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Postanalytische und dekonstruktivistische Kritik

an Searles Fiktionsbegriff

Westfälische Wilhelms-Universität Münster


Philosophisches Seminar
Seminar Fiktion
Wintersemester 2007/2008
Dozent Matthias Hunger, M. A.
Name Sven Lüders
Matrikelnummer 332750
Studiengang Magister Philosophie (Hf), Religionswissenschaften (Nf), Deutsche
Philologie (Nf)
Fachsemester 05
Inhalt

1. Einleitung .............................................................................................................. 2

2. Fiktion als Text...................................................................................................... 3

3. Fiktion als Diskurs ohne Wahrheit ...................................................................... 4

3.1. Rortys Kritik am Bild der abbildenden Sprache.................................................... 5

3.2. Rortys Dekonstruktion von Searles Fiktionsbegriff .............................................. 6

4. Fiktion als parasitärer Diskurs ............................................................................ 8

4.1. Derridas Dekonstruktion der Unterscheidung Standard/Parasit .......................... 9

4.2. Fiktion als intentionaler Diskurs .................................................................... 12

4.3. Halions Unterscheidung zwischen Parasitiertem und Parasiten ........................ 15

5. Wahrheit als Standard Story .............................................................................. 16

6. Abschluss ........................................................................................................... 19

7. Verwendete Literatur .......................................................................................... 21

Seite 1
1. Einleitung

In seinem Aufsatz The Logical Status of Fictional Discourse1 legt John Searle einen
an der Sprechakttheorie orientierten Fiktionsbegriff vor. Dieser hat vonseiten der
postanalytischen und dekonstruktivistischen Philosophie und Literaturtheorie Kritik
auf sich gezogen. So kritisiert Richard Rorty in seinem Aufsatz Is There A Problem
About Fictional Discourse?2 unter anderem auch den Fiktionsbegriff von Searle und
dessen metaphysische und erkenntnistheoretische Implikationen und auch in der
Debatte zwischen Jacques Derrida und John Searle3 spielt dessen Fiktionsbegriff
eine herausragende Rolle. Beide legen jedoch kein explizites Verständnis von Fiktion
vor.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie eine Vorstellung von Fiktion aussehen
könnte, welche die oben genannten Einsprüche aufnimmt und ob es eine solche
überhaupt geben kann. Um diese Frage zu beantworten, möchte ich mich vor allem
der dekonstruktivistischen Auseinandersetzung mit der Sprechakttheorie und den
daraufhin einsetzenden Diskurs4 widmen und anhand der oben genannten Aufsätze
von Searle und Rorty Probleme für ein traditionelles Fiktionsverständnis aufzeigen.
Auf diese Weise soll dargelegt werden, dass es auch weiterhin eine Vorstellung von
Fiktion geben kann und wie diese aussieht.

Dazu soll zunächst einmal ein Verständnis von Sprache gezeigt werden, das in post-
analytische und dekonstruktivistische Diskurse passt, um die Grundlage meiner
Untersuchung zu klären. Anschließend soll das Problem der Referenz diskutiert
werden, welches Rortys Hauptkritikpunkt an traditionellen Vorstellungen von Fiktion
und somit auch Searles ist, um die hauptsächliche Herausforderung an eine neue
Vorstellung von Fiktion darzulegen. Darauf werde ich auf Derridas Kritik am
parasitären Status des fiktionalen Diskurses eingehen um zu klären, ob man an
diesem noch festhalten kann. Danach soll das Problem der Intention beleuchtet

1
Searle, John: The Logical Status of Fictional Discourse, in: Cohen, Ralph (Hrsg.): New Literary His-
tory Nr. 6:2, Baltimore 1975.
2
Rorty, Richard: Is There a Problem about Fictional Discourse?, in: ders. Consequences of
Pragmatism, Brighton 1982, S. 110-138.
3
Ich beziehe mich hier auf den Aufsatz Signatur Ereignis Kontext (Derrida, Jacques: Signatur Ereignis
Kontext, in: ders.: Limited Inc, Wien 2001, S. 15-45), in welchem er unter anderem zentrale Para-
digmen der Sprechakttheorie kritisch betrachtet, Searles Antwort darauf (Searle, John: Reiterating The
Differences. A Reply to Derrida, in: Weber, Samuel (hrsg.): Glyph: John Hopkins textual studies, S.
198-208), deren Diskussion durch Derrida (Derrida, Jacques: Limited Inc a b c . . .,in: ders.: Limited
Inc, Wien 2001, S. 53-168) und das Nachwort des Buches Limited Inc (Derrida, Jacques: Nachwort.
Unterwegs zu einer Ethik der Diskussion, in: ders. Limited Inc, Wien 2001, S. 171-238).
4
Siehe Fußnote 3.
Seite 2
werden, weil Searle deren Transport über die Sprache als Vorbedingung für das Er-
kennen von Fiktion festlegt. Abschließend soll Stanley Fishs Modell einer Standard
Story vorgestellt werden, um eine Alternative für den fiktionalen Diskurs entgegen-
gestellten, sogenannten ersten Diskurs zu haben und um das Verhältnis zwischen
fiktionalem und nicht-fiktionalem Diskurs klären zu können.

2. Fiktion als Text

Um den Status der Fiktion zu erörtern, bedarf es einer Vorstellung davon, vor
welchem Hintergrund, insbesondere mit welcher Theorie von Sprache, man dies tut.
Searle selbst zeigt sein Verständnis von Sprache bereits am Anfang seines Auf-
satzes The Logical Status Of Fictional Discourse5, wenn er schreibt, dass er glaubt,
dass „das Sprechen oder Schreiben in einer Sprache darin besteht, Sprechakte [...]
zu performen“6. Für ihn besteht Sprache in erster Linie unter dem Paradigma ge-
lingender Kommunikation mit Referenz auf eine außersprachliche Wirklichkeit7. So
ist der fiktionale Diskurs nur ein Sonderfall, er verhält sich parasitär8 zu dem
normalen, konstativen oder performativen Gebrauch der Sprache.

Derrida hat unter anderem in seinem Aufsatz Signatur Ereignis Kontext versucht zu
zeigen, dass ein solches Vorgehen nicht legitim ist 9, da jedes (sprachliche) Zeichen
dem Phänomen der Iterabilität10 unterliegt. Dies muss bedeuten, dass Zeichen keine
feste Bedeutung haben und das Gelingen einer Äußerung, in dem Sinne, dass die
intendierte Wirkung eintritt, immer ein Zufall bleibt, weil die Intention desjenigen, der
ein Zeichen mit dessen Kontext verloren ist und niemals (vollständig) rekonstruierbar
ist.

5
Searle: The Logical Status Of Fictional Discourse, S. 319.
6
„[...] [S]peaking or writing consists in performing speech acts [...]“ (ebd.).
7
Was man zum Beispiel an seinen Beispielen besichtigen kann, wo er dem Romanausschnitt im Ver-
gleich zur Zeitungsmeldung zuschreibt, dass dessen Autorin nur vorgebe, Behauptungen zu machen
(vgl. ebd., S.321-325).
8
Siehe Abschnitt 4.
9
Engelmann, Peter: Vorwort, S. 11, in: Derrida, Jacques: Limited Inc., Wien 2001, S. 11-13.
10
Mit diesem Neologismus (abgeleitet zum einen von lateinisch iter, nochmals und sanskritisch itera,
anders) kennzeichnet Derrida das Phänomen, dass ein Zeichen (in Abwesenheit eines jeden mög-
lichen Referenten) wiederholbar ist, aber in jeder Wiederholung eine andere Bedeutung hat, da der
Kontext seiner letzten Äußerung bereits unwiederbringlich verloren ist (vgl. Derrida: Signatur Ereignis
Kontext, S. 24). Die Identität eines Zeichens ist somit „paradoxerweise die Spaltung und Ablösung von
sich selbst" (ebd., S. 28).
Seite 3
Meiner Auffassung nach sollte man Sprache lieber als Text11 auffassen und die Be-
deutung der in diesem enthaltenen Zeichen nicht als (durch Regeln) fixiert, sondern
als durch den Kontext bestimmbar betrachten. Da dieser Kontext nach dem Ent-
stehen des Zeichens verloren ist, ist eine Bedeutung nur relational zu anderen
Texten in dem Diskurs nach zu verfolgen (und nicht definitiv anhand einer Extension
der Sprache feststellbar).Mit dieser Vorstellung von Sprache im Hintergrund ist die
Frage bezüglich des fiktionalen Diskurses auch eine andere. Sie lautet nicht mehr,
wie bei Searle, warum es so etwas wie Fiktion (also einen nicht der Wahrheit ver-
pflichteten Diskurs) überhaupt geben kann12, sondern was den fiktionalen Diskurs
noch von anderen Diskursen unterscheidet.

3. Fiktion als Diskurs ohne Wahrheit

Ein erstes wesentliches Problem für eine nachmetaphysische Vorstellung von Fiktion
stellt die bisherige Untersuchung der Fiktion unter dem Paradigma von Wahrheits-
theorien dar. Ist die Fiktion nur ein Problem für Wahrheitstheorien, so kann sie nicht
als ein dem Diskurs über die außersprachliche Wirklichkeit gleichberechtigter Text
untersucht werden. Eine erste Aufgabe muss also sein, die Fiktion von ihrem Makel,
dass sie ein Diskurs ohne Wahrheit sei, zu befreien.

Am Beispiel von Searles Fiktionsbegriff kann bereits am Anfang seines Textes The
Logical Status of Fictional Discourse deutlich gemacht werden, welche Probleme die
Auffassung, dass Sprache auf die (außersprachliche) Wirklichkeit referiert, mit sich
bringt. Denn Searles Fiktionsbegriff ist gezeichnet davon, dass er eigentlich nur ent-
wickelt werden muss, um eine allgemeine Theorie von der Verwendung von Sprache
(in diesem Fall die Sprechakttheorie) unter Einbeziehung eines Wahrheitswertes
folgenden Problems zu entledigen: Nämlich, dass Zeichen(folgen), die in einem
fiktionalen Kontext stehen, die Theorie in Frage stellen, da die Theorie solche
Zeichen(folgen) nicht einfach als falsch kennzeichnen darf, gleichzeitig sie aber nicht
der herkömmlichen Referenz unterwerfen darf. Searle selbst formuliert das Problem
11
Damit meine ich eine poststrukturalistisch ausgeweitete Auffassung vom Text, wie sie sich zum
Beispiel in Derridas Verständnis von Schrift äußert, wenn er, nachdem er die „wesentlichen Prädikate
des [...] Schriftbegriffs“ (ebd., S. 27) festgestellt hat, diese auf die gesprochene Sprache und „sogar
auf jede ‚Erfahrung’ im allgemeinen ausdehn[t], gesetzt, es gibt keine Erfahrung reiner Gegenwart,
sondern nur Ketten differentieller Zeichen [...]“ (ebd., S. 29, Hervorhebung im Original). Fällt die Not-
wendigkeit der dekonstruktiven Geste weg (vgl. ebd., S. 44), kann man statt der „provisorisch[en] und
strategisch[en]“ (ebd.) Verwendung des alten Begriffes, einen neuen verwenden, welcher zudem die
Verwobenheit der Zeichen (lat. textum – Text, Gewebe) untereinander bezeichnen kann.
12
Searle: The Logical Status of A Fictional Discourse, S. 319.
Seite 4
aber eher auf der Ebene der Anwendbarkeit von Regeln, die er für Sprechakte
definiert hat:

Nun ist für jemanden, der eine solche Ansicht hat [dass Sätze Sprechakte dar-
stellen], die Existenz des fiktionalen Diskurses ein schwieriges Problem. [...] Wie
kann es beides der Fall sein, dass die Wörter und anderen Elemente einer
fiktionalen Geschichte ihre gewöhnliche Bedeutung haben und die Regeln, die
diesen Wörtern und den anderen Elementen anheften und ihre Bedeutung be-
stimmen, nicht befolgt werden [...].13
Die wichtigste Regel, die Searle hiermit meint, ist diejenige, dass Sätze auf die
außersprachliche Wirklichkeit referieren. Dies wird deutlich, wenn Searle seine erste
Regel bezüglich Behauptungen, dass diese der Wahrheit verpflichtet sind14 auf zwei
Beispiele anwendet, eine Zeitungsmeldung und einen Abschnitt aus einem Roman
und Letzterem nachweist, dass dieser nicht der Wahrheit verpflichtet ist15. Damit ist
klar, dass Searle unter Wahrheit etwas Außersprachliches versteht.

3.1. Rortys Kritik am Bild der abbildenden Sprache

Gerade diese Vorstellung von Referenz kritisiert Rorty an der traditionellen Auf-
fassung von Fiktion. Er ist der Auffassung, dass man mit einer anderen Heran-
gehensweise an Wahrheit, die Probleme, welche der analytische Diskurs mit der
Fiktion hat, beiseiteschieben kann. Statt einer Korrespondenztheorie der Wahrheit
schlägt er das Konzept der Warrented Assertibility, der gerechtfertigten Behauptung
vor, welche fortan als Kriterium für Wahrheit gelten soll und damit die außersprach-
liche Wirklichkeit ersetzen soll.16

Rorty bezeichnet die von ihm angegriffen Theorien der Fiktion als Parmenidisch, weil
sie ein Bild von Sprache zu Grund legen, in welchem die Sprache die Aufgabe hat,
die Realität abzubilden.17 Als Wurzel dieses Bildes macht Rorty „Parmenides’ Furcht
vor den poetischen, spielerischen, eigenmächtigen Aspekten von Sprache“18 aus.
Der Fiktionsbegriff wird zum Gegenbegriff der ernsten Wissenschaft und der Wissen-
schaftler stilisiert sich als Wahrheitshüter und überlässt dem Dichter die poetischen

13
„ Now for anybody who holds such a view the existence of fictional discourse poses a difficult prob-
lem. [...] [H]ow can it be both the case that words and other elements in a fictional story have their
ordinary meanings and yet the rules that attach to those words and other elements and determine
their meanings are not complied with [...].“ (Ebd.)
14
Vgl. ebd., S. 322.
15
Vgl. ebd., S. 323.
16
Vgl.: Rorty: Is There A Problem about Fictional Discourse?, S. 110.
17
Vgl. ebd., S. 127-129.
18
„Parmenides’ fear of the poetic, playful, arbitrary aspects of language“, ebd., S. 130.
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Teile der Sprache. Rorty sieht dieses Parmenidische, abbildende Bild 19 von Sprache
gescheitert und fragt provokativ: „Wie unterscheidet sich Wissen vom Dichten und
Geschichten erzählen?“20

Mit dem Konzept der gerechtfertigten Behauptung als Kriterium für Wahrheit sind für
Rorty Behauptungen über einen fiktionalen Text (zum Beispiel „[Sherlock] Holmes
lebte in der Baker Street“21) in genau dem gleichen Sinne wahr wie Sätze, welche
von der analytischen Tradition in einer unproblematischen Weise als wahr an-
gesehen werden (zum Beispiel „Zwei plus zwei ist vier.“22 oder „Henry James wurde
in Amerika geboren.“23). Als zentrales Problem aller analytischen Ansätze zur Fiktion
macht er die Prämisse, dass alles existieren muss, auf das referiert wird 24, aus.

Mit seinem Konzept der Warrented Assertibility gelingt es Rorty, den Unterschied
zwischen Fiktionalem und dem einer außersprachlichen Wirklichkeit verpflichteten
Diskurs einzuebnen. Dieses Einebnen ist die Vorbedingung dafür, Fiktion überhaupt
als einen Text zu begreifen, der gleichberechtigt mit dem Diskurs über die Wahrheit
ist.

3.2. Rortys Dekonstruktion von Searles Fiktionsbegriff

Rorty bespricht in seinem Aufsatz zur Fiktion auch explizit Searles Text The Logical
Status of Fictional Discourse25. Neben seiner Kritik an der Referenz sieht Rorty
gerade in der Sprechakttheorie eine Möglichkeit, die traditionelle Vorstellung, dass
die Sprache auf die Wirklichkeit zu referieren habe, zu überwinden.

So macht er bei Searle zwei weitere Axiome aus, die dieser dem Axiom der Existenz
hinzufügt: zum einen das Axiom der Identität („Wenn ein Prädikat zu einem Objekt
passt, dann passt es zu jedem allem, was mit dem Objekt identisch ist, ungeachtet
mit welchen Ausdrücken auf das Objekt referiert wird“26) und zum anderen das
Axiom der Identifikation („Wenn ein Sprecher auf ein Objekt referiert, identifiziert oder
ist fähig, das Objekt bei Bedarf für den Hörer von allen anderen Objekten zu unter-

19
Rorty selbst bezeichnet dieses Phänomen als das „Parmenidiean Picture Picture“ (ebd., S. 127).
20
„How does having knowledge differ from making poems and telling stories?“ (Ebd., S. 129).
21
„Holmes lived in Baker Street“ (Ebd., S. 127).
22
„2 plus 2 is 4“ (Ebd.).
23
„Henry James was born in America“ (Ebd.).
24
„[...] Whatever is referred to must exist [...].“ (Ebd., S. 111).
25
Ebd., S. 114-119.
26
„If a predicate is true of an object it ist rue of anything identical with that object regardless of what
expressions are used to refer to that object.“ (Ebd., S. 115).
Seite 6
scheiden.“27). Rorty fragt daraufhin, warum Searle an dem Axiom der Existenz fest-
hält, obwohl die beiden anderen Axiome seiner Auffassung nach für eine gelingende
Konversation ausreichen sollten.

Um diese Frage zu beantworten, wendet sich Rorty der Ansicht Searles zu, dass
Zeichen in fiktionalen Kontexten „einen separaten Satz an Konventionen [be-
nötigen]“28. Diese Konventionen machen nach Searle Ausnahmen von der generellen
Regel, dass es eine direkte Verbindung von Sprache und Wirklichkeit zwingend not-
wendig macht, möglich.29

Mit diesen Konventionen im Hintergrund ist es möglich zu sagen, dass ein Autor eine
Figur geschaffen hat, indem er vorgegeben hat, auf jemanden zu referieren. Über
diese Figur lässt sich jetzt gemäß der Regeln sprechen, also wahre oder falsche
Aussagen machen. Mit dieser Existenz in der Fiktion kann Searle das Axiom der
Existenz beibehalten30, muss aber dafür seinen Existenzbegriff erweitern, sodass
dieser sowohl raumzeitliche Existenz als auch die Referenz innerhalb eines Sprach-
spiels bedeuten kann, welches letztlich parasitär zu dem (gewöhnlichen) Sprechen31
über die raumzeitliche Welt steht.32

Unter Bezug auf Rorty lässt sich sagen, dass diese Erweiterung eigentlich unnötig
ist, da sich auch bereits ohne das Axiom der Existenz über den fiktionalen Diskurs
sprechen lässt, wie es mit jedem Diskurs möglich ist, solange das dazugehörige
Sprachspiel beherrscht wird.33 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass
Existenz (im Sinne von Übereinstimmung von Zeichen und der raumzeitlichen,
außersprachlichen Welt) dessen, worauf die verwendeten Zeichen referieren, keine
notwendige Bedingung für eine gelingende Kommunikation ist. Somit ist das

27
„If a speaker refers to an object, then he identifies or is able on demand to identify that object for the
hearer apart from all other objects.“ (Searle, John: Speech Acts, Cambridge 1969, S. 162; zitiert nach:
Rorty: Is there a Problem about Fictional Discourse?, S. 116).
28
„[...] it requires a separate set of conventions“ (Searle: The Logical Status of Fictional Discourse, S.
325-326).
29
Vgl. ebd., S. 326.
30
Im Gegensatz zu Russell kann Searle so darauf verzichten, Sätze über fiktionale Figuren umzu-
formulieren in Sätze über Figuren in fiktionalen Kontexten. (Vgl.: Rorty: Is There A Problem About
Fictional Discourse, S. 118).
31
Hier tritt bereits die von Derrida bemerkte Problematik von der Zuschreibung parasitär auf. (Vgl. ?)
Etwas Parasitäres steht innerhalb des Standards, Rorty stellt Searles Verständnis vom parasitären
Diskurs der Fiktion so dar, als würde dieser außerhalb des normalen Sprechens stehen (vgl. dazu
auch Abschnitt 3).
32
Vgl. Rorty: Is There A Problem About Fictional Discourse, S. 118.
33
Vgl. ebd., S. 118-119.
Seite 7
traditionelle Fiktionsverständnis an dieser Stelle unnötig geworden, da man über
Fiktion und Nicht-Fiktion keinen Unterschied mehr zu machen braucht.
Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass Rortys Dekonstruktion von
Searles Fiktionsbegriff immer noch dem Paradigma der gelingenden Kommunikation
folgt und Sprache also versucht, eine Aussage über den Sinn von Sprache bzw. Text
zu machen. Mag seine Untersuchung also mit erkenntnistheoretischen und meta-
physischen Implikationen aufgeräumt haben, so findet sie nicht vor dem Hintergrund
einer Theorie der Sprache statt, welche diese als solche und nicht als Instrument
untersucht.

4. Fiktion als parasitärer Diskurs

Ein weiteres Problem, mit dem eine nachmetaphysische Vorstellung von Fiktion
konfrontiert ist, ist die Unterordnung des fiktionalen Diskurses unter einen nicht-
fiktionalen Diskurs. Bei Searle lässt sich dies daran feststellen, dass er den
fiktionalen Diskurs in Anlehnung an Austin als einen Sonderfall, Parasiten der
Standardsätze betrachtet, zusammen mit anderen nicht-ernsten (nicht der außer-
sprachlichen Wirklichkeit verpflichteten) Sprechakten.34 Für die Fiktion begründet er
dies in der Debatte mit Derrida dadurch, dass sie als vorgegebener35 Sprechakt auf
dem Funktionieren der normalen Sprechakte basiert:

Die Existenz einer vorgegebenen Form der Rede ist von der Möglichkeit der nicht-
vorgegebenen Rede in derselben Weise logisch abhängig, wie jede vorgegebene
Form von Verhalten von den nicht vorgegebenen Formen von Verhalten abhängig
ist, und in diesem Sinn sind die vorgegebenen Formen parasitär zu den nicht-
36
vorgegebenen Formen.
An dieser Äußerung Searles wird ebenfalls sehr deutlich, inwiefern die Beschreibung
der Fiktion als Parasit der normalen Sprache zum Problem wird, wenn man Fiktion
als Text untersuchen möchte. Denn wie Searle hier selbst schreibt, besteht dann
eine Abhängigkeit, also eine Hierarchie. Diese Hierarchie muss nicht nur aufgrund
ihrer metaphysischen Implikation aufgelöst werden, sondern auch weil der fiktionale
Diskurs andernfalls nicht als gleichberechtiger Text untersucht werden kann.

34
Vgl. Searle: Reiterating the Differences. A Reply To Derrida, S. 204-205.
35
“pretended” (Ebd., S. 205).
36
„The existence of the pretended form of the speech act is logically dependent on the possibility of
the nonpretended speech act in the same way that any pretended form of behavior is dependent on
the nonpretended forms of behavior, and in that sense the pretended forms are pasitical on the non-
pretended forms.“ (Ebd., Hervorhebung von mir).
Seite 8
4.1. Derridas Dekonstruktion der Unterscheidung Standard/Parasit

Genau dies leistet Derrida in seiner Debatte über die Sprechakttheorie. Er hatte
bereits in Signatur Ereignis Kontext eine erste Kritik am Begriff des Parasitären vor-
genommen: So teilt Derrida den Ansatz Austins nicht, Zeichenfolgen unter dem
Paradigma der gelingenden Kommunikation zu untersuchen. Er hält diesen für falsch
und zweifelt damit auch den Status des Parasitären an, da Zeichen(folgen) aufgrund
ihrer Iterabilität37 keine absolut feststellbare Bedeutung oder Intention übermitteln
können. Im Gegenteil wendet er ein, dass eine nach Austin parasitäre Form der
Sprachverwendung, das Zitieren38, also die Verwendung eines Zeichens außerhalb
seines ursprünglichen Kontextes, nicht parasitär sei, sondern dass die Sprache
selbst aus Zitaten bestehe und die Zitierbarkeit ein wesentliches Merkmal von ihr ist.
Diese Kritik sollte im Laufe der Debatte noch weiter ausformuliert werden.

Searle hält in seiner Antwort Reiterating the Differences. A Reply To Derrida da-
gegen, dass Derrida die Ausschließung des Parasitären aus der Untersuchung der
Sprechakte missverstanden hätte.39 Die Ausschließung sei ein methodischer Schritt
und habe keine metaphysische Dimension. Auch glaubt Searle, dass Derrida bei
Austin eine ethische Abwertung des Parasitären sehe, sondern lediglich das Verhält-
nis einer logischen Abhängigkeit zum Nicht-Parasitären.40

In Derridas Erwiderung Limited Inc a b c ... setzt er sich noch detaillierter mit dem
Begriff des Parasitären auseinander. Zunächst kritisiert er hierbei die Methode
Austins und Searles, das Parasitäre einfach auszuschließen, da das, was Searle den
Standard nennt, eine wesentliche Möglichkeit der Standardverwendung ist:

Wenngleich Sec [Derridas Abkürzung für den Aufsatz Signatur Ereignis Kontext]
also niemals vorgeschlagen hat, mit der Fiktion [...] zu beginnen, so glaube ich
hingegen doch, daß man nicht damit beginnen kann, und auch nicht darf, die
Möglichkeit dieser Eventualitäten auszuschließen: zunächst, da diese Möglichkeit
zu sogenannten ‚Standard’-Struktur gehört.41
Im Folgenden weist Derrida darauf hin, dass es eine wesentliche Möglichkeit eines
Sprechaktes, beispielsweise eines Versprechens, darstellt, in fiktionalen Kontexten

37
Siehe Fußnote 9.
38
Ebd., S. 37.
39
Vgl. Searle: Reiterating The Differences, S. 204
40
Vgl. ebd., S. 205.
41
Derrida: Limited Inc a b c ..., S. 142.
Seite 9
verwendet zu werden:42 „Diese Möglichkeit ist Teil des vorgeblichen ‚standard
case’“43.

Gegen Searle Argument, dass die parasitären Diskurse in logischer Abhängigkeit


zum Standarddiskurs stehen, lässt sich mit Derrida einwenden, dass die Festlegung
auf den Standard und was diesen charakterisiert, eine willkürliche Festlegung dar-
stellt und dass „[d]ie Bestimmung der ‚positiven‘ [...] Werte [...] dogmatisch“ 44 ist.
Wegen dieser willkürlichen Festlegung ist es nicht angemessen, das Verhältnis von
fiktionaler und nicht-fiktionaler Rede als das einer logischen Abhängigkeit zu be-
zeichnen.

Außerdem hält es Derrida für zweifelhaft, dass es sich für Searles Parasiten wirklich
nur um eine logische Abhängigkeit, ohne Abwertung handelt, da allein der Begriff
Parasiten pejorativ sei. Aber auch die Charakteristika, welche Searle dem
parasitären Diskurses zuschreibt, sind abwertend, wie Derrida bemerkt:

[W]oher stammt die Begründung, daß ein abhängiges (logisch abhängiges)


Element [...] ohne andere Vorkehrung oder Rechtfertigung als ‚parasitär’, ‚ab-
normal’, ‚unglücklich’, ‚leer’ und so weiter qualifiziert werden könnte?45
Die Charakteristika der parasitären Diskurse sind auch bei Searle mit Wörtern be-
schrieben, die eine eindeutig pejorative Konnotation besitzen: „Austin beschreibt
dieses Merkmal [dass Fiktion nicht auf die außersprachliche Wirklichkeit verweist],
indem er sagt, dass solche Äußerungen ‚hohl‘, ‚leer‘ und ‚nicht ernst‘ sind.“ 46 Searle
selbst benutzt also ein Vokabular, das den Anschein hinterlässt, es gehe in Wirklich-
keit um eine Abwertung der parasitären Diskurse.

Außerdem lässt sich anmerken, dass das Bevorzugen der Standarddiskurse keine
rein methodologische Entscheidung sein kann, da „jede methodologische Diskurs-
ordnung [...] eine mehr oder weniger explizite Entscheidung bezüglich der Meta-
physik mit sich [bringt]“47. Auch, wenn Austin als auch Searle eine metaphysische
Positionierung vermeiden (wollen), so steckt in dieser Bevorzugung, dieser
Forschungsstrategie eine implizite, metaphysische Theorie.

42
Vgl. ebd.
43
Ebd.
44
Ebd., S. 145.
45
Ebd., S. 146.
46
„Austin describes this feature by saying that such utterances are ‚hollow’ or ‚void’ and ‘nonserious’.“
(Searle: Reiterating the Differences, S. 204, Hervorhebungen von mir).
47
Derrida: Limited Inc a b c ..., S. 147.
Seite 10
Dies wird an zwei Punkten deutlich. Zum einen bedient sich die Unterscheidung von
Standard/Parasit dem traditionellen Muster einer hierarchischen Bipolarität.48 Wie
andere Bipolaritäten auch, verwischen derartige Begriffe den Blick auf die Pluralität
der Gegenstände, die es eigentlich zu untersuchen gilt, stattdessen konstruieren sie
zwei Idealpunkte (die niemals zweifelsfrei bestimmbar sind) und ordnen alle zu be-
trachtenden Gegenstände irgendwo auf einer imaginären Linie zwischen diesen
Punkten ein. Dabei wird traditionellerweise ein Ideal dem anderen Gegenüber auf-
gewertet, wie es auch hier mit dem pejorativen Vokabular Austins und Searles der
Fall ist. Derrida nennt dieses Vorgehen zu Recht „metaphysisches Pathos“ 49.

Zum anderen bedient die Bipolarität Standard/Parasit mit Searles Beharren auf einer
logischen Abhängigkeit die metaphysische Geste, einen Ursprung benennen zu
wollen, welcher immer nur eine Fiktion darstellen kann:

Das Vorhaben, „strategisch“, ideal auf einen Ursprung oder eine einfache, intakte,
normale, reine, eigene Priorität zurückzugehen, um danach eine Ableitung, die
Komplikation, die Erniedrigung, den Zufall/Unfall [accident] und so weiter zu
denken.50
Derrida nennt dieses Vorgehen „idealistisch“51 und das „kontinuierlichste, tiefste und
mächtigste metaphysische Anliegen“52. Wenn man akzeptiert, dass Bedeutungen
von Zeichen(folgen) nicht statisch, sondern erst im Diskurs entstehen, macht die
Suche nach einem reinen Ursprung schlichtweg keinen Sinn, weil jeglicher Standard
nur in Relation zum Nicht-Standard (in diesem Fall dem Parasitären) an Bedeutung
gewinnt. Da man ihn also nur negativ mit Bezugnahme auf den Nicht-Standard
definieren kann, bleibt es sehr fragwürdig, warum er dem Nicht-Standard vorzu-
ziehen sei.

Der Ausschluss des Parasitären hat also auch einen metaphysischen Charakter. Und
dieser Charakter, so stellt Derrida fest, macht es unmöglich, dass die Ausschließung
nur „temporär“ sei, wie Searle mit Verweis auf seinen Aufsatz The Logical Status of
Fictional Discourse behauptet.53Der Ausschluss muss permanent bleiben, da man
sonst von Anfang an sich einer anderen Strategie hätte bedienen müssen.

Eine nachmetaphyische Vorstellung von Fiktion kann also nicht die Bipolarität von
Standard und Parasit aufrecht erhalten, schon gar nicht, wenn zwischen beiden

48
Ebd., S. 148.
49
Ebd.
50
Ebd. (Anmerkung vom Übersetzer)
51
Ebd.
52
Ebd.
53
Searle: Reiterating the Differences, S. 205.
Seite 11
Polen eine sogenannte logische Abhängigkeit bestehen soll. Das Verhältnis
zwischen fiktionalem und dem Diskurs über die außersprachliche Wirklichkeit muss
also anders beschrieben werden.

4.2. Die Intention im Text

Mit der Frage, ob die Fiktion einen Parasiten der Standard Sprache darstellt, ist das
Verhältnis von Intention und Text direkt verknüpft. So macht Searle die Autorintention
zum wesentlichen Faktor zur Feststellung, ob ein Zeichen fiktional ist oder nicht.
Aber auch in der Debatte zwischen Searle und Derrida spielt die Frage, ob und wie
ein Text überhaupt Intentionen transportieren kann, eine Rolle und beeinflusst
darüber den Status der Fiktion als Parasiten der normalen, an die Referenz ge-
koppelten Sprache.

Zunächst einmal gilt es, Searles wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen


fiktionalem und nicht-fiktionalem Diskurs hervorzuheben: Searle ist der Ansicht, dass
„der Autor eines fiktionalen Werkes vorgibt, eine Serie von illokutionären Akten,
normalerweise vom repräsentativen Typ, zu performen.“54 Damit verwendet Searle
ein „intentionales Verb“55. Andere Möglichkeiten, einen Text als Fiktion zu klassi-
fizieren, schließt Searle sogar bewusst aus:

Das identifizierende Kriterium, ob ein Text ein fiktionales Werk ist oder nicht, muss
mit Notwendigkeit in den illokutionären Intentionen des Autors liegen. Es gibt keine
textuelle Eigenschaft, syntaktisch oder semantisch, die einen Text als fiktionales
56
Werk identifizieren kann.
Die Entscheidung darüber, ob Zeichen aus einem fiktionalen Kontext stammen, ob-
liegt also nur der Instanz des Autors und seiner Absicht, einen fiktionalen oder einen
Text mit Wahrheitsanspruch zu schreiben, nicht in dem Text selbst oder in seinem
Paratext57 oder anderen Kontexten, die den Text umgeben. Auch liegt die Autorität

54
„[T]he author of a work of fiction pretends to perform a series of illocunary acts, normally of the rep-
resentive type.“ (Searle: The Logical Status Of Fictional Discourse, S. 325).
55
„Now pretend is an intentional verb: [...]“ (ebd., Hervorhebung im Original).
56
„[T]he identifying criterion for whether or not a text is a work of fiction must of necessity lie in the
illocutionary intentions of the author. There is no textual property, syntactical or semantic, that will
identify a text as a work of fiction.“ (Ebd.).
57
Dieser Begriff wurde Gérard Genette in dessen gleichnamigen Werk geprägt und bezeichnet Texte,
die neben dem eigentlichen Text stehen und zusätzliche Informationen über den Text liefern, z. B.
biografische Daten des Autors oder eine Gattungsbezeichnung (vgl. Wolf, Werner: Paratext, in:
Nünning, Ansgar (hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart 2004, S. 511-512).
Denkbar wäre es, den Paratext zum Identifikationskriterium zu machen, indem man berücksichtigt, wie
manche Paratexte (z. B. der Titel, aber am deutlichsten wohl die Gattungsbezeichnung) einen Text
Seite 12
nicht beim Leser, welcher zum Beispiel nach dem Ableben des Autors einen ur-
sprünglich an der Wahrheit orientierten Text als fiktiv klassifizieren könnte, wenn
dessen Wahrheitsgehalt nicht ausreicht.

Dass Searle mit dieser engen Festlegung auf die Autorenintentionen einen literatur-
theoretisch problematischen Schritt wagt, ist ihm durchaus bewusst, denn er
schreibt, dass es eine literaturtheoretische Schule gibt, die solche Intentionen aus
der Behandlung von Texten ausschließen möchte. 58 Er hält eine solche Ansicht
schlicht für „absurd“59:

Aber auf der grundlegendsten Ebene ist es absurd, anzunehmen, dass ein
[Literatur-]kritiker die Intentionen des Autors komplett ignorieren könnte, das sogar
so etwas wie das Identifizieren des Textes als Roman, Gedicht, selbst als Text,
bereits eine Behauptung über die Intentionen des Autors ist.60
Es kommt zu keiner weiteren Ausführung in dem Text, auch wird nicht auf andere
Texte verwiesen; Searle begnügt sich also mit dieser, sich über zwei Absätze er-
streckenden Festlegung, obwohl das Thema innerhalb der Literaturtheorie stark um-
stritten ist, auch schon zu seiner Zeit61. Zudem ist die Verwendung des Textbegriffes
hier alles andere als überlegt, sie wird ebenfalls an keiner Stelle weiter ausgeführt.

Dabei ist es klar, dass ein Text nur dann einer Gattung zugeordnet werden kann (und
damit auch dem fiktionalen Diskurs), wenn entsprechende Indizien dafür sprechen,
zum Beispiel der Paratext ‚Roman’ auf dem Buchdeckel oder aber ein Interview mit
dem Autor, in dem er sich zur Fiktionalität des Textes äußert. In jedem Fall wäre
dieses Indiz aber textuell und nicht außersprachlich, wie der Begriff Intention ver-
muten lässt. Absurd erscheint mir dagegen eher die Annahme, es bedürfe der
Intention des Autors, um etwas als einen Text zu klassifizieren. Hier tritt deutlich
hervor, dass Searle seinen Textbegriff nicht in literaturtheoretische Zusammenhänge
einordnet, sondern ihn weitestgehend unklar verwendet. Wie soll die Intention des
Autors dazu beitragen, dass etwas ein Text sein soll? Der Autor hat Zeichen ge-
schrieben und selbst wenn man die wesenhafte Eigenschaft der Zeichen, mit ihrem
Kontext (und damit mit der Autorintention) zu brechen, nicht akzeptieren möchte, so

direkt oder indirekt zu Fiktion erklären (so ist es bei dem Paratext ‚Roman’ eindeutig, dass der Text,
den er begleitet, fiktionale Elemente enthält).
58
Vgl. Searle: The Logical Status of Fictional Discourse, S. 325.
59
Ebd.
60
„[B]ut at the most basic level it is absurd to suppose a critic can completely ignore the intentions of
the author, since even so much as to identify a text as a novel, a poem or even as a text is already to
make a claim about the author’s intentions.“ (Ebd., Hervorhebung von mir).
61
Als Beispiel sei hier der Aufsatz von Roland Barthes La mort de l’auteur von 1968 genannt (vgl.
Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis (hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft,
Stuttgart 2000, S. 185-193).
Seite 13
ist es dennoch schwer vorstellbar, was diese Zeichen anderes darstellen sollen als
einen Text.

Eine bedeutende Rolle spielt die Intention und ihr Verhältnis zur Sprache auch in der
Debatte zwischen Searle und Derrida. So stellt Derrida bereits in Signatur Ereignis
Kontext fest, dass die Behauptung, dass jedes Zeichen durch Iterabilität konstituiert
ist, bedeuten muss, dass dieses „auch in Abwesenheit […] jeder anwesenden
Kommunikationsintention“62 funktionieren muss. Das heißt nicht, dass es keine
Intention mehr geben soll, sondern lediglich, dass „die Intention, die die Äußerung
beseelt, niemals sich selbst und ihrem Inhalt durch und durch präsent sein“63 kann.
Was das in der Konsequenz heißt, macht Derrida ebenfalls deutlich: Die Intention
wird „nicht mehr […] das ganze System der Äußerung steuern können.“64 Sie kann
also auch nicht als Unterscheidungskriterium dafür dienen, ob ein Zeichen im
fiktionalen Diskurs steht oder nicht.

Auch, wenn Searle an dem Konzept der Iterabilität wenig auszusetzen weiß 65, wider-
setzt er sich Derridas Position zur Intention:

Die Iterabilität von linguistischen Formen fördert und ist eine notwendige Be-
dingung besonders der Formen von Intentionalität, die charakteristisch für Sprech-
akte sind.66
Wie Derrida richtig erkennt, stellt das keinen Einwand gegenüber seiner These dar,
sondern lässt nur aus, dass die Iterabilität den „Bewusstseinscharakter oder ihre
Selbstpräsenz (aktuell, voll und adäquat), die Einfachheit ihres Wesens, ihre Unteil-
barkeit“67 einschränkt. Es lässt sich also festhalten, dass Searle nicht in der Lage ist,
eine Vorstellung von Intention zu formulieren, welche den Einsprüchen aus der
Dekonstruktion gerecht werden könnte und trotzdem noch als Unterscheidungs-
kriterium dafür dienen könnte, ob ein Zeichen in einem parasitären bzw. fiktionalen
Kontext steht oder nicht.

62
Derrida: Signatur Ereignis Kontext, S. 29.
63
Ebd., S. 40.
64
Ebd.
65
Searle: Reiterating the Differences. A Reply to Derrida, S. 199. An dieser Stelle muss noch an-
gemerkt werden, dass Searle zwar das Konzept der Iterabilität nicht verwirft, es aber wohl auch nicht
richtig verstanden hat, denn er reduziert es auf die reine Wiederholbarkeit und bringt es infolgedessen
mit der Typ/Token-Unterscheidung durcheinander (ebd.).
66
“The iterability of linguistic forms facilitates and is a necessary condition of the particual forms of
intentionality that is characteristic of speech acts.” (Ebd., S. 208.)
67
Derrida: Limited Inc a b c …, S. 165.
Seite 14
4.3. Halions Unterscheidung zwischen Parasitiertem und Parasiten

Eine Möglichkeit, das Verhältnis zwischen fiktionalem und dem Diskurs über die
außersprachliche Wirklichkeit unter Berücksichtigung von Derridas Kritik am
parasitären Status der Fiktion neu zu formulieren, bietet Kevin Halion in seinem Auf-
satz Parasitic Speech Acts: Austin, Searle, Derrida 68 an: Statt der Bipolarität
Standard/Fiktion schlägt er die Unterscheidung zwischen Parasitiertem und Parasit
vor69.

Zunächst einmal lässt sich fragen, warum man überhaupt noch von so etwas wie
einem Parasiten sprechen sollte. Halion gibt darauf folgende Antwort:

[E]s muss eine Kennung geben, mit der man feststellen kann, ob der
Sprecher/Schreiber etwas anderes als die gewöhnliche Bedeutung von dem, was
er sagt, meint, […] diese Kennung wird in einem Kontext sein, der nicht totalisiert
70
werden kann.
Halion ist also der Auffassung, dass man eines Mittels bedürfte, die Intention des
Sprechers festzustellen. Richtig ist sicherlich, dass dies allein über den Kontext ge-
schehen muss, es keine außersprachliche Instanz geben kann, welche regelt, was
einen Parasiten darstellen soll und was nicht. Obwohl Halion sich auf den vorher-
gehenden Seiten mit Derridas Kritik an der Sprechakttheorie auseinandergesetzt hat,
verwendet er dennoch weiterhin Begriffe wie gewöhnliche Bedeutung, die nahe legen
könnten, dass Bedeutungen fixierbar seien, oder Verben wie meinen, die nicht
zwingend die Aufbrechung von Intention durch die Sprache reflektieren.

Trotzdem ist Halions Erkenntnis, dass man nur noch zwischen parasitierten und
parasitierenden Sprechakten unterscheiden kann, ein Fortschritt, denn er berück-
sichtigt, dass diese Unterscheidung mangels außersprachlicher Instanz niemals ab-
solut gemacht werden kann:

Aber man kann niemals entscheiden, dass man es nicht mit einem Parasiten zu
tun hat, weil dies eine Kenntnis des vollständigen Kontextes mit sich bringen würde
und dies, wie wir gesehen haben, nicht möglich ist.71
Im Gegensatz zu Searle, welcher eine absolute Entscheidung darüber, ob ein Text
eine Fiktion darstellt oder nicht, mithilfe der Autorintention feststellen wollte, ist es mit
Halions Ansatz also nicht mehr möglich, einen Text definitiv als Fiktion zu be-

68
Halion, Kevin: Parasitic Speech Acts: Austin, Searle, Derrida, S. 161-172, in: Pellauer, David
(hrsg.): Philosophy Today 36:2, Chicago 1992.
69
Ebd., S. 170.
70
“[T]here must be some mark to determine whether a speaker-writer means something different than
the literal meaning of what he says, […] that mark will be in a context that cannot be totalized.” (Ebd.)
71
“But one can never decide that one is not dealing with a parasite because that would involve being
aware of the total context and, as we have seen, that is not possible.” (Ebd.)
Seite 15
zeichnen, sondern nur noch mit Verweis auf den Kontext. Die Unterscheidung bleibt
also notwendigerweise „verschwommen“72. Halion setzt sich damit bewusst von der
Ansicht, die er Derrida nachweist, ab und besteht darauf, die Unterscheidung
zwischen Parasitiertem und Parasiten trotz ihrer Verschwommenheit als „legitime,
konzeptuelle Unterscheidung“73 beizubehalten.

Auch ohne eine definitive Entscheidung darüber, ob man nur noch klare Unter-
scheidungen beibehalten darf, kann man an Halions Konzept zweifeln. Zum einen
verwendet er sehr fragwürdiges Vokabular, wenn er weiterhin von Parasiten spricht.
Der Begriff ist von Derrida zu Recht kritisiert worden, nicht nur weil er pejorativ ist.
Zudem bindet Halion den Begriff in eine eigenwillige Unterscheidung ein, die der
alten Bipolarität nur insofern überlegen ist, als dass sie ein strikt relationales Verhält-
nis abbildet. Dass man darunter auch weiterhin eine Searles logische Abhängigkeit
des Parasiten vom Standard verstehen kann, ist ein deutliches Problem, da somit
weiterhin zwischen einem richtigen oder besseren und einem schlechteren,
parasitären Gebrauch von Sprache unterscheiden kann.

Abschließend zu Halions Unterscheidung muss man sich fragen, was diese Unter-
scheidung für einen Vorteil mit sich bringt. Wenn Halion einsieht, dass Bedeutung
vom Kontext abhängt, warum führt er dann noch eine Unterscheidung zwischen
einem Gebrauch der Sprache, der mit gewöhnlichen Bedeutungen arbeitet und
einem, der diese gewöhnlichen Bedeutungen parasitiert? Meiner Auffassung nach
führt Halions Beispiel vor Augen, dass die Rede von der Fiktion als Parasiten, wenn
sie mit der grundsätzlichen Kritik Derridas konfrontiert wird, entweder unhaltbar wird
oder nur noch als eigentlich obsolete Unterscheidung fortbestehen kann.

5. Wahrheit als Standard Story

Nachdem gezeigt wurde, in welche Probleme der traditionelle Begriff von Fiktion,
insbesondere der von Searle gelangt, wenn man ihn der postanalystischen Kritik von
Rorty und den dekonstruktivistischen Anmerkungen von Derrida und weiteren
Rezipienten der Debatte zwischen Searle und Derrida gegenüberstellt, besteht nun
noch die Frage, welche Vorstellung von Fiktion und ihrem Verhältnis zu
konstatierenden Sätzen und Texten man noch behaupten kann. Zunächst einmal fällt

72
“fuzzy” (Ebd., S. 171).
73
“legitimate conceptual distinction” (Ebd.).
Seite 16
es schwer, noch einen Unterschied festzumachen, wenn jegliches Zeichen, un-
abhängig von seinem Kontext keine festlegbare Bedeutung mehr hat. Dennoch be-
steht meiner Auffassung nach noch ein Unterschied zwischen den Sätzen, die Searle
als Standard bezeichnet hat, und jenen (wie der Fiktion), welche er parasitär nannte,
wenn auch kein metaphysischer mehr, noch einer, der metaphysischen Implikationen
bedürfte.

Eine Möglichkeit, einen Unterschied von nicht-metaphysischer Natur vorzubringen,


ist Stanley Fishs Idee einer sogenannten Standard Story74, die den ernsten Diskurs
(über die Realität) ablösen könnte. Über den Unterschied zwischen Parasitärem und
Nicht-Parasitärem stellt Fish einleitend zu der Problematik fest:

Aber folgt daraus [aus der Unterscheidung von ernstem und fiktionalem Diskurs]
nicht, [...] dass dies eine Unterscheidung zwischen dem Realen und dem Nicht-so-
Realen ist; eher ist es eine zwischen zwei Systemen von Diskurskonventionen
(zwei Stories) , die sicherlich unterschieden werden können, aber nicht auf einer
Skala der Realität.75
Hierbei fällt auf, dass Fish, der seinen Begriff der Standard Story mit der Sprechakt-
theorie entwickelt, dieser der Festlegung auf Stories als „Systeme[..] von Diskurs-
konventionen“76 treu bleibt, denn eine Konvention bildet die Grundlage für (ge-
lingende) Kommunikation; diese behält also ihr Primat über einer generellen Theorie
der Sprache wie der Derridas. Wie an anderer Stelle77 bereits sichtbar, geht es ihm
hierbei um eine Aufweichung der Gegenüberstellung von performativen und
konstativen Sätzen zugunsten des performativen Gehaltes in jedem sprachlichen
Zeichen, die er bereits bei Austin selbst festgestellt haben will.

Mit der Standard Story wird alles, das als wahr angesehen wird, institutional. Es lässt
sich also weiterhin sagen, dass Nixon78 existiert, aber nicht mehr mit Verweis auf die
Fakten einer außersprachlichen Welt, sondern mit Verweis auf die institutionalisierte
Standard Story, in der Nixon vorkommt 79.Diese Standard Story gewährleistet die

74
Vgl. Fish, Stanley: How To Do Things with Austin and Searle: Speech-Act Theory and Literary Criti-
cism, S. 239-244, in ders.: Is There a Text in This Class? The Authority of Interpretive Communities,
Cambridge 1980, 197-245.
75
„[B]ut it does not follow, [...], that this is a distinction between the real and the not-so-real; rather, it is
one between two systems of discourse conventions (two stories) which certainly can be differentiated,
but not on a scale of reality.“ (Ebd., S. 239; ich habe mich entschieden, den Begriff der Story hier bei-
zubehalten, weil er meiner Auffassung durch Fish eine Ausweitung erfährt.)
76
Ebd.
77
Vgl. Fish, Stanley: With the Compliments of the Author: Reflections on Austin and Derrida, in:
Mitchell, W. J. T. (hrsg.): Critcal Inquiry, Nr. 8:4, Chicago 1982, S. 693-721.
78
Dieses Beispiel entlehnt Fish von Searles Idee, sich als Nixon auszugeben (vgl. Searle: The Logical
Status of Fictional Discourse, S. 324-325).
79
Vgl. Fish, Stanley: How To Do Things with Austin and Searle. Speech-Act Theory and Literary Criti-
cism, S. 240.
Seite 17
Unterscheidung von richtig und falsch weiterhin, allerdings als „Funktion der außer-
theoretischen Vereinbarung der Standard Story“80. Wie auch schon Rorty81 möchte
Fish auf die Referenz zur außersprachlichen Wirklichkeit verzichten, da es seiner
Auffassung nach genügt, einen Gegenstand in einem Gespräch identifizieren zu
können, man muss keine Aussage zur Referenz tätigen, um Kommunikation be-
treiben zu können82. Als Konsequenz aus dieser Ansicht ist er der Auffassung, „dass
wenig verloren geht, wenn der Kontext [der die Wahrheit einer Aussage bestimmt]
als eine Story gedacht wird, die über die reale [außersprachliche] Welt erzählt
wird.“83

Dass dieses Konzept mit Searles Fiktionsbegriff kompatibel ist, zeigt Fish, indem er
Searle zitiert: „Es ist die vorgegebene Referenz, die einen fiktionalen Charakter
kreiert und das gemeinsam Vorgegebene, das es uns ermöglicht, über den
fiktionalen Charakter zu sprechen.“84 Fish ist angesichts dieses Zitates der Auf-
fassung, dass uns das gemeinsam Vorgegebene das Sprechen als solches (und
nicht nur das über Fiktion) ermöglicht. Meiner Auffassung nach ist hier die Über-
nahme von Searles Vokabular ein Fehler: Wenn überhaupt, kann man von zufälligen
diskursiven Überschneidungen85 bezüglich eines Gegenstandes sprechen, welche
Kommunikation ermöglichen, da Vorgegebenes nach wie vor ein Ausdruck mit einer
intentionalen Dimension ist, womit man sich wieder der hochproblematischen
Autorintention unterwirft. Diese wäre zwar kein Unterscheidungskriterium mehr dafür,
ob ein Text fiktional ist oder nicht, verbliebe aber als ungeklärte Größe in der Theorie
von Sprache.

Fish merkt außerdem am Ende seines Abschnittes zur Standard Story an, dass
dieses Konzept wenig an der Sprechakttheorie ändert und wie nah sein Konzept an
der traditionellen Unterscheidung von Wahrheit und Fiktion ist:

80
Ebd., S. 241.
81
Vgl. Rorty: Is There a Problem about Fictional Discourse?, S. 116.
82
Fish, Stanley: How To Do Things with Austin and Searle. Speech-Act Theory and Literary Criticism,
S. 242.
83
[...] that little is lost if the context is thought of as a story that has been told about the real world.“
(Ebd., S. 242, Hervorhebung im Original.)
84
„It is the pretended reference which creates the fictional character and the shared pretense which
enables us to talk about the character.“ (Searle: The Logical Status of Fictional Discourse, S. 330.)
85
Mit zufälligen diskursiven Überschneidungen ist an dieser Stelle gemeint, dass Kommunikation
dadurch ermöglicht wird, dass alle Kommunizierenden ausreichende Gemeinsamkeiten bezüglich der
Diskurse, die einen Gegenstand betreffen, aufweisen. Diese Überschneidungen wirken jedoch zu-
fällig, da die Iterabilität der Zeichen innerhalb der Diskurse keine Überschneidungen im Sinne einer
Identität ermöglichen kann, sondern höchstens ein zufälliges Verstehen ermöglicht, da jedes Zeichen
innerhalb eines Diskurses bei seinem Vorkommen einen neuen, anderen Kontext aufweist.
Seite 18
[E]s ist nur, dass der Standard nicht [mehr] brutal, sondern institutional, nicht
[mehr] natürlich, sondern gemacht ist. Was beachtlich erscheint, ist, wie wenig dies
ändert: Fakten, Konsequenzen, Verantwortlichkeiten, sie fallen nicht weg, sie be-
stehen fort und machen die Welt [...] lebendig, indem sie die Bedeutungen unserer
Stories (Standard und andere) erschaffen.86
Die Fiktion ist also lediglich eine Nicht-Standard Story, ihren Status als Fiktion be-
kommt sie aber erst aus einer Standard Story, er ist also diskursiv (und damit beweg-
lich) und nicht ontologisch. Die Autorität der Standard Stories erklärt, warum man im
Alltagsgebrauch Wörter wie Wahrheit, Fiktion und Ernsthaftigkeit benutzt, die so aus-
sehen, als würde man mit den benutzten Wörtern Aussagen über die (außersprach-
liche) Realität machen, obwohl man eigentlich nur über eine Standard Story spricht.

6. Abschluss

Es hat sich gezeigt, dass der Begriff der Fiktion nicht aufgegeben werden muss nach
den postanalytischen und dekonstruktivistischen Einsprüchen, wie ich sie am Bei-
spiel von Searles Fiktionsbegriff und der Kritik an ihm gezeigt habe. Vielmehr kann
man daran festhalten, dass es einen fiktionalen Diskurs gibt, der anhand seines
Kontextes identifiziert werden kann. Dieser genügt vollständig, um mit gerecht-
fertigten Behauptungen (Rorty) die Kommunikation aufrecht zu halten und bedenkt
gleichzeitig, dass durch die Iterabilität, die alle Zeichen konstituiert, eine Bedeutung
oder eine Intention niemals absolut erfassbar macht (Derridas Einwand). Mit dem
Konzept der Standard Story lässt sich zudem eine Möglichkeit ausmachen, die Be-
griffe Wahrheit und Fiktion in ein integrales Konzept einzubetten, das nicht auto-
matisch an dem Alltagsgebrauch der Wörter scheitert.

Damit sind zum einen die Einsprüche berücksichtigt und zum anderen Derridas Be-
hauptung, „daß es Wahrheit, Referenz und stabile Interpretationskontexte gibt und
geben muß“87, welche er im Nachwort des Buches Limited Inc. begleitet von der Ein-
schränkung, „daß es keine absolute, ewige, unantastbare, natürliche Stabilität gibt“88,
äußert, bestätigt.

86
„[I]t is just that the standard is not brute, but instutional, not natural, but made. What is remarkable is
how little this changes: facts, consequences, responsibilities, they do not fall away, they profilerate
and make our world [...] alive with the significances our stories (standard and otherwise) create.“
(Ebd., S. 243.)
87
Derrida: Nachwort. Unterwegs zu einer Ethik der Diskussion, S. 230.
88
Ebd., S. 231.
Seite 19
Bemerkbar ist das Konzept der Standard Story auch, weil es so viele Perspektiven
ermöglicht. So wäre es zum Beispiel möglich, mit ihm auch als starker Textualist 89
die Frage zu beantworten, wie es möglich ist, dass fiktionale Texte Emotionen aus-
lösen90. Ein weiterer spannender Punkt wäre die Untersuchung der ideologie-
kritischen Funktion der Fiktion vor dem Hintergrund dieses Konzeptes.

89
Diese Bezeichnung stammt von Rorty. Mit ihr bezeichnet er ein Typ Philosophen/Theoretiker,
welcher den Satz „Es gibt nichts außerhalb des Textes“ aus Derridas Grammatologie (Derrida,
Jacques: De la Grammatologie, Paris 1967, S. 142; zitiert nach der Übersetzung des Zitats in Reese-
Schäfer, Walter: Rorty zur Einführung, Hamburg 2006, S. 75) unterschreiben würde und der „sich
nicht um die Unterscheidung zwischen Entdecken und Erschaffen, Auffinden und Selbermachen
[kümmert]“ (ebd.).
90
Radford, Colin u. Weston, Michael: How can we be Moved by the Fate of Anna Karenina?, in: Pro-
ceedings of the Aristolelian Society Nummer 29, Cambridge 1975, S. 67-93.
Seite 20
7. Verwendete Literatur

Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis (hrsg.): Texte zur
Theorie der Autorschaft, Stuttgart 2000, S. 185-193.
Derrida, Jacques: De la Grammatologie, Paris 1967.
Derrida, Jacques: Limited Inc a b c . . ., in: ders.: Limited Inc, Wien 2001, S. 53-
168.
Derrida, Jacques: Nachwort. Unterwegs zu einer Ethik der Diskussion, in: ders.
Limited Inc., Wien 2001, S. 171-238.
Derrida, Jacques: Signatur Ereignis Kontext, in: ders.: Limited Inc., Wien 2001,
S. 15-45.
Engelmann, Peter: Vorwort, in: Derrida, Jacques: Limited Inc., Wien 2001, S.
11-13.
Fish, Stanley: How To Do Things with Austin and Searle: Speech-Act Theory
and Literary Criticism, S. 239-244, in ders.: Is There a Text in This Class? The
Authority of Interpretive Communities, Cambridge 1980.
Fish, Stanley: With the Compliments of the Author: Reflections on Austin and
Derrida, in: Mitchell, W. J. T. (hrsg.): Critcal Inquiry, Nr. 8:4, Chicago 1982, S.
693-721.
Halion, Kevin: Parasitic Speech Acts: Austin, Searle, Derrida, S. 161-172, in:
Pellauer, David (hrsg.): Philosophy Today 36:2, Chicago 1992.
Radford, Colin u. Weston, Michael: How can we be Moved by the Fate of Anna
Karenina?, in: Proceedings of the Aristolelian Society Nummer 29, Cambridge
1975, S. 67-93.
Reese-Schäfer, Walter: Rorty zur Einführung, Hamburg 2006.
Rorty, Richard: Is There a Problem about Fictional Discourse?, in: ders. Conse-
quences of Pragmatism, Brighton 1982, S. 110-138.
Searle, John: Reiterating The Differences. A Reply to Derrida, in: Weber, Sam-
uel (hrsg.): Glyph: John Hopkins textual studies, S. 198-208.
Searle, John: The Logical Status of Fictional Discourse, in: Cohen, Ralph
(Hrsg.): New Literary History Nr. 6:2, Baltimore 1975.
Wolf, Werner: Paratext, in: Nünning, Ansgar (hrsg.): Metzler Lexikon Literatur-
und Kulturtheorie, Stuttgart 2004, S. 511-512.

Seite 21
Plagiatserklärung
Hiermit versichere ich, dass die vorliegende Arbeit über Postanalytische und de-
konstruktivistische Kritik an Searles Fiktionsbegriff selbstständig verfasst worden ist,
dass keine anderen Quellen und Hilfsmittel als die angegebenen benutzt worden
sind und dass die Stellen der Arbeit, die anderen Werken – auch elektronischen
Medien – dem Wortlaut oder Sinn nach entnommen wurden, auf jeden Fall unter An-
gabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht worden sind.

(Unterschrift)

Seite 22

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