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Die nationalsozialistische Ideologie der NPD

Steffen Kailitz

I. Einleitung

Die NPD ist keineswegs nur eine Partei, die Brücken ins nationalsozialistische
Spektrum schlägt, sondern selbst eine originär nationalsozialistische Partei. Dieses
Urteil soll der folgende Beitrag systematisch untermauern. Das Urteil schließt dabei
keineswegs aus, dass es gegen diesen Kurs innerhalb der NPD Widerstände durch
Anhänger eines deutsch-nationalen Rechtsextremismus gibt. Vor allem bedeutet
die Einordnung nicht, es gebe keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der his-
torischen NSDAP und der NPD. Ich nutze den Begriff „Nationalsozialismus“ als
einen Gattungsbegriff für rechtsextremistische Parteien, deren Programmatik eine
nationalistische und/oder völkische Grundausrichtung mit einer starken Betonung
sozialstaatlicher Elemente und dem Streben nach einer staatlichen Kontrolle der
Wirtschaft kombiniert. Es ist kein unabdingbares Kriterium, aber doch ein wichti-
ges Indiz für die Zugehörigkeit zum nationalsozialistischen Parteienlager, wenn die
Anhänger einer Partei propagieren, einen Nationalsozialismus, einen nationalen,
deutschen oder völkischen Sozialismus zu vertreten. Erste nationalsozialistische Par-
tei in diesem Sinne war die 1904 in Böhmen gegründete „Deutsche Arbeiterpartei“,
die eine antikapitalistische Ausrichtung mit einem Antislawismus kombinierte.1
Zwar wurde der Nationalsozialismus historisch von einigen Programmpunkten des
linken Sozialismus inspiriert, aber es handelt sich auch auf dem Feld der Wirt-
schafts- und Sozialpolitik um eine originär rechtsextremistische Ideologie und kei-
neswegs um eine Mischung aus rechts- und linksextremistischen Elementen.
Dieser Beitrag verfolgt auch das Ziel zu zeigen, dass die Anwendung der Begrif-
fe „Nationalsozialismus“ und „nationaler Sozialismus“ als Bezeichnung eines
abgrenzbaren Teils der nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Parteienfami-
lie inhaltlich gerechtfertigt und methodisch weiterführend ist. Wenn sich auf plau-
sible Weise die Existenz einer Grundgesamtheit nationalsozialistischer Parteien
nachweisen lässt, hat dies methodische Bedeutung. Wenn NPD und NSDAP sich
als programmatisch eng verwandte Parteien erweisen, dann ist es nämlich metho-
disch gerechtfertigt, aus der Umsetzung von ähnlichen Programmpunkten der
NSDAP gewisse Rückschlüsse auf mögliche Folgen einer Umsetzung von Pro-
grammpunkten der NPD zu ziehen. In erster Linie werden bei den folgenden Aus-
1 Vgl. Karl Dietrich Bracher, Art. Nationalsozialismus, in: Wolfgang W. Mickel/Dietrich Zitzlaff (Hrsg.),
Handlexikon zur Politikwissenschaft, München 1983, S. 309–313, hier S. 311. Bracher hat immer wieder
dafür plädiert, die Selbstbezeichnung als „nationaler Sozialismus“ ernst zu nehmen, da sie im Unterschied
zum Faschismusbegriff eine substantielle Aussage enthalte. Er deutete an, der Begriff könnte auch bei
„nicht-deutschen historischen und aktuellen Ausprägungen bei den Diktatoren der Dritten Welt“ anwend-
bar sein.

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führungen aber schlicht die logischen Folgen bestimmter programmatischer Forde-
rungen der NPD durchgespielt.
Bei der Fallanalyse zur NPD beschränke ich mich weitgehend auf die program-
matischen Kernäußerungen der Partei: das Parteiprogramm, das Aktionsprogramm
und das Europaprogramm. Die Partei versucht nicht zuletzt über ihr Internetange-
bot für eine breite Streuung dieser Texte zu sorgen. Während die NPD ihr aktuel-
les Parteiprogramm bereits vor dem Verbotsverfahren im Jahr 1996 vorlegte,
stammt das weit detailliertere Aktionsprogramm aus dem Jahr 2002 und das Euro-
paprogramm aus dem Jahr 2003. Um einige Schlüsselbegriffe der Programme zu
erläutern, ziehe ich das von der NPD über das Internet verbreitete „Politische Lexi-
kon“ heran. Mit Blick auf die „Jungen Nationaldemokraten“ werte ich zudem deren
Grundlagenprogramm aus.
Die Konzentration auf die Parteiprogramme erfolgt aus analytischen Gründen.
Die Auswertung von Parteiprogrammen erscheint nach wie vor als Königsweg, um
die Grundposition einer Partei auf allen Politikfeldern zu erkunden.2 Parteipro-
gramme haben noch immer eine Schlüsselbedeutung nach innen und außen, auch
wenn sie häufig nicht einmal vom Sympathisantenkreis gelesen werden. Sie dienen
nämlich nach außen der Werbung für die eigenen Positionen und nach innen der
Integration und Aktivierung der Mitglieder.3 Die Parteiprogramme der NPD kön-
nen als eine Art Minimalkonsens der Strömungen in der Partei gelten, während es
problematisch ist, etwa namentlich gekennzeichnete Artikel in der „Deutschen
Stimme“ der NPD als Partei zuzuordnen.4 Der Beitrag will darlegen, wie eine Herr-
schaft der NPD aussehen würde. Diese Analyse nimmt dabei aber nicht alle Pro-
grammpunkte der NPD gleichermaßen in den Blick. Die Perspektive ist deutlich
geprägt von der Frage, welche Programmpunkte der NPD bei ihrer Umsetzung all-
gemeine Menschenrechte zu verletzen und die Errichtung einer Diktatur heraufzu-
beschwören drohen.

II. Bekenntnis zum „nationalen Sozialismus“ und zur Utopie einer „Volksgemeinschaft“

Die Charakterisierung der NPD als nationalsozialistisch ist kein von außen aufge-
klebtes Etikett. In einer leichten sprachlichen Variation ist in der NPD mit Blick
auf die eigene Ideologie etwa von einem „sozialen Nationalismus“5 oder einem
„nationalen Sozialismus“ die Rede. „Nationalsozialismus“ und „nationaler Sozia-
lismus“ sind aber Synonyme.6 So sprach Adolf Hitler etwa in „Mein Kampf“ gleich-

2 Einen Überblick zu den verschiedenen Analysetechniken, um programmatische Standpunkte von Partei-


en zu ermitteln, bietet: Michael D. McDonald/Silvia M. Mendes, Der Politikraum von Parteiprogrammen,
in: Jan W. Deth/Thomas König (Hrsg.), Europäische Politikwissenschaft. Ein Blick in die Werkstatt, Frank-
furt a.M. 2000, S. 22–56.
3 Vgl. zur Funktion von Parteiprogrammen etwa Klaus von Beyme, Parteien im Wandel. Von den Volkspar-
teien zu den professionalisierten Wählerparteien, Wiesbaden 2002, S. 96.
4 Vgl. für eine Analyse des Parteiorgans der NPD, der „Deutschen Stimme“, den Beitrag von Florian Hart-
leb in diesem Band.
5 http://www.jn-magdeburg.de (Stand: 2. Mai 2007).
6 So trägt das Überblickswerk von Karlheinz Weißmann zu den nationalsozialistischen Strömungen den Titel:
Der nationale Sozialismus. Ideologie und Bewegung 1890–1933, Berlin 1998.

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bedeutend von Nationalsozialisten und nationalen Sozialisten7, und in der neona-
tionalsozialistischen Szene der Bundesrepublik werden die Begriffe ebenfalls seit
langer Zeit synonym gebraucht. Das Bekenntnis zum nationalen Sozialismus gilt
für die gesamte Parteijugend. So heißt es etwa im Grundlagenprogramm der JN:
„Wir deutsche Nationalisten sind Sozialisten.“8 Die Göttinger Jugend der NPD
bringt das Glaubensbekenntnis der Parteijugend so auf den Punkt: „Wir, die deut-
sche Jugend, das heißt die, die wir noch deutsch sein wollen, stehen hinter der
NPD! Wir sind nationale Sozialisten und wissen, dass nur der nationalistische Glau-
be Deutschland, Europa und den Rest der Welt in eine bessere, friedlichere und
gerechtere Zukunft führen kann, wenn er weltweit angewendet wird.“9 NPD und JN
organisieren Kundgebungen unter dem Slogan: „Arbeit für Mio. statt Profite für
Millionäre – Nationaler Sozialismus jetzt!“10
Aufschlussreich ist auch, dass die NPD mit Blick auf ihren Brückenschlag zu den
nationalsozialistischen Kameradschaften im „Volksfront“-Konzept von einem
Bündnis zwischen „parteifreien“ bzw. „parteiunabhängigen“ Nationalisten und par-
teigebundenen Nationalisten spricht. Von einer unterschiedlichen ideologischen
Ausrichtung ist nie die Rede. Der Kern der Ideologie der NPD – wie aller national-
sozialistischen Parteien vor ihr – ist das Streben nach der Utopie einer ethnisch völ-
lig homogenen Volksgemeinschaft. Das völkische Denken ist eine Spielart des
Rechtsextremismus, der Nationalsozialismus wiederum eine Variante des völki-
schen Denkens, die aber zugleich versucht – mehr durch Lippenbekenntnisse als
durch tatsächliche Kompromisse –, integrierend auf alle Strömungen des Rechts-
extremismus zu wirken. Die Wurzeln des völkischen Denkens werden von
Forschern wie Kurt Sontheimer in Deutschland verortet.11 Dieser Ideologie liegt
folgendes Menschenbild zugrunde: „Der Mensch existiert nur in seiner je unter-
schiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines
bestimmten Volkes.“12 In der Weimarer Republik entfaltete die Volksgemeinschafts-
ideologie angesichts einer tiefen wirtschaftlichen Krise und einer ausgesprochen
zerklüfteten politischen Kultur besondere Anziehungskraft. Die völkische Bewe-

7 So heißt es etwa in „Mein Kampf“: „Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Pro-
gramm.“ Anschließend beschreibt Hitler die Bedeutung der Hakenkreuzflagge: Adolf Hitler, Mein Kampf,
Bd. 2, München 1925, S. 557. Die Partei von Julius Streicher, der später zur NSDAP stieß, nannte sich
„Deutschsozialistische Partei“. Dieser Partei sprach Hitler die „gleichen Schlussziele“ (ebd., S. 575) zu wie
der NSDAP.
8 Junge Nationaldemokraten, Grundlagenprogramm, S. 4. Quelle: http://www.jn-sachsen.de/images/PDF/
jn-grundlagenprogramm.pdf (Stand: 3. Mai 2007).
9 Jugend für die NPD – Jugend für Deutschland, http://www.npd-goettingen.de/Deutschland/Jugend.htm
(Stand: 21. April 2007).
10 Junge Nationaldemokraten, NPD/JN Kundgebung in Essen-Borbeck, http://www.jn-buvo.de/index.php?
option=com_content&task=view&id=208&Itemid=33 (Stand: 3. Mai 2007).
11 Vgl. u. a. Kurt Sontheimer, Das antidemokratische Denken in der Weimarer Republik, München 1978. S.
130–134. Ein hervorragender Aufsatz zur völkischen Ideologie ist: Martin Broszat, Die völkische Ideologie
und der Nationalsozialismus, in: Deutsche Rundschau 84 (1958), S. 53–68. Einen Überblick zur völkischen
Bewegung bieten: George L. Mosse, Die völkische Revolution: Über die geistigen Wurzeln des Nationalso-
zialismus, Frankfurt a.M. 1991; Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich.
Sprache, Rasse, Religion, Darmstadt 2001; ders. (Hrsg.), Handbuch zur „völkischen Bewegung“ 1871–1918,
München 1999.
12 NPD-Parteivorstand (Hrsg.), Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung. Argumente für
Kandidaten und Funktionsträger, Berlin 2005, S. 14.

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gung wollte in erster Linie die Juden aus der von ihr ersehnten „Volksgemeinschaft“
ausgrenzen. Diese Konzentration lag darin begründet, dass ein ethnisches Anders-
sein in jener Zeit in hohem Maße mit dem Judentum identifiziert wurde. Die meis-
ten der in den 1920er Jahren im Vergleich zur Gegenwart wenigen Zuwanderer nach
Deutschland waren osteuropäische Juden, die vor Verfolgung aus Osteuropa geflo-
hen waren. Der völkische Antisemitismus ist als eine spezifische Ausprägung des
völkischen Denkens anzusehen. Grundsätzlich richtet sich die völkische Ideologie
aber nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle, die als nicht dem eigenen Volk oder
zumindest der eigenen Rasse zugehörig empfunden werden.
Das Bekenntnis zum nationalsozialistischen Kernbegriff der Volksgemeinschaft
steht inzwischen im Mittelpunkt aller programmatischen Äußerungen der NPD.
Die Partei beklagt dabei, dass es derzeit keine Volksgemeinschaft gebe. So heißt es:
„Die Volksgemeinschaft wurde in der BRD zerstört. An ihre Stelle trat eine
Ansammlung von Individuen mit egoistischen Zielen. Gemeinsame Werte wurden
zerstört, und die Gemeinsamkeit von Geschichte, Kultur und Abstammung wird
durch bewusst herbeigeführten, fortgesetzten Ausländerzustrom vernichtet.“13 Häu-
fig ist in der Partei und ihrem Umfeld dabei mit Blick auf die Zuwanderung von
einem drohenden „Völkermord“ an den Deutschen zu lesen.
Auf dem Weg zur von der NPD geforderten Volksgemeinschaft erscheint der Par-
tei zweierlei notwendig:
1. Eine Unterordnung der Angehörigen der Volksgemeinschaft unter die Interessen
einer völkisch definierten deutschen Gemeinschaft.
2. Einen Ausschluss aller Menschen aus der deutschen Gesellschaft, die aus Sicht
der NPD nicht in eine deutsche „Volksgemeinschaft“ gehören.
Mit Blick auf die Beurteilung des historischen Nationalsozialismus herrscht in
der Parteispitze eine klar positive Beurteilung vor. So befand der Parteivorsitzende
Udo Voigt in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“: „Tatsächlich hat der Natio-
nalsozialismus die Ideen völkischer Identität von 1848 in hohem Maße realisiert,
leider aber war er auch imperialistisch.“14 Über Adolf Hitler urteilte er: „Zweifellos
handelt es sich bei Hitler um einen großen deutschen Staatsmann. Ich verkenne
aber nicht, dass er letztlich die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands
trägt.“15 Der – inzwischen verstorbene – sächsische Vorzeigekandidat der NPD, Uwe
Leichsenring, bezeichnete das „Dritte Reich“ als „eine Wohlfühldiktatur mit 95 Pro-
zent Zustimmung“.16
Trotz der programmatischen Ausrichtung sah der Parteivorsitzende Voigt 2004
die NPD nicht als eine rein nationalsozialistische Partei an, sondern als eine Orga-
nisation, die neben Nationalliberalen und Nationalkonservativen auch Nationalso-
zialisten integriere. Im Programm spiegeln sich aber – wie noch zu zeigen sein
wird – nationalliberale und nationalkonservative Positionen nicht. Die Grundaus-
13 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Parteiprogramm (1996), S. 10; Quelle: http://partei.npd.de/
medien/pdf/Parteiprogramm.pdf (Stand: 18. April 2007).
14 „Ziel ist, die BRD abzuwickeln“. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt über den Wahlerfolg seiner Partei und
den „Zusammenbruch des liberal-kapitalistischen Systems“, in: Junge Freiheit vom 24. September 2004.
15 Ebd.
16 Uwe Leichsenring zitiert nach Vogtlandanzeiger vom 17. Mai 2006.

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richtung der Partei ist nationalsozialistisch. In ihrem im Internet verbreiteten „Poli-
tischen Lexikon“ umschreibt die NPD diese Ideologie so: „Nationaler Sozialismus
sucht den Ausgleich zwischen Markt und Plan und entspringt nicht dem materia-
listischen Denken der Linken.“17 Der nationale Sozialismus ziele nicht auf den
Klassenkampf, sondern auf die Klassenbeseitigung. Genau dieses spezifisch völ-
kisch geprägte Streben nach einem „Ausgleich zwischen Markt und Plan“ zeigt sich
in der Wirtschafts- und Sozialprogrammatik der NPD. Eine auf NPD-Demonstra-
tionen immer wieder auf Transparenten zu sehende Kernparole lautet entspre-
chend: „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“. Die Positionen des „nationalen
Liberalismus“ und des „nationalen Konservatismus“, die laut Voigt ebenfalls in der
Partei vertreten sein sollen, werden im „Politischen Lexikon“ nicht charakterisiert.
Der „Liberalismus“ wird vielmehr als Feindbild der eigenen Ideologie dargestellt.
Nationalismus und Liberalismus erscheinen aus dieser Perspektive unvereinbar. So
heißt es: „Nationalisten setzen liberalistischen Falschlehren die Auffassung vom
Staat als Wahrer des Ganzen, als Träger der Volksgemeinschaft, gegenüber.“18 Die
Selbstbezeichnung der Partei als revolutionär lässt wiederum erkennen, dass sie kei-
neswegs eine nationalkonservative und damit antirevolutionäre Ausrichtung hat.19
In die programmatischen Texte der NPD hat die Bezeichnung der eigenen Ideo-
logie als nationaler Sozialismus bislang allerdings keine Aufnahme gefunden. Die
NPD wehrt sich sogar dagegen, wenn Demokraten sie als nationalsozialistisch cha-
rakterisieren. So zeigte etwa Holger Apfel den CDU-Fraktionsvorsitzenden im säch-
sischen Landtag, Fritz Hähnel, an, weil dieser die Politiker der NPD als National-
sozialisten bezeichnet hatte.20 Der Eiertanz von führenden Vertretern der NPD
dürfte dadurch zu erklären sein, dass 1. der Anspruch auf eine Integrationswirkung
der NPD im rechtsextremistischen Lager durch ein klares Bekenntnis zum Natio-
nalsozialismus aufgegeben würde und 2. ein offenes Bekenntnis zum Nationalso-
zialismus unweigerlich einen neuen Verbotsantrag zur Folge hätte.

III. Die Utopie einer „Volksgemeinschaft“ und der Plan einer Vertreibung von Mio. Menschen

Die NPD will die Zuwanderung von allen, die für sie nicht als Volksdeutsche gel-
ten, beenden. Darüber hinaus plant die NPD die Vertreibung aller, die aus ihrer
Sicht nicht in die Volksgemeinschaft gehören. Ihr Projekt einer Vertreibung von
mehr als elf Mio. Menschen beschönigt sie als „Ausländerrückführung“. Dieses Pro-
jekt betrifft dabei keineswegs nur Ausländer, sondern auch Mio. deutscher Staats-
angehöriger. So beklagt die NPD in ihrem Aktionsprogramm, dass die offizielle

17 Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Nationaler Sozialismus, http://www.npd.de/index.php?sek=0&


pfad_id=31&seite_id=30&vid=711 (Stand: 18. April 2007).
18 Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Liberalismus, http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=31&
seite_id=30&vid=711 (Stand: 18. April 2007).
19 Diese analytische Einschätzung unterscheidet sich nicht von der vorherrschenden Einschätzung der Par-
teigliederungen der NPD. So wehrt sich etwa die NPD-Göttingen nachdrücklich gegen die Ansicht, die
NPD sei konservativ: „Da es aber kaum Zustände und Werte in dieser Republik gibt, die wir als bewah-
renswert betrachten, sind wir auch nicht sonderlich konservativ.“ http://www.npd-goettingen.de/UeberUns
/Vorurteile.htm (Stand: 25. Mai 2007).
20 Vgl. Pressemitteilung der NPD-Fraktion vom 28. Januar 2005.

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Zahl der Ausländer in Deutschland nicht die „Ausländer mit BRD-Pass“21 umfas-
se. Wer aus Sicht der NPD nicht „germanischstämmig“ ist, bleibt für sie „körper-
lich, geistig und seelisch immer Fremdkörper“. Die Verleihung eines „bedruckten
Papiers“, sprich der deutschen Staatsangehörigkeit, ändere nämlich nicht die „bio-
logischen Erbanlagen“. Vorrangig richtet sich dieses Urteil der NPD dabei gegen
„Afrikaner, Asiate[n] oder Orientale[n]“22, in zweiter Linie auch gegen alle anderen
Menschen, die nicht „germanischstämmig“ sind. Die Ideologie der NPD ist gegen
Ausländer in Deutschland und gegen einen bedeutenden Teil der heutigen deut-
schen Staatsbürger, der mehrere Mio. Menschen umfasst, gerichtet. Ein Farbiger
kann z. B. aus Sicht der NPD unabhängig von seinem Geburtsort und seiner Staats-
angehörigkeit niemals zur deutschen Volksgemeinschaft gehören.23
In ihrem Aktionsprogramm benennt die Partei, wer aus ihrer Sicht nicht Deut-
scher sein kann. Die NPD wendet sich gegen eine Bevölkerung Deutschlands, die
„kein gemeinsames Aussehen, keine gemeinsame Kultur, keine gemeinsame
Abstammung, keine gemeinsame Geschichte und keine gemeinsame Sprache“24
hat. Für die NPD kann nämlich nur ein Volk mit diesen Merkmalen gemeinsame
Werte entwickeln und eine Gemeinschaft bilden. Eine Abkehr von diesem völki-
schen Denken führe dagegen zu Bürgerkrieg und Rassenunruhen in einem Staat.
In der NPD sind inzwischen zunehmend Anklänge an Rassentheorien zu fin-
den. Im Aktionsprogramm geschieht dies eher zurückhaltend, indem die Partei den
Aspekt des Aussehens neben dem Aspekt der Abstammung ins Feld führt, ohne
dass sie an dieser Stelle den Begriff „Rasse“ verwendet. In ihrem über das Internet
verbreiteten „Politischen Lexikon“ knüpft die NPD offen an den nationalsozialisti-
schen Rassentheoretiker Hans F. K. Günther an. Die NPD zitiert ihn mit folgen-
dem Satz, der erkennbar die Aussage im „Aktionsprogramm“ der NPD prägt: „Rasse
ist eine Menschengruppe, welche bei allen ihren Vertretern ein in der Hauptsache
gleiches leiblich-seelisches Bild zeigt.”25 Problematisch ist nicht so sehr, dass die
NPD den Begriff der „Rasse“ und nicht der „Ethnie“ verwendet. So findet der Begriff
„Rasse“ auch gewöhnlich Verwendung in allen älteren antirassistischen Äußerun-
gen.26 Das Problem ist vielmehr, dass sich die NPD für eine Vertreibung und
Ungleichbehandlung von bestimmten Menschengruppen aus Deutschland einsetzt.

21 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Aktionsprogramm (2002), S. 13; Quelle: http://www.npd.de/


medien/pdf/aktionsprogramm.pdf (Stand: 18. April 2007).
22 Argumente für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 12.
23 Diese Ansicht versuchte die NPD durch ihren WM-Planer zu verbreiten. Er trug die Aufschrift: „Weiß.
Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!“ Daneben war ein Spieler mit der
Rückennummer 25 zu sehen. Diese Nummer trug der in Hamburg geborene Patrick Owomoyela im Natio-
nalteam. Er klagte erfolgreich gegen die Verbreitung des WM-Planers der NPD.
24 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 11.
25 Politisches Lexikon, Art. Rasse (FN 17).
26 So heißt es etwa im deutschen Grundgesetz in Art. 3, gegen den die Programmatik der NPD fundamental
gerichtet ist: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Spra-
che, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Analog ist der Begriff der Rasse auch in der Erklärung der Allgemei-
nen Menschenrechte verankert. Beide Erklärungen wurden abgefasst, bevor die UNESCO 1952 empfahl,
den Rassebegriff nicht mehr zu verwenden und ihn durch die Wendung „ethnische Gruppe“ zu ersetzen.
Vgl. Unesco, The Race Concept. Results of an Inquiry, Paris 1952.

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Um zu erkennen, welches gigantische Vertreibungsprojekt die NPD in Angriff
nehmen möchte, ist ein Blick auf den Kreis der Personen zu werfen, die sie für die
so genannte „Ausländerrückführung“ vorgesehen hat: Er lässt sich näherungswei-
se über die Zahl der 2005 vom Statistischen Bundesamt im Mikrozensus erfassten
Personen mit Immigrationshintergrund erschließen. Laut offiziellen Zahlen von
2005 sind dies 15,3 Mio. Menschen. Es handelt sich um 19,3 Prozent der Wohnbe-
völkerung Deutschlands. Acht Mio. dieser Menschen sind deutsche Staatsbürger
und 7,3 Mio. haben eine andere Staatsangehörigkeit. 6,3 dieser 15,3 Mio. Menschen
sind in Deutschland geboren.27 Aufgrund der völkischen Ideologie der NPD ist es
wichtig zu erwähnen, dass in der Zahl der 15,3 Mio. Menschen mit Immigrations-
hintergrund die über vier Mio. Spätaussiedler seit 1950 enthalten sind. Die NPD
dürfte die Spätaussiedler auf der Grundlage ihrer völkischen Ideologie als deutsch
anerkennen. In den NPD-Programmen findet sich zu dieser Frage allerdings keine
Aussage. Die NPD dürfte sich um die Frage der Bewertung der Spätaussiedler drü-
cken, weil sie weiß, dass für einen großen Teil ihrer Anhängerschaft die Spätaussied-
ler kaum anders wahrgenommen werden als etwa Zugewanderte aus der Türkei.
Dadurch wird die NPD in der politischen Landtagsarbeit zum Spagat gezwungen.
So fand sich etwa in einem Antrag von Uwe Leichsenring zu „Problemen bei der
Integration von Spätaussiedlern auf dem Pirnaer Sonnenstein“ im sächsischen
Landtag der Wunsch, Arbeitslosen- und Kriminalitätsraten nach Ausländern, Spät-
aussiedlern und Deutschen aufzuschlüsseln.28 Eine andere Gruppe von Menschen,
die von der NPD als nicht-deutsch wahrgenommen werden, ist zu einem größeren
Teil nicht in der Gruppe der Personen mit Immigrationshintergrund erfasst. Es geht
um die Gruppe der Menschen mit jüdischer Religionszugehörigkeit. Der Antisemi-
tismus spielt im Unterschied zur NSDAP in der Programmatik der NPD keine her-
vorgehobene Rolle. Mit Blick auf das Vertreibungsprojekt der NPD bleibt aber kein
Zweifel, dass auch die Juden vertrieben werden sollen. Funktionäre der NPD stel-
len Angehörige der Juden nämlich stets als Angehörige eines anderen Volkes dar.29
Die Zahl der Menschen, die die NPD vertreiben möchte, beträgt etwa elf Mio.
Dies entspricht rund 14 Prozent der Menschen, die derzeit in Deutschland leben.
Die Zahl der Menschen, deren Ausgrenzung, Entrechtung und Vertreibung die
NPD ankündigt, liegt damit weit über der Zahl jener Menschen, die zum Zeitpunkt
der Machtergreifung der NSDAP 1933 in Deutschland mit Ausgrenzung, Entrech-
tung und Vertreibung rechnen mussten. Die Zahl der nicht als Arier anerkannten
Bewohner Deutschlands belief sich 1933 auf rund 600.000 Menschen oder ein Pro-
zent der Wohnbevölkerung.30 Es ist dabei davon auszugehen, dass auch der kritischs-
te Beobachter der NSDAP 1933 nicht voraussehen konnte, dass die Planungen zu
einer Entrechtung und Vertreibung der Juden in Deutschland in einer Vernichtung

27 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leben in Deutschland. Haushalte, Familie, Gesundheit – Ergebnis-
se des Mikrozensus 2005, Wiesbaden 2005, S. 73–80.
28 Vgl. Drucksache 4/3878–4/3885.
29 So äußerte sich etwa Jürgen Gansel in der „Deutschen Stimme“ so: „Es wird also höchste Zeit, die Holo-
caust-Waffe stumpf zu machen, damit ein eben nicht ganz normales Völkchen mit ihr keine Sonderinte-
ressen mehr durchsetzen und andere moralisch erpressen kann.“ Vgl. Deutsche Stimme, Nr. 6/2006.
30 Vgl. Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd. 1., Frankfurt a.M. 1990, S. 85.

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der Juden in ganz Europa gipfeln würde. Auch mit Blick auf die NPD sollte nicht
darüber spekuliert werden, ob die von ihr angekündigte Vertreibung in einer Ver-
nichtung von als ausländisch definierten Menschen gipfeln könnte. Ohne die
Anwendung von Gewalt und die Einrichtung von Konzentrationslagern erscheint
aber eine Vertreibung von mehr als elf Mio., die mehrheitlich kaum freiwillig gehen
dürften, kaum vorstellbar. Ein bedeutender Teil dieser Menschen, zumal die in
Deutschland Eingebürgerten, können gar nicht in andere Länder vertrieben wer-
den, weil die von der NPD anvisierten Länder sie nicht aufnehmen würden. Was
dann mit diesen Mio. Menschen geschehen soll, lässt die Programmatik der NPD
offen. Im heutigen Programm der NPD ist daher sogar noch stärker als in der
NSDAP-Programmatik ein selbst geschaffener Zwang erkennbar, der bei einer
Alleinherrschaft der NPD in eine Terrorspirale münden müsste. Die NPD bemän-
telt ihr menschenfeindliches Programm damit, dass sie behauptet, die so genann-
ten „Rückführungen“ seien im Sinne der als ausländisch definierten Menschen.
Die Frage, ob diese Menschen ihrer „Rückführung“ zustimmen, interessiert die
NPD aber nicht.
Bei der Skizzierung eines umfassenden Vertreibungsprojekts geht die NPD in
ihrer Programmatik dabei sogar weiter als das NSDAP-Programm von 1920. So for-
derte die NSDAP, dass Menschen, die keine deutschen Staatsbürger seien, nur als
Gast in Deutschland leben dürften. Die NPD will es dagegen grundsätzlich nicht
gestatten, dass Nicht-Deutsche in Deutschland leben. Sie möchte bis auf zu geneh-
migende Ausnahmen, das Aufenthaltsrecht von allen, die sie nicht als deutsch
akzeptiert, auf drei Monate beschränken. Die NPD geht auch deutlich weiter in
ihrer Forderung, wer vertrieben werden soll. Die NSDAP forderte, dass alle aus ihrer
Sicht „Nicht-Deutschen, die seit dem 2. August 1914 eingewandert sind, sofort zum
Verlassen des Reichs gezwungen werden sollten“.31 Bei der NPD gibt es keine der-
artige Grenzlinie. Sie will schlicht alle vertreiben, die nach ihrer Ansicht nicht zum
deutschen Volk gehören. Sie lässt dabei offen, wie lange die deutsche Abstam-
mungslinie für sie zurückreichen muss, damit ein Mensch von ihr als Deutscher
angesehen wird. Es erscheint als eine nahezu zwangsläufige Folge des Denkens der
NPD, dass die Partei bei ihrer Herrschaft analog dem Ariernachweis zu Zeiten der
Regierung Hitler etwa einen Deutschennachweis oder einen „Germanischen
Stammnachweis“ einführen müsste.
Die NPD wehrt sich gegen jede Bestrebung zur Integration von Personen, die
keine ethnischen Deutschen sind. Dies liegt in der völkischen Grundorientierung
begründet. Zudem dürfte der NPD klar sein, dass durch eine Integration mensch-
liche Bindungen zwischen den von ihnen als Volksdeutsche und den von ihnen als
Ausländer definierten Menschen entstehen und dies eine Hinnahme der Vertrei-
bung durch die übrige Bevölkerung erschwert. Die NPD will daher die als auslän-
disch definierten Menschen systematisch aussondern, bevor sie vertrieben werden.
Charakteristisch ist dafür folgende Forderung in ihrem Aktionsprogramm: „Auslän-

31 Die 25 Punkte des Programms der NSDAP, in: Walther Hofer (Hrsg.), Der Nationalsozialismus. Dokumen-
te 1933–1945, Frankfurt a.M. 1957, S. 28–31.

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dische Kinder sollen in homogenen Klassenverbänden und in ihrer Muttersprache
unterrichtet werden, um eine spätere Reintegration in den Heimatländern zu
erleichtern.“32 Die Forderung, dass eine völkische Trennung von Ausländern und
Deutschen an den Schulen erfolgen soll, bis alle Ausländer aus Deutschland ver-
trieben sind, verbirgt die NPD keineswegs. Sie findet sich u. a. auf dem NPD-Falt-
blatt „Jugend!“, das die Partei regelmäßig in Wahlkämpfen einsetzt und über das
Internet verbreitet.33
Auf der Grundlage der völkischen Ideologie der NPD sind im Falle ihrer Herr-
schaft bis zum Abschluss der Vertreibung von elf Mio. Menschen viele weitere Maß-
nahmen zu einer völkischen Trennung von als deutsch und als ausländisch definier-
ten Menschen zu erwarten. Aus der Auseinandersetzung mit den von der NPD als
„Bastarde“ bezeichneten Menschen lässt sich etwa ablesen, dass in einer Diktatur
der NPD Ehen zwischen Menschen, die als deutsch akzeptiert werden, und solchen,
die nicht als deutsch akzeptiert werden, verboten wären. Wer sich den umfassenden
Komplex der Sonderrechte für die Juden im NS-Staat ansieht34, kann sich ein Bild
davon machen, wie Regelungen im Zuge einer Umsetzung der „Ausländerrückfüh-
rung“ durch die NPD aussehen würden. So regelte die NSDAP zwischen 1933 und
1938 nahezu jedes Detail der Ausgrenzung der als jüdisch definierten Menschen
aus der deutschen Gesellschaft. So wurde, um nur ein Beispiel von Hunderten zu
nennen, am 9. Mai 1935 eine neue Zulassungsverordnung für Zahnärzte und Den-
tisten erlassen, die festlegte, dass die „arische Abstammung Bedingung für die
Zulassung“35 sei.
Aufschlussreich ist, dass sich die NPD bereits analog der historischen NSDAP
mit Blick auf die Juden darüber Gedanken macht, wie mit Menschen umzugehen
ist, von denen ein Elternteil die Volkszugehörigkeitskriterien der NPD erfüllt und
das andere nicht. Von diesen Menschen spricht die NPD in einem Argumentations-
papier für ihre Funktionäre voller Verachtung nicht nur als „Mischlinge“, sondern
sogar als „Bastarde“: „Die Mischlinge, die deutsch-nichteuropäischen Beziehungen
entstammen, werden das sich nationalisierende Deutschland über kurz oder lang
freiwillig verlassen, weil sie eine multikulturelle Umgebung bevorzugen. Sie werden
sich Ausländer suchen, in denen es keine einheitliche Volkssubstanz gibt, in denen
Bastarde zum Alltagsbild gehören und die damit verbundene ethno-kulturelle Ver-
wahrlosung und Bindungslosigkeit allgegenwärtig ist. [...] Die Schuld für ihre Wan-
derschaft zwischen den multikulturellen Welten und das grausige Schicksal der Hei-
matlosigkeit haben die Mischlinge dann bei ihren verantwortungslosen und
selbstsüchtigen Eltern zu suchen und nicht bei den Deutschen, die eine solidari-
sche Volksgemeinschaft sein wollen.“36 Mit Blick auf die „Mischlinge“ plant die
32 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 58.
33 Vgl. Jugend braucht Visionen!“, http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint _id=2&detail=13
(Stand: 3. Mai 2007). Die entsprechende Textstelle lautet: „Wir fordern – die Einführung getrennter Schul-
klassen von Deutschen und Ausländern, solange die von uns geplante Ausländerrückführung noch nicht
abgeschlossen ist, um die kulturelle Identität jeder Volksgruppe zu wahren.“
34 Eine nahezu komplette Übersicht bietet: Jürgen Walk (Hrsg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat,
2. Aufl., Heidelberg 1996.
35 Ebd., S. 114.
36 Argumente für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 8 f.

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NPD also keine Deportation. Diesen Menschen soll vielmehr – wenn ein Elternteil
nicht-europäischer Herkunft ist – das Leben in Deutschland durch die Deportation
eines bedeutenden Teils der Menschen aus ihrem sozialen Umfeld, ihre Diffamie-
rung als „Mischlinge“ und „Bastarde“ sowie Ausgrenzungsmaßnahmen unmöglich
gemacht werden, so dass sie in die Emigration gezwungen werden.37 Die NPD ist
ideologisch konsequent. Für die NPD ist aufgrund ihrer völkischen Ideologie bei
diesen Menschen auch das Ursprungsland der Familienlinie des anderen Eltern-
teils nicht die Heimat. Die NPD sieht also bei den als „Bastarden“ diffamierten
Menschen nicht von einer Deportation ab, weil sie bei diesem Grad der völkisch
geprägten Menschenfeindlichkeit eine Grenze zieht, sondern weil sie bei diesen
Menschen kein Heimatland angeben kann.

IV. Die Finanzierung des Vertreibungsprojekts

Die NPD hat sich zweckrationale Gedanken darüber gemacht hat, wie sich ihr Ver-
treibungsprojekt finanzieren lässt. Die Kosten für die so genannte „Rückführung“
sollen folgendermaßen aufgebracht werden: 1. durch eine Beteiligung der zu Ver-
treibenden an den Kosten. Diese Kostenbeteiligung will die NPD ausdrücklich auf
eine gesetzliche Grundlage stellen.38 2. sollen Unternehmen, die Personen beschäf-
tigen, die von der NPD nicht als deutsch anerkannt werden, eine so genannte
„Rückführungsabgabe“ an den Staat zahlen.39
Bei der Deckung der Kosten des Vertreibungsprojekts scheint es die NPD nicht
belassen zu wollen. Sie scheint aus der Vertreibung von Mio. von Menschen Profit
schlagen zu wollen. So wird im Aktionsprogramm der NPD behauptet: „Grund und
Boden sind Eigentum des deutschen Volkes“. Daraus wird 1. abgeleitet, dass als aus-
ländisch definierte Personen künftig keinen deutschen Grund und Boden erwerben
dürfen. Es heißt 2. aber auch unmissverständlich: „Eventuell bestehende Besitzver-
hältnisse [von Ausländern] sind aufzulösen oder rückzuübertragen.“40 Im Namen
des deutschen Volkes erhebt die NPD damit einen Eigentumsanspruch. Sie bestrei-
tet damit, dass der Erwerb von Grund und Boden durch von der NPD als auslän-
disch definierte Menschen Rechtskraft hat. Vage ist von „Entschädigungen“ bei der
so genannten „Rückübertragung“ die Rede. Wer feststellt, dass diese „Entschädi-
gungen“ in der Regel nicht dem Marktwert des Enteigneten entsprechen würden,
begibt sich wohl kaum zu sehr auf die Ebene der Spekulation. Der entscheidende

37 An den Ausführungen ist erkennbar, dass die NPD in erster Linie in Rassekategorien und in zweiter Linie
in engeren völkischen Kategorien denkt. So scheint die NPD Menschen mit einem Elternteil von nicht-
deutscher, aber europäischer Herkunft dulden zu wollen.
38 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 13. In diesem Punkt ging die NSDAP über die Forderungen der
NPD hinaus. Die entsprechende Regelung der NSDAP mit Blick auf die Juden lautete im Juli 1933: „Die
Auswanderung von Personen jüdischer Abstammung ist erwünscht und darf infolgedessen nicht unterbun-
den werden. Andererseits ist es erforderlich, von leistungsfähigen Personen, durch deren Auswanderung
die deutsche Steuerbasis geschmälert wird, eine letzte große Abgabe – die Reichsfluchtsteuer – zu erhe-
ben.“ Walk (FN 34), S. 42. Die als jüdisch definierten Menschen mussten also nicht nur ihre Vertreibung
finanzieren, sondern auch noch eine „Fluchtsteuer“ bezahlen.
39 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 21.
40 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 14.

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Punkt ist aber, dass es sich um Zwangsenteignungen handeln würde, die auf dem
Boden eines Rechtsstaats nicht zu rechtfertigen sind und Mio. von Menschen betref-
fen würden. Wer zu einem solchen Mittel greift, kommt wohl kaum ohne Gewalt
aus. Parallelen des NPD-Projekts zum historischen Programm einer „Arisierung“
jüdischen Eigentums durch die NSDAP fallen ins Auge. Es sei dabei daran erin-
nert, dass der von den Nationalsozialisten gelenkte deutsche Staatsapparat im Zuge
der „Arisierung“ zwischen 1933 und November 1938 die Juden massiv zum Verkauf
ihres Eigentums drängte, sie aber noch nicht zwangsweise enteignete. Die NPD
plant also gegenüber als ausländisch definierten Menschen Maßnahmen, die von
der NSDAP erst nach der Radikalisierung der nationalsozialistischen Herrschaft
nach dem Pogrom im November 1938 gegenüber den Juden umgesetzt wurden.41

V. Völkische Sozialpolitik

Der Plan einer Vertreibung von Mio. als ausländisch definierter Menschen durch
die NPD ist nur die eine Seite der kollektivistischen Volksgemeinschaftsideologie.
Die andere Seite ist das Versprechen, für einen sehr ausgebauten Wohlfahrtsstaat
und eine gute Ausbildung der Angehörigen der Volksgemeinschaft zu sorgen. Beide
Seiten der nationalsozialistischen Ideologie sind nicht voneinander zu trennen. Der
sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel verknüpfte die beiden Seiten
so: „Die Deutschen müssen sich zwischen Sozialstaat und Einwanderungsstaat ent-
scheiden – einen Mittelweg gibt es nicht!“42
Wem die mindestens elf Mio. Menschen egal wären, die vertrieben werden sol-
len, der könnte sich gut in der von der NPD propagierten Volksgemeinschaft ein-
richten. So fordert die NPD etwa: „Jeder Deutsche hat das Recht auf Arbeit“43 und:
„Die Arbeitnehmer sind am Produktivvermögen zu beteiligen.“44 Ein mit Blick auf
ihre völkische Ideologie sehr bedeutsamer Komplex ist für die NPD die Familien-
politik. Die Maßnahmen zielen darauf, einen Zuwachs der Geburtenrate der
Menschen zu erreichen, die als deutsch gelten.45 In dieser Hinsicht wird etwa ein
„Müttergeld“ gefordert. Weiterhin will die NPD z. B. die Garantie eines Kindergar-
tenplatzes für jedes von ihr als deutsch angesehene Kind und einen Anspruch auf
kompetente Ganztagsbetreuung in der Schule, wenn beide Elternteile erwerbstätig
sind. Die NPD preist dabei die bevölkerungspolitischen Maßnahmen des National-
sozialismus und indirekt auch jene der DDR, „die zu einem erheblichen Teil von

41 Vgl. zum Vorgehen der nationalsozialistischen Diktatur unter Hitler: Hilberg (FN 30), S. 98.
42 Erklärung des Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel zu Wesen und Wollen der „Dresdner Schule“,
http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint_id=2&detail=291 (Stand: 23. April 2007). Die
programmatischen Äußerungen von Gansel schöpfen bewusst aus dem ideengeschichtlichen Fundus der
Nationalrevolutionäre der Weimarer Republik. Er hat seine Magisterarbeit zum Thema „Antikapitalismus
in der ‚Konservativen Revolution’ in Deutschland von 1918–1932“ verfasst.
43 NPD, Parteiprogramm (FN 13), S. 9.
44 Ebd.
45 Vgl. dazu detailliert die Programmschrift: Waldemar Maier (Hrsg.), Die demographische Katastrophe stop-
pen! Der bevölkerungspolitische Notstand des deutschen Volks und die familienpolitischen Initiativen der
NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, http://npd-fraktion-sachsen.de/pdf/veroeffentlichungen/bro-
schuere_demographie_komprimiert.pdf (Stand: 10. Mai 2007).

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den Nationalsozialisten übernommen“46 worden seien, als Vorbild für ihren Maß-
nahmenkatalog an.47
Die soziale Wundertüte der NPD ist für die Menschen deutschen Blutes prall
gefüllt. Rechtsextremistisch ist an den sozialpolitischen Forderungen der NPD nicht
der Inhalt, sondern die völkische Definition des Kreises der Personen, die begüns-
tigt werden sollen. Die sozialen Parolen der NPD sind dabei keineswegs nur die
humane Verpackung eines ansonsten menschenfeindlichen Programms. Diese For-
derungen gehören zum Kern der Ideologie der Volksgemeinschaft. Der NPD lässt
sich vieles vorhalten, aber nicht, dass sie ihre soziale Programmatik nur vertritt, um
Wähler anzulocken. Bereits die NSDAP führte für die „Volksgenossen“ eine Reihe
sozialer Vergünstigungen ein. Wer nicht zu den Ausgegrenzten und Verfolgten
gehörte und in der Unter- oder Mittelschicht verwurzelt war, dem dürfte es in der
Zeit des Dritten Reiches in der Regel wirtschaftlich besser gegangen sein als in der
Weimarer Republik.48 So führte die NSDAP beispielsweise das Kindergeld und die
steuerliche Bevorzugung von Ehegatten ein. Weiterhin wurden etwa Rentner, die
zuvor nicht krankenversichert waren, erstmals in die Krankenversicherung aufge-
nommen.49
Die Sozialpolitik der NPD ist erkennbar von der Sozialpolitik der NSDAP beein-
flusst, und zum Teil wird diese Bezugnahme auch öffentlich gemacht. Wie die his-
torische NSDAP versucht die NPD, mit einem opulenten Programm an Versor-
gungsleistungen die Zustimmung der Deutschen zu gewinnen. Den Deutschen soll
die Vertreibung von als ausländisch definierten Menschen nicht zuletzt dadurch
schmackhaft gemacht werden, dass ihnen ein Recht auf Arbeit versprochen wird.
Die Ermöglichung dieses Rechts erscheint dabei als eine logische Folge davon, dass
bei einer Herrschaft der NPD Mio. in Deutschland Arbeitender aus völkischen
Gründen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen würden.

VI. Völkische Wirtschaftspolitik

Die NPD hat ein ähnliches wirtschaftspolitisches Konzept wie die NSDAP und
andere völkisch-sozialistisch ausgerichtete Gruppierungen.50 Sie möchte die Wirt-
schaft dem Staat unterordnen. So heißt es im Programm der NPD: „Die Wirtschaft
hat der Volksgemeinschaft zu dienen und nicht umgekehrt. Die von den herrschen-

46 Ebd., S. 5.
47 Vgl. ebd., S. 34–38. Einen Vergleich der familienpolitischen Vorstellungen von NPD und NSDAP ermög-
licht: Claus Mühlfeld/Friedrich Schönweiss, Nationalsozialistische Familienpolitik. Familiensoziologische
Analyse der nationalsozialistischen Familienpolitik, Stuttgart 1989; Wolfgang Voegeli (Hrsg.), Nationalso-
zialistische Familienpolitik zwischen Ideologie und Durchsetzung, Hamburg 2001.
48 Vgl. Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Bonn 2005.
49 Vgl. zur Sozialpolitik der NSDAP: Timothy W. Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich. Arbeiterklasse und
Volksgemeinschaft, Opladen 1977; Marie-Luise Recker, Nationalsozialistische Sozialpolitik im Zweiten
Weltkrieg, München 1985.
50 Vgl. als Beispiel etwa das Manifest zur Aufrichtung des „Völkischen Staats-Sozialismus“: Eine wirtschafts-
politische Auseinandersetzung, Böblingen 1932. Einen sehr guten Überblick über die Wirtschaftspolitik
während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland bietet: Avraham Barkai, Das Wirt-
schaftssystem des Nationalsozialismus: Ideologie, Theorie, Politik. 1933–1945, Frankfurt a.M. 1988.

12
den Parteien rücksichtslos vorangetriebene Globalisierung fördert die gemein-
schaftsschädigenden Interessen asozialer Kapitalisten und führt zwangsläufig zu
Arbeitslosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit. Die NPD setzt der Globalisierung ihr
Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft entgegen.“51 Die Unterordnung der
Wirtschaft unter den Staat in diesem Konzept bedeutet dabei keine Verstaatlichung
der gesamten Wirtschaft wie im kommunistischen Konzept. Es wäre falsch, auf-
grund ähnlich klingender Antikapitalismus- und Antiglobalisierungsparolen von
NPD und linksextremen Gruppierungen von programmatischen Ähnlichkeiten aus-
zugehen.
Die NPD strebt eine deutsche Volkswirtschaft an, die sich radikal von der Ver-
flechtung mit der Wirtschaft anderer Länder lösen würde. Setzte die NPD ihre Wirt-
schaftsprogrammatik um, führte dies zwangsläufig zu einer völligen wirtschaftli-
chen Isolation Deutschlands. Wie die NSDAP mit ihrer Wirtschaftspolitik zwischen
1933 und 1939 strebt die NPD eine Autarkie Deutschlands an. Sie erläutert dies fol-
gendermaßen: „Autarkes Streben ist das Gegenteil von Globalismus. Vollständige
Autarkie ist nicht gänzlich zu erreichen. Grundsätzlich aber ist es die Pflicht eines
unabhängigen Staates, sich durch weitestgehende Autarkie seine Freiheit und Hand-
lungsfähigkeit zu gewährleisten.“52
Die NPD plant daher eine ganze Palette von Schutzzöllen, die dafür Sorge tra-
gen sollen, dass Produkte aus dem Ausland keine Chance haben, billiger zu sein als
in Deutschland hergestellte Produkte. So soll etwa auf Produkte aus Ländern mit
deutlich niedrigeren Löhnen als in Deutschland eine Anti-Lohndumping-Abgabe
eingeführt werden. Produkte, die aus Ländern kommen, in denen geringere
Umweltschutzstandards gelten, sollen mit einer Naturschutzabgabe belastet werden.
Diese Maßnahmen sind Teile einer kompromisslosen Politik, um den wirtschaftli-
chen Aufschwung und die Beschäftigung in Deutschland zum Nachteil aller ande-
ren Länder zu fördern.53
Mit der „Rückführungsabgabe“ schlägt die NPD eine Brücke zwischen Vertrei-
bungspolitik und Wirtschaftspolitik. Diese Abgabe sollen nämlich alle deutschen
Unternehmen entrichten, die von der NPD als Ausländer definierte Arbeitskräfte
beschäftigen. Die Einnahmen möchte die NPD nutzen, um das menschenfeindli-
che Projekt einer Vertreibung von weit mehr als elf Mio. Menschen zu finanzieren.
Der im Programm der NPD angekündigte Raubzug soll sich nicht auf das Pri-
vateigentum von Menschen beschränken, die nicht „germanischstämmig“54 sind.
Die NPD will vielmehr alle multinationalen Konzerne in Deutschland „nationali-
sieren“. Aus dem Kontext des Aktionsprogramms ergibt sich dabei, dass mit „mul-
tinational“ alle Unternehmen oder Teile von Unternehmen in Deutschland gemeint
sind, die nicht in der Hand von Deutschen im Sinne der NPD sind. Der Grund und
Boden soll diesen Unternehmen ohnehin wie den als ausländisch definierten Men-

51 NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 15.


52 NPD, Politisches Lexikon, Art. Autarkie (FN 17).
53 Die wirtschaftswissenschaftliche Bezeichnung für diesen Kurs lautet: Beggar-my-Neighbour-Policy.
54 So die Formulierung in den Argumenten für Kandidaten und Funktionsträger (FN 12), S. 12.

13
schen genommen werden, da dieser von der NPD als deutsches Volkseigentum defi-
niert wird.55
Mit Blick auf die Unternehmen hat die NPD aber einen noch weitergehenden
Stufenplan: In der ersten Phase sollen diese Unternehmen von den Weisungen der
Konzernzentrale im Ausland entkoppelt und den Weisungen des deutschen Staats
unterstellt werden. Formal gehören während dieser Phase die Unternehmen noch
ihren Eigentümern. In der zweiten Phase soll mit Blick auf die multinationalen
Unternehmen eine so genannte „Nationalisierung ausländischen Kapitals“56 erfol-
gen. Mit anderen Worten: Die Besitzer der Konzerne sollen zugunsten des deut-
schen Staats enteignet werden. Zudem sollen sich ausländischer Firmen nur noch
in engen Grenzen an deutschen Unternehmen beteiligen dürfen. In zahlreichen
Bereichen wie der Medien- und Rüstungswirtschaft will die NPD ausländische
Beteiligungen verbieten.57

VII. Staatsvorstellungen der NPD

In ihrem „Europaprogramm“ begründet die NPD ihre Staatsvorstellungen ideenge-


schichtlich. Ihre Ablehnung des Modells der parlamentarischen Demokratie erklärt
sie mit Blick auf die Entwicklung in Großbritannien etwa folgendermaßen: „Die
Gemeinwohlorientierung und ihre monarchischen Institutionen wurden nach und
nach durch den Parlamentarismus ersetzt – durch das Instrument zur Eroberung
des englischen Staates durch die besitzbürgerliche Klasse. Die Folgen waren Stim-
men- und Ämterkauf und allgemeine Korruption, worauf bereits G. W. F. Hegel in
seinem Aufsatz ,Über die englische Reformbill’ im Jahr 1831 hingewiesen hatte.“58
Der heutige Parlamentarismus, der nach dem Vorbild von Großbritannien gestal-
tet wurde, erscheint der NPD daher als Frucht eines „liberal-kapitalistischen Uni-
versalismus“59, den „man heute weitläufig ,Globalisierung’“ nenne.
Mit den Etiketten liberal und universalistisch charakterisiert die NPD das in
bedeutendem Maße in Großbritannien und den USA gelegte geistige Fundament
der modernen Demokratieform treffend. So gehört etwa die Ansicht, dass die Men-
schenrechte universal sind – und damit Menschen unabhängig von der völkischen
Zugehörigkeit zustehen – zum Wertefundament eines demokratischen Verfassungs-
staats, das die NPD angreift.60 Auch die enge Verflechtung der demokratischen

55 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 14.


56 Ebd., S. 22.
57 Vgl. ebd. Ähnliche, allerdings nicht so weit gehende Forderungen wie jene der heutigen NPD wies das 25-
Punkte Programm der NSDAP von 1920 auf. Vgl. Hofer (FN 311), S. 30.
58 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, Europaprogramm (2003), S. 7. Quelle: http://partei.npd.de/
medien/pdf/Europaprogramm_Netz.pdf (Stand: 25. April 2007).
59 Ebd.
60 Diese Universalität der Menschenrechte wurde erstmals in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
von 1776 artikuliert. Sie ging Hand in Hand mit der gedanklichen Weichenstellung zur modernen Demo-
kratie. Die Frage, wie ein – für die aufnehmende Bevölkerung wie für die Zuwanderer – gerechtes und
demokratisches Staatsangehörigkeits- und Zuwanderungsrecht aussehen sollte, ist in der Demokratiefor-
schung bislang unterbelichtet. Zu den wenigen Studien zählt: Ines Sabine Roellecke, Gerechte Einwande-
rungs- und Staatsangehörigkeitskriterien: ein dunkler Punkt der Gerechtigkeitstheorien, Baden-Baden
1999.

14
Herrschaft mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ein beobachtbares Faktum.
Aufschlussreich sind diese Ausführungen der NPD vor allem dadurch: Die Partei
enthüllt, dass sie, wenn sie einen Kampf gegen die Globalisierung ausruft, damit
stets eine Kampfansage an den „liberal-kapitalistischen Universalismus“ und seine
Frucht, die parlamentarische Demokratie, meint. Das positive Gegenbild der NPD
zum bekämpfenswerten Parlamentarismus ist für die NPD die kontinentaleuropä-
ische Reichsidee, die etwa im Dritten Reich verwirklicht gewesen sei.61 Die „Wie-
derherstellung des Deutschen Reiches (‚restauratio Imperii’)“62 bezeichnet die NPD
in ihrem „Politischen Lexikon“ als die „wichtigste Aufgabe der deutschen Nationa-
listen“. Vom deutschen Reich soll „den kleineren europäischen Völkern Hilfe gegen
raumfremde Ideen und Imperialismen“ gewährt werden. Die NPD erhebt mithin
im Namen eines deutschen Imperiums einen Führungsanspruch in Europa und
wendet sich gegen den „Imperialismus“ der USA.63 Diese soll sich als „raumfrem-
de Macht“ aus Europa zurückziehen.
Die NPD zielt auf den Sturz der parlamentarischen Demokratie. Ohne Blatt vor
dem Mund streben die führenden Parteifunktionäre eine „revolutionäre Verände-
rung“64 an. In der völkischen Bewegung spielten stets theoretische Überlegungen,
wie die Herrschaftsordnung gestaltet werden soll, eine recht geringe Rolle. Adolf
Hitler begründete dies so: „[Die völkische Weltanschauung] sieht im Staat prinzipi-
ell nur ein Mittel zum Zweck und fasst als seinen Zweck die Erhaltung des rassi-
schen Daseins des Menschen auf.“65 Die Form der Herrschaft würde voraussicht-
lich auch bei einer Herrschaft der NPD der Funktion folgen. Die Funktion eines
NPD-geführten Staats ist es aber, eine homogene deutsche Volksgemeinschaft zu
schaffen, indem Mio. von Menschen aus Deutschland vertrieben werden. Weiter-
hin strebt die NPD eine radikale Umgestaltung der Wirtschaft an und will alle
Betriebe in nicht-deutscher Hand enteignen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die
NPD eher totalitär als autoritär herrschen würde.66 Nur eine totalitäre Herrschafts-
ordnung bietet nämlich den Raum, das nationalrevolutionäre Projekt der NPD
umzusetzen, das Gesellschaft und Wirtschaft komplett umgestalten würde. Es ist
daher zweitrangig, dass die NPD kaum konkrete Aussagen darüber macht, wie die
Herrschaftsform konkret ausgestaltet sein soll. So ist nur vage die Rede davon, dass
sie einen Staat mit einem vom Volk gewählten Präsidenten an der Spitze will. Er
soll über den Parteien und dem politischen Tageskampf stehen. Im Aktionspro-
gramm heißt es zudem verschwommen, die NPD ziele auf eine „Reduzierung der

61 So heißt es im Europaprogramm der NPD: „Diese angloamerikanische Philosophie [des Parlamentaris-


mus] hat in Folge der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches im Jahr 1945 den Kontinentaleu-
ropäern ihre eigene Staatsidee geraubt.“ NPD, Europaprogramm (FN 58), S. 7.
62 NPD, Politisches Lexikon, Art. Reich (FN 17).
63 Obgleich die NPD sich auf den ersten Blick grundsätzlich gegen den Imperialismus wendet, wirkt es bei
näherer Betrachtung, als sei ihr vor allem der „Imperialismus der ‚Westlichen Werte‘“ ein Dorn im Auge.
Vgl. NPD, Politisches Lexikon, Art. Imperialismus (FN 17).
64 Voigt (FN 14).
65 Hitler (FN 7), S. 421.
66 Vgl. zur Unterscheidung zwischen totalitären und autoritären Diktaturen: Juan Linz, Totalitäre und auto-
ritäre Regime, Berlin 2000.

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Macht der Parteien“.67 Wer die Fundamentalkritik an den „herrschenden Parteien“
zur Kenntnis nimmt, dürfte keinen Zweifel haben, dass die demokratischen Partei-
en in einem von der NPD geführten Staatswesen keinen Platz hätten. Das Vertrei-
bungsprojekt der Partei ist ohnehin nicht möglich, wenn demokratische Parteien
noch handlungsfähig sind. Udo Voigt kündigt in einem Interview mit der „Jungen
Freiheit“ solchen Politikern Konsequenzen an, die aus Sicht der NPD ihren Amts-
eid, „Schaden vom deutschen Volk“ abzuwenden, verletzt haben.68 Gegen ihren
Amtseid haben aber aus Sicht der NPD nahezu alle demokratischen Politiker ver-
stoßen. Die NPD macht sie nämlich dafür verantwortlich, einen „Völkermord“ an
den Deutschen in die Wege geleitet zu haben, indem sie die Zuwanderung von Aus-
ländern gefördert hätten. Der Pluralismus würde unter einer NPD-Herrschaft nicht
nur beschränkt, sondern abgeschafft. Platz hätten in dieser Herrschaft nur noch
Vereinigungen „nationaler Kräfte“, deren Programmatik sich nur in Nuancen von
jener der NPD unterscheidet. Die NPD beansprucht nämlich, ein „lebensrichtiges
Menschenbild“ zu haben und allein zu wissen, was gut für das deutsche Volk ist.
Dieser Absolutheitsanspruch lässt keinen legitimen Raum für programmatisch
anders ausgerichtete Parteien.

VIII. Zusammenfassung und Ausblick

Die von der NPD propagierte Ideologie ist als nationalsozialistische Spielart des völ-
kischen Denkens zu bezeichnen. Sie weist eine ideologische Geschlossenheit auf,
die deutlich über die von der NSDAP propagierte Variante des Nationalsozialismus
hinausgeht. Ebenso wie die NSDAP ist bei der NPD bereits in der Bewegungspha-
se deutlich erkennbar, dass sie Staatsverbrechen plant. Das Kernprojekt der NPD
ist die Vertreibung von rund elf Mio. Menschen. Mit Blick auf die Regierungspoli-
tik der NSDAP hat Götz Aly treffend von einem „staatlich organisierten Groß-
raub“69 gesprochen, mit dem die Diktatur ihre sozialen Wohltaten finanzierte. Der
Plan für einen neuerlichen staatlichen Raubzug unter der völkischen Parole einer
Nationalisierung ist im Programm der heutigen NPD in erstaunlich offener Weise
dargelegt. Es erscheint zweitrangig, dass die Finanzierung der den „Volksgenossen“
in Aussicht gestellten Wohlfahrtsleistungen durch die räuberischen Enteignungen
kaum dauerhaft finanzierbar wäre. Vorrangig ist demgegenüber der verbrecherische
Charakter der von der NPD geplanten Politik. Im Unterschied zur historischen
NSDAP, deren 25–Punkte-Programm sehr vage formuliert war, hat die heutige NPD
dabei vor allem in ihrem Aktionsprogramm die meisten ihrer Karten auf den Tisch
gelegt. Das ist angesichts des herrschenden Konzepts der streitbaren Demokratie
erstaunlich.
Wie steht es auf der Grundlage der Einschätzung der Ideologie der NPD um die
Beurteilung der Frage, ob ein Verbotsverfahren sinnvoll ist? Im Jahr 2000 schien

67 Vgl. NPD, Aktionsprogramm (FN 21), S. 38.


68 „Ziel ist, die BRD abzuwickeln“ (FN 14).
69 Vgl. Aly (FN 48).

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ein Verfahren aus Opportunitätsgründen nicht ratsam.70 Zwar erfüllte die Partei
bereits damals die Verbotskriterien, aber sie war weitgehend bedeutungslos und
hatte keine Sitze in einem Landtag. Im Jahr 2006 sitzt die NPD in zwei Landtagen,
und ein neues Verbotsverfahren erscheint nun geboten. Zwar sind die Chancen der
NPD, auf nationaler Ebene die politische Macht in Deutschland zu erringen, gleich
Null, aber weitere Erfolge in ostdeutschen Ländern sind durchaus wahrscheinlich.
Unter für die NPD sehr günstigen Bedingungen könnte sie auch in ein westdeut-
sches Parlament einziehen. Es ist kaum mit dem Konzept der streitbaren Demokra-
tie vereinbar, dass eine Partei mit einer derart menschenverachtenden Programma-
tik wie die NPD in deutschen Landtagen sitzt und ihre Propaganda über den Weg
der Parteienfinanzierung zu einem bedeutenden Teil aus Steuergeldern finanzie-
ren kann. Mit Blick auf die streitbare Demokratie stellt sich daher folgende grund-
sätzliche Frage: Wenn gegen eine bei Wahlen erfolgreiche nationalsozialistischen
Partei kein Verbotsverfahren eingeleitet wird, muss dann nicht die Möglichkeit
eines Parteienverbots aus dem Grundgesetz gestrichen werden?

70 Vgl. Steffen Kailitz, Die Ausnahme des Widerstandes. Im Kampf gegen Rechtsextremismus heiligt der gute
Zweck nicht alle Mittel, in: die tageszeitung vom 29. August 2000.

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