You are on page 1of 131

Vorlesung

Allgemeine
Vegetationsökologie
Einführung, Merkmale der Vegetation,
1. Teil

Jörg Pfadenhauer
Lehrstuhl für Vegetationsökologie
http://www.wzw.tum.de/vegoek/index.html
1. Einführung

Die Vegetationsökologie
• beschreibt als raumbezogene Wissenschaft die Pflanzendecke
der Erde nach floristischen und strukturellen Kriterien,
• untersucht Beziehungen innerhalb und zwischen
Pflanzengemeinschaften (Konkurrenz, Koexistenz, Sukzession
u.a.),
• untersucht die wechselseitige Abhängigkeit von Vegetation und
Standort (naturhistorisch-beschreibend, empirisch, deduktiv und
experimentell-analytisch, induktiv),
• untersucht die wechselseitige Abhängigkeit von Pflanzendecke
und Nutzung.
Bedeutung der Vegetation für die Anwendung

• Pflanzendecke als Indikator für Umweltzustände


• Pflanzendecke als Stabilisator im
Landschaftshaushalt
(→ Pflanzenverwendung/Ingenieurbiologie)
• Pflanzendecke und einzelne Arten als Objekt des
biotischen Ressourcenschutzes (Biotop- und
Artenschutz)
• Pflanzendecke als Gestaltträger (→ ästhetische
Funktion)
Schema der Entstehung von Pflanzengemeinschaften
Primäre Großklima Ausgangs- interkont.
Ursachen zonal gestein, zonal Verfügbarkeit
von Taxa

sekundäre Klimaextreme Substatextreme kontinentale


Ursachen Verfügbarkeit
von Taxa

tertiäre Regionale Intrakontinent.


Ursachen Klima- und Migrations-
Substrateigen- faktoren
schaften

natürl.standörtl. Regional
Ausgangsbedin- verfügb. Taxa,
gungen Artenpool

Theoretisch mögliches Artenspektrum


Schema der Entstehung von Pflanzengemeinschaften

Theoretisch mögliches Artenspektrum

Selbstregulation • Konkurrenz zw. den


und Taxa Vegetation
Sukzession
• Herbivore, Parasiten,
Faktor Zeit
Symbionten etc. (Sukzession)
• Streuproduktion,
Feuer usw. Bodenbildung

Lokal realisierte, potentielle


anthropogene • Konkurrenz durch Vegetation
Ursachen Invasoren
• Landnutzung
• Schadstoffe, Gifte ..
Lokal realisierte, aktuelle
Aus Strasburger, Lehrbuch der Botanik, 35. Auflage, Vegetation
2002, verändert
Gliederung der Vegetationsökologie

1. Allgemeine Vegetationsökologie
2. Methodik der Vegetationsökologie
3. Spezielle Vegetationsökologie
4. Angewandte Vegetationsökologie
Gliederung der Vegetationsökologie

1. Allgemeine Vegetationsökologie
Allgemeine Prinzipien der Vegetation;
Vegetation und Umwelt, (Standortsfaktoren),
Konkurrenz und Koexistenz, Arealkunde,
Vegetationsgeschichte, Vegetationsgliede-
rung, Vegetationsverbreitung

Vorlesung WS 2 SWS
Gliederung der Vegetationsökologie

2. Methodik der Vegetationsökologie


Einüben der wichtigsten Methoden der
Vegetationsökologie
Vegetationsökologische Übungen 1
(Kartierübungen): Vegetationserfassung,
Kartierung (2 SWS, SS)
Vegetationsökologische Übungen 2: Vertiefte
Kenntnis analytischer Gelände- und
Labormethoden (8 SWS, SS)
Vegetationsökologische Übungen 3:
Vegetationsökologie in der Forschung des
Lehrstuhls (10 SWS, SS)
Gliederung der Vegetationsökologie

3. Spezielle Vegetationsökologie
Demonstration der Pflanzengemeinschaften
und ihrer Funktionsbeziehungen
Vorlesung Spezielle Vegetationsökologie 1:
Vegetation Mitteleuropas, SS, 2 SWS
Vorlesung Spezielle Vegetationsökologie 2:
Vegetation der Erde, WS, 4 SWS
Übungen in Spezieller Vegetationsökologie 1
(„Exkursionen“): 7 Tage, SS
Übungen in Spezieller Vegetationsökologie 2
(Exkursionen): 10-14 Tage, unterschiedliche
Ziele (Alpen, Teneriffa, Italien, Sibirien usw.)
Gliederung der Vegetationsökologie

4. Angewandte Vegetationsökologie
Arbeiten mit Vegetation in Pflege und
Entwicklung (z.B. Auswirkung von Mahd,
Beweidung, Feuer, Vernässung usw.)
Vegetationsmanagement: Kombination
Vorlesung/Seminar/Projekt anhand von
Beispielen aus der ganzen Welt, 4 SWS,
WS/SS.
Wissenschaftsbegriffe
• Vegetationsökologie (Vegetation Ecology,
Plant Ecology)
• Vegetationskunde,
Vegetationswissenschaften (Vegetation
Science)
• Pflanzensoziologie (Phytosociology)
• Geobotanik (Geobotany)
floristische (Arealkunde), historische (Floren- und
Vegetationsgeschichte), ökologische, zönologische
Geobotanik („Vegetationskunde“)
• Populationsökologie (der Pflanzen)
Hierarchie der Untersuchungsebenen

• Kontinente (global)
Synthetische Merkmale (physiognomisch-strukturelle
Merkmale: Wuchsform, äußere und innere Struktur)
• Landschaft
Vegetationskomplex (physiognomisch-strukturelle und
floristisch-synthetische Merkmale)
• Ökosystem
Phytozönose (Pflanzengemeinschaft; floristisch-synthetische
Merkmale: ökologische, soziologische Artengruppen
• Population
Merkmale der Population (floristisch-strukturelle Merkmale:
Sprossarchitektur)
Grundprinzipien der Vegetationsgliederung
in Raum und Zeit

Organismisches Konzept Individualistisches Konzept


(Clements 1916) (Gleason 1926)
Vegetation als Diskontinuum Vegetation als Kontinuum
Im Vordergrund der Analyse Im Vordergrund der Analyse
steht die steht die
Pflanzengesellschaft Art (Population)
Methodik: Methodik:
Klassifikation Ordination
(z.B. in der (z.B. direkte oder indirekte
Pflanzensoziologie) Gradientenanalyse)
Skizze
2. Merkmale der Vegetation

Die Vegetation ist gekennzeichnet durch (wird


beschrieben mithilfe von)

• floristischen Merkmalen (Taxa, meist Arten und ihre


Populationen),
• physiognomischen Merkmalen (Wuchsformen) und
• funktionalen Merkmalen (Pflanzenfunktionstypen)
2.1 Floristische Merkmale

Analyse und Beschreibung der Vegetation nach der


Artenzusammensetzung
Artenlisten
Abundanz und Dominanz
Grundzüge der Populationsbiologie der Pflanzen
Beispiel einer Artenliste

1 2
Arrhenatherum elatius x .
Dactylis glomerata x .
A Bellis perennis x .
Veronica chamaedrys x .
Prunella vulgaris x x
Caltha palustris x x
Holcus lanatus . x
Filipendula ulmaria . x
B Alopecurus pratensis . x
Lychnis flos cuculi . x
Abundanz und Dominanz

Abundanz Dominanz
Anzahl von Individuen (bei Raumbedarf einer Art
Pflanzen auch Rameten, (Population):
z.B. Sprosse eines Klons) Deckung, Phytomasse,
pro Flächeneinheit Kronendurchmesser u.a.
Abundanz und Dominanz
NA % Deckung

4 10

0 10 m
4 80

0 10 m

14 80

0 10 m
Grundzüge der Populationsbiologie
der Pflanzen
• Definition der Population:
Lokale oder regionale Gruppe von Individues einer
Art, zwischen denen über mehrere Generationen ein
Fortpflanzungszusammenhang besteht
• Populationsanalyse:
Altersstruktur der Population (Keimungs- und
Jugendphase, Beginn und Dauer der Fortpfnazung,
Diasporenproduktion, Durchschnittsalter,
Sterbephase)
Schema eines Populationszyklus
Samenbank

generative Keimung
Reproduktion
Samenregen
Sterberate

Etablierung

Energie-
Allokation
vegetative
Reproduktion
Reproduktion

• generativ durch Samen (sexuell, asexuell =


Agamospermie)

• vegetativ durch vegetative Propagulen mit spezieller


Gestalt (vegetative Reproduktion s. str.) oder durch
Ausläufer mit Selbstklonierung (autogen) oder
erzwungene Klonierung (instabile Standorte; klonale
Reproduktion)
Klonale Reproduktion

• Definition:
Phragmentation eines genetischen Individuums (=
Genet) in unspezifizierte Teile (= Rameten), die zu
selbstständiger Existenz fähig sind
• Zwei Schritte:
1. Klonales Wachstum: Vergrößerung eines Individuums
durch wiederholte Bildung von Modulen
2. Klonale Reproduktion: die Module lösen sich von selbst
von der Mutterpflanze (autogene Phragmentation) oder
sie werden durch Störungsereignisse getrennt
(erzwungene Phragmenation)
Ausbreitung

Definition: Transport generativer und vegetativer


Diasporen; Diaspore = Ausbreitungseinheit
Ausbreitungsformen:
Achorie (Nicht-Ausbreitung: Erdnuss)
Autochorie (Selbst-Ausbreitung: Impatiens-Arten)
Allochorie (Ausbreitung durch fremde Agenzien):
(Anemo, Hydro-, Zoochorie)
Anthropochorie (= Hemerochorie: Ausbreitung
durch den Menschen)
Polychorie (Kombinationen; häufig)
Verteilung der Diasporen von Gefäßpflanzen im Fell
eines Schafes in Abhängigkeit von der Höhe des
Fruchtstandes (Fischer & al 1996)
Ausbreitungsspektren verschiedener
Pflanzengemeinschaften in Mitteleuropa
70
60
50
A
40
B
30 C
20 D
10
0
hem auto zoo anemo hydro

A = thermophiler Waldsaum C = Kamillen-Gesellschaft


B = Mehlprimel-Kopfbinsenried D = Glatthaferwiese
Diasporenbank

Definition:
Teil einer Pflanzengemeinschaft („underground
floristics“); im Boden befindliche keimfähige, aber
schlafende („dormante“) Diasporen
Dormanz: Keimungshemmung durch Dunkelheit, dicke
Samenschale, fehlende Wechseltemperaturen usw.
Typen von Diasporenbanken:
• kurzfristig
• persistent (2-5 Jahre)
• permanent (> 5 Jahre)
Aktuelle Vegetation
und Samenbank in
zwei Ausbildungen
des Perlgrasbuchen-
waldes in Hessen

(aus A. Fischer 1987).

1 = Waldarten, 2 = Schlagflur- und Vorwaldarten, 3 = Sonstige


Aktuelle Vegetation (graue
Säulen = Deckungsgrad)
und Samenbank von
gedüngten
Kohldistelwiesen im
westallgäuer Hügelland

(Pfadenhauer & Maas 1988)


Größe der Samenbank in einigen mitteleuropäischen
Vegetationstypen
(aus Fischer 1987)
Lebensdauer von
Samen einiger
mitteleuropäischer
Pflanzenarten

(zusammengestellt nach
verschiedenen Autoren)
Keimung und Etablierung

Keimung:
1. Lichtgesteuert: Licht- und Dunkelkeimer
2. Temperaturgesteuert: Wärme- und Kältekeimer
Das Phytochromsystem
Umwandlung im Dunkeln mit hohem
Dunkelrotanteil (700-760 nm)
1

P730 P660
stimuliert die P730 P660 hemmt die
Keimung, Keimung, stabil
instabil

2
Umwandlung bei Licht mit höherem
Hellrotanteil (620-680 nm)
Prozent gekeimter bzw. etablierter Arten nach Aussaat von
jeweils 50 Samen auf typischen (Fläche a) und ruderalisierten
Pfeifengraswiesen (Fläche b). Nach Maas 1988

Fläche a Fläche b
gemäht nicht gemäht nicht
Keiml./Etabl. gemäht Keiml./Etabl. gemäht
Keiml./Etabl. Keiml./Etabl.

Primula farinosa 65 / 4 28 / 2 7/0 0/0


Pinguicula vulgaris 18 / 4 9/3 0/0 0/0
Schoenus ferrugin. 17 / 5 4/2 0/0 0/0
Molinia caerulea 15 / 7 11 / 1 5/0 0/0
Carex panicea 5/1 0/0 1/0 0/0
Carex flava 5/4 2/2 1/0 0/0
Energie-Allokation

Prinzip: Für eine Pflanze stehen an ihrem Standort und im


Wettbewerb mit anderen Pflanzen nur begrenzte Ressourcen
(Nährstoffe, Wasser, Energie) zur Verfügung.
Also kann die Pflanze in verschiedene Abschnitte ihres
Lebenszyklus unterschiedlich große Anteile dieser
Ressourcen einsetzen. Dies ist genotypisch bedingt.
Beispiel:
Investition in viele und widerstandsfähige bzw. langlebige
Samen: kurzlebig, erfolgreich, opportunistisch (Ratte,
ruderale Pflanzen: r-selektioniert)
Investition in viel und widerstandsfähige Biomasse: Pflanze
lebt lange, braucht also nur wenige, kurzlebige Samen
(majestätisch, groß, langlebig, schwer zu ersetzen (Eiche); K-
selektioniert
Modulare Struktur
von Pflanzen

module

15 m
5 cm

ramet

Genetische und organisatorische


Einheit

Genet 1
Genet 2
2.2 Physiognomische Merkmale:
Wuchsform

Definition: äußere, vegetative Gestalt; Lagebezie-


hungen der einzelnen Organe zueinander
• Bäume
immergrün/saisonal kahl
breitblättrig/schmalblättrig
Kronenbäume/Schopfbäume usw.
• Sträucher (Stämme verzweigt)
• Stammsukkulente
• Kräuter (breitblättrig)
mit/ohne Rosetten
mit/ohne unterirdische/oberirdische Ausläufer
• Gräser und Grasartige (schmalblättrig)
Verschiedene
Wuchsformen von
Bäumen

(aus Vareschi 1980)


Immergrüne Laubhölzer
• Immergrün, Laubabwurf kontinuierlich
• Blätter meist kompakt, selten gegliedert, mit mehr oder
minder dicke Cuticula, sklerenchymatische Versteifung.
langlebig (bis zu 24 Monate)
• Blüten- und Fruchtentwicklung saisonal oder kontinuierlich
(Tropen)
• Durchwurzelung sehr flach (tropische Tieflandsregenwälder)
bis tiefgreifend und extensiv (Hartlaubwälder)
• Unterscheidung in
– lorbeerartige (lauriphylle) Blätter (Regeltyp) und
– sklerophylle Blätter (Hartlaub; Versteifung durch Sklerenchym,
besonders effiziente stomatäre Regelung der Hydratur)
• Funktionaler Vorteil: maximale Photosyntheseleistung bei
(thermisch) ganzjähriger Vegetationszeit
Regengrüne Laubhölzer

• Obligater (manchmal auch fakultativer) Laubabwurf


während der Trockenzeit (regengrün, trockenkahl)
• Blätter eher weich, häufig gegliedert (Akazia,
Prosopis), geringer Sklerenchymanteil, Cuticula
schwach ausgebildet, Stomata
• Bäume oft schirmförmig, Stammmeristeme durch
dicke Borken geschützt (Verdunstung, Feuer)
• tiefgreifendes, extensives Wurzelsystem
• Funktionaler Vorteil: Optimierung der
Photosyntheseleistung während der (humiden)
Vegetationszeit
Sommergrüne Laubhölzer

• Obligater (photoperiodisch gesteuerter) Laubabwurf


vor Beginn des Winters (sommergrün, kältekahl)
• Stämme häufig mit Borke, Knospen mit
Knospenschuppen
• Blüten- und Fruchtbildung saisonal
• Blätter groß, oft gegliedert, weich, wenig
Sklerenchym, ausgeprägte Herbstfärbung
• Funktionaler Vorteil: Photosynthese optimiert durch
bestmögliche Nutzung der thermisch günstigen
Jahreszeit in humiden Klimaten; morphologischer
und physiologischer Frostschutz
Immergrüne Nadelhölzer
(moderne Formen: Pinus, Picea, Abies)

• Immergrünn, Laubabwurf kontinuierlich


• Blätter nadelförmig, kompakt, mit dicker Cuticula
(eingeschränkte Transpiration in der kalten
Jahreszeit), mit Sklerenchym versteift, langlebig (bis
vier Jahre)
• Blüten- und Samenbildung saisonal
• Stämme mit Borke, Knospen mit Knospenschuppen
• Funktionaler Vorteil: Optimale Anpassung an kurze
Vegetationszeiten und lange, strenge Winter
(rasches Anspringen der Photosynthese,
ausgeprägte Frostresistenz)
Stammsukkulente

• Stammsukkulente ausdauernde Phanerogamen,


häufig mit reduzierten Blättern (z.B. Cactaceae,
Euphorbiaceae)
• Wasserspeicherung im Stamm
• Oft flach streichendes Wurzelwerk
• Funktionaler Vorteil: Anpassung an aride
Bedingungen (Halbwüsten) in ganzjährig warmen
Klimaten (keine Frostresistenz)
Grasartige

• Gräser (Poaceae) und Grasartige (z.B. Cyperaceae)


mit (bei zonalem Vorkommen) intensivem
Wurzelwerk und einem Spross-Wurzelverhältnis von
weniger als 1:2
• Überwiegend Horst-Hemikryptophyten oder Rhizom-
Geophyten
• Transprationsaktiv (keine stomatäre Einschränking
der Wasserabgabe)
• Funktionaler Vorteil: Überleben von Trockenperioden
unterirdisch, weitgehende Resistenz gegen Feuer
Kräuter

• Breitblättrige, krautige Pflanzen ohne verholzte


Sprossachsen, eingeschränkte Höhe
• Unterscheidung nach Sprossarchitektur und
Blattinsertion (Schaftpflanzen, Hochstauden,
Rosettenpflanzen, Ausläuferpflanzen)
• Vorwiegend in winterkalten Klimaten, im Offenland
und in Wäldern (in den Tropen weitgehend fehlend)
• Meist unterirdische Nährstoffspeicher
• Funktionaler Vorteil: rasche Entwicklung im Frühling,
Frostschutz im Winter
Zwergsträucher

• Bei zonalem Vorkommen (arktische Tundren und


Hochgebirgstundren) immergrün, oft an der
Bodenoberfläche kriechend (“Spaliersträucher”),
mäßig frostresistent (Schneeschutz), gelegentlich
ericoide Blätter
• Extensives, flaches Wurzelwerk
• Obligate ektotrophe Mykorhiza
• Funktionaler Vorteil: Geeignet für Gebiete mit sehr
kurzer Vegetationszeit und niedriger biologischer
Bodenaktiviät
Physiognomische Merkmale

• Wuchsform eines Pflanzenindividuums


äußere, vegetative Gestalt; Lagebeziehungen der
einzelnen Organe zueinander
• Struktur der Vegetation
innere und äußere Struktur der Pflanzendecke:
Aussehen („Nadelwald“, „Laubwald“, „Wiese“ usw.)
Schichtung (Baum-, Strauch-, Kraut-, Moosschicht)
Physiognomische Merkmale

Bedeutung:

Klassifikation der Vegetation weltweit ohne


Bezug zum Taxon
Charakteristische Wuchsformen
Ableitung der
zonalen Vegetation
der Erde nach den
charakteristischen
Wuchsformen

(nach Dansereau,
Whittaker, Holdridge
aus Sitte & al. 2002,
verändert)
1. Tropische Tieflands- und
Gebirgsregenwälder
2. Laurophylle Wälder
3. Nemorale Regenwälder Liste der
4. Regengrüne Monsunwälder wichtigsten Typen
5. Sommergrüne (nemorale) Laubwälder
der zonalen
6. Boreale Nadelwälder
7. Dorngebüsche Vegetation der
8. Feuchtsavannen Erde (aktualisierte
9. Hartlaubwälder und -gebüsche Begriffe)
10. Waldsteppen
11. Trockensavannen
12. Steppen
13. Tundren
14. Hitzewüsten
15. Trockenwüsten
16. Kältewüsten
Simplified map of the vegetation zones (after
Breckle 2002)

1. Immergrüne tropische Regenwälder


2. Halbimmergrüne und Saisonregenwälder
2a. Savannen und Trockenwälder
3. Hitzewüsten und –halbwüsten
4. Hartlaubvegetation
5. Laurophylle Wälder
6. Sommergrüne Laubwälder
7. Steppen
7a. Trockenwüsten und –halbwüsten
8. Boreale Nadelwälder
9. Polare Tundren
10. Gebirgsvegetation (nicht gegliedert)
Vereinfachte Karte der Vegetation der Erde (aus Breckle 2002)
2.3 Funktionale Merkmale

Definition:
Merkmale, die eine bestimmte Funktion (z.B.
Überdauerungsfähigkeit unter widrigen Umständen)
beschreiben.
Fachbegriff: Pflanzenfunktionstypen (Plant Functional
Types)
Bezug: Standortsfaktor, Nutzung, Störung
Enge Verbindung mit strukturellen Merkmalen.
Beispiele: Lebensformen,
Wasserhaushaltstypen u.v.m.
Funktionale Merkmale, Beispiel: Lebensformen
nach Raunkiaer
Definition: Überdauerung ungünstiger Jahreszeiten
durch unterschiedliche Position der
Überdauerungsknospen
Begriffe: Phanerophyten
Chamaephyten
Hemikryptophyten
Kryptophyten
Geophyten
Hydrophyten
Therophyten
Epiphyten
Lebensformen nach Raunkiaer (1910)
Lebensformenspektrum verschiedener
Landschaftsräume

PH CH H K TH

Tropen (Seychellen) 61 6 12 5 16

Italien 12 6 29 11 42

Lybische Wüste 12 21 20 5 42

Schweizer Mittelland 10 5 50 15 20

Spitzbergen 1 22 60 15 2

Alpen (alpin, nival) 0 25 68 4 3


Lebensformenspektren verschiedener
Pflanzengemeinschaften (% Gesamtartenzahl)
aus Pfadenhauer 1997, vereinfacht

Ch H G Th

Mittelklee-Odermennig- 9 86 3 3
Saum
Mehlprimel- 4 82 14 0
Kopfbinsenried
Kamillengesellschaft 0 4 3 92

Glatthaferwiese 6 77 5 12
Vorlesung
Allgemeine
Vegetationsökologie
2. Teil: Vegetation und Standort
Klimafaktoren
Jörg Pfadenhauer

Vegetationsökologie

©Jörg Pfadenhauer
Standort:
Gesamtheit aller naturgegebenen, für das Leben einer Pflanze
oder Pflanzengemeinschaft wichtigen Eigenschaften einer
bestimmten Stelle der Erdoberfläche

Standortfaktoren:
Unmittelbar auf die Pflanze oder
Pflanzengemeinschafeinwirkende Faktoren:
• Strahlung (Licht und Temperatur)
• Wasser
• Chemische Faktoren
• Mechanische Faktoren
• Biotische Faktoren Überschuss= Stress
Mangel = Stress
2.1 Licht

Strahlungsangebot
Solarkonstante 1390 W m-2 (± 3,5 %): auf die Atmosphäre
auftreffende Energie
Globalstrahlung: auf die Erdoberfläche oder ein Blatt
auftreffende Energie
Photosynthetisch aktive Einstrahlung PAR:
Wellenlängenbereich zwischen 0,4 und 0,7 µm
Wärmeeinstrahlung (thermisches Infrarot):
Wellenlängenbereich zwischen 3 und 14 µm
Stress erzeugende Strahlung: UV-B 0,28-0,32 µm
Reaktion der Pflanzendecke
Licht: innere Struktur und biologische Prozesse
Temperatur: Hitze und Kältestress
2.1 Licht

1. Innere Struktur (Schichtung von


Pflanzenbeständen; Epiphyten in tropischen
Wäldern)
Vertikale und horizontale Musterbildung („pattern“)
Licht: Wirkung auf die innere Struktur
der Pflanzendecke: Schichtung,
Blattflächenindex, Photosysnthese
(vertikale Musterbildung)

Links: Schichtung einer


Mähwiese und eines borealen
Birken-Fichten-Mischwalds
(nach Kairiukstis aus Larcher
1994) und Strahlungsgenuss
gap detection

Schichtung eines Trespen-


gap detection ?
Trockenrasens (Xerobrometum),
oben, und einer Glatthaferwise
(Alchemillo-Arhenatheretum),
unten.

Niedrig wachsende Pflanzen mit


Lichtbedarf für die
Samenkeimung haben in der
Glatthaferwiese keine Chance.
2.1 Licht

1. Innere Struktur (Schichtung von


Pflanzenbeständen; Epiphyten in tropischen
Wäldern)
Vertikale und horizontale Musterbildung („pattern“)
2. Blattflächenindex und Sonnen-/Schattenblätter
bzw. -pflanzen
Blattflächenindex (leaf area index LAI)

Ausdruck der Licht-Ausnutzungseffizienz einer Pflanzendecke.


Gemessen als m2 Blattfläche pro m2 Bodenoberfläche
Beispiele:
typischer Wert Extreme
Tropischer Tieflandsregenwald 8 6-16
Lorbeerwald 12 5-14
Sommergrüner Wald 5 3-12
Borealer Nadelwald 12 7-15
Wiesen und Steppen 4 2-9
Tundren 2 0,5-2,5
Getreide 9 6-11

Aus Frey & Lösch 2004


Licht- und Schattenblätter bzw. Licht- und
Schattenpflanzen
Licht- Netto-CO2-
Kompensationspunkt Aufnahme
µmol Photonen m-2s-1 µmol CO2 m-2s-1
C4-Pflanzen 20-50 > 1500 30-60
Frühlingsgeophyten 10-20 300-1000 15-20
Sonnenkräuter (C3) 20-40 1000-1500 20-30
Schattenkräuter 5-10 100-200 5-10
Bäume tropischer Regenwälder
Lichtblätter 15-25 600-1500 10-16
Schattenblätter unter 10 200-300 5-7
Sommergrüne Laubbäume
Lichtblätter 20-50 600-> 1000 10-15
Schattenblätter 10-15 200-500 3-6

Vereinfacht aus Larcher (1994)


2.1 Licht

1. Innere Struktur (Schichtung von


Pflanzenbeständen; Epiphyten in tropischen
Wäldern)
Vertikale und horizontale Musterbildung („pattern“)
2. Blattflächenindex und Sonnen-/Schattenblätter
bzw. –pflanzen
3. Biologische Prozesse; Beispiel Samenkeimung
Das Phytochromsystem
Umwandlung im Dunkeln mit hohem
Dunkelrotanteil (700-760 nm)
1

P730 P660
stimuliert die P730 P660 hemmt die
Keimung, Keimung, stabil
instabil

2
Umwandlung bei Licht mit höherem
Hellrotanteil (620-680 nm)
2.2 Temperatur

Wirkung auf die horizontale Vegetationsgliederung


1. Direkte Effekte:
a. Wärmeoptimum für Entwicklung und Reproduktion
b. Fähigkeit, Temperaturstress zu ertragen (Hitze, Kälte)
2. Indirekte Effekte:
a. Einfluss der Temperatur auf den Wasserhaushalt
b. Einfluss der Temperatur auf die Nährstoffverfügbarkeit
Temperaturgrenzen für Organismen
(aus Lexikon der Biologie 1992)

Minimum Maximum Bemerkungen

Flechten a) –80/-196 35-45 Max. Temp.Resistenz


b) –196 70-100 in
Moose (Waldboden) -15/-25 40-50 gut wasserversorgtem
Zustand
Trop. Bäume 5/-2 45-55 Assimil.organe
Trop. Blütenpflanzen 5/-2 45-48 dito
Trop. Sukkulenten -5/-10 58-65 dito
Mediterr. Hartlaubpfl. -6/-13 50-55 dito
Kräuter MiEur -10/-20 40-52 dito
subalp. Koniferen -40/-90 44-50 dito
Baumgrenze: Ursachen
(nach Körner 1999)

1. Stress-Hypothese:
Schäden durch Gefrieren, Frosttrocknis oder/und
phototoxische Effekte
2. Störungshypothese:
Mechanische Schäden durch Wind, Eisschliff, Schneebruch,
Pilzinfektionen, Herbivorie schädigen Meristeme so, dass sie
nicht erneuert werden können
3. Reproduktions-Hypothese:
Pollenschlauchwachstum, Samenentwicklung,
Samenausbreitung, Keimung, Etablierung sind gehemmt und
verhindern die Verjüngung
Baumgrenze: Ursachen
(nach Körner 1999)

4. Kohlenstoffbilanz-Hypothese:
C-Aufnahme oder C-Bilanz reichen nicht aus für minimales
Wachstum
5. Wuchsbegrenzungs-Hypothese:
metabolische Prozesse (Zucker – Aminosäuren) erreichen
nicht die minimalen Raten, die für Wachstum und Erneuerung
nötig sind

4+5 verhindern Gewebereifung (Frosthärte) bei zu kurzer


Vegetationszeit
Hitze- Temperaturen in einer
resistenz alpinen
Rosettenpflanze, in
48/52 0 vollem Sonnenlicht;
50/54
Minimumtemperaturen
am frühen Morgen,
Maximumtemperatur
48/52 mittags,
56/58 Hitzeresistenz: TL0 =
52/54 höchste lebend
52/56 überstandene
Temperatur, TL100 =
nur noch einzelne
Zellgruppen
überlebend
(aus Körner 2002, ergänzt
aus Larcher 1994)
Temperaturgrenzen für die Keimung von Samen
(aus Lerch 1991)

Kälte- Optimum Hitze-


grenze grenze

Wiesengräser (C3) 3-4 um 25 um 30


trop. Gräser (C4) 10-20 32-40 45-50

Wiesenkräuter 2-5 20-30 35-45


Tundra, Hochgebirge 5-10 20-30

Wüstenpflanzen:
Sommerkeimer um 10 20-30
Winterkeimer um 0 10-20 um 30
Kakteen um 10 15-30
Gehölze (Mittelbreiten):
Nadeläume 4-10 15-25 35-40
Laubbäume unter 10 20-30
Keimraten eines Kältekeimers (oben) und
eines Wärmekeimers (unten) in
mitteleuropäischen Äckern bei
verschiedenen Temperaturen und bei
Wechseltemperatur (WT)
(nach Otte n.p. aus Pfadenhauer 1997)
2.3 Wasser

1. Direkte Effekte
a) Wasserbedarf der einzelnen Art für ihre
Entwicklung und Reproduktion
b) Fähigkeit höherer Pflanzen, Wasserstress zu
ertragen (Trockenheit, Nässe)
2. Indirekte Effekte
a) Einfluss des Wassers auf Bodenbildung und
Nährstoffverfügbarkeit
b) Zusammenspiel von Niederschlag und
Temperatur: Klimaeffekt
Wasserpotentiale der Pflanze zwischen Atmosphäre
und Boden
(nach Larcher 1994 & Frey & Lösch 2002)

Trockene Luft: -100 mPa

Blatt: bis -4 mPa

Feuchte Luft: -10 mPa

Trockener Boden: -2,5 mPa

Feuchter Boden: bis 0 mPa


Wasserabgabe einer Pflanze
(Schema, in Anlehnung an Larcher 1994)

Transp. Evaporation

Transpiration poikilohydrer
Organismen

Transpiration
homoiohydrer
Organismen ohne (a)
und mit partiellem
Spaltenschluss (b, c)

Kutikuläre
Transpiration
morgens mittags abends
Wasserhaushalts-
typen

1 Sedum sexangulare
I. Poikilohydre
Pflanzen
1
II. Homoiohydre Trichocereus
Pflanzen atacamensis
3 Impatiens
1. Xerophyten noli tangere
2. Mesophyten
3. Hygrophyten
4. Helophyten 4 Typha latifolia
5. Hydrophyten

5
Nuphar lutea
Xerophyten

dürreempfindlich dürreresistent

dürremeidend Austrockung ver- Austrockung


zögernd ertragend
arido-passiv
Pluviotherophyten arido-aktiv arido-tolerant
Geophyten Verbesserte Poikilohydre Arten
Wasseraufnahme und
Stadien in
Leistungsfähige
Trockenstarre
Wasseraufnahme
Transpirations-
einschränkung
Wasserspeicherung
Pflanzen unter Wasserüberschuss im Wurzelraum
Hypoxie, Anoxie

Vermeidung Toleranz

Internodienstreckung „anaerobic retreat“


(Pflanze kommt rasch in (Überlebensfähigkeit von
sauerstoffreiches Milieu) Wurzeln für eine
beschränkte Zeit;
Lysigene Aerenchymbildung artspezifsich)
(Induktion von
Durchlüftungsgewebe durch Genetisch bedingtes
Äthylen) Aerenchym

Umschalten auf anaerobe


Atmung
(Gärungsstoffwechsel)
Beispiel: Wurzelsysteme von Pflanzen in ariden
Gebieten
Gräser Bäume, Sukkulente
Kräuter
Beispiel: Wurzelsysteme von Pflanzen in ariden
Gebieten

• Sommerregen-Steppengebiete:
Feuchtigkeit verdunstet rasch, dringt nicht tief in den
Boden ein: Gräser mit dichtem Wurzelfilz von Vorteil.
Kräuter nur dann, wenn sie Wasser unterhalb des
Wurzelfilz der Gräser erschließen können. Für
Bäume reicht die Feuchtigkeit nicht aus.
• Winterregen-Hartlaubgebiet
Sommerliche Trockenzeit verhindert Graswuchs.
Kräuter behaupten sich nur, wenn sie die
Frühjahrsfeuchtigkeit des Bodens ausnutzen können.
Winterlicher Regen dringt tief in den Boden ein:
Bäume mit ihrem extensiven Wurzelwerk profitieren.
Fallbeispiel:
Wasserexudation bei
Bäumen in semiariden
Gebieten: inverse
hydraulic lift

Erklärung: Aufnahme von


Wasser aus dem
Grundwasser und
Wasserabgabe an die
oberen Bodenschichten,
die dann der Bodenvegetation zugute kommt („hydraulic lift“).
Beleg: Deuterium-Isotopenverhältnisse (δD im Boden und in Pflanzen
sowie im Grundwasser und im Regen; δD = D/H-Verhältnis im Vergleich zu
einem Standard (Tiefenwasser des Ozeans). Nach Dawson (1993) aus
Schulze & al. (2002)
Daten zur Wasserabgabe der Vegetation
a = Evapotranspiration (mm), b = Niederschlag (mm), c % a von b

Bestand Gebiet a b c

Röhricht MiEur 1300-1600 800 160-120


Nasswiese MiEur 1160 860 135
Getreidefeld MiEur 400 800 50
Grünland MiEur 400 800 50
Trockenrasen MiEur 200 860 23
Buchenwald MiEur 500 800 62
Nadelwald MiEur 580 1250 46
Matorral Israel 500 650 77
Alp. Zwerg-
strauchheide Zentr.alp. 100-200 870 12-23
Alp. Rasen Zentr.alp. 50 1100 5
2.4 Klimaeffekte

• Temperatur: thermische Jahreszeiten


Monate mit Mitteltemperatur > 5 0C
• Humidität und Aridität: hygrische
Jahreszeiten
Humide Monate: Verhältnis zwischen mittlerer
Monatssumme des Niederschlags (mm = L m-2) zu
monatlicher Mitteltemperatur
Verhältnis >2: humid
Verhältnis <2: arid
• Kontinentalität und Ozeanität
Klimadiagramme nach Walter & Lieth
Beispiel für globale Auswirkung der Temperatur und
des Niederschlags:
Die Vegetationszonen der Erde
Beispiel für regionale Auswirkungen von Ozeanität und
Kontinentalität sowie der Meereshöhe:
Die Vegetation des Alpenraums (Querschnitt durch die
Schweizer Alpen)
Beispiel für globale Auswirkung der Temperatur:
Streuzersetzungsgeschwindigkeit
(nach Swift & al. 1997)

Zersetzungsindex Zersetzungs-
dauer
Tundra 0.03 100
Boreale Zone 0,21 14
Feuchte Mittelbreiten 0,77 4
Trockene Mittelbreiten
(Steppe) 1,5 2
sommerfeuchte Tropen 3,2 1,0
immerfeuchte Tropen 6,0 0,5
Beispiel
großskalisches
Mesoklima: Wirkung
verschiedener
Klimafaktoren auf das
Mosaik der alpinen
Vegetation der
Ötztaler Alpen

(aus Larcher 1994)


Komplexer Winterstress in Mitteleuropäischen Gebirgen
oberhalb der Baumgrenze (sonnseitig)

Luv Lee
Einstrahlung stark Einstrahlung stark
Wind stark Wind schwach
Schneedecke dünn, oft fehlend Schneedecke mittel
Sprosstemp. nachts >-200C
Sprosstemp. nachts 0 bis –20C
Wurzeltemp. –5 bis 100C
Wurzeltemp. 0 bis –20C
Frostwechsel häufig
Frostwechsel häufig
Vorrangige Stressfaktoren:
Tiefe Temperaturen Vorrangige Stressfaktoren:
Frosttrocknis Tiefe Temperaturen
Frostwechsel Frosttrocknis
Strahlung/Wind Frostwechsel
Schneedecke
Komplexer Winterstress in Mitteleuropäischen Gebirgen
oberhalb der Baumgrenze (schattenseitig)

Luv Lee
Einstrahlung schwach Einstrahlung schwach
Wind stark Wind schwach
Schneedecke dünn, oft fehlend Schneedecke hoch (über
Sprosstemp. nachts >-200C sechsMonate anhaltend)
Wurzeltemp. –5 bis 100C Sprosstemp. nachts 0 bis –100C
Frostwechsel selten
Wurzeltemp. 0 bis –20C
Frostwechsel selten
Vorrangige Stressfaktoren:
Tiefe Temperaturen
Wind Vorrangige Stressfaktoren:
Frosttrocknis selten Geschlossene, langwährende
Schneedecke
Auswirkungen von Kaltluftseen auf die Vegetation im Nationalpark
Bayerischer Wald
Vorlesung
Allgemeine
Vegetationsökologie
2. Teil: Vegetation und Standort
Chemische und mechanische Faktoren
Jörg Pfadenhauer

Vegetationsökologie

©Jörg Pfadenhauer
2.4 Chemische Faktoren

1. Direkte Effekte
a) Nährstoffversorgung der Pflanzen (Mangel,
Optimum, Überschuss)
b) Toxische Effekte von Schadstoffen
2. Indirekte Effekte
Wirkung von chemischen Faktoren auf
(pflanzenwirksame) Prozesse im Boden (z.B. auf
die Humusform)

Vegetationsökologie

©Jörg Pfadenhauer
Prinzipielle Gesichtspunkte

• Stoffe:
Hauptnährstoffe N, P, K
In geringeren Mengen essentiell: K, Ca, Mg
(„Basen“), S, Fe, Mg und verschiedene
Spurenelemente
Essentiell für einzelne Pflanzengruppen:
Co für Leguminosen, Na für Chenopodiaceae
• Benötigte Mengen:
Unterschiedlich je nach Art
Unterschied zwischen Vorrat und Verfügbarkeit
Ausgewogenes Verhältnis der Nährstoffe zu einander
Stress bei Mangel und Überschuss
Mangel:
Strategie ist die Aktivierung von Mechanismen der
effizienten Aufnahme und Verwendung der Nährstoffe.

1. Nährstoffaufnahme-Effizienz
aktive physiologische Aufnahme-Mechanismen z.B.
durch Vergrößerung des Wurzelsystems,
Carnivorie, Mykorhiza
Mangel:
Strategie ist die Aktivierung von Mechanismen der
effizienten Aufnahme und Verwendung der Nährstoffe.

1. Nährstoffaufnahme-Effizienz
aktive physiologische Aufnahme-Mechanismen z.B.
durch Vergrößerung des Wurzelsystems,
Carnivorie, Mykorhiza

2. Nährstoffgebrauchs-Effizienz
Verlagerung von Nährstoffen aus Organen, die
nicht mehr gebraucht werden, in Speicherorgane
Interner (links) und externer (rechts) Nährstoffkreislauf
Nährstoffverlagerung von N und P bei verschiedenen
Niedermoorpflanzen im Herbst
Überschuss:
Vermeidung zu hoher und deshalb physiologisch schädlicher
Konzentrationen von Stoffen im Pflanzenkörper
1. Aktive Bremsung der Aufnahme des Überschussions
(Ca++ in Kalkböden: Gräser mit Wurzelmembran-
Filterung)
2. Speicherung in physiologisch inaktiver Form
(Nitrat in Vakuolen von Urtica dioica, Ca-Oxalat in Arum
maculatum, Schwermetalle in Chelat-Komplexen bei
Schwermetallpflanzen (Viola calaminaria)
3. Sukkulenz als Verdünnungseffekt
Salzpflanzen wie Salicornia europaea
4. Abwurf belasteter Organe
(Organe als Deponie für Überschuss-Stoffe)
5. Ausscheidung durch Drüsen
Salzdrüsen bei Salzpflanzen
Verfügbarkeit

Ionen frei beweglich oder nur mit geringen Bin-


dungskräften an Bodenkolloide (Tonmineralien,
Humus) absorbiert

Beispiel Moore
Beispiel Stickstoff: Ammonium-, Nitratpflanzen
Indikator für Verfügbarkeit von Nährstoffen: pH
pH und Verfügbarkeit
von Nährstoffen
Beispiel Stickstoff
Anthropogener
Stickstoffeintag
Atmosphärischer Denitrifikation
N2- Stickstoff N2 N2, N2O, NO
Fixierung

Pflanzenbestand

Aminosäuren
Streu Aufnahme
Mykorrhiza

Biomasse
Ammonni- Bodenorganis-
fikation men

NH4 Nitrifikation NO3


Stickstoffaufnahme und -ernährung

• Aminosäuren
V.a. in borealen Nadelwäldern (ammonifizierende
und nitrifizierende Bakterien nicht aktiv)
• Ammonium
Aufnahme durch Wurzelhaare oder über Mykorrhiza
bei Abgabe von Protonen (Ammoniumpflanzen auf
saueren und/oder nassen Standorten)
• Nitrat
(Reduzierung mit Hilfe des Enzyms Nitratreduktase
nötig: Nitratpflanzen)
Induktion von Nitratreduktase bei Heidepflanzen (µmol Nitrit/h g
Frischsubstanz
(nach Stewart & al. 1974 aus Kinzel 1982)

Aktivität von
Nitratreduktase
vor nach
Zusatz von Nitrat
Calluna vulgaris 0,1-0,6 1,1
Avenella flexuosa 0,2-0,7 3,2
Erica tetralix <0,1 <0,1
Vaccinium myrtillus <0,1 <0,1
Molinia coerulea 0,1-0,6 1,6
Festuca ovina 0,8-1,1 4,3
Koeleria cristata 0,7-1,0 6,8
Asperula cynanchica 1,2-1,6 2,6
Helianthemum nummularium 0,9-1,3 7,2
Nährstoffgehalte einiger mitteleuropäischer Pflanzen als Maß für
den Nährstoffbedarf

N P K

mg/g Trockengewicht

Schoenus ferrugineus 13 0,8 7,4


Sphagnum magellanicum 5 0,3 3,9
Lolium multiflorum 34 3,5 28,8
Buchenblätter (Fagus sylvatica) 22,7 2,0 9,4
Fichtennadeln (Picea abies,
1-jährig) 11,3 1,4 8,0
Buchenstreu (Fagus sylvatica) 13 0,9 5
Fichtenstreu (Picea abies) 11 0,6 1
Mineralstoff-Vorräte und -umsätze tropischer
Regenwälder

N P K Ca
Kg/ha
Phytomasse oberirdisch 683 37 668 1270
Phytomasse unterirdisch 137 6 186 333
Streuauflage 91 5 12 96
Mineralstoffzufuhr Niederschlag 7 0,5 8 4
Mineralstoffzufuhr Leaching 24 2 64 15
(Kronen)
Mineralstoffzufuhr Streufall 91 5 28 95

Walter & Breckle 1984; Neuguinea


Fallbeispiel

Warum sind Pflanzengemeinschaften in


Mitteleuropa auf karbonatreichen Böden
artenreicher als auf Silikatböden?

(Ewald, J., 2003: The calcareous riddle: why are there so many
calciphilous species in the Central European Flora? Folia
Geobotanica 38, 357-366)
pH und Artenvielfalt
Pärtel 2002, Schuster & Diekmann 2003
pH und Artenvielfalt
Pärtel 2002, Schuster & Diekmann 2003
100
pH und Artenvielfalt:

kumulativer Anteil der Arten


90
80

Zeigerwerte 70
60
50
(Ellenberg et al. 1991, Ewald 2003) 40
30
20
10
0

indifferent

9
800
700 648 632 Ellenbergs R-Zeigerwert

600
500
Artenzahl

371
400
300 236 230
171 161
200 141
100
100 36
0
indifferent

1
2
3
4
5
6
7
8
9

Ellenbergs R-Zeigerwert
pH und Artenvielfalt: Verteilung von Arten auf
verschiedene Formationen Deutschlands
(aus Ewald 2003)

Anthropogenic
Halophytic Ruderal heaths and
meadows
Talus and Anthropogenic
alpine heaths and Ruderal
meadow meadows
Talus and Talus and
Ruderal alpine alpine
meadow meadow
Deciduous Deciduous
Tall herb
forest and forest and
vegetation
scrub scrub
Deciduous
Freshwater Freshwater
forest and
and bogs and bogs
scrub

Freshwater Tall herb Tall herb


and bogs vegetation vegetation

Anthropogenic
Coniferous
heaths and Halophytic
forest
meadows

Coniferous Coniferous
Halophytic
forest forest

0 20 40 60 80 100 0 100 200 300 400 0 100 200 300 400 500 600 700
% species R > 6 # species R > 6 # species
pH und Artenvielfalt: positiv (p < 0,05)
Korrelation zwischen pH positiv (n. s.)
und Artenzahl weltweit negativ (p < 0,05)
Pärtel 2002 negativ (n. s.)
unabhängig
2. Begründungen

Artenzahl-
Flächen-Beziehung

pH in 0-10 cm Bodentiefe natürliche Vegetation R-Zeigerwerte

6.5-8.5 calciphytisch 7-9

5.0-6.5 basiphytisch 4-6

azidophytisch 1-3
2.5-5.0

unbekannt indifferent
0 20 40 60 80
% Waldfläche 0 20 40 60 80 0 100 200 300
% Landesfläche Anzahl Waldarten

Waldbodenzustands-
erhebung 1987-93 Bohn et al. 2003
2. Begründung 1: physiologischer und ökologischer
Filter
Flora
a b c d e
„Ökologischer Siebsatz“ Ausbreitung
(Populationsökologie)
a b d e
physiologische
Habitat Amplitude
(abiotischer Filter)
a b e

ökologische
Amplitude
(biotischer Filter)

a e

Pflanzengemeinschaft
Begründungen 1:
Konkurrenz,
physiologische
Ansprüche

blau: biotischer Filter


rot: abiotischer Filter

Gigon 1987
Neutrales Simulationsmodell:
Begründung 2: .
individuenbasierte Artengemeinschaften
Arten gleichberechtigt, keine Konkurrenz
Paläoökologische
zufällige Störung entfernt Individuen Drift
Lücken werden durch lokalen Nachwuchs und Einwanderer aufgefüllt

Störung
Individuum entfernt
Individuen

eingewanderte
Art

Populationsgröße Hubbell 2001


Begründung 2: Paläoökologische Drift
Azidophyten
Calciphyten

Artenzahl
ökologischer
Habitatfläche

Flaschen-
hals

sauer
kalkreich

Tertiär Eiszeit Postglazial


4. Schluss

• pH bei allen Vergleichen der Artenvielfalt


berücksichtigen!
• Wichtiges Muster der Artenvielfalt unverstanden!?
• Biodiversität = historisches Erbe
2.5. Mechanische Faktoren

• Feuer
Direkt (Hitzstress, Zerstörung lebender Phytomasse,
Keimungsstimulation) und indirekt wirksam
(Veränderung des Bodenlebens). Boreale
Nadelwälder, Steppen, Matorral der winterfeuchten
Subtropen, subtropische Grasländer, tropische
Savannen
Pflanzenfunktionstypen bezogen auf Feuer im Grasland
(in Anlehnung an Wein & McLean 1983, verändert)

1. Invaders
Pioniere mit leichten, anemochoren Samen, die sich auf frischen
Brandflächen oft massenhaft ansiedeln
2. Evaders
Arten mit feuerresistenten Diasporen im Boden
3. Avoiders
Arten ohne Anpassung an Feuer (Arten später Regenerationsstadien)
4. Resisters
Die oberirdischen Teil der Arten können Feuer widerstehen (z.B.
Schutz der Meristeme bei Horstgräsern)
5. Endurers
Regeneration aus unterirdischen Pflanzenteilen (Rhizome, Wurzeln;
= „resprouters“)
Boreale Nadelwälder: Prozess A (vor Feuer)
Verzögerung
Einschränkung sommerli-
Streuanfall, cher Boden-
Lichtverfüg- Aufbau
Minderung erwärmung
barkeit unter einer
Streuqualität
Kronenraum mächtigen Ausbreitung
reduziert Streu- des
/Rohhumus Permafrosts
-decke nach oben
Vernässung
Blätter mit des
Festlegung von Oberbodens
geringer
Nährstoffen
Assimilations-
leistung

Brand- Abnehmende Engpässe


disposition PPN bei der
nimmt zu N-
Versorgung
Boreale Nadelwälder: Prozess B: Nach Feuer

Hoher Anfall leicht Erhöhung


zersetzlicher und sommerlicher
mineralstoff-reicher Bodenerwär-
Blätter mit Streu mung
hoher nach Feuer
Assimilations-
leistung Tierfraß Absinken des
durch Permafrosts
herbivore
Auftreten von Austrocknung
Vertebraten
Laubbäumen des Oberbodens

Hoher N2-Fixierung
Lichteinfall auf durch Alnus-
Boden- Arten
oberfläche
Weiterentwicklung zu Hohe PPN Rasche
Nadelholzwäldern vorwiegend Freisetzung von
oberirdisch Nährstoffen
Reine
Nadelholz-
bestände Prozess A
Picea obovata,
Pinus sibirica

Regenerations-
stadium aus
Feuer Regenerations-
Laubholz
Betula
prozess borealer
pubescens, Nadelwälder in
Populus tremula Sibirien durch
Feuer
Pionierstadium
nach Brand
Jungpflanzen
von
Prozess B Laubbäumen
Mechanische Faktoren

• Wind
Direkt (Verformung von Pflanzen, Erhöhung des
Wasserstress) und indirekt wirksam
(Materialtransport: Dünen). Ausbreitungsvektor
• Wasser
Direkt (Helophyten, Hydrophyten) und indirekt
(Materialtransport: Auen, Küsten) wirksam
4. Mechanische Faktoren
• Schnee
Direkt (Schneeschub und –bruch) und indirekt
(Schutz vor tiefen Temperaturen) wirksam:
Zwergstrauchheiden im Hochgebirge
• Verbiss und Tritt
Direkt (Abreißen von Pflanzen) und indirekt
(Bodenverdichtung) wirksam
Herbivorie und Pflanze

• Toleranz: Kompensation und


Überkompensation
• Resistenz (mechanische und chemische
Abwehr)
Toleranz: Kompensation und Überkompensation
(nach Crawley 1997 aus Nentwig & al. 2004)

keine Kompensation
Performance
teilweise Kompensation

Überkompensation

ohne Herbivorie

Tod der Pflanze

Intensität des Herbivorenbefalls


Resistenz (mechanische und chemische Abwehr)

• Mechanische Abwehr: Dornen, Stacheln,


Trichome
• Chemische Abwehr durch sekundäre
Pflanzenstoffe: Toxine, Repellents,
verdauungshemmende Substanzen

Permanente oder induzierte Resistenz


(plastische Verteidigung)?

You might also like