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Todeskriterien (griech. tÐ sgleđom hamatýder; lat. signa mortis; engl.

signs of death;
frz. signes de mort). Parallel zu den philosophischen Deutungs- und Definitionsversu-
chen des Todes gibt es seit der Antike eine – zumindest phasenweise – nicht weniger
kontroverse medizinische Diskussion über die Frage, aufgrund welcher Kriterien ein
Mensch, respektive das Sterbliche im Menschen, für tot gelten könne und mit Hilfe
welcher Verfahren man zuverlässig feststellen könne, ob diese Kriterien tatsächlich
auch erfüllt seien. Gesellschaftliche, soziale und moralische Veränderungen haben die-
sen Diskussionen ebenso Auftrieb gegeben wie neue medizinische Erfindungen und
Entdeckungen. Nicht unmaßgeblich beeinflußt wurden diese Diskussionen aber auch
durch den jeweils zugrunde gelegten philosophischen Todesbegriff und unterschied-
liche Auffassungen darüber, um wessen Tod es denn nun eigentlich gehe, den Tod
des ganzen Menschen, den Tod einer Person, eines menschlichen Organismus oder
einzelner Organsysteme.
Schon für die antike Medizin stand fest, daß die Teile eines Organismus nicht alle
gleichzeitig sterben und daß der Tod in verschiedenen Organen seinen Anfang nehmen
kann. Als das zentrale Organ jedoch, das, wie ARISTOTELES sagt, als erstes aller Glieder
entsteht in einem Lebewesen1 und von dem alles Leben und alle Bewegung abhängt2 ,
gilt das Herz. Der Herzschlag allein entschied darum über Leben und Tod. Selbst
jene Autoren, die dem Gehirn eine entscheidende Lebensfunktion zuschrieben, wie
etwa HIPPOKRATES3 , die Anatomen Alexandriens und GALEN4 , hielten am Herzschlag
als Todeskriterium fest. Die Atmung diente nach ihrer Ansicht allein dazu, die innere
Wärme zu bewahren5 .
In der jüdisch-christlichen Tradition dagegen war es gerade der Atem (ruach)6 ,
der das Lebensprinzip verkörperte und dessen Aussetzen zum Todeskriterium erhoben
wurde. Es gab allerdings auch immer wieder Gegenstimmen: Eine Minorität talmudi-
scher Weiser des 4. Jh.7 zum Beispiel bekannte sich zur Herzschlagtheorie, und MOSES
MAIMONIDES betonte die zentrale Bedeutung des Kopfs: Ein enthaupteter Körper ist
tot, auch wenn er sich noch bewegt, da er die zentrale Steuerfunktion verloren hat8 .
Die entscheidenden Differenzen aber ergaben sich aus der Frage, welches denn
eigentlich das Subjekt sei, das dem Tod unterworfen ist. Die Antwort auf diese Frage
hing vom zugrunde gelegten philosophischen Todesbegriff ab. Wenn man, mit PLATON,
eine vom Körper verschiedene unsterbliche Seele postuliert, kann empirisch nur der Tod
des lebendigen Körpers festgestellt werden9 . Wenn man dagegen, wie auf klassische
1
ARISTOTELES: De part. anim. III, 4, 66 a.
2
III, 3, 65 a.
3
HIPPOCRATES: De morbo sacro/Über die heilige Krankheit, hg. H. GRENSEMANN (1968) 16, 1 – 6.
4
Vgl. F.,R. HURLBUTT Jr.: Peri Kardies. A treat. on the heart from the Hippocratic corpus: Introd. and
transl. Bull. Hist. Med. 13 (1939) 1104 – 1113, bes. 1111; vgl. zum Ganzen: M. S. PERNICK: Back
from the grave: Recurring controversies over defining and diagnosing death in hist., in: R. M. ZAHNER
(Hg.): Death: Beyond Hole-Brain criteria (Dordrecht 1988) 17 – 74, bes. 18.
5
GALEN: De utilitate respirationis III. Op. omn., hg. C. G. KÜHN (1821 – 33, ND 1964/65) 4, 487f.;
vgl. auch: L. G. WILSON: Erasitratus, Galen, and the ‘Pneuma’. Bull. Hist. Med. 33 (1959) 293 – 314,
hier: 312.
6
Vgl. Ps. 104, 29; F. ROSNER/J. D. BLEICH (Hg.): Jewish bioethics (Brooklyn 1979) 280. 285.
7
ROSNER/BLEICH, a. a.O. 299.
8
a. a.O. 297f.
9
PLATON: Gorg. 524b, 2 – 4; Phaedo 67d3f.
2 Todeskriterien

Weise ARISTOTELES, eine körperlose Seele für undenkbar hält, ist es – mit Ausnahme
des unsterblichen Intellekts – der ganze Mensch, der stirbt10 .
In der antiken wie in der mittelalterlichen Medizin gab es bereits ein klares Be-
wußtsein über die möglichen Fehldiagnosen, zu denen die Applikation des Herz- oder
Atemkriteriums führen konnte: Auch wenn Herzschlag und Atem aussetzen, bedeutet
dies nicht notwendigerweise den Tod, wie die zahlreichen Phänomene des Scheintods,
etwa die von GALEN aufgelisteten Zustände der Hysterie, Asphyxie, Katalepsie, des
Komas usw. beweisen11 . Die Tatsache, daß die Menschen nicht einmal den Tod zwei-
felsfrei bestimmen können, gilt darum nach PLINIUS als der schlagendste Beweis für die
Unsicherheit des menschlichen Urteils12 . Den Tod festzustellen war freilich – nach dem
Verständnis der antiken Medizin – auch nicht die Aufgabe des Arztes. Für den Arzt kam
es darauf an, unterscheiden zu können zwischen den Fällen, in denen noch Heilung
möglich war, und jenen, in denen ärztliche Kunst nichts mehr ausrichten konnte. Wenn
Ärzte von den Zeichen des Todes, den «proprietates mortis», sprachen, dachten sie dar-
um nicht an Kriterien, mit denen sich der tatsächlich eingetretene Tod feststellen läßt,
sondern an die Symptome für einen bevorstehenden Tod, die HIPPOKRATES in seinem
‹Prognostikon› in klassischer Weise aufgelistet hatte13 .
Gegenstand einer allgemeinen öffentlichen Beunruhigung wurde die Unsicherheit
des ärztlichen Urteils über Leben und Tod erst mit der Aufklärung, genauer, in der
Zeit von ca. 1740 bis 1850. 1740 erschien die diese Diskussion eröffnende Schrift des
französisch- dänischen Anatomen J. B. WINSLOW: ‹An Mortis Incertae Signa Minus In-
certa a Chirurgicis›14 . 1742 schon folgte die französische Übersetzung mit zahlreichen
Ergänzungen von J. BRUHIER D’ABLAINCOURT, die in kurzer Folge neu aufgelegt und in
die meisten europäischen Sprachen übertragen wurde15 . Winslow und Bruhier zogen
aus den mit den traditionellen Todeskriterien verbundenen Unsicherheiten den Schluß,
den – allerdings ohne ein Echo zu finden – ein Jahrhundert zuvor schon P. ZACCHIAS
nahegelegt hatte16 : Kein anderes Zeichen als die Verwesung erlaube verläßlich zwi-
schen Tod und Leben zu unterscheiden17 . D. DIDEROT übernimmt diese Auffassung in
seiner ‹Encyclopédie›18 , und sie findet sich noch in R. DUNGLISONS ‹New Dictionary of
Medical Science and Literature› von 183319 .
Die Zweifel an der Anwendbarkeit der herkömmlichen Todeskriterien wurden durch
die Entwicklung neuer lebenserhaltender Maßnahmen – besonders die künstliche Beat-

10
ARISTOTELES: De an. 413b22ff.; 415b9 – 27; 403a3ff.; 412b5; 414a19ff.
11
GALEN: De locis affectis VII, 5, a. a.O. [5] 8, 415ff.
12
Vgl. PLINIUS: Nat. hist. VII, 37, 124; XXVI, 8, 15.
13
HIPPOCRATES: Prognosticum 2, 8f., hg. H. S. JONES (London 1923).
14
J. B. WINSLOW: An mortis incertae signa minus incerta a chirurgicis, Quam ab aliis experimentis?
(Paris 1740).
15
J.-J. BRUHIER D’ABLAINCOURT: Diss. sur l’incertitude des signes de la mort, et l’abus des enterrements
et embaumemens précipités (Paris 1742), 1 – 2 (Paris 21749).
16
ANON: [G. M. LANCISI]: De subitaneis mortibus (1707), übers. P. D. WHITE/A. V. BOURSY (New York
1971) 42.
17
BRUHIER D’ABLAINCOURT: Diss. ... § VI, 1, a. a.O. [15] 131.
18
D. DIDEROT/J. LE R. D’ALEMBERT (Hg.): Encycl., ou Dict. rais. des sci., des arts et des métiers 10
(Neuchâtel 1765) 719.
19
R. DUNGLISON: A new dict. of medical sci. (Boston 1833) 2, 49.
Todeskriterien 3

mung, die Reaktivierung der Herztätigkeit durch Elektroschocks – verstärkt, nicht zu-
letzt aber auch durch die Entdeckung von weiteren Traumata, Substanzen und Krankhei-
ten, die todesähnliche Zustände herbeiführen konnten, von der extremen Unterkühlung
über Opiate, Apoplexien, Hämorrhagien bis hin zu der 1846 entdeckten Inhalationsnar-
kose20 . Für diese Zustände des Scheintods gab es nur zwei Erklärungen: Entweder sind
Herztätigkeit und Atmung tatsächlich keine lebenswichtigen Funktionen und können
darum zeitweise auch aussetzen, oder sie sind lebenswichtig und müssen darum auch in
den Fällen des Scheintods de facto nachweisbar sein. Die erste Annahme bedeutete, daß
andere, zentralere Vitalfunktionen gefunden werden mußten, die zweite dagegen ver-
langte die Entwicklung neuer Testmethoden zur besseren Feststellung des tatsächlich
eingetretenen Todes. Der erste Weg gab vor allem den Vitalisten Auftrieb, welche – auf
ihrer Suche nach den Lebenskriterien (s. d.) – immaterielle Lebensprinzipien postulier-
ten, die auch dann wirksam sein können, wenn die anderen Vitalfunktionen aussetzen.
Der schottische Arzt W. CULLEN z. B. sah, im Anschluß an Haller, ein solches Le-
bensprinzip im sensomotorischen Potential der «nervous sensibility» und «muscular
irritability»21 , und G. STAHL und M.-F.-X. BICHAT definierten Leben schlicht als Inbe-
griff der Prinzipien, die dem Tod, d.h. der Verwesung, widerstehen22 . Durchgesetzt hat
sich jedoch der zweite Weg: die Entwicklung neuer Verfahren zur Erfassung der Herz-
Lungen-Tätigkeit. Er hat sich – nicht zuletzt aufgrundverschiedener Preisausschreiben
der Pariser Akademie der Wissenschaften – als sehr erfolgreich erwiesen: von der
Erfindung des Stethoskops und dessen 1846 durch E. BOUCHUT beschriebenen Verwen-
dung zur Diagnose des Todeseintritts, über die Röntgenfluoroskopie zur Feststellung
der Aktivität innerer Organe bis hin zu den elektrophysiologischen Testverfahren für
neuromuskuläre Funktionen23 .
Die Ärzte traten nun in der Öffentlichkeit mit dem Anspruch auf, mit Hilfe dieser
Methoden den Eintritt des Todes zuverlässig diagnostizieren zu können. Die panische
Angst vor Fehldiagnosen und vor dem lebendig Begrabenwerden, die bis Mitte des
19. Jh. nicht bloß die literarische Phantasie beflügelt und in der Gesetzgebung der
einzelnen Länder zur Einhaltung einer zwei oder mehr Tage dauernden Latenzzeit
zwischen Todeseintritt und Beisetzung des Leichnams geführt hatte, wich zu Beginn
des 20. Jh. einem ebenso irrationalen Vertrauen in die Expertise der nunmehr zum
Ausstellen des Totenscheins verpflichteten Ärzteschaft24 . Innerhalb der Wissenschaft
selbst war aber die Unsicherheit über eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Leben
und Tod keineswegs geringer geworden. Neue Entdeckungen der Zellbiologie und der
Neurologie nährten die Überzeugung, wie sie der Tendenz nach schon G. BUFFON25 , CH.

20
Vgl. dazu: PERNICK, a. a.O. [4] 21ff.
21
W. CULLEN: A letter to Lord Cathard ... conc. the recovery of persons drowned and seemingly dead
(Edinburgh 1784) 4.
22
DUNGLISON, a. a.O. [19] 1, 576; vgl. auch: F. H. GARRISON: An introd. to the hist. of med., hg. W. B.
SAUNDERS (Philadelphia 41929) 312.
23
Vgl. PERNICK, a. a.O. [4] 37f.
24
a. a.O. 37 – 39. 43 – 47.
25
Vgl. T. S. HALL: Ideas of life and matter: Studies in the hist. of gen. physiology 600 B. C. to A. D.
1900 (Chicago 1969) 2, 5 – 17; J. MCMANNERS: Death and the enlightenment: Changing attitudes of
death among Christians and unbelievers in 18th-cent. France (Oxford/New York 1981) 166.
4 Todeskriterien

HUFELAND26 und M.-F.-X. BICHAT27 vertreten hatten: Das Individuum ist nichts anderes
als ein Verband einzelner Zellen und Organe, die unabhängig vom Gesamtorganismus
leben und sterben können oder die möglicherweise gar, wie dies A. CARREL zwischen
1910 und 1920 in seinen In-vitro-Experimenten an Zellkulturen und isolierten Organen
zu zeigen versuchte, prinzipiell unsterblich sind28 .
Die durch Carrels Perfusionstechniken sich eröffnenden neuen Möglichkeiten der
Lebendigerhaltung einzelner Organe und damit auch der Organtransplantation, aber
auch neue Reanimationstechniken wie etwa die Eiserne Lunge, ließen die klassischen
Todeskriterien zunehmend obsolet werden. Als erfolgversprechende neue Alternative
bot sich das Hirntodkriterium an, definierbar als Ausfall aller meßbaren Hirnfunktio-
nen bei künstlich erhaltenem Kreislauf. Gestützt wurde dieses Kriterium sowohl durch
philosophisch-medizinische wie auch verfahrenstechnische und pragmatische Argu-
mente. Die von den Neurologen betonte integrale Steuerungsfunktion des Gehirns ließ
die Gehirntätigkeit als die kausale Grundvoraussetzung erscheinen, von der Identität
und individuelle Existenz des Menschen abhängt. Verfahrenstechnisch sprach für dieses
Kriterium, daß es exakter Messung zugänglich war; denn mit der Erfindung des EEG
1929 war es möglich geworden, Leben neu zu definieren als das Vermögen, elektrische
Hirnpotentiale zu generieren und diese Hirnpotentiale einer direkten Messung zugäng-
lich zu machen29 . Nicht zuletzt aber erlaubte dieses Kriterium auch eine Antwort auf
die in der westlichen Welt immer dringlicher gewordene Frage nach der Behandlung
komatöser Patienten und nach ihrem Status als potentielle Organspender.
1968 wurde mit dem sog. ‹Harvard-Bericht› die Diagnose eines «irreversiblen Ko-
mas» zum verbindlichen Todeskriterium erklärt30 . Der ‹Presidential Commission Re-
port› von 198131 ist diesem Vorschlag gefolgt, und andere Länder – 1993 offiziell auch
die Bundesärztekammer in Deutschland32 – haben ihn übernommen. Der ‹Presiden-
tial Commission Report› trat explizit auch der sog. Teilhirntodkonzeption entgegen,
die nur den Ausfall der höheren Gehirnfunktionen zum Todeskriterium erheben will
und nicht, wie der ‹Harvard-Bericht›, die gesamte bewußte und unbewußte Hirntätig-
keit. Kritik am Hirntodkriterium erfolgte aber nicht nur von selten der Befürworter
26
Vgl. W. TEBB/E. P. VOLLUM: Premature burial and how it may be prevented, hg. W. R. HAWDEN
(London 21905) 338.
27
Vgl. M.-F.-X. BICHAT: Physiolog. res. upon life and death (Philadelphia 1809); vgl. auch: G. SUTTON:
The phys. and chem. path to vitalism: X. Bichat’s physiolog. res. on life and death. Bull. Hist. Med.
58 (1984) 53 – 71.
28
Vgl. J. MIDDLETON: Flesh that is immortal. Dr. A. Carrel’s experiments with tissues of a chicken.
World’s Work 28 (Oct. 1914) 590 – 593; B. J. HENDRICK: On the trail of immortality. McClures’s
40 (Jan. 1913) 304 – 317; C. HALLOWELL: Ch. Lindbergh’s artificial heart. Amer. Heritage Invention
Technology 1 (1985) 58 – 62.
29
Vgl. etwa: O. SUGAR/R. W. GERARD: Anoxia and brain potentials. J. Neurophysiology 1 (1938)
558 – 572; vgl. weiter: What is death? Time 37 (June 2, 1941) 62.
30
H. K. BEECHER u. a.: A def. of irreversible coma. Report of the ad hoc committee of the Harvard Med.
School to examine the def. of brain death. J. Amer. medical Ass. 205 (1968) 337 – 340.
31
President’s commission for the study of eth. problems in medicine and biomedical and behaviou-
ral res.: Deciding to forego life-sustaining treatment; Defining death; Implementing human res.
regulations; Making health care decisions (Washington, D.C. 1983).
32
Bundesärztekammer: Der endgültige Ausfall der gesamten Hirnfunktion. ‘Hirntod’ als sicheres
Todeszeichen – Stellungnahme des Wiss. Beirats der Bundesärztekammer. Dtsch. Ärztebl. 90 (1993)
1975 – 1977.
Todeskriterien 5

der Teilhirntoddefinition33 , sondern auch von den Vertretern des klassischen Herzstill-
standskriterium, die – allen voran H. JONAS34 – in der Hirntoddefinition eine gefährliche
Umdeutung des Todes im Interesse der Transplantationsmedizin vermuten. Diese Kri-
tik hat – geschürt noch durch die nach wie vor bestehenden Unsicherheiten bei der
Feststellung des Hirntods in einer Reihe von Ausnahmefällen (extreme Unterkühlung,
Anästhetika-Überdosierung usw.)35 – nunmehr auch ein medienwirksames Echo ge-
funden. Im Hintergrunddieser Debatte stehen aber nicht nur handfeste ökonomische
Interessen und entsprechende moralische Probleme, sondern auch unterschiedliche phi-
losophische Todesbegriffe. In der Auseinandersetzung zwischen Vertretern der Ganz-
hirntodkonzeption und den Befürwortern der Teilhirntoddefinition reproduziert sich
die alte philosophische Frage, ob die mentalen Funktionen oder die physiologische
Integration verschiedener Organfunktionen die Basis individuellen Lebens bilden und
ob mithin der menschliche Organismus oder nur die Person Subjekt des Todes sei36 .
Die Vertreter des Herzkreislaufkriteriums wiederum sehen in der von ihnen geltend ge-
machten Unmöglichkeit, den irreversiblen Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit eines
Individuums nachzuweisen, nicht ein technisches, sondern ein philosophisches Pro-
blem: daß es prinzipiell nie möglich sei, die Innenperspektive eines Individuums der
Außensicht zugänglich zu machen. Ein Konsens über die kriteriologische Bestimmung
des Todes ist wohl angesichts dieser philosophischen und normativen Differenzen auch
auf weitere Sicht nicht zu erwarten37 .

Literaturhinweise.
• E. H. ACKERKNECHT: Death in the hist. of medicine. Bull. Hist. Med. 42 (1968)
19 – 23.
• M. S. PERNICK: Back from the grave: Recurring controversies over defining and
diagnosing death in hist., in: R. M. ZAHNER (Hg.): Death: Beyond Hole-Brain criteria
(Dordrecht 1988) 17 – 74, bes. 18.
A. HÜGLI in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, Sp. 1245 – 1249.

33
L. A. RADO: Communication, soc. organisation and the redefinition of death. Unpubl. Ph. D. diss.,
Univ. Pennsylvania (1979) 99; President’s comm. report, a. a.O. [31] 38 – 40.
34
H. JONAS: Gehirntod und menschl. Organbank: Zur pragmat. Umdefinierung des Todes, in: Technik,
Medizin und Ethik (1985) 219 – 241; vgl. weiter etwa: B. SCHÖNE-SEIFERT: Vernunft und Unvernunft
im Streit um den Hirntod, in: J. HOFF/J. IN DER SCHMITTEN: Wann ist der Mensch tot? Organverpflan-
zung und Hirntodkriterium (21995) 477 – 485.
35
President’s comm. report, a. a.O. [31] 165f.; vgl. auch: T. K. MARSHALL: Premature burial. Medico-
legal J. 35 (1967) 14 – 24, 15. 20.
36
K. STEIGLEDER: Die Unterscheidung zwischen dem «Tod der Person» und dem «Tod des Organismus»
und ihre Relevanz für die Frage nach dem Tod eines Menschen, in: HOFF/IN DER SCHMITTEN, a. a.O.
[34] 95 – 118.
37
Vgl. etwa: JONAS, a. a.O. [34] 233ff.; zur ges. Debatte vgl. die Beiträge in: HOFF/IN DER SCHMITTEN,
a. a.O.; J. S. ACH/M. QUANTE (Hg.): Hirntod und Organverpflanzung. Eth., med., psycholog. und
rechtl. Aspekte der Transplantationsmedizin (1997) 21.

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