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Wolfgang Cernoch

Das Problem der Bedeutung des Begriffes »Existenz« und die


relative Selbstständigkeit der Umgebungen der Diskussion

a) Die Eindimensionalität der Diskussion in der Soziobiologie


Das philosophische Grundproblem der Erkenntistheorie wie der
Wissenschaftstheorie ist und bleibt bei aller Verschiedenheit der Ausgangslage
die Frage nach der Bedeutung von Existenz. Wir verbleiben mit dem
postmodernen Materialismus (erste Verwendung von »postmodern« Ende 19.
Jahrhundert) in der Substanzmetaphysik; auf dieser Ebene der
Grundlegungsversuche ist es nahezu gleichgültig, ob diese als Geistsubstanz
oder als materielle Substanz imaginiert wird. Die Eliminierung der Frage nach
der Bedeutung von »es gibt«, »es existiert« etc. durch den Beschluß der
analytischen Philosophie, die sinnstiftende Semantik auf den Physikalismus
einzuschränken, ist ab einer gewissen Stufe der Reflexion der verschiedenen
(vierdimensionalen?) Ebenen der Selektion unpraktikabel (Jablonka und
Lamb). Die Ablösung des Substanzbegriffes durch das Ereignis, die
Ereignisreihe oder von einem physikalischen Prozess ändert an der
Identifizierung von etwas mit Existenz im Grunde nichts.
Ich will zuerst die Folgen der logischen Identifizierung, die in der logischen
Erörterung nicht ohne Merkmal möglich ist, für die Diskussion der Bedeutung
von Existenz entlang eines Aufrisses aktueller soziobiologischer Diskussion
skizzieren.
Jablonka und Lamb gehen von einer symbolischen Ebene aus, die die Stufen
der »New Synthesis« von Genetik, Epigenetik und Behavioralismus
symbolisch darstellt, und allem Anschein nach einer eigenen Evolution oder
Teilevolution unterliegt (Evolution in four Dimensions, MIT-Press 2005). Diese
Arbeit ist abgesehen von der Öffnung in der Frage nach der Bedeutung von
»es gibt« und »Existenz« in die Richtung der symbolischen Ebene deshalb von
Bedeutung, weil es einen Ansatzpunkt für meine Vorstellung einer teilweisen,
manchmal beständig im Hintergrund, manchmal entscheidend werdenden
Rückwirkung der symbolischen Ebene auf den Prozess der Entwicklung der
Wissenschaften hergibt. Allerdings erwarte ich eher nicht, daß diese Arbeit
selbst über den soziobiologischen Horizont hinauskommt.
Ich habe an anderer Stelle bereits auf Michael Tomasello, The Cultural Origin
of Human Knowledge (Harvard Univerity Press 1999) hingewiesen, der sehr
deutlich die singuläre Stellung des menschlichen Sprachvermögens
herausgearbeitet, aber diese Einsicht nicht zum Anlass genommen hat, die
Sprache außerhalb der biologischen Umgebung zu betrachten. Meiner
Auffassung nach ist die Sprache eine Erfindung des Menschen, und insofern
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künstlich, jedenfalls allein durch Kulturtraditionen erworben. Genetisch sind


die Organe verankert, deren Zusammenwirken wir die Sprachfähigkeit
verdanken. Die Entwicklung und vor allem die Weiterentwicklung der
Sprache verändert nicht den genetischen Code der Organe und wird nicht
durch eine solche Veränderung verursacht. Die Sprache ist wiederum ein
Medium soziobiologisch thematisierbarer »Bestrebungen« oder Tendenzen,
aber weder aus diesen (wie etwa Lacan nahelegt) entstanden, noch deren
alleiniger Funktionskreis, weshalb die Sprache als Verhalten »überlebt« hat.
Die Sprache ist also auch nicht entstanden, um Wissenschaft zu betreiben.
Ebenso oder noch unglaubwürdiger ist die Annahme, Religion oder
Wissenschaften seien allein aus soziobiologischen Gründen entstanden, nur
weil E. O. Wilson bei der Religion bei geeigneter Abstraktion eine Analogie zu
biologischen Verhaltensmuster finden kann (Conscilience. The Unity of
Knowledge, New York, A.A. Knopf 1998). Ich sehe teilweise bei der Religion
und erst recht anhand der Entwicklung der Wissenschaften eher den Versuch,
aus dem von der Soziobiologie beschriebenen Bereich unseres Seins zu
entkommen.
Der entscheidende Punkt meiner Argumentation bleibt in diesem
Zusammenhang, daß bestimmte Konzepte unseres Denkens der Erfahrung
innerhalb der symbolischen Ebene entstammen, und daß dieser Effekt immer
größer wird, je bedeutsamer das wissenschaftliche Denken für die
Vergesellschaftung wird. Mancher dieser Konzepte mögen wieder
soziobiologischen Themenkreise zugewendet sein, entstehen aber nicht selbst
aus soziobiologisch beschreibbaren Prozessen, auch dann, wenn man bedenkt,
daß solche unbedingt als Randbedingung mitwirken. Ich halte diese Ebene der
Symbolik, was die Entstehung der Bedeutung der Symbole wie der
Entstehung von Symbole überhaupt betrifft, für relativ unabhängig von
neurologischen Prozessen, was die Frage der Verursachung der Inhalte,
Bedeutungen etc. derselben in die Sphäre der Kommunikation und der
»Zeichenhaftigkeit des Bewußtseins« (Kant) verlegt. Vielmehr gehe ich davon
aus, daß die Ereignisse in der symbolischen Ebene neurologische Prozesse
anregen und bis in die Assoziation hinein steuern kann, und zwar bis in die
Ablegung ins Gedächtnis hin. Historisch halte ich eine kollektive Freiheit des
Menschen bisweilen für möglich, die Entwicklung der Aufklärung und der
Wissenschaft halte ich für einen empirisch-historischen Beweis für diese. Das
ist gewissermaßen ein externer und kollektiver Beweis für die philosophische
Feststellung Herders, der Mensch sei der erste Freigelassene der Natur.
Ich behaupte, daß die Suche nach einer präzisen Kommunikation gegenüber
gemeinsamer Erfahrung in normierten Erfahrungssequenzen, wie Carnap,
—3—

ähnlich von Neumann, anhand der Probleme der Theoriebildung und


Basissatzbildung anhand von Messgeräten in der Quantenphysik formuliert
hat, der willentliche Beitrag der symbolischen Ebene in verschiedenen
Aspekten zugleich unwiderleglich demonstriert. Schon Carnap hat versucht,
diesem Problem durch verstärkte Naturalisierung der Sprache auszuweichen,
weil er beschließt, daß die Sprache nur durch Konzepte mit physikalistischer
Semantik erklärt werden darf. Damit wird die Demonstration der Bedeutung
des willentlichen sprachlichen Ausdrucks nicht entkräftet, aber die Frage in
die Frage nach der naturwissenschaftlich verfolgbaren Determination
verwandelt, und die dazu anstehende Diskussion auf die ferne Zukunft
verschoben, und ist eben gerade keine Antwort, vielmehr einer der Orte, wo
der Widersinn der ideologischen Beschränkung auf positivistischen
Materialismus klar und deutlich zu Tage tritt.
Denn es ist völlig ungeachtet des Ausganges der Auseinandersetzung, in der
ich deutlich genug Position bezogen habe, gerade im Moment der
wissenschaftlichen Überlegung nicht möglich, die soziobiologische und
neuronale Kausation der damit in Funktion befindlichen Vermögen als
Argument in Stellung zu bringen. Hier treten m. E. die neurologischen
Funktionen nur als Rahmenbedingungen der Leistungsfähigkeit auf, die
Symbolbildung ist selbst ursprünglich keine Folge neurologischer Ursachen.
Es tritt zu Tage, daß die Schwierigkeit der soziobiologischen Perspektive, die
genetische und neurologische Determinationen anzugeben vor hat, bereits
unabhängig von der Frage nach dem Menschenbild mit internen
epistemologischen Problemen zu tun hat.
Die Haltung von Herrn Wolf Singer spiegelt den Widerspruch empirisch-
psychologisch. Er stellt fest, daß er aus dem »Interface« der sozialen Person
schon aus biologischen Gründen nicht aussteigen kann, hält das aber für eine
Fiktion des Gehirns, die falsch ist. Er begründet das aus seinen
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Abgesehen davon, daß die
technischen Grundlagen noch um Bedeutendes unzureichend sind, um so
starke Behauptungen aufzustellen, und die Einfachheit der Theorie bei aller
Reduktion jeder Theorie Zweifel aufkommen lässt, ob die Komplexität der
Themenkreise, die das Kultur- und das Zivilisationswesen des Menschen
betrifft, damit adequat beschrieben werden kann — Singer demonstriert selbst
als Person, daß er einen freien Willen besitzt spätestens in dem Moment, wo er
seine naturwissenschaftliche Theorie als Interpretation der »Wirklichkeit« (?)
seinem unausweichlichen Empfindungen, ein Subjekt zu sein, vorzieht. Daß
nicht im nächsten Schritt erkannt wird, daß eben diese Subjektivität die erste
Voraussetzung ist, um zu einen wissenschaftlichen Standpunkt zu kommen
—4—

(und das, genetisch gesprochen in Umkehrung der historischen Reihenfolge,


lange vor der transzendentalen Rechtfertigung von Erkenntnismethoden),
darin vermag ich nur den Ausdruck einer selbst herbei geführten partiellen
Bewußtlosigkeit zu erkennen.
Es kann gezeigt werden, daß die theorieimmanenten Gründe hinsichtlich der
Anforderungen der logischen Axiomatik das Ergebnis der Theorie mit
strengen Kriterien des Ausschließens fordern. Anders gesagt, je strenger die
Theorie konstruiert wird, um so strenger verlangt das Ergebnis nach dem
Ausschluß der Ergebnisse von konkurrenzierenden Theorien. Dieses Problem
wurde eben auch schon erkannt. Schon vor der Beantwortung auch der
wissenschaftstheoretisch entscheidenden Fragen kann abermals festgestellt
werden, daß die »New Synthesis« von und nach Wilson allein schon deshalb
unzureichend bleibt, weil der Begriff der Existenz trotz aller
Exhaustionsversuche von Donald Davidson, um die Semantik aus diesem
Begriff auszuschließen, oder eben zuvor der doktrinären Festlegung auf den
Physikalismus im Wiener Kreis sich nicht vollständig festlegen läßt.

b) Die logische Bestimmung des Begriffs der Existenz ist ein


grammtikalisches und nicht ein mathemathisches Problem
Die Diskussion um die Arten der Feststellung von Existierenden beginnt
bereits im 10. Jahrhundert, als Richard von Aintreaux frägt, weshalb die forma
auf die Behandlung der materia beschränkt bleiben müsse, und ob die forma
nicht auch auf Veränderungen, Bewegungen und auf die Zeit anwendbar sein
könnte. Das setzt sich fort in verschiedenen Diskussionen zwischen
Satzsubjekt und Satzprädikat bezüglich der Fähigkeit, Existenz auszusagen,
die bei Kant zur Begründung führt, weshalb die Existenz kein Prädikat sein
kann. Dieser Auffassung hat man sich allgemein bis heute angeschlossen.
Andererseits hat die Frage Richard’s über Nikolaus von Oresme zu Descartes
Antworten gefunden, die in der Funktionstheorie gemündet sind. Ich
bezweifle nicht die Folgerichtigkeit und Rechtfertigbarkeit des logischen
Entschlusses, gebe aber zu bedenken, daß damit die Erörterung der Bedeutung
von Existenz abermals am Substanz- oder Subjektbegriff im Satzsubjekt hängt.
Grammatikalisch ändert sich wenig, wenn Ereignisse, Prozesse oder
Modellbegriffe beschrieben werden, und die Funktion dieser Beschreibungen
hängt nicht direkt und unmittelbar von der hier erörterten Frage ab.
Die Frage nach der Bedeutung von Existenz wird nur dann wichtig, wenn
unklar wird, woran »Existenz« erkannt werden kann. Diese Frage kann hier
nicht wirklich behandelt werden. Ich beschränke mich auf den Hinweis, daß
—5—

bereits unter dem Naturbegriff mit dem Wesensbegriff nicht nur Natur in
biologischer und physikalischer Bedeutung zu verstehen ist. Weiters, daß
schon der physikalistische Naturbegriff jede diskriminierende Funktion
zwischen Quantenphysik, Chemie der Elementenreihe, Festkörperphysik,
Biochemie, Biologie als Wissenschaft zellulären Lebens und deren
Organisationsformen, Verhaltensbiologie etc. verloren hat. Diese semantische
Reduktion in der Diskussion der Frage nach der Bedeutung von Existenz wird
durch die Erweiterung der Soziobiologie auf gesellschaftliche Prozesse noch
ins Sinnlose gesteigert. Es bleibt ein Monismus nur auf philosophischer Ebene
übrig!
Die differenziertere wissenschaftliche Haltung wendet sich zuerst an die
Konstruktion der Theorie und an die Kriterien der Adequanz; die Erörterung
der Bedeutung von Existenz hingegen bleibt bei Fragen, was sagt ein Prädikat
außer einem Merkmal des Prädizierten (Ding, Prozess, Ereignis) über die Art
zu Existieren des Prädizierten allgemein aus? Erstlich sicherlich, daß das Sein
intrinsecisch strukturiert sein muß, ansonsten Prädikate nur Synonyme von
Subjekten, Dingen, Prozessen oder Ereignissen wären. Diese Funktion kann
aber nicht jedes Merkmal übernehmen. Es darf deshalb dieses Merkmal aber
nicht ausgeschieden werden, weil es später vielleicht einen Erklärungsgrund
liefern könnte. Außerdem sind Begriffe als Prädikate Konzepte und keine
Synonyme. Es muß die Funktion des Prädikates auch dahingehend untersucht
werden, inwieweit es metaphorisch gebraucht wird.
Ich denke, daß wir den Begriff von Existenz nach wie vor metaphorisch
gebrauchen, und im Rahmen der Philosophie nach der Naturwissenschaft in
essentialistischer Absicht letztlich alles analytisch auf Quantenphysik
zurückführen. Die Soziobiologie ist die Verlängerung dieser ontologischen
Haltung, und ist im viel größeren Ausmaß als angenommen werden konnte,
spätestens ab der Anwendung auf die Kulturentwicklung des Menschen und
seine Vergesellschaftung, nichts als spekulativ konstruierende Philosophie.
Im Grunde aber ist schon der Biologie als Wissenschaft vom Leben die
Gegenperspektive ab dem Zeitpunkt der Relevanz der Empfindsamkeit
eingeschrieben. Die Empfindsamkeit als erstes Mittel der Orientierung bereits
des zellulären Lebens kann als erstes Auftreten des Pneuma verstanden
werden. Aber auch an der Anwendbarkeit der Systemtheorie und deren
Formulierungen des Gleichgewichtsproblems kann der Sprung von Physik zu
Biologie abgelesen werden, wobei die Theorie eben als Weiterentwicklung
dessen zu verstehen ist, was zuerst als erstes Pneuma (Berz und Zehetner im
Arbeitskreis »Biologie und Anthropologie«) bezeichnet worden ist, aber
deshalb diese Weiterentwicklung nicht als alleinstehende Emergenz der
—6—

Biologie notwendigerweise aufgefasst werden muß. Gerade das analytische


Moment daran spricht gegen die Wahrscheinlichkeit einer solchen Annahme.
Nach dem Zeitpunkt, von dem anhand der Empfindsamkeit ein Grund
gefunden worden ist, diese gegenläufig zur naturwissenschaftlichen Biologie
mit dem Pneuma in Verbindung zu bringen, gibt es auch einen Zeitpunkt, an
dem die Imagination von der Empfindsamkeit unterschieden werden kann.
Die Imagination kann im Rahmen der sexuellen Selektion schon früh anhand
der Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale im Tierreich beobachtet
werden. Hier ist noch stärker als im vohergehenden Beispiel gleich eine
Rückwirkung der Imagination auf die Ausformung des Phänotypus zu
beobachten.
Die Annahme einer relevanten Rückwirkung der speziellen Entwicklung
unserer Imagination, die unsere Wissenschaften hervorgebracht haben, drückt
demnach eine vernünftige Erwartung aus. Für die Frage nach der Bedeutung
von Existenz bedeutet das nicht nur, daß die Abzweigung, entlang der die
Kulturevolution als relativ selbstständige Disziplin zu behandeln ist, bereits in
der biologischen Evolution grundgelegt ist. Diese Abzweigung ist zwar von
entscheidender Bedeutung, enthält aber nicht alle, und auch nicht die allein
entscheidenden Gründe der Kulturentwicklung.

Die Frage nach der Bedeutung der Existenz bleibt im Versuch der
Soziobiologie, den Naturalismus selbst homogen darzustellen (mit einer
gewissen Ähnlichkeit zum Verhältnis von Soziologie und Nationalökonomie),
in der Topologie von Satzsubjekt und Satzprädikat, und dem damit
verbundenen Beschluß, die Existenz im Satzsubjekt zu suchen, befangen. Das
erleichtert die Argumentation der monistischen Naturalisierung, die zum
nahezu ausschließlich materialistischen Existenzbegriff erst führt, auch dort,
wo die rein materialistische Betrachtungsweise zu Inkohärenzen führt.

Es wird dabei übersehen, daß die Entscheidung, die Existenz nicht im Prädikat
auszusagen, aus immanent logischen wie aus erkenntnistheoretischen
Gründen gefallen ist. Die Fragestellung nach den Bedeutungen von Existenz
hat aber selbst keine logischen, nur erkenntnistheoretische Absichten. Im
Horizont der prädikatslogischen Untersuchung kann nur festgestellt werden,
was alles als Satzsubjekt tauglich ist. Nun ist alles, was mit einem Konzept
ausgesagt werden kann, klassenlogisch behandelbar, was eben nach sich zieht,
daß die Topologie der Zuschreibung selbst gar nicht mehr der ursprünglichen
Untersuchung von Satzsubjekt und Satzprädikat entspricht, die zwischen
—7—

aristotelischer Sprachphilosophie und rationaler Metaphysik des 18.


Jahrhunderts angesiedelt ist.

Allerdings ist nicht zu leugnen, daß die Frage nach der Bedeutung der
Existenz formal immer noch nach dieser Entscheidung behandelt wird. Das
beeinflußt nicht unbedingt die Theorien, aber ihre Interpretation. Inzwischen
legt meiner Ansicht nach die Differenzierung des Naturbegriffs allein schon
im Rahmen der naturwissenschaftlichen Untersuchungen nahe, den
Existenzbegriff auf beide Topoi der Grammatik der Zuschreibung
auszudehnen. Diese Untersuchung, die im Grunde eine
transzendentalgrammatikalische genannt werden darf, besagt so viel, wie daß
zur Interpretation der Bedeutung von Existenz keine Theorie, auch nicht die
naturwissenschaftliche Theorie ausreicht, weil Theorien selbst als
Prädikatensystem ohne eindeutigen Subjekt- oder Substanzbegriff angesehen
werden können, was letztlich zur Folge hat, daß alle Aussagen über die
Bedeutung von Existenz, die Theorien treffen können, aus der Position des
Prädikates getroffen werden. Wir denken also Existenz immer schon von
beiden Orten der Frage (S-P), die selbst die Frage nach Existenz von der Frage
nach der Beschaffenheit nicht trennen kann, weil beide Fragen den Horizont
des Zuschreibungsurteiles (S-P) voraussetzen. Wir denken Existenz zugleich
aber auch immer von einem uns in der Sprache nicht erreichenden Ort aus,
dessen Spur die klassische Grammatik des Zuschreibungsurteils (S-P) uns mit
dem Positionswechsel in der Frage nach der Bedeutung von Existenz an sich
nach wie vor vermittelt.

c) Die Ontologie als Dimensionen des semantischen Raumes


Die klassische Trennung der Frage nach Existenz und nach deren qualitativen
und quantitativen Bestimmungen (quidditas) verwischt ihre Vorgeschichte
ebenso wie die Soziobiologie, aber nicht um nicht in einen performativen
Selbstwiderspruch zu geraten, sondern um einen Unterschied zu einen
logischen Gegensatz zu machen, der rein formal und theoriefähig wird. Wie
oben angeschnitten, sagen beide Positionen über Existenz aus, aber eben nicht
nur modallogisch getrennt von der Prädikatenlogik (die syllogistisch, also
selbst zum Teil der Aussagenlogik wird) und getrennt von der Aussagenlogik,
sondern bereits vor der Untersuchung des logisch Allgemeinen und der
daraus nicht nur logisch verwertbaren Notwendigkeit. Selbst Protagoras, der
die Differenz von Doxa und Wissenschaft geleugnet hat (siehe Lakatos) kann
—8—

die bei ihm freilich nur diffuse Beziehung zur Ontologie nicht leugnen, auch
wenn er die Wahrheitsfrage gleich mit entsorgt.
Die Fragen der Naturphilosophie und der Naturwissenschaften sind von
zentraler Bedeutung, aber angesichts der Stelle der Kulturentwicklung, an der
die Wissenschaft in Erscheinung tritt, ist aber auch bereits nach ihren
historischen und gesellschaftlichen Gründen und Bedingungen der
Entstehung solcher Fragekreise zu fragen. Das bedeutet, daß die Natur, das
Wesen, also die Bedeutung von Existenz auch dann nicht zu einer eindeutig
naturalistischen Ontologie führen muß (und sei es auch nur in die Nähe
wegen der Einschränkung auf den Physikalismus), wenn der
individualpsychologische Teil der Erlebnisses und den von da aus
erreichbaren Existenzialismus zunächst weitgehend ausgeklammert wird. Der
Grad der Vergesellschaftung im Zeitalter einer flächendeckenden Anwendung
von »Wissenschaft« darf als groß genug angenommen werden, daß es einen
Grund gibt, von einer Gesellschaftsontologie zu sprechen, die vermutlich auch
nicht völlig in der Fassung der Soziobiologie von Jablonka aufgehen kann.
Von da aus ist ein daseinsontologischer, ein gesellschaftsontologischer und ein
naturontologischer Abschnitt der Überlegung systematisch anzusetzen. Diese
ontologische Ebenen sind semantische Konstruktionen zur Orientierung, und
sagen selbst nicht mehr Existenz aus, sondern sagen etwas über die
semantischen Dimensionen des Begriffes »Existenz« aus. Die Relevanz dieser
Orientierung ist selbst direkt schwer zu beweisen; es hängt wesentlich von der
Diskussion der entsprechenden Theorien ab, an welchen Stellen der
eigentlichen theoretischen Diskussion der empirisch ausgerichteten Theorien
welche dieser Dimensionen unmittelbar relevant werden.
Die historische Diskussion der Themenkreise zwischen Naturwissenschaft
und Philosophie führt zur Geschichtlichkeit der Kultur und nicht zur
Geschichtlichkeit der biologischen Evolution. Die historische Dimension
erlaubt eine noch deutlichere Unterscheidung von biologischer und kultureller
Evolution, z. B. anhand der Frage nach der genetischen Ordnung von einander
umfassenenden »Systemen« und nach der Richtung der Determination in der
betrachteten Ordnung der »Systeme«. In der Soziologie kehren sich diese
Verhältnisse im Vergleich zur Biologie um, denn da sollen die genetisch später
entstandenen sozialen »Systeme« die früheren dominieren, während in der
Evolutionsbiologie die genetisch früheren die Bedingungen für die genetisch
später auftretenden System sind.
Im allgemeinen erwarte ich von empirischen Theorien, oder Theorien, die sich
unmittelbar auf solche beziehen, nicht, daß sie unmittelbar ontologische
—9—

Implikationen als Argument beinhalten. Ich erwarte, daß die Präsuppositionen


von Theorien in ihrer formalen Hinsicht wie in Hinsicht ihrer inhaltlichen
Prämissen, Postulate und Theoreme möglichst frei von unmittelbaren
ontologischen Annahmen sind, aber ich erwarte auch, daß dies vollständig
durchzuführen aus verschiedenen Gründen unmöglich ist (vgl. meinen
Aufsätz zu Searle und Quine und zu Chalmers auf scrib.com). Schließlich
erwarte ich deshalb auch eine Auseinandersetzung mit den ontologischen
Implikationen einer Theorie. Diese Auseinandersetzung hat den
epistomologischen Zweck, einerseits die Präsuppositionen so einheitlich und
zusammenhängend wie möglich vorstellen zu können, andererseits aber auch,
semantische Bereiche von einander unterscheiden zu können, ohne sie
wechselseitig ausschließen zu müssen.
Nur von der Seite kann die Tendenz zur Ausschließung von Konzepten
entlang klassischer ontologischer Bruchlinien begegnet werden, die letztlich
ohne philosophische Vorentscheidung zum einsinnigen Naturalismus gar
nicht so eindeutig ausfallen würde. So wichtig es ist, die Thesen mittels
Hypothesen zu prüfen, kann die derart jeweils zu beobachtende Relevanz der
skizzierten Dimensionen nicht allein entscheidend sein. Es ist unzureichend,
allein nach der logisch möglichen Stärke auszugehen, letztlich ist gleichgültig,
ob der Ausschluß mittels Hempel oder mittels Quine erreicht wird. Die
theorieinterne Wirkung kann zur Immunisierung führen, die theorieexterne
Wirkung bleibt ähnlich wie in der logisch starken klassischen Fassung (wie bei
Sober). Wir wissen aber nicht, im welchen der Systeme (»realistisch«
interpretierte Ebenen) auf welchem Energieniveau welche Energiedifferenzen
für deren Funktionieren notwendig sind. Also darf die Frage nicht nur nach
der veranschlagten Stärke der Wirkung gestellt werden. Wir wissen aber
bereits genug, um eine strikte Determination zwischen den verschiedenen
Ebenen der Selektion grundsätzlich für unwahrscheinlich zu halten.
Diese Linie der Argumentation wurde von mir weiter oben bereits zu einer
allgemeinen Rückwirkungsthese weiterentwickelt, was einen ersten Rahmen
abgeben könnte, die These der relativen Selbstständigkeit der Kulturevolution
gegenüber der von der Soziobiologie beschriebenen Charakteristik, und die
spezifischen Gründe dieser relativen Selbstständigkeit von deren Dynamik,
ausreichend differenziert zu diskutieren. Es geht demnach nicht um eine
grundsätzliche Widerlegung des soziobiologischen Modells als solchen,
sondern insbesondere um die Widerlegung der überzogenen Ansprüche,
deren sachliche Diskussion durch die gleichmäßige Identifizierung aller
komplementären Ansätze mit dem logischen Gegenteil der soziobiologischen
— 10 —

Teiltheorien bereits von den eigenen rein theoretischen Bedingungen der


Argumentation verdeckt wird.

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