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bereits unter dem Naturbegriff mit dem Wesensbegriff nicht nur Natur in
biologischer und physikalischer Bedeutung zu verstehen ist. Weiters, daß
schon der physikalistische Naturbegriff jede diskriminierende Funktion
zwischen Quantenphysik, Chemie der Elementenreihe, Festkörperphysik,
Biochemie, Biologie als Wissenschaft zellulären Lebens und deren
Organisationsformen, Verhaltensbiologie etc. verloren hat. Diese semantische
Reduktion in der Diskussion der Frage nach der Bedeutung von Existenz wird
durch die Erweiterung der Soziobiologie auf gesellschaftliche Prozesse noch
ins Sinnlose gesteigert. Es bleibt ein Monismus nur auf philosophischer Ebene
übrig!
Die differenziertere wissenschaftliche Haltung wendet sich zuerst an die
Konstruktion der Theorie und an die Kriterien der Adequanz; die Erörterung
der Bedeutung von Existenz hingegen bleibt bei Fragen, was sagt ein Prädikat
außer einem Merkmal des Prädizierten (Ding, Prozess, Ereignis) über die Art
zu Existieren des Prädizierten allgemein aus? Erstlich sicherlich, daß das Sein
intrinsecisch strukturiert sein muß, ansonsten Prädikate nur Synonyme von
Subjekten, Dingen, Prozessen oder Ereignissen wären. Diese Funktion kann
aber nicht jedes Merkmal übernehmen. Es darf deshalb dieses Merkmal aber
nicht ausgeschieden werden, weil es später vielleicht einen Erklärungsgrund
liefern könnte. Außerdem sind Begriffe als Prädikate Konzepte und keine
Synonyme. Es muß die Funktion des Prädikates auch dahingehend untersucht
werden, inwieweit es metaphorisch gebraucht wird.
Ich denke, daß wir den Begriff von Existenz nach wie vor metaphorisch
gebrauchen, und im Rahmen der Philosophie nach der Naturwissenschaft in
essentialistischer Absicht letztlich alles analytisch auf Quantenphysik
zurückführen. Die Soziobiologie ist die Verlängerung dieser ontologischen
Haltung, und ist im viel größeren Ausmaß als angenommen werden konnte,
spätestens ab der Anwendung auf die Kulturentwicklung des Menschen und
seine Vergesellschaftung, nichts als spekulativ konstruierende Philosophie.
Im Grunde aber ist schon der Biologie als Wissenschaft vom Leben die
Gegenperspektive ab dem Zeitpunkt der Relevanz der Empfindsamkeit
eingeschrieben. Die Empfindsamkeit als erstes Mittel der Orientierung bereits
des zellulären Lebens kann als erstes Auftreten des Pneuma verstanden
werden. Aber auch an der Anwendbarkeit der Systemtheorie und deren
Formulierungen des Gleichgewichtsproblems kann der Sprung von Physik zu
Biologie abgelesen werden, wobei die Theorie eben als Weiterentwicklung
dessen zu verstehen ist, was zuerst als erstes Pneuma (Berz und Zehetner im
Arbeitskreis »Biologie und Anthropologie«) bezeichnet worden ist, aber
deshalb diese Weiterentwicklung nicht als alleinstehende Emergenz der
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Die Frage nach der Bedeutung der Existenz bleibt im Versuch der
Soziobiologie, den Naturalismus selbst homogen darzustellen (mit einer
gewissen Ähnlichkeit zum Verhältnis von Soziologie und Nationalökonomie),
in der Topologie von Satzsubjekt und Satzprädikat, und dem damit
verbundenen Beschluß, die Existenz im Satzsubjekt zu suchen, befangen. Das
erleichtert die Argumentation der monistischen Naturalisierung, die zum
nahezu ausschließlich materialistischen Existenzbegriff erst führt, auch dort,
wo die rein materialistische Betrachtungsweise zu Inkohärenzen führt.
Es wird dabei übersehen, daß die Entscheidung, die Existenz nicht im Prädikat
auszusagen, aus immanent logischen wie aus erkenntnistheoretischen
Gründen gefallen ist. Die Fragestellung nach den Bedeutungen von Existenz
hat aber selbst keine logischen, nur erkenntnistheoretische Absichten. Im
Horizont der prädikatslogischen Untersuchung kann nur festgestellt werden,
was alles als Satzsubjekt tauglich ist. Nun ist alles, was mit einem Konzept
ausgesagt werden kann, klassenlogisch behandelbar, was eben nach sich zieht,
daß die Topologie der Zuschreibung selbst gar nicht mehr der ursprünglichen
Untersuchung von Satzsubjekt und Satzprädikat entspricht, die zwischen
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Allerdings ist nicht zu leugnen, daß die Frage nach der Bedeutung der
Existenz formal immer noch nach dieser Entscheidung behandelt wird. Das
beeinflußt nicht unbedingt die Theorien, aber ihre Interpretation. Inzwischen
legt meiner Ansicht nach die Differenzierung des Naturbegriffs allein schon
im Rahmen der naturwissenschaftlichen Untersuchungen nahe, den
Existenzbegriff auf beide Topoi der Grammatik der Zuschreibung
auszudehnen. Diese Untersuchung, die im Grunde eine
transzendentalgrammatikalische genannt werden darf, besagt so viel, wie daß
zur Interpretation der Bedeutung von Existenz keine Theorie, auch nicht die
naturwissenschaftliche Theorie ausreicht, weil Theorien selbst als
Prädikatensystem ohne eindeutigen Subjekt- oder Substanzbegriff angesehen
werden können, was letztlich zur Folge hat, daß alle Aussagen über die
Bedeutung von Existenz, die Theorien treffen können, aus der Position des
Prädikates getroffen werden. Wir denken also Existenz immer schon von
beiden Orten der Frage (S-P), die selbst die Frage nach Existenz von der Frage
nach der Beschaffenheit nicht trennen kann, weil beide Fragen den Horizont
des Zuschreibungsurteiles (S-P) voraussetzen. Wir denken Existenz zugleich
aber auch immer von einem uns in der Sprache nicht erreichenden Ort aus,
dessen Spur die klassische Grammatik des Zuschreibungsurteils (S-P) uns mit
dem Positionswechsel in der Frage nach der Bedeutung von Existenz an sich
nach wie vor vermittelt.
die bei ihm freilich nur diffuse Beziehung zur Ontologie nicht leugnen, auch
wenn er die Wahrheitsfrage gleich mit entsorgt.
Die Fragen der Naturphilosophie und der Naturwissenschaften sind von
zentraler Bedeutung, aber angesichts der Stelle der Kulturentwicklung, an der
die Wissenschaft in Erscheinung tritt, ist aber auch bereits nach ihren
historischen und gesellschaftlichen Gründen und Bedingungen der
Entstehung solcher Fragekreise zu fragen. Das bedeutet, daß die Natur, das
Wesen, also die Bedeutung von Existenz auch dann nicht zu einer eindeutig
naturalistischen Ontologie führen muß (und sei es auch nur in die Nähe
wegen der Einschränkung auf den Physikalismus), wenn der
individualpsychologische Teil der Erlebnisses und den von da aus
erreichbaren Existenzialismus zunächst weitgehend ausgeklammert wird. Der
Grad der Vergesellschaftung im Zeitalter einer flächendeckenden Anwendung
von »Wissenschaft« darf als groß genug angenommen werden, daß es einen
Grund gibt, von einer Gesellschaftsontologie zu sprechen, die vermutlich auch
nicht völlig in der Fassung der Soziobiologie von Jablonka aufgehen kann.
Von da aus ist ein daseinsontologischer, ein gesellschaftsontologischer und ein
naturontologischer Abschnitt der Überlegung systematisch anzusetzen. Diese
ontologische Ebenen sind semantische Konstruktionen zur Orientierung, und
sagen selbst nicht mehr Existenz aus, sondern sagen etwas über die
semantischen Dimensionen des Begriffes »Existenz« aus. Die Relevanz dieser
Orientierung ist selbst direkt schwer zu beweisen; es hängt wesentlich von der
Diskussion der entsprechenden Theorien ab, an welchen Stellen der
eigentlichen theoretischen Diskussion der empirisch ausgerichteten Theorien
welche dieser Dimensionen unmittelbar relevant werden.
Die historische Diskussion der Themenkreise zwischen Naturwissenschaft
und Philosophie führt zur Geschichtlichkeit der Kultur und nicht zur
Geschichtlichkeit der biologischen Evolution. Die historische Dimension
erlaubt eine noch deutlichere Unterscheidung von biologischer und kultureller
Evolution, z. B. anhand der Frage nach der genetischen Ordnung von einander
umfassenenden »Systemen« und nach der Richtung der Determination in der
betrachteten Ordnung der »Systeme«. In der Soziologie kehren sich diese
Verhältnisse im Vergleich zur Biologie um, denn da sollen die genetisch später
entstandenen sozialen »Systeme« die früheren dominieren, während in der
Evolutionsbiologie die genetisch früheren die Bedingungen für die genetisch
später auftretenden System sind.
Im allgemeinen erwarte ich von empirischen Theorien, oder Theorien, die sich
unmittelbar auf solche beziehen, nicht, daß sie unmittelbar ontologische
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