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›Tätern helfen? Wen kümmert’s? Wer kümmert sich?


Täterarbeit zwischen Politik der Missachtung
und Behandlungsanspruch
– ein politisch-philosophischer Diskurs –*
Dr. Ulrich Kobbé

Ob ich des Rechtes Mauer


Die hohe oder krummer Täuschung
Ersteig‘ und so mich selbst
Umschreibend, hinaus
Mich lebe, darüber
Hab ich zweideutig ein
Gemüth, genau es zu sagen.
Hölderlin1

In der Einladung zu diesem Vortrag zum Thema ›Tätern helfen?‹ wurde eine sozialpsychologische
und – wie mir in den Vorgesprächen mit den Veranstaltern deutlich wurde – eine auch politisch-
philosophische Thematisierung und Reflektion erbeten. Als Grundsatzreferat soll inhaltlich demzu-
folge auf die praktischen Widersprüche und die dahinter verborgene Ambivalenz im Umgang mit
Täterarbeit abgestellt werden – ein Zwiespalt, der die Dichtotomien von ›Missachtung versus Be-
achtung‹, von ›Verachtung versus Achtung‹, von ›Ächtung versus Hochachtung‹ aufgreift. Mit die-
ser Polarisierung befinden wir uns allerdings in einer Verstrickung, die sich als Dilemma jeder
Handlung und Behandlung erweist, der in irgendeiner Weise sowohl Anteile der Hilfe wie des
Zwangs oder der Kontrolle eigen sind. Dieses Entweder-Oder suggeriert scheinbare Alternativen –
›Ächtung oder Achtung‹ beispielsweise oder ›Zwang oder Hilfe‹ - und es erzwingt eine Parteinah-
me die sich allerdings als unter Umständen ethisch-moralisch wenig zufrie-
denstellende oder praktisch unbrauchbare Wahl entpuppt. Polarisierung
und Formulierung eines Dilemmas behindern das Denken und fixieren ge-
radezu hypnotisch auf die Auseinandersetzung mit diesen scheinbaren Al-
ternativen. Wenn also dem Denken Fesseln angelegt werden, dann muss
es – systemisch betrachtet – darum gehen, sich zu entfesseln2, konventio-
nelle Wahrnehmungs- und Denkmuster aufzubrechen und die kognitiv-
affektiven Interferenzen als mit „erworbenen Sinneinsprengseln“ durchsetz-
ten „offenen Horizonten“ zu nutzen.3 (Der Herstellung dieser [ap]perzepti-
ven und kognitiven Interferenz dienen unter anderem die in den Text einge-
streuten, Rabelais zugeschrieben Bilddarstellungen4, Exkurse wie Enzens-
bergers ›Hommage à Gödel‹ ...)

Sie merken schon: Es geht um die Kunst des Umwegs. Vielen von Ihnen dürfte der Name Harry
Houdini ein Begriff sein: Houdini war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein international be-
kannter und kreativer Illusionist, Zauber- und Entfesselungskünstler, sprich, ein Meister der Ent-
fesselung aus unmöglich erscheinenden Verstrickungssituationen. Seine Kunst war, seine Fertig-
keit bestand darin, a) den Atem anzuhalten und b) höchst beweglich zu sein.

Benutzen wir also Houdini als Modell dafür, das Entweder-Oder nicht reflexhaft-unreflektiert zu be-
antworten, sondern inne zu halten, um ein bewegliches Bewusstsein zu erlangen und zu versu-
chen, das ethische Dilemma diskursiv zu durchdenken. Diskursives Denken beinhaltet – von „dis-
currere“ = Durchlaufen, Punkt für Punkt durchgehend, abgeleitet – einen politisch-philosophischen
*
Vortrag. Fachkongress ›Grenzen setzen – Verantwortlich machen – Veränderung ermöglichen‹ Methoden und Konzepte in der Arbeit
mit Tätern häuslicher Gewalt, Oldenburg, 05.-06.12.2001.
Kobbé: Täter behandeln? - 2-
Gang zu wagen: Einen Gedankengang, der das „bearbeitet, was Realität genannt wird“, indem er
sie „häutet“ und „ihre Kriterien außer Kraft“ setzt5, sprich, der die Ansprüche von „political correct-
ness“ zurückweist, sich von diesen frei gemacht hat.
Ich will also versuchen, dieses Spannungsverhältnis von ›Missachtung
Theodor W. Adorno
und Beachtung‹, von ›Ächtung und Achtung‹, an einigen – sagen wir – Ernst Bloch
›Dollpunkten‹ etwas konkreter fassen zu können. Da es kein voraus- Norbert Elias
setzungsloses Denken gibt, wird sich dieser Versuch, die Vorausset- Hans Magnus Enzensberger
Sigmund Freud
zungen des eigenen Denkens und Handelns einzuholen, auf eine Erich Fromm
Reihe von «maîtres penseurs», von theoretischen Meisterdenkern, André Glucksmann
6 Kurt Gödel
stützen. Georg Wilhelm
Friedrich Hegel
Die Thematik des Umgangs mit den Tätern, ihrer Behandlung, bein- Friedrich Hölderlin
Max Horkheimer
haltet immer ein Verhältnis von Praxis und Ethik. Wenn soziales Han- Franz Kafka
deln von einem Zweck bestimmt wird, wenn der Zweck das Maß einer Immanuel Kant
Vernunft ist, dann wird schnell ignoriert, dass soziales und politisches Pierre Klossowski
Jacques Lacan
Handeln im Umgang mit den Infragestellungen durch soziale Devianz Ronald D. Laing
nur allzu leicht zur Spielfläche von Affekten wird und damit einem Thanos Lipowatz
Jean-François Lyotard
Prinzip der Vernunft zu folgen hat, das nichts anderes ist als die ver- Herbert Marcuse
nünftige Übereinkunft der Bürger. Anders ausgedrückt: An der Art, wie Avishai Margalit
sie mit ihren Aussenseitern umgeht, erweist sich der Reifegrad einer Karl Marx
Maurice Merleau-Ponty
Gesellschaft ...7 Alexander Mitscherlich
François Rabelais
Denn es gilt, unsere Kategorien von ›Opfer‹ und ›Täter‹ zu hinterfra- Donatien-Alphonse-
François de Sade
gen, ohne die Verantwortlichkeit der Misshandler zu negieren. Dies- Jean-Paul Sartre
bezüglich plädiert Spoden8 für „eine konstruktive Konfusion“, die es Slavoj Žižek
durchzuarbeiten gelte und die – gestützt auf neuere Untersuchungen
– dabei helfen solle, das Schema ›Täter = Mann‹ und ›Opfer = Frau‹ ins Wanken zu bringen. In der
Tat umfasst der Begriff ›häusliche Gewalt‹ ja lediglich Formen physischer, sexueller, psychischer,
sozialer und emotionaler Gewalt ohne dass Täter und Opfer benannt werden. Dies verlangt uns
ab, die jeweilige Analyse des Geschlechterverhältnisses in jedem Einzelfall neu zu leisten, denn
immerhin seien – so gelegentlich versuchte Differenzierungen – nach dem gegenwärtigen Stand
der Forschung angeblich bis zu einem Drittel (!?) der Misshandler weiblich. Dass derartige (Tatsa-
chen?-)Feststellungen nunmehr zu so einseitig-diffamierenden Überschriften wie ›Häusliche Ge-
walt ist weiblich‹9 oder ›Wer schlug zuerst, der Mann oder die Frau?‹10 führt und beispielsweise so
diffamierende Etikettierungen wie ›Familienterroristinnen‹11 oder ›Staats-
feminismus‹12 gebiert, ist nichts anderes, als die Fortsetzung polarisieren-
den Geschlechterkampfes, sprich eines rein strategischen – männlichen -
Diskurses. Doch wenn ›Recht haben‹ – ›Recht bekommen‹ – ›Recht behal-
ten‹ den jeweiligen Diskurs bestimmen, dann geht es nicht um tatsächliche
Auseinandersetzung, sondern um eine Logik des ›Haben oder Sein‹13. Das
heißt, es geht um eine Form der Entfremdung, bei das Subjekt von seiner
menschlichen Natur – so auch von anderen Menschen – dergestalt ent-
fremdet ist, dass er mit sich nur durch die von ihm geschaffenen Dinge
Kontakt hat. Innerhalb der so versteinerten Beziehungsverhältnisse geht es
um Besitz- und Warenverhältnisse, sprich, um den Anderen als verfügba-
res Objekt, als Ware, um ihn als Tauschwert und um meinen Mehrwert.

Wenn die scheinbar rationale Vernunft zu einer affektiven Größe wird, dann verlangt die Praxis so-
zialen Handelns – so Lipowatz14 – „weder eine Ethik der sachlichen Verantwortung, noch eine
Ethik der Gesinnung, sie verlangt nur eine Ethik des Begehrens". Wenn der Ort des sozialen Han-
delns, also auch der Ort der Täterarbeit, als ein phantasmatischer Schauplatz zu verstehen ist,
dann wird dort der Wunsch nach einer effektiven Einflussnahme auf den Täter – sei er nun von
Rache- und Vergeltungsgefühlen gespeist oder mit Vernunftgründen unterfüttert – an diesem Ort
keineswegs erfüllt, sondern als Begehren nur ›artikuliert‹, das heißt, dort nur realisiert und insze-
niert. Damit wird evident, warum und wie sehr soziales Handeln einer Ethik respektive eines ethi-
schen Gesetzes bedarf, warum der Begriff des Gesetzes unmittelbar mit dem des Begehrens ver-
bunden und wie das begehrende Subjekt an dieses Gesetz gebunden ist.15
Kobbé: Täter behandeln? - 3-
Wie ist dies zu verstehen? Klassisch findet sich die Ethik des Begehrens bei Kant als ethisches
Gesetz im sogenannten ›kategorischen Imperativ‹ formuliert, doch gibt es historisch fast zeitgleich
bei de Sade die Herausarbeitung eines konsequenten Prinzips oder universellen Rechts auf Frei-
heit als spiegelverkehrte oder Anti-Ethik zu Kant.

Zunächst zum kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zu-
gleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."16 Der Begriff des Gesetzes gibt
bereits an, dass Kant das ethische Subjekt primär als Rechtssubjekt denkt. Das heisst, als ein
dermaßen verrechtlichtes und in extremer Weise so auf politische Gesetze und juristische Kodifi-
zierungen reduziertes Subjekt, dass individualethische Normen nicht – nicht mehr – als gleichbe-
rechtigt begriffen und realisiert werden können. Da das allgemeine Gesetz bei Kant aber so extrem
abstrakt bleibt, entsteht – so Lipowatz17 – ein Paradoxon: „Identifiziert sich
das Subjekt mit dem Gesetz, dann verpasst es mit Sicherheit das Objekt des
Begehrens; verleugnet es aber das Gesetz, dann vergisst es sich selbst und
wird zum bloßen Nichts“. Anders formuliert beinhaltet dies folgenden in-
trapsychischen Konflikt:
Richte ich mich nach dem Gesetz, verpasse ich mich, indem ich mein
Begehren ignoriere und ich selbst zu kurz komme.
Lebe ich aber mein Begehren, ›vergesse‹ ich mich und gerate ich in Ge-
wissenskonflikte.
Das Gesetz tritt dem Subjekts sozusagen als Stimme aus dem ›off‹ gegen-
über, als abstrakte Maxime einer reinen praktischen Vernunft beziehungs-
weise eines Willens. Gerade da das Subjekt dieses Gesetz kein konkretes Objekt hat, weil es real
nicht erfahrbar ist, erscheint uns der kategorische Imperativ Kants meist so lebensfern-abstrakt.

De Sade hingegen formuliert eine durchaus anschauliche ethische Philosophie. Bei ihm werden in
konsequenter Fortführung cartesianischen Denkens alle Normen und Werte „bis hin zum Wesens-
begriff des Menschen einer ausschließlich szientistischen Vernunft unterworfen und damit verwor-
fen. Was dieser aufklärerischen Vernunft übrigbleibt, ist u.a. ein Verständnis des Menschen als ein
Ding unter anderen Dingen – ohne Vorrang, ohne Spezifität“ 18. De Sade schreibt, zwar habe man
„kein Anrecht auf Eigentum“ am Anderen, doch habe man „sicher das Recht, ihn zu geniessen"
und „ein unbestreitbares Recht [...], diesen Genuss zu erzwingen" 19. De Sades Maxime lautet zu-
sammengefasst: „Ich habe das unbestreitbare Recht, deinen Körper zu genießen, und ich habe
das Recht, diesen Genuss zu erzwingen, wenn er mir, aus welchem Grunde auch immer, verwei-
gert wird“ 20. Dieses Gesetz ist ein Beziehungsmodell, dessen Anti-Ethik jede Gegen- und Wech-
selseitigkeit schlechthin ausschließt und dessen Asymmetrie – in Polarisierung zu Kants morali-
schem Gesetz – ausschließlich egozentrisch und frei nach dem Anderen zu trachten scheint. In je-
dem Fall stellt es sich als allgemeines Phantasma einer nicht-umkehrbaren Beziehung dar, in dem
das unbewusste Verhältnis des Subjekts zu (s)einem Objekt inszeniert wird, an dem sich das Ver-
hältnis von Begehren und Genießen veranschaulichen lässt. Doch, muss man einwenden, gerade
das von de Sade als ›frei‹ postulierte Subjekt droht unfrei zu werden, wenn der Andere zum bloßen
Instrument des Genießens, mithin zum Fetisch, wird und wenn sich das Subjekt zum Mittel seines
eigenen Zwecks verobjektiviert.21

Sie werden diese Thematisierung von de Sade als Philosoph befremdlich, vielleicht auch anstößig
finden, und doch hat das eben skizzierte Modell einer spiegelverkehrten Ethik des Begehrens hier
– wie wird gleich sehen werden – seinen Sinn. Wenn wir nach den ethisch-moralischen Maximen
des Handelns fragen, werden wir als Mitglieder einer christlich geprägten
Kultur unweigerlich auf das alttestamentarische Gebot der Nächstenliebe
stoßen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann jedoch zu nächst her-
aus, dass es sich bei dem „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst“ im 3. Mose, Kap. 19, Vers 18, um ein biblisches Sozialgesetz han-
delt, mit dessen Formulierung – und Anwendung – damals gerade für die
sozial Gefährdeten am Rande der Großfamilie, für die Witwen und Waisen,
für die Sklaven und Fremden ein geschärftes Rechtsbewusstsein entwickelt
werden sollte. Historisch bezieht sich dieses Gebot auf die Mitglieder der
eigenen Familie, des eigenen Stamms als den Nächsten – erst in späterer
Auslegung durch die institutionalisierte Kirchenlehre wird uns abverlangt,
Kobbé: Täter behandeln? - 4-
unterschiedslos jeden Nächsten wie uns selbst zu lieben.

Genau dagegen aber wendet Freud ein, dieses Kulturideal sei nicht nur unmenschlich, weil uner-
füllbar – es sei darüber hinaus Ausdruck der konstitutionellen Aggressionsneigung des Menschen.
Nachdem er zunächst erörtert, er würde nicht widersprechen, wenn das Gebot hieße: „Liebe dei-
nen Nächsten wie dein Nächster dich liebt“, macht Freud an dem für ihn noch unfassbareren Ge-
bot „Liebe deine Feinde“ darauf aufmerksam, dass beides paradoxerweise dasselbe ist. Er
schreibt: „Eben darum, weil der Nächste nicht liebenswert und eher dein Feind ist, sollst du ihn lie-
ben wie dich selbst“. Denn der Mensch sei grundsätzlich kein „sanftes, liebesbedürftiges“, sondern
ein Wesen mit „einem mächtigen Anteil von Aggressionsneigung“. Infolgedessen sei ihm „der
Nächste nicht nur möglicher Helfer und Sexualobjekt, sondern auch eine Versuchung, seine Ag-
gression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschädigung auszunützen, ihn ohne sei-
ne Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demüti-
gen, ihm Schmerzen zu bereiten, zu martern und zu töten.“ 22

„Die Hölle, das sind die anderen“, bringt Sartre dies auf den Punkt. Lacan führt diesen Gedanken
weiter und schreibt: „Ich weiche davor zurück, meinen Nächsten wie mich selbst zu lieben, weil an
diesem Horizont etwas ist, das an – ich weiss nicht was für einer – unerträglichen Grausamkeit
partizipiert. In diesem Sinne kann die Nächstenliebe der grausamste Weg sein.“23 (Dass, wie der
Volksmund unter Bezugnahme auf Descartes persifliert, sich jeder selbst der Nächste ist, erhält so
ein völlig neue Perspektive.) Der Nächste, das ist in einer Arbeit von Klossowski 24 ausgerechnet de
Sade, dessen Phantasma sich – wie Lacan anmerkt – „den Stützpfeilern der christlichen Ethik ein-
gliedert“. Allerdings, fügt er hinzu, „würde de Sade „es von sich weisen, mein Nächster zu sein“.

Doch auch einen anderen Punkt hebt Lacan nachdrücklich hervor: „Du sollst deinen Nächsten lie-
ben wie dich selbst“ ist ein Gebot, das dies für den Anderen ohne Ansehen der Person fordert. Das
heisst, man liebt den Nächsten nicht, weil er er ... sondern weil er der Nächste ist. Damit aber wird
dieser Nächste entindividualisiert, soll er um eines Prinzips Willen geliebt werden und nicht um
seiner selbst. Just hier trifft sich die ethische Konzeption von de Sade mit der des christlichen Ge-
bots: Indem ich den anderen auf irgendeinen Nächsten reduziere, wird er zum – anonymen – Ob-
jekt der Nächstenliebe, wird er zum Fetisch, zum Phantasma 25. Und diese Praxis ist fraglos per-
vers, indem der Andere – wie in der sexuellen Perversion – dadurch charakterisiert ist, dass er
nicht Individuum ist sondern Objekt des Genießens, dass er einem Zweck des Begehrens dient
und dass dieses Begehren – sei es sexualaggressiv oder scheinbar selbstlos-hilfreich – meiner
Befriedigung dient. Wenn Lacan ausführt, dies sei letztlich „ein Fall von Nekrophilie“ 26, dann präzi-
siert Žižek dies hinsichtlich der Intoleranz als Gewaltmoment der Liebe und führt aus, ohne Rück-
sicht auf Unterschiede lieben zu wollen bzw. zu sollen, hieße Tote zu lieben, da nur im Tod alle
Differenzen aufgehoben sind.

„Mein Egoismus“, schreibt Lacan, „befriedigt sich sehr wohl an einem bestimmten Altruismus, [...]
der sich auf die Ebene des Nützlichen stellt“, denn: „Was ich will, das ist das Wohl der anderen
nach dem Bild des meinen“, weil – und obwohl – der Nächste „all die Bösartigkeit hat, von der
Freud sagt, dass sie keine andere sei als die, vor der ich bei mir selbst zurückweiche“ 27. Wenn al-
so „der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist“, dann endet diese Religionskritik in ei-
nem kategorischen Imperativ anderer Art, nämlich „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der
Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ – so
Marx28 in durchaus aktueller Argumentation.

Was bedeutet all das konkret, wenn dies nicht nur ein Sozialkundereferat
mit Bibelzitaten sein soll? Nun, wenn wir uns dem asozialen, dem gewalttä-
tigen und auch sonst mitunter zunächst wenig sympathischen Täter zuwen-
den und uns gleichzeitig abverlangen, sich in diesen wohlwollend-empa-
thisch einzufühlen, dann darf dies nicht das Selbstmissverständnis prinzipi-
ell therapeutisch geforderter Nächstenliebe erfüllen, sondern es muss ein
individuelles Sich-Abarbeiten am Widerspruch im Anderen leisten. Das von
Freud verworfene Gebot unterschiedsloser Menschenliebe kontaminiert Be-
ratung, Pädagogik und Therapie jedoch allzu leicht, sodass dies in Para-
phrase Adornos zur Menschenverachtung gerieten: Gerade deshalb eigne
Kobbé: Täter behandeln? - 5-
sich unterschiedslose Nächstenliebe nur allzu gut für diese Psy-Branchen. Damit stellt soziales
Handeln als im weitesten Sinne helfende Tätigkeit zugleich immer auch die Frage nach den Ge-
waltaspekten des jeweiligen konkreten Tuns, und dies gilt fraglos erst recht für die Arbeit mit Tä-
tern.

Die sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre haben diesen Anspruch des Nur-gut-Seins je-
des therapeutischen Helfens kritisch hinterfragt und zerstört. Denn: „Nur sanft sein, heißt noch
nicht gut sein“, konstatiert Bloch29. Und er fährt fort, diese Form des Gutseins sei die von
„Schwächlingen“, da diese „es nur im billigen, schlechten Sinn des Wortes“ – nämlich „allzu leicht“
– seien.

Doch der gesellschaftliche Auftrag an die Experten des Sozialen ist, Störung zu beseitigen. Zu was
sonst sollte Gesellschaft Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen benötigen, wenn nicht für
die selbstverursachten „Hässlichkeiten“ und ... tja, deren „möglichst rückstands- und makellose
Entsorgung“ 30 oder Korrektur? Wenngleich wir wissen, dass man Störung nicht sofort und Delin-
quenz nicht ausschließlich beseitigen kann, sondern zunächst als Ausdruck realer Konflikte akzep-
tieren muss, steht dem die gesellschaftliche Erwartung entgegen, die Störung, die Gewaltpraxis so
schnell und unauffällig wie möglich – ›effizient‹ und ›ökonomisch‹ heisst dies im Jargon der Mana-
ger des Sozialen – zu beseitigen, zu unterdrücken: Wenn nicht mit direkter Gewalt oder unmittel-
barem Zwang, so doch in Form von Abschiebung, Ausgrenzung, Verdrängung, Projektion, Unge-
schehenmachen. Das heisst, dieselben ›kranken‹ Problemlösungsmechanismen, die wir intrapsy-
chisch beim Einzelnen, die wir als Interaktionsmuster in der Familie oder in gesellschaftlichen
Gruppen und Systemen kennen, werden als Erwartungen an die sozialen Helfer, an Täterthera-
peuten, herangetragen – und von ihnen häufig praktiziert. Mit dieser Skizze wird deutlich, dass
weder das Subjekt des Klienten noch das des Therapeuten in den öffentlichen Diskursen eine Rol-
le spielen, sondern dass beide ausschließlich Objekt sozialpolitischer oder präventionsstrategi-
scher Überlegungen sind. Andererseits aber ist ein einseitiges Insistieren auf der repressiven
Funktion der Justiz- und Sozialsysteme nicht nur verdrießlich, sondern auch irreführend. Jeder von
uns weiss, dass sie auch Hilfe sind.31

Wenn hier die Gesellschaft als Auftraggeber angesprochen wird, so stellt sich die Frage, welche
Erwartungen im Kontext von Täterarbeit an ›Gesellschaft‹ zu richten sind. Generell fordert Marga-
lit32 eine „Politik der Würde“, das heisst, „dass die gesellschaftlichen Institutionen die Selbstach-
tung der Menschen nicht verletzen“, was – da gerade sie nicht ausserhalb des Gesetzes stehen –
insbesondere auch auf Täter zutreffen müsste, was auch die Zügelung körperlicher oder psychi-
scher „Grausamkeit“ betrifft, der ja auch eine Art „Achtungsbezeugung“ inhärent sei. In diesem
Sinne unterscheidet er eine ›anständige‹ Gesellschaft von der sonst propagierten ›gerechten‹ oder
›zivilisierten‹ Gesellschaft:
In einer ›zivilisierten‹ Gesellschaft demütigen die Menschen einander nicht.
In einer ›gerechten‹ Gesellschaft sind zwar die Menschenrechte formal garantiert, doch ist De-
mütigung keineswegs ausgeschlossen.
In einer ›anständigen‹ Gesellschaft handelt es sich um eine Gesellschaft, die nicht nur gerecht
und hinsichtlich der Anwendung körperlicher oder psychischer Gewalt gezügelt ist, sondern in
der auch die Institutionen den Menschen nicht demütigen.
Eine anständige Gesellschaft stellt demzufolge so etwas wie ein Ideal dar, in dem der Einzelne
sich aus der von Kant als „selbstverschuldet“ bezeichneten Unmündigkeit33 befreien muss: Ein
Ideal, das nur durch eine kritische Theorie, durch eine Kritik der unter dem Druck der herrschen-
den Verhältnisse zustanden gekommenen sozialen Urteile – seien dies nun öffentliche Meinungen,
sogenannte Entscheidungszwänge oder vermeintlicher Handlungsdruck – verwirklicht werden
kann.

Achtung des Anderen ist dabei eine Basis für die Gleichbehandlung von Menschen. Wenn es also
um kompromisslose Ächtung, um ›Null Toleranz‹ häuslicher und sexueller Gewalt geht, so muss –
und darf – sich dies zwangsläufig nur auf sein Handeln, auf seine Einstellung, seine Taten usw.
beziehen. Aus was aber ist diese Achtung abzuleiten, wenn dem Bezug auf das Menschsein
schlechthin, auf seinen Wert als Mensch, eine ähnliche Problematik innewohnt wie der vorgenann-
ten Reduzierung des Subjekts auf den ›Nächsten‹. Denn ... wendet Kant ein: Die Achtung vor den
Menschen auf den Wert des Menschen zu gründen, bestimme unmittelbar dessen Gebrauchs- und
Kobbé: Täter behandeln? - 6-
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Tauschwert und lasse den Einen gegebenenfalls mehr wert, sprich: achtenswerter, erscheinen
als den Anderen. Hier weist uns Margalit einen Weg:

„Die Eigenschaft, die ich als Begründung für die Achtung vor dem Menschen vorschlagen möchte,
beruht auf seiner Fähigkeit, dem eigenen Leben zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine völlig neue
Deutung zu geben und es dadurch radikal zu ändern. Dies schließt die Fähigkeit ein, seine Sünden
zu bereuen – und zwar dem weltlichen Sinngehalt des Begriffs nach, was soviel heisst wie: vom
Bösen abzulassen. [...] Noch die übelsten Verbrecher verdienen Achtung allein aufgrund der Mög-
lichkeit, dass sie ihr vergangenes Leben radikal in Frage stellen und den Rest ihres Lebens auf
würdige Weise verbringen könnten. [...] Achtung ist dem Menschen nicht dafür zu zollen, in wel-
chem Grad er sein Leben tatsächlich zu ändern vermag, sondern allein für die Möglichkeit der
Veränderung. Achtung bedeutet daher auch, niemals jemanden aufzugeben, da alle Menschen fä-
hig sind, ihrem Leben eine entscheidende Wendung zum Besseren zu geben.“35

Nach wie vor wird die Mehrheit der Täter häuslicher Gewalt geschont, geschützt und kaum zur
Verantwortung gezogen. Anders formuliert, lässt sich offensichtlich eher eine Hilfe für Opfer eta-
blieren, als dass sich die Mythen über gewalttätige Partner auflösen lassen. Das Abschieben ins
Private, das so genannte „mangelnde öffentliche Interesse“, verhindert konsequentes Einschreiten
ebenso wie eine ganze Phalanx von Banalisierung, Rationalisierung, Leugnung und Schuldzuwei-
sung. Dass man Frauen nicht prügelt – bei Kindern ist das schon etwas anders – wird mitunter da-
durch wieder aufgehoben, dass den Opfern nach dem Verursacherprinzip eine Mitschuld zuge-
schrieben wird: Einerseits ›erklärt‹ dies die männliche Grenzüberschreitung, andererseits macht es
auch Parteinahmen gegen den gewalttätigen Mann obsolet. Im familiären Nahraum – in der eige-
nen Verwandtschaft, im Freundeskreis – wird häusliche Gewalt entgegen sonst weit verbreiteter
Überzeugungen mit anderen Maßstäbe bewertet, wird Verständnis für den Täter entwickelt, wer-
den Konfrontation und Sanktionen vermieden.

›Grenzen setzen‹ beinhaltet in dem Fall, häusliche Gewalt durch Medienkampagnen zu ächten,
geltendes Recht auszuschöpfen und durch gesetzgeberische Maßnahmen wie das Gewaltschutz-
gesetz besseren Schutz zu erreichen. ›Null Toleranz‹ beinhaltet, dass Toleranz zwar einerseits
hinreichende Bedingung für eine anständige Gesellschaft sein mag, dass sie andererseits aber als
einzige Bedingung nicht ausreicht, da sie der Gleichgültigkeit entspringen kann. Was bei dieser
propagandistischen Ächtung mitunter problematisch wird, ist die Dämonisierung des Täters, ist die
Reduktion des prügelnden, des missbrauchenden, des gewalttätigen Mannes auf eben diese Ver-
haltensweisen. Indem Verhalten quasi zur Persönlichkeitseigenschaft gerinnt, zudem zur schein-
bar einzigen Eigenschaft, fixieren Medien, Politik und öffentliche Meinung diese asozialen Seiten.
Denn die Stereotypisierung zum Täter nimmt dem Täter zunächst die Chance, sich überhaupt als
einen zukünftig Anderen antizipieren zu können: Medien und Politik operieren mit einem Täterbild,
das nicht nur Typus ist, sondern zweifellos auch das ständig Abgespaltene im Anderen, sprich, der
Täter häuslicher Gewalt als Anti-Selbst der rechtschaffenen Recht Schaffenden, als erstarrte Ne-
gatividentität, die sie mit ihm gemeinsam haben.36

Wir brauchen – auch als Rahmen für Täterarbeit – die Konsequenz des Gewaltschutzgesetzes und
der Strafe. Skandalisierung jedoch behindert Integration und konstruktive Täterarbeit. Denn: Dä-
monisierung stellt, wie Margalit37 anmerkt, eine Demütigung des Subjekts als „Ausschluss aus der
menschlichen Gemeinschaft“ dar, sodass „eine anständige Gesellschaft ihre Institutionen nicht zur
Dämonisierung ihrer Mitglieder benutzen“ dürfe, denn dies bedeute, so weiter Margalit, „dass man
sich so verhält, als ob die betreffende Person ein Tier oder ein Gegenstand wäre,“ oder dass man
sie „als Untermenschen behandelt“.

Diesbezüglich verweist Böllinger 38 am aktuellen Bei-


spiel neuer repressiverer Strafrechtsvorgaben der
EU auf deren „moralische Kolonisierung“ durch die
USA und führt fort: „Hinzu kommt erschwerend die
unerträgliche Besitzergreifung durch populistische
Politiker. So, zum Beispiel, wenn Kanzler Schröder
Pädophile und Kindesmörder in einen Topf wirft und
– bornierter geht es nicht mehr – unter ausdrückli-
cher Entwertung wissenschaftlicher Aufklärung um-
Kobbé: Täter behandeln? - 7-
standslos das Wegsperren aller fordert.“ Nicht nur, dass derart lösungsorientiertes Agitprop in ei-
nem dichotomen Entweder-Oder gefangen ist39, dass hier differenzierende Problemsicht und gebo-
tene Sachbezogenheit durch emotionalisierende Skandalisierung und publikumswirksame Dämo-
nisierung40 ersetzt wird: Mit derartige (Auf-)Forderungen wird zugleich der für erfolgreiche Täterar-
beit als ebenso reflektiert wie verlässlich wie konsequent erforderliche Strafrahmen in Frage ge-
stellt und jedwede zukunftsweisende Täterarbeit manifest behindert, um nicht zusagen, torpediert.

›Grenzen setzen‹ heißt für die Gruppe der Sexualstraftäter ja auch, dass für dieses Klientel eine
„Pflicht“ zur Behandlung eingeführt wurde. Dies verwirklicht einen Aspekt des Umgangs mit den
Tätern, der gerade auch im Sinne der Opfer sein muss: Neben der Tatsache, dass es sich um die
Vorbeugung weiterer Taten, um Deliktprävention handelt, ist dies auch für die Wiedereingliederung
des Täters in die Gesellschaft – und damit gerade auch in Familien – wesentlich. Zugleich aber ist
vorab klarzustellen, dass Straftaten zwar, wie sich 1905 der Strafrechtsreformer von Liszt41 aus-
drückte, eine „sozial-pathologische Erscheinung" der Gesellschaft sein mögen, dass Gewalttaten
jedoch kein Symptom einer irgendwie zu behandelnden ›sozialen Krankheit‹ sind, sondern als so-
zial abweichendes, andere schädigendes Verhalten zunächst einmal „normal“ 42, kriminell und zu
ächten. Das bedeutet auch, dass das A-Soziale der Delinquenz nicht generell auf etwas Pathologi-
sches reduziert werden darf, denn diese Pathologisierung entwertet nicht nur den Krankheitsbe-
griff43, sondern sie banalisiert auch die häusliche oder sexuelle Gewalt und profanisiert den Um-
gang mit ihr. Wenn es über die Tätern dann heißt, „Vergewaltiger sind geistesgestört, so was
macht kein normaler Mann!" oder „Diese Männer können ihre Sexualität nicht kontrollieren!", dann
hat dieses Erklärungsmuster die Qualität der Bauernregeln über das Wetter. Und: Derartige My-
then folgen dem weit verbreiteten Hydraulik- und Staudamm-Modell männlicher Sexualität, das ei-
ne mechanistische Abfolge von
Triebstärke
å Triebdruck
å Triebstau
å Triebdurchbruch
postuliert. Derartig primitiv-naive (maskuline) Sexualitätsmodelle und die ihnen innewohnenden
„Vergewaltigungsmythen“ tragen nicht nur zur Rechtfertigung und Banalisierung sexueller Gewalt
bei und halten ein Gewalt begünstigendes Klima aufrecht, sondern sie leisten auch der sekundä-
ren Viktimisierung der Opfer Vorschub. Wenn zudem Frauen opferfeindliche Mythen akzeptieren,
dient dies in erster Linie der Abwehr eigener Ängste: Ihnen kann nichts passieren, sie sind quasi
unverwundbar, glauben sie, denn: ›so eine‹ sind sie ja nicht.

Auch wenn es sich also nicht um ›Krankheit‹ handelt, ist es erforderlich und sinnvoll, Beratungs-
und Behandlungsangebote zu machen und jenseits niedrigschwelliger Angebote gegebenenfalls
auch unfreiwillig-verpflichtende Behandlungen einzuführen: Erreicht werden Täter, die sonst nie
die Schwelle einer Beratungsstelle oder psychologischen Praxis überschritten hätten. Dabei wird
es darauf ankommen, mit dem Täter eine therapeutische Beziehung, ein tragfähiges therapeuti-
sches Arbeitsbündnis zu entwickeln. Die Vorstellungen über eine ›Behandlung der Täter‹ bleiben
gemeinhin eher vage. Vielmehr mobilisiert das Thema Affekte und es entsteht eine latent aggres-
siviertes Klima. Tenor ist, ob sich dies denn überhaupt lohne, ob diese Behandlungen nicht ohne-
hin sinn- und zwecklos seien bis hin zur Forderung, in der Therapie müsse dem Täter mal deutlich
und ohne Schonung vor Augen geführt werden, ›was Sache ist‹ – die Behandlung als ›Psycho-
keule‹ sozusagen. Nun sind Tätertherapeuten in der Tat keine netten Menschen – weder für die
Täter noch für die interessierte Öffentlichkeit. Und doch benutzen Behandler ihr therapeutisches
Handlungswissen weder zur verständnisvoll-einfühlsamen Entschuldigung der Tat noch als gesell-
schaftliches Disziplinierungs- oder Racheinstrument. Dabei ist Täterarbeit als solche höchst un-
spektakulär: Sie ist Arbeit quasi ›Fall-für-Fall‹ und insofern sehr individuell. Und: Täterarbeit fußt
auf der Reflektiertheit und Unabhängigkeit der Behandler. Dies bedeutet,
dass jede spektakelhafte Mediendiskussion therapeutisch kontraproduktiv ist,
dass Behandler vor Einflussnahmen durch Politik, Medien und sonstiger Öffentlichkeit ge-
schützt werden müssen,
dass Tätertherapeuten ihrerseits aber auch differenzierter – und verständlicher – über ihre Be-
ratungs- und Behandlungsarbeit Auskunft geben sollten.44
Kobbé: Täter behandeln? - 8-
›Setzen von Grenzen‹ ist immer auch Bestandteil jedweder Täterarbeit. Problematisch ist hierbei,
dass über Interpretation und Deutung hinaus keine therapeutische Tradition der Konfrontation, der
sich gegenüberstellenden Grenzsetzung existiert, weil klassische Psychotherapie davon ausgeht,
dass der Klient willens und in der Lage ist, prinzipiell ehrlich zu kommunizieren. Psychotherapie
wie Täterarbeit arbeiten vorwiegend im Sprechen, im Erinnern, in Frage-Antwort-Suchprozessen
ohne fertige Lösung, mit individuell dosierten Konfrontationen, in spezifischen – zum Teil emotional
›dichten‹, intimen – Beziehungen mit Aspekten des Haltens und Aushaltens, des „holding“ also,
wie des Annehmens und Integrierens, sprich, des „containing“ von Affekten und Phantasien. Was
„holding“ und „containing“ als Rahmenbedingung von Behandlung beinhaltet, wird von Becker45 als
Prinzip psychoanalytischer Sozialarbeit wie folgt beschrieben:

„Der Rahmen verkörpert das Gesetz, insbesondere das Inzesttabu.


Das Gesetz versichert und vergewissert klare Regeln, den sozialen Ort, die zeitliche Formati-
on, das Geld, dass so etwas entstehen kann wie ein Raum, in dem die Personen, die sich in
ihm treffen, wachsen können: emotional und geistig.
Das Setting bietet basalen Halt, über den wir uns – unsere Gegenüber – vergewissern können,
nicht aus der Welt zu fallen, Unendliches zu spüren und zu phantasieren und doch immer wie-
der bei Endlichkeit anzukommen.
Halt und Grenze des Rahmens vergewissern immer wieder neu die Todesgewissheit im Leben.
Der Rahmen sichert ein Verhältnis von Kohärenz, Differenz, Nähe und Distanz. Als virtueller
Raum trägt er per se zur Ermäßigung von Angst und Schuld bei.
Der Rahmen verkörpert in seiner Stabilität und Unverrückbarkeit etwas von einer frühen unver-
rückbar immer präsenten Mutter.
Die Grenzen und die Differenz im Rahmen verkörpern als trennende Erlebnismöglichkeit einen
Abstand zur omnipräsenten Mutter: Es geht hier um die väterliche Instanz.
Der Rahmen kann attackiert und deformiert werden und doch auch immer wieder neu herstell-
bar sein.
Ein Rahmen, der attackiert, aber nicht vernichtet werden kann, erschließt den Zugang zu er-
barmungsloser Liebe, bei der das Objekt zerstört und zwar immer wieder zerstört werden kann,
ohne vernichtet zu werden. Damit ermöglicht der Rahmen Perspektiven des Überlebens, die
genossen und einverleibt werden können. Sie bilden, wenn Introjektion möglich ist, die ent-
scheidenden Voraussetzungen für gekonntes Lieben und Hassen.
Der Rahmen kann attackiert, zerschlagen und zerfetzt werden; oft kann er erst wieder und ins-
besondere neu zusammengesetzt Voraussetzung sein für Annäherungen an vollkommenes
Dasein im Sinne von genügend gutem Leben.
Der Rahmen ist ein Container, nicht nur für Unbewusstes, im Sinne von verdrängtem Bewusst-
sein, sondern auch für Unbewusstes im Sinne von noch nicht und noch nie Bewusstem. Er ist
ein Container für alle – last but not least – polymorph perverse Sexualität.
Der Rahmen ist ein Teil des Körpers des psychoanalytischen Sozialarbeiters und harmonisiert
unbelebte und belebte Objekte im therapeutischen Raum.
Die Attacken auf den Rahmen ermöglichen es, fehlende Harmonisierungen zwischen unbeleb-
ten und belebten Objekten zu transformieren in etwas Neues, das zunächst einmal nur über
den Rahmen als Container herstellbar ist.
Die Setzung eines Rahmens ermöglicht Deutungen der Übertragungen; die Deutung ist eine
Auslegung des Rahmens, die eine Transzendierung vorbereitet: ohne Setzung des Rahmens
keine Auslegung, ohne Auslegung keine Transzendierung.“

Dies bedeutet, dass die Auseinandersetzung mit dem Tätern aber auch beinhaltet, dessen Versu-
che, den Anderen kontrollieren, dominieren oder manipulieren zu wollen, entsprechend kompetent,
strukturiert und beharrlich zu beantworten, ohne dass die Behandlung in das Entweder-Oder eines
Machtkampfes, in eine argumentative Pingpong-Interaktion oder ähnlich Monologisierendes abglei-
tet.

›Verantwortlich machen‹ geht über dieses Setzen von Grenzen hinaus, denn diese ziehen zwar
zur – juristischen – Verantwortung, implizieren jedoch mitnichten bereits eine Übernahme von Ver-
antwortung. Und spätestens hier setzt eine therapeutisch-beraterische Täterarbeit ein: Im Strafver-
fahren kann sich der ›zur Verantwortung gezogene‹ Täter leicht als Objekt eines ihm übergestülp-
ten Geschehens definieren – in der beraterisch-therapeutischen Arbeit jedoch muss er sich als
Kobbé: Täter behandeln? - 9-
Subjekt zu sich, zu seinen Einstellungen, zu seinen Handlungsweisen verhalten, sprich: subjektiv
Verantwortung übernehmen. Für diesen Prozess braucht es einen Rahmen, der eine intensive
Auseinandersetzung mit seiner Person, seinen Handlungsweisen und deren Ursachen ermöglicht.
Es braucht ein Gegenüber, der den Einzelnen nicht nur als ›Täter‹ sondern als ganze Persönlich-
keit wahrnimmt, ihn achtet und der bereit ist, mit ihm eine Arbeitsbeziehung einzugehen. Und er
braucht ein Gegenüber, der ihn mit seinen Taten und deren Folgen nachdrücklich konfrontiert, der
dezidiert die öffentliche Ächtung häuslicher Gewalt vertritt und die Strategien der externalisieren-
den Schuldzuweisung, der Rationalisierung, der Verleugnung und verharmlosenden Umdeutung
aufdeckt.

All dies kann ein Strafverfahren nicht leisten. Fatalerweise steht die juristische Geständniskultur
mit allen Spielregeln des Leugnens, des Einräumens eines geringen Teils der Taten, der Beschul-
digung – und Verleumdung – des Opfers, sprich, der Externalisierung und Verkehrung ins Gegen-
teil, dem therapeutisch erforderlichen Erinnern und Durcharbeiten entgegen. Denn Durcharbeiten
bedeutet
eine detaillierte Rekonstruktion der Tat(en),
eine Reaktivierung der im Vorfeld und während der Tat(en) erlebten Affekte und Phantasien,
eine Auseinandersetzung mit aggressiven Affekten und Phantasien, mit gewalttätigen bis mör-
derischen Impulsen,
eine Verarbeitung und Modifikation abgewehrter (abgespaltener) Affektivität und Handlungs-
disposition,
eine Korrektur von Wahrnehmungsverzerrungen,
ein rekonstruktives Verstehen der affektiven Logik, des Sinns der Tat(en),
eine Bearbeitung von Scham und Schuld bzw. der Abwehr von Scham- und Schuldgefühlen,
ein Verständnis der eigenen devianten Anteile,
ein Hinterfragen expliziter wie impliziter Frauen- und Männerbilder,
eine Verantwortungsübernahme als selbstbewusstes – aktiv entscheidendes und handelndes –
Subjekt eigenen Tuns gegenüber dem sich als passiv erlebenden Objekt rollenhaft ablaufen-
der, ihm ›passierender‹ Delinquenz.
Damit ist der Prozess der Deliktverarbeitung zwar ein sprachlich vermittelter Erinnerungs- und
Durcharbeitungsprozess und dient er auf dieser Ebene der kognitiven Integration, also der Ratio-
nalisierung von Affekten, doch ist er wesentlich ein Imaginierungs- und Erinnerungsprozess sinnli-
cher Erfahrung. Dass strategisches Denken und argumentatives Handeln etwas anderes sind als
introspektive Selbstkritik und reflexives Sprechen, liegt auf der Hand.

Um noch einmal auf den Nexus von ›Geständnis‹ und ›Anamnese‹ zurückzukommen: In seiner
Analyse der Mikrophysik der Macht zeigt Foucault, dass der abendländische Mensch durch einen
kulturimmanenten „Zwang zur Wahrheit" – sei dies in der kirchlichen Beichte, im gerichtsprozes-
sualen Geständnis oder in der therapeutisch erfragten Anamnese – zum „Geständnistier" gewor-
den ist:

„Die Wirkungen des Geständnisses sind weit getreut: in der Jusiz, in der Medizin, in der Pädago-
gik, in den Familien- wie in den Liebesbeziehungen, im Alltagsleben wie in den feierlichen Riten
gesteht man seine Verbrechen, gesteht man seine Sünden, gesteht man seine Gedanken und Be-
gehren, gesteht man seine Vergangenheit und Träume, gesteht man seine Kindheit, gesteht man
seine Krankheiten und Leiden; mit größter Genauigkeit bemüht man sich zu sagen, was zu sagen
am schwersten ist; man gesteht in der Öffentlichkeit und im Privaten, seinen Eltern, seinen Erzie-
hern, seinm Arzt und denen, die man liebt; man macht sich selbst mit Lust und Schmerz Geständ-
nisse, die vor niemand anders möglich wären, und daraus macht man dann Bücher. Man gesteht –
oder man wird zum Geständnos gezwungen. Wenn das Geständnis nicht spontan oder von ir-
gendeinem inneren Impuls diktiert ist, wird es erpresst; man spürt es in der Seele auf oder ent-
reisst es dem Körper.“46

Strukturell entspricht dieser inhaltliche Kontext von ›Beichte – Geständnis – Anamnese‹ dem von
Margalit47 skizzierten „Beziehungsdreick“, das den Zusammenhang von ›Erinnerung – Anteilnahme
– Ethik‹ herstellt und garantiert. Foucault arbeitet heraus, erst durch diese Geständniskultur sei
„die Subjektivierung der Menschen, das heisst, ihre Konstituierung als Untertanen / Subjekte" ver-
wirklicht worden48. Denn das Wort ›Subjekt‹ beinhaltet als ›sub-jectum‹ = als ›Unter-worfenes‹ „ei-
Kobbé: Täter behandeln? - 10 -
nen zweifachen Sinn“: Nämlich, so weiter Foucault, „vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jeman-
dem unterworfen sein und durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identität ver-
haftet sein. Beide Bedeutungen unterstellen eine Form von Macht, die einen unterwirft und zu je-
mandes Subjekt macht" 49. Lakonisch co-mentiert Kafka: „Das Wort ›sein‹ bedeutet im Deutschen
beides: Dasein und Ihmgehören“ 50. Wesentlich bleibt, dass es eben nicht um ein passiv-
objekthaftes Unterworfenwerden gehen darf, sondern in der Täterarbeit um eine aktive Selbstun-
terwerfung, um eine eigenverantwortliche Aneignung von sich selbst Grenzen setzenden Eigen-
schaften geht, um Autonomie entwickeln zu können.

›Verantwortungsübernahme‹ ist demzufolge ein wesentlicher Schritt in


Richtung Veränderung. Und: Das Herausarbeiten von Verantwortung
stellt – wie oben ersichtlich – keinen zu Beginn eines strukturierten Be-
handlungsprogramms ›abzuhakenden‹ einzelnen Punkt dar. Vielmehr
zieht sich dieses Arbeiten wie ein roter Faden durch den gesamten bera-
terisch-therapeutischen Prozess, da es um eine nachhaltige Einstellungs-
und Verhaltensänderung gehen muss. Was aber charakterisiert unsere
Beziehung zum Anderen? Dieser ist, könnte man verkürzt sagen, immer
auch ein phantasmatischer Anderer. Er wird zwangsläufig zum Träger un-
serer unbewussten Phantasie über Aspekte unseres eigenen Selbst.
Žižek formuliert, als Ziel und im Ergebnis müsse es folglich darum gehen,
„so weit als möglich Verletzungen des phantasmatischen Raums des Anderen zu vermeiden, so
weit als möglich das partikuläre Absolute des Anderen [zu] respektieren" 51. Mit dieser Haltung der
Achtung geht es also darum, den in jeder Beziehung – und erst recht in der therapeutischen Be-
ziehung – enthaltenen Raum der Macht ›gut‹, das heisst, im Sinne einer Nichtbeherrschung zu
verwalten. Was Žižek fordert, ist eine Ethik individueller Freiheit, eine Handlungs- und Behand-
lungsethik, die Verantwortung für den Anderen einschließt und als Kultur des Ich die Beziehungen
von Subjekt zu Subjekt aufwertet und intensiviert.

Zwischenmenschliche Verhältnisse bergen grundsätzlich eine Spannung in sich. Intersubjektivität


ist – wie Sartre52 herausgearbeitet hat – immer als Wechselbeziehung von Anerkennungsansprü-
chen und deren andauernder Missachtung gekennzeichnet. Es sind Wechselbeziehungen, die He-
gel als Dialektik, sprich, als gegenseitige Anerkennung von Herrn und Knecht53 herausgearbeitet
hat und über die Sartre schreibt: „Selbst die demütigendste Ordnung muss in Wirklichkeit von
Mensch zu Mensch gegeben sein. [...] Um einen Menschen wie einen Hund zu behandeln, muss
man ihn zuerst als Menschen anerkannt haben.“54 Und gerade daher rührt unsere Ambivalenz, un-
sere affektive Polarisierung in der Beratung und Behandlung von Tätern. Das „geheime Unbeha-
gen des Herrn“ – so wiederum Sartre – rühre daher, dass er „ständig gezwungen“ ist, die mensch-
liche Realität des Knechts in Rechnung zu stellen und ihm gleichzeitig den Status zu verweigern,
der ihn als gleichberechtigt-menschliches Wesen definiert.55

›Veränderung ermöglichen‹ heißt für den Täter,


Fähigkeiten zu gewaltloser Konfliktlösung zu entwickeln,
Techniken der Impulskontrolle einzuüben,
sich Stressbewältigungsstrategien aneignen,
Verhaltensmuster wahrzunehmen, zu erkennen und zu verändern,
Glaubenssätze und Überzeugungen, die gewalttätiges Verhalten fördern, zu hinterfragen,
soziale – und kommunikative – Kompetenz wie Empathiefähigkeit, Fürsorglichkeit und Zuhö-
renkönnen zu erarbeiten.
Und: Veränderung braucht Zeit, braucht als Veränderungsprozess Zeit, weil er auf einer Beziehung
basiert, von dieser abhängt, die ihrerseits nur allmählich zu entwickeln ist, mithin Zeit benötigt. Das
bedeutet, dass die Vorstellung einer instrumentell einzusetzenden Behandlung, einer per Weisung
in 6 oder 10 Stunden einzuübenden Verantwortungsübernahme und Gewaltfreiheit in den meisten
Fällen nicht nur eine sozialtechnologische Fiktion ist, sondern in seiner Pauschalisierung und feh-
lenden Indikationsstellung auch zutiefst verachtend. Man mag dieser Position entgegenhalten, daß
reine Verhaltenstrainings symptomspezifischer, kürzer und scheinbar effektiver zu sein scheinen,
doch muß den Behandlungsstrategen der Tätertherapie entgegengehalten werden, daß derartige
Verhaltenstrainings nur in einem eher geringen Teil der Täter effizient sind, dass es also einer
sorgfältigen Indikationsstellung über die Angabe ›Sexualstraftäter‹ oder ›prügelnder Ehemann‹
Kobbé: Täter behandeln? - 11 -
hinaus bedarf. Erst bei der Auswahl zwischen unterschiedlichen Maßnahmen der Täterbehandlung
und deren ergänzende Kombination (zum Beispiel psychotherapeutisch fundierte Kurse, sozialthe-
rapeutische Trainings, Beratung) können diese sinnvoll eingesetzt werden. Bei Pauschalangebo-
ten von Verhaltenstrainings, wie sie den (politischen) Strategen des Sozialen zum Teil vorschwe-
ben, wird programmatisch nur das vollzogen wird, was Bruder56 als „Verengung emanzipatorischer
Theorie(bildung) zu sozialtechnischen Vorstellungen“ kritisiert. So schreibt Vanhoeck, Therapeuten
seien eben „keine „social cops“, sprich, keine ›sozialen Bullen‹, und er fordert selbstkritisch:
„›Harm reduction‹, Schadensbeschränkung, ist zwar eine wichtige und vielleicht die wichtigste
Zielsetzung, doch wir müssen unseren Klienten mehr zu bieten haben, als sie nur zu lehren, wie
sie sich zu benehmen haben“ 57. Denn die Fixierung auf Verhaltensvorgaben und -kontrollen bein-
haltet eine Tendenz bzw. Gefahr, den Täter im Sinne des Schemas „einer reinen ‚Anpassungsre-
sozialisierung‘ [...] zu einem reinen Funktionsobjekt der Gesellschaft [zu] degradieren und ihm da-
mit den Weg zur eigenen Selbstfindung und Selbstverantwortlichkeit als Voraussetzung aller wirk-
lichen Resozialisierung [zu] versperren: aus dem Ordnungsstörer würde die Ordnungsmarionet-
te“.58

Anders formuliert muss es darum gehen, die beratende wie therapeutische Arbeit mit Tätern so
auszugestalten, dass es diese aus der Achtung durch den Behandler sowohl Selbstachtung als
auch Verantwortungsübernahme im Sinne einer Achtung – der Integrität – Anderer entwickeln
können und dies nicht nur auf innere Habachthaltungen beschränken. In der Tat gibt es schon im
Bereich der geforderten ›Kooperation‹ einen schmalen Grad zwischen therapeutischer ›Complian-
ce‹, assimilatorisch-akkomodierender ›Anpassung‹ und formaler ›Unterwerfung‹ 59. Für Beratung /
Behandlung beinhaltet dies die Zielsetzung einer Autonomiebildung bei unseren Klienten / Patien-
ten, sich – wie Freud es formuliert – so oder anders entscheiden zu können. Oder, um es altmodi-
scher mit Marx60 zu formulieren: Der Mensch ist als Individuum nur „frei“, sprich, verantwortlich und
autonom, wenn er seine Individualität „als ein totaler Mensch“ in jedem „seiner menschlichen Ver-
hältnisse zur Welt, Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden,
Wollen, Tätigsein, Lieben“ bestätigt, das heisst, wenn er nicht nur frei von etwas, sondern auch frei
zu etwas ist.61

Gerade deshalb ist soziales Handeln hinsichtlich seiner ethischen Prämissen zu konkretisieren und
hinsichtlich seiner Verantwortungsübernahmen daraufhin zu befragen, wie sich Behandler selbst
im Rahmen dieser institutionell-instrumentellen Praxis definieren und situieren können und womit
sie ihr eingreifendes Handeln als gegebenenfalls engagierte Sorge für das Subjekt legitimieren.
Und dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie – wie beispielsweise Tätertherapeuten – in ei-
nem Zwangskontext arbeiten und hierbei den sowohl theoretisch-praxisrelevanten als auch kon-
kret-praktischen Anspruch haben, den Anderen einerseits in seinem So-sein zu respektieren und
zu achten, ihn andererseits aber zugleich mit seinen devianten, unsozialen, vielleicht selbst- oder
fremdgefährlichen Eigenschaften zu konfrontieren62. Mithin bedarf es – wenn man denn einerseits
ein Gegner von Gewalt und Zwang ist, andererseits in Grenzsituationen, Grenzbereichen arbeitet –
bedarf es der Angabe, wie eine solche Verantwortung nicht nur im Kontext von Entsorgungs-, Ver-
sorgungs- und Fürsorgekonzepten gedacht werden kann, sondern wie sie darüber hinaus für eine
pädagogische, sozialarbeiterische, psychologische oder psychotherapeutische Praxis als Antwort,
als in der Antwort enthaltene Verantwortung, nicht vermieden oder schöngeredet, sondern ethisch
begründet werden kann. 63

Nach wie vor wird der Umgang mit Tätern stark im Kontext von polizeilichen Maßnahmen und juri-
stischen Sanktionen gesehen. Politische und juristische Diskurse setzen auf Grenzen, sind auf ihre
Weise auch geeignet, den Täter juristisch zur Verantwortung zu ziehen, haben jedoch kein tat-
sächliches Interesse daran, ihm Veränderung zu ermöglichen. Und selbst wenn Politiker wie die
Familienministerin Bergmann auf Hilfe statt Strafe setzen, dann auch nur, weil „Kinder, die in der
Familie Gewalt erfahren haben, später selbst eher zu Gewalttätigkeiten neigen“, sprich, aus delikt-
präventiven Gründen. „Wieso belässt man es nicht dabei, auch Jungen als Opfer von Gewalt an-
zuerkennen? Wieso werden verletzte Jungen unmittelbar als spätere Schläger benannt? Wieso
müssen Jungen erst als gefährlich erscheinen, bevor man ihre Schmerzen sieht?“, fragen Bent-
heim und Ehrchen64 nach und fordern ein „Recht auf eine gewaltfreie Erziehung“ ein. Bezeichnen-
derweise hat selbst die Beteuerung, „eine Abwertung der Gewalterfahrungen von Jungen [sei] zu
Kobbé: Täter behandeln? - 12 -
keiner Zeit intendiert“ gewesen, sozialtechnologisch-instrumentelle Aspekte, wenn weiterhin her-
vorgehoben wird, es gehe darum, „die Spirale der Gewalt [zu] durchbrechen“ 65 (sic!).

Gerade eine Veränderung der Täter muss Anliegen einer Täterarbeit sein, die für einen wirksamen
und nachhaltigen Schutz der Opfer eintritt. Paradoxerweise scheint es jedoch im politischen Raum
eher zu Desinteresse, wenn nicht gar Aversion, gegenüber Täterarbeit zu kommen. Dies hat si-
cherlich damit zu tun, dass Behandler mit der Justiz zwar kooperieren wollen und müssen, sich
andererseits aber weder vereinnahmen lassen wollen noch dürfen – Behandler sind eben keine
„social cops“ ...

Entsprechend schmal ist gegebenenfalls der Grad von Achtung und Missachtung, von Interesse
und Desinteresse, im Verhältnis politischer und juristischer Instanzen zu beratend-therapeutischen
Institutionen. Denn wer überhaupt ist denn der Auftraggeber von Täterarbeit? „Repräsentiert der
Therapeut den Staat oder eine bestimmte therapeutische Schule und ihre Dogmen oder erhält er
das Honorar von ein dritten Partei, so ist die [therapeutische] Partnerschaftsbeziehung schwerwie-
genden Eingriffen von aussen ausgesetzt“, schreibt Goldberg66. Das heißt, gerade wenn diskursi-
ver Widerstreit durch Strategisierung des Diskurses substituiert zu werden droht, fordert dies eine
selbstbewusste, unbeirrt therapeutische Haltung des Behandlers67: Angesichts der Versuche und
Versuchung, von aussen auf therapeutische Inhalte Einfluss zu nehmen, erscheint die Betonung
fachlicher Standards wesentlich, gibt es doch von unterschiedlich interessierten Seiten her den
ökonomisch, institutionell oder anders motivierten Versuch, Trainingsprogramme für Täter zu for-
cieren. Dies ist auch ein Reflex auf eine Tendenz zum undifferenzierten Umgang mit Tätern häus-
licher oder anderer – zum Beispiel sexueller – Gewalt: Angesichts des serialisierenden und totali-
sierenden Schlagworts68 vom ›Sexualstraftäter‹, angesichts der ebenso emotionalisierenden wie
stigmatisierenden Charakterisierung als ›Kinderschänder‹ wird verkannt, dass es individuelle Un-
terschiede gibt, die therapeutische Unterschiede machen.

Es gilt, Tätern zu helfen. Aber genau dies ist es, was uns allen so schwer fällt: ›Hilfe für Täter? ...
Opfer haben unsere Hilfe verdient! ... doch Täter? ... Täter gehören bestraft!‹ Spoden kommentiert
hierzu: „Wer sich dennoch Tätern zuwendet, ihnen zuhört und mit ihnen arbeitet erfährt schnell,
dass die Täter niemals nur Täter sind, sondern Menschen wie Sie und ich; er erkennt, dass diese
Menschen viele Fähigkeiten haben, liebenswürdig sein können, verzweifelt sind und fast aus-
nahmslos eine Biographie mit einer eigenen Viktimisierung haben. Wer sich der Geschichte dieser
Männer nicht aussetzt und in ihnen nicht mehr als nur den Täter sieht, der wird niemals die Ambi-
valenz verstehen, die misshandelte Frauen dazu bringt, wieder zu ihren Partnern zurückzukehren.
Durch das Kennenlernen der Täter, erkennen wir uns selbst. Wir müssen erfahren, dass die Ähn-
lichkeiten einer kollektiven Sozialisation – besonders bei uns Männern – die Unterschiede über-
wiegen.“ 69

Auch das bringt Erfordernisse der Distanzierung mit sich und erschwert Identifikation. Entspre-
chend groß ist die Gefahr, dass dann – in Identifikation mit dem Opfer – gegenaggressive Einstel-
lungen die Täterarbeit bestimmen, was mitunter durch die aggressive Übertragung des Klienten als
Ausdruck seiner subjektiven Gewissheit der grundsätzlichen Feindseligkeit des Behandlers geför-
dert wird. Bestimmen jedoch gegenaggressive Elemente die Behandlung, dann werde sie diese
torpedieren, wie sich am Beispiel einiger – entsprechend wenig erfolgreicher – Behandlungspro-
gramme in den USA ersehen lässt. Der Versuch, das unter Umständen aggressive Gegenagieren
des ebenso uneingestanden hilflosen wie gewalttätig grenzüberschreitenden wie latent hoffenden
Täters nur mit den Zwangsmitteln institutioneller oder therapeutischer Gewalt herbeiführen zu wol-
len, wird nicht zur Entängstigung und Verinnerlichung von Beziehungsmustern führen, sondern zur
Umstülpung in sich unterwerfende Anpassung als destruktivem Gehorsam, zur Herausbildung au-
toritärer Persönlichkeitsstrukturen, wie dies in den USA beispielhaft in sogenannten „Bootcamps“
im wahrsten Sinn des Wortes durchexerziert wird.70

Entgegengesetzt gibt es auf dem anderen Pol die Gefahr, sich vorschnell mit dem Opfer im Täter
zu identifizieren, zu früh oder ausschließlich dessen persönliche Opfererfahrung in den Vorder-
grund des beraterisch-therapeutischen Prozesses zu rücken und die Auseinandersetzung mit der
Tat und der eigenen Verantwortung zu vernachlässigen. Die Arbeit mit den Tätern braucht beides:
Konfrontation und Empathie, Identifikation und Distanzierung. Und auch unser gesellschaftlicher
Kobbé: Täter behandeln? - 13 -
Umgang mit Tätern braucht dieses anstrengende Oszillieren zwischen Konfrontation und Empa-
thie, zwischen Identifikation und Distanzierung.

Festzuhalten bleibt: Täterarbeit, die Arbeit mit Tätern häuslicher Gewalt ist ein wichtiger Beitrag
zum Opferschutz, denn nur durch eine intensive Arbeit mit dem Täter kann eine Wiederholung ge-
walttätigen Handelns in der weiteren Zukunft vorgebeugt werden. Dabei darf jedoch nicht verkannt
werden, dass ›Therapie‹ kein Allheilmittel ist und dass der – politisch zweifellos strategische und
keineswegs als individuelle Hilfe konzipierte – Behandlungsanspruch nicht verhindert, dass Täter
in krisenhaften Momenten ihres Lebens mitunter – wie eben andere Menschen auch – auf Verhal-
tens- und Handlungsoptionen der Ausübung von Gewalt zurückgreifen. „Einen anderen Menschen
als Menschen zu behandeln heißt [...] auch, seine Entscheidungsfreiheit anzuerkennen“ 71. Wenn
zuvor Täterbehandlung als Opferschutz charakterisiert wurde, stellt sich die Öffentlichkeit die Fra-
ge nach der (wissenschaftlichen) Überprüfbarkeit des Erfolgs von Behandlungsmaßnahmen: Ge-
rade hier jedoch sind Vorsicht und Bescheidenheit geboten, da Behandlung als spezifischer und
individueller Kommunikationsprozess zwar qualitativer Prozessforschung zugänglich ist, sie sich
jedoch der Wissenschaftsfiktion empirisch-quantifizierender Prognose- und Ergebnisforschung
weitgehend entzieht und insofern sich nur indirekt anhand von Statistiken schlussfolgern lässt,
welches Ergebnis die Behandlung von Tätern haben kann.72

Das Problem ist, dass von Täterarbeit geradezu ultimativ erwartet wird, diese möge gewalttätige
Einstellungen und Handlungen ab sofort unterbinden. Doch diese Prämisse setzt Behandler und
Täter unter einen unrealistischen Erwartungsdruck, ignoriert die Prozesshaftigkeit des Lebens und
verführt mitunter zu keineswegs therapeutisch zu nennenden Versuchen, Erfolg reaktiv herbeizu-
führen. Und um das Thema ›Wer kümmert sich?‹ fortzusetzen: Wer eigentlich kümmert sich um
die Behandler der rückfälligen Täter? Wie verarbeiten diese ihr vermeintliches Scheitern? Wie ge-
hen diese damit um, dass mitunter gegen sie staatsanwaltlich ermittelt wird?

Den Täter mit seinen problematischen, verantwortungslosen, grenzüberschreitenden, gewalttäti-


gen, eben auch fiesen Eigenschaften einerseits zu konfrontieren, andererseits aber ihn eben gera-
de auch zu achten, seine ja ebenfalls existierenden sympathischen Seiten zu entdecken zu su-
chen, bringt Tätertherapeuten nicht nur in ein Dilemma von Identifikation und Distanzierung – dies
birgt auch Probleme der beruflichen Identität und der persönlichen Infragestellung in sich, denn
sowohl die eigenen Berufskollegen wie auch Familienangehörige oder Freunde und Bekannte ten-
dieren mitunter dazu, sich auf die eine oder andere Art und Weise zu distanzieren, infragestellend
bis ablehnend zu reagieren.

Insofern bedarf es einer psychohygienischen Selbstsorge des Behandlers in


der Täterarbeit, einer Selbstsorge wie sie Foucault73 als ›Ethiken des Selbst‹
herausgearbeitet hat: Mit dieser Konzeption vertritt Foucault neben der ›Sorge-
um-Sich‹ und der ›Sorge-um-die-Anderen‹ auch eine dritte Richtung der ›Sor-
ge-um-die-Wahrheit‹ im Sinne eines Wahrheitsregimes. Die drei Sorgerichtun-
gen hängen insofern miteinander zusammen, als man, um sich selbst lenken
zu können, einen Anderen benötigt, der einem als Bezugspunkt im Außen die
Wahrheit sagt.

Denn: Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Alltagspraxis ziehen zu wollen, das ist – siehe
Münchhausen – das Hebezeug der Lügner ... und, wie Enzensberger74 anmerkt, auch der Refor-
misten.

Hommage à Gödel
Münchhausens Theorem, Pferd, Sumpf und Schop,
ist bezaubernd, aber vergiss nicht:
Münchhausen war ein Lügner.
Gödels Theorem wirkt auf den ersten Blick
etwas unscheinbar, doch bedenk:
Gödel hat recht.
»In jedem genügend reichhaltigen System
lassen sich Sätze formulieren,
die innerhalb des Systems
weder beweis- noch widerlegbar sind,
Kobbé: Täter behandeln? - 14 -
es sei denn das System
wäre selber inkonsistent.«
Du kannst deine eigene Sprache
in deiner eigenen Sprache beschreiben:
aber nicht ganz.
Du kannst dein eignes Gehirn
mit deinem eignen Gehirn erforschen:
aber nicht ganz.
Usw.
Um sich zu rechtfertigen
muss jedes denkbare System
sich transzendieren,
d.h. zerstören.
»Genügend reichhaltig« oder nicht:
Widerspruchsfreiheit
ist eine Mangelerscheinung
oder ein Widerspruch.
(Gewissheit = Inkonsistenz.)
Jeder denkbare Reiter,
also auch Münchhausen,
also auch du bist ein Subsystem
eines genügend reichhaltigen Sumpfes.
Und ein Subsystem dieses Subsystems
ist der eigene Schopf,
dieses Hebezeug
für Reformisten und Lügner.
In jedem reihhaltigen System,
also auch in diesem Sumpf hier,
lassen sich Sätze formulieren,
die innerhalb des Systems
weder beweis- noch widerlegbar sind.
Diese Sätze nimm in die Hand
und zieh!

Diesen Mut zur Wahrheit, dieses Wahr-Sagen konzeptualisiert Foucault als Haltung, bei der sich
das Erkenntnissubjekt keineswegs selbstabsichert, sondern in der es sich in eine aktive Auseinan-
dersetzung mit einer Wahrheit begibt, zu der ein Zugang nur unter der Bedingung beziehungswei-
se um den Preis der eigenen Veränderung möglich ist. „Man kann Andere nicht gut regieren, man
kann seine Privilegien nicht in politisches, rationales Handeln für Andere transformieren, wenn
man sich nicht um sich selbst kümmert" 75. Indem sich das Subjekt durch Selbstzuwendung ein
Wissen über sich selbst verschafft, verpflichtet ihn dieses reziprok, die über andere verfügbare
Macht nicht zu missbrauchen, sprich, diese Macht ohne Herrschaftseffekte zu deren Wohl auszu-
üben.

Diese Konzeption ist allerdings solange ein Problem, als wir als konkrete Individuen die entfrem-
denden Machtstrukturen, denen wir als Subjekte unterworfen sind, andererseits selbst mit schaffen
oder aufrecht erhalten ... Autonomie und Entfremdung sind also korrelative, sprich, in wechselseiti-
ger Beziehung stehende Eigenschaften, ganz so wie Verständigungsarbeit und Streit Grundstruk-
turen sozialen Handelns sind. Das hört sich theoretisch vielleicht ganz gut an, doch werden Sie
nun vielleicht nach dem praktischen Nährwert fragen. Sie können sich vorstellen, dass mir das Dik-
tat der möglichst unmittelbaren Praxisrelevanz von Theorie aus der Universität zur Genüge be-
kannt ist. Doch diesem Anspruch hält Adorno 76 entgegen, Erkenntnis werde versperrt, wenn das
Denken auf einen Zweck ausgerichtet oder diesem unterworfen werde. Denn die These der Einheit
von Theorie und Praxis beinhalte ein spezifisches „pervertierendes Moment“, wenn jedwede Theo-
rie „im Hinblick auf Praxis zensiert“ werde. „Das Falsche des heute geübten Primats von Praxis“,
setzt er fort, werde gerade daran deutlich, dass die generell eingeforderte Diskussion durch „Tak-
tik“, durch taktierende, sprich, strategisch-zweckrationale Argumentation „vollend zunichte ge-
macht“ werde.77

Nun, bildlich gesprochen verhalten sich Theorie und Praxis zueinander wie die
beiden Seiten eines sogenannten Möbiusstreifens, eines endlos geflochtenen
Bandes78. Und diesbezüglich habe ich mich – der Einladung, einen politisch-
Kobbé: Täter behandeln? - 15 -
philosophischen Gang zu unternehmen, aber auch einer Forderung Adornos entsprechend – ent-
schieden, auf der Seite der Theorie zu bleiben, diese „konsequent“ (weiter) zu führen, denn „sonst
wird“ – so erneut Adorno – „die Praxis falsch“. Dabei sei das praktische Handeln natürlich „nicht als
Anhängsel, als bloßes Jenseits des Denkens aufzufassen“, sekundiert Horkheimer, sondern es
„spielt in die Theorie überall hinein und ist von ihr gar nicht abzulösen“. 79

Machen wir uns hinsichtlich der Praxis nichts vor: Jede Sozial- und Täterarbeit
muss – wie Mitscherlich80 zur Jugendarbeit ausführt – „in sich selbst eine
dialektische Funktion erfüllen: sie muss in die Gesellschaft einüben und gegen
sie immunisieren, wo diese zwingen will, Stereotypen des Denkens und
Handelns zu folgen statt kritischer Einsicht“. Andernfalls wird Behandlung oder
Erziehung zur Dressur, zur Durchsetzung eines autoritären ›Nein‹ mit
sadomasochistisch strukturiertem Beziehungsmuster, dessen undialektisch
eingefrorenes Entweder-Oder den Charakter von Dominanz und Unterwerfung
– Hegel würde sagen, von Herr- und Knechtschaft – inne hat und einen
Zwiespalt von Strafangst und Strafzwang aufklaffen lässt. In gerade dieser
inneren Spannung wird ein aggressives Moment des Begehrens erkennbar,
das auf den anderen Seite Angst erzeugt. Zwang hat – wir sehen dies
ausgeprägt bei Zwangskranken – mit Angstabwehr, mit der Ritualisierung der
Abwehr der Angst vor der eigenen Affektivität, vor der Wucht des eigenen aggressiven Begehrens
und den damit verbundenen, auf den Anderen gerichteten Phantasien zu tun. Wie wir ebenfalls an
den Zwangshandlungen ersehen können, tendieren diese zur Ausweitung auf das gesamte Den-
ken und Handeln sowie gleichzeitig zur Einengung desselben Denkens und Handelns. Die Ineffek-
tivität dieser Form der Konfliktbewältigung führt – ebenso logisch wie paradox – zu einem unkon-
trollierten Immer-Mehr dieser starren Regeln, dieses rigiden Verhaltenskodex, dieser sich selbst –
und schließlich auch Andere – kontrollierenden Zwangsmechanismen.

Worum geht es, wenn zuvor von Selbstzwang die Rede war? Geborgt habe ich diesen Begriff von
Elias, der mit ihm den historischen Prozess der Herausbildung von Zivilisation, dieses Wandels der
Affekt- und Kontrollstrukturen des Menschen, speziell der Selbstdisziplinierung durch Triebverzicht
charakterisiert. Mehr Individualismus bedeutet, dass „die psychische Selbstkontrollapparatur“ – so
Elias 81 – „differenzierter, allseitiger und stabiler“, dass das Vernunftprinzip fest verankert wird und
dass das Leben in der modernen Gesellschaft einen hohen Preis hat – den der dauernden und
andauernd zu bearbeitenden Unterdrückung des Lustprinzips. Verborgen bleibt der selbstnormie-
rende Zwang lediglich, weil an seine Stelle oft genug eine Außennormierung tritt, ein den Anderen
durch Konkurrenz, Auseinandersetzung, Verpflichtung auferlegter Zwang zum ›richtigen‹ Leben,
wie er sich institutionell alltäglich beispielsweise in der Sozial-, Sexual-, Erziehungs-, Lebens-, Be-
rufs- und Verbraucherberatung dokumentiert.

Wenn wir unseren Klienten mehr zu bieten haben müssen, als sie nur zu
belehren, wie sie sich verhalten sollen, dann fordert dies mehr als rational-
zweckrationale, kollektive Verhaltensregulierungen, dann setzt dies Be-
handler in Widerspruch zu den bürokratischen Regelungen einer „verwalte-
ten Welt“ (Adorno), deren Organisation sozialen Handelns zur Verdingli-
chung der sozialen Beziehungen tendiert. Anders ausgedrückt, haben sich
die sozialen Tabus der Triebunterdrückung, hat sich der kollektive Zwang
zum Selbstzwang verselbständigt und sich als generelle funktionale Ratio-
nalität – als das, was ›vernünftig‹ ist – durchgesetzt. Dem gesellschaftlichen
Druck dieser zwar scheinbar rationalen, andererseits aber eben affektiv un-
terlegten und insofern zwielichtigen Verhältnisse wird sich das Denken nicht
durch einfache Negation, nicht durch Ignorieren, Verneinung oder Verkehrung ins Gegenteil, ent-
ziehen oder widersetzen können: Was dafür benötigt wird, wäre ein konkret erfahrbarer Bezugs-
punkt, eine Referenz, die unter Umständen zunächst einmal Selbstreferenz ist. Doch Vorsicht! Da-
zu kommentiert Adorno, „wer sich einbilde, er sei, als Produkt dieser Gesellschaft, von der bürger-
lichen Kälte frei, heg[e] Illusionen wie über die Welt so über sich selbst ...“82. Fraglos sind auch wir
Theoretiker der Praxis – zum Beispiel die sozialen Techniker des Negativen83, sprich, Sozialarbei-
ter, Pädagogen, Psychologen, ich persönlich ... – selbst Teil des Machtsystems. Und unsere illu-
sionäre Vorstellung, wir seien Agenten des Bewusstseins und Akteure des Diskurses, gehört zu
Kobbé: Täter behandeln? - 16 -
diesem System. Folglich bleibt, so wiederum Foucault, nur übrig, sich dort kritisch mit den poli-
tisch-institutionellen – so auch sozialen, fürsorgerischen, psychotherapeutischen – Machtspielen
und Zwangsmechanismen auseinanderzusetzen, wo der Einzelne selbst „gleichzeitig deren Objekt
und Instrument ist“. Wenn das juristische Recht als Gesetz, Verbot und Institution und wenn stra-
tegische Diskurse lediglich als Modelle zur Analyse von Machtverhältnissen wie Missachtungsbe-
ziehungen zur Verfügung stehen, dann müsse „Politik anders als ›politisch‹“ gemacht werden84.
Und dies bedeute, Selbstverständlichkeiten und Allgemeingültigkeiten zu zerstören, indem Theorie
als „Werkzeugkiste", als Instrument zur Erarbeitung einer situations- und problemadäquaten Logik
genutzt wird, die den Zwängen, Trägheitsmomenten, Schwachstellen und Widersprüchen des ak-
tuellen berufs-, gesundheits- oder gesellschaftpolitischen Feldes Rechnung trägt85. Insofern knüpft
Foucault an Kants Philosophie der Aufklärung an, der danach fragt, wer das Individuum in einem
präzisen Moment der Geschichte ist, sprich, wer wir in der Gegenwart sind.

Das klingt zunächst provokant, doch es entfesselt das Denken. Angesichts einer gesamtgesell-
schaftlichen Renaissance des Zwangs ist die aktuelle Situation wohl eine des «huis clos», und nur
in Anerkennung dieser Realität kann – in Referenz an Marcuse – die individuelle Erfahrung die
Verdinglichung aufheben, in der die jeweiligen menschlichen Beziehungen erstarrt oder versteinert
sind. Ein Dialog der wechselseitigen Achtung lässt sich nicht erzwingen. Es lässt sich aber eine
ethische Haltung einnehmen, die mitunter bereits darin besteht, sich nicht von der hässlichen Seite
der Praxis zu distanzieren. „Wir können“, schreibt Pleyer, „in sauberen Therapiezimmern mit schö-
ner Technik sitzenbleiben und uns hinter Einwegspiegeln verschanzen, anstatt mit unserem Fami-
lienbrett in verdreckte Sozialwohnungen zu gehen, wo Fernseher ganztägig das Geschrei vernach-
lässigter Kinder überbrüllen.“ Hinzu kommen
unser „Hantieren mit therapeutischen Techniken“ zur Sicherung der „Schutzzone unseres Ex-
pertentums“,
unser psychosozialer Jargon, unsere gestelzten Fachausdrücke als „Sicherheitsgurte“ gegen
„die Wirkung emotionaler Auffahrunfälle“ und – wenn wir nur routiniert genug sind –
natürlich die Delegation des Handelns an Andere mitsamt der Alibibegründung dieser
Entverantwortung.86

Für die Täterarbeit bedeutet dies, dass für eine konstruktive Auseinandersetzung mit Tätern häus-
licher Gewalt
eine Kooperation mit der Justiz, nicht aber Vereinnahmung durch oder Anbiederung an sie
benötigt wird,
dass Beratungsstellen geschaffen – und finanziert! – werden müssen, die auf das Problem
spezialisiert sind und intensiv mit Tätern arbeiten,
dass die Diskussion über für unterschiedliche Tätergruppen geeignete Behandlungskonzepte
fortgesetzt werden muss,
dass eine Beforschung des Beratungs- und Behandlungsprozesses mit Tätern indiziert, ande-
rerseits aber nur sinnvoll ist, wenn sie den subjektiven Faktor ›Täter‹ ernst nimmt und explizit
einbezieht,
dass eine Evaluation der Täterarbeit innerhalb verschiedener Ansätze unternommen werden
muss, hiervon aber nicht die grundsätzliche Akzeptanz oder Unterstützung von Beratung und
Behandlung abhängig gemacht werden darf,
dass weiterhin ein Bedarf für Angebote an Selbstmelder besteht, die sich angesichts konse-
quenterer Strafverfolgung im Vorfeld von Strafanzeige und vor Verurteilung melden, und
dass dafür ein politischer statt populistischer Wille erforderlich ist, der bereit ist, Projekte der
Täterarbeit nicht nur einzurichten, sondern auch längerfristig finanziell abzusichern.

Mit diesem Ergebnis bleibt dieser Diskurs ein philosophischer Gang, der noch keinen Weg kennt,
der aber seiner Verantwortung nachzukommen sucht, einen reflexiven, aufrechten Gang zu gehen,
also ein Schreiten ohne Überschreiten der intersubjektiven Grenzen zu verwirklichen, ein Abschrei-
ten der Grenzen zum Anderen, das heißt auch, sich einerseits ohne Rückschritt in eine individuali-
sierende, unpolitische Praxis selbst abzugrenzen, andererseits auf den Gegenüber einzugehen,
gegebenenfalls einzuschreiten, also auf den Anderen zuzugehen ohne seine – und meine! – Be-
dürfnisse zu übergehen, damit aber Zweifel und Zwiespalt nicht entgehen zu können. Das heisst,
nur allmählich, geduldig und selbstreflexiv lässt sich der philosophische Gang entwickeln: Dass
man dabei „ertragen muss“, nicht oder nicht in berechenbarer Weise voranzuschreiten, „dass man
Kobbé: Täter behandeln? - 17 -
87
wieder von vorn anfangen muss, läuft“ – so Lyotard – „den herrschenden Werten zuwider, die
Vorausschau, Entwicklung, Zielgerichtetheit, Effizienz, Geschwindigkeit, vertragsgemäße Ausfüh-
rung, Genuss fordern“. Dabei werden Berater wie Behandler zu einem sowohl moralischen als
auch politischen Zeugen:
zu einem historischen Zeugen, der „mit moralischer Entschlossenheit“88 in der ersten Person
erzählt,
wie zu einem paradigmatischen Zeugen, der ›Wahrheit‹ rekonstruiert, sie sowohl für das Opfer
bezeugt als auch rekonstruierend für den Täter herstellt, indem er „auch aus der Perspektive
der dritten Person erzählen kann“.89
Wenn dieser Zeugenschaft eine Hoffnung innewohnt, dann wohl die von Bloch als „renegatenhaft“
bezeichnete Hoffnung auf eine prinzipiell bessere, sprich, utopisch-friedliche Zukunft, die „keines-
wegs ohne Spannung“ sein dürfte, „wenn die bisherigen, die bloß antagonistischen Widersprüche
in ihm aufgehoben sind“ 90.

Ob der Berater / Behandler jedoch überhaupt „ein nach vorn blickendes We-
sen“ sein kann, „obgleich sein Zeugnis sich auf die Vergangenheit bezieht“,
bleibt für Margalit91 ungeklärt: Denn dieser mit dem familiären Sodom und Go-
morra häuslicher Gewalt konfrontierte Zeuge trägt Züge von Lots Weib, das als
„paradigmatisch rückwärts gewandte Gestalt“ zwar einerseits aus dem Bösen
errettet wird, andererseits den Blick zurück (im Zorn?) nicht unterlassen kann
(darf?92) und angesichts der Wahrheit entsprechend erstarrt. Doch: Nicht zu-
rück sehen, das bedeutet, keine Rücksicht (sic!) zu nehmen, keine erinnernde = innere Rückbin-
dung zu haben. Aufgegeben wird dem Berater und Behandler also, an der Schwelle zur Wahrheit
janusköpfig93 nach vorn wie rückwärts zu blicken.
›Sich zu kümmern‹ birgt das Risiko in sich, angesichts der Ungeheuerlichkeiten der Taten un-
serer Klienten / Patienten innerlich kristallin zu erstarren, kognitiv unbeweglich und emotional
unlebendig zu werden ... oder aber in überengagiert-unreflektierten Eklektizismus, in selbstver-
gessenen Pragmatismus, sprich, ins therapeutische Gegenagieren zu verfallen.
›Sich zu kümmern‹ bedarf folglich der psychohygienischen Selbstsorge des Sich-um-sich-
selbst-Kümmerns, um den Beschädigungen durch die Konfrontation mit dem Täter und seinen
Taten vorzubeugen und zurückblicken zu können ohne zu erstarren. Denn: Seine Autorität be-
zieht der Tätertherapeut aus einer als „Redlichkeit“ zu charakterisierenden Unabhängigkeit, die
– so oder so – mit einer „Kompromisslosigkeit gegenüber sich selbst“ 94 zu tun hat.

Gerade weil es darum geht, als ethisches Subjekt in seinem Begehren


nicht nachzugeben, verdient „eine Landkarte, worauf das Land Utopia
fehlt, [...] nicht einmal den Blick“ und kommt es mit Bloch95 „darauf an, oh-
ne Illusionen das Hoffen zu lernen“. Zwar, schränkt er ein, könne Hoffnung
enttäuscht werden, doch werde „fundierte Hoffnung [...] durch Schaden
durchaus nicht klug“. Die „Arbeit dieses Affekts“ erfordere, sich praktisch
zu engagieren, dies umso mehr, „als konkretes Hoffen bei Rückschlägen
nicht aufgibt“, sondern weiterhin völlig auf das bisher Verneinte setzt. Dazu
konstatiert Kafka: „Der wahre Weg geht über ein Seil“ – über ein Seil, das
„knapp über dem Boden“ gespannt und mehr dazu bestimmt sei, „stolpern
zu machen, als begangen zu werden“96, denn „was wir Weg nennen, ist
Zögern“.97

1
Hölderlin, F. 1805: Das Unendliche [Pindar-Kommentar VII]. In: Hölderlin, F. (Hrsg. D.E. Sattler): Sämtliche Werke. Kri-
tische Textausgabe, Bd. 15: Pindar. Luchterhand, Darmstadt (1988) 294-295
2
Boeckhorst, F. 1996: Die Logik des Umwegs: Über die Kunst der Entfesselung in der Therapie. In: Zeitschrift für syste-
mische Therapie, 14 (1996) 2, 172-177
3
Merleau-Ponty, M. 1946: Le primat de la perception et ses conséquences philosophiques. Cynara, Grenoble (1989)
161
4
E.T. (Hrsg.) 1869: Supplement aux œuvres de maistre François Rabelais – Les songes drolatiques de Pantagruel,
suite de 120 gravures sur bois. Tross, Paris
5
Lyotard, J.-F. 1984: Der philosophische Gang. In: Lyotard, J.-F. (Hrsg.): Grabmal des Intellektuellen. Böhlau, Graz
Wien (1985) 44
6
Glucksmann, A. 1987: Die Meisterdenker. Ullstein, Frankfurt a.M. Berlin
7
Rasch, W. 1984: Vorwort. In: Föster, M. (Hrsg.): Jürgen Bartsch. Nachruf auf eine „Bestie”. Dokumente – Bilder – Inter-
views. Torso, Essen (1984) 16
Kobbé: Täter behandeln? - 18 -

8
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möglichen. Vortrag. Landespräventionstag des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz,
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9
Hoffmann, A. 2001: Häusliche Gewalt ist weiblich. Web-Publ: http://www.kern-home.de/deutsch/KERN @HOME.htm
10
Müller, J. 2000: Forscher streiten über häusliche Gewalt: Wer schlug zuerst – Mann oder Frau? Web-Publ:
http://home.t-online.de/home/Joachim.Mueller-1/extdoc/Usa_h1.htm
11
Pizzey, E. 2000: Gewalt von Frauen. Wen-Publ: http://www.vev.ch/lit/pizzey.htm
12
Balzer, E. & Heitmann, M. 2000: Von der Frauenbewegung zur „feminisierten Gesellschaft”. In: Novo, 45 (2000) Web-
Publ: http://www.novo-magazin.de/45/novo4512.htm
13
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14
Lipowatz, Th. 1993: Ethik und politischer Diskurs. In: Fragmente, 42/43 (1993) 33
15
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Wöll, A. (Hrsg.): Psychoanalyse, Politik und Moral. Diskord, Tübingen (1998) 223
16
Kant, I. 1788: Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Werkausgabe, Bd. VII. Frankfurt
a.M. (1990) 36
17
Lipowatz, Th. 1989: Technik des Genusses oder Ethik des Begehrens? Kant mit Sade, zwei Zeugen der französischen
Revolution. In: ragmente, 31 (1989) 110
18
Duncker, H. 1999: Gewalt zwischen Intimpartnern. Lebe, Aggressivität, Törung. Pabst, Lengerich (1999) 26
19
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(Hrsg.): Die Philosophie im Boudoir oder Die lasterhaften Lehrmeister. Werke, Bd. 5. Könemann, Köln (1995) 302
20
Lacan, J. 1963: Kant mit Sade. In: Lacan, J. (Hrsg.): Schriften II. Walter, Olten (1975) 138-139
21
Lem, St. 1981: Sade und die Spieltheorie. In: Lem, St. (Hrsg.): Sade und die Spieltheorie. Essays, Bd. 1. Suhrkamp,
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24
Klossowski, P. 1967: Sade – mein Nächster. Passagen, Wien (1996) 71-168
25
Lacan, J. (1963) a.a.O., 151-152
26
Lacan, J. (1963) a.a.O., 152
27
Lacan, J. (1960) a.a.O., 226-227
28
Marx, K. 1843: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: Marx-Engels-Werke, Bd. I. Dietz, Berlin
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29
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Margalit, A. 1999: Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung. Fischer, Frankfurt a.M. (1999) 7
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34
Margalit, A. (1999) a.a.O., 89
35
Margalit, A. (1999) a.a.O., 92
36
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130132
37
Margalit, A. (1999) a.a.O., 115
38
Böllinger, L. 2001: Die EU-Kommission und die Sexualmoral. In: Kriminologisches Journal, 33 (2001) 4, 245
39
Exklusiv-Interview „Schröder fordert volle Härte des Gesetzes - Höchststrafe für Kinderschänder“. In: Bild am Sonntag
(08.07.2001), Web-Publ: http://www.bams.de
40
im Original: „Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Männer, die sich an kleinen Mädchen
vergehen, nicht therapierbar sind. Deswegen kann es da nur eine Lösung geben: Wegschließen - und zwar für immer"
(Schröder 2001).
41
Liszt, F. von 1898: Das Verbrechen als sozial-pathologische Erscheinung. (Zitiert nach Ostendorf, H. 1984: Franz von
Liszt als Kriminalpolitiker. in: Kriminalsoziologische Bibliografie, 11 [1984] 42, 1-35)
42
Köhn, K. 1992: Der normale Verbrecher. In: Köhn, K. (Hrsg.): Psychoanalyse und Verbrechen. Grundlagen einer psy-
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43
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scher Überblick über Stand und Rezeption biologisch-psychiatrischer Forschung (Teil II). In: Forensische Psychiatrie
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44
Kobbé, U. 1999: „Bad vibrations“ - Zur politischen Ethik forensischer Psychotherapie. In: Forensische Psychiatrie und
Psychotherapie, 6 (1999) 1, 119-132
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Becker, St. 1996: Setting, Rahmen und therapeutisches Milieu der psychoanalytischen Sozialarbeit. In: Becker, St.
(Hrsg.): Setting, Rahmen, therapeutisches Milieu in der psychoanalytischen Sozialarbeit. Psychosozial, Giessen
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Foucault, M. 1986: Sexualität und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Suhrkamp, Frankfurt a.M. (1986) 76
47
Margalit, A. 2000: Ethik der Erinnerung. Max Horkheimer Vorlesungen. Fischer, Frankfurt a.M. (2000) 18
48
Foucault, M. (1986) a.a.O., 78
49
Foucault, M. & Seitter, W. 1996: Das Spektrum der Genealogie. Philo, Bodenheim (1996) 21
Kobbé: Täter behandeln? - 19 -

50
Kafka, F. 1918: Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg. In: Brod, M. (Hrsg.): Franz Kafka.
Gesammelte Werke: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Prosa aus dem Nachlass. Suhrkamp,
Frankfurt a.M. (1996) 33, Aph. 46
51
Žižek, S. 1992. Mehr-genießen. Lacan in der Populärkultur. In: Wo Es War, 1 (1992) 85
52
Olschanski, R. 1997: Phänomeologie der Mißachtung. Studien zum Intersubjektivitätsdenken Jean-Paul Sartres. Syn-
dikat, Bodenheim
53
Kojève, A. 1958: Zusammenfassender Kommentar zu den ersten sechs Kapiteln der »Phänomenologie des Geistes«.
In: Fulda, H.F. &Henrich, D, (hrsg.): Materialien zu Hegels ›Phänomenologie des Geistes‹. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
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54
Sartre, J.-P. 1967: Kritik der dialektischen Vernunft, Bd. 1. Rowohlt, Reinbek (1967) 117
55
Sartre, J.-P. (1967) a.a.O., 117
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Bruder, K.-J. 1982: Psychologie ohne Bewusstsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie. Suhrkamp,
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57
Vanhoeck, K. 1999: Nach Dutroux: Die therapeutische Situation in Belgien. In: Forensische Psychiatrie und Psycho-
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Korff, W. 1985: Wie kann der Mensch glücken? Perspektiven der Ethik. Piper, München (1985) 231
59
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Marx, K. 1844: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. In: Marx-Engels-Werke, Erg.-Bd. I.
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61
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62
Kobbé, U. 1998(c): »noli me tangere« - Die Anwendung unmittelbarer Gewalt: Eine meta-ethische Diskussion. In: Fo-
rensische Psychiatrie und Psychotherapie, 5 (1998) 1, 139-161
63
Kobbé, U. 1997: ágrafos nómos oder das Gesetz des Handelns. Behandlungsethik zwischen palaverndem Anspruch
und zynischer Wirklichkeit. In: Psychologie & Gesellschaftskritik, 21 (1997) 2, 103-120
Kobbé, U. 1998(d): Apolitische Praxis - politische Apraxie? Be-Handlungsethik zwischen palaverndem Anspruch und
zynischer Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Politische Psychologie, 6 (1998) 1/2, 41-55
64
Bentheim, A. & Ehrchen, S. 2000: Offener Brief an Frau Dr. Christine Bergmann zur Kampagne "Mehr Respekt vor
Kindern", Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Web-Publ:
http://people.freenet.de/mensstudies/info-offener-brief.htm
Amendt, G. 2001: Offener Brief an die Bundesministerin Frau Dr. Bergmann zu der landesweiten Plakatkampagne
"Mehr Respekt vor Kindern". Web-Publ: http://www.gabnet.com/mw/amendt-bergmann.htm
65
Bergmann, Ch. 2001: Antwort auf Bentheim, A. & Ehrchen, S. (2000) a.a.O. Web-Publ: http://www.switchboard-
online.de/sonan.htm
66
Goldberg, C. 1980: Ethische Fragen in der therapeutischen Praxis. In: Goldberg, C. (Hrsg.): Gleichheit in der Psycho-
therapie? Theorie und Praxis therapeutischer Beziehung. Pfeiffer, München (1980) 28
67
Kobbé, U. (1999) a.a.O., 128
68
„Serialisierung“ und „Totalisierung“ beinhalten im Sinne Sartres die Konstituierung entindividualisierter Subjekte als
Phantasieobjekt mit seriellen Verhaltensweisen, seriellen Gefühlen, seriellen Gedanken, die das einzelne Subjekt ne-
giert und von ihm als eine „negative Struktur“ erfahren wird (Laing, R.D. 1964: „Kritik der dialektischen Vernunft“. Teil
1: Von der individuellen Praxis zum Praktisch-Inerten. In: Cooper, D.G. & Laing, R.D. [Hrsg.]: Vernunft und Gewalt.
drei Kommentare zu Sartres Philosophie 1950-1960. Suhrkamp, Frankfurt a.M. [1973] 101-114).
69
Spoden, Chr. (2001) a.a.O.
70
Lohmer, M. & wernz, C. 1995: Probleme der narzisstischen Balance in therapeutischen Institutionen. In. Forensische
Psychiatrie und Psychotherapie, 2 (1995) 1, 13
71
Margalit, A. (1999) a.a.O., 156
72
Kobbé, U. 1998(e): Instrumentelle Vernunft als normativer Fetisch: Über irrationale Gefährlichkeitsmythen und progno-
stische Zweckrationalität. In: Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, 5 (1998) SH, 111-145
73
Foucault, M. 1985: Freiheit und Selbstsorge. Materialis, Frankfurt a.M.
Foucault, M. 1988: Das Wahrsprechen des Anderen. Materialis, Franfurt a.M.
Foucault, M. 1989: Sexualität und Wahrheit, Bd. 3: Die Sorge um sich. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Foucault, M. 1996: Diskurs und Wahrheit: Die Problematisierung der Parrhesia. Merve, Berlin
74
Enzensberger, H.M. 1972: Hommage à Gödel. In: Enzensberger, H.M. (Hrsg.): Gedichte 1955-1970. Suhrkamp,
Frankfurt a.M. (1972) 169-169
75
Becker, H. 1985: Michel Foucault. Freiheit und Selbstsorge. Suhrkamp, Frankfurt a.M. (1985) 75
76
Adorno, Th. (1967) zitiert nach Kraushaar, W. (Hrsg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 2. Rogner &
Bernhard / Zweitausendeins, Hamburg / Frankfurt a.M. (1998) 265
77
Adorno, Th. (1969) zitiert nach Kraushaar, W. (1998) a.a.O., 639
78
Hofstadter, D.R. 1992: Gödel – Escher – Bach: Ein Endloses Geflochtenes Band. DTV / Klett-Cotta, München
M.C. Eschers Holzschnitt „Möbiusstreifen I“ ist entnommen aus: Hofstadter, D.R. (1992) a.a.O., 34 Abb. 10; M.C.
Eschers Holzschnitt „Möbiusstreifen II“ ist entnommen aus: Hofstadter, D.R. (1992) a.a.O., 296 Abb. 54
79
Adorno, Th. (1967) zitiert nach Kraushaar, W. (1998) a.a.O., 265
80
Mitscherlich, A. 1983: Die dialektische Funktion, die Erziehung erfüllen sollte. In: Haase, H. (Hrsg.): Alexander Mit-
scherlich. Gesammelte Schriften, Bd. III: Sozialpsychologie I. Frankfurt a.M. (1983) 33
81
Elias, N. 1990: Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. 1 u. 2.
Suhrkamp, Frankfurt a.M.
82
Adorno, Th. (1967) zitiert nach Kraushaar, W. (1998) a.a.O., 641
83
Lourau, R. 1975: Arbeiter des Negativen, vereinigt euch! In: Basaglia, F. 6 Basaglia-Ongaro (Hrsg.): Befriedungs-
verbrechen. Über die Dienstbarkeit der Intellektuellen. EVA, Frankfurt a.M. (1980) 97-116
Kobbé: Täter behandeln? - 20 -

84
Foucault,M. 1977(a): Nein zum König Sex. In: Foucault, M. (Hrsg.): Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen
und Wahrheit. Merve, Berlin (1978) 194
85
Foucault, m. 1977(b): Mächte und Stretegien. in: Foucault, M. (1978) a.a.O., 216
86
Pleyer, K.H. (1996) a.a.O.
87
Lyotard, J.-F. (1984) a.a.O., 44
88
Margalit, A. (2000) a.a.O., 62
89
Margalit, A. (2000) a.a.O., 75
90
Bloch, E. (1967) a.a.O., 442
91
Margalit, A. (2000) a.a.O., 63-64
92
Bühn, R. & Mathieu, M. & Pich, H. 2001: Was sehen Sie, Frau Lot? Eine künstlerische Auseinandersetzung zu sexuel-
ler Gewalt an Mädchen und Frauen – gegen Täterschutz. Web-Publ: http://www.frau-lot.de/fraulot.htm
93
Janus = altitalienischer Gott der Schwelle, des Ein- und Ausgangs, der in Vergangenheit und Zukunft blickt (Abb.: rö-
mische Münze, ca 200 v. Chr.)
94
Margalit, A. (2000) a.a.O., 77
95
Bloch, E. (1967) a.a.O., 443
96
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97
Kafka, F. (1918) a.a.O., 32 Aph. o.Nr.

Dr. Ulrich Kobbé


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