo Messgeräte GmbH, Neuss, DE,
Hongkong, CN, http://www.luna-imaging.com. http://www.mitutoyo.com.
Statistische Methoden 63
a
SPSS für Windows, Version 9.0.1, SPSS Inc.,
Chicago, US, http://www.spss.com.
64 Nukleotomie – Projektphase 1
7 Nukleotomie – Projektphase 1
In diesem Kapitel werden Schnittuntersu- 7.2 Parametereingrenzung
chungen an den Geweben, die bei einer
Nukleotomie im Wirkbereich des Strahls sind 7.2.1 Material und Methode
oder sein können, durchgeführt. Dabei soll
die Frage geklärt werden, ob die für eine Zur Eingrenzung der erzeugungs- und pro-
Nukleotomie erforderliche Selektivität in zessorientierten Parameter wurden mit einem
Bezug auf den Nukleus pulposus vorhanden DWS Kerbversuche an den Weichgeweben
ist. Anulus fibrosus, Nukleus pulposus, sowie an
Weiterhin sollen die experimentellen Daten knorpeligen und knöchernen Deckplatten der
herangezogen werden, um das analytische Lendenwirbelsäule vom Schwein durchge-
Kerbtiefenmodell nach Decker auf seine führt. Bei einer konstanten Vorschubge-
Anwendbarkeit am Weichgewebe hin zu schwindigkeit von vV=2mm/s wurden alle
überprüfen. Gewebe mit verschiedenen Arbeitsabständen
s=2mm, s=5mm und s=20mm gekerbt. Die
Vorschubgeschwindigkeit wurde gewählt,
weil sie für einen späteren operativen Einsatz
7.1 Auswahl der Strahltechnik realistisch ist. Der Druck wurde von
pW=2MPa bis pW=12MPa in 2MPa-Schritten
Für eine Anwendung eines DDWS zum variiert. Die Versuchsreihe wurde mit drei
Trennen von Weichgeweben sind im Ver- Düsendurchmessern (dD=0,08mm; 0,10mm
gleich zum DWS keine Vorteile zu erwarten, und 0,12mm) mit vier Proben pro Test
weil durch die dynamische Werkstoffbean- durchgeführt.
spruchung lediglich die Abtragsleistung bei
spröden Materialien gesteigert wird. So ist es
nicht verwunderlich, dass der experimentelle 7.2.2 Ergebnis
Einsatz eines „gepulsten DWS“ an Weich-
geweben die Zielparameter unbeeinflusst Während der sehr weiche Nukleus pulposus
ließ30;109;274. schon bei pW=2MPa gekerbt und bereits bei
Wie sich bei bisherigen DWS-Anwendungen pW=6MPa die gesamte Probendicke durch-
in der Medizin gezeigt hat, ist eine Steige- trennt wurde, waren Kerben im Anulus fibro-
rung der Abtragsleistung durch Abrasivstoffe sus erst bei pW=10MPa sichtbar. In der knor-
bei der Bearbeitung von Weichgeweben nicht peligen Apophyse war eine minimale Kerb-
erforderlich. Der Einsatz eines ADWS ist wirkung erst bei pW=10MPa vorhanden und
daher aufgrund des großen verfahrenstechni- das Hartgewebe Knochen war mit den ange-
schen Aufwandes nicht gerechtfertigt. wandten Strahlparametern nicht sichtbar zu
Die Anwendung eines DWS ist in der Chi- kerben (Tabelle 7-1). Die lineare Korrelation
rurgie der Organe bereits eine etablierte Me- von Druck und erzielter Kerbtiefe war statis-
thode (siehe S.6). Sterilisierbare Pumpen, tisch signifikant für Nukleus pulposus
Düsen und entsprechende Operationssets sind (r²=0,84; p<0,001) und Anulus fibrosus
über den Handel zu beziehen. (r²=0,73; p<0,001).
Parametereingrenzung 65
Die Kerbtiefen bei einem Arbeitsabstand von messer, der einem kritischen Volumenstrom
s=20mm waren signifikant geringer als bei entspricht (Gleichung 7-2).
s=2mm und s=5mm (p<0,001 für alle Dü-
sendurchmesser). Der Düsendurchmesser
Gleichung 7-2: α ⋅ π ⋅ d g2 ⋅ v W
hatte keinen Einfluss auf die Kerbtiefe Qg =
(p=0,67). 4
Qg ....Kritischer Volumen-
strom
α ......Kontraktionszahl
7.2.3 Diskussion dg .....Kritischer Düsendurch-
messer
Bei einem Düsendurchmesser von dD=0,1mm vW ....Strahlgeschwindigkeit
hat die Kernstrahlzone eine Länge von min-
destens 7,5mm und höchstens 13,5mm300. Dieser kann z.B. dadurch erklärt werden,
Die Kerbtiefe bei s=20mm, also mit dynami- dass ein bestimmter minimaler Volumen-
scher Werkstoffbeanspruchung durch den strom Voraussetzung für Erosionsmechanis-
bereits in hohem Maße zu Einzeltropfen zer- men ist231.
fallenem Strahl, war geringer als bei der Be- Um den kritischen Düsendurchmesser be-
arbeitung innerhalb der Kernstrahlzone. rechnen zu können, muss für diese Gleichung
Ein Einfluss des Düsendurchmessers auf die der kritische Volumenstrom experimentell
Kerbtiefe konnte nicht nachgewiesen werden. bestimmt werden. Da jener für die Frage-
Zwar geht der Düsendurchmesser als Ein- stellung der Arbeit nicht von Bedeutung war,
flussgröße in die hydraulische Leistung wurde auf die Messung verzichtet.
(Gleichung 5-5, S.30) ein, aber für die Strahl- Eine Variation der Düsendurchmesser hat in
geschwindigkeit, die nach Gleichung 5-3 diesem Versuch keine messbaren Änderun-
(S.29) berechnet wird, ist der gen der Kerbtiefe erzielt, so dass man davon
Düsendurchmesser nicht entscheidend. Yos- ausgehen muss, dass alle verwendeten Dü-
hida beschreibt, im Gegensatz zu den Ergeb- sendurchmesser oberhalb des kritischen Dü-
nissen dieser Studie, einen Zusammenhang sendurchmessers lagen.
zwischen Düsendurchmesser und erzielter Für weitere Kerbversuche an Weichgeweben
Kerbtiefe304 (Gleichung 7-1). wurde der Düsendurchmesser von dD=0,1mm
gewählt, weil hier einerseits der Wasser-
durchsatz nicht zu hoch für das Wasserstrahl-
Gleichung 7-1: k = Cx ⋅ dD skalpell war, andererseits ein Verstopfen der
k .......Kerbtiefe Düse (dies kam bei der Düse mit dD=0,08mm
Cx .....Prozess- und Material regelmäßig vor und ist wahrscheinlich auf
kennwert Verunreinigungen in der Strahlflüssigkeit
dD .....Düsendurchmesser zurückzuführen) vermieden wurde.
Gewebe Spezies 1MPa 2MPa 3MPa 4MPa 5MPa 6MPa 7MPa 12MPa
Schwein 4,2±0,8 5,4±0,9 6,5±0,7 8,6±0,5 * * * *
Fett Rind 4,4±0,4 5,0±0,8 6,3±1,0 9,2±0,9 * * * *
Mensch 4,4±0,8 5,0±0,8 6,3±0,4 * * * * *
Schwein 0,5±0,3 1,6±0,4 2,7±0,6 4,0±0,8 4,8±1,0 6,0±0,8 7,9±1,5 *
Muskel Rind 0,4±0,4 1,6±0,3 2,8±0,7 3,8±0,8 4,7±0,7 5,8±0,5 8,0±1,4 *
Mensch 0,5±0,3 1,8±0,6 2,7±0,2 3,9±0,5 4,3±0,4 6,0±0,9 7,6±0,8 *
Schwein * * * * * * * *
Rücken-
Rind * * * * * * * *
mark
Mensch 7,5±1,5 8,1±5,1 9,3±1,2 * * * * *
Schwein 0,0±0,1 0,5±0,2 0,9±0,2 1,4±0,1 1,5±0,3 * * *
Spinalnerv Rind 0,1±0,1 0,4±0,3 0,9±0,1 1,6±0,1 1,8±0,1 * * *
Mensch 0,1±0,1 0,6±0,2 1,0±0,2 1,1±0,1 1,4±0,0 * * *
Schwein 0 0 0,1±0,1 0,7±0,2 1,8±0,2 * * *
Dura mater Rind 0 0,0±0,1 0,1±0,2 0,6±0,1 1,7±0,2 * * *
Mensch 0 0 0,2±0,1 0,7±0,2 1,7±0,1 * * *
Schwein 2,0±0,3 4,2±0,6 4,9±0,2 * * * * *
Nukleus
Rind 2,1±0,4 4,1±0,4 5,0±0,3 * * * * *
pulposus
Mensch 2,9±0,4 4,6±0,5 5,0±0,2 * * * * *
Schwein 0 0 0 0,2±0,2 0,8±0,3 1,6±0,2 3,2±0,4 5,0±0,5
Anulus
Rind 0 0 0,1±0,2 0,3±0,1 0,9±0,3 1,4±0,3 3,5±0,5 5,3±0,8
fibrosus
Mensch 0 0 0,0±0,1 0,2±0,2 0,8±0,2 1,8±0,3 3,4±0,6 4,9±0,5
Schwein 0 0 0,1±0,1 0,6±0,2 0,7±0,2 1,0±0,3 1,4±0,4 2,0±0,3
Ligament Rind 0 0 0,1±0,1 0,5±0,3 0,7±0,2 1,0±0,3 1,4±0,4 2,0±0,5
Mensch 0 0 0,2±0,1 0,6±0,2 0,7±0,2 1,0±0,3 1,3±0,4 2,2±0,3
Schwein 0 0,1±0,2 0,2±0,2 0,7±0,2 1,0±0,2 1,2±0,3 1,5±0,3 *
Sehne Rind 0 0,0±0,1 0,2±0,1 0,7±0,4 0,9±0,3 1,2±0,3 1,7±0,3 *
Mensch 0 0,0±0,5 0,2±0,4 0,8±0,3 0,9±0,2 1,4±0,3 1,9±0,4 3,1±0,2
Schwein 0 0 0 0 0 0 0 0
Knochen Rind 0 0 0 0 0 0 0 0
Mensch 0 0 0 0 0 0 0 0
Kerbtiefen in [mm]; MW±STD aus 10 Kerbversuchen; * bezeichnet einen Trennschnitt.
Auffallend war bei einigen Geweben eine Wasser wurde histologisch nie innerhalb
ausgeprägte Dickenzunahme (d/d0) durch der Zellen nachgewiesen, sondern es befand
die DWS-Bearbeitung, die im Folgenden als sich immer im Interstitium (Interzellulär-
Expansion bezeichnet wird (Tabelle 7-3). raum). Im klinischen Alltag wird eine Ein-
Diese wurde von einer Einlagerung des lagerung von Wasser in das Interstitium als
Wassers in das Gewebe verursacht. Bis auf interstitielles Ödem bezeichnet. Sie muss
wenige Ausnahmen befand sich das Wasser als Schädigung des Gewebes, die aber
in runden Bläschen, die histologisch keine grundsätzlich reversibel ist, gewertet wer-
sichtbare Verbindung zur Kerbe aufwiesen den.
(Abbildung 7-2).
Weitere Kerbversuche 69
Abbildung 7-4: Histologie eines DWS-getrennten Abbildung 7-5: Histologie eines Anulus fibrosus.
Nukleus pulposus. Diese lichtmikroskopische Vergrößerung wurde 4mm
Man sieht eine scharf begrenzte Kerbe (Pfeil) und neben der Kerbe angefertigt. Man sieht einige Vakuo-
zwei Vakuolen neben der Kerbe. len zwischen den Kollagenfibrillen.
Wenn aufgrund der Wassereinlagerung aber Bei einem Druck, der Trennschnitte zur
das Volumen des Gewebes zunimmt, könnte Folge hatte, wurde die Expansion geringer.
dies wiederum Schäden der Klasse III her- Die Dickenzunahme war bei diesem Gewebe,
vorrufen. So könnte z.B. die Volumenzu- wenn auch in geringerem Maße, bei einem
nahme des Nukleus pulposus eine Irritation Druck nachweisbar, der noch keine sichtbare
des Spinalnervs verursachen. Kerbe hinterließ.
Schadensklasse II Spinalnerv
Aufgrund des Fehlens von Blutgefäßen ist In einigen Präparaten zeigte sich vereinzelt
diese Schadensklasse beim Nukleus pulposus im Verlauf des Kerbschnitts eine Fortsetzung
nicht definiert. der Kerbe in Richtung der Nervenfasern in
Form interfaszikulärer Spalten (Abbil-
dung 7-6).
Weitere Kerbversuche 71
Abbildung 7-6: Histologie eines DWS-getrennten Abbildung 7-7: Histologie von DWS-getrenntem
Spinalnervs. Rückenmark.
Man sieht die Kerbe ebenso wie ovale Vakuolen Bis in die unmittelbare Nachbarschaft zur Kerbe
fernab der Kerbe. Auffallend sind die Längsspalten (Pfeil) finden sich unveränderte Nervenzellen.
zwischen den Nervenfasern, die mit den Vakuolen in
Verbindung stehen.
Die einzelnen Nervenfaserbündel wurden in Folgen hat, wird demzufolge immer geschä-
diesen Bildern vom DWS auseinanderge- digt, wenn es mit den untersuchten Strahlpa-
drängt, ohne dass die Zellen selbst sichtbar rametern beaufschlagt wird (Abbildung 7-1,
geschädigt wurden. S.67).
Neben diesen Spalten fanden sich auch runde
Vakuolen, die teilweise mit den Spalten in Dura mater spinalis
Verbindung standen. Eigenständige Vakuo- Die Dura mater (harte Hirnhaut) zeigte von
len waren ebenso häufig anzutreffen. Man allen Geweben die ausgeprägteste Expansion
muss dabei berücksichtigen, dass aufgrund (Abbildung 7-8, ).
der zweidimensionalen Darstellung im his-
tologischen Schnitt die Verbindung zwischen
den Vakuolen nicht regelhaft dargestellt wer-
den kann. Bei Trennschnitten wurden aber
weder isolierte noch mit der Schnittfuge
kommunizierende Vakuolen gesehen.
Rückenmark
Ab pW=4MPa wurden bei allen untersuchten
Spezies Trennschnitte im Weichgewebe Rü-
ckenmark verzeichnet (Tabelle 7-2). Die
Kerbwirkung war für die graue Substanz pW=1MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert, Ø = Strahl.
(Nervenzellkörper) und die weiße Substanz Abbildung 7-8: Histologie einer DWS-getrennten
(Nervenzellfortsätze) gleich. Dura mater.
Die resultierende Kerbtiefe ist verschwindend gering,
Das Rückenmark als das Organ, dessen intra-
aber das Gewebe wurde auf mehr als das Doppelte der
operative Verletzung die schwerwiegendsten ursprünglichen Dicke expandiert.
72 Nukleotomie – Projektphase 1
Ligament
Die in dieser Studie untersuchten Bänder
zeigten ein dem Anulus fibrosus sehr ähnli-
ches Verhalten bezüglich Kerbtiefe und Ge-
webeexpansion (Abbildung 7-9).
pW =3MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert.
Knochen
An Knochen konnte weder eine makrosko-
pisch noch eine mikroskopisch sichtbare
Kerbe erzeugt werden. Im histologischen
Bild fanden sich nicht die geringsten Spuren
einer DWS-Bearbeitung.
pW=6MPa, HE, Kerbe tuschemarkiert.
7.3.4 Diskussion
Daraus ist zu schließen, dass auch die DWS- Dura Schwein 1,69 0,29 -0,02
Dissektion ein spanendes Trennverfahren Rind 0,13 0,35 -029
darstellt. Mensch 1,23 0,33 -0,27
Schwein 1,50 -0,07 0
Nukleus
Rind 1,43 -0,60 0
pulposus
Mensch 1,30 -0,38 0
Expansion als Schaden der Klasse I Schwein 0,60 0,41 -0,02
Die Expansion bestimmter Gewebe durch die Anulus
Rind 0,64 0,38 -0,02
fibrosus
DWS-Bearbeitung war ebenfalls bei einigen Mensch 0,62 0,37 -0,02
Geweben vom erzeugungsorientierten Para- Schwein 1,15 0,49 -0,04
meter Druck abhängig. Sie ließ sich durch die Ligament Rind 1,12 0,50 -0,04
Funktion einer quadratischen Kurvenanpas- Mensch 1,36 0,35 -0,03
wirkt der Druck des deflektierten Strahls auf pW=6MPa nahm die Expansion des Gewebes
das Interstitium und weitet dieses auf. Die wieder ab.
Aufweitung geschieht ungleichmäßig über Weitere exemplarische Schnittversuche an
das Gewebe verteilt, so dass sich in elasti- den Geweben Dura mater, Ligament und
scheren Gewebearealen Bläschen bilden, weil Sehne zeigten, dass bei pW=40MPa
dort die Druck/Dehnungskurve flacher ver- (dD=0,1mm, s=5mm) weder eine Expansion
läuft. Dies ist in den Bereichen der Fall, wo noch interstitielle Vakuolen vorhanden wa-
die Kollagenfasernetze der Interzellularsub- ren.
stanz keine Querverbindungen zueinander Die zum Auftreten dieses Effekts notwendige
aufweisen. Die gebildeten Wasserbläschen Energie muss also in einem Bereich liegen, in
sind von kollagenen Septen umschlossen. dem die Grenzenergie zum Trennen des
Nach dem Laplace-Gesetz werden die mit Biomaterials in der strahlbeaufschlagten
Wasser gefüllten kugelförmigen Hohlräume Zone nicht erreicht oder nur geringfügig
bei konstantem Druck mit zunehmendem übertroffen wird. Dies wird von der Tatsache
Durchmesser leichter dehnbar (Glei- gestützt, dass die Expansion bei Geweben,
chung 19-1, Anhang S.197)249. die mit einem vergleichsweise hohen Druck
Geht man davon aus, dass die Grenzenergie gekerbt wurden (z.B. Sehne und Ligament,
für den Wassereinstrom in das Interstitium Tabelle 7-6, S.80), besonders ausgeprägt war.
bei allen Geweben gleich ist249, so kann er- Bei Geweben, die bereits mit einem geringe-
klärt werden, warum Muskel, Fett, Nukleus ren Druck gekerbt wurden (z.B. Muskel),
und Nerv keine Wassereinlagerungen auf- zeigte sich hingegen keine Expansion.
weisen: Sie werden schon weit unterhalb Gropetti verwendet eine ähnliche Hypothese
dieser kritischen Energiegrenze gekerbt. zur Erklärung der Delamination von Faser-
Aufgrund des Durchtrennens der „Faserma- verbundwerkstoffen, die in der industriellen
trix“ kann der Strahl von dieser nicht deflek- DWS-Anwendung ein großes Problem dar-
tiert werden. Bei Geweben, die eine ausge- stellt107. Die Delamination ist von den
prägte Expansion zeigten, liegt die kritische verwendeten erzeugungsorientierten
Grenzenergie für das Materialversagen ober- Parametern abhängig und tritt besonders an
halb der Grenzenergie für den Wasserein- der Werkstückunterseite auf, wo die Strahl-
strom. energie am geringsten ist107;155. Delamination
Die Tatsache, dass die Gewebeexpansion mit nimmt in Gropettis Versuchen mit geringe-
zunehmendem Druck (Strahlenergie) wieder rem Druck oder schnellerem Vorschub zu.
abnimmt, kann damit erklärt werden, dass bei Erklärt wird die Delamination ebenfalls mit
höherem Druck die Strahlenergie ausreicht, einer Deflexion des Strahls an der Fasermat-
um die Fasermatrix zu durchtrennen. Die rix. Wird die Grenzenergie zum Trennen der
Strahlenergie wird gar nicht oder nur für Faser nicht überschritten, so wird ein großer
kurze Zeit deflektiert. Diese Hypothese wird Anteil des Strahls umgelenkt50. Werden da-
durch den parabelförmigen Verlauf der durch die Bindungskräfte zwischen Faser-
Druck/Expansionskurve gestützt (Abbil- matrix und Grundsubstanz überschritten,
dung 7-3d, S.69). Im Gewebe „Ligament“ kommt es zur Rissinitiierung und Risspropa-
zeigte sich z.B. eine ausgeprägte Zunahme gierung.
der Präparatdicke (d/d0>1) schon bevor eine Im Verbundwerkstoff Weichgewebe kann es
Kerbwirkung vorhanden war. Oberhalb von analog zum technischen Material zur ver-
mehrten Deflexion des Strahls (z.B. an der
78 Nukleotomie – Projektphase 1
ter anwendbar. Während der Einfluss weite- Kerbtiefenvorhersagen genereller und abge-
rer Parameter auf die Kerbtiefe, wie z.B. der löst von bestimmten Versuchsbedingungen
Düsendurchmesser ebenfalls empirisch zu zu ermöglichen.
ermitteln wäre, ist diese Modellierung bei
Änderung der Materialparameter (also des
Materials) zur Vorhersage der Kerbtiefe 7.4.2 Analytisches Modell
ungeeignet. Es erlaubt die Herleitung materi-
altypischer Größen, aber diese bleiben be- Die Anwendung des Kerbtiefenmodells nach
schränkt auf spezielle erzeugungsorientierte- Decker et al.72 bedarf einiger zusätzlicher
und Prozessparameter gültig. Messwerte:
Zunächst wurde mit Hilfe einer Kraftmess-
dose die Strahlkraft des Freistrahls in einem
Arbeitsabstand von s=5mm bei einem Dü-
Gewebe Spezies b0 b1 sendurchmesser von dD=0,1mm gemessen
Schwein 2,60 1,43 (Abbildung 7-17). Es zeigt sich eine sehr
Fett Rind 2,30 1,57 gute Übereinstimmung zwischen gemessener
Mensch 3,33 0,95 und errechneter Strahlkraft. Durch eine
Schwein -0,83 1,19 Kleinste-Quadrate-Anpassung von Gleichung
Muskel Rind -0,83 1,18
5-13 ergab sich für α⋅ε2 ein Wert von 0,56 .
Mensch -0,64 1,12
Schwein - -
Rücken-
Rind - -
mark
Mensch 6,48 0,92
FS[N] Messwerte
Schwein -0,27 0,38
Gleichung
Spinal- 0,20
Rind -0,24 0,37
nerv 0,16
Mensch -0,16 0,36
Schwein -0,75 0,42 0,12
Dura 0,08
Rind -0,47 0,29
mater 0,04
Mensch -0,68 0,40
Schwein 0,83 1,44 0,00
Nukleus
Rind 0,84 1,45 0 2 4 6 8 10 12 14 16
pulposus pW [MPa]
Mensch 2,13 1,03
Schwein -1,22 0,51
Anulus s=5mm; dD=0,1mm; Strahlkraft (FS); Druck (pW).
Rind -1,17 0,51
fibrosus Abbildung 7-17: Mit der Prallplatte gemessene im
Mensch -1,18 0,50
Vergleich zur errechneten Strahlkraft in Abhän-
Schwein -0,29 0,20 gigkeit vom Druck.
Ligament Rind -0,31 0,20
Mensch -0,32 0,21
Schwein -0,39 0,26
Sehne Bei Kerbversuchen ist die Reststrahlkraft
Rind -0,47 0,29
Mensch -0,47 0,30 (FRS) so gering, dass die Energie für weiteren
Materialabtrag nicht ausreicht. Die Rest-
Tabelle 7-5: Gewebstypische Faktoren des empiri-
schen Kerbtiefenmodells. strahlkraft wurde daher für die Anwendung
des Modells vernachlässigt (FRS=0).
Die Reibungskraft (FRb) wurde ebenfalls ver-
Im Weiteren soll geprüft werden, ob ein teil- nachlässigt, da deren experimentelle Mes-
weise analytischer Ansatz hilfreicher ist um
80 Nukleotomie – Projektphase 1
sung bei Weichgeweben nicht durchführbar innen8;75;266, was der Strahlrichtung in diesen
ist. Kerbversuchen entspricht.
Die Kerbbreite (bK) wurde aufgrund von ex- In Deckers Experimenten zur Validierung
emplarischen Kerbbreitenmessungen mit seines Kerbtiefenmodells korrelieren die
einem konstanten Wert von bK=0,1mm in die materialspezifischen Abtragsenergien von
Berechnung einbezogen. Kunststoffen nicht mit bekannten Materialei-
Die materialspezifische Abtragsenergie (ESP) genschaften wie Zug- und Druckfestigkeit,
wurde bei jedem Weichgewebe durch Anpas- was auf den ersten Blick nicht plausibel er-
sung des Kerbtiefenmodells an die experi- scheint. Es schließt sich daher die Frage an,
mentell ermittelten Kerbtiefen bestimmt (Ta- ob die materialtypische Abtragsenergie der
belle 7-6). Weichgewebe von bekannten Materialeigen-
Für die meisten der untersuchten Biomateria- schaften abhängig ist.
lien lieferte das Kerbtiefenmodell nach Die mit seinem Modell und den beschriebe-
Decker gute Anpassungen (Abbildung 7-18). nen Kerbversuchen ermittelten spezifischen
Bei Fett, Rückenmark und Nukleus pulposus Abtragsenergien wurden daher mit den Daten
war die Übereinstimmung zwischen Modell für die Zugfestigkeit und den Kollagengehalt
und Messwerten schlechter, da diese Gewebe (soweit vorhanden Tabelle 3-1, S.15) korre-
schon bei geringem Druckniveau Trenn- liert.
schnitte aufwiesen und somit nur eine ge- Die Korrelation zwischen materialtypischer
ringe Anzahl an Messwerten zur Verfügung Abtragsenergie und Zugfestigkeit (r²=0,82,
stand. p=0,004) war statistisch signifikant.
Beim Anulus fibrosus fiel auf, dass bei
pW=7MPa die gemessene Kerbtiefe, im Ge-
gensatz zu der errechneten, sprunghaft an-
stieg (Abbildung 7-18). Es muss primär Gewebe ESP [J/m³]
vermutet werden, dass in diesem Fall zufällig Fett 6,13.108
Randbedingungen dazu geführt haben, dass Muskel 2,09.109
der eine Messwert ein „Ausreißer“ ist. Aber Rückenmark 3,98.108
immerhin wurde an 30 Präparaten, jeweils 20 Spinalnerv 5,62.109
Dura mater 7,66.109
mal je Präparat. gemessen und eine sehr ge-
Nukleus pulposus 7,50.108
ringe Standardabweichung erzielt, so dass
Anulus fibrosus 7,38.109
hier systematische Ursachen zu diskutieren Ligament 1,53.1010
sind. Sehne 1,13.1010
Eine Erklärungsmöglichkeit wäre, dass das
Tabelle 7-6: Materialtypische Abtragsenergie (ESP)
getrennte Material nicht über die gesamte für die Gewebe der Wirbelsäule.
Kerbtiefe die gleichen mechanischen Eigen-
schaften hat. Verschiedene Autoren beschrei-
ben ein Abnahme der Zugfestigkeit des Ge-
webes des Anulus fibrosus von außen nach
Kerbtiefenmodelle der Weichgewebebearbeitung 81
12 Messwerte 12 Messwerte
Modell 8 Modell
8
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]
12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]
12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]
12 Messwerte 12 Messwerte
8 Modell 8 Modell
4 4
0 0
0 4 8 12 0 4 8 12
pW [MPa] pW [MPa]
k [mm] Sehne
Kerbtiefe (k); Druck (pW).
0
0 4 8 12
pW [MPa]
82 Nukleotomie – Projektphase 1
Ebenfalls signifikant war die Korrelation Ein Beweis für diese Abhängigkeit sollte je-
zwischen materialspezifischer Abtragsener- doch in weiteren Studien gesucht werden, in
gie und Kollagengehalt des Weichgewebes denen Zug- und Druckfestigkeit an dem Ge-
(r²=0,9, p=0,013; Abbildung 7-19). Dabei webe bestimmt werden, das auch für die
sollte man berücksichtigen, dass die Zugfes- Kerbversuche verwendet wird.
tigkeit im Verbundmaterial Weichgewebe
von den Kollagenfasern ausgeht.
Für die Druckfestigkeit der Weichgewebe 7.5 Schlussfolgerung
konnten in der zugänglichen Literatur keine
geeigneten Messwerte gefunden werden, so Der Druck ist der wichtigste erzeugungsori-
dass auf diese Betrachtung verzichtet werden entierte Parameter. Für alle Gewebe konnte
musste. ein statistisch signifikanter linearer Zusam-
Die Abhängigkeit der materialtypischen Ab- menhang zwischen Druck und Kerbtiefe be-
tragsenergie der Weichgewebe von der Zug- rechnet werden. Eine auf einer Berechnung
festigkeit kann als Hinweis dafür gewertet im empirischen Modell beruhende Vorher-
werden, dass der Trennprozess als Folge ei- sage der Kerbtiefe wird dadurch in Grenzen
ner Zugbeanspruchung in der strahlbeauf- ermöglicht.
schlagten Zone eintritt. Das analytische Modell nach Decker zeigt
bei einigen Weichgeweben eine überaus gute
Übereinstimmung mit den Messwerten, so
20
dass auch dies für eine Abschätzung der
15 Kerbtiefe angewandt werden kann. Der dem
ESp [J/mm ]
3
berücksichtigen können.
3
8 Nukleotomie – Projektphase 2
In diesem Kapitel wird zunächst das im 8.1 Instrumente für die Druck-
Rahmen dieses Projekts entwickelte Instru- wasserstrahl-Nukleotomie
mentarium zur mikroinvasiven DWS-Nukle-
otomie vorgestellt. Damit werden weitere Durch den DWS wird in die geschlossene
Schnittversuche in der geschlossenen Band- Bandscheibe ein Wasservolumen einge-
scheibe, also in einem operativen Situs bracht. Eine Druckerhöhung, die den Scha-
durchgeführt. Dabei wird die DWS-Nukleo- densklassen I und III zuzuordnen ist, könnte
tomie mit bereits bekannten Methoden der Schmerzen hervorrufen und einen Band-
Nukleotomie verglichen und eine Schadens- scheibenvorfall provozieren oder simulieren.
analyse durchgeführt. Das Wasser muss also aus der Bandscheibe
abfließen können. Für die mikroinvasive
DWS-Nukleotomie wurde daher ein Instru-
mentarium konstruiert, das den intraoperati-
ven Druckausgleich gewährleistet (Abbil-
dung 8-1).
Ein Troikar-System wurde so gestaltet, dass dient so zur Führung für den Troikar. So
durch den als Rohr ausgeführten Troikar die können Diagnostik und Therapie ohne In-
Kapillardüse in die Bandscheibe vorgescho- strumentenwechsel durchgeführt werden
ben werden kann. Die Durchmesser sind da- (Abbildung 8-1). Mit dem Trepan wird aus
bei so gewählt, dass im Lumen zwischen der dem Anulus fibrosus ein 2mm großes Loch
Kapillare und dem Troikar Wasser und Ab- herausgeschnitten, durch das der Troikar in
trag abfließen können (Abbildung 8-2). die Bandscheibe vorgeschoben wird. Wenn
durch Röntgenbilder in zwei Ebenen die
Troikarlage gesichert ist, kann die DWS-Be-
arbeitung des Nukleus ohne weitere Sicht-
kontrolle stattfinden.
Es stellt sich hier die Frage, wie Nerven und
das Rückenmark gegen die Strahleinwirkung
oder vor einem fehlgeleiteten Strahl ge-
schützt werden. Dies wird gewährleistet
durch eine exakt anatomische Positionierung
des Troikars in der Bandscheibe, die durch
intraoperatives Röntgen verifiziert werden
muss. Die Strahlrichtung ist von diesen
Abbildung 8-2: Schematische Darstellung des Strukturen abgewandt. Der dorsale Anteil des
Nukleotomie-Instrumentariums in der Band- Anulus fibrosus stellt eine Barriere zum Spi-
scheibe.
nalkanal hin dar, während der ventrale Anteil
die großen Gefäße schützt.
a
Neodym-Yag-LASER, Coherent, Santa Clara, US,
http://www.coherent-lasergroup.de.
b
Surgical-Dynamics, Mineapolis, US,
http://www.surgicaldynamics.com.
c
Typ PROVIL® novo Medium CD, Heraeus Kulzer
GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
86 Nukleotomie – Projektphase 2
Das entfernte Nukleusvolumen war zwischen Die DWS-Nukleotomie trägt die gleiche
den untersuchten OP-Methoden nicht signifi- Menge Nukleus pulposus wie die bereits be-
kant unterschiedlich (p=0,572, Abbil- kannten Methoden APLD und LASER ab.
dung 8-5). Die vom Operateur abhängige Variation der
In der DWS-Gruppe, aber auch in der APLD- Prozessparameter Arbeitsabstand, Strahl-
Gruppe fanden sich keine Hinweise auf Ver- Werkstückwinkel und Anzahl der Übergänge
letzungen des Anulus im Sinne der Scha- verhindert nicht, dass die Menge des abgetra-
densklasse II. genen Nukleus hinreichend reproduzierbar
ist. Von Seiten des Zielparameters Effektivi-
tät ist eine klinische Anwendung also mög-
V [cm³] lich. Mit dem vorgestellten Instrumentarium
ist es möglich, die Operation durchzuführen,
0,3 ohne einen relevanten Schaden der Klasse III
0,2 hervorzurufen, während beim LASER eine
Anulusschädigung eintritt.
0,1
0,0
DWS LASER APLD
Volumen (V). 8.3 Vergleich der Biomechanik
Abbildung 8-5: Das durch die Operation entfernte
Nukleusvolumen in Abhängigkeit von der Me- 8.3.1 Problem
thode.
Für die eingeführten Operationsmethoden
APLD und LASER ist der Nachweis einer
In der LASER-Gruppe zeigte sich hingegen intradiskalen Druckentlastung im In-vitro-
an jedem Präparat histologisch und Modell erbracht worden39;54-56. Durch
makroskopisch eine Schädigung des Anulus Anwendung dieser Verfahren resultiert eine
fibrosus. Andere Schädigungen wurden bei Reduktion des Bandscheibendrucks, was als
keinem Operationsverfahren verifiziert. Vorraussetzung für den Erfolg der Operatio-
nen gesehen wird77;242;275.
Zwar wurde der Volumenabtrag durch den
8.2.4 Diskussion DWS in der oben beschriebenen Studie
nachgewiesen, aber ein direkter Schluss auf
Diese Studie belegt, dass die DWS-Nukleo- den biomechanischen Effekt ist nicht zuläs-
tomie im gewählten Tiermodell mit den sig, weil Schäden der Klasse I, wie z.B. die
etablierten Methoden vergleichbare Nukleus- Ödembildung, den Druck in der Bandscheibe
volumina abträgt. Die variablen Parameter ebenfalls beeinflussen könnten.
Arbeitsabstand, Strahlanstell-, Strahl-Werk- In der folgenden Studie sollte die Auswir-
stückwinkel und Anzahl der Übergänge kung der DWS-Nukleotomie auf die Biome-
betreffen alle Gruppen. Trotzdem war es chanik der Bandscheibe untersucht und mit
möglich, eine reproduzierbare Menge Nukle- den Ergebnissen bekannter Methoden vergli-
us pulposus zu entfernen. chen werden.
87
a
Typ EPIH-212-3.5B, Entran, Ludwigshafen, DE,
b
http://www.entran.com. Typ UTS 5T, Zwick, Ulm, DE, http://www.zwick.de.
88 Nukleotomie – Projektphase 2
∆ pB
prä OP post OP
[MPa]
So konnte für jeden Versuch die Hysterese 0,4
für den Druck in Abhängigkeit vom Weg
dargestellt werden (Abbildung 8-9). 0,2
Nach Messung der nicht operierten Band-
scheibe wurde die Operation mit den auf S.85 0,0
beschriebenen Parametern durchgeführt. An-
DWS APLD LASER
schließend wurde die Belastung wiederholt.
(Statistische Methoden, S.63; Unabhängige Abbildung 8-10: Bandscheibendruckdifferenz in
und abhängige Variablen im Anhang S.224.) Abhängigkeit von der Operationsmethode.
Dargestellt ist die Differenz (∆pB) des Bandscheiben-
drucks zwischen Vorlast (F=20N) und Hauptlast
(F=150N).
pB
prae OP Auch nach Durchführen der jeweiligen Ope-
[MPa] ration zeigten sich keine signifikanten
0,4 post OP
Druckunterschiede vor (pB=0,040±0,020MPa)
0,3
und nach einer Belastung
0,2
(pB=0,049±0,020MPa; p=0,78). In allen
0,1
Gruppen zeigte sich, dass die Druckdifferenz
0 hB
∆pB zwischen Ende der Vorlastphase und
0 0,2 0,4 0,6 [mm]
Ende der Hauptlastphase vor der Operation
Bandscheibendrruck (pB); relative Bandscheibenhöhe (hB). signifikant größer war als nach der Operation
Abbildung 8-9: Typische Hysteresekurven des (DWS p=0,012, APLD p=0,013, LASER
Bandscheibendrucks in Abhängigkeit von der rela- p=0,041).
tiven Höhe.
Im Vergleich zwischen den Gruppen fand
sich kein signifikanter Unterschied der durch
die Operation erzielten Drucksenkung zwi-
schen DWS und APLD. Im Gegensatz dazu
89
war in der LASER-Gruppe die Senkung der werden. Für die LASER-Nukleotomie konnte
Druckdifferenz ∆pB durch die Operation sig- der Nachweis einer Druckabnahme nicht er-
nifikant geringer als bei APLD und DWS bracht werden. Da in der klinischen Anwen-
(p<0,001; Abbildung 8-10). dung der Zielparameter „Schmerzreduktion“
Der Vergleich der Bandscheibenhöhendiffe- für den LASER nachgewiesen wurde260, ist
renz (∆hB) zwischen Ende der Vorlastphase entweder das mechanische Modell der
und Ende der Hauptlastphase vor und nach Schmerzentstehung an sich oder die Validität
der Operation zeigte für die Methoden DWS der zitierten Studie in Frage zu stellen.
und APLD einen postoperativ signifikant Die verfahrenstechnischen Parameter der
größeren Wert, während sich bei der Opera- LASER-Nukleotomie wurden aus der klini-
tion mit LASER die relative Bandscheiben- schen Anwendung übernommen und an das
höhe nicht signifikant änderte (DWS kleinere Nukleusvolumen des Tiermodells
p=0,024, APLD p=0,041, LASER p=0,41). angepasst260. Die Materialabtragsrate der
Zwischen den Gruppen DWS und APLD Operationsmethoden ist bereits in der vo-
zeigte sich kein signifikanter Unterschied in rausgegangenen Studie ermittelt worden. Für
der Abnahme der Bandscheibenhöhe durch den LASER wurde eine dem DWS und der
die Operation (p=0,21), während die Minde- APLD vergleichbare Effektivität nachgewie-
rung der relativen Bandscheibenhöhe in der sen.
LASER-Gruppe signifikant geringer war Hieraus ist zu schließen, dass die Bearbeitung
(p<0,001; Abbildung 8-11). des Biomaterials Nukleus pulposus mit dem
LASER die mechanischen Eigenschaften
verändert, also einen Schaden der Klasse I
hervorruft. Nur so kann die erhaltene Band-
scheibenhöhe und der weiterhin hohe Druck
∆ hB erklärt werden. Choi berichtet über eine Ver-
prä OP post OP
[mm] änderung der mechanischen Eigenschaften
0,4
des Nukleus durch die LASER-Anwen-
dung61. Das Gewebe würde durch die Hitze
0,2
stark schrumpfen und einen Teil der Elasti-
zität einbüßen. Die höhere Steifigkeit der
0,0
LASER-Gruppe wäre so zu erklären, aber der
DWS APLD LASER
unverminderte Bandscheibendruck nach
LASER-Bearbeitung des Nukleus entzieht
Abbildung 8-11: Bandscheibenhöhendifferenz in sich dieser Argumentation. Choi berichtet
Abhängigkeit von der Operationsmethode. darüber hinaus, dass durch die LASER-Va-
Differenz (∆hB) der Bandscheibenhöhe zwischen
Vorlast (F=20N) und Hauptlast (F=150N; vgl. Abbil- porisierung Bläschen gebildet werden. Diese
dung 8-8). wären in der Lage, den Druck auf präoperati-
vem Niveau zu halten.
Über In-vitro-Messungen des Bandscheiben-
8.3.4 Diskussion drucks an humanen Präparaten berichtet
Castro54;56. Die Druckabnahme durch die
Für die DWS-Nukleotomie und die APLD Operation war in diesen Studien deutlich
konnte eine signifikante Abnahme des Band- höher als in der hier vorgestellten Studie und
scheibendrucks nach der Operation gemessen auch beim LASER vorhanden. Limitiert wird
90 Nukleotomie – Projektphase 2
die Aussagekraft der zitierten Studien da- ben mit nur 150N reicht dazu aus, weil die
durch, dass die Parameter der Operation nicht Bandscheiben des Tiermodells im Vergleich
angegeben werden. Außerdem wurde der zum Menschen kleiner sind.
Einfluss der Belastung auf das Bewegungs- Für die Auswertung der Versuche wurde je-
segment nicht untersucht. weils das Ende der Haltephasen gewählt, da
Für die DWS-Nukleotomie kann dieser hier zu diesem Zeitpunkt das Creeping (Kriechen)
nicht zu klärende Diskussionspunkt als se- des Biomaterials bestmöglich ausgeglichen
kundär angesehen werden. Die Hypothese war.
einer Veränderung der mechanischen Eigen-
schaften des Nukleus durch den LASER
sollte in weiteren experimentellen Studien 8.3.5 Schlussfolgerung
beleuchtet werden. Dies hindert nicht daran
weitere Projektschritte in Richtung auf eine Die DWS-Nukleotomie erzielt eine Reduk-
klinische Anwendung der DWS-Nukleotomie tion des Bandscheibendrucks, ohne dass die
in Angriff zu nehmen. Kinematik der Bandscheibe wesentlich ver-
Der Nukleus pulposus des verwendeten ändert wird.
Tiermodells hatte aufgrund des geringen Al- Es ist daher davon auszugehen, dass weder
ters der Tiere wenig kollagene Fasern und ein biomechanisch relevanter Schaden der
einen hohen Anteil an Hyaluronsäure (Prote- Klasse I am Nukleus pulposus noch ein
oglykane). Auch das Nukleus-Gewebe von Schaden der Klasse III am Anulus fibrosus
Patienten mit frischen Bandscheibenvorfällen resultiert. Eine Schädigung, die zur Perfora-
enthält signifikant mehr Hyaluronsäure und tion des Anulus fibrosus führte, trat nicht auf,
weniger kollagene Fasern als Vergleichsge- so dass davon ausgegangen werden kann,
webe der Kontrollgruppe309. Humane Präpa- dass der Anulus als Barriere zu den Nerven
rate natürlich Verstorbener zeigen diesen und Gefäßen in der Nähe der Bandscheibe
Aufbau nicht mehr220. Bei Autopsiematerial erhalten bleibt und so einen Schutz vor weite-
ist der Nukleus pulposus bereits zum großen ren Schäden der Klasse III garantiert, wenn
Teil von kollagenen Fasern durchsetzt101. Der das vorgestellte Instrumentarium verwendet
Altersgipfel für den diskogenen Kreuz- und wird und sich die Düse in der Bandscheibe
Beinschmerz liegt aber bei 45±10 Jahren273, befindet.
der Altersgipfel für Autopsiepräparate liegt Somit ist im empirischen Modell zu
weit höher. Daraus ergeben sich Argumente Trennprozessen bei einer Operation die Ab-
für das gewählte sehr junge Tiermodell, weil wägung für den Zielparameter Effektivität
die klinische Situation der diskogenen und die Schadensklassen I-III so positiv zu
Schmerzentstehung besser als mit humanen bewerten, dass ein weiterer Projektschritt
Autopsiepräparaten abzubilden ist. Die Ver- folgen kann. Rückschlüsse auf die Schadens-
gleichbarkeit des Tiermodells mit humanen klasse IV lassen die bisherigen Ergebnisse
Präparaten bezüglich einer DWS-Bearbeitung nicht zu, aber diese lassen sich aus den Er-
wurde in oben beschriebener Studie nachge- gebnissen der DWS-Anwendung in anderen
wiesen (Kapitel 6; S.54). medizinischen Fachgebieten ziehen.
In diesem In-vitro-Modell sollte ein Band- Die vorgestellten Ergebnisse bildeten die
scheibendruck simuliert werden, der beim Grundlage für ein von der Zulassungsbehörde
Menschen einer alltäglich Belastung ent- gefordertes unabhängiges Gutachten, was
spricht293. Die Kompression der Bandschei- sich mit der Frage befasste, ob beim jetzigen
91
9 Nukleotomie – Projektphase 3
In diesem Kapitel wird über die 3. Projekt- produktion des Schmerzbildes durch die
phase der DWS-Nukleotomie, also über die Druckerhöhung ist spezifisch für die Diag-
klinische Anwendung im Rahmen einer Pi- nose eines diskogenen Kreuzschmerzes. Eine
lotstudie berichtet. positive Schmerzreproduktion der betroffe-
nen Etage und eine Negativprüfung der an-
grenzenden Etage waren weitere Einschluss-
9.1 Problem kriterien für diese Studie.
messen. Weiterhin wurde das subjektive Das entfernte Nukleusgewebe wurde abfil-
Schmerzempfinden des Patienten mit der triert und histologisch untersucht.
visuellen Analogskala (VAS) gemes-
sen38;131;149;158. In dieser Skala wird stufenlos
zwischen schmerzfrei (0) und maximal vor- 9.3 Ergebnis
stellbarem Schmerz (10) klassifiziert (An-
hang S.228). Die Patienten wurden präopera- Die Operation selbst wurde von den Patien-
tiv, postoperativ (innerhalb der ersten post- ten als insgesamt unbelastend eingestuft. Sie
operativen Woche) sowie nach 6, 12 und 36 dauerte einschließlich Sichern des Zugangs
Monaten klinisch untersucht und befragt. und Diskografie des operierten und der an-
Alle Patienten konnten zur Nachuntersu- grenzenden Segmente 29,0±8,9min.
chung einbestellt werden (Wiederfindungs- In einigen Fällen (7/43=16%) berichteten die
rate 100%). (Statistische Methoden S.63; Patienten über diffusen Rückenschmerz wäh-
unabhängige und abhängige Variablen im rend der Nukleotomie. In einem Fall war
Anhang S.224.) dieser Schmerz unbeeinflussbar, so dass die
Die Wasserstrahlapplikation fand ohne Anti- Nukleotomie nur nach Sedierung (leichter
biotikaprophylaxe in Linksseitenlage statt. Narkose) vorgenommen werden konnte.
Nach der üblichen Lokalanästhesie wurde die In der histologischen Untersuchung des aus
Bandscheibe zunächst mit einem Kirschner- der Bandscheibe abgesaugten Wassers zeig-
draht punktiert, wobei hier die korrekte Posi- ten sich ausschließlich Nukleuspartikel mit
tion durch Bildwandlerdokumentation in einem maximalen Durchmesser von 2mm.
zwei Ebenen gewährleistet war. Der Ar- Anulus fibrosus wurde in keinem Fall nach-
beitstroikar wurde in die Bandscheibe einge- gewiesen.
führt. An diesen wurde der Sauger gekoppelt, 36/43=84% der Patienten berichteten bereits
und die Wasserstrahldüse (dD=0,1mm) wurde am ersten postoperativen Tag über eine deut-
in die Bandscheibe eingebracht. Die DWS- liche Schmerzreduktion.
Nukleotomie wurde über 3–5min mit einem 2/43=4,6% Patienten wurden innerhalb von
Druck von pW=4MPa durchgeführt (Abbil- sechs Wochen konventionell nukleotomiert,
dung 9-1). weil die Symptomatik durch die Operation
nicht beeinflusst worden war. Beide Patien-
ten zeigten größere sequestrierte Bandschei-
benvorfälle (ohne Verbindung zum Nukleus
pulposus). Bei weiteren fünf Patienten
(5/43=11,6%) war eine Besserung erzielt
worden, jedoch blieb eine Einschränkung der
Lebensqualität auch nach der Operation.
Beim Rest der operierten Patienten
(36/43=84%) bestanden keine oder nur noch
sehr geringe Beschwerden. Ihre Lebensqua-
lität war nicht mehr durch den Rücken-
schmerz eingeschränkt.
Abbildung 9-1: DWS-Instrumentarium bei einer
Operation am Patienten. In 31/43=72% der Fälle beschrieben die Pati-
Zur sterilen Abdeckung wurde eine Folie verwendet. enten nach 12 Monaten das Operationsergeb-
95
nis mit „besser als erwartet“ oder „wie er- Die Schmerzklassifikation mit der VAS
wartet“ (Abbildung 9-2). zeigte eine signifikante Abnahme durch die
Auch im weiteren Verlauf des Nachuntersu- DWS-Nukleotomie (p<0,001; Abbil-
chungszeitraums von drei Jahren war dieser dung 9-4).
14% VAS
14% 10
53% 8
6
19%
4
besser als erwartet 2
wie erwartet 0
schlechter als erwartet prae OP post OP 12 Mon 36 Mon
unbefriedigend
Abbildung 9-2: Subjektive Zufriedenheit 12 Mo- Abbildung 9-4: Schmerz in Abhängigkeit vom
nate nach der Operation. Untersuchungszeitpunkt.
Effekt trotz der bei Rückenschmerzen be- Der vom Patienten erreichte Finger-Boden-
kannten Rezidivhäufigkeit weiter messbar. abstand nahm durch die Operation statistisch
Der Oswestry-Score als Maß für die Beein- signifikant ab (p<0,001 für Vergleich prä OP
trächtigung des Patienten war signifikant zu 12 Monate).
niedriger als präoperativ (p<0,001 für alle
Intervalle; Abbildung 9-3).
Die fünf Kernspintomografien, die unmittel- Eine Druckmessung während der Applika-
bar postoperativ (1,3-4,7h) angefertigt wur- tion, die als In-vivo-Studie geplant ist, kann
den, zeigten keine erhöhte Signalintensität im hier zur Klärung beitragen.
Bereich des Nukleus pulposus.
Schadensklasse II
Diese Schadensklasse ist im Zusammenhang
mit der Nukleotomie nicht definiert, weil im
9.4 Diskussion Nukleus kein Gewebeverbund mit Gefäßen
oder Nerven vorliegt.
9.4.1 Schädigung
Schadensklasse III
Schadensklasse I Hinweise auf Verletzungen im Bereich des
Eine Veränderung des Nukleus pulposus im Anulus fibrosus konnten durch die Kern-
Sinne einer Ödembildung und Volumenzu- spintomografie nicht verifiziert werden. His-
nahme könnte einen pseudoradikulären oder tologisch wurde im abgesaugten Gewebe
radikulären Schmerz provozieren. In keinem ausschließlich Nukleus pulposus nachgewie-
Fall wurde perioperativ eine Symptomatik sen. Dies ist als Hinweis dafür zu werten,
gesehen, die als Hinweis darauf gedeutet dass der Anulus fibrosus aufgrund der Selek-
werden könnte. tivität des DWS nicht abgetragen wurde.
Aus den post OP durchgeführten Kernspin- In keinem Fall kam es – abgesehen von an-
tomografien ist zu schließen, dass Wasser nur fänglichen gerätetechnischen Problemen – zu
in geringem Maße eingelagert wird oder dass intraoperativen oder postoperativen Kom-
es schon in der ersten Stunde postoperativ plikationen. Insbesondere wurde nicht über
resorbiert wird. spinale Symptome wie Kopfschmerz und
Vor der Operation wurden die Patienten dar- Übelkeit oder periphere neurologische Sym-
über aufgeklärt, dass durch die Anwendung ptome geklagt. Infektionen, Lähmungen oder
eines DWS innerhalb der Bandscheibe auch Verschlimmerungen der Schmerzsymptoma-
ein Bandscheibenvorfall provoziert werden tik im Vergleich zum präoperativen Status
könnte. Eine solche Komplikation trat in der wurden in keinem Falle gesehen. Es kann
Pilotgruppe nicht auf. Da der maximale daraus geschlossen werden, dass Gewebe wie
Bandscheibendruck, wie in Vorversuchen Rückenmark, Spinalnerven oder Dura mater
ermittelt (Anhang S.201), unterhalb von nicht verletzt wurden.
0,1MPa bleibt, ist diese Komplikation eher
unwahrscheinlich, weil bei normaler Belas- Schadensklasse IV
tung im Stehen ein deutlich höherer Druck Die intraoperativ aufgezeichneten Werte von
gemessen werden kann244. Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung
Die während der klinischen Applikation auf- zeigten keine signifikanten Unterschiede zu
getretenen diffusen Rückenschmerzen könn- den präoperativen Werten, so dass von Seiten
ten aber das Korrelat der möglichen Druck- dieser Parameter nicht von einer Fernwirkung
erhöhung bis 0,1MPa sein. Eine andere Er- ausgegangen werden kann. Wichtig dafür
klärung hierfür wäre die Irritation der mit war die Verwendung einer normoosmolaren
sensiblen Nervenendigungen versehenen Kochsalzlösung als Strahlmedium. Bringt
Wirbelkörperdeck- und Grundplatte durch man hingegen hypoosmolare Lösungen in
den DWS. großen Mengen in den Körper ein, kann es zu
97
wendete z.B. in seiner Arbeit einen Hol- Längsbandes und anderer Strukturen gedeutet
mium-YAG-LASER für die Nukleotomie bei werden276. Denkbar ist auch eine Reduktion
223 Patienten51-53. Die Nachuntersuchung chemischer Faktoren, die direkt oder indirekt
ergab nach 1 Jahr bei 84% gute Ergebnisse. für die Entstehung des Schmerzes von Be-
Auch Choy berichtet nach 17-jähriger Erfah- deutung sind57;133.
rung mit der LASER-Nukleotomie von guten
Ergebnissen, wenn die Indikation richtig ge-
stellt wurde62, was von anderen Autoren bes-
tätigt wurde10. 9.5 Schlussfolgerung
Die DWS-Nukleotomie zeigte in der vorge-
stellten Studie eine vergleichbare Erfolgsrate Das Operationsziel Schmerzreduktion kann
bei geringeren Risiken und geringeren Fall- mit der DWS-Nukleotomie in der Mehrzahl
kosten. der Fälle erreicht werden. Das Nukleusge-
Falsch positive Ergebnisse werden aufgrund webe wird bei den verwendeten erzeugungs-
des nicht zu vernachlässigenden Placeboef- orientierten Parametern selektiv abgetragen.
fekts bei dieser Operation ebenso wie bei Schäden der Klassen I-III waren nicht zu
anderen Operationsmethoden produziert13. erwarten und sind nicht aufgetreten. Schäden
Der allgemeingültige Beweis lässt sich letzt- der Klasse IV sind beim untersuchten Pati-
endlich nur mit Hilfe einer prospektiven ran- entengut ebenfalls nicht beobachtet worden.
domisierten Studie im Vergleich mit einer Klinisch relevante Schädigungen sind somit
anderen Operationsmethode antreten. Im auch bei einer Anwendung in einer größeren
idealen Fall geschieht dieses durch eine Anzahl für alle Schadensklassen unwahr-
Blindstudie (Patient weiß nicht, welches scheinlich.
Verfahren angewendet wird) oder Doppel- Der Aufwand der DWS-Nukleotomie ist ge-
blindstudie (nachuntersuchender Arzt und ring und am ehesten mit einer Injektion ver-
Patient wissen nicht, welches Verfahren an- gleichbar.
gewendet wird). Die aus wissenschaftlicher Die DWS-Nukleotomie kann in weiteren
Sicht am besten geeignete Vergleichsgruppe Projektschritten in einer Multicenterstudie
einer Scheinoperation (Placebogruppe), bei auf größere Patientenkollektive ausgedehnt
der nur der Zugang zur Bandscheibe geschaf- und mit anderen Verfahren verglichen wer-
fen wird, ohne den DWS anzuwenden, lässt den. Histologisch wurde im abgesaugten
sich aus ethischen Gründen nicht rechtferti- Gewebe ausschließlich Nukleus pulposus
gen. nachgewiesen. Dies ist als Hinweis dafür zu
Für eine Vergleichsstudie z.B. mit der Che- werten, dass der Anulus fibrosus aufgrund
monukleolyse stellt die vorgestellte Arbeit der Selektivität des DWS nicht abgetragen
die zwingende Grundlage dar. Allerdings wurde.
muss man sich darüber im Klaren sein, dass Ein fester Platz in der Differenzialtherapie
man die Vergleichsgruppe den oben be- des bandscheibenbedingten Rückenschmer-
schriebenen Nachteilen der Chemonukleolyse zes ist als realistisch einzuschätzen.
aussetzt. Das empirisches Modell zu Trennprozessen
Der Wirkmechanismus der neuen Methode bei einer Operation hat sich in der Anwen-
kann als reine Druckentlastung und hieraus dung zur Entwicklung der DWS-Nukleoto-
folgender Spannungsreduktion des hinteren mie bewährt.
99
10 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
In diesem Kapitel werden Schnittversuche an Die Vorschubgeschwindigkeit betrug
kortikalem Knochen und Knochenzement mit vV=10mm/min.
den drei Gruppen der DWS-Technik (DWS, Wegen der Anisotropie des Knochens wur-
DDWS, ADWS) vorgestellt. Das Kerbtie- den Versuche längs und quer zur Osteon-
fenmodell nach Decker wird modifiziert und richtung durchgeführt. Bei der Endoprothe-
findet für den DWS seine Anwendung. Für senrevision ist darüber hinaus ein tangentia-
den ADWS wird ein analytisches Kerbtie- les Auftreffen des Strahls auf die Kortikalis
fenmodell aufgestellt und mit Hilfe weiterer zu erwarten. Daher wurden zwei Strahl-
Kerbversuche validiert. Auch für die En- Werkstückwinkel (γ=90°, γ=30°) untersucht
doprothesenrevision wird eine Risiko-Nut- (vgl. Abbildung 5-5, S.34). In der Knochen-
zen-Analyse im Rahmen des empirischen gruppe wurden für jede Parameter-Kombina-
Modells zu Trennprozessen bei einer Opera- tion zehn Proben gekerbt. Wegen der relativ
tion durchgeführt. konstanten Materialeigenschaften von Tech-
novit® wurden in der PMMA-Gruppe für jede
Kombination nur fünf Proben verwendet.
10.1 Druckwasserstrahl
10.1.2 Ergebnis
Die Kerbversuche am Wirbelkörper (S.67)
haben gezeigt, dass die bisher untersuchten Kerbtiefe
erzeugungsorientierten Parameter eines DWS Unterhalb von pW=40MPa zeigte sich kein
keine Bearbeitung von Knochen zulassen. Es sichtbarer Materialabtrag in Knochen. Bei
musste daher zunächst herausgefunden wer- pW=40MPa wurde Knochen lediglich an 2/10
den, bei welchen erzeugungs- und prozess- Proben gekerbt. Die erzielten Kerbtiefen bei
orientierten Parametern Knochen und Kno- pW=40MPa waren sehr gering und streuten
chenzement überhaupt bearbeitet werden stark (0,13±0,20mm). Eine intraoperativ an-
können. nehmbare Kerbtiefe für den Anwendungsfall
der Osteotomie oder der Primärendoprothetik
zeigte sich erst ab einem Druck von
10.1.1 Material und Methode pW=100MPa (5,51±0,98mm).
Schnitte parallel und senkrecht zur Osteon-
Exemplarische Kerbversuche an Knochen- richtung zeigten keine signifikanten Unter-
zement und bovinem Knochen dienten zu- schiede in der Kerbtiefe (p=0,9; Tabel-
nächst dazu, eine grobe Parametereingren- le 10-1).
zung vorzunehmen. Eine Veränderung des Strahl-Werkstückwin-
Die dann folgenden Versuche wurden mit der kels auf γ=30° verringerte die Tiefe der Ker-
industriellen DWS-Anlage bei einem Düsen- ben in Knochen erheblich: Die Kerbtiefen
durchmesser von dD=0,3mma und einem Ar- waren bei γ=90° immer signifikant größer als
beitsabstand von s=5mm durchgeführt. Der bei γ=30° (p<0,001 für 40; 60; 80MPa; Ta-
Druck wurde in 20MPa-Schritten zwischen belle 10-1).
pW=20MPa und pW=120MPa variiert. In der PMMA-Gruppe waren an allen Proben
schon bei pW=40MPa Kerben sichtbar.
a
Comadur, Le Locle, CH, http://www.comadur.ch.
100 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
Druck [MPa]
Material γ Orientierung
20 40 60 80 100 120
Knochen 90° längs 0 0,13±0,20* 0,62±0,34 2,35±0,74 5,51±0,98 7,31±1,44
Knochen 90° quer 0 0,12±0,19* 0,78±0,39 2,59±0,80 5,10±0,55 7,42±1,24
Knochen 30° längs 0 0 0,06±0,02 0,08±0,03 0,12±0,23 0,81±0,64
Knochen 30° quer 0 0 0,02±0,03 0,07±0,03 0,10±0,03 0,78±0,43
PMMA 90° – 0 1,20±1,22 5,21±0,48 7,53±0,70 6,21±0,69 7,53±0,70
Kerbtiefen in [mm]; MW±STD aus 10 Kerbversuchen bei Knochen und 5 Kerbversuchen bei PMMA; *nur 2 von 10 Proben gekerbt.
Knochen weist zwar eine um den Faktor zehn Grenzdruck, d.h. der Druck, bei dem erstmals
geringere Elastizität als PMMA auf, hat aber Materialabtrag erzielt wird, für die Kortikalis
eine höhere Druck- und Zugfestigkeit und höher als für PMMA.
eine größere Härte68 (Anhang S.208). Unab- Die relativ geringe Zugfestigkeit kann als
hängig von den Mechanismen, die den Mate- Erklärung für die weit in das Material
rialabtrag im Einzelnen bedingen, ist die PMMA hineinreichende Rissbildung ange-
Grenzenergie für den Abtrag in Knochen führt werden. Eine oberflächliche Rissbil-
größer als in PMMA. dung in Knochen konnte in sehr begrenztem
In der vom Strahl beaufschlagten Zone wer- Umfang nur bei einem Druck von
den Druckspannungen im Material erzeugt. pW>100MPa beobachtet werden. Neben den
Diese führen zu einer Deformation in dieser genannten Materialeigenschaften, die eine
Zone und bedingen gleichzeitig in der nicht Rissinitiierung verhindern, sind für die feh-
strahlbeaufschlagten Umgebung Zugspan- lende Rissausbreitung im kortikalen Knochen
nungen188. Aufgrund der Rissbildung außer- die Zementlinien verantwortlich210;234. Diese
halb der Schnittfuge ist zu schließen, dass Zementlinien sind Regionen, die einen gerin-
diese bei PMMA eher zu Materialversagen geren Mineralisierungsgrad als die Osteon-
führen als bei Knochen. lamellen, aber einen wesentlich höheren Ge-
Der eigentliche Materialabtrag findet aber bei halt an Mucopolysacchariden aufweisen.
beiden Materialien in der strahlbeaufschlag- Diese Zusammensetzung verleiht den Ze-
ten Zone statt. mentlinien zwar eine verminderte Festigkeit,
Rochester berichtet, dass beim DWS-Schnei- aber wesentlich duktilere Eigenschaften als
den eine Rissinitiierung von zentraler Be- der übrigen Knochenmatrix. Es wird ange-
deutung ist, die ihren Ursprung in kleinen nommen, dass die Zementlinien deshalb die
Oberflächenkratzern oder Materialinhomo- Risspropagierung hemmen47.
genitäten hat240. Von den vielen in PMMA Die Spannungen, die an einer Rissspitze zur
eingelagerten Poren könnte demnach eine Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen
Rissinitiierung ausgehen. Aber auch in Kno- Risswachstums nötig sind, liegen in einem
chen finden sich Hohlräume, so dass die homogenen Werkstoff erheblich unter den
Kerbtiefenunterschiede allein dadurch nicht theoretischen Materialversagenswerten. In
erklärbar sind. einem Verbundwerkstoff jedoch wird die
Der kortikale Knochen ist Druck- und insbe- Spannungsverstärkung an der Rissspitze
sondere Zugspannungen gegenüber wesent- durch die eingebundenen schwächeren Inter-
lich resistenter als PMMA. Daher liegt der faces stark gemindert. Die Rissgeschwin-
102 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
Die Kerbversuche an Knochen und PMMA Die durch die Modellmodifikation errech-
zeigen jedoch, dass ein Mindestdruck erfor- neten Kerbtiefen stimmen auch im unteren
derlich ist, um Materialabtrag zu erzielen. Druckbereich überaus gut mit den Messwer-
Decker berücksichtigt in seiner Modellglei- ten dieser Studie überein (Abbildung 10-4).
chung nicht, dass für den sichtbaren Mate- Auffallend ist, dass bei Berücksichtigung
rialabtrag ein Grenzdruck (pG) existiert. Bei eines Grenzdrucks für den Materialabtrag die
den Versuchen an Weichgeweben war dies materialtypische Abtragsenergie (unter Be-
eher zu vernachlässigen, weil der Grenzdruck rücksichtigung des Grenzdrucks, ESPG) im
relativ klein, also nahe null gelegen war. Vergleich zur materialtypischen Abtrags-
Eine Modifikation seines Modells ist die Be- energie (ESP) insbesondere für Knochen
rücksichtigung des Grenzdrucks bei der Be- deutlich geringer ist. Bei Knochen wird ein
rechnung der Strahlkraft. Geht man davon großer Anteil der Strahlenergie für die Über-
aus, dass nur die Strahlkraft oberhalb des windung des Grenzdrucks benötigt, ohne
Grenzdrucks zum Abtrag führt, so definiert dass dieser Energieanteil Materialabtrag be-
sich die Strahlkraft für den Materialabtrag wirkt.
(FSG) nach Gleichung 10-1.
2 8 Decker-Modell
FSG.....Strahlkraft für Materialabtrag
6
dD ......Düsendurchmesser 4
α .......Kontraktionszahl 2
ε ........Geschwindigkeitszahl 0
pW......Wasserdruck 0 20 40 60 80 100 120
pG ......Grenzdruck für Materialabtrag
pW [MPa]
und f=50Hz (p<0,001) war statistisch ebenso zeigte sich hingegen kein signifikanter Unter-
signifikant wie zwischen f=50Hz und schied in der Druckklasse pW=60MPa
f=250Hz (p=0,05; Abbildung 10-6). (p=0,806; Abbildung 10-7).
Abbildung 10-6: Auf die hydraulische Leistung Abbildung 10-7: Der Massenabtrag in PMMA in
bezogene Kerbtiefen in Abhängigkeit von Material Abhängigkeit von Druck und Frequenz.
und Frequenz.
Massenabtrag
Der Massenabtrag in PMMA korrelierte mit
der Kerbtiefe (r²=0,74; p<0,001).
Das Bestimmtheitsmaß der linearen Korrela-
tion zwischen dem Massenabtrag und der
Kerbtiefe in PMMA wurde aber mit steigen-
der Pulsfrequenz geringer (0Hz: r²=0,87;
p<0,001; 50Hz: r²=0,64; p<0,001; 250Hz:
r²=0,32; p=0,011). Dies ist als Hinweis dar-
auf zu werten, dass beim DDWS Materialab-
trag außerhalb der eigentlichen Kerbe statt-
findet. pW=60MPa.
Die Masse des abgetragenen PMMA war in
Abbildung 10-8: PMMA-Proben nach Bearbeitung
der Druckklasse pW=40MPa bei der Pulsfre- mit dem DDWS.
quenz f=250Hz signifikant größer als für die Man erkennt deutlich die Rissbildung neben der
anderen beiden Frequenzen (p<0,001). Es Kerbe, die hier bei 250Hz am ausgeprägtesten ist.
107
Die Zone der Rissausbreitung war (soweit nach dem Stoßdruck der Staudruck wirkt,
mit dem Auge beurteilbar, Abbildung 10-8) nimmt hingegen ab (Abbildung 10-10 und
nicht von der Frequenz abhängig. Die Riss- Abbildung 5-10, S.37).
bildung führte zum Aussprengen ganzer Ma- Die Zerstörung des PMMA durch Einzelim-
terialpartikel aus der Oberfläche, was durch pulse ist vergleichbar mit den von Kolle und
die Kerbtiefenmessung nicht zu detektieren Hashish beschriebenen Mechanismen des
war (Abbildung 10-9). Materialabtrags bei Beton168.
p p
Stoß
schlechter. Es fand z.B. bei einer Frequenz Das visköse Verhalten kann zu gewissen
von f=250Hz vermehrt Materialabtrag neben Teilen auf die Eigenschaften der einzelnen
der Kerbe statt. Es handelt sich dabei um Materialien, die im Materialverbund den
Effekte nahe der Werkstückoberfläche. Die Knochen bilden, zurückgeführt werden. Aber
Kräfte, die nötig sind, ein Partikel zur freien auch fluidmechanische Prozesse in den Poren
Oberfläche hin abzusprengen, sind hier ge- des Volkmann- und Havers-Systems tragen
ringer als in der Mitte des Materials. zur Viskoelastizität bei.
Aus dem Rissbild in Knochen kann geschlos- Der Elastizitätsmodul von Knochen nimmt
sen werden, dass die deformationsinduzierten aufgrund dieser Eigenschaften mit steigender
Zugkräfte im Randbereich des Strahls zu Dehnungsgeschwindigkeit linear zu227. Wird
gering sind, um zum Materialversagen von diese Tatsache in das Modell des Einzeltrop-
Knochen zu führen. Drei Ursachen sind zu feneinschlages auf Knochen einbezogen, so
diskutieren: ist davon auszugehen, dass durch die Über-
tragung des Stoßdrucks eine kurzfristige re-
1. Die DWS-induzierten Zugspannungen in versible Erhöhung des E-Moduls im Areal
Knochen sind außerhalb der direkt strahlbe- der Druckbeanspruchung resultiert. Dies
aufschlagten Zone genauso hoch wie bei könnte sich in zweierlei Hinsicht auswirken:
PMMA, aber die Zugfestigkeit von Knochen
ist so groß, dass diese nicht zum Materialver- • Durch die Erhöhung des E-Moduls ist die
sagen führen. durch den Einzeltropfenschlag resultie-
rende Randdehnung im Knochen geringer
2. Das Biomaterial Knochen überträgt auf als bei mit niedrigeren Geschwindigkeiten
den Strahlrandbereich geringere Zugspan- eingeleiteten Impulsen.
nungen als PMMA.
• Durch die vom Tropfenschlag induzierte
3. Das Knochenmaterial verfügt als E-Modulerhöhung ist die Druckfestigkeit
Verbundmaterial über bruchhemmende Ele- im Bereich der primären Auftrefffläche
mente (S.100). höher, so dass für Materialabtrag mehr
Energie nötig wird.
Elastische Fasern innerhalb der Knochenmat-
rix sorgen dafür, dass der Knochen seine ur- Diese Faktoren, gepaart mit der schon im
sprüngliche Form nach Deformation in Gren- unbelasteten Zustand im Vergleich zu
zen zurückerlangt. Der kortikale Knochen hat PMMA geringeren Elastizität und höheren
darüber hinaus viskoelastische Eigenschaf- Zugfestigkeit von Knochen, vermindern die
ten. Die viskosen Elemente sind verantwort- Wahrscheinlichkeit, dass durch den Stoß-
lich für die Abhängigkeit der Steifigkeit von druckimpuls ein Riss initiiert wird.
Dehnungsrate und Dehnungsgeschwindig- Nach der Deformierung durch einen Stoß-
keit. Darüber hinaus kann der Knochen im druckimpuls nimmt der Knochen aufgrund
plastischen Verformungsbereich in hohem seines elastischen Verhaltens die ursprüngli-
Maße mechanische Energie absorbieren. che Form wieder an. Auch die Materialeigen-
Auch die diesem Biomaterial eigenen Cha- schaften kehren wieder in den Ausgangs-
rakteristika wie Creep-Verhalten und Stress- zustand vor dem ersten Tropfenschlag zu-
Relaxation werden den viskösen Elementen rück, so dass kein bedeutender additiver
zugeordnet194. Effekt der Einzelereignisse zu erwarten ist.
109
10.3 Abrasivdruckwasserstrahl
Tabelle 10-2 : Kerbtiefen für das Hartgewebe Kortikalis (Rind) und das Biomaterial PMMA.
Beim Abrasivmassenstrom m & =1g/s waren Für PMMA war der Unterschied noch deutli-
die erzielten Kerbtiefen in Knochen und cher als für Knochen. Bei pW=60MPa betru-
PMMA signifikant größer als mit m& =0,5;g/s gen die im Durchschnitt erzielten Kerbtiefen
(z.B. p<0,001 für pW=60MPa und beide Ma- für Knochen / PMMA 0,61±0,33mm /
terialien, Tabelle 10-2) 5,20±0,47mm mit dem reinen DWS und
1,61±0,33mm / 15,25±0,66mm mit dem
Vergleich DWS und ADWS ADWS (p<0,001 für beide Vergleiche und
Verglichen mit dem reinen DWS waren die m& =1g/s). Beim ADWS konnte kein selekti-
Kerbtiefen für beide Materialien und für je- ver Druckbereich für die Bearbeitung von
den Druck und jeden Strahl-Werkstückwin- PMMA festgelegt werden.
kel in der Abrasivgruppe signifikant höher
(p<0,001 für alle Druckklassen; Abbil- Kerbbreite
dung 10-12). Die Kerbbreite mit dem ADWS war, gemit-
telt über Material, Druck und Massenstrom,
signifikant größer als bei den Versuchen mit
dem DWS (DWS: 0,61±0,18mm; ADWS:
Knochen DWS ADWS 1,84±0,61mm; p<0,001). Dies begründet sich
k [mm] PMMA DWS ADWS dadurch, dass der Fokusrohrdurchmesser
größer war als der Düsendurchmesser beim
15
DWS.
10
5 Kerbqualität
Die ADWS-Kerben waren sehr scharf be-
0
grenzt. In Knochen war bei Anwendung des
40MPa 60MPa ADWS keine Rissbildung zu beobachten
γ=90°, m
& =1g/; Kerbtiefe (k). (Abbildung 10-13).
Abbildung 10-12: Kerbtiefen mit DWS und ADWS In PMMA zeigte sich ebenfalls ein sehr glat-
in Abhängigkeit von Druck und Material. ter Schnitt ohne die beim DWS und DDWS
beobachtete Rissbildung (Abbildung 10-14).
112 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
pW=60MPa. pW=60MPa.
Abbildung 10-13: Elektronenmikroskopie einer Abbildung 10-14: Mit dem DWS und dem ADWS
ADWS-Kerbe in Knochen. geschnittene Proben im Vergleich.
Man sieht die V-Form des Qualitätsschnittbereichs
und eine insgesamt rissfreie Oberfläche.
Diskussion
Im Qualitätsschnittbereich zeigte sich im
Querschnitt in beiden Materialien ein V-för-
miges Profil der Bioabrasivkerbe (Abbil-
dung 10-13).
pW=60MPa, = Strahlrichtung.
In Knochen konnte elektronenmikroskopisch
Abbildung 10-18: Elektronenmikroskopie der
im Qualitätsschnittbereich ein feines Wel- Kerbwandung in Knochen.
lenmuster mit einer Wellenlänge von 10-
40µm gesehen werden, das quer zur Strahl-
richtung ausgerichtet war (Abbildung 10-18).
Dieses Muster könnte durch Materialinho- Ausbildung der Kerbzonen
mogenitäten verursacht worden sein. Während in Zone 1 (Qualitätsschnittbereich)
Im Verbundmaterial Knochen müssten dann ein kontinuierlicher Abtragsprozess stattfin-
Schichten, die dem abrasiven Verschleiß bes- det, unterliegt die Zone 2 einem dreidimensi-
ser zugänglich sind, vorhanden sein. Bei he- onal periodischen Prozess110. Dieser Prozess
terogenen Werkstoffen kann eine eingela- ruft das Rillenmuster der Kerbflanken hervor.
gerte harte Phase den Verschleiß des gesam- Die Oszillationsvorgänge sind zeitlich wie-
ten Werkstoffs reduzieren. Eine Matrix, die derkehrende Abtragsphänomene, die durch
sich in der Verschleißhochlage befindet, wird die Wechselwirkung zwischen Werkstück
so vor abrasivem Verschleiß geschützt239;287. und Strahl hervorgerufen werden. Dadurch
Der Havers-Kanal ist von zirkulären Lamel- pendelt der Strahl seitlich, was zu einer
len umgeben, die durch geringer minerali- wechselseitigen Schnittfugenverbreiterung
sierte, kollagenreiche Schichten, die Osteo- führt (Abbildung 10-19). Die Amplitude die-
114 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
ser Oszillation wird mit zunehmender Tiefe Material eingebrachte Energie zu gering, um
größer. weiteren Abtrag zu erzielen. Durch den
In der durch die Strahl- und die Vorschub- Strahlvorschub wiederholt sich der Prozess
richtung aufgespannten Ebene ist der Ab- der Stufenbildung und Stufenwanderung.
tragsprozess folgendermaßen zu beschreiben: Guo und Blickwedel beschreiben mehrere
primäre Stufen, die zu voll ausgebildeten
Stufen zusammenlaufen32;110.
Eine primäre Stufe wird sehr schnell in
Richtung Kerbgrund vorangetrieben. Ober-
halb dieser wird jedoch gleichzeitig die
nächste primäre Stufe gebildet, wobei die
untere Stufe zum Stillstand kommt und erst
weiter bearbeitet wird, wenn die nächste
Stufe mit dieser zusammenläuft32.
Der Mechanismus der Stufenbildung führt
dazu, dass ein Plateau im Material ausgebil-
det und vom Strahl in die Tiefe vorgetrieben
wird. Die Fläche des Plateaus wird bei Lak-
tose im Gegensatz zu technischen Abra-
Abbildung 10-19: Schemazeichnung der Strahl- sivstoffen mit zunehmender Kerbtiefe größer
oszillation und des resultierenden Kerbbildes. (Abbildung 10-20). Dies kann man aus der
kometenschweifartigen Ausbildung der Ril-
len in Zone 2 schließen. Die Rillen werden in
Richtung des Kerbgrunds breiter (Abbil-
Durch die Abnahme der durchschnittlichen dung 12-8, S.138).
Partikelenergie mit zunehmender Kerbtiefe Ursache dafür könnte eine mit zunehmender
bildet sich die gekrümmte Schnittfront Kerbtiefe größere Streuung des Bioabra-
aus32;110. sivstrahls sein, die durch die im Vergleich zu
Diese Schnittfront lenkt den Strahl in unter- GMA geringere Masse des Einzelpartikels
schiedlichem Maße um. Am Ort dieser Um- verursacht sein könnte.
lenkung resultiert eine höhere Konzentration
von Partikeln und ein höherer Materialabtrag.
Der jeweilige Umlenkpunkt der Schnittfront
wandert als kleine Stufe vom Ende des Qua-
litätsschnittbereichs bis zum Kerbgrund (Ab-
bildung 10-20). Am Kerbgrund ist die in das
115
energiereich energiearm
1 2 3 1
Zone 3
Die Zone 3 ist in der zugänglichen Literatur Die Formgebung der Zone 3, also des Kerb-
bisher nicht in dieser Form beschrieben wor- grunds, folgte keiner Periodizität.
den. Sie war in PMMA besonders stark aus- Als mögliche Ursache für die Ausbildung der
geprägt (Abbildung 10-21). In Knochen war Zone 3 wäre denkbar, dass der nach dem
diese hingegen nur geringfügig ausgebildet Prozess abströmende Strahl am Kerbgrund
(Abbildung 10-13, S.112). Das Abtragsbild weiteren Hydroabrasivverschleiß hervorruft:
der Zone 3 zeigte auch mikroskopisch keine Das in die Kerbe eingebrachte Strahlvolumen
Risse oder oberflächlichen Veränderungen, kann nicht, wie beim Trennschneiden, frei
die als ein Hinweis auf Prallverschleiß zu abfließen, sondern muss die bereits gefertigte
werten wären. Die mikroskopischen Bilder Kerbe als Abstromkanal nutzen.
der Zone 3 entsprachen denen der Kerbfront,
so dass auch hier ein Gleitverschleiß stattge-
funden haben muss.
116 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
(pW=60MPa).
Abbildung 10-22: Schematische Darstellung des
Abbildung 10-21: Schema des Kerbquerschnitts hypothetischen Abtrags durch eine Kerbgrundre-
mit Bezeichnung der Zonen. flexion.
Wenn das Muster der Zone 3 erheblich auf Die Materialstärke der Probe in Strahlrich-
den abfließenden Strahl zurückzuführen tung wurde jeweils für eine Strecke von
wäre, müssten sich Form und Menge des 20mm in Vorschubrichtung auf Trenn-
Abtrags in Vorschubrichtung ändern. Zu Be- schnitttiefe reduziert. Diese Proben wurden
ginn der Kerbe wäre dann der Materialabtrag mit dem ADWS unter Verwendung des
größer, weil hier das gesamte Abrasivstrahl- Abrasivstoffs Laktose geschnitten (Mesh#45,
volumen des Arbeitsprozesses vorbeifließt. In pW=100MPa, s=5mm vV=10mm/min).
dieser Studie war die Zone 3 aber gleichmä- Die Zone 3 war an diesen Proben sowohl bei
ßig über die Vorschubrichtung verteilt, so- Trenn- als auch bei Kerbschnitten vorhanden.
dass der abfließende Strahl nicht als Ursache Alle Qualitätszonen wurden unabhängig von
für die Ausbildung der Zone 3 gesehen wer- der Materialstärke ausgebildet (Abbil-
den kann. dung 10-23). Die Zone 3 verlief regelmäßig
In einem zusätzlichen Kerbexperiment sollte sowohl in Trenn- als auch in Kerbabschnit-
die Frage geklärt werden, ob der Strahlrück- ten, so dass man denken könnte, die Materi-
prall am Kerbgrund als Ursache für die unge- alstärke wäre erst nach dem Versuch redu-
richtete Strömung in Zone 3 weiter zu disku- ziert worden. Dies widerlegt die Hypothese
tieren ist (Abbildung 10-22). einer Strahlreflexion am Kerbgrund als Ursa-
Die Zone 3 wäre beim Trennschnitt nicht zu che der Zone 3.
erwarten, weil ein Strahlrückprall am Kerb- Der wahrscheinlichste Grund für die Ausbil-
grund beim Trennschnitt nicht möglich ist. dung der Zone 3 ist, dass die Bioabrasiv-
Zu diesem Zweck wurden PMMA-Proben Strömung deutlich instabiler ist und daher
angefertigt, die von ihrer Stärke her für einen schon vor dem Aufprall im Kerbgrund Tur-
Kerbschnitt dimensioniert waren. bulenzen bildet. Diese Turbulenzen verursa-
chen den ungerichteten Abtrag in Zone 3.
117
a
Degussa, Röhm, Darmstadt, DE,
http://www.roehm.de/de/plexiglas.
118 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
b
GMA Garnet Europe GmbH, Hamburg, DE,
http://www.gma-garnet.de.
a c
Produktspezifikation, Garnet Europe GmbH, Laborette, Laval Lab, Laval, CA,
Hamburg, DE, http://www.gma-garnet.de. http://www.lavallab.com.
119
massenströmen von m & =1,0–5,8g/s beauf- Trotz der Wasserlöslichkeit der Laktose
schlagt. waren aber auch nach dem Prozess scharf-
Für beide Abrasivmittel wurden sowohl glei- kantige Partikel sichtbar (Abbildung 10-26).
che Massenströme als auch gleiche Volu-
menströme eingestellt. Die Versuche wurden
in einem Strahl-Werkstückwinkel von γ=90°
(vgl. Abbildung 5-5, S.34) von der Keilspitze
beginnend mit einer Vorschubgeschwindig-
keit von vV=30mm/min gefahren. Der Druck
von pW=100MPa wurde mit einer Industrie-
anlagea erzeugt (S.58).
Gemessen wurden die Kerbtiefen und Kerb-
breiten. An den Kerbflanken erfolgte eine
Rauigkeitsmessungb in Abständen zur Werk-
stückoberfläche, die das 0,14-fache, 0,43-
fache und 0,71-fache der maximalen Kerb-
tiefe (kmax) betrugen.
Sowohl in der GMA- als auch in der Lakto-
segruppe wurde das Abrasivmittel im Strahl-
Abbildung 10-26: Lichtmikroskopie der
catcher aufgefangen und getrocknet, so dass Abrasivpartikel vor und nach dem Schneiden.
die Partikel im Mikroskop verglichen werden
konnten.
Ergebnis Kerbtiefe
Der Vergleich der Abrasivmittel im mikro- Die mit dem technischen Abrasivstoff Al-
skopischen Bild zeigte, dass beide Abra- mandit (GMA) erzielten Kerbtiefen waren
sivstoffe durch den Prozess zerkleinert wur- mit allen Abrasivmassenströmen signifikant
den (Abbildung 10-26). größer als mit Laktose (p<0,001, Abbil-
Während vor dem Prozess die mittlere Parti- dung 10-27).
kelgröße (dP) zwischen den Abrasivstoffen Für beide Abrasivstoffe konnte ein optimaler
nicht unterschiedlich war (GMA - Massenstrom für die maximale Kerbtiefe
dP=0,26±0,04mm; Laktose: dP=0,25±0,04mm; ermittelt werden. Dieser betrug m& =3,5g/s für
p=0,58), waren nach dem Prozess die Lakto- GMA und m & =2,5g/s für Laktose. Umgerech-
separtikel signifikant kleiner als die GMA- net auf den Volumenstrom V & war das Opti-
Partikel (GMA: dP=0,17±0,10mm; Laktose - mum für GMA V & =1,25cm³/s und für Lak-
dP=0,08±0,06mm; p=0,04). Ferrendier be- & =1,29cm³/s (Abbildung 10-27).
tose V
richtet, dass Abrasivpartikel in Mischkammer
und Fokusrohr zerkleinert und dadurch
scharfkantiger würden88.
a
Böhler Hochdrucktechnik, Graz, AT,
http://www.bht.kom.at.
b
Typ Perthometer S6P, Mahr Maryland Metrics,
Ovings Mills, US, http://www.mdmetric.com.
120 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
k [mm]
GMA
60 Laktose
40
20
0 .
m [g/s]
0 2 4 6
Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde man Schleifspuren, die durch eine Wechsel-
ein zusätzliches Experiment herangezogen: wirkung von Partikel und Werkstück in fla-
Ein senkrechtes Auftreffen von Partikeln auf chem Winkel resultieren, also auf Gleitver-
die Oberfläche als Vorrausetzung für Prall- schleiß schließen lassen.
verschleiß kann erzwungen werden, wenn die Bei allen mit dem ADWS geschnittenen Pro-
Schnittfront ihren Ausgang von der Materi- ben hat sich eine in Vorschubrichtung kon-
almitte her nimmt. Hierzu wurde eine vexe Schnittfront ausgebildet (Abbil-
PMMA-Probe mit einer Stahlplatte abge- dung 10-31, S.122). Die Abrasivströmung
deckt, damit sich im WAIS-Kopf Gleichge- wird von dieser Schnittfront gegen die Vor-
wichtsbedingungen einstellen konnten. Da- schubrichtung umgelenkt. Folglich ist die
nach wurde der Strahl freigegeben. Wahrscheinlichkeit, dass ein Partikel senk-
An dieser Probe entstanden auch im ADWS recht auf die Oberfläche trifft und Prallver-
die von DWS und DDWS bekannten Risse, schleiß hervorruft, eher gering.
aber ausschließlich am Startpunkt der Kerbe
(Abbildung 10-32).
pW=60MPa, Ø = Strahlrichtung.
Abbildung 10-32: PMMA-Probe, die nicht von Abbildung 10-33: Lichtmikroskopie einer Kerb-
einer Materialkante ausgehend geschnitten wurde. front in PMMA.
Nachdem sich die Kerbfront eingestellt hatte, Die gesamte Schnittfront ist vielmehr so aus-
war die Umgebung der Kerbe wieder rissfrei. gebildet, dass der Gleitverschleiß, also die
Daraus kann geschlossen werden, dass auch Wechselwirkung zwischen Partikel und
im ADWS eine Rissinitiierung und Risspro- Werkstoff, unter flachen Winkeln überwiegt.
pagierung möglich ist. Dies wird jedoch Die Abtragsmechanismen Mikrospanen und
durch das Ausbilden der Schnittfront verhin- Mikropflügen stehen daher im Vordergrund.
dert. Guo hat in elektronenmikroskopischen Ana-
Für die Hypothese, dass Prallverschleiß keine lysen in unterschiedlichen Schnitttiefen ver-
wesentliche Rolle nach Ausbildung der gleichbare Verschleißbilder an Metallen ge-
Schnittfront spielt, finden sich weitere Ar- funden110. Er schließt aus seinen Untersu-
gumente in den mikroskopischen Bildern der chungen, dass der Abtragsvorgang beim
Kerbflanke (Abbildung 10-33). Hier erkennt ADWS im Wesentlichen eine Mikrozerspa-
124 Endoprothesenrevision – Projektphase 1
nung ist. Der lokale Auftreffwinkel der Abra- dem DWS. Daher ist der ADWS die Technik
sivkörner ist in jeder Materialtiefe nach Aus- der Wahl für die Revisionsendoprothetik.
bildung der Schnittfront annähernd gleich. In Die Schnittqualität ist beim ADWS besser.
den hier vorgestellten Experimenten wurde Für die Zemententfernung bei einer Revision
der Strahl immer vom freien Werkstückrand mag das von sekundärer Bedeutung sein136.
zur Mitte hin geführt. So kam es schon zu Bei der Osteotomie und Prothesenimplanta-
Beginn des Kerbvorgangs zu einem tangenti- tion, wo geometrische Genauigkeit einen
alen Kontakt des Strahls mit dem Werkstück. wesentlichen Faktor darstellt, wäre der
Die Schnittfront bildete sich also vom Rand ADWS dem DWS und dem DDWS vorzu-
her aus, bis sich ein Gleichgewicht zum Zeit- ziehen.
punkt des Erreichens der vollen Kerbtiefe
eingestellt hatte. Die Volumenströme der 0,3mm-Düse sind
für eine Anwendung im Sterilbereich zu
groß. Eine klinische Anwendung mit diesen
Schlussfolgerung Wassermengen scheint eher unwahrschein-
Obwohl die Masse der Bioabrasivkörner ge- lich.
ring ist und die relativ weichen Partikel in Zwischen humaner und boviner Kortikalis
Mischkammer und Fokusrohr, aber auch bestehen nicht zu vernachlässigende Unter-
durch Wechselwirkung mit dem Material schiede in den Materialeigenschaften (An-
zerkleinert werden93, waren bei gleichem hang S.208). Auch Knochenzement unter-
Pumpendruck die mit dem ADWS und Lak- scheidet sich in einigen Punkten von PMMA,
tose erzielten Kerbtiefen im Vergleich zum welches in den ersten Kerbversuchen als
DWS signifikant größer. Ein Druckbereich Modell benutzt wurde. Daher sind weitere
für selektives Kerben war mit dem ADWS Versuche an Humanknochen und Knochen-
zwar nicht mehr vorhanden, aber die Diffe- zement notwendig.
renz der Kerbtiefen in PMMA und Knochen
ist mit dem ADWS erheblich größer als mit
125
Für die Modellierung der Kerbtiefe beim Die Leistung des Abrasivstrahls ist durch den
ADWS musste daher ein anderer Weg ge- Partikelmassenstrom und die Partikelge-
gangen werden: schwindigkeit bestimmt (Gleichung 11-3).
Die hydraulische Leistung des Wasserstrahls
nach Düsenaustritt berechnet sich nach Glei-
chung 5-5, S.30 und ist die in das ADWS- Gleichung 11-3:
System pro Zeiteinheit eingebrachte Energie. & ⋅ vP2
m
PP =
Sie wird in der Mischkammer zu einem ge- 2
wissen Anteil auf die Partikel übertragen. Der
Anteil bestimmt sich einerseits aus dem Wir- PP ......Summe der Partikelleistung
kungsgrad der Abrasivdüse (ηA), andererseits m
& .....Abrasivmassenstrom
aus den Abrasivparametern und dem Abra- vP ......Partikelgeschwindigkeit
sivmassenstrom, also der Beladung.
Der so erzeugte Mischstrahl teilt sich ener-
getisch in die Summe der Partikelenergien
Die Geschwindigkeit der Abrasivpartikel
und die Restenergie des Wassers auf. Durch
lässt sich mit Hilfe der Gleichung 5-3 (S.29),
beide kann Materialabtrag bewirkt werden,
der Gleichung 5-9 (S.43) und der Glei-
wenn auch der überwiegende Anteil auf die
chung 5-10 (S.44) berechnen und ergibt, ein-
beschleunigten Partikel zurückzuführen ist118.
gesetzt in die Gleichung 11-3 die Gleichung
Die in einer definierten Zeit in den Trennpro-
11-4.
zess eingebrachte Energie lässt sich danach
als Summe der Partikelleistung PP beschrei-
ben.
Gleichung 11-4: & ⋅ ηA 2 ⋅ ε 2 ⋅ p W ⋅ m
m &W
Die in den Trennprozess in einem definierten Pp =
Zeitraum eingebrachte schnitteffektive ρ W ⋅ (m& +m & W)
Strahlenergie pro Zeiteinheit entspricht der
Abtragsleistung PES. Die schnitteffektive PP ......Summe der Partikelleistung
Abrasivstrahlleistung PES lässt sich aus der m
& .....Abrasivmassenstrom
Summe der Partikelleistung, der durch Rei- ηA ..... Wirkungsgrad des Abra-
bung verbrauchten Leistung und der Leistung sivstrahlkopfes
des Reststrahls berechnen. (Gleichung 11-2). ε ........Geschwindigkeitszahl
m& W .. Wasserdurchsatz
ρW .....Dichte des Wassers
Gleichung 11-6:
& ⋅ ηA 2 ⋅ ε 4 ⋅ α 2 ⋅ π 2 ⋅ p W 2 ⋅ d D 4
m PRB PRS
k= − −
π
2
b K ⋅ v V ⋅ E ASP b K ⋅ v V ⋅ E ASP
2
& ⋅ b K ⋅ v V ⋅ E ASP
8 ⋅ ⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2 ⋅ pW ⋅ ρW + m
4
0
20 30 40 50 60 pW [MPa]
k [mm]
25
Abbildung 11-2: Die gemes-
20 senen im Vergleich zu den
errechneten Kerbtiefen in Ab-
15 hängigkeit von Druck und
Massenstrom.
10
Oben: Rinderknochen, unten:
5 PMMA. Zu Grunde gelegt wurde
das in der Gleichung 11-6 darge-
0 stellte Kerbtiefenmodell.
20 30 40 50 60 pW [MPa]
k [mm]
0,15g/s
12
Modell: 0,15g/s
10 0,30g/s
Modell: 0,30g/s
8 0,50g/s
6 Modell: 0,50g/s
1,00 g/s
4 Modell: 1,00g/s
1,50g/s Abbildung 11-3: Ge-
2
Modell: 1,5g/s messenen im Vergleich zu
0 mit Gleichung 11-6 er-
pW [MPa] rechneten Kerbtiefen in
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Abhängigkeit vom Druck.
Dies begründet sich aus der Tastsache, dass Hoogstrate beschreibt den Energietransfer
die Modellgleichung eine mit dem Abrasiv- von den Wassertropfen auf die Partikel als
massenstrom zunehmende Kerbtiefe ein Impulsgleichgewicht140. Er berücksichtigt
zugrunde legt. Im Experiment nimmt die neben der Beschleunigung der Partikel einen
Kerbtiefe jedoch bei steigendem Abrasiv- Partikel-Wand-Reibungseffekt, der mit zu-
massenstrom wieder ab, wenn ein Abrasiv- nehmender Abrasivbeladung größer wird.
massenstromoptimum überschritten wurde. Dieser Effekt lässt sich zu einer Konstanten
Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass sich zusammenfassen, die bei der Berechnung der
die Abrasivpartikel in Mischkammer und Partikelgeschwindigkeit und damit der Parti-
Fokus gegenseitig stören. Folglich nimmt die kelleistung insbesondere bei hohen Massen-
Geschwindigkeit der Abrasivpartikel ab ei- strömen einbezogen werden sollte.
nem bestimmten Abrasivmassenstrom wieder In einer Weiterentwicklung des Modells
ab. Bei der Berechnung der Partikelge- (Gleichung 11-6) wurde daher ein Koeffi-
schwindigkeit nach Gleichung 5-9 (S.43) zient für den Verlust der Abrasivkorn-
findet dieser Umstand jedoch keine Berück- geschwindigkeit in Abhängigkeit von der
sichtigung. Beladung in die Formel eingebracht, so dass
sich die Geschwindigkeit der Abrasivpartikel
nach Gleichung 11-7 berechnen lässt.
130 Kerbtiefenmodelle des Abrasivdruckwasserstrahls
Gleichung 11-8:
2
p
2⋅ W
1 ρ τ⋅m &
& ⋅ η A ⋅ ε ⋅
m W
⋅ 1 − ⋅
2 m& π 2
1+ ⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2p W ⋅ ρ W
π 2 4
⋅ d D ⋅ α ⋅ ε ⋅ 2p W ⋅ ρ W
4
k=
b K ⋅ v V ⋅ E ASP
k .......Kerbtiefe m
& .... Abrasivmassenstrom
ηA ..... Wirkungsgrad des Abra- bK...... Kerbbreite
sivstrahlkopfes
vV...... Vorschubgeschwindigkeit
ε........Geschwindigkeitszahl
EASP .. Material- und abrasivtypische
α .......Kontraktionszahl Abtragsenergie
pW .....Wasserdruck τ.........Koeffizient des Geschwindig-
dD......Düsendurchmesser keitsverlusts in Mischkammer
und Fokusrohr
ρW .....Dichte des Wassers
131
k [mm]
14 20 MPa
30 MPa
12 40 MPa
50 MPa
60 MPa
10 70 MPa Abbildung 11-4: Die ge-
80 MPa messenen im Vergleich zu
8 90 MPa den mit dem Modell er-
100 MPa rechneten Kerbtiefen in
6 Abhängigkeit von Massen-
strom und Druck.
Zu Grunde gelegt wurde die
4 Gleichung 11-8. Die errech-
neten Kerbtiefen sind jeweils
2 in der gleichen Farbe als
gestrichelte Linie dargestellt.
0 Bei pW=100MPa sind die
.
m [g/s]
Standardabweichungen der
0 0,5 1 1,5 Kerbtiefenmessung beispiel-
haft abgebildet.
a
DePuy, Leeds, UK, http://www.depuy.com.
134 Validierung an humanen Biomaterialien
Abbildung 12-3: Typische Kerben in Knochenzement mit dem ADWS im Vergleich zum DWS.
Oben: Aufsicht, unten: Querschnitt.
135
2 2
0 0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
pW [MPa] pW [MPa]
Abbildung 12-5: Im Kerbversuch gemessene und mit Modellen errechnete und Kerbtiefen in Abhängigkeit
vom Druck.
Oben links: DWS an CMW3-Knochenzement.
Oben rechts: DWS an Humanknochen.
Unten links: ADWS an CMW3-Knochenzement.
Unten rechts: ADWS an Humanknochen.
12.4 Diskussion
dieser Fläche muss davon ausgegangen wer- Es schien hier lediglich zu einer Auffäche-
den, dass sowohl die lakunären Mikroporen rung des Strahls beim Hinwegstreichen über
als auch das Kapillarsystem geschlossen sind. eine Pore gekommen zu sein. Mit dem
Im Gegensatz dazu wurden in den Versuchen ADWS war die Qualität der Kerbe auch in
an Rinderknochen die Generallamellen ent- diesen beiden Materialien wesentlich besser
fernt, um eine plane Fläche zu erhalten. Die als beim DWS (Abbildung 12-4). Die Kerb-
Havers- und Volkmann-Kanäle, aber auch fuge war aber durch den im Vergleich zum
das lakunäre Mikroporensystem sind durch Wasserdüsendurchmesser (dD=0,2mm) grö-
diese Vorbehandlung eröffnet worden. So ßeren Fokusrohrdurchmesser (0,9mm) brei-
konnte das Wasser leichter in das Mikropo- ter. Bei einem Strahl-Werkstückwinkel von
rensystem des Werkstoffs eindringen und γ=30° erfolgte Materialabtrag über eine
erosive Kräfte entfalten. größere Fläche in Form von Mulden (Abbil-
Evers vertritt die Theorie, dass über Kapilla- dung 12-7).
ren hinwegstreichende Druckwasserstrahlen
erhebliche Druckspannungen im Material
erzeugen79;80. Von verschiedenen Autoren
werden Druckverstärkungen um den Faktor
3,0 bis 3,5 berichtet. So beschreibt z.B.
Yong, dass der so verstärkte DWS wie ein in
das Material getriebener Keil wirkt303.
Auch in PMMA sind Poren anzutreffen.
Hinter den Poren fand sich in allen Fällen
mikroskopisch eine mehr oder weniger starke
Verbreiterung der Abtragszone, die jedoch in
diesen Versuchen sicher nicht mit einer drei-
fachen Verstärkung des Materialabtrags ein- oben: pW=40; 30MPa; unten: pW=30; 40; 50; 60MPa.
herging (Abbildung 12-6). Abbildung 12-7: Knochen nach ADWS-Bearbei-
tung mit verschiedenen Winkeln.
In Wertung des empirischen Modells des sivmittel mit einer guten Qualität zu bear-
DWS-Trennens bei einer Operation ist die beiten ist, so dass die bisherigen Ergebnisse
Gefahr, einen Schaden der Klasse III hervor- eher dazu motivieren, Untersuchungen für
zurufen, nicht zu verantworten. Also scheint Osteotomie und Primärendoprothetik anzu-
es für die Endoprothesenrevision zum ge- schließen, weil hier der Reststrahl nach dem
genwärtigen Wissensstand nicht sinnvoll, Materialdurchtritt, im Gegensatz zur Hüften-
weitere Projektschritte anzugehen. doprothesenrevision, abgefangen werden
Die bisherigen Ergebnisse zum ADWS haben kann.
jedoch gezeigt, dass Knochen mit dem
ADWS und einem biokompatiblem Abra-
141
Scans von Werkstück und Abfallstück) mit dung 13-2). Trotzdem war die Stan-
dieser Methode nicht bestimmt werden. dardabweichung des Schnittfugenwinkels bei
Für alle Proben wurde jeweils für Strahl- und ADWS-Schnitten größer als bei gesägten
Vorschubrichtung der mittlere Schnittfugen- Proben. ( m& =2g/s konnte nur mit pW=70MPa
winkel (DIN 23105) als Maß für die Paralle- gefahren werden.)
lität des Schnitts bestimmt (Abbildung 13-1). Bei den jeweiligen Massenströmen zeigte
Weiterhin wurde für alle Linien mit Hilfe der sich kein signifikanter Unterschied zwischen
abgetasteten Punkte der arithmetische Mit- den Druckstufen (p=0,739). Der Abrasiv-
tenrauwert (Ra) ermittelt. massenstrom hatte dagegen einen signifi-
kanten Einfluss auf den Schnittfugenwinkel
(p<0,001). Der größte Schnittfugenwinkel
wurde beim Massenstrom m & =1g/s sowohl
bei 35MPa als auch bei 70MPa gemessen,
y der Unterschied zu m & =2g/s war signifikant
(p<0,001).
x
z
δ[°] 35MPa 70MPa gesägt
δ
9
0
Bei einem Druck von pW=35MPa und einem
Abrasivmassenstrom von m & =2g/s kam es
-3
wiederholt zur Verstopfung der Mischkam- m[g/s]
gesägt 0,5 1 2
mer, so dass nur wenige Proben ausgewertet
&).
Schnittfugenwinkel (δ); Abrasivmassenstrom (m
werden konnten.
Abbildung 13-2: Schnittfugenwinkel in Abhängig-
keit von Trennmethode, Druck und Abrasivmas-
senstrom.
13.3 Ergebnis
sägten Proben signifikant kleiner (Abbil- den (p=0,264; Abbildung 13-3). Bei einem
dung 13-2). Druck von pW=70MPa war Ra für m & =1g/s
signifikant größer als für m& =0,5g/s und für
Rauigkeit m& =2g/s (p=0,005; Abbildung 13-3). Bei
Die Rauwerte (Ra) waren, gemittelt über die pW=35MPa war Ra für m & =1g/s signifikant
drei Scans in Vorschubrichtung, für alle größer als beim Abrasivmassenstrom
Druck- und Abrasivmassenstromklassen sig- m& =0,5g/s (p<0,001).
nifikant niedriger als in Strahlrichtung Sowohl in Strahlrichtung (z) als auch in Vor-
(p<0,001, Abbildung 13-3). schubrichtung (y) war Ra beim ersten Scan
Mit einem Massenstrom von m & =0,5g/s war (z1, y1) signifikant kleiner als beim letzten
Ra, gemittelt über alle Scanstrecken, bei Scan (z3, y3; p<0,001 für alle, Abbil-
pW=35MPa signifikant größer als bei dung 13-3).
pW=70MPa (p=0,002). Bei m & =1g/s war hin-
gegen kein signifikanter Unterschied vorhan-
Ra[mm]
0,16 35MPa Ra[mm]
,16 35MPa
70MPa 70MPa
0,12 0,12
0,08 0,08
0,04 0,04
.
(z) (y) gesägt 0,5 1,0 2,0 m[g/s]
Ra[mm] .
m=0,5g/s Ra[mm]
0 0
.
.
m=1,0g/s
m=2,0g/s
0,12 0,12
0,08 0,08
0,04 0,04
1 2 3 1 2 3
(z) (y) (z) (y)
Arithmetischer Mittenrauwert (Ra), Abrasivmassenstrom ( m
& ).
Abbildung 13-3: Rauigkeit der Kerbflächen in Spongiosa.
Oben links: Rauigkeit (Ra) in Abhängigkeit von Scanrichtung und Druck (pW).
Oben rechts: Ra in Abhängigkeit vom Druck (pW) und Massenstrom ( m& ).
Unten links: Ra in Abhängigkeit von Scanrichtung und Massenstrom ( m& ).
Unten rechts: Ra in Abhängigkeit von der Scanlinie.
144 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1
Abfall
0 5 10 15 0 5 10 15
Abbildung 13-4: Lichtmikroskopien einer ADWS getrennten Spongiosaprobe und das zugehörige
Oberflächenprofil.
Links: Werkstückoberkantennahes Bild (oben,) und Profil der Scanlinien (unten) bei z1=1,5mm
Rechts: Werkstückunterkantennahes Bild (oben,) und Profil der Scanlinien (unten) bei z3=13,5mm.
145
.
Abbildung 13-7: Histologische Schnitte von Spongiosaproben im Bereich der Trennfläche.
Links: Spongiosa nach einem Sägeschnitt mit knochenmarkgefüllten Zwischenräumen.
Rechts: Spongiosa nach einem ADWS-Schnitt mit ausgespültem Knochenmark.
148 Endoprothesenimplantation und Osteotomie – Projektphase 1
mit den Parametern für optimale Schnitter- Ein weiteres Problemfeld ist in der im Strahl
gebnisse in Einklang zu bringen ist. enthaltenen Luft zu sehen. Diese sollte wei-
Die materialtypische Abtragsenergie für testgehend minimiert werden.
Knochen liegt mindestens um den Faktor 20 Lösungsansätze sind neben der Suspensions-
über der von Weichgeweben. Daraus kann technik, die Luftreduktion des Injektorstrahls
geschlossen werden, dass Weichgewebe durch Ersetzen der Luft durch ein ungefährli-
immer geschädigt werden (und zwar unab- cheres Gas (CO2), (Anhang S.219) oder die
hängig von der Strahltechnik), wenn es mit Anwendung einer Förderschnecke (Anhang
den erzeugungsorientierten Parametern zum S. 220).
Trennen von Knochen und Knochenzement Schäden der Klasse III durch den Abra-
(oder auch für andere Hartgewebe) beauf- sivstoff sind nicht ausgeschlossen, obwohl
schlagt wird165. für Laktoselösungen bereits eine klinische
Deshalb sind geeignete Schutzvorrichtungen, Zulassung vorhanden ist. Die Reaktion des
wie z.B. Strahlcatcher und gekapselte Bear- Gewebes auf hohe lokale Konzentrationen
beitungsräume zu fordern. oder Laktosekristalle bleibt Gegenstand wei-
Der nächste Schritt muss die Entwicklung terer Untersuchungen.
entsprechender Protektoren und Strahlcatcher
sein, die den Strahl nach dem Materialdurch-
tritt neutralisieren.
151
des Bewegungsapparats haben sich außerdem Abtrag zu erzielen, während sie für die Oste-
andere Anwendungen abgeleitet. In erster otomie und Prothesenimplantation von
Linie ist die DWS-Synovektomie (Entfer- Nachteil sind, weil sie die geometrische Ge-
nung der Gelenkinnenhaut z.B. bei Rheuma) nauigkeit verschlechtern.
zu nennen, die ebenfalls schon klinisch an- Die Reaktionskräfte des Strahlkopfes sind
gewandt wird138. Zur Zeit wird untersucht, ob gering und zudem unabhängig vom Werk-
dieses Verfahren auch auf kleine Gelenke, stück. Die DWS-Technik eignet sich daher
wie z.B. Fingergelenke übertragbar ist. Auch besonders für die robotischen Systeme, wie
die Anwendung der DWS-Technologie in der sie heute schon im orthopädischen Operati-
Knorpelchirurgie und beim Tissue-Engineer- onssaal alltäglich sind (Abbildung 15-1).
ing sind Gegenstand weiterer Untersuchun- Ob das orthopädische Druckwasserstrahl-
gen der Arbeitsgruppe. trennen die Trenntechnik der Zukunft dar-
Die Bearbeitung von Hartgeweben und Bio- stellt, kann nach dieser Arbeit für ausge-
materialien mit dem ADWS wurde nicht auf- wählte Indikationen als nahe liegend angese-
gegeben. hen, für andere aber angezweifelt werden...
Es werden Schutzmechanismen (Strahlcat-
cher) entwickelt, um sicherzustellen, dass der
Strahl nicht unbeabsichtigt auf Weichgewebe
trifft. Weitere Arbeiten betreffen die Luftre-
duktion im Wasser-Abrasiv-Injektor-Strahl
(WAIS), wie sie z.B. durch eine Schnecken-
förderung bis in die Mischkammer zu ver-
wirklichen ist.
Aber auch der Wasser-Abrasiv-Suspensions-
Strahl (WASS) wird in diesem Zusammen-
hang weiter untersucht. An Zellkulturen wird
darüber hinaus untersucht welche Auswir-
kungen biokompatible Kristalle auf die Zel-
len hat. Die DWS-Technik repräsentiert eine
Gruppe spanender Trennverfahren mit geo-
metrisch unbestimmter Schneide. Die Zielpa-
rameter stehen in direkter Verbindung mit
den Materialparametern des Werkstücks. Bei
der DWS-Nukleotomie und der Endoprothe-
senrevision sind die unterschiedlichen Mate- Abbildung 15-1: Operationsroboter mit einem
rialparameter hilfreich, um einen selektiven ADWS-Strahlkopf.
157
Die Materialabtragsrate des DWS für Ge- Wegen der Gefahr einer Schädigung musste
webe des Nukleus pulposus zeigte keinen nach Wegen gesucht werden, den Druck zu
signifikanten Unterschied zu diesen Verfah- reduzieren.
ren. Im biomechanischen In-vitro-Vergleich Beim diskontinuierlichen Druckwasserstrahl
wurde eine Reduktion des Drucks innerhalb (DDWS) wird durch eine gezielte Strahlun-
der Bandscheibe durch die DWS-Nukleoto- terbrechung die dynamische Beanspruchung
mie und durch die APLD nachgewiesen. Der des Materials erhöht. Der DDWS wurde mit
LASER hatte keinen Effekt auf den Band- einer vor der Düse rotierenden Lochscheibe
scheibendruck. erzeugt. Bei gleicher hydraulischer Energie
Die Frage, ob das Operationsziel „Schmerz- des Strahls nahm die erzielte Kerbtiefe in
reduktion“ erzielbar ist, wurde in einer klini- PMMA durch die Strahldynamisierung zu,
schen Pilotstudie, in die 43 Patienten einge- während in Knochen die Kerbtiefen fast
schlossen und über 36 Monate nachunter- gleich blieben. Trotzdem musste das Druck-
sucht wurden, geklärt. Die DWS-Nukleoto- niveau für die Anwendung im Operationssaal
mie wurde in Lokalanästhesie (örtlicher als gefährlich hoch eingeschätzt werden.
Betäubung) bei einem Druck von pW=4MPa Eine weitere Alternative, um die Materialab-
und einem Düsendurchmesser von tragsrate zu erhöhen, ist der Abrasiv-Druck-
dD=0,1mm unter Verwendung eines speziel- wasserstrahl (ADWS). Hier werden dem
len Instrumentariums, welches das Absaugen Strahl Feststoffpartikel wie z.B. Korund bei-
von Wasser und Nukleuspartikeln ermög- gemischt. Da eine Anwendung des ADWS
lichte, durchgeführt. Es traten keine intra- bei Operationen bisher nicht beschrieben
und postoperativen Komplikationen auf. In wurde, mussten zunächst biokompatible
72% der operierten Fälle zeigten sich auch Abrasivstoffe gefunden werden. Geeignete
drei Jahre postoperativ sehr gute Ergebnisse. Stoffklassen sind z.B. Aminosäuren, ver-
Die DWS-Nukleotomie erzielte bei den Pati- schiedene Zucker oder Zuckeralkohole.
enten eine signifikante Schmerzreduktion, die In den folgenden Studien wurde der ADWS
über den gesamten Untersuchungszeitraum mit der Wasser-Abrasiv-Injektor-Technik
anhielt, so dass der Erfolg dieser Operation erzeugt. Als Abrasivmittel kam Laktose
als verifiziert gilt. (Milchzucker) zum Einsatz. Es wurden auch
Für die Endoprothesenrevision war zunächst hier Kerbversuche an Rinderkortikalis und
die Frage zu klären, ob und mit welchen Pa- PMMA durchgeführt. Die erzielten Kerbtie-
rametern die Materialien Knochen und Kno- fen sowohl in Knochen als auch in PMMA
chenzement mit einem DWS bearbeitet wer- waren signifikant größer als jene mit dem
den können. Dazu wurden vergleichende DWS. Ein selektiver Druckbereich konnte
Parameterstudien an Rinderkortikalis und zwar nicht ermittelt werden, aber die Kerbtie-
Polymethylmethacrylat (PMMA), dem fendifferenz zwischen PMMA und Rinder-
Hauptbestandteil von Knochenzement, mit knochen war mehr als doppelt so hoch wie
einem Düsendurchmesser von dD=0,3mm beim DWS.
durchgeführt. Eine Kerbflankenzone in der Nähe des Kerb-
Unterhalb von pW=40MPa wurde selektiv grunds war durch weit über die eigentliche
PMMA gekerbt. Beide Materialien konnten Fuge hinausgehenden Materialabtrag ge-
mit dem DWS nur oberhalb von pW=100MPa kennzeichnet. Als Ursache wird eine kerb-
mit einer auch in einer Operation akzeptablen grundnahe Strahldesintegration diskutiert.
Leistung gekerbt werden.
159
Um die Anwendbarkeit des ADWS zur Pro- werden: Wenn ein Grenzdruck für den Mate-
thesenimplantation und Osteotomie untersu- rialabtrag berücksichtigt wurde, zeigten sich
chen zu können, wurden Spongiosaproben auch hier gute Übereinstimmungen zwischen
mit unterschiedlichem Druck und Abrasiv- errechneten und gemessenen Kerbtiefen.
massenstrom getrennt. Die Schnittflächen Für den ADWS wurde eine eigene Kerbtie-
wurden vermessen, um Rauigkeit und fengleichung aufgestellt, bei der eine mate-
Schnittfugenwinkel bestimmen zu können. rial- und abrasivtypische Abtragsenergie als
Die Qualität der Trennschnitte wurde mit bekannt vorausgesetzt wurde. Diese war em-
jener einer oszillierenden Sägemaschine ver- pirisch mit wenigen Kerbversuchen zu
glichen. Mit dem ADWS erzielte Schnitt- bestimmen. Das Modell wurde an weiteren
fugen hatten einen positiven Schnittfugen- Kerbversuchen validiert. Dabei zeigte sich
winkel. Die Schnittfuge wurde in Strahlrich- eine gute Übereinstimmung mit den Mess-
tung breiter, was auf eine Beugung des werten in einem niedrigen Abrasivmassen-
Strahls an den einzelnen Schichten des trabe- strombereich, aber mit zunehmender Abra-
kulären Fachwerks zurückzuführen war. sivbeladung lagen die errechneten Kerbtiefen
Beim Abrasivmassenstrom von m& =2g/s über den gemessenen. Erst die Berücksichti-
zeigten sich im Vergleich zum Sägen keine gung eines Koeffizienten für den Geschwin-
signifikanten Unterschiede bezüglich Schnitt- digkeitsverlust in Mischkammer und Fokus-
fugenwinkel und Rauigkeit. Dies belegt die rohr erzielte eine überaus gute Übereinstim-
prinzipielle Eignung der Technik für Trenn- mung der errechneten Kerbtiefen mit den
schnitte in Spongiosa. experimentell ermittelten Werten. In der
Wesentliche Parameter des empirischen Mo- praktischen Anwendung bleibt die Ein-
dells zu Trennprozessen bei einer Operation schränkung bestehen, dass unbekannte intra-
konnten nicht durch empirische oder analyti- und interindividuelle Unterschiede in den
sche Kerbtiefenmodelle ersetzt werden. Materialeigenschaften der Gewebe die Ge-
Für alle getrennten Gewebe und Materialien nauigkeit einer errechneten Kerbtiefe limitie-
konnten zwar empirische Kerbtiefenmodelle ren.
aufgestellt werden, die aber auf andere er- In Abwägung der möglichen Vorteilen mit
zeugungsorientierte Parameter nicht über- dem Schädigungspotenzial einer DWS- An-
tragbar sind und die Schädigung des Patien- wendung zur Bearbeitung von Knochen und
ten nur marginär abbilden können. Knochenzement wurde auf weitere Untersu-
Das analytische Kerbtiefenmodell nach De- chungen zur Prothesenrevision, -implantation
cker konnte auf die Versuche mit einem und Osteotomie im Rahmen des vorgestellten
DWS an Weichgeweben angewandt werden Projekts verzichtet.
und es zeigten sich gute Übereinstimmungen Die Luftreduktion im Abrasivstrahl, die In-
zwischen errechneten und gemessenen Kerb- tegration in robotische Systeme und die Ent-
tiefen. Eine für die medizinische Anwendung wicklung geeigneter Weichgewebe-Schutz-
hinreichend genaue Kerbtiefenvorhersage mechanismen sind Ziele für zukünftige
war mit diesem Modell nicht möglich, weil Projekte. Die Anwendung des analytischen
bei diesen Geweben Materialparameter intra- ADWS-Kerbtiefenmodells im Bereich
und interindividuell sehr stark unterschied- technischer Materialien ist geplant.
lich sein können.
Für Knochen und Knochenzement musste das
Kerbtiefenmodell nach Decker modifiziert
160 Literatur
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186 Literatur
18 Glossar
Abrasion: Materialabtrag durch Partikel. Arthroskopie: Gelenkspiegelung durch
kleine Hautschnitte mit Faseroptik und Vi-
Abrasivmassenstrom: Abrasivmittelmasse, deokamera.
die dem Strahl in einer Sekunde beigemischt
wird. Asparagin: Aminosäure.
Bioabrasiv: Abrasivstoff, der im lebenden Disaccharid: Zucker, der aus zwei Molekü-
Organismus eingesetzt werden kann len eines Monosaccharides aufgebaut ist.
(Wortprägung des Autors).
diskogen: Bandscheibenbedingt.
bovin: Vom Rind.
Diskografie: Kontrastmitteldarstellung der
cerebrospinalis: Gehirn und Rückenmark Bandscheibe.
zugehörig.
Diskotomie: = Nukleotomie = Operation zur
Chemonukleolyse: Auflösen des Nukleus Entfernung eines Bandscheibenvorfalls.
pulposus durch Injektion eines Enzyms.
Dissektion: Zertrennung durch Schneiden.
Chymopapain: Enzym der Papaya-Frucht.
distal: Zur Körperperipherie hin gelegen.
Compliance: Bereitschaft des Patienten, bei
diagnostischen und therapeutischen Maß- Diszitis: Entzündung der Bandscheibe.
nahmen mitzuwirken.
dorsal: Zum Rücken hin gelegen.
Composite-Layer: Lagen eines Faserver-
bundwerkstoffs. dorsolateral: Seitlich und zum Rücken hin
gelegen.
Copolymer: Ein Copolymer setzt sich aus
unterschiedlichen Molekülen zusammen, die Dura mater: Harte Hirn- oder Rückenmarks-
zufällig an verschiedenen Stellen der Kette haut.
eingefügt sind. Homopolymer bedeutet
hingegen, dass die molekulare Kette des Po- Elastizität: Gültigkeit des Hooke-Gesetzes
lymers sich aus vielen identischen Molekülen (Proportionalität zwischen Spannung und
zusammensetzt. Verformung, Deformation vollständig
reversibel).
Creeping: Kriechen von Geweben bei Be-
lastung. Embolie: Ein im Gefäßsystem abgelöstes
Blutgerinnsel oder eine Luft- oder Fettblase
Deckplatte: Obere Abschlussplatte eines wandert mit dem Blutstrom in eine
Wirbelkörpers. Endstrombahn und verhindert hier den
Blutfluß. Bei der meist tödlichen Lungenem-
Deflexion: Strahlumlenkung durch Oberflä- bolie wird die Endstrombahn der Lunge ver-
chenkontakt. stopft und es findet kein Gasaustasch mehr
statt.
Dehydrogenase: Zur Gruppe der Oxidore-
duktasen gehöriges, im Allgemeinen sub- E-Modul: Der Elastizitätsmodul gibt das
stratspezifisches Enzym (z.B. Alkohol- Verhältnis der Spannung zur zugehörigen
Dehydrogenase). elastischen Verformung an, die nach einer
Entlastung vollständig zurückgeht.
Delamination: Schichttrennung bei Ver-
bundmaterialien. Endoprothese: In das Körperinnere einge-
brachter künstlicher Ersatz, z.B. eines Gelen-
Diaphyse: Mittelteil des Röhrenknochens, kes.
der eigentliche Anteil in dem der Knochen
als Kortikalisrohr ausgebildet ist. Endoprothesenrevision: Erneute Operation
am Kunstgelenk, z.B. wegen Lockerung oder
Infektion.
191
Nephrotomie: Schnitt in die Niere zur Ent- parenteral: Unter Umgehung des Verdau-
fernung von Steinen (Nephrolithotomie), zur ungstrakts.
transrenalen Fistelung (Nephrostomie) oder
Biopsie. pathologisch: Krankhaft.
viskoelastisch: Viskoses Verhalten mit elas- Zytoplasma: Zellinhalt mit Ausnahme des
tischem Anteil. Zellkerns. Das Plasma der Zelle ist durchsetzt
von Zellorganellen und ist der Ort vieler
Xylitol: Zuckeralkohol. Stoffwechselprozesse.
197
19 Anhang
19.1 Gleichungen
Laplace-Gesetz
pr σ..........Wandspannung
Gleichung 19-1: σ=
2d p ..........Druck (innerhalb des
Hohlkörpers)
r ...........Radius (des Hohlkörpers)
d ..........Wanddicke (des Hohlkörpers)
Gleichung 19-2: k=
(
2 ⋅ p 0 ⋅ x 3 2 ⋅ π ⋅ d D ⋅ y −5 ⋅ 1 − λ2 ⋅ z )
c
(
4 ⋅ ρ m ⋅ ν ⋅ (v V + ν ′ ⋅ d D ⋅ y ) ⋅ λ ⋅ y
2 −4
⋅ x + c ⋅ σg )
p0 .........Druck der Flüssigkeit im un- ρm.........Dichte des Materials mit Ein-
komprimierten Zustand schlüssen
x ..........Gleichung 19-3 ν...........Gleichung 19-7
dD ........Düsendurchmesser c ...........Gleichung 19-5
y ..........Gleichung 19-4 k...........Kerbtiefe
λ .......... Koeffizient des Geschwindig- vV .........Vorschubgeschwindigkeit
keitsverlustes durch die Inter- ν’ .........Gleichung 19-8
aktion mit dem Material (Glei-
chung 19-10) σg .........Gleichung 19-9
z...........Gleichung 19-6
3 3 3
Gleichung 19-10: 2 ⋅ C ⋅ µ ⋅ p ⋅ (1 − ζ ⋅ p w ) 2 ⋅ ρ ∗m ⋅ g
2 2 2
λ = 1− k w
8 ⋅ ρ W ⋅ η F ⋅ σ s ⋅ a ⋅ γ 3⋅ξ⋅s
C ⋅p
d σ pd − 2 , 256⋅ f Stau
Gleichung 19-11: k = 1,128 ⋅ D ⋅ 1 − 0,5 ⋅ ⋅ 1 − e ηD ⋅ v V
Cf p Stau
pW − pG k .............Kerbtiefe
Gleichung 19-12: k = C⋅
( 0 ,86 +
2 , 09
) C.............Prozess- und Materialkennwert
vV vV
pW ...........Wasserdruck
pG ...........Grenzdruck für Materialabtrag
vV ...........Vorschubgeschwindigkeit
k .............Kerbtiefe
n1 . n2 . n3
Nm ⋅ pW ⋅ mW ⋅ m Nm ..........Partikelzahl
Gleichung 19-13: k= n4 n5 pW ...........Wasserdruck
C ⋅ d Str ⋅ v V
m
& w ........Wasserdurchsatz
m
& ..........Abrasivmassenstrom
n1-5 ..........empirisch zu ermittelnde Exponen-
ten
C.............Prozess- und Materialkennwert
200 Anhang
a
Laborette, Laval Lab, Laval, CA,
http://www.lavallab.com.
201
Problem
Bei einem Druck von pW=4MPa und einem B
Düsendurchmesser dD=0,1mm ist das in die A
Bandscheibe eingebrachte Wasservolumen
sehr gering (30cm³/min, S.214). Trotzdem
führt eine rein rechnerische Ermittlung des
resultierenden Drucks in der Bandscheibe Abbildung 19-2: Schema des Versuchaufbaus zur
nicht zu der vom Medizinproduktegesetz Druckmessung während der DWS-Nukleotomie.
geforderten Sicherheit. Auch nach den be- Der Druck in der Bandscheibe wurde über ein Bohr-
loch im oberen Wirbelkörper gemessen. – Düse (A),
schriebenen Parameterstudien ist nicht be- Troikar (B), Drucksensor (C).
kannt, wie sich das Nukleusgewebe bei der
DWS-Bearbeitung in einem geschlossenen
Raum verhält. Möglicherweise entstehen
beim Abtrag so große Partikel, dass diese den
Der Wasserdruck wurde in 1MPa-Schritten
Saugkanal verstopfen. Offen ist die Frage, ob
bis zum Höchstdruck des Wasserstrahlskal-
die vorgestellten Instrumente eine gefährliche
pells (12MPa) gesteigert. Die untersuchten
Druckerhöhung in der Bandscheibe verhin-
Arbeitstroikare hatten Außendurchmesser
dern.
von 2,5mm und 3,0mm und Wandstärken
von 0,15mm. Der Druck wurde für zwei Po-
Ziel der folgenden Studie war die Messung
sitionen der Düsenkapillare relativ zum Troi-
des Bandscheibendrucks (pB) während der
kar gemessen: In der Position „TR“ befand
DWS-Bearbeitung des Nukleus mit einem In-
sich die Düse 5mm innerhalb des Troikarroh-
vitro-Modell.
res. In der Position „BS“ wurde die Düse
5mm in Relation zur Troikarspitze in den
Material und Methode
Bandscheibenraum vorgeschoben (Abbil-
In die Deckplatten 48 schlachtfrischer, lum-
dung 19-3).
baler Bewegungssegmente (Hausschwein,
Der Unterdruck für die Absaugung wurde
~100kg) wurde ein Druckaufnehmera einge-
zwischen -10kPa und -90kPa variiert. Für
schraubt (Abbildung 19-2).
jede Kombination der Parameter Druck,
Dieser stand über eine Bohrung in direkter
Troikardurchmesser und Unterdruck des
Verbindung mit dem darunter liegenden
Saugers wurden vier Segmente operiert: Zu-
Nukleus. Mit Hilfe des beschriebenen In-
nächst wurde die Düse in der Stellung „TR“
strumentariums wurde die DWS-Nukleoto-
mit dem jeweiligen Druck beaufschlagt und
mie bei gleichzeitiger Aufzeichnung des
dann in die Bandscheibe vorgeschoben und
Drucks in der Bandscheibe durchgeführt.
vor Ort belassen („BS“).
a
Typ MAR-K-2410, Fa. Megatron Elektronik GmbH,
München, DE, http://www.megatron.de.
202 Anhang
"BS" 60
40
20
5 mm 0
„TR“ -20
-40 messbares Minimum
pS [kPa]
-10 -20 -30 -40 -50 -60 -70 -80 -90
Bandscheibendruck (pB ; Saugunterdruck (pS).
Abbildung 19-3: Schema zur Definition der Düsen- Abbildung 19-5: Der Bandscheibendruck in
positionen. Abhängigkeit von der Düsenposition und der
Saugstärke.
(Der Messbereich des Drucksensors war nach unten
auf –25kPa beschränkt.)
Diskussion
Andersson hat bei In-vivo-Messungen an
pB[kPa]
gesunden Probanden einen maximalen intra-
100 diskalen Druck von pB=0,2MPa gemessen12.
Die Gültigkeit dieser Daten wird auch durch
50
neueste Publikationen bestätigt244.
0 Da beim Patienten das Bandscheibengefüge
bereits in unbekanntem Ausmaß vorgeschä-
-50 digt ist, muss die Zielvorgabe sein, dass der
0 60 120 180 240 t [s] intradiskale Druck während der Wasser-
Bandscheibendruck (pB) vs. Zeit (t) bei pW=4MPa. strahlapplikation deutlich unterhalb dieses
Abbildung 19-4 Typischer Verlauf des Band- Niveaus gehalten wird. Beim Einsatz des
scheibendrucks in Abhängigkeit von der Zeit. vorgestellten Instrumentariums mit einer in-
tegrierten Absaugung ist ein Maximaldruck
von weniger als 0,1MPa gemessen worden.
Dieser Wert liegt deutlich niedriger als die
203
a
Typ PROVIL® novo Medium CD, Heraeus Kulzer
GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
204 Anhang
Ergebnis
Das entfernte Nukleusvolumen konnte mit
einer maximalen Standardabweichung von
±0,05cm³ bestimmt werden (Abbildung
19-6).
V [cm³]
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
1 2 3
Präparat
Schlussfolgerung
Die Reproduzierbarkeit der Volumenbestim-
mung kann als hinreichend angesehen wer-
den.
205
Rückenmark
Abbildung 19-7: Rückenmark als Teil des zentralen Nerven-
Histologie von
Fett. systems hat einen runden bis elliptischen
Neben der schwarz Querschnitt.
markierten DWS- Es findet sich eine innen gelegene schmetter-
Kerbe sieht man
unversehrte groß- lingsförmige Figur, die sog. graue Substanz
blasige Fettzellen (Substantia grisea). Sie besteht hauptsächlich
mit randständigem aus multipolaren Nervenzellen und deren
Kern (rot)
Fortsätzen (Axone und Dendriten), Neuroglia
(Hüllzellen) sowie Blutgefäßen.
Die weiße Substanz (Substantia alba) um-
schließt die graue Substanz und besteht
Muskel größtenteils aus längs verlaufenden, mark-
Quergestreifte Muskelfasern haben eine haltigen und marklosen Nervenfasern
Länge von bis zu mehreren Zentimetern (Ab- (Axone) und Neuroglia (Abbildung 19-9).
bildung 19-8). Die Dicke der Fasern
schwankt zwischen 10µm und 100µm. Jede
Muskelfaser enthält meist hunderte an der Abbildung 19-9:
Oberfläche der Muskelfaser gelegene Zell- Histologischer
Querschnitt eines
kerne. Die Längsstreifung der Fasern ent- Rückenmarks
spricht der regelmäßigen Anordnung der Gekennzeichnet
Myofibrillen, deren Durchmesser 0,5–2µm sind die graue
Substanz (Nerven-
beträgt. Die charakteristische Querstreifung zellkörper) und die
beruht auf der Mikrostruktur dieses Gewebes. weiße Substanz
(Axone). Die Dura
umhüllt beides
(*= Ödem durch
DWS).
206 Anhang
Band Sehne
Die Kollagenfasern der zugfesten Bänder Sehnen enthalten als mechanisch wirksame
(Ligamente) sind zu parallel geordneten Fa- Bauelemente kräftige Kollagenfasern, die zu
serbündeln zusammengefasst. Charakteris- parallel geordneten Bündeln zusammenge-
tisch ist der gewellte Verlauf (Abbil- fasst sind. Im ungedehnten Zustand verlaufen
dung 19-13). Die Fibrozyten liegen, der Ver- sie leicht gewellt (Abbildung 19-14). Zwi-
laufsrichtung angepasst, in langen Reihen schen den Faserbündeln liegen in Reihen
geordnet und mit spindelförmig gewellten angeordnet die Kerne der als Tenozyten
Kernen vor. (Sehnenzellen) bezeichneten Fibrozyten.
Weiterhin enthalten sie einen größeren Anteil
elastischer Fasernetze.
19.4.2 Knochenzement
Tabelle 19-3: Mechanische Eigenschaften im Vergleich zwischen Technovita und Refobacin-Palacosb und
CMW-3c.
Zugfestigkeit Druckfestigkeit
Mischtechnik
[MPa] [MPa] E-Modul [MPa]
Handmischung 25,0 87,0 2340
Vakuummischung 47,0 96,0 2710
Tabelle 19-4: Vergleich der mechanischen Eigenschaften von CMW-3-Knochenzement
bei verschiedenen Anmischtechniken161;182.
a
Heraeus Kulzer GmbH, Hanau, DE, http://www.kulzer.com.
b
Biomet Merck, Sjöbo, SE, http://www.bonecement.com.
c
Depuy, Leeds, GB, http://www.depuy.com.
209
Mineral Masse
Ilmenit 1-2%
Zirkon <0,20%
Quartz <0,50%
Andere <0,25%
Tabelle 19-6: Lichtmikroskopie des Abrasivstoffs Garnet* (GMA) und seine Zusammensetzung.
*
GMA Garnet PTY, Sydney, AU, http://www.gmagarnet.com
Praxis zu niedrig ist und eine ununterbro- Aus technischer Sicht ist Mannitol als Abra-
chene Zufuhr erforderlich machen würde237. sivstoff gut geeignet, da es gering hygrosko-
Diesen Untersuchungen zufolge sind toxische pisch und somit gut rieselfähig und zudosier-
Effekte bei Zufuhr einer hyperosmolaren bar ist (Abbildung 6-2, S.57). Ein Problem
Lösung allein aufgrund von Flüssigkeitsver- im Vergleich zur Laktose ist die Beschaffung
schiebungen aus dem intra- in den extrazel- einer geeigneten Körnung, weshalb der Lak-
lulären Raum zu erwarten. Die hohen Mol- tose für die Durchführung dieser Arbeit der
massen sind für eine Anwendung als Abra- Vorzug gegeben wurde. Nach entsprechender
sivstoff interessant, da sich Massenströme Siebung zeigten einige Kerbversuche mit
von ca. 10% (s.o.) realisieren lassen. Selbst Mannitol jedoch ähnlich gute Ergebnisse wie
wenn größere Mengen in den Blutkreislauf ADWS-Kerben mit Laktose.
gelangen sollten, würden diese Substanzen Ebenso geeignet ist das zu Mannitol isomere
mit Ausnahme der Maltose unverändert renal Sorbitol, mit dem sich auch gute Kerber-
eliminiert werden208. gebnisse erzielen ließen. Obwohl es hygro-
Das Disaccharid α-Laktose-Monohydrat ist skopischer als Mannitol ist und ein schnelle-
in verschiedenen Korngrößen erhältlich, gut res Verstopfen der Düse und des zuführenden
rieselfähig, d.h. mäßig hygroskopisch und Systems zu erwarten gewesen wäre, ließ sich
relativ preiswert. Es hat eine Molmasse von das Probekerben ohne Probleme durchführen.
360,32g/Mol, eine Dichte von 1,52g/cm3 und Sorbitol hat nahezu die gleiche Molmasse
ist bei 25°C langsam in Wasser löslich, bis zu wie Mannitol und weist eine sehr gute Lös-
einem Volumenanteil von ca. 16% bzw. lichkeit in Wasser auf. Es wird im Gegensatz
einem Massenanteil von ca. 25%. zu Mannitol in der Leber durch das Enzym
Sorbitol-Dehydrogenase in Fructose und in
Zuckeralkohole kleinen Mengen durch das Enzym Aldose-
Der sechswertige Zuckeralkohol Mannitol ist Reduktase in Glukose umgewandelt. Intrave-
ebenfalls aus der parenteralen Anwendung nös wurde Sorbitol zur parenteralen Ernäh-
bekannt. Zwar weist Mannitol nur eine Mol- rung sowie als Osmodiuretikum verwendet,
masse von 182,17g/Mol auf und ist daher was jedoch wegen des Risikos einer Laktat-
hinsichtlich des maximal möglichen Abra- azidose nicht mehr üblich ist.
sivmassenstroms begrenzt (max. 5,3%). Je-
doch wird es als pharmakodynamisch inertes Salze
Osmodiuretikum in Dosen von bis zu 2g/kg NaCl ist nur bedingt geeignet, da es höchs-
Körpergewicht verwendet und als hyperos- tens mit einem Massenstrom von 0,9% zudo-
molare Lösung innerhalb von 30–60 Minuten siert werden kann. Da jedoch die anorgani-
appliziert. Dadurch sind selbst bei ungüns- schen Kochsalzkristalle einen höheren Härte-
tigsten Umständen mit großen Mengen von grad als die organischen Zucker-, Zuckeral-
in den Blutkreislauf eingeschwemmtem kohol- oder Aminosäurekristalle aufweisen
Mannitol keine schädlichen Effekte für den und dadurch wahrscheinlich auch der Materi-
Organismus zu befürchten, da es bei einer alabtrag erhöht wird, wären vergleichende
Eliminationshalbwertszeit von ca. 100 Mi- Kerbversuche hinsichtlich der Effektivität
nuten rasch und unverändert renal ausge- interessant.
schieden wird. Die Löslichkeit ist der von Aminosäuren
Laktose ähnlich, der Auflösungsprozess er- Aminosäuren (AS) sind kristalline, erst ober-
folgt aber schneller208. halb von 230°C unter Zersetzung schmel-
211
zende Substanzen von meist süßlichem Ge- Die basischen Aminosäuren Arginin und Ly-
schmack, die sowohl basische als auch saure sin sind aufgrund ihrer Basizität theoretisch
Eigenschaften aufweisen und daher mit Mi- ungeeigneter212. Werden diese Substanzen
neralsäuren und Laugen Salze bilden. Solche während des dem Materialabtrag folgenden
Verbindungen, die in saurer Lösung Kationen Auflösungsprozesses nicht schnell genug
und in alkalischer Lösung Anionen bilden verdünnt und abgesaugt, besteht das Risiko
können, werden auch als Ampholyte be- lokaler irreversibler Kolliquationsnekrosen
zeichnet. AS lösen sich gut in Wasser, weni- durch alkalische Hydrolyse der Proteine des
ger gut in Ethanol und sind in Ether und an- betroffenen Gewebebereichs.
deren organischen Lösungsmitteln praktisch Ähnliches gilt theoretisch für die sauren AS
unlöslich103. Asparaginsäure und Glutaminsäure und
Unter Berücksichtigung technischer und eingeschränkt auch für ihre weniger sauren
biologischer Parameter sind von den 20 pro- Amide Asparagin und Glutamin. Im Gegen-
teinogenen AS uneingeschränkt nur fünf satz zu basischen Substanzen könnte durch
neutrale AS (Alanin, Glycin, Isoleucin, Thre- Ansäuerung des Gewebes eine lokale Koa-
onin und Valin) als Abrasivmittel geeignet gulationsnekrose durch Denaturierung der
(Tabelle 19-7). Die heterozyklischen AS Gewebeproteine entstehen.
Histidin und Prolin sind ebenfalls verwend- Azidität bzw. Basizität könnten jedoch durch
bar. Diese AS sind hinsichtlich Molmasse, eine geeignete Pufferlösung als Beschleuni-
Wasserlöslichkeit und isoelektrischem Punkt gungsmedium für die Abrasivpartikel ver-
bzw. pH-Wert einer wässrigen Lösung gut mindert werden. Die pH-geeigneten AS soll-
für einen Einsatz als Abrasivmittel geeignet. ten zunächst bevorzugt untersucht werden.
Eine letzte Entscheidung könnte nur durch Problem bei der Verwendung von AS als
vergleichende Schnittversuche sowie um- Abrasivstoffe ist, dass es sich nicht um
fangreiche Gewebeverträglichkeitsstudien pharmakologisch inerte Substanzen handelt,
getroffen werden. sondern dass diese in verschiedenen Stoff-
Leucin hat einen durch die Wasserlöslichkeit wechselwegen metabolisiert und in andere
begrenzten maximalen Abrasivstoffmas- Stoffe, wie z.B. Hormone (Tyrosin, Tryp-
senstrom, der aber trotzdem noch im Bereich tophan, Histidin) oder Neurotransmitter
der Massenströme anderer AS liegt. Eine (Glutaminsäure) umgewandelt werden208.
Lösung der AS Serin könnte nach Dissozia- Wie jedoch aus der vorausgegangenen Be-
tion schon zu sauer sein. Limitiert durch die trachtung ersichtlich, kommen bei Nutzung
maximale Wasserlöslichkeit und nicht durch von reinem Wasser als Beschleunigungsme-
Erreichen der Grenzosmolarität von dium uneingeschränkt nur die AS Alanin,
290mosmol/l sind eindeutig die sauren AS Glycin, Isoleucin, Threonin und Valin sowie
Asparaginsäure und Glutaminsäure, die aro- die heterozyklischen AS Histidin und Prolin
matische AS Tyrosin sowie die heterozykli- als Abrasivstoffe in Frage.
sche AS Tryptophan (Tabelle 19-7). Im Die Belastung bei einer späteren intraoperati-
Grenzbereich der Wasserlöslichkeit, d.h., ven Anwendung ist zwar nur kurz, aber im
290mosmol/l können nicht ganz erreicht ungünstigsten Fall kommt es innerhalb weni-
werden, befinden die Amide der sauren AS ger Minuten zu einer massiven Einschwem-
Asparagin und Glutamin, die schwefelhaltige mung einer oder mehrerer AS in den Blut-
AS Methionin sowie die aromatische AS kreislauf mit daraus resultierenden Plasma-
Phenylalanin (Tabelle 19-7). konzentrationen, die erheblich über denen der
212 Anhang
Wasser- Iso-
Massenstrom bei
Molmasse Plasma-Konzentration löslichkeit elektri-
Aminosäure 290 mosm/L
[g/Mol] postabsorptiv[µMol/L] bei 25°C scher
[g/min]
[g/100g] Punkt
Alanin 089,10 344 ±29 2,60 16,50 6,01
Glycin 075,07 215 ±8 2,20 25,00 5,97
Leucin 131,18 112 2,30 (3,80) 2,30 5,98
Isoleucin 131,18 59 ±2 3,80 4,10 6,02
Serin 105,10 109 3,00 5,00 5,68
Threonin 119,12 134 3,50 20,50 6,16
Valin 117,15 212 ±8 3,40 8,80 5,96
Arginin 174,21 69 ±8 5,10 15,00 10,76
Lysin 146,19 164 ±9 4,20 100,00 9,82
Asparaginsäure 133,11 <20 0,50 (3,80) 0,50 2,77
Asparagin 132,12 – 3,10 (3,80) 3,10 5,41
Glutaminsäure 147,14 600 0,84 (4,27) 0,80 3,24
Glutamin 146,15 70 3,60 (4,24) 3,60 5,65
Cystein 121,16 92 ±5 3,50 100,00 5,02
Methionin 149,22 24 3,50 (4,30) 3,50 5,74
Phenylalanin 165,20 49 3,00 (4,80) 2,90 5,48
Tyrosin 181,20 54 ±4 0,05 (5,30) 0,05 5,66
Histidin 155,16 73 ±4 4,50 7,50 7,59
Prolin 115,14 175 ±3 3,30 162,30 6,30
Tryptophan 204,23 39 1,10 (5,90) 1,10 5,89
Tabelle 19-7: Aminosäuren und ihre wichtigsten Eigenschaften.
Die Massenströme sind einerseits für die physiologische Osmolarität unter Berücksichtigung der Löslichkeit dar-
gestellt, andererseits sind die allein aufgrund der Molmasse theoretisch möglichen Abrasivmassenströme bei Ver-
nachlässigung der Wasserlöslichkeit bei 25° aufgeführt (Werte in Klammern).
213
Wasserstrahlskalpell
pW [MPa] 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
0,10mm 13,4 19,5 24,6 29,8 31,7 36,1 38,9 41,6 43,8 47,2 49,6 50,8 53,6 56,1 57,1 58,8
0,12mm 20,9 27,0 32,9 37,9 44,4 48,7 52,6 56,1 59,4 62,5 65,9 68,9 72,3 75,9 77,9 80,0
0,15mm 40,5 72,3 88,2 98,4 111,1 125,0 139,5 146,3 153,8 162,2 171,4 176,5 187,5 193,5 200,0 206,9
[ml/min].
Tabelle 19-8: Der Volumenstrom des Wasserstrahlskalpells in Abhängigkeit von Druck und
Düsendurchmesser.
215
Industrieanlage
Laboranlage
Zentrales Element der Pumpeneinheit (Abbil- dämpfer ausgeglichen. Dieser Pulsations-
dung 19-19 und Abbildung 6-5, S.59) bildete dämpfer ist bis zu einem Druck von 70MPa
eine Differenzialkolbenpumpe, die im Pri- zugelassen. Er besteht aus zwei durch eine
märkreislauf mit Druckluft angetrieben wird. Membran getrennte Kammern. Eine Seite der
Das Flächenverhältnis zum Sekundärkolben Membran ist mit Stickstoff (28MPa) gefüllt.
ist 1:122. Der Sekundärdruck kann also über Die zweite Kammer ist mit dem Hochdruck-
den Pressluftdruck geregelt werden. kreislauf verbunden. Bei Rückführen des
Die Eigenpulsation der Kolbenpumpe wurde Pumpenkolbens wird der Druck durch das
durch einen Blasenspeicher als Pulsations- sich ausdehnende Gas auf der anderen
Membranseite nahezu konstant gehalten.
216 Anhang
a
Typ 122, Haskel, Burbank, US, http://www.haskel.com.
b
Olaer GmbH, Düdingen, CH, http://www.olaer.ch.
217
Flugförderung
19.7.1 Schüttgüter Die Flugförderung ist durch hohe, konstante
Luftgeschwindigkeiten gekennzeichnet, bei
Lose lager- oder transportfähige Materialien denen die Einzelkörner annähernd gleichmä-
bezeichnet man als Schüttgüter. Eine wich- ßig über den Leitungsquerschnitt verteilt im
tige Eigenschaft aller Schüttgüter ist eine nur Luftstrom schweben (Abbildung 19-20). Der
geringe oder keine Kohäsion zwischen den typische Betriebsdruck liegt bei 0,02MPa,
Einzelpartikeln. Diesbezüglich unterscheidet womit Beladungen bis 5kg Schüttgut pro kg
man kohäsionsloses, freifließendes und ge- Luft erreicht werden.
ring kohäsives Schüttgut104. Die Kohäsion
war ein wichtiger Faktor bei der Auswahl der
Abrasivmittel für dieses Projekt. Ist diese zu
hoch, so kommt es leicht zum Verstopfen der
Fördereinrichtung und der Mischkammer.
Dies war insbesondere bei den als Bioabra-
Abbildung 19-20: Schematische Darstellung der
sive grundsätzlich geeigneten Zuckeralkoho- Flugförderung.
len der Fall (vgl. S.210).
Zum Transport von Schüttgütern werden
pneumatische oder mechanische Fördersys-
teme je nach Eigenschaft des Gutes und Be- Damit das Schüttgut im Luftstrom mit der
schaffenheit der Transportstrecke eingesetzt. Schwerkraft in der Senkrechten nicht zurück-
Aufgrund der großen Schwankungen der fällt oder zum Stehen kommt, muss die Luft-
Fördermenge sind sie nur teilweise als Do- geschwindigkeit größer als die Schwebege-
siersysteme geeignet. Daher müssen beim schwindigkeit des Schüttguts sein95.
ADWS-Schneiden Fördereinrichtungen in
Kombination mit Dosiersystemen angewen- Strähnenförderung
det werden. Die Strähnenförderung ist ein Förderzustand,
der sich bei zu geringer Luftgeschwindigkeit
einstellt. Dabei wird das Einzelkorn zuneh-
19.7.2 Förderung abrasiver Feststoffe mend in der unteren Rohrleitung bewegt. Je
nach Korngröße und Korndichte fällt das Gut
Pneumatische Fördereinrichtungen im Luftstrom aus und bewegt sich als Strähne
Pneumatische Transportsysteme sind Schütt- durch die Förderleitung (Abbildung 19-21).
gutförderer mit geschlossenem Rohrsystem, Mit einem Förderdruck von ca. 0,1MPa kann
in dem das Gut durch Druck- oder Saugluft die Beladung bis zu 20kg Schüttgut pro kg
gefördert wird. Zur Überbrückung von lan- Luft betragen.
gen Transportstrecken ist die pneumatische
218 Anhang
Dünenförderung
Bei noch geringerer Fördergeschwindigkeit
bildet das Schüttgut Ballen und Pfropfen. Die
Luftgeschwindigkeit ist nun stellenweise so Abbildung 19-23: Der verwendete Vibrationsdosie-
gering, dass Körner nicht mitgerissen wer- rer.
den. Durch die Ablagerung verengt sich der
Querschnitt, was eine Erhöhung der Luftge-
schwindigkeit an den Verengungen zur Folge
hat, so dass die Körner wieder losgerissen Vibrationsrinnen zeigen eine relativ kon-
und stufenweise weiter transportiert werden stante Fördermenge und sind daher zur Do-
(Abbildung 19-22)95. sierung von Abrasivmitteln geeignet.
Bei der Anwendung des WAIS ist die Kom-
bination einer Vibrationsrinne mit der pneu-
matischen Flugförderung die typische An-
ordnung. Die Dosierung des Abrasivmittels
kann sehr genau (±5%) durch die Rinne vor-
gegeben und mit Hilfe einer elektrischen Re-
Abbildung 19-22: Schematische Darstellung der gulierung dem Fördervolumen angepasst
Strähnen-Dünenförderung. werden. Die Abrasivmittelzuführung zum
Strahlkopf geschieht über eine flexible
Schlauchzuführung, in der der Sog für den
Pneumatische Fördereinrichtungen sind auf- nötigen Luftstrom zum Guttransport dient.
grund größerer Schwankungen ungeeignet, Der Unterdruck in der Mischkammer des
um Abrasivmittel zu dosieren. Strahlkopfes war bei fast allen Versuchen
ausreichend, um das Abrasivmittel in den
Wasserstrom einzusaugen (Ausnahme im
Mechanische Stetigförderer Kapitel 10.2, S.105). Eine Zwangsförderung
des Abrasivmittels war somit in horizontaler
Vibrationsrinnen Lage nicht notwendig. Bei senkrechter För-
Eine klassische Vibrationsrinne für Labor- derung, die bei Handgeführten Geräten auf-
zwecke besteht aus einem höhenverstellbaren treten kann, könnte diese jedoch erforderlich
Vorratstrichter, einer Förderrinne und dem sein.
Vibrationsantrieb. Mit 50Hz sind je nach Vorteil der Vibrationsrinne ist, dass das
eingestellter Schichthöhe (Trichterhöhenein- Abrasivmittel steril verpackt in einem Be-
stellung) Dosier- und Fördermengen bis ca. 5 hälter an den Vibrationsarm angehängt wer-
dm3/min zu erreichen. den könnte.
Allerdings ist mit Luftbeimengungen in grö-
ßerem Maße zu rechnen, weil die Luft das
219
Fördermedium im Abrasivmittelschlauchs ist. rechten Förderern reicht die aus der Eigenlast
Aus diesem Grund wurde die Überlegung resultierende Reibkraft aus, damit die umlau-
angestellt, die Luft durch ein Gas mit guter fende Schneckenwendel das Fördergut axial
physikalischer Löslichkeit, wie CO2, zu erset- verschieben kann89.
zen (Abbildung 19-24).
Injektorverfahren
V[L/min]
20 Schneckenförderun
15
10
5
0
Abbildung 19-26: Modell eines Bioabrasiv-Schne-
ckenförderers. 20 30 40 50 60 70
Die Förderschnecke wird in einem Schlauch bis in den pW [MPa]
Strahlkopf geführt. Der Vorratsbehälter ist geschlos-
Luftvolumenstrom ( V& ); Druck (pW).
sen, damit keine zusätzliche Luft in das System gelan-
gen kann. Abbildung 19-28: Die vom Strahl beförderte Luft
in Abhängigkeit vom Druck und vom Förderver-
fahren.
19.7.3 Zusammenfassung
a
Typ Magnifying Luna, No.1208, Chung Luen Optik,
Hongkong, CN, http://www.luna-imaging.com.
222 Anhang
Retikulinfasern und
ungefärbt bis blassrot blassgrün ungefärbt – blassrot
Basalmembranen
Kollagenfasern rot grün braunschwarz
Elastische Fasern und
blassrosa blassgrün bis blassrot blassgelb
Membranen
Knorpelgrundsubstanz blassblau bis blau hellgrün rot und gelb
Interzellularsubstanz violett – –
Fett herausgelöst herausgelöst herausgelöst
Zytoplasma von Mus-
leuchtend rot orange-rot – braun gelb
kelzellen
Erythrozyten ziegelrot orange-gelb gelb
Tabelle 19-9: Farbliche Darstellung verschiedener Gewebskomponenten in Abhängigkeit von der Färbeme-
thode.
224 Anhang
Die abhängigen sowie die unabhängigen Va- suche wurden in der Tabelle 19-10
riablen der in dieser Arbeit vorgestellten Ver- zusammengefasst.
Zur Erzielung des Kraftschlusses zwischen ten Kraft, welche bei Bandscheiben asym-
Probe und Testmaschine wurde eine Vorlast ptotisch verläuft, bezeichnet159.
von 5N eingeleitet, bevor mit der Datenauf- Bei der Auswertung der Messdaten zeigte
nahme begonnen wurde. Anschließend wurde sich, dass das Creeping in allen Haltephasen
kraftgesteuert die Vorlast auf 20N erhöht, die nicht durch die Operation beeinflusst wurde.
für eine Minute gehalten wurde (Vorlast- Es wurde daher auf die Darstellung dieser
phase). Danach wurde kraftgesteuert mit Ergebnisse verzichtet.
2N/s die Maximalkraft von 150N angefahren Da bei dem vorliegenden Versuchsaufbau
(Belastungsphase) und für eine Minute jedes Segment zweimal getestet werden
gehalten (Hauptlastphase). Es folgte eine musste (prä- und postoperativ), war es not-
Entlastung mit der gleichen Geschwindigkeit wendig, sicherzustellen, dass durch den ers-
(Entlastungsphase) auf 20N, welche fünf ten Belastungszyklus die Eigenschaften des
Minuten gehalten wurden (Nachlastphase). Segments nicht verändert wurden. Deshalb
Die Vorlastphase diente dazu, vergleichbare erfolgte nach der Kraftgeregelten Entlas-
Grundvoraussetzungen (Gleichgewicht zwi- tungsphase eine weitere Nachlastphase, wie-
schen onkotischem Druck innerhalb der derum zum Ausgleich des Creeping. Die
Bandscheibe und extern eingeleiteter Kraft) Druckwerte der Bandscheibe zeigten vor und
in den verschiedenen Präparaten zu errei- nach den Tests keine signifikanten Unter-
chen. Die Haltephase nach Erreichen der schiede (p=0,77), so dass davon ausgegangen
Maximallast diente dem Ausgleich des Cree- werden kann, dass der Test selbst keinen Ein-
ping unter Last. Als Creeping wird die zeit- fluss auf das Präparat hatte.
abhängige Verformung unter einer konstan-
Wirbel-
körper PMMA
19.11 Methoden zur Erfolgsbeur- Bereich der Wirbelsäule stehen diese nicht
teilung im Vordergrund bei einer Erfolgsbewertung
einer Operation. Man muss hier vielmehr die
Die Kernspintomografie hat es möglich ge- subjektive Empfindung des Patienten in den
macht, geringste morphologische Verände- Vordergrund der Bewertung stellen. Die
rungen im Bereich der Wirbelsäule in Bildern Messbarkeit ist nach den Kriterien der Inge-
darzustellen. Diese radiologisch erhobenen nieurswissenschaften naturgemäß beschränkt,
Befunde korrelieren jedoch nur in der ge- aber durchaus möglich.
ringsten Anzahl der Fälle mit den Beschwer- Man bedient sich in der Regel eines Fragebo-
den (Schmerzen) des Patienten. So findet gens, dem ein Score zugeordnet ist.
man radiologisch schwer veränderte Wirbel- Der Oswestry-Score hat sich zu einem der
säulen, die schmerzfreien Patienten zuzuord- spezifischsten Messinstrumente für das Ma-
nen sind, ebenso wie Patienten mit größten nagement von Wirbelsäulenerkrankungen
Schmerzen ohne einen radiologischen Be- entwickelt106;170;180. Der Fragebogen ist von
fund35. Fairbank et al. in mehreren Studien validiert
Dies gilt ebenso für objektivierbare Untersu- worden81-85. Er findet sich in fast allen neue-
chungsbefunde, wie z.B. die Wirbelsäulen- ren Publikationen, die Therapiemethoden für
beweglichkeit. den Rückenschmerz untersuchen. Der Os-
Das subjektive Befinden des Patienten kann westry-Score ist ein Schmerzfragebogen, der
durchaus Ursache oder Folge von somatisch in einer validierten deutschen Übersetzung
objektivierbaren Befunden sein. Gerade im vorliegt:
1. Schmerzintensität
– kein Schmerz 0
– deutlicher Schmerz, jedoch Bewältigung der Situation(en) ohne Schmerzmedikamente 1
– kein Schmerz bei der Einnahme von Schmerzmedikamenten 2
– gemäßigte oder erträgliche Schmerzen durch Einnahme von Schmerzmedikamenten 3
– starker Schmerz trotz der Einrahme von Schmerzmedikamenten 4
– starker Schmerz, der auch durch Schmerzmedikamente nicht gelindert wird 5
2. Körperpflege
– Waschen, Anziehen etc. unproblematisch selbstständig ohne fremde Hilfe 0
– Waschen, Anziehen etc. unter Schmerzen selbstständig ohne fremde Hilfe 1
– Selbständiges Waschen, Anziehen etc. deutlich verlangsamt aber ohne fremde Hilfe 2
– auf fremde Hilfe angewiesen, den größten Teil der Körperpflege jedoch alleine 3
– auf fremde Hilfe angewiesen, den größten Teil der Körperpflege nicht alleine 4
– Waschen, Anziehen etc. selbst nicht möglich und nur mit fremder Hilfe 5
3. Gewichtheben
– schwere Gewichte (volle Getränkekiste) können ohne Probleme gehoben werden 0
– schwere Gewichte können mit Schmerzen gehoben werden 1
– schwere Gewichte können nur bei günstiger Positionierung (z.B. Tisch) gehoben werden 2
– schwere Gewichte zu heben ist nicht möglich, jedoch mittlere (volle Einkaufstasche) kön- 3
nen bei günstiger Positionierung gehoben werden
– nur leichte Gewichte (volle Getränkeflasche) können gehoben werden 4
– nichts kann gehoben oder getragen werden 5
227
4. Gehstrecke/-Hilfen:
– jede Strecke kann gegangen werden 0
– bis zu 1,4 km kann gegangen werden 1
– bis zu 0,7 km kann gegangen werden 2
– bis zu 0,35 km kann gegangen werden 3
– Gehen ist nur mit Stock/Krücke möglich 4
– die meiste Zeit muss im Liegen verbracht werden 5
5. Sitzen
– Sitzen in jeder Art von Stuhl, unbegrenzte Zeit 0
– Sitzen in einem speziellen Stuhl, unbegrenzte Zeit 1
– Sitzen bis zu 1 Stunde möglich 2
– Sitzen bis zu 1/2 Stunde möglich 3
– Sitzen bis zu 10 Minuten möglich 4
– Sitzen nicht möglich 5
6. Stehen
– Stehen unbegrenzte Zeit, ohne Auslösen von vermehrten Schmerzen 0
– Stehen unbegrenzte Zeit, mit Auslösen von vermehrten Schmerzen 1
– Schmerz hält davon ab, mehr als eine Stunde zu stehen 2
– Schmerz hält davon ab, mehr als eine halbe Stunde zu stehen 3
– Schmerz hält davon ab, mehr als 10 Minuten zu stehen 4
– Schmerz hält davon ab, überhaupt zu stehen 5
7. Schlafen
– normaler erholsamer Schlaf 0
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, unbegrenzt 1
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 6 Stunden 2
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 4 Stunden 3
– mit Schlaf- oder Schmerztabletten erholsamer Schlaf möglich, bis zu 2 Stunden 4
– Schmerz hält davon ab, überhaupt zu schlafen 5
8. Sexualleben
– normales Sexualleben 0
– normales schmerzhaftes Sexualleben 1
– annähernd normales Sexualleben, jedoch sehr schmerzhaft 2
– Sexualleben ist stark eingeschränkt 3
– Sexualleben ist nahezu aufgehoben 4
– kein Sexualleben 5
9. Soziale Stellung
– normales, soziales Leben 0
– normales, soziales Leben unter Schmerzen 1
– einschränkender Effekt auf höhere soziale Aktivitätsstufen, z.B. Tanzen etc. 2
– soziales Leben eingeschränkt, selten Aktivitäten außerhalb des Hauses 3
– soziales Leben komplett auf den häuslichen Bereich eingeschränkt 4
– soziales Leben auch innerhalb der Wohnung nicht möglich 5
10. Mobilität/Reisen
– normale, uneingeschränkte Mobilität 0
– normale, uneingeschränkte Mobilität, mit Auslösen von Schmerzen 1
– Bewältigung von Ausflügen über 2 Stunden 2
– Bewältigung von Ausflügen von 1 bis 2Stunden 3
– Bewältigung von Ausflügen unter 30 min, maximal Arztbesuch. 4
– keine Ausflüge/Reisen/Mobilität möglich 5
erreichte Punktzahl ⋅ 2 = Oswestry-Score
228 Anhang
Visuelle Analogskala
Die Visuelle Analogskala (VAS) ist Grund- chende Zahlenangabe von null bis zehn (kein
lage eines semiqantitiven Verfahrens für die Schmerz = 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 =stärkst vorstell-
subjektive Messung einer Empfindungsstärke bare Schmerzen).
(z.B. Schmerz oder Jucken, Wärme oder Bei der visuellen Analogskala ist die Strecke
Kälte). nur durch die Endpunkte markiert; in der
Der Patient muss dabei seinen Empfindung Regel beträgt der Abstand zwischen den bei-
auf einer Skala von 0 (= keine Empfindung) den Punkten 10cm. Der Patient gibt auf die-
bis 100 (= stärkste vorstellbare Empfindung) ser Strecke durch einen Strich seine aktuellen
einschätzen. Als Skala wird dabei meistens Schmerzen an; man kann auch nach dem
ein Balken oder eine Strecke vorgegeben, auf durchschnittlichen Schmerz innerhalb eines
der der Patient die Empfindungsstärke als Zeitintervall, z.B. den letzten 4 Wochen, wie
Abstand vom linken Rand einträgt. Bei wie- in der vorgestellten Studie geschehen, fragen.
derholter Dokumentation gibt diese Methode Bei der Auswertung wird vom Arzt die Stre-
einen orientierenden Überblick über den cke ausgemessen und in cm angegeben. Dies
zeitlichen Verlauf und den Erfolg einer The- geschieht in der Regel unter Zuhilfenahme
rapie. eines Lineals mit einem Schieber, den der
Man unterscheidet bei der Schmerzmessung Patient auf seine Empfindung einstellt, ohne
die visuelle Analogskala von der numeri- die Skala zu sehen und der Arzt auf der Ge-
schen Analogskala. Bei dieser erfolgt die genseite abliest (Abbildung 19-32).
Schmerzquantifizierung durch eine entspre-
Patientenseite
keine Schmerzen unerträgliche Schmerzen
pas de doleur doleurs insupportable
niente dolori dolori insupportabili
Arztseite
keine Schmerzen unerträgliche Schmerzen
pas de doleur doleurs insupportable
niente dolori dolori insupportabili
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Die Korrelationskoeffizienten des empiri- schen Modells für die Gewebsexpansion sind
schen Kerbtiefenmodells und des empiri- in der Tabelle 19-11 dargestellt.
0,14⋅
kmax QS 1/7
3/7
0,43⋅ 5/7
kmax
Ra[mm] TS
0,6 0,52
0,2
0,07 0,07
0,71⋅ 0,01 0,04 0,02
kmax 0
1/7 3/7 5/7
der maximalen Kerbtiefe
a
Typ Perthometer S6P, Mahr Maryland Metrics, Ovings Mills, US, http://www.mdmetric.com.
231
19.14 Sonstiges
19.14.2 Projektförderung