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WORT UND WISSEN

Kritische Anmerkungen zum Vortrag „Die globale Flut“


(DVD, 2004) von Prof. Dr. Walther Veith

Gemäß dem Vorspann ist der Referent Neurophy- talgelagerten Schichtfolgen im Untergrund sehr aus-
siologe und Zoologe an der Universität Western geprägt (z.B. gäbe es über 10 km hohe Berge in
Cope, Südafrika. Die DVD ist Teil einer in Nürnberg Norddeutschland, gemessen vom Talgrund bis zur
gehaltenen Vortragsreihe zum Themenbereich „Evo- Bergspitze!), dann könnte dieses Übereinander der
lution – Kreation.“ Gesamtschichtenfolge an vielen Stellen der Erde
Ein mehrfach betonter Grundsatz des Referenten direkt beobachtet werden.
ist, dass Sintflut und Evolution einander ausschlie- Gut ist, dass der Referent betont, dass wir keine
ßen. Denn wenn durch eine weltweite Flut das Land- Verursacher der Sintflut kennen (gemeint sind offen-
leben ausgelöscht wurde, kann die Evolution nicht bar physikalische Ursachen). Positiv ist auch, dass er
noch einmal von vorn beginnen. den Einschlag eines Meteoriten als Sintflutauslöser
Zum anderen hebt der Referent öfter hervor, dass spekulativ nennt. Die durch die Krater bekannten
die geologischen Schichten (abgesehen von Vulkan- Einschläge von Meteoriten auf der Erdoberfläche
gesteinen) alle im bzw. durch Wasser abgelagert sind für den Referenten nachsintflutlich entstanden.
wurden. Bereits das ist eine Vereinfachung, denn es Jedoch: Gemäß der Fachliteratur liegen viele Ein-
gibt z.B. auch Ablagerungen, die vom Inlandeis (Eis- schläge in den Schichtfolgen zwischen Kambrium
zeit!) hinterlassen wurden.1 Den Gedanken der Was- und Kreide;6 diese Schichtgesteine sind nach An-
serablagerung verbindet der Referent sogleich mit sicht des Referenten aber im Sintflutjahr abgelagert
der Bildung während des Sintflutjahres. Dieses Ar- worden.
gument ist allerdings viel zu vorschnell, denn er geht Der Referent meint, im Anschluss an die Sintflut
beispielsweise nicht darauf ein, dass es nach den habe es über vielleicht Tausende von Jahren viele
Geländebefunden zahlreiche Unterbrechungen wäh- kleine (geologische) Ausklangereignisse gegeben. Je-
rend der Ablagerung der Gesamtschichtenfolge gibt doch ist das mit den Angaben der biblischen Urge-
(Beispiele: Salzlagerentstehung, gewachsene Riffe, schichte nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Denn
bodendurchwühlende Lebewesen oder Fußspuren Noah begann nach der Flut, Weinberge zu pflanzen
von Sauriern)2 bzw. Verlangsamung bei der Schich- (1. Mose 9,20), und in der damals schon vorhande-
tenbildung (z.B. durch nahe verwandte, geordnet über- nen Ebene des Zweistromlandes hat Nimrod – an-
einander vorkommenden Leitfossilien,3 die u.E. auf scheinend nicht allzu lange nach der Sintflut – ein
mikroevolutive Prozesse hinweisen; diese Prozesse Reich errichtet und bekannte Städte gebaut (1. Mose
laufen heute in Jahren bzw. Generationen ab,4 aber 10,8-12). Der Referent geht auf diese biblischen Aus-
sie passen – besonders in ihrer Gesamtheit! – nicht sagen nicht ein.7
ins Sintflutjahr). Mit keinem Wort werden solche Für den Referenten liefen Kontinentalverschie-
Fragen auch nur erwähnt; erst recht wird nicht erläu- bung (Plattentektonik) und Gebirgsbildung (Faltung,
tert, wie dieser Befund mit einer durchgängig sehr Hebung) nach der Sintflut ab. Er erwähnt jedoch
raschen Ablagerung der Schichtenfolge vereinbar nicht, dass es mehrfache Faltungsereignisse zwi-
ist. schen Kambrium und Quartär gab. Davon hätten
Ferner findet man nach dem Referenten nirgends sich aber gemäß seinen Vorstellungen mindestens
auf der Welt sämtliche Schichtfolgen übereinander. zwei Faltungsepisoden während des Sintflutjahres
Jedoch: Wie aus zahlreichen Erdöl- bzw. Erdgas- ereignen müssen (kaledonische und variszische Fal-
Bohrungen bekannt ist (z.B. im norddeutschen Flach- tung),8 wenn die Schichtenfolge vom Kambrium bis
land bis knapp 7 km tief), ist die Gesamtschichtenfol- zur Kreide – oder gar bis zum Tertiär; das wird nicht
ge vom Kambrium bis zum Quartär über weite Strek- deutlich gesagt! – insgesamt während der Flut abge-
ken ziemlich vollständig vorhanden.5 Wäre das Ober- lagert worden wäre.
flächenrelief in den Flachländern mit ihren horizon- Der Referent vertritt die Ansicht, die Gesteins-
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schichten seien bei der Faltung noch weich gewe- von den Tiefsee-Forschungsschiffen Glomar Challen-
sen. Festes Gestein kann aber, wenn es unter dem ger und Joides Resolution durchbohrt). Denn während
hohen Druck mächtiger Deckschichten liegt, sogar bruch- der Oberkreidezeit-Episode bildeten sich ja gerade
los (!) gefaltet werden, wie auch folgendes Laborbei- infolge der Kontinentalverschiebung, die der Refe-
spiel verdeutlicht: „Marmor wird z.B. unter gewöhn- rent bejaht, ausgedehnte Tiefseeböden mit aufla-
lichen Verhältnissen durch eine Preßlast von 1300 gernden Sedimenten! Zu nennen sind auch die im
kg/cm2 zermalmt. Unter einem allseitigen Druck Meer gebildeten, wirtschaftlich interessanten
von 700 kg/cm2 aber wird es bruchlos bildsam, so- Schwarzschiefer-Sedimente der Oberkreide (sie wer-
fern man zur allseitigen eine einseitige Belastung den auf zeitweiligen Sauerstoffmangel in Teilen des
von 2700 kg/cm2 hinzufügt.“9 Jedoch waren die Meerwassers zurückgeführt); es sind potentielle Erd-
allermeisten Schichtfolgen zur Zeit der Faltung voll- öl-Muttergesteine.13 Zudem gibt es auch sandige
ständig zu Stein ausgehärtet (lithifiziert). Denn wie (anscheinend küstennahe) Meeressedimente in der
schon lange bekannt ist, wurde ein Teil der Schicht- Oberkreide (wie etwa die Schichtfolgen des bekann-
gesteine nach der Faltung wieder abgetragen, und ten Elbsandsteingebirges in Sachsen).14 Es ist also
viele Abtragungsprodukte bestehen aus harten Ge- unzutreffend, dass sich in der Oberkreide weltweit
röllen, die komplett versteinerte Fossilien enthalten nur Schreibkreide-Sedimente gebildet hätten.
können.10 Darüber hinaus ist es ohnehin unnötig, Drittens wurden die viele Meter mächtigen und
aus apologetischen Gründen zu behaupten, die weitverbreiteten Schreibkreidesedimente (man den-
Schichtgesteine seien in weichem Zustand gefaltet ke nur an die weißen Klippen von Dover an der
worden. Denn Sediment kann sehr rasch zu Gestein Kanalküste oder der Ostseeinsel Rügen) aus den
aushärten, wofür es viele Belege gibt.11 winzigen Gehäusen kalkabscheidender Algen gebil-
Überlegenswert ist folgende Aussage des Refe- det (Coccolithophoriden). Darauf weist der Referent
renten: Da die Küstenlinien der Kontinente auf bei- auch hin. Zutreffend sagt er, dass das Schreibkreide-
den Seiten des Atlantiks nach weit über 100 Mio. meer ziemlich flach war; in der Tiefsee hätte sich der
Jahren (wie angenommen wird) seit Beginn des Kalk aufgelöst. Der Referent erwähnt aber mit kei-
Auseinanderdriftens der Kontinente noch gut zu- nem Wort, dass bisher nicht bekannt ist, wie die
sammenpassen, sei diese lange Zeitspanne unglaub- damaligen Algen solche ungeheuren Kalkmengen in
würdig. Dieses Argument sollte weiterverfolgt wer- der kurzen und äußerst turbulenten Zeit des Sintflut-
den. jahres hätten bilden können. Er äußert sich auch
Eingehender äußert sich der Referent zur Schreib- nicht dazu, wie bei diesen hochturbulenten Prozes-
kreide, die zum geologischen System der Oberen sen reinste Kalke ohne Beimischung anderer Sedi-
Kreide gehört. Sie sei weltweit durchgehend im mente hätten entstehen können. Und obgleich er
Wasser abgelagert worden, und das sei ein Argu- erwähnt, dass bestimmte Fossilien typisch für die
ment für die weltumspannende Sintflut. Die geologi- Schreibkreide sind, geht er nicht auf die Abfolge von
schen Befunde sind jedoch nicht so einfach: Leitfossilien ein, die auch in der Schreibkreide geord-
Erstens gab es auch damals Schichtenbildung auf net übereinander liegen15 (s.o.). Ähnliches gilt für die
kleineren Bereichen des Festlandes, denn in den rund 100 Bentonit-Horizonte, die als mm bis cm-
dortigen Sedimenten finden sich im Gegensatz zu dicke Lagen in der Schreibkreide Nordamerikas vor-
den Schreibkreideschichten keine Meeresfossilien. kommen. Sie entstammen vulkanischen Prozessen
Man denke nur an die Oberkreide-Sedimente (z.B. in und können sich als feinstkörnige Lagen jeweils nur
Nordamerika), in denen die Knochen vieler Dinosau- langsam im Meer abgesetzt haben.16
rierarten liegen; der bekannteste ist wohl immer
noch der schreckliche Riesen-Fleischfresser Tyran- Zusammenfassung: Besonders problematisch ist,
nosaurus rex („König der Tyrannen-Saurier“).12 dass der Referent ein sehr vereinfachtes geologisches
Zweitens gibt es sehr ausgedehnte kalkfreie Tief- Sintflutmodell vorträgt und nicht auf die zahlreichen
seesedimente der Oberkreide auf den Ozeanböden, Probleme eingeht, die mit seinen geologischen Vor-
die gleich alt wie die Schreibkreide-Sedimente sind stellungen kaum zu vereinbaren sind. Bei geologisch
(sie wurden in den letzten Jahrzehnten z.B. vielmals nicht vorgebildeten, bibelgläubigen Christen wird so
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der Eindruck erweckt, als gäbe es für eine am bibli- Die Lügensteine von Marrakesch. Frankfurt/M. 2003,
schen Sintflutbericht orientierte Geologie praktisch 411-429; JUNKER, R. & SCHERER, S.: Evolution. Gießen
5
keine Probleme. Aber das ist eine unrealistische 2001, 290-294.
5
Darstellungsweise, die dazu beiträgt, das Negativ- FRANKE, D.: Der präpermische Untergrund der Mitteleu-
ropäischen Senke. In: Geologie und Kohlenwasserstoff-
bild mancher Außenstehender vom Kreationismus
Erkundung im Präzechstein der DDR. Nds. Akad. Geo-
zu bestärken. wiss. Veröfftl. 4 (1990) 4-95; STREIFF, H.: Das ostfriesi-
Darüber hinaus können bibelgläubige Zuhörer in sche Küstengebiet. Slg. Geol. Führer 57. Berlin-Stuttgart
Glaubenskrisen gestürzt worden, wenn sie später 2
1990, 10-63.
hören, dass viele geologische Ereignisse nicht so 6
HANSCH, W.: Katastrophen als Ursache zur Erklärung
einfach im Jahr der Sintflut zu verstehen sind, wie es von Erdgeschichte und Evolution. In: HANSCH, W. (Hg.):
in Vorträgen wie diesem dargestellt wird. Für eine Katastrophen in der Erdgeschichte. Museo 19. Heil-
verantwortungsbewusste Schöpfungsforschung ist bronn 2003, 25ff mit Abb. 17.
7
es unumgänglich, auch auf wissenschaftliche Pro- Vgl. dazu eine demnächst (2005) im Internet erschei-
bleme hinzuweisen, die wir nach derzeitiger Kenntnis nende Veröffentlichung.
8
SCHÖNENBERG, R. & NEUGEBAUER, J.: Einführung in die
im Kurzzeitrahmen der biblischen Urgeschichte
Geologie Europas. Freiburg/Br. 71997, 38-183.
(noch) nicht verstehen. Es gilt, unabhängig davon 9
ZEIL, W.: Allgemeine Geologie. Stuttgart 131984, 153.
das Zutrauen zur Wahrheit der Urgeschichte zu stär- 10
ALBERTI, F.V.: Beitrag zu einer Monographie des Bunten
ken, auch und gerade wenn wir vieles derzeit noch Sandsteins, Muschelkalks und Keupers, und die Verbin-
nicht mit unserem heutigen Kenntnisstand in Ein- dung dieser Gebilde zu einer Formation. Stuttgart/Tü-
klang bringen können. Zu diesem bescheideneren bingen 1834, Nachdruck Ingelfingen 1998, 160f.301-
Arbeitsansatz sei auf einen Diskussionsbeitrag und 303; JESSEN, W.: Zur Sedimentologie des Karbon mit
ein Buch hingewiesen.17 Hier wird ansatzweise ver- Ausnahme seiner festländischen Gebiete. Comt. Rend.
sucht, die Entstehung vieler Schichtgesteine bereits 4. Congres Strat. Geol. Carbon. Heerlen 1958, Bd. 2.
in der vergleichsweise längeren Zeitspanne zwischen Maastrich 1961, 316.
11
Beispielsweise Kalkstein: STEPHAN, M.: Zur Bildungsdau-
Sündenfall und Sintflut zu verstehen.
er des Nusplinger Plattenkalks, Teil 2. Stud. Int. J. 9
(2002), 76-78.
Manfred Stephan, 12
LESSEM, D.: Dinosaurierforscher. Basel etc. 1994, 229-
Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN (April 2005) 238.251-272.
13
SEIBOLD, E.: Die Ozeane im zeitlichen Wandel. Nova acta
Leopoldina, N.F. 53, 244 (1987), 146-149; SEIBOLD, E. &
Anmerkungen THIEDE, J.: Die Geschichte der Ozeane nach Tiefseeboh-
rungen. Akad. Wiss. Lit. Mainz, Abh. Math.-Nat. Kl., 2
1
SCHREINER, A.: Einführung in die Quartärgeologie. Stutt- (1997), 44-46.
14
gart 1992, 23ff. BEEGER, D. & QUELLMALZ, W.: Dresden und Umgebung.
2
STEPHAN, M. & FRITZSCHE, T.: Sintflut und Geologie. Holz- Slg. Geol. Führer, 87. Berlin-Stuttgart 1994, 48-53.
15
gerlingen 22003, 108ff.144ff. SEIBERTZ, E.: Einführung in die Stratigraphie des Chalk
3
JAEGER, H.: Neue Standard-Graptolithenzonenfolge nach von England. In: OWEN, E. & SMITH, A.B. (Hg.): Kreide-
der „Großen Krise“ an der Wenlock/Ludlow-Grenze Fossilien. Korb 1991, 7-16.
16
(Silur). N. Jb. Geol. Paläont. Abh., 182 (1991), 303-354; STEPHAN & FRITZSCHE (Anm. 2), 111-114.
17
QUENSTEDT, F.A.: Der Jura. Tübingen 1856/57, Nach- STEPHAN, M.: Warum vertritt WORT UND WISSEN eine
druck Korb 1987; HÖLDER, H.: Jura. Handbuch der stra- biblische Kurzzeit-Erdgeschichte, aber kein geologisches
tigraphischen Geologie, IV. Bd. Stuttgart 1964. Sintflut-Modell? W+W-Disk.-Beitr. 2/03. Baiersbronn
4
GOULD, S.J.: Das Paradox des sichtlich Irrelevanten. In: 2003; STEPHAN & FRITZSCHE (Anm. 2), 83-187.

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