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Roger E. Lo
Um sich mit diesem Problemkreis auseinander zu setzen, muß man wissen, was Raumfahrt ist und
festlegen, was Ethik in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Das Wesen der Raumfahrt läßt sich am
leichtesten aus einer kurzen Durchsicht ihrer Entwicklung entnehmen. Die Ethik setzt dann bei der
Analyse der Motive und Wirkungen ein, denn Ethik ist bekanntlich die Theorie des sittlichen Handelns
und dessen philosophische Basis. Demgemäß unterscheidet man die Gesinnungsethik von der Er-
folgsethik. Erstere bewertet die Motive, aus denen eine Handlung hervorgeht, letztere die Wirkungen,
welche sie erzeugt.
Als Grundlage ethischer Bewertung wurden im Laufe der geschichtlichen Entwicklung der Philoso-
phie zahlreiche Ziele und Maßstäbe entwickelt, doch das eigentliche Ziel war letztendlich immer die
menschliche Glückseligkeit. Von Kant wurde die Ethik dann auf eine pragmatische Basis gestellt. Sein
kategorischer Imperativ ist das Fundament einer Moral der Vernunft.
Angewandte Ethik ist pragmatisch in die Disziplinen der verschiedenen gesellschaftlichen Felder
eingeteilt (Berufs-, Sozial-, Medizinische, Sexualethik, usf.) Von steigender Bedeutung ist dabei in den
letzten Jahren die Umweltethik gewesen.
Raumfahrtethik ist demgemäß als Konglomerat verschiedener Sparten der Angewandten Ethik zu
betrachteten.
Wenn wir uns bezüglich der Raumfahrt fragen, welche Ziele unsere Handlungen haben oder meiden
sollten, sind wir gehalten, Vernunft walten zu lassen und dürfen dabei nichts Geringeres als das Wohl-
ergehen der Menschheit als Maßstab nehmen, indem wir gesamtgesellschaftliche Motive und ge-
samtgesellschaftliche Wirkungen erwägen.
Ethischen Probleme werden in diesem Artikel en passant abgehandelt, so wie sie bei einer Schilde-
rung vergangener und künftiger Raumfahrtaktivitäten in Erscheinung treten.
Eingangs ist hier auch gleich auf die Wechselwirkungen zwischen Ethik und Recht hinzuweisen. Ge-
setze definieren geltendes Recht und dieses wiederum sollte in der Regel Ausdruck geltender ethi-
scher Normen sein. Ethische Aspekte spielen bei vielen Raumfahrtaktivitäten eine Rolle. Der Rahmen,
in welchem sich alle konkreten Aktivitäten bewegen müssen, ist selbstverständlich Gegenstand gel-
tenden internationalen Rechtes. Bei der Planung von künftigen Raumfahrtprojekten, oder bei der Spe-
kulation über solche, muß dieses Recht mit ins Kalkül gezogen werden. In diesem Aufsatz wird an
entsprechender Stelle jeweils darauf eingegangen.
1 Institut für Luft- und Raumfahrt der TU-Berlin, Fachgebiet Raumtransportsysteme, Marchstr.12, 10587 Berlin 10
2 Web Edition basierend auf Vorträgen in Bremen 1998 [1] , Berlin-Friedrichshain [2] und Wien [3] 1999. Gedruckte Fassung:
in "Luft- und Raumfahrt", Aviatik Verlag, Stuttgart, Teil1: Heft4/99, Okt.-Dez.1999, S.26-32; Teil 2: Heft 1/00, Ja-März 2000,
S.29-32
Früher als erwartet quittierten aber Wagemut, Forscherdrang und technische Kühnheit ihre Dienste.
Es bedurfte keiner erfolgsethischen Analyse um zu erkennen, daß die hohen Kosten dieser Art Raum-
fahrt durch die erzielten wissenschaftlichen Erkenntnisse allein nicht zu begründen waren. Als die
Öffentlichkeit nicht mehr länger interessiert war, mußte das Mondprogramm gekappt werden.
Die Amerikaner entwarfen ihr Space Shuttle (STS) in der Hoffnung, durch die Wiederverwendbarkeit
einen kostengünstigen Zugang zum erdnahen Weltraum zu erschließen. Sie entwarfen es aber auch
in voller Ausrichtung auf ihr militärisches Raumfahrtprogramm.
3
Die Russen unterhielten seit Langem ein aufwendiges bemenschtes orbitales Raumfahrtprogramm,
das auch wesentlichen Einfluß auf die Auslegung des US-STS gehabt hatte. Es war klar, daß sie da-
mit auf Mond und Mars zielten. Folgerichtig reagierten die Amerikaner mit den Plänen für eine Interna-
tionale Raumstation.
Wenn man einen Zeitraum als den Höhepunkt des Kalten Krieges bezeichnen möchte, dann müßte
dies die Mitte der ersten Hälfte der Achtzigerjahre sein. Mit ihrer Space Defense Initiative operierten
die Amerikaner am Rande dessen, was sie ohne Verstoß gegen internationales Recht tun konnten.
Die seit Jahrzehnten anhaltende chronische Überrüstung drohte damit eine ganz neue Dimension zu
erhalten.
Just, als die westliche Raumfahrt 1986/87 nach CHALLENGER und einer Reihe von anderen Fehl-
starts völlig darnieder lag, trumpften die Russen mit ihrer Riesenrakete ENERGIA auf (die ihnen vor-
her, während des Wettlaufs zum Mond noch gefehlt hatte) und kurz danach auch mit BURAN, dem
Zwilling des Space Shuttle Orbiters. Zudem folgte nach SOJUZ und SALUT die MIR Raumstation. 17
Jahre nach dem Gesichtsverlust im Apollo Programm hätte der Russische Triumph nicht größer sein
können.
Unter diesem Eindruck wurden westliche Raumfahrtpläne ein letztes Mal durch das gewohnte Kon-
kurrenzdenken geprägt. Die NASA plante den Start einer Serie gewaltiger wissenschaftlicher Observa-
torien. Neue Großraketen sollten gebaut werden. Für SDI lief das umfangreiche Geheimprojekt eines
Nationalen Aerospace Planes. Zusammen mit Europäern, Japanern und Kanadiern sollte die Raum-
station FREEDOM bis kurz nach der Jahrtausendwende in einem Crash Programm in die Umlaufbahn
gebracht werden. Der "Highway to Space" sah die Rückkehr zum Mond vor und über diesen hinaus
Expeditionen zum Mars.
Inzwischen aber hatte die Welt sich zu verändern begonnen und die Raumfahrt wurde schließlich
davon eingeholt. Perestroika und Glasnost brachten das Ende der Sowjet Union und damit auch das
Ende der hochfliegenden Pläne der russischen Raumfahrt. Finanzierbarkeit und Rentabilität setzten
nun das Maß für machbare Missionen, nicht nur in Rußland. Die Amerikaner stutzten ihr Forschungs-
programm und kappten peu a peu alles, was nicht kommerzialisierbar und privatisierbar war oder als
3 Den Astronautinnen zu liebe: “bemenscht” als gewöhnungsbedürftiger Versuch der geschlechtsneutralen Ausrucksweise.
Darüber hinaus wird gelegentlich das generelle Femininum verwendet
4 "To hold paramount the safety, health and welfare of the public in the performance of their professional duties"
für die nationale Sicherheit unerlässlich eingestuft wurde. Die Raumstation überlebte nur nach mehr-
fachen Metamorphosen.
Dennoch gehört auch die europäische Raumfahrt zu den Geschädigten der Zeitenwende, da auch
sie auf einige große Programme aus der davor liegenden Zeit verzichten mußte (z.B. den HERMES
Raumgleiter und umfangreiche Teile der Beteiligung an der Internationalen Raumstation).
Die Russen hatten mit MIR insgesamt acht Raumstationen in Betrieb. Im Rahmen der neuen Koope-
ration wurde MIR, jetzt kurz vor der Aufgabe, zum Reiseziel zahlreicher internationaler Astro-
nautenflüge. Der Aufbau der neuen Internationalen Raumstation ISS hat unter ihrer Beteiligung be-
gonnen. Leider sind sie wegen ihrer maroden Wirtschaft riskante Partner. Die Beteiligung der ESA
wird sich auf die COLUMBUS ORBITING FACILITY COF beschränken, sowie auf Einzelbeiträge zur
Transportinfrastruktur. Vom alten Programm ist in Europa nur ARIANE V geblieben.
So schön die Periode der überwiegend freundlichen Kooperation ist, sie muß sich erst noch als stabil
erweisen. Zwar funktioniert die Globalisierung der Raumfahrt im Bereich der Nutzung bereits recht gut,
wie verschiedene internationale Organisationen beweisen (z.B. INTELSAT mit 143 Signatarstaaten
von Afghanistan bis Simbabwe). Dagegen sind Schritte in Richtung eines internationalen Forschungs-
und Entwicklungsprojektes mit erschwinglicher Teilnahme (also anders und attraktiver als die exklusi-
ve ISS) nicht in Sicht. Viel wird davon abhängen, ob die Volksrepublik China bei ihrer restriktiven, nati-
onalistischen Raumfahrtpolitik bleibt oder zum Schrittmacher der Internationalisierung für die Pacific
Rim Staaten werden kann. Ebenso wichtig ist Rußland als Partner und Mitglied europäischer Gruppie-
rungen.
Die UNO wäre gehalten, als Vermittler und Träger internationaler Großprojekte aufzutreten. Sie hat
sich nach langer Pause gerade wieder auf der UNISPACE III Konferenz (im Juli 1999 in Wien) mit der
Raumfahrt beschäftigt und diese Rolle trat dabei als zentrale Problematik auf. Der Autor hatte Gele-
genheit, dort für die im vorliegenden Artikel beschriebene Entwicklung und Nutzung des Mondes zu
plädieren [5]. Die dazu erforderliche Entwicklung der entsprechenden Transportinfrastruktur (schwere
Lastraketen, orbitale Transferfahrzeuge) sollte unbedingt auf internationaler Basis erfolgen.
Im Gegensatz dazu sieht man derzeit allenthalben die Entwicklung eigener, nationaler Transportka-
pazitäten. In den klassischen Raumfahrtländern überwiegen dabei privatwirtschaftliche Entwicklungen
mit dem Ziel wettbewerbsfähig auf dem Markt des kommerziellen Satellitentransports aufzutreten. Die
Neuankömmlinge dagegen geben hier Steuer- (oder Entwicklungshilfe-) Gelder aus, um beim Bau und
Transport von Satelliten, natürlich einschließlich militärischer, unabhängig zu werden.
Damit ist in diesem kurzen Abriß der Raumfahrtgeschichte die Gegenwart erreicht.
Ethische Zwischenbilanz
Bisher hätten wir allenfalls bei zwei Punkten Gelegenheit gehabt, generelle ethische Aspekte aufzu-
rufen: das eine ist die militärische Seite der Raumfahrt, das andere sind eventuell ihre Kosten.
Eine Diskussion darüber, ob m i l i t ä r i s c h e R a u m f a h r t unethisch sei, ließe sich nicht
von einer viel allgemeineren Diskussion über Krieg und Frieden trennen. Folglich ist sie nicht raum-
fahrtspezifisch und liegt daher außerhalb des Rahmens dieses Aufsatzes. Immerhin kann aber daran
erinnert werden, daß interkontinentale Geschosse, wie oben bereits festgestellt, keine Angelegenheit
der Raumfahrt, sondern ausschließlich eine solche der Raketentechnik sind. Darüber hinaus ist die
Stationierung von Angriffswaffen im Weltraum nach internationalem Recht verboten [7]. Was also an
militärischer Raumfahrt bleibt, sind die diesbezüglichen Erdbeobachtungssatelliten und eine Menge
dual-use Technologie, wie das GPS und Telekommunikationssatelliten.
Bezüglich der R a u m f a h r t k o s t e n halte ich den Vergleich zwischen konkurrierenden Fel-
dern staatlicher Förderung für falsch. Die typische Frage: "Sollen wir Raumfahrt betreiben oder lieber
mehr Geld in die Krebsforschung stecken?" verlangt eine Güterabwägung im Rahmen der anthropo-
zentrischen Ethik. Sie geriete aber nur dann zum ethischen Problem, wenn es strikte Präferenzkriteri-
en für die öffentlichen Ausgaben gäbe. Davon sind wir aber weit entfernt und der Nutzen der Raum-
fahrt ist ja in weiten Bereichen unstrittig. Außerdem hat man hier immer nur die bemenschte Raum-
fahrt im Visier und für diese muß gelten, daß im Sinne obiger Fragestellung das eine zu tun sei, ohne
das andere zu lassen. Angesichts militärischer Ausgaben von derzeit weltweit jährlich immer noch
etwa 800 Milliarden $, nach weit über 1000 im Kalten Krieg und mit bereits wieder steigender Ten-
denz, sollte man sich über 60 Milliarden die für eine Raumstation während ihrer ganzen Lebensdauer
ausgegeben werden sollen, nicht zu sehr echauffieren. Auf die Probleme der bemenschten Raumfahrt
ist aber sogleich noch einzugehen (s.a. [8]).
Insgesamt ist spätestens jetzt klar, daß es "die Raumfahrt" im Sinne eines homogenen Aktionsfeldes
nicht gibt. Vielmehr ist sie als ein integraler Bestandteil der menschlichen Entwicklung, ich wiederhole
es, untrennbar mit allen anderen gesellschaftsrelevanten Vorgängen verbunden. Die nachfolgenden
Ausblicke werden dies noch erhärten.
Tab.:1: Stand der Planetenforschung: +: durchgeführt; -: nur Misserfolg; n/a: nicht anwendbar; i.V.: in
Vorbereitung; leer: noch offen; nach [2]
Extraterrestrisches Leben
+ -
nicht vorhanden
Extraterrestrisches
++ --
Leben vorhanden
Tab.2: Vier mögliche Verhaltensweisen gegenüber belebten und unbelebten Himmelskörpern und
ihre ethische Bewertung im Stadium fehlender Informationen
( + : sicher, vorzuziehen; - : riskant, abzulehnen); nach [8]
Der morphologische Umfang des Problems vervielfachte sich, wenn jeweils bei einheimischem und
importiertem Leben noch nach der Qualitätsstufe unterschieden würde, z.B. also zwischen primitiven
Lebensformen und höherem, gar intelligentem Leben. Die ethische Bewertungsspanne würde dann
nicht in vier, sondern neun Feldern vom leblosen Planeten, den man leblos läßt (ganz links oben) bis
zu der außerirdischen Zivilisation reichen, die man überrennt (ganz rechts unten).
Solange keines gefunden wurde, ist die Existenz extraterrestrischen Lebens allenfalls probabilistisch
bewertbar. Die biozentrische Ethik lässt keinen Zweifel daran, dass terrestrisches wie fremdes Leben
schutzwürdige Entitäten sind. Solange über die zu erwartende Wechselwirkung nichts bekannt ist,
liegen die sicheren Lösungen alle in der linken Spalte obiger Tabelle. Folgerichtig wurden bisher die
automatischen Sonden in West und Ost vor dem Start sorgfältig sterilisiert. Umgekehrt wurden alle
APOLLO Mondastronauten einige Zeit in Quarantäne gehalten.
umgekehrt. Weder die nachfolgende Struktur noch ihre Beispiele sind raumfahrtspezifisch.
Die a n t h r o p o z e n t r i s c h e E t h i k bewertet alles nur über die Wirkung auf und für den
Menschen. Hier werden ausschließlich Menschen als moralisch relevante Objekte betrachtet, und
zwar entweder alle (sogar zukünftige), oder nur bestimmte Gruppen. Hierher gehören beispiels-
weise Probleme
> von Rassenunterschieden, der Geburtenkontrolle, Eugenik, Sterbehilfe, etc.
Dagegen sind gleich mehrere Spielarten der angewandten Ethik von Bedeutung, wenn es um die
Auseinandersetzung zwischen der typischen Raumfahrtenthusiastin und Vertretern der Umwelt-Ethik
geht.
keit zu nationalem Besitz, sondern fordert auch die Vermeidung schädlicher Kontamination der Him-
melskörper durch die Erde und umgekehrt5.
Bei vielen Raumfahrtaktivitäten ist der Begriff "schädliche Kontamination" natürlich eine sehr unter-
schiedlich auslegbare Richtlinie. Wir müssen uns an dieser Stelle erst nach Kriterien umsehen, mit
denen die Fälle in Tab.2 zu entscheiden wären.
Last but not least kann den Kontaminationsproblemen bei robotischen Missionen viel leichter aus
dem Weg gegangen werden. Menschen kann man nicht keimfrei auf die Reise schicken! Umweltethi-
sche Gesichtspunkte sprechen also sehr zu Gunsten der automatischen Sonden.
Wozu Astronauten?
Unter den vorliegenden Gegebenheiten der Raketentechnik enthält nur das innere Planetensystem
mögliche Ziele bemenschter Missionen. Eine logische Analyse ergibt folgende einfache Morphologie
der bemenschten Raumfahrt:
Die Anwesenheit von Menschen ist wegen ihrer Fertigkeiten für die Mission erforderlich. Beispie-
le sind Angehörige der Fahrzeugbetriebsmannschaft (z.B. Pilotinnen), Nutzlastspezialisten und
Beobachterinnen. Dieser Personenkreis umfasst einige überraschende Berufsgruppen, die vom
Robotspezialisten, der eine Sonde auf der Venusoberfläche per Telepräsenz aus dem Orbit
steuert über Kamerateams für Dreharbeiten von Kulturfilmen auf Planetenoberflächen bis zur
Sportlerin reicht, die sich beim Mondalpinismus filmen lässt.
Die Menschen reisen um des Reisens willen: wir haben es mit Passagieren zu tun, die sich von
Punkt A nach Punkt B bringen lassen. Punkt A könnte beispielsweise ihr Arbeitsplatz am Mond
sein, Punkt B ihr Ferienort auf der Erde
Die Menschen reisen zum Vergnügen: wir haben es mit Touristen zu tun
Wieder ist es die Umweltethik, welche diesmal auf dem Niveau der allumfassenden Ethik die Ab-
wägung folgender Gesichtspunkte erfordert, die sich aus obiger Morphologie ergeben:
Das Kontaminationsrisiko für die unberührte extraterrestrische Umwelt wächst mit Anzahl und
Aufenthaltsdauer der anwesenden Menschen. Ein undichter Druckanzug genügt, um Myriaden
von Keimen zu entlassen. Expeditionen beinhalten dieses Risiko. Wenn die Expedition für die
menschliche Besatzung im Orbit endet, reduziert es sich auf die Wahrscheinlichkeit unfreiwilliger
Landungen. Der Absturz eines bemenschten Raumschiffs würde den Mars gründlich kontaminie-
ren. Wo ist die Grenze bei der Missionsplanung zu ziehen?
Die Veränderung der extraterrestrischen Umwelt reicht von der versehentlichen Kontamination
über die Einführung oder Errichtung von Artefakten bis zur Besiedlung und zum Planetoforming,
d.h. der völligen Umgestaltung nach menschlichen Bedürfnissen. Wo ist die Grenze bei der lang-
fristigen Raumfahrtplanung zu ziehen?
5 Article IX: States Parties to the Treaty shall pursue studies of outer space, including the moon and other celestial bodies, and
conduct exploration of them so as to avoid their harmful contamination and also adverse changes in the environment of the
Earth resulting from the introduction of extraterrestrial matter and, where necessary, shall adopt appropriate measures for this
purpose.
Gesinnungsethisch ist eine Reihe von Motiven für die Raumfahrtaktivitäten zu unterscheiden
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
> Streben nach Erkenntnis / Wissensdurst / Forscherdrang
> Idealismus / Berufung / natürliche Entwicklung
> Raumfahrtnutzung / Lösung terrestrischer Probleme
> Gewinnstreben / Kommerz / Vermarktung
Welche Prioritäten sollten diese angesichts der oben aufgeführten Konsequenzen haben?
Aus diesen Gesichtspunkten lassen sich die geforderten Kriterien ableiten. Zur leichteren Beant-
wortung der Fragen ist ein Bezug zum Rest der gesellschaftlichen Entwicklung herzustellen. In den
folgenden Abschnitten wird der Versuch gemacht, dies anhand von Szenarien möglicher Entwicklun-
gen zu bewerkstelligen.
(Teil2)
Die Raumfahrt wird durch Erdbeobachtung wesentlich zum terrestrischen Umweltschutz beitragen.
Programme wie z.B. die "Mission to Planet Earth" der NASA, oder die Erfassung des “Global Change”
werden um Katastrophenwarndienste erweitert werden. Die Vorhersage und Entdeckung von Naturka-
tastrophen (Überschwemmungen, Erdbeben, Waldbrände, Vulkanausbrüche) und anthropogenen
Emissionen werden wesentlich zur weltweiten Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Als virtuel-
len Höhepunkt dieser Art von Mission könnte man die in den letzten Jahren verstärkt untersuchte Ab-
wehr von Asteroideneinschlägen bezeichnen, die 1999 sogar Aufnahme in die Ergebnisse der UNO
Konferenz in Wien fand.
Einige der eben genannten Anwendungen werden mit Sicherheit auf kommerzieller Grundlage
durchgeführt werden. Dazu werden noch zahlreiche weitere aus den klassischen Bereichen Kommu-
nikation, Erdbeobachtung und Mikrogravitation kommen. Aber so, wie sich aus der Elektronik völlig
unerwartet die Unterhaltungselektronik entwickelte, könnte die Raumfahrt einen unerwarteten Nach-
kommen erhalten: Unterhaltungsraumfahrt.
Ist es nicht verwerflich, aus reinem Gewinnstreben wegen einiger reicher Touristen eine ganze
neue Branche mit hohem Umweltbelastungspotential aufzuziehen?
Die erste der obigen Fragen ist wohl eher eine des Stolzes, denn der Ethik. Die pragmatische Ant-
wort auf die zweite wurde bereits vor langer Zeit gegeben und lautet: pecunia non olet, Geld stinkt
nicht. Sie ist gewiß anfechtbar und natürlich weit davon entfernt, raumfahrtspezifisch zu sein. Möge sie
daher hier stehen gelassen werden.
Aus der Tatsache, daß natürliche Quellen in vielen Fällen um Größenordnungen höhere Einträge
verursachen, darf bekanntlich nicht geschlossen werden, daß die von der Zivilisation verursachte Um-
weltbelastung vernachlässigbar sei. Diese drückt sich vor allem durch den Treibhauseffekt und durch
den Abbau der Ozonschicht aus. Leider ist in der trockenen Stratosphäre auch Wasserdampf ozon-
schädlich. Von dem Ausstoß der Ozeane gelangt nicht viel durch die Tropopause in größere Höhen.
Die Wirkung der in situ ausgestoßenen Abgase ist daher viel markanter. Der Wasserdampfausstoß
der Luftfahrt erfolgt größtenteils in der Troposphäre (wo er durch die Kondensstreifenbildung bereits
merklich klimabeeinflussend geworden ist, aber keinen großen Einfluß auf das Ozon hat). Damit wird
die Raumfahrt trotz ihrer minimalen Emissionen zu einem punktuell wirkenden Hauptverschmutzer der
oberen Atmosphäre. Sollte sich die Zahl der Starts vervielfachen, würde dieses Problem im selben
Maßstab ansteigen, obwohl sich auch bei einem Anstieg auf des 150-fache (durch den Weltraumtou-
rismus) an den in der Tabelle gezeigten Relationen kaum viel ändern würde.
Die geltende Rechtslage ist durch die "Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer" der
UNO von 1985 [14], sowie durch die "United Nations Framework Convention on Climate Change"
von1992 [15] gegeben. In der Wiener Konvention werden die ozonschädlichen Gase genannt (darun-
ter praktisch alle in Raketenabgasen vorkommenden) und ihre potentielle Wirkung auf das Klima auf-
gezeigt6. Die Konvention von 1992 geht weiter, indem sie von den Signatarstaaten Maßnahmen zur
Reduktion der Emissionen verlangt7. Als Fazit ist festzustellen, daß jede Erhöhung der Startraten, so
dringend sie für Kostensenkungen erforderlich wäre, proportional wachsende Umweltsorgen mit sich
bringen wird. Daraus folgt die Frage nach dem umweltfreundlichsten Strahlantrieb für Trägerfahrzeu-
ge. Es liegt nahe, die Antwort im luftatmenden Antrieb mit hohem Luftüberschuß zu sehen, und bei
Raketen im thermischen Stickstoffantrieb (ein Vertreter der sog. "Grünen Treibstoffe") [16]).
6 "Modification of the vertical distribution of ozone, which could change the temperature structure of the atmosphere and the
potential consequences for weather and climate"
7 "The ultimate objective of this Convention...is to achieve...stabilization of greenhouse gas concentrations in the atmosphere
at a level that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system. Such a level should be achieved
within a time-frame sufficient to allow ecosystems to adapt naturally to climate change, to ensure that food production is not
threatened and to enable economic development to proceed in a sustainable manner."
Belastungen durch Aufbau und Betrieb der Infrastruktur / Belastungen durch die Touristen
Der Problemkreis dadurch entstehender Umweltbelastungen ist größtenteils durch die Analogie mit
der Einrichtung und dem Betrieb von Nationalparks bekannt. Raumfahrtspezifische Punkte sind den-
noch zahlreich. Hier werden nur einige wenige Denkanstöße aufgezeigt:
Orbitaler Müll ist nicht nur lästig und in seiner Beseitigung teuer, sondern potentiell auch höchst
gefährlich. Zu seiner Vermeidung sind wiederverwendbare Raumfahrzeuge daher unabdingbar.
Die einzigen unvermeidlichen Emissionen sollten sterile Antriebsabgase sein, alles andere sollte
strikt rezykliert werden
Zum Müll gehören alle Arten von Abfällen, bis hin zur gebrauchten Atemluft
Es gibt im interessierenden Bereich keine "natürlichen" Abfallsenken. Lunare oder planetare Müll-
deponien sind daher wie Atommülldeponien zu behandeln, einschließlich der Frage des Ausga-
sens. Dies gilt auf jeden Fall, bis öffentlicher Konsens hergestellt und die Rechtsgrundlage für eine
eventuell andere Lösung beschlossen ist. Insbesondere bei der Erschließung des Mondes würde
dieses Detailproblem aktuell werden. Wenn man natürliche Umweltwerte, z.B. Strahlungsintensitä-
ten, als hinnehmbare Obergrenze von Emissionen betrachtet, ist der Mond als extrem unempfind-
lich einzustufen.
Das Problem der kosmischen Umweltverschmutzung ist im Outer Space Treaty [10] klar geregelt: sie
darf nicht stattfinden! (Absatz 7/1)8.
Abschließend zum Thema Tourismus: es mag ein ethisches Problem sein, trotz der Umweltbelas-
tung solche Geschäfte mit der Raumfahrt zu machen, die Problematik ist aber in ein umfangreiches
Umfeld eingebettet und geht über den Tourismus weit hinaus.
8 "In exploring and using the moon, States Parties shall take measures to prevent the disruption of the existing balance of its
environment whether by introducing adverse changes in that environment, by its harmful contamination through the introduc-
tion of extra-environmental matter or otherwise. States Parties shall also take measures to avoid harmfully affecting the envi-
ronment of the earth through the introduction of extraterrestrial matter or otherwise"
muss. Die Globalisierung unserer Probleme hat stattgefunden, nun muss ihr die Globalisierung der
Lösungen folgen.
Altes verlernen
Mit dem Sieg des Menschen ist die Kapazität der Erde für diese Art der Evolution erschöpft. Eine
neue Epoche steht bevor. In der Transitionszeit werden weitere Milliarden Köpfe untergebracht werden
müssen. Nach den alten Spielregeln geht dies nicht ohne die Gefahr von Katastrophen globalen Aus-
maßes. In der neuen Epoche kehrt das bisherige Erfolgsprinzip seine Wirkung um. Wir müssen um-
lernen.
Werden wir umlernen? Vorläufig geht der Prozeß der ethnischen Abgrenzung und des intoleranten,
ethnischen Wettbewerbs in weiten Teilen der Zivilisation unvermindert weiter.
Der Mond könnte als weitgehend umweltunempfindlicher Arbeitsplatz genutzt werden, wo Risi-
koentwicklungen aller Art ohne jede Gefahr für die Erde durchführbar wären
Der Mond könnte zum Exporteur konventioneller Baumaterialien zur Anwendung im cislunaren
Raum werden (z.B. Aluminium für den Bau solarer Großkraftwerke in der geostationären Bahn).
Der Transport dorthin ist vom Mond aus unvergleichlich viel billiger als von der Erde aus
Der Mond könnte alternativ oder parallel zu obiger Idee direkt als Produktionsstätte für solare
Elektrizität dienen. Der Stromtransfer zur Erde ist von dort nicht wesentlich aufwendiger als von
der geostationären Bahn
Der Mond enthält große Mengen von Helium 3, einem der umweltfreundlichsten thermonuklea-
ren Fusionsbrennstoffe, da es aneutronisch verschmolzen werden kann (d.h. ohne Neutronen zu
produzieren, die alles radioaktiv machen). Helium 3 ließe sich bergbaumäßig aus dem Mond-
staub gewinnen. Eine Space Shuttle Ladung pro Jahr reicht um für einen irdischen Kontinent in
der Größe der USA den Energiebedarf im heutigen Umfang zu decken. Alternativ könnte am
Mond auf Neutronenfreiheit verzichtet und nicht der Rohstoff, sondern Strom zur Erde transpor-
tiert werden. Natürlich darf spekuliert werden, ob am Mond nicht auch Fissionsbrennstoffe ent-
deckt werden. Bei diesen sollte auf jeden Fall beschlossen werden, sie nicht zur Erde zu trans-
portieren.
Die Mondinfrastruktur könnte auf dem Weg zum Mars and anderen Planeten sehr nützlich sein.
Dies ist ein sehr vielfältiges Thema, das vom Aufbau mondnaher Raumstationen und deren Ver-
sorgung mittels elektromagnetischer Beschleuniger bis zum günstigeren erdfernen Betrieb von
Marsfähren reicht.
Es ist evident, daß eine derartige Entwicklung des Mondes nur auf Basis entsprechender Geset-
zesänderungen möglich wäre, und zwar in den bereits zitierten Passagen, die sich auf den Umwelt-
schutz beziehen. Dagegen läge es voll im Sinne geltenden Rechtes, wenn sie als internationales Koo-
perationsprojekt durchgeführt würde (gemäß UNO-Agreement Governing the Activities of States on
the Moon and Other Celestial Bodies, 1979/84, Artikel 2,[17])9. Dadurch könnte der dringend erforder-
liche Technologietransfer in die dritte Welt auf friedliche Weise gefördert und diese Länder davon
abgehalten werden, dies über die Militärtechnik erreichen zu wollen.
Außerdem würde es dazu beitragen, das nationalstaatliche, ethnozentrierte Denken aus der interna-
tionalen Völkergemeinschaft zu vertreiben. Es gibt kaum ein anderes internationales Aktionsfeld, wel-
ches so gut wie die Raumfahrt geeignet wäre, nachhaltig an menschliche Ideale zu appellieren.
Im Lichte der bestehenden Situation und der aufgezählten Nutzeffekte könnte es also geradezu als
ethische Forderung gelten, den Mond international zu nutzen. Dazu ist es gar nicht nötig, sich daran zu
erinnern, dass er als Überlebensgarant der Menschheit gilt, falls auf der Erde eine globale Katastrophe
den irdischen Teil der Menschheit eliminieren sollte - und damit ist nicht nur der in letzter Zeit vielfach
populär diskutierte Asteroideneinschlag gemeint.
Wenn wir also den Mond für Forschung, Entwicklung, Produktion nutzen, ihn gar besiedeln, am Mars
eine permanente Station errichten, später auch ihn besiedeln: werden wir dann die auf der Erde ge-
machten Fehler wiederholen? Oder werden wir aus der Erfahrung gelernt haben und die neuen Chan-
cen nutzen?
Leider spricht langfristig nichts für die gute, dagegen vieles für die schlechte Lösung.
Die menschliche Natur wird sich dagegen nicht ändern. Durch die räumliche Trennung vom Rest der
Menschheit wird auf den Wunsch nach Autarkie jener nach Autonomie folgen
Das bedeutet, es werden sich auf lange Sicht ganz eigenständige Gemeinschaften bilden, mit denen
die Erde Handel treibt, kooperiert, konkurriert, kurz, es gibt keinen Grund, warum sich die Entwicklung
interplanetarer Beziehungen von jener der internationalen unterscheiden sollte. Selbst wenn wir hof-
fen, dass uns im Rahmen der Globalisierung die Überwindung der internationalen Probleme gelingt,
"Krieg der Sterne" wird eine Option sein. Dies ist aber nur eines der zu bedenkenden Details.
Noch wichtiger ist bei der ethisch verantwortlichen Abwägung von alternativen Langfristaspekten die
Erkenntnis, daß extraterrestrische menschliche Gemeinschaften früher oder später vor denselben
Problemen stehen würden, die wir heute auf der Erde sehen. Es würde Bevölkerungsdruck und
Raumnot geben, politische und andere Zwietracht, Verbrechen und alle anderen schlechten Begleiter-
scheinungen einer menschlichen Zivilisation. Kein Grund ist sichtbar, weswegen extraterrestrische
Siedlungen schöne Utopias sein sollten.
9 "All activities on the moon, including its exploration and use, shall be carried out in accordance with international law, in
particular the Charter of the United Nations, and taking into account the Declaration on Principles of International Law concern-
ing Friendly Relations and Co-operation Among States in accordance with the Charter of the United Nations, adopted by the
General Assembly on 24 October 1970, in the interests of maintaining international peace and security and promoting interna-
tional co-operation and mutual understanding, and with due regard to the corresponding interests of all other States Parties"
Warum also sollten wir zu den Sternen gehen, wenn den Risiken kein adäquater Gewinn gegenüber
steht? Bei der Antwort müssen wir zwischen Mond und Planeten unterscheiden.
Angesichts der erdrückenden historischen Beweislast ist diese Erkenntnis eher trivial und nur für
Raumfahrtenthusiasten ernüchternd und enttäuschend. Nicht trivial ist dagegen die Antwort auf die
Frage nach alternativen Vorgehensweisen.
Nachfolgend werden diese Szenarien eher nur beispielhaft für die persönlichen Präferenzen des Au-
tors erörtert, nicht mit dem Anspruch auf vollständige Darlegung der möglichen Optionen. Das Gerüst
einer Raumfahrtethik kann aber durch Verallgemeinerungen und genauere Definitionen der hier darge-
legten Beispiele generiert werden.
Zum Glück begrenzt Finanzierbarkeit die Zahl der Optionen auf ein vernünftiges Maß. Nach den
meisten Entwicklungsszenarien werden zuerst Forschungsstationen auf anderen Himmelskörpern
(und in Orbits um dieselben) eingerichtet werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Im Gegenteil, die
Erforschung der Himmelskörper sollte als Teil einer weit mehr als heute auf Forschung und Erkenntnis
ausgerichteten allgemeinen ethischen Grundeinstellung der Gesellschaft das Hauptanliegen der
Raumfahrt bilden.
Die Besiedlung des Mars und aller anderen Planeten sollte gesetzlich ausgeschlossen werden. Als
weitestgehender Schritt ist allenfalls die Nutzung des Mars als "Nationalpark" der Erde denkbar.
Jede andere Haltung gegenüber Importen von den Himmelskörpern würde das irdische Umwelt-
verschmutzungsproblem nur perpetuieren. Wer die Asteroiden als Rohstoffquellen sieht, verschließt
davor die Augen. Die Erde muß lernen, ihren Bedarf aus dem Recycling zu decken. Dies gilt insbe-
sondere auch für Stoffe, die nur in kleinen Mengen gebraucht werden, z.B. die Seltenen Erdmetalle,
welche die Mikroelektronik so dringend braucht und derzeit so freizügig und unwiederbringlich über die
Erdoberfläche verteilt. Für eine auf vernünftige Maße geschrumpfte Menschheit sollte das Recycling
aber gar kein Problem sein. Die Frage nach der "vernünftigen" Größe der Menschheit ist klar ein
schwerwiegendes ethisches und politisches Problem, aber kein raumfahrtspezifisches.
Wenn auch das Bevölkerungswachstum noch weiter an Geschwindigkeit zunimmt, so gibt es doch
bereits viele Zeichen, daß eine demographische Transition stattfindet. Die Zuwachsraten haben be-
reits abzunehmen begonnen. Als Resultat wird eine Stabilisierung irgendwo zwischen 12 und 30 Milli-
arden Menschen in ca. 50-100 Jahren vorhergesagt. Offensichtlich sollte alles getan werden, diese
Stabilisierung ohne Katastrophen zu erreichen und darüber hinaus sollte daran gearbeitet werden,
langfristig ein viel tieferes Bevölkerungsniveau zu erreichen. Ein kleinere Menschheit könnte in viel
größerer Freiheit in materiellem Wohlstand und insbesondere frei von Umweltproblemen auf der Erde
leben [19][20].
Wie viele faszinierende Entdeckungen dabei zu erwarten sein werden, können wir heute allenfalls
ahnen, wenn wir z.B. die bizarren Erkenntnisse der Kosmologen betrachten, welche durch die Fusion
von Quantentheorie und Relativitätstheorie interpretierbar wurden. Diese beiden großen Theorien des
20.Jahrhunderts haben unseren Alltag bis weit jenseits der utopischen Phantasien von ehedem verän-
dert. Neue Wissensgebiete wie Chaostheorie, Holismus und andere werden uns gewiss Entwicklun-
gen bescheren, für die heute unsere Phantasie wiederum nicht ausreicht. Die NASA initiierte über das
Web eine internationale Ideenaktivität zur Suche nach neuen physikalischen Durchbrüchen ("Break
Through Physics" [21]). Vieles davon hat mit Sicherheit das Potential, auch die Raumfahrt auf völlig
neue Grundlagen zu stellen. Umso notwendiger wird in Zukunft eine klare ethische Haltung zur Raum-
fahrt sein.
Die Ausbreitung der Menschheit in Bereiche jenseits der Erde sollte n i c h t ihr Ent-
wicklungsziel sein. Sie darf sich in Zukunft nicht mehr quantitativ, sondern muß sich qualitativ
weiter entwickeln. Durch Befolgung dieses ethischen Gebots hat sie eine Chance auf eine ganz
faszinierende Zukunft
Das Erde/Mond System sollte als zivilisierter Doppelplanet entwickelt werden. Das birgt zwar ei-
nerseits schwer kalkulierbare Risiken, verspricht aber andrerseits enorme Vorteile für die weitere
Entwicklung unserer Zivilisation während und nach dem Durchgang durch die derzeitige singulä-
re Transitionsperiode
Die bemenschte Astronautik sollte translunar auf Expeditionen von Wissenschaftlern, Künstlern
und Sportlern beschränkt werden. Die virtuelle Realität sollte den Tourismus ersetzen; Krieg der
Sterne sollte für immer ein amüsantes Märchen bleiben!
Raumfahrtfreunde sollten sich darüber klar werden, dass sich der Raumtransport im weitesten
Sinne auf Sensoren und Informationen beschränken kann
Mit der menschlichen Gesellschaft wird die Raumfahrt als einer ihrer integralen Bestandteile
durch heute nur in Umrissen sichtbare Entwicklungen verändert werden. Beispiele solcher Ent-
wicklungen sind die Künstliche Intelligenz und mögliche Erkenntnisse der Physik jenseits von
Relativitätstheorie und Quantentheorie. Auch Weltraumforschung und Weltraumfahrt werden
sich dadurch in neue Dimensionen entwickeln
Literatur
[1] R.E.Lo, Institut für Luft- und Raumfahrt der TU-Berlin:
"Ethische Aspekte der Raumfahrt", Seminar bei K.D.St.V.Borusso-Saxonia, am 3.Mai
1995
[2] R.E.Lo: "Ethische Perspektiven der Raumfahrt”, Vortrag bei der Kath. Studentenge-
meinde KSG, in Berlin-Friedrichshain, am 2.6.1999
[3] ENGINEERING ETHICS: ”The Space Shuttle CHALLENGER Desaster”, Dept. of Phi-
losophy and Department of Mechanical Engineering, Texas A&M University;
http://ethics.tamu.edu/ethics/shuttle/shuttle1.htm]
[4] J.v.Puttkammer, NASA: "Raumfahrt ist Kulturpflicht", Dokumente der Luft- und Raum-
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[5] R.E.Lo: "Space and Ethics: Long Term Considerations, Short Term Consequences”,
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[6] R.E.Lo: "Ethik und Raumfahrt, Raumfahrtethik", Vortrag bei der DGLR Bezirksgruppe
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[7] "Treaty Banning Nuclear Weapon Tests In The Atmosphere, In Outer Space And Un-
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[8] R.E.Lo: "Ethical Aspects of Space Travel: Top-down & Bottom-up", Vortrag am Inter-
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[9] Philosophy Online: http://www.arts.monash.edu.au ;Department of Philosophy, Mo-
nash Univ., Australia
[10] UNO: "Treaty On Principles Governing The Activities Of States In The Exploration And
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[12] Sven Abitzsch: "Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten der Weltraumtouristik". Dis-
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[13] R.Lo: "Raumfahrt und Umwelt", Pressegespräch "Trends in der Umweltforschung" am
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[14] UNO: " Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer " (1985, Entry Into
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[15] UNO: "United Nations Framework Convention on Climate Change", (9 May 1992);
http://www.hq.nasa.gov/office/legaff/
[16] R.Lo in Advanced Propulsion Workshop der Internationalen Astronautischen Akade-
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[17] UNO: "Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial
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[18] "Nasa’s Enterprise For The Human Exploration And Development Of Space, The Stra-
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[19] R.E.Lo: "Die Bedeutung der Weltraumfahrt aus der Sicht verschiedener Zeithorizonte",
Vortrag an der Wilhelm Förster Sternwarte Berlin, am 13.09.1995. Gedruckte Fassung
1.Teil in "Luft- und Raumfahrt", Heft4, Okt.-Dez.1996, S.27-32. / 2.Teil in "Luft- und
Raumfahrt", Heft1, Jan.-März.1997, S.22-26.
[20] R.E.Lo: Institut für Luft- und Raumfahrt der TU-Berlin:
"Plädoyer für die bemenschte Raumfahrt", Streitforum für Erwägungskultur, Ethik und
Sozialwissenschaften, Westdeutscher Verlag, Heft 4/1992, S.634
[21] NASA-J.Glenn Space Center: "" Warp Drive, When?, 1999,
http://www.grc.nasa.gov/WWW/Subject/space/propulsion.html