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Repetitorium Intensivmedizin

Michael Fresenius
Michael Heck
Wolfgang Zink

Repetitorium
Intensivmedizin
Vorbereitung auf die Prüfung »Intensivmedizin«

5., überarbeitete Auflage

Mit 150 Abbildungen

123
Dr. Michael Fresenius
Marienhaus Klinikum Bendorf – Neuwied – Waldbreitbach, Neuwied

Dr. Michael Heck


Heidelberg

Prof. Dr. Wolfgang Zink


Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH, Ludwigshafen

ISBN-13 978-3-642-44932-1 ISBN 978-3-642-44933-8 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8

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Planung: Dr. Anna Krätz, Heidelberg


Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg
Lektorat: Ursula Illig, Gauting
Projektkoordination: Heidemarie Wolter, Heidelberg
Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Herstellung: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg

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V

Meiner Frau Stephanie und meinen Kindern Benedict, Antonia und Constance gewidmet
(Michael Fresenius)

Meiner Frau Elke und meiner Tochter Lisa gewidmet


(Wolfgang Zink)
Geleitwort zur 5. Auflage

Aus kaufmännischer Sicht ist die Intensivstation eine Station, die sehr hohe Kosten verursacht.
Aus Sicht des Patienten ist die Intensivstation diejenige Station, die über die Prognose hin-
sichtlich seines Überlebens entscheidet. Früher bestand die Intensivmedizin am ehesten aus
einer empirischen Therapie, die »aus dem Bauch heraus» gesteuert wurde. Mit der Jahrtau-
sendwende wurden immer mehr Konzepte propagiert, die auf großen prospektiven und ran-
domisierten Studien beruhten. Bei Patienten der Intensivstation wurde der Blutzuckerwert in
einem engen Bereich eingestellt, septische Patienten erhielten Hydrokortison und auch akti-
viertes Protein C. Die offensichtliche Evidenz für solche Therapiemaßnahmen konnte in
späteren Jahren jedoch nicht bestätigt werden, sodass manche von einem Pendeleffekt bei den
therapeutischen Optionen sprechen.

Verschiedene Therapieverfahren haben die Nachprüfung der Folgejahre überstanden, und


ihre Umsetzung in der klinischen Routine ist mittlerweile Bestandteil der Qualitätssicherung
in der Intensivmedizin. Zu diesen Qualitätsindikatoren zählen beispielsweise die protektive
Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina oder auch die frühzeitige und adäquate Antibiotika-
therapie nach dem Schema »hit early and hit hard». Der moderne Intensivmediziner orientiert
sich heute an der Vielzahl wissenschaftlich erhobener Daten, er richtet das therapeutische
Konzept jedoch immer am individuellen Patienten aus.

Wir erleben zurzeit die zunehmende Computerisierung und Automatisierung in der Intensiv-
medizin. Modernste Beatmungsgeräte versuchen, über Closed-loop-Mechanismen die kom-
plette Steuerung der Beatmung von der Intubation bis zur Extubation zu übernehmen. Bei der
Medikamentenverordnung und -verabreichung lässt sich über das Zwischenschalten von
Computersoftware und Barcode-Scannern die Fehlerrate drastisch reduzieren. Und auch der
Einsatz der Telemedizin in der Intensivtherapie rückt in greifbare Nähe, wobei in den USA
inzwischen bereits mehr als 8 % der Intensivbetten telemedizinisch betreut werden.

Die Umsetzung verschiedener Therapiekonzepte erfordert vom Intensivmediziner neben Er-


fahrung insbesondere detaillierte Sachkenntnis. Bereits die ersten vier Auflagen des vorliegen-
den Repetitoriums hatten sich in den vergangenen Jahren als verlässlicher Zugang zu einer
detaillierten Sachkenntnis bestens bewährt. Für die fünfte Auflage dieses Werkes wurden die
Kapitel komplett neu überarbeitet, und es wurden eine ganze Reihe evidenzbasierter Konzep-
te und Leitlinien integriert. Somit spiegelt das Repetitorium den aktuellen Stand der Intensiv-
medizin wider.

Auch die fünfte Auflage ist ein sehr gut gelungenes Werk. Ich wünsche dieser Auflage eine
weite Verbreitung.

Prof. Dr. med. Hubert Böhrer


Im März 2014
Caritas-Krankenhaus
97980 Bad Mergentheim
VII

Vorwort zur 5. Auflage

Im dreijährigen Zeitraum zwischen der Vorauflage und dieser aktuellen, 5. Auflage wurden
im intensivmedizinischen Bereich zahlreiche neue Therapiekonzepte und Wirksubstanzen
eingeführt, die bei der kompletten Überarbeitung unseres Repetitorium Intensivmedizin be-
rücksichtigt wurden.

Dabei wurde, wie in der Vergangenheit, bei der Erstellung der Neuauflage auf »Evidence-
based medicine»-Aspekte besonderen Wert gelegt und viele, neue Therapieempfehlungen,
Tabellen und Algorithmen eingefügt.

Das erfolgreiche Konzept unserer Repetitorien – nämlich die Darstellung von ausgewähltem,
knapp formuliertem, aktuellem intensivmedizinischem Wissen – haben wir beibehalten.

Bei der Neuauflage unseres Werkes sind zahlreiche neue Leitlinien und Empfehlungen der
nationalen und internationalen Fachgesellschaften eingeflossen: die deutsche und amerikani-
sche Leitlinie zur Therapie der Sepsis aus dem Jahr 2012 sowie die amerikanische Leitlinie für
Analgesie, Sedierung und Delir-Management aus dem Jahr 2013, die deutsche S3-Leitlinie zur
Therapie der Pneumonie, die ESCMID-Empfehlungen aus dem Jahr 2013 für die Therapie
von Pilzinfektionen, aktuelle Empfehlungen zur Behandlung der Clostridium-difficile-asso-
ziierten Diarrhö, die Leitlinien zur postoperativen Überwachung herzchirurgischer Patienten
oder das Konzept des Patient-Blood-Managements, das in den letzten Jahren auch für den
Intensivmediziner zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Des Weiteren wurden beispielsweise die neue Definition des ARDS (Berlin-Definition) und
die modernen lungenprotektiven Beatmungskonzepte zur Hochfrequenzbeatmung (OSCAR-
und OCILLATE-Studie), zur kinetischen Therapie (Proseva-Studie) und zur ultraprotektiven
Beatmung (Xtravent-Studie) einschließlich neuerer Beatmungsformen wie »neuronally ad-
justed ventilatory assist» (NAVA) besprochen. Die neuste Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesell-
schaft für multiresistente Erreger (3/4-MRGN-Einteilung) und die daraus abzuleitenden Iso-
lierungsmaßnahmen finden sich nun auch in dieser Auflage. Die gegenwärtigen Empfehlun-
gen zur Therapie des akuten Koronarsyndroms, des akuten Schlaganfalls und der subarach-
noidalen Blutung wurden in der vorliegenden Neuauflage ebenfalls in detaillierter Form
abgehandelt.

Eine Vielzahl von neuen, in die Intensivmedizin eingeführten Substanzen finden sich neu in
dieser Auflage: die Antibiotika Ceftarolin (Zinforo), Fidaxomicin (Dificlir), Rifaximicin
(Xifaxan) oder die neuen Substanzen zur plasmatischen und thrombozytären Gerinnungs-
hemmung wie z. B. Dabigatran (Pradaxa), Apixaban (Eliquis) oder Prasugrel (Efient) und
Ticagrelor (Brilique). Dosierungsempfehlungen »alter», uns schon lange bekannter Substan-
zen wie z. B. Colistin oder Tigecyclin sind aktualisiert.

Wir hoffen, damit auch in Zukunft den Erwartungen unserer anspruchsvollen Leser und
Prüfungskandidatinnen/en mit diesem Werk zu entsprechen.
VIII Vorwort zur 5. Auflage

Für die zahlreichen, konstruktiven Hinweise zur Verbesserung der vorangegangenen Auflagen
des »Repetitorium Intensivmedizin» möchten wir uns bei den Lesern sehr herzlich bedanken
und freuen uns weiterhin über ihre Anregungen und Kritiken.

Sehr herzlich gedankt sei Frau Dr. Anna Krätz und Frau Ursula Illig vom Springer-Verlag in
Heidelberg für ihre ausgezeichnete Lektoratsbetreuung und ihre beispiellose und stete Unter-
stützung bei der Realisierung unserer Buchreihe der Repetitorien.

Besonderer Dank gilt unseren Familien für ihre Rücksicht und unermessliche Geduld während
der vielen Stunden, die wir sie während der Erstellung dieses Buches vernachlässigt haben.

Koblenz, Heidelberg und Ludwigshafen im März 2014


Dr. med. Michael Fresenius
Dr. med. Michael Heck
Prof. Dr. med. Wolfgang Zink, DEAA
IX

Inhaltsverzeichnis

I Allgemeine intensivmedizinische Themen

1 Tracheotomie und Bronchoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


W. Zink
1.1 Tracheotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Bronchoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
W. Zink
2.1 Allgemeine klinische Überwachungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.2 Basismonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.3 Postoperatives Standardmonitoring für (kardiochirurgische) Intensivpatienten . . . 18
2.4 EKG-Monitoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.5 Pulsoxymetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.6 Blutdruckmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.7 Blutgasanalyse (BGA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.8 In- und exspiratorisches Gasmonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.9 Zentraler Venendruck (ZVD) – zentraler Venenkatheter (ZVK) . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.10 Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.11 Echokardiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.12 Körpertemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.13 Urinausscheidung (Blasenkatheter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.14 Überwachung der Leberfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.15 Neuromonitoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.16 Neuronenspezifische Enolase (NSE). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3 Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische


Kreislaufunterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
W. Zink
3.1 Katecholamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.2 Phosphodiesterase-III-Hemmer (Inodilatoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.3 Kalzium-Sensitizer (Inoprotektoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.4 Arginin-Vasopressin (AVP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.5 Vasodilatanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
3.6 Mechanische Unterstützungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

4 Blut und Blutprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89


M. Fresenius
4.1 Blutgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
4.2 Blutprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
4.3 Transfusion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.4 Transfusionsgesetz (TFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
X Inhaltsverzeichnis

5 Analgesie, Sedierung und Delir-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109


M. Fresenius
5.1 Analgesie und Sedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.2 Delir und Delir-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

6 Ernährungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
M. Fresenius
6.1 Patientensituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
6.2 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
6.3 Parenterale Ernährung (PE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
6.4 Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

7 Invasive Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157


W. Zink
7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.2 Beatmungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
7.3 Beispiele für Beatmungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
7.4 Additive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
7.5 In Entwicklung befindliche neuere Beatmungsmodi und -konzepte . . . . . . . . . . . 179
7.6 Lungenersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
7.7 Weaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

8 Nichtinvasive Beatmung (NIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193


W. Zink
8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
8.2 Klinische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
8.3 Intermittierende Selbstbeatmung (ISB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

9 Hyperbare Oxygenierung (HBO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199


W. Zink
9.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
9.2 Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
9.3 Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
9.4 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
9.5 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
9.6 Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

10 Kardiopulmonale Reanimation (CPR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203


W. Zink
10.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
10.2 Aktuelle Reanimationsleitlinien (Oktober 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
10.3 Therapeutische Hypothermie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

II Infektiologie
11 Antibiotika und Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
M. Fresenius
11.1 Bakteriologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
11.2 Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
XI
Inhaltsverzeichnis

11.3 Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248


11.4 Selektive Darm- bzw. oropharyngeale Dekontamination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

12 Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . 263


W. Zink
12.1 Infektiöse Endokarditis (IE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
12.2 Endokarditisprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

13 Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
M. Fresenius
13.1 Bakterielle Pneumonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
13.2 Virale Pneumonien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

14 Nosokomiale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293


M. Fresenius
14.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
14.2 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
14.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

15 Spezielle Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299


M. Fresenius
15.1 Vermeidung von Infektionen/Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
15.2 Katheterassoziierte Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
15.3 Im Krankenhaus erworbene Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
15.4 Infektion mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA) . . . . . . . . . . . 302
15.5 ESBL-Bildner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
15.6 Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
15.7 Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
15.8 Meningitis und Enzephalitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
15.9 Hirnabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
15.10 Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
15.11 Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
15.12 Clostridium-difficile-Infektion (CDI) bzw. Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö
(CDAD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
15.13 Haut- und Weichteilinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
15.14 Wundinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
15.15 Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
15.16 Meldepflicht von speziellen Infektionen im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

III Spezielle Krankheitsbilder

16 Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337


W. Zink
16.1 Akutes Nierenversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
16.2 Nierenersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
16.3 Nephrotisches Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
16.4 Röntgenkontrastmittel (KM)-induzierte Nephropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
XII Inhaltsverzeichnis

17 Lebererkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
W. Zink
17.1 Pathophysiologie von Leberfunktionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
17.2 Akutes Leberversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
17.3 Hepatorenales Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
17.4 Leberersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

18 Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
W. Zink
18.1 Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

19 Gastrointestinale Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383


W. Zink
19.1 Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
19.2 Postoperative Darmatonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
19.3 Prophylaxe und Therapie der Darmischämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
19.4 Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
19.5 Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

20 Stressulkus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
W. Zink
20.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
20.2 Ulkusprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
20.3 Ulkustherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

21 Intoxikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
M. Fresenius
21.1 Allgemeine Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
21.2 Spezielle Intoxikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
21.3 Wichtige Kontaktdaten von Informationszentralen für Vergiftungsfälle . . . . . . . . . 429

22 Akutes Koronarsyndrom (ACS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431


W. Zink
22.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
22.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

23 ARDS (»acute respiratory distress syndrome«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443


M. Fresenius
23.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
23.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

24 SIRS, Sepsis und Multiorganversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453


M. Fresenius
24.1 SIRS und Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
24.2 Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
24.3 Multiorganversagen (MOV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
24.4 Erworbene Muskelschwäche des Intensivpatienten im Rahmen von Sepsis/MOV. . . 479
XIII
Inhaltsverzeichnis

25 Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
W. Zink
25.1 Thromboembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
25.2 Luftembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
25.3 Fettembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

26 Pulmonale Hypertonie (PAH) und akute Rechtsherzdekompensation . . . . 497


W. Zink
26.1 Pulmonale Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
26.2 Akute Rechtsherzdekompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

27 Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507


M. Fresenius
27.1 Subarachnoidalblutung (SAB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
27.2 Akuter Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
27.3 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

28 Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517


M. Fresenius
28.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
28.2 Neuromonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
28.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
28.4 Sonderfall: offenes Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

29 Therapie zerebraler Krampfanfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527


M. Fresenius
29.1 Epilepsie des Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528
29.2 Status epilepticus (SE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

30 Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
W. Zink
30.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
30.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540

31 Hirntoddiagnostik und Therapie des Organspenders . . . . . . . . . . . . . . . . 551


W. Zink
31.1 Hirntoddiagnostik bei Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
31.2 Therapie des Organspenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

32 Abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557


W. Zink
32.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558

33 Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565


W. Zink
33.1 Bradykarde Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
33.2 Tachykarde Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
33.3 Ventrikuläre Tachyarrhythmien bei primär elektrischen Erkrankungen des Herzens . 572
XIV Inhaltsverzeichnis

34 Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
W. Zink
34.1 Hypovolämischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
34.2 Kardiogener Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
34.3 Septischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
34.4 Anaphylaktischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
34.5 Neurogener Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587

IV Physiologie

35 Physiologie der Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593


W. Zink
35.1 Topographie der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
35.2 Muskeln der Ventilation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
35.3 Äußere und innere Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
35.4 Lungenvolumina und Lungenkapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
35.5 Ventilationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
35.6 Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
35.7 O2-Bindungskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607
35.8 Apnoische Oxygenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608

36 Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611


M. Fresenius
36.1 Wasserhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612
36.2 Störungen des Elektrolythaushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621
36.3 Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
36.4 Anionenlücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627

37 Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629
M. Fresenius
37.1 Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse) . . . . . . . . . . . . . . 630
37.2 Hämorrhagische Diathesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
37.3 Akute perioperative und intensivmedizinische Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661

38 Nachschlageteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667
M. Fresenius, W. Zink
38.1 Dosierung von parenteralen Antibiotika (nach Thalhammer, »Wiener Liste«) . . . . . 668
38.2 Score-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669
38.3 Evidenzgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674

Serviceteil
A.1 Umrechnungstabellen für Laborwerte – Normalwerte (SI-Einheiten) . . . . . . . 676
A.2 Umrechnungstabellen für sonstige Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682
XV

Abkürzungsverzeichnis

Nachfolgend die Erläuterung einiger Abkürzungen:


AAA abdominelles Aortenaneurysma CMRO2 »cerebral metabolic rate for oxygen«
AaDO2 alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruck- (zerebraler Metabolismus)
differenz CO Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen)
Ach Acetylcholin CO2 Kohlendioxid
ACS Akutes Koronarsyndrom c aO 2 arterieller Sauerstoffgehalt
ACT »activated clotting time« c vO 2 venöser Sauerstoffgehalt
ADH antidiuretisches Hormon COLD »chronic obstructive lung disease«
AEP akustisch evozierte Potentiale COPD »chronic obstructive pulmonary disease«
AGW Atemgrenzwert COT »clot observation time»
AK Antikörper CPAP »continuous positive airway pressure«
ALI »acute lung injury« CPP zerebraler Perfusionsdruck
ALV acutes Leberversagen CPR Kardiopulmonale Reanimation
AMI akuter Myokardinfarkt CPPV »continuous positive pressure ventilation«
AML akute myeloische Leukämie CSE kombinierte Spinal- und Epidural-
AMV Atemminutenvolumen anästhesie
Anm Anmerkung CSF Liquor cerebrospinalis
ANV akutes Nierenversagen CV »closing volume« (Verschlussvolumen)
AP arterieller Systemdruck CVI Chronische ventilatorische Insuffizienz
APC aktiviertes Protein C CVVHD kontinuierliche venovenöse Hämodialyse
ARDS »acute respiratory distress syndrome« (frü- CVVHDF kontinuierliche venovenöse Hämodia-
her: »adult respiratory distress syndrome«) filtration
AS Aminosäuren CVVHF kontinuierliche venovenöse Hämofiltration
ASA American Society of Anesthesiologists DBS Double-burst-Stimulation
ASB »assisted spontaneous breathing« DD Differentialdiagnose
ASS Acetylsalicylsäure DHA Docosahexaensäure (C20:6)
ATC automatic tube compensation DIC disseminierte intravasale Koagulopathie
avDO2 arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (Verbrauchskoagulopathie)
BE »base excess« (Basenüberschuss) DK Blasendauerkatheter
BEL Beckenendlage DLCO Diffusionskapazität der Lunge für CO
BGA Blutgasanalyse oder Bundesgesundheits- (Kohlenmonoxid)
amt (aus Kontext ersichtlich) DLV »different lung ventilation« (seiten-
BIPAP »biphasic positive airway pressure« differente Beatmung)
BtMVV Betäubungsmittelverordnung DO2 Sauerstoffangebot
BZ Blutzucker ECCO2R extrakorporale CO2-Elimination
C Compliance ECMO extrakorporale Membranoxygenierung
CLA Konzentration des Lokalanästhetikums ECT »Ecarin clotting time«
CAO »chronic airflow obstruction« EDCF »endothelium-derived contracting factor«
CAP »community acquired pneumonia» oder EDRF »endothelium-derived relaxing factor«
ambulant erworbene Pneumonie EDV enddiastolisches Volumen
CARS »compensatory antiinflammatoric EF Ejektionsfraktion (Auswurffraktion)
response syndrome« EK Erythrozytenkonzentrat
CAVHD kontinuierliche arteriovenöse Hämodialyse EKK extrakorporaler Kreislauf
CAVHF kontinuierliche arteriovenöse Hämo- EKZ extrakorporale Zirkulation
filtration bzw. Spontanfiltration EMLA eutektische Mixtur von Lokalanästhetika
CBF zerebraler Blutfluss (Hirndurchblutung) EMD elektromechanische Dissoziation bzw.
CBV zerebrales Blutvolumen Entkoppelung
CC »closing capacity» (Verschlusskapazität) EPA Eikosapentaensäure (C20:5)
CHE Cholinesterase ERV exspiratorisches Reservevolumen
CI Herzindex ES Extrasystolen
CIP »critical illness polyneuropathy« ESV endsystolisches Volumen
Cm minimale Konzentration ESBL extended spectrum beta-lactamases
XVI Abkürzungsverzeichnis

ESWL extrakorporale Stoßwellenlithotripsie ITBV Intrathorakales Blutvolumen


etCO2 endexspiratorische CO2-Konzentration (in ITN Intubationsnarkose
Vol.-%) KBE Kolonie-bildende Einheit
FexCO2 exspiratorische CO2-Konzentration KF Kammerflimmern
FCKW fluorierte Chlorkohlenwasserstoffe KG Körpergewicht
FDA Food and Drug Administration KH Kohlenhydrate
FEV1 Ein-Sekunden-Kapazität KI Kontraindikation
FEV1/FVC relative Ein-Sekunden-Kapazität in % KOD kolloidosmotischer Druck
FFP Fresh-frozen Plasma KOF Körperoberfläche
FFS freie Fettsäuren LA Lokalanästhetikum (Lokalanästhetika)
FG Frühgeborene LAP linker Vorhofdruck
FAO2 alveoläre Sauerstoffkonzentration LBP Lipopolysaccharid-bindendes Protein
FiO2 inspiratorische Sauerstoffkonzentration LE Lungenembolie
FKW fluorierte Kohlenwasserstoffe LTPL Lebertransplantation
FRC funktionelle Residualkapazität LVEDP linksventrikulärer enddiastolischer Druck
FS Fettsäuren LVEDV linksventrikuläres enddiastolisches
FSME Frühsommer-Meningoenzephalitis Volumen
FSP Fibrin(ogen)spaltprodukte LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion
FVC forcierte Vitalkapazität (Auswurffraktion)
GABA γ-Aminobuttersäure LVF linksventrikuläre Pumpfunktion
GCS Glasgow Coma Scale LVP linker Ventrikeldruck
GFR glomeruläre Filtrationsrate LVSWI linksventrikulärer Schlagarbeitsindex
GHB γ-Hydroxybuttersäure MAC minimale alveoläre Konzentration
GI gastrointestinal MAP mittlerer arterieller Druck
GISA Glykopeptid-intermediär-empfindlicher MCT »middle chain triglycerides« (mittelkettige
Staphylococcus aureus Triglyceride)
GvH- Graft-versus-Host-Reaktion MEP motorisch evozierte Potentiale
HAP »hospital acquired pneumonia« oder MER Muskeleigenreflex
nosokomiale erworbene Pneumonie MG Molekulargewicht
HCAP »health care acquired pneumonia« oder MM Muttermund
Pneumonie bei einem Patienten, der aus MMEF maximaler mittlerer exspiratorischer Flow
einem Alten- oder Pflegeheim stammt MNS Malignes neuroleptisches Syndrom
HF Herzfrequenz MODS »multiple organ dysfunction syndrome«
HFOV Hochfrequenzoszillationsventilation MOV Multiorganversagen
HFV »high frequency ventilation« (Hoch- MPAP mittlerer Pulmonalarteriendruck
frequenzbeatmung) MR Muskelrelaxanzien
HI Herzindex MRSA methicillinresistenter Staphylococcus
HLM Herz-Lungen-Maschine aureus
HMV Herzminutenvolumen MRSE methicilinresistenter Staphylococcus
HPV hypoxische pulmonale Vasokonstriktion epidermidis
HRST Herzrhythmusstörungen MS Magensonde
HTPL Herztransplantation MSSA methicillinempfindlicher Staphylococcus
HWZ Halbwertszeit aureus
HZV Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen) N2 Stickstoff
IABP intraaortale Ballonpumpe ndMR nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien
IAP intraabdomineller Druck NEV Nierenersatzverfahren
ICG-PDR Indocyaningrün-Plasmaverschwinderate NLA Neuroleptanästhesie
ICP intrazerebraler bzw. intrakranieller Druck NMB neuromuskuläre Blockade
ICR Interkostalraum NMDA N-Methyl-D-Aspartat
ID Innendurchmesser NMH niedermolekulares Heparin
IHSS idiopathische hypertrophe Subaorten- NMM neuromuskuläres Monitoring
stenose NO Stickstoffmonoxid
ILA »interventional lung assist« N 2O Stickoxidul (Lachgas)
Ind Indikation NSAID »nonsteroidal anti-inflammatory drugs«
IPPV »intermittent positive pressure ventila- (nichtsteroidale Antiphlogistika)
tion» (kontrollierte Beatmung) NTPL Nierentransplantation
IRDS »infant respiratory distress syndrome« NW Nebenwirkung
IRV inspiratorisches Reservevolumen NYHA New York Heart Association
XVII
Abkürzungsverzeichnis

O2 Sauerstoff S aO 2 fraktionelle arterielle Sauerstoffsättigung


P Druck SPA Spinalanästhesie
p Partialdruck SSEP somatosensorisch evozierte Potentiale
PAK Pulmonalarterienkatheter SSW Schwangerschaftswoche
PAP Pulmonalarteriendruck SV Schlagvolumen
pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit SVES supraventrikuläre Extrasystole(n)
PCA patientenkontrollierte Analgesie SvjO2 jugularvenöse Sauerstoffsättigung
PCEA patientenkontrollierte Epiduralanalgesie SVR systemischer Gefäßwiderstand
PCI perkutane Koronarintervention SVT supraventrikuläre Tachykardie
pCO2 CO2-Partialdruck TAA thorakales Aortenaneurysma
petCO2 endexspiratorischer CO2-Partialdruck TAAA thorakoabdominelles Aortenaneurysma
PCWP Pulmonalkapillardruck (Wedge-Mittel- TAT Thrombin-Antithromin-III-Komplex
druck) TCD transkranielle Dopplersonographie
PDA Periduralanästhesie TEE transösophageale Echo(kardio)graphie
PDK Periduralkatheter TEG Thrombelastogramm
PEA pulslose elektrische Aktivität TFA Trifluoracetylchlorid
PEEP »positive endexpiratory pressure« TG Triglyzeride
(positiver endexspiratorischer Druck) THAM Tris-Hydroxy-Aminomethan
PEG perkutane endoskopische Gastrostomie TIVA totale intravenöse Anästhesie
Pha Pharmakologie TK Thrombozytenkonzentrat
pHi intramukosaler pH-Wert TLC totale Lungenkapazität
PNP Polyneuropathie TOF »train-of-four«
pAO2 alveolärer O2-Partialdruck TRALI »transfusion-related acute lung injury«
paO2 arterieller O2-Partialdruck TUR-Blase transurethrale Elektroresektion der Blase
psO2 partielle oder funktionelle Sauerstoff- TUR- transurethrale Elektroresektion der
sättigung Prostata Prostata
pvO2 gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruck TVT tiefe Beinvenenthrombose
PONV »postoperative nausea and vomiting« UBF uteriner Blutfluss
(postoperative Übelkeit und Erbrechen) UFH normales (unfraktioniertes) Heparin
ppm parts per million = ml/m3 URS Ureterorenoskopie
PTC »post tetanic count« (posttetanische Zahl) VA alveoläre Ventilation
PTT partielle Thromboplastinzeit VD Totraumvolumen
PTZ Thrombinzeit VT Tidalvolumen (Atemzugvolumen)
PVR pulmonaler Gefäßwiderstand VC Vitalkapazität
PVT pulslose ventrikuäre Tachykardie VCO2 CO2-Produktion
QL Lungenperfusion VES ventrikuläre Extrasystole(n)
Qs/Qt intrapulmonaler Shunt VHF Vorhofflimmern
R Resistance (Atemwegswiderstand) VK Verteilungskoeffizient
RAP rechter Vorhofdruck VO2 Sauerstoffaufnahme (Sauerstoffver-
RBF renaler Blutfluss brauch)
RKI Robert-Koch-Institut VA/Q Ventilations-Perfusions-Verhältnis
RQ respiratorischer Quotient VT ventrikuläre Tachykardie
RR systemarterieller Blutdruck (nach Riva- VVBP venovenöse Biopumpe (Bypass)
Rocci) vWF Von-Willebrand-Jürgens-Faktor
RV Residualvolumen WM Wirkmechanismus
RVEF rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion WW Wechselwirkung
(Auswurffraktion) ZNS Zentrales Nervensystem
RVP rechter Ventrikeldruck ZVD zentraler Venendruck
RVSWI rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex
RWBS regionale Wandbewegungsstörungen
RZ Reptilasezeit
SAP systolischer arterieller Druck
SHT Schädel-Hirn-Trauma
SI Schlagvolumenindex
SIADH Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
SIRS »systemic inflammatoric response
syndrome»
SO2 fraktionelle Sauerstoffsättigung
1 I

Allgemeine intensiv-
medizinische Themen
Kapitel 1 Tracheotomie und Bronchoskopie –3
W. Zink

Kapitel 2 Monitoring – 17
W. Zink

Kapitel 3 Kardiovaskulär wirksame Medikamenten und


kreislaufunterstützende Verfahren – 65
W. Zink

Kapitel 4 Blut und Blutprodukte – 89


M. Fresenius

Kapitel 5 Analgesie, Sedierung und Delir-Management – 109


M. Fresenius

Kapitel 6 Ernährungstherapie – 133


M. Fresenius

Kapitel 7 Invasive Beatmung – 157


W. Zink

Kapitel 8 Nicht invasive Beatmung – 193


W. Zink

Kapitel 9 Hyperbare Oxygenierung – 199


W. Zink

Kapitel 10 Kardiopulmonale Reanimation – 203


W. Zink
3 1

Tracheotomie
und Bronchoskopie
W. Zink

1.1 Tracheotomie –4

1.2 Bronchoskopie – 10

Ausgewählte Literatur – 16

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
4 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

1.1 Tracheotomie wendigkeit einer Tracheotomie bei beatmeten


1 Patienten Tag für Tag neu evaluiert und diskutiert
Historie der Trachotomie werden.
1953 Erste perkutane Tracheotomie durch Shelden
1985 Erstbeschreibung der Dilatationstracheotomie
jIndikationen
durch Ciaglia 4 Vermeidung von laryngealen/subglottischen
1990 Erstbeschreibung der Dissektionstracheotomie Schäden bei voraussichtlicher Langzeit-
durch Griggs (stumpfe Methode oder »Guide-wire- beatmung
dilating-forceps«-Methode)
4 protrahiertes bzw. erfolgloses Weaning
1997 Erstbeschreibung der translaryngealen Durchzugs-
tracheotomie durch Fantoni
4 COPD-Patient mit zu erwartendem kompli-
2000 Modifikationen der Dilatationstechnik nach Ciaglia zierten Weaning
(Mehrschrittdilatation o Einschrittdilatation) 4 Ulzerationen im Oropharynxbereich
2001 Erstbeschreibung der dilatativen Tracheotomie mit 4 neuromuskuläre Erkrankungen
selbstschneidender Schraube (PercuTwist) durch 4 ggf. intraoperativ nach größeren Operationen
Frova
im Kopf-Hals-Bereich o Sicherung der Atem-
2008 Erstbeschreibung der Dilatationstracheotomie
mit flüssigkeitsgefülltem Ballon (Ciaglia Blue
wege bei zu erwartenden länger anhaltenden
Dolphin) Schwellungen im Bereich der oberen Luftwege

jTracheotomie vs. translaryngeale Langzeit-


In Deutschland werden derzeit auf ca. 90 % der In- intubation: Vorteile
tensivstationen Tracheotomien innerhalb der ersten 4 schnelleres und einfacheres Weaning
14 Beatmungstage durchgeführt. Auf 86 % der In- 4 geringerer Bedarf an Analgosedierung
tensivstationen kommt die perkutane Dilata- 4 Reduktion des Atemwegwiderstands durch im
tionstracheotomie routinemäßig zum Einsatz, wo- Innendurchmesser größere (>8,5 mm) und
bei die modifizierte Dilatationstechnik nach Ciaglia kürzere Tuben o verminderte Atemarbeit
(Einschrittdilatation) am häufigsten angewendet 4 Reduktion des anatomischen Totraums o
wird (69 %). 98 % dieser Prozeduren werden unter verbesserte alveoläre Ventilation
bronchoskopischer Kontrolle durchgeführt. 4 verbesserte Mund- und Trachealtoilette
Chirurgische Tracheotomien werden in aller 4 geringere Beweglichkeit der Trachealkanüle im
Regel im Operationssaal durchgeführt (72 %), wo- Vergleich zu einem translaryngealen Tubus
hingegen perkutane Dilatationstechniken bevor- (bis zu 3,5 cm bei Flexion und Extension des
zugt bettseitig eingesetzt werden (98 %). Kopfes) o bessere Fixierung, weniger
Trachealschäden
jZeitpunkt 4 keine Schädigung des Larynx nach Tracheo-
> Der optimale Zeitpunkt einer elektiven tomie, dagegen in bis zu 10 % der Fälle Steno-
Tracheotomie wird nach wie vor kontrovers sierungen im posterioren Stimmbanddrittel
diskutiert und bleibt unter Abwägung von bzw. subglottische Vernarbungen und Stenosen
Risiken und Erfolgsaussichten eine indivi- translaryngeale Langzeitintubation
duelle Einzelentscheidung. 4 gesicherter Atemweg bei oropharyngealen und
laryngealen Tumoren
Den Ergebnissen der so genannten »TracMan- 4 Vermeidung einer bakteriellen Fokusbildung
Studie« zufolge ist es im Hinblick auf die 30-Tage- infolge von Sinusitis (im Gegensatz zur nasalen
Mortalität unerheblich, ob die Tracheotomie früh Intubation)
(<4 Tage) oder spät (>10 Tage) durchgeführt wird. 4 höherer Patientenkomfort (Patient kann über
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass selbst spezielle Kanüle sprechen und leichter orali-
erfahrene Intensivmediziner nur selten valide pros- siert werden)
pektive Aussagen über die wirkliche Beatmungs-
dauer treffen können. Demzufolge sollte die Not-
1.1 · Tracheotomie
5 1
> Die Vorteile der Tracheotomie ergeben sich
aus den Nachteilen der translaryngealen
Langzeitintubation!

jTracheotomie vs. translaryngeale Langzeit-


intubation: Nachteile
4 Operationstraumen bei Anlage und Verschluss
(Gewebedefekte, Blutungen, Infektionen,
Verletzung des N. recurrens, Fraktur von
Trachealspangen bei dilatativer Anlage des
Tracheostomas)
4 Traumen durch Tuben/Kanülen (Ulzerationen,
Blutungen, tracheoosophageale Fisteln, Pneu-
. Abb. 1.1 Perkutane Punktion der Trachea in Höhe der
mothorax, Haut-und Mediastinalemphysem)
2.–3. Trachealspange unter bronchoskopischer Kontrolle.
4 Infektionen (bis 36 %, vor allem bei chirurgisch (Aus Klemm u. Nowak (Hrsg.) Kompendium der Tracheoto-
angelegten Tracheostomata), Mediastinitis mie, Springer 2012)
4 Trachealstenosen (bis zu 60 %)
4 Gefahr der Kanülendislokation und Kanülen- 4 2. Person für die Bronchoskopie obligat erfor-
obstruktion derlich (wenn möglich Videobronchoskop mit
Bildschirm) o Durchführung niemals ohne
! Bei Blutungen im Tracheostomabereich
bronchoskopische Kontrolle
und sekundären Ventilationsproblemen muss
4 suffiziente Sedierungstiefe, ggf. Relaxierung
intermittierend eine Bronchoskopie zur
4 Beatmung mit 100 % Sauerstoff
Vermeidung eines Bronchusausgusskoagels
4 Stimmbandebene mittels direkter Laryngo-
durchgeführt werden!
skopie einsehbar
4 sterile Abdeckung des OP-Gebiets und
1.1.1 Chirurgische Methoden Desinfektion
4 Infiltration des Punktionsareals; Lokalanästhe-
4 epithelialisiertes Tracheostoma: Haut wird tikum mit Vasokonstriktorenzusatz o Vermei-
direkt auf die Schleimhaut des trachealen dung von Hautblutungen
Fensters (2.–4. Trachealknorpel) genäht
4 nichtepithelialisiertes Tracheostoma: Dilatationstechnik nach Ciaglia
schwierigerer Kanülenwechsel, höhere Gefahr (Mehrschrittdilatation)
der Via falsa, höhere Infektions- und Blutungs- 4 Einbringen des Bronchoskops und Zurück-
gefahr als beim epithelalisierten Tracheostoma ziehen des Tubus (Cuff kurz unter Stimm-
bandebene!)
4 mittige Punktion des Lig. anulare zwischen 2.
1.1.2 Perkutane Dilatationstracheoto- und 3. (1.–4.) Trachaealspange unter fiber-
mie (PDT) optischer Kontrolle
4 Aspiration von Luft (. Abb. 1.1)
Unabhängig von der jeweiligen Technik müssen fol- 4 Vorschieben eines Seldinger-Drahtes unter
gende Voraussetzungen erfüllt sein: fiberoptischer Kontrolle in Richtung Carina
4 rechtskräftige Einwilligung des Patienten bzw. (. Abb. 1.2)
des gesetzlichen Betreuers liegt vor (Elektiv- 4 horizontale Hautinzision links- und rechts des
eingriff!) Drahts (ca. 1,5–2 cm; alternativ: Hautschnitt
4 Nahrungskarenz vor Anlage (dennoch: kein vor Punktion)
sicherer Aspirationsschutz) 4 Einführen von Dilatationsstäben mit zu-
4 ggf. Heparinpause nehmendem Durchmesser (bis 36 Charr)
6 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

. Abb. 1.2 Einführen des Seldinger-Drahts und Vordilata- . Abb. 1.3 Einschritt-Dilatationstechnik nach Ciaglia (hier:
tion. (Aus Klemm u. Nowak (Hrsg.) Kompendium der BlueRhino). (Aus Klemm u. Nowak (Hrsg.) Kompendium der
Tracheotomie, Springer 2012) Tracheotomie, Springer 2012)

4 danach Einführen der Trachealkanüle mit beschichtetem und gebogenem Dilatator bis
Hilfe eines passenden Obturators über den zur aufgedruckten Markierung (. Abb. 1.3)
Seldinger-Draht 4 Einbringen der Trachealkanüle über die im Set
4 bronchoskopische Lagekontrolle der Tracheal- befindlichen Obturatoren in Seldinger-Technik
kanüle vor Konnektion an Respirator 4 Ciaglia BlueDolphin: Einbringen eines modifi-
zierten Dilatators, der am distalen Ende einen
! Verletzung des Ringknorpels mit konseku-
Ballon zur Dilatation trägt und an dessen pro-
tiver Destruktion bei zu hoher Punktion;
ximalem Ende bereits die Trachealkanüle auf-
Verletzung der Trachealhinterwand; Fraktur
geladen ist, dann Inflation mit Kochsalzlösung
von Knorpelspangen!
über eine Druckspritze mit integriertem
Manometer (11 bar für 10–20 s!) o zirkuläre
Modifikationen der Ciaglia-Technik Dilatation von Weichteilen und Trachea. Nach
(Einschrittdilatation) Evakuation der Flüssigkeit aus dem Ballon Ein-
4 hierzu gehören: Ciaglia BlueRhino, UltraPerc, bringen der Trachealkanüle in einem Schritt
Ciaglia BlueDolphin (. Abb. 1.4).
4 Einbringen des Bronchoskops und Zurück-
! Verletzung des Ringknorpels mit konseku-
ziehen des Tubus (Cuff kurz unter Stimmband-
tiver Destruktion bei zu hoher Punktion;
ebene!)
Verletzung der Trachealhinterwand; Fraktur
4 mittige Punktion des Lig. anulare zwischen 2.
von Knorpelspangen!
und 3. (1.–4.) Trachaealspange unter fiber-
optischer Kontrolle
4 Aspiration von Luft (. Abb. 1.1) Schraubtechnik nach Frova
4 Vorschieben eines Seldinger-Drahtes unter 4 Einbringen des Bronchoskops und Zurück-
fiberoptischer Kontrolle in Richtung Carina ziehen des Tubus (Cuff kurz unter Stimmband-
(. Abb. 1.2) ebene!)
4 horizontale Hautinzision links- und rechts des 4 mittige Punktion des Lig. anulare zwischen 2.
Drahts (ca. 1,5–2 cm; alternativ: Hautschnitt und 3. (1.–4.) Trachealspange unter fiber-
vor Punktion) optischer Kontrolle
4 Vordilatation der Punktionsstelle mit einem 4 Aspiration von Luft (. Abb. 1.1)
kleinen Dilatator 4 Vorschieben eines Seldinger-Drahtes unter
4 Ciaglia BlueDolphin/Ultraperc: einmalige fiberoptischer Kontrolle in Richtung Carina
Dilatation mit konisch zulaufendem, hydrophil (. Abb. 1.2)
1.1 · Tracheotomie
7 1

. Abb. 1.5 Dilatationsschraube nach Frova. (Aus Klemm u.


Nowak (Hrsg.) Kompendium der Tracheotomie, Springer
2012)

. Abb. 1.4 Ciaglia BlueDolphin-Technik. (Aus Klemm u. No-


wak (Hrsg.) Kompendium der Tracheotomie, Springer 2012)

4 horizontale Hautinzision links- und rechts des


Drahts (ca. 1,5–2 cm; alternativ: Hautschnitt
vor Punktion)
4 Vordilatation der Punktionsstelle mit einem
kleinen Dilatator
4 kontrolliertes Eindrehen einer selbstschnei-
denden Dilatationsschraube (PercuTwist) über
den Seldinger-Draht unter bronchoskopischer
Kontrolle bis zur Trachealhinterwand (zuerst . Abb. 1.6 Dilatationstechnik nach Griggs
unter moderatem Druck, bis Schraube im
Gewebe greift, dann unter Zug; . Abb. 1.5)
4 Einbringen der Trachealkanüle über die im Set 4 Vordilatation der Punktionsstelle mit einem
befindlichen Obturatoren in Seldinger-Technik kleinen Dilatator
4 Auffädeln des Dilatationszange über den
! Verletzung des Ringknorpels mit konseku-
Seldinger-Draht (Drahtkanal an des Spitze des
tiver Destruktion bei zu hoher Punktion;
Instruments in geschlossenem Zustand) und
Verletzung der Trachealhinterwand; Fraktur
Insertion in Trachea
von Knorpelspangen
4 Kippen der Zange nach kranial, bis Branchen
parallel zur Längsachse der Trachea
Spreiztechnik nach Griggs 4 Öffnen der Zange mit beiden Händen und
4 Einbringen des Bronchoskops und Zurück- Aufdehnung der Trachea; anschließend
ziehen des Tubus (Cuff kurz unter Stimmband- Zurückziehen des Instruments in geöffnetem
ebene!) Zustand (. Abb. 1.6)
4 mittige Punktion des Lig. anulare zwischen 2. 4 Technik mit den besten kosmetischen Ergeb-
und 3. (1.–4.) Trachaealspange unter fiber- nissen nach Dekanülierung (spontaner Ver-
optische Kontrolle schluss des Tracheostomas in ca. 3–4 Tagen)
4 Aspiration von Luft (. Abb. 1.1)
4 Vorschieben eines Seldinger-Drahts unter ! Verletzung des Ringknorpels mit konseku-
fiberoptische Kontrolle in Richtung Carina tiver Destruktion bei zu hoher Punktion;
(. Abb. 1.2) Einreißen der Trachealhinterwand auf
4 horizontale Hautinzision links- und rechts des Spannung der Hinterwand beim Dilatations-
Drahts (ca. 1,5–2 cm) vorgang achten!
8 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

Translaryngeale Durchzugs-
1 tracheostomie nach Fantoni
4 Einbringen des Bronchoskops und Zurück-
ziehen des Tubus (Cuff entblocken!)
4 ggf. antiseptische Mundspülung
4 mittige Punktion des Lig. anulare zwischen
2. und 3. (1.–4.) Trachaealspange unter fiber-
optische Kontrolle
4 Aspiration von Luft
4 Vorschieben eines Seldinger-Drahtes unter
fiberoptische Kontrolle nach kranial am ent-
blockten Cuff vorbei in die Mundhöhle
(. Abb. 1.7a)
4 nach transoraler Ausleitung des Drahtes Fixie-
rung eines konisch zulaufenden Spezialtubus;
Anbringen eines Haltegriffs an das distale
Ende des Drahts
4 Extubation des Patienten und evtl. Intubation
mit dünnem Hilfstubus zur Aufrechterhaltung
der Ventilation
4 Durchzug der Trachealkanüle nach außen
(Hypopharynx o Stimmbandebene o
Trachealvorderwand o umliegendes Weich-
teilgewebe), zwei Finger dienen als Gegenlager
(. Abb. 1.7a)
4 Abschneiden der ausgeleiteten Konusspitze des
Tubus
4 weiteres Herausziehen des Tubus mit leicht
geblocktem Cuff und simultanes Einbingen
eines Obturators, bis Kanüle senkrecht zur
Längsachse der Trachea steht (. Abb. 1.7b)
4 Wendemanöver: Drehung der Kanüle um 180°,
Absenken der Tubusspitze Richtung Carina
und Vorschieben
4 Vorteile der Durchzugstechnik: Kraftwirkung
von innen nach außen (im Gegensatz zu o. g. . Abb. 1.7a,b Durchführung der translaryngealen Tracheo-
Techniken) o Anwendung bei »weicher« tomie nach Fantoni: a Einlegen des Drahtes in den Tubus
Trachea unter bronchoskopischer Sicht und orales Ausleiten des
Drahtes. Nach Extubation Einlegen eines speziellen Beat-
mungstubus zur Aufrechterhaltung der Ventilation, Durch-
Sonderform: Minitracheostoma zug der konisch zulaufenden Trachealkanüle durch die
4 Punktion des Lig. cricothyroideum zwischen Trachealwand und das umliegende Gewebe von innen nach
Schild- und Ringknorpel wie bei klassischer außen (zwei Finger dienen als Gegenlager). b Herausziehen
Koniotomie des Tubus und Abschneiden der ausgeleiteten Konusspitze,
anschließend Vorschieben des Tubus von außen nach innen
4 Einbringen einer speziellen abgewinkelten und
unter Einsatz eines speziellen Obturators. (Aus Klemm und
verschließbaren 4-mm-Kanüle in Seldinger- Nowak (Hrsg.) Kompendium der Tracheotomie, Springer
Technik (. Abb. 1.8) 2012)
4 Fixierung mittels Trachealkanülenband bzw.
Annaht
1.1 · Tracheotomie
9 1
4 Patienten mit extremer Adipositas
4 Patienten mit Zustand nach Hirnschädigung
und anzunehmender längerer Rehabilitations-
phase
4 sonstiges: kalzifizierende Trachealspangen,
Patienten mit Hirndruck, vergrößerte Schild-
drüse

. Abb. 1.8 Set zur Minitracheostomie. (Aus Klemm


u. Nowak (Hrsg.) Kompendium der Tracheotomie, Springer Perkutane Dilatationstracheotomien
2012) 5 Erster Kanülenwechsel nicht vor dem 7.–
10. Tag aufgrund möglicher Kulissenphäno-
mene der noch nicht verklebten prätrache-
4 Indikation: erleichtertes endotracheales Ab-
alen Gewebsschichten! (Seldinger-Technik
saugen bei vermehrter Sekretbildung und
ggf. mit Cook-Führungsstab bzw. Absaug-
unzureichendem Hustenstoß o kein Hilfs-
katheter!).
mittel zur Beatmung!
5 Bei akzidenteller Dekanülierung innerhalb
der ersten Tage keine protrahierten Reka-
jKontraindikationen für perkutane
nülierungsversuche, sondern konventio-
Dilatationstracheotomien
nelle Intubation! (Durchführung der PDT
kAbsolute Kontraindikationen
bei nicht gegebener konventioneller Intu-
4 Notfallsituation
bationsmöglichkeit daher kontraindiziert).
4 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bzw.
5 Eine Punktion zwischen Ringknorpel und
kindlicher Habitus (Ausnahme evtl. Durch-
1. Trachealrings muss bei den perkutanen
zugstechnik nach Fantoni; einzelne positive
Tracheotomien auf jeden Fall vermieden
Kasuistiken liegen gegenwärtig vor)
werden o irreversible Kehlkopfschäden.
4 fehlende Einwilligung des Patienten bzw.
5 Vergleichende Studien zwischen einzelnen
seiner gesetzlichen Betreuer
Methoden der PDT haben bisher keinen
4 bekannte oder zu erwartende schwierige
Vorteil einzelner Verfahren erbringen
Intubation
können, so dass alle derzeit verfügbaren
4 fehlende bronchoskopische Überwachung
Methoden gleichberechtigt nebeneinander
4 fehlende Kapazität zur notfallmäßigen konven-
existieren.
tionellen chirurgischen Tracheotomie bzw.
Blutstillung
4 Patienten mit abweichendem Tracheaverlauf
(z. B. bei ausgeprägter Struma) bzw. bei nicht 1.1.3 Chirurgische versus dilatative
eindeutig identifizierbaren anatomischen Tracheotomie
Verhältnissen
4 Infektionen und bestehende Malignität im jVorteile Dilatationstracheotomie
Tracheotomiebereich 4 geringere Rate an Wundinfektionen (v. a. mit
4 Patienten mit instabiler bzw. fixierter HWS Problemkeimen wie Pseudomonas)
4 Notwendigkeit eines permanenten Tracheo- 4 bessere kosmetische Ergebnisse, geringere
stomas Narbenbildung
4 schwerste Gasaustauschstörungen 4 höhere Kosteneffektivität
4 geringere Dauer der Prozedur
kRelative Kontraindikationen 4 geringere Gesamtkomplikationsrate
4 ausgeprägte plasmatische Gerinnungsstörung 4 geringere Rate an schweren Blutungen
4 Thrombozytopenie/-pathie 4 geringere Letalität der Methode
4 hochgradige Kreislaufinstabilität
10 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

jVorteile der chirurgischen Tracheotomie 1.2.3 Starre Bronchoskopie


1 4 weniger Obstruktionen nach Dekanülierung
4 einfacher Kanülenwechsel (direkt nach mit Möglichkeit zur IPPV oder Hochfrequenzbeat-
Operation möglich) mung
4 zur Langzeitversorgung geeignet
4 (vermeintlich) geringere Rate an Fehllagen/ jIndikationen
via falsa 4 massive Hämoptoe oder Fibrinausgüsse
4 geringere Rate an kleinen Blutungen 4 Entfernung größerer endobronchialer Fremd-
körper (besonders bei Kindern)
4 endobronchiale Lasertherapie oder Eingriffe
1.2 Bronchoskopie an der Trachea
4 Stentplatzierung
Historie der Bronchoskopie 4 Beurteilung der laryngealen und sublaryn-
1897 Erste translaryngeale starre Bronchoskopie durch gealen Region (meist im HNO-Bereich)
Killian
1964 Entwicklung flexibler fiberoptischer Bronchoskope jKontraindikationen
durch Ikeda
4 instabile oder fixierte HWS

1.2.1 Bronchoskopeinteilung jNachteile


4 eingeschränkte Sicht in Peripherie
4 nach Verwendungszweck (Intubations- 4 größere Belastung für die Patienten, z. B. in-
bronchoskope, diagnostische Broncho- folge einer notwendigen tiefen Sedierung/Nar-
skope, …) kose evtl. mit Muskelrelaxierung
4 nach Größe (Außendurchmesser und
Durchmesser des Arbeitskanals)
4 nach dem Aufbau/Typ (starre Bronchoskope 1.2.4 Flexible, fiberoptische
bzw. flexible, fiberoptische Bronchoskope) Bronchoskopie

jIndikationen
1.2.2 Aufbau des flexiblen 4 Atemwegssicherung, z. B. fiberoptische
Fiberendoskops Wachintubation
4 selektive Materialentfernung
4 (1–)2 Lichtleitbündel (10.000–15.000 Fasern, 4 endotracheale und endobronchiale Befund-
10–30 μm), 1 Bildleitbündel (ca. 20.000 erhebung
Fasern, 7–10 μm) 4 fiberoptische Assistenz, z. B. bei Tracheoto-
4 1 Arbeitskanal mit unterschiedlichem Durch- mien
messer (1,2–3,2 mm) 4 diagnostische und therapeutische Interven-
4 2 Abwinkelungszüge (maximale Abwinkelung tionen: bronchotracheale Sekretentfernung
von 180° bzw. 130° zur anderen Seite) und -gewinnung, gezielte Applikation von
Medikamenten, etc.

. Tab. 1.1 führt die häufigsten Indikationen zur dia-


gnostischen Bronchoskopie und . Tab. 1.2 die häu-
figsten Indikationen zur therapeutischen Broncho-
skopie an.
1.2 · Bronchoskopie
11 1

. Tab. 1.1 Häufige diagnostische Indikationen für die fiberoptische Bronchoskopie bei Intensivpatienten

Pneumoniediagnostik: Beurteilung der Schleimhaut, selektive Gewinnung von


– Bronchoalveoläre Lavage BAL* (2- bis 3-mal Sekretmaterial, Beseitigung einer Sekretretention, Ursachen-
Gewinnung von 20–30 ml Spüllösung; besonders bei suche (intra- oder extrabronchiale Obstruktion), ggf. trans-
Immunsuppression) bronchiale Biopsie (Cave: hohe Komplikationsrate!)
– Bürstenabstrich
– geschützte Bürste

Atelektasen Nachweis, Ursachenfeststellung von Gasaustausch-


störungen (z. B. bronchiale Obstruktion durch Schleimpfropf,
Tumor, anatomisches Hindernis, Fremdkörper wie Zähne,
Nahrungspartikel etc.)

Apparente Aspiration bzw. nach prä- oder intra- Beurteilung der Schleimhaut (Lavage ist obsolet!)
hospitaler Notfallintubation:
– Nachweis/Ausschluss einer Aspiration
– Sicherung von aspiriertem Material
(pH-Bestimmung und Bakteriologie)

Thoraxtrauma Nachweis/Ausschluss von Trachea- oder Bronchus-


verletzungen

Inhalationstrauma/Intoxikation Beurteilung der Schleimhaut und des Ausmaßes


(Rötung, Ödem, Nekrosen)

Tumorverdacht Beurteilung der Schleimhaut, der Carina, Zytologiegewin-


nung, transbronchiale oder transkarinale Biopsie, BAL

Hämoptoe Lokalisation der Blutungsquelle

Tubuslage Tubuslokalisation (DLT)

Perkutane Tracheotomien Lagekontrolle des Tubus, Nachweis von Läsionen und


Blutungen

Atemwegsobstruktion Tubusverlegung (Cuff-Hernien, Sekretverhalt, Bronchial-


kollaps, Tumor, Fremdkörper)

Nicht entfaltete Lunge nach Pneumothorax Ausschluss/Nachweis einer Obstruktion oder broncho-
pleuralen Fistel

* Die endobronchiale Sekretgewinnung hat eine Sensitivität von 73–100 % und eine Spezifität von nur 27–67 %!

. Abb. 1.9 Bedienung des Fiberbronchoskops (Erklärung siehe 1.2.5)


12 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

. Tab. 1.2 Die häufigsten Indikationen zur therapeutischen Bronchoskopie


1
Atelektasen Beseitigung von Aspiraten, Blut oder Sekret durch körperwarme NaCl-Lösung oder
Sekretolytika

Aspiration mit ALI/ARDS Ggf. gezielte Applikation von Surfactant

Asthma Absaugen von Schleimpfropfen, direkte Applikation von bronchodilatatorischen


Lösungen

Bronchopleurale Fisteln Applikation von Fibrinklebern

Fremdkörper Entfernung mit Zange oder Körbchen

Blutstillung bei Hämoptoe Applikation von eiskalter NaCl-Lösung, 1 ml (Nor-)Adrenalinlösung (1:10.000), xylo-
metazolinhaltige Lösung, Vasopressin, Fibrin; endobronchiale Blockade, Lasertherapie

Positionierung von Bronchus- Schutz der intakten Lunge vor Blutaspiration, Einlungenventilation
blockern/Univent-Tuben

Fiberbronchoskopische Perkutane Tracheotomie: Bestimmung der Punktionshöhe mittels Diaphanoskopie,


Assistenz Kontrolle der korrekten Lage des Seldinger-Drahtes; Doppellumenintubation zur
Tubuslagekontrolle

1.2.5 Handhabung 1.2.7 Komplikationen


des Fiberbronchoskops der Bronchoskopie

Bei der Bedienung eines Bronchoskops sind bis zu 4 schwere Komplikationen treten in 0,5 % der
drei simultan auszuführende Manöver notwendig Fälle auf, z. B. Barotrauma mit Pneumothorax
(. Abb. 1.9): und/oder Mediastialemphysem, Hämoptoe,
4 achsengerechte Längsbewegung (Vor- und Hypoxämie, Hyperkapnie, Anstieg des intra-
Zurückziehen des Einführungsteils) zerebralen Drucks, Aspiration, Auslösung
4 Achsendrehung des gesamten Bronchoskops eines postbronchoskopischen SIRS bei Patien-
(nur bei gleichzeitiger Längsbewegung zur ten mit Pneumonie.
Vermeidung von Torsionskräften) 4 leichte Komplikationen in 0,8 % der Fälle, z. B.
4 Abwinkelung des distalen Einführungsteils Laryngo- und Bronchospasmus, Fieber, vaso-
(»Up«- oder »Down«-Bewegung in einer vagale Synkope, Erbrechen, Epistaxis
Ebene)
. Tab. 1.3 gibt einen Überblick über Störungen und
Komplikationen, welche auf der Durchführung der
1.2.6 Monitoring während Bronchoskopie beruhen.
der Bronchoskopie
Risikofaktoren für Komplikationen
4 Pulsoxymetrie
5 Erhöhtes Risiko
4 EKG
– PEEP >10 cmH2O
4 Blutdruckmessung (evtl. invasiv)
– Auto-PEEP >15 cmH2O
4 Registrierung des endexspiratorischen CO2
– manifeste Gerinnungsstörungen, PTT
mittels Kapnometrie/-graphie
>1,5-fach verlängert bzw. Therapie mit
4 engmaschige Überwachung der Beatmungs-
Antikoagulanzien
parameter bei beatmeten Patienten (PAW, AMV,
Beatmungsdrücke, FiO2). 6
1.2 · Bronchoskopie
13 1

. Tab. 1.3 Komplikationen der Bronchoskopie

Allgemein Fieber (proinflammatorische Zytokine n); SIRS mit Temperaturanstieg

Gasaustausch paO2 p, SaO2 p, paCO2 n, V T p, VA p, QS/QT n

Kreislauf MAP n(p), HF n(p), SVR np, PCWP n, PAP n, PVR n, CI n(p), Arrhythmien n, ST-Strecken-
veränderungen n, ANP n, MVO2 n

ZNS ICP n

Atemwege/Lunge Reflektorische Broncho- und Laryngospastik


Mechanische Mukosaläsion mit Blutung
Auto-PEEP n (Barotrauma)
Resorptionsatelektasen n(hohe FiO2)
Surfactant p
Infiltrat, Infektion

Topisch applizierte Toxische Reaktionen (Konvulsion, Schock)


Lokalanästhetika

Atemmechanik Ctot p, RAW n

Dauersog lobär-segmental Mikroatelektasen, PEEP p, V Tp, (VA p), FRC p, paOp, paCO2 n, Mukosaläsion bei starkem
Sog

Spontanatmung
– ohne Tubus (F)VC p, FEV1,0 p
– mit Tubus pAW n(p), PEEP n, Atemarbeit n

ten weisen höhere Komplikationsraten auf (bis


– Hirndruck ohne ICP-Monitoring 10 %), ebenso transbronchiale Biopsien (7–14 %)!
– Urämie Je schwerer die respiratorische Einschränkung/
– pulmonaler Hypertonus Erkrankung des Patienten vor der FB ist, desto hö-
5 Sehr hohes Risiko her ist das Risiko der Untersuchung!
– paO2 <70 mmHg bei FiO2 >0,7
– refraktärer paCO2 >55 mmHg
– PEEP >15 cmH2O 1.2.8 Dokumentation
– akuter Bronchospasmus
– akuter Myokardinfarkt <48 h Eine standardisierte Dokumentation ist Bestandteil
– höhergradige Arrhythmien oder instabile jeder Fiberbronchoskopie. Sie hat vergleichende so-
Angina-pectoris-Symptomatik wie medikolegale Bedeutung. Inhaltlich sind hier-
– ausgeprägte refraktäre Bradykardien bei zu berücksichtigen:
– MAP <65 mmHg 4 Indikationsstellung und vorausgegangene
– Thrombozytenzahl <20.000/μl Diagnostik
4 individuelles Patientenrisiko
4 Art und Weise der Analgosedierung
! Intensive Manipulationen wie Absaugen oder 4 topographische, morphologische und funktio-
ausgiebige Lavage können den Gasaustausch nelle Aspekte, insbesondere zu Tracheobron-
weiter beeinträchtigen! chialgerüst, Schleimhaut- und Sekretverhält-
nissen
Patienten mit Asthma bronchiale oder chronisch 4 Befundlokalisation und -ausbreitung
obstruktiver Lungenerkrankung haben ein erhöhtes 4 Lumenverhältnisse und Position künstlicher
Komplikationsrisiko (bis 5 %), auch Intensivpatien- Luftbrücken
14 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

. Tab. 1.4 Lungensegmente und zugeordnete Bronchen


1
Rechte Lunge

Lobus superior Bronchus lobaris superior dexter

Segmentum apicale (1) Bronchus segmentalis apicalis

Segmentum posterius (2) Bronchus segmentalis posterior

Segmentum anterius (3) Bronchus segmentalis anterior

Lobus medius Bronchus lobaris medius dexter

Segmentum laterale (4) Bronchus segmentalis lateralis

Segmentum mediale (5) Bronchus segmentalis medialis

Lobus inferior Bronchus lobaris inferior dexter

Segmentum superius (6) Bronchus segmentalis superior

Segmentum basale mediale (7) Bronchus segmentalis basalis medialis

Segmentum basale anterius (8) Bronchus segmentalis basalis anterior

Segmentum basale laterale (9) Bronchus segmentalis basalis lateralis

Segmentum basale posterius (10) Bronchus segmentalis basalis posterior

Linke Lunge

Lobus superior Bronchus lobaris superior sinister

Segmentum apicoposterius (1 + 2) Bronchus segmentalis apicoposterior

Segmentum anterius (3) Bronchus segmentalis anterior

Segmentum lingulare superius (4) Bronchus lingularis superior

Segmentum lingulare inferius (5) Bronchus lingularis inferior

Lobus inferior Bronchus lobaris inferior sinister

Segmentum superius (6) Bronchus segmentalis superior

Segment fehlt meist (7)

Segmentum basale anterius (8) Bronchus segmentalis basalis anterior

Segmentum basale laterale (9) Bronchus segmentalis basalis lateralis

Segmentum basale posterius (10) Bronchus segmentalis basalis posterior

4 Untersuchungsgang sowie Maßnahmen mentation nutzen. Neueste Technologien erlauben


4 Untersuchungstoleranz eine digitale Dokumentation, Nachbearbeitung,
4 Diagnose Speicherung und Archivierung endoskopischer Be-
4 und schließlich resultierende Empfehlungen funde.

Für eine optionale Zusatzdokumentation sind Vi-


deosysteme mit der Möglichkeit von Aufzeichnun- 1.2.9 Hygienische Aufbereitung
gen geeignet. Videofiberbronchoskope, bei denen
ein Chip die Faseroptik ersetzt, kann man derzeit Die sichere Aufbereitung von medizinischem Ins-
am ehesten für eine qualitativ hochwertige Doku- trumentarium sowie die Dokumentation derselben
1.2 · Bronchoskopie
15 1

. Abb. 1.10a,b Bronchialbaum mit durchnummerierten Bronchialsegmenten. a Trachea, Haupt-, Lappen- und Segment-
bronchien. Der mittlere Trachealabschnitt wurde weggelassen, um den Paries membranaceus darzustellen. b Verzweigung
des Bronchialbaums unter bronchoskopischer Sicht. (Aus Larsen u. Ziegenfuss (Hrsg.) Beatmung, Springer 2013)
16 Kapitel 1 · Tracheotomie und Bronchoskopie

gehört zu den unerlässlichen Standardhygiene- Dobbertin I, Dierkesmann R (2004) Bronchoskopie. Lehrbuch


1 maßnahmen. Hierzu wird besonders auf die ein- und Atlas. Geschichte, Techniken, Krankheitsbilder, 1.
Auflage Huber, Bern
schlägigen Empfehlungen des Robert-Koch-Insti-
Fantoni A, Ripamonti D (1997) A non-derivative, non-surgical
tuts hingewiesen (www.rki.de). Diese sind mittler- tracheostomy: the translaryngeal method. Intensive Care
weile in der Medizinprodukte-Betreiberverord- Med 23: 386–392
nung verankert. Gromann TW, Birkelbach O, Hetzer R (2009) Tracheotomie
mittels Ballondilatation. Chirurg 80: 622–627
Gründling M, Quintel M (2005) Perkutane Dilationstracheoto-
mie – Indikationen, Techniken, Komplikationen. Anaes-
1.2.10 Gliederung der oberen thesist 54: 929–944
und unteren Luftwege (. Tab. 1.4) Hata JS, Schenk DA, Dellinger RP (1997) Fiberoptic bronchos-
copy. In: Civetta JM, Taylor RW, Kirby RR (eds) Critical Care,
4 obere Luftwege 3rd edn. Lippincott-Raven, Philadelphia, pp 683–702
5 Naso-, Oro- und Hypopharynx Higgins KM, Punthakee X (2007) Meta-analysis comparison of
open versus percutaneous tracheostomy. Laryngoscope
5 Larynx
117:447–454
4 untere Luftwege Klemm E, Nowak A (2012) Kompendium der Tracheotomie.
5 Trachea (Generation: 0) 1. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg
5 Haupt-, Lappen- und Segmentbronchien Kluge S et al. (2008) Tracheostomy in the intensive care unit: a
(Generation: 1–4) nationwide survey. Anesth Analg 107:1639–1643
Krier C, Georgi R (2001) Airway-Management, 1. Auflage,
5 kleine Bronchien (Generation: 5–11)
Thieme, Stuttgart New York
5 Bronchiolen (Generation: 12–16) Phua GC, Wahidi MM (2009) ICU procedures of the critically ill.
5 respiratorische Bronchiolen (Generation: Respirology 14: 1092–1097
17–19) Randell T, Hakala P (1995) Fibreoptic intubation and broncho-
5 Ductus alveolaris bis Alveolen (Generation: fibrescopy in anaesthesia and intensive care. Acta Anaes-
thesiol Scand 39: 3–16
20–23)
Rumbak MJ et al. (2004) A prospective, randomized, study
comparing early percutaneous dilational tracheotomy to
. Abb. 1.10 zeigt die Anatomie des Bronchialbaums prolonged translaryngeal intubation (delayed tracheo-
mit den Bronchialsegmenten. tomy) in critically ill medical patients. Crit Care Med
32:1689–1694
Susarla SM, Peacock ZS, Alam HB (2012) Percutaneous dilata-
tional tracheostomy: review of technique and evidence
Ausgewählte Literatur
for its use. J Oral Maxillofac Surg 70: 74–82
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Abdelaziz M, Naidu B, Agostini P (2011). Is prophylactic mini- Placement on Survival in Patients Receiving Mechanical
tracheostomy beneficial in high-risk patients undergoing Ventilation. The TracMan Randomized Trial. JAMA 309:
thoracotomy and lung resection? Interact Cardiovasc 2121–2129
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Braune S, Kluge S (2012) Update Tracheotomie. Med Klin
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de Castro FR, Violan JS (1996) Flexible bronchoscopy in me-
chanically ventilated patients. J Bronchol 3: 64–68
17 2

Monitoring
W. Zink

2.1 Allgemeine klinische Überwachungsmethoden – 18

2.2 Basismonitoring – 18

2.3 Postoperatives Standardmonitoring für (kardiochirurgische)


Intensivpatienten – 18

2.4 EKG-Monitoring – 19

2.5 Pulsoxymetrie – 20

2.6 Blutdruckmessung – 21

2.7 Blutgasanalyse (BGA) – 24

2.8 In- und exspiratorisches Gasmonitoring – 27

2.9 Zentraler Venendruck (ZVD) – zentraler Venenkatheter


(ZVK) – 28

2.10 Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO) – 34

2.11 Echokardiographie – 51

2.12 Körpertemperatur – 56

2.13 Urinausscheidung (Blasenkatheter) – 57

2.14 Überwachung der Leberfunktion – 57

2.15 Neuromonitoring – 58

2.16 Neuronenspezifische Enolase (NSE) – 62

Ausgewählte Literatur – 62

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
18 Kapitel 2 · Monitoring

2.1 Allgemeine klinische 2.3 Postoperatives Standard-


Überwachungsmethoden monitoring für (kardio-
chirurgische) Intensivpatienten
2 4 Inspektion
4 Palpation 4 . Abb. 2.1
4 Perkussion 4 EKG (II- und V5-Ableitung mit ST-Strecken-
4 Auskultation analyse)
4 ggf. Funktionsprüfungen 4 Pulsoxymetrie
4 invasive Blutdruckmessung
4 zentralvenöser Druck (ZVD)
2.2 Basismonitoring 4 Bilanzierung (Drainagenverluste, Ein- und
Ausfuhr)
4 Herzfrequenz und Herzrhythmus 4 arterielle und zentralvenöse Blutgasanalyse
4 Blutdruck (FiO2 >0,6 alle 4 h, sonst alle 8 h bzw. bei
4 Periphere Sauerstoffsättigung Veränderung der Beatmungsparameter nach
4 Atemfrequenz spätestens 30 min)
4 Urinausscheidung 4 Temperaturmessung (mindestens 4-stündlich)
4 Temperatur 4 Monitoring ggf. erweiterbar durch (. Abb. 2.2):
4 evtl. Messung des Bauchumfangs 5 Echokardiographie (transthorakal, trans-
ösophageal)
5 transpulmonale Thermodilution und
kalibrierte Pulskonturanalyse
5 Pulmonalarterienkatheter

. Abb. 2.1 Postoperatives Standardmonitoring für (kardiochirurgische) Intensivpatienten (S3-Leitlinie zur intensiv-
medizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten. (AWMF-Register 001/016: Hämodynamisches Monitoring und Herz-
Kreislauf )
2.4 · EKG-Monitoring
19 2

. Abb. 2.2 Indikationen für ein erweitertes hämodynamisches Monitoring (Algorithmus) (S3-Leitlinie zur intensiv-
medizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten. (AWMF-Register 001/016: Hämodynamisches Monitoring und Herz-
Kreislauf )

2.4 EKG-Monitoring 4 bei kardial vorgeschädigten Patienten 5-Kanal-


EKG
4 Bestandteil des Basismonitorings
4 Überwachung von Herzfrequenz und
Herzrhythmus 2.4.2 Myokardischämien
4 Detektion von Myokardischämien (ischämiebedingte ST-Strecken-
(ST-Streckenanalyse) veränderungen)
4 die American Heart Association empfiehlt die
Analyse von mindestens 2, bevorzugt aber 4 ST-Strecke: Beginn nach dem J-Punkt am
3 Ableitungen für die kontinuierliche Über- Ende des QRS-Komplexes; Dauer 60–80 ms
wachung des EKG: 4 eine pathologische ST-Senkung liegt vor bei
5 Erkennung von P-Wellen Veränderungen >0,05 mV in Extremitäten-
5 Beurteilbarkeit der Herzachse ableitungen bzw. >0,1 mV in Brustwand-
5 Unterscheidung zwischen ventrikulären ableitungen
und supraventrikulären Rhythmusstörun- 4 häufig automatisierte ST-Streckenanalyse in
gen oder Extrasystolen wählbaren Ableitungen über Multifunktions-
4 bessere Charakterisierung von ST-Segment- monitor möglich
Veränderungen 4 präkordiales EKG mit den Ableitung II bzw.
V5 reicht aus, um transmurale Ischämien im
antero-lateralen bzw. inferioren Bereich zu
2.4.1 Herzfrequenz und Herzrhythmus erkennen (80 % der Myokardischämien), ist
aber ungeeignet, um eine subendokardiale
4 kontinuierliche Überwachung Ischämie im Bereich der Hinterwand des
4 bei herzgesunden Patienten Standard- linken Ventrikels zu erfassen.
ableitungen nach Einthoven (I, II, III) mittels 4 Überwachung der Hinterwand mittels
3-Kanal-EKG in der Regel ausreichend 5 Ableitungen II, V5 + V4 oder
20 Kapitel 2 · Monitoring

4 gemessen wird die Differenz zwischen Absorp-


tion während der Diastole (venöses Blut,
Gewebe, Knochen, Pigmente) und dem
2 Spitzenwert während der Systole. Es wird
postuliert, dass der Absorptionsanstieg wäh-
rend der Systole nur durch arterielles Blut ver-
ursacht wird.
4 Einsatz als Transmissions- oder Reflexionspul-
soxymeter
4 Messprinzip beruht darauf, dass
5 desoxygeniertes Hämoglobin (Hb) im In-
frarotbereich (≈940 nm) weniger absorbiert
wird als oxygeniertes Hb bzw.
5 oxygeniertes Hämoglobin im Rotbereich
(≈660 nm) weniger Absorption als des-
oxygeniertes (= reduziertes) Hb zeigt
> Oxygeniertes und desoxygeniertes Hämo-
globin absorbieren das emittierte Licht bei
. Abb. 2.3 Poor man’s V5-EKG-Modifikation nach Kaplan einer Wellenlänge von 506 nm gleich!
5 HbO2 (Oxyhämoglobin): Absorptions-
maximum bei 560 und 590 nm
5 »Poor man’s V5«-EKG-Modifikation nach
5 Bilirubin: Absorptionsmaximum bei
Kaplan (. Abb. 2.3; Ableitung I und Elek-
460 nm (350–550 nm)
trode in V5-Position und Elektrode am
rechten Manubrium oder unter rechtem
Schulterblatt); Nachweis von ca. 96 % der 2.5.1 Partielle oder funktionelle
Myokardischämien anhand ischämischer Sauerstoffsättigung (SpO2)
ST-Streckenveränderungen
4 von einigen Autoren wird eine kontinuierliche 4 Der prozentuale Anteil des oxygenierten
EKG-Überwachung mit 12 Ableitungen (I, II, Hämoglobins (HbO2) zur Summe von Oxy-
III, aVF, aVR, aVL, V1–6) empfohlen, um und Desoxyhämoglobin wird als partielle oder
perioperative Myokardischämien zu entdecken funktionelle Sättigung (SpO2) bezeichnet
(. Tab. 2.1).
HbO 2
2.5 Pulsoxymetrie SpO 2 =
Hb + HbO 2
4 Bestandteil des Standardmonitorings 4 Dyshämoglobine und fetales Hb werden
4 1972 von Takuo Aoyagi entwickelt nicht berücksichtigt und bei der Berechnung
4 nichtinvasives Messverfahren zur kontinuierli- der Sättigung vernachlässigt.
chen Bestimmung der partiellen Sauer- 4 . Tab. 2.1 beschreibt die Korrelation zwischen
stoffsättigung (SpO2) paO2 und pulsoxymetrischer Sauerstoffsätti-
4 Fehlerbreite ca. 2 % bei SpO2-Werten >70 % gung
4 Kombination von Plethysmographie 4 normale Sauerstoffsättigung im arteriellen
(Registrierung einer peripheren Pulswelle) und Blut: 96–98 %
spektrometrischer Oxymetrie 4 normale Sauerstoffsättigung im gemischt-
4 Pulsoxymeter messen die Absorption von venösen Blut: 70–75 %
Licht mit 2 Wellenlängen (Rotlicht: 660 nm
und Infrarotlicht: 940 nm)
2.6 · Blutdruckmessung
21 2

. Tab. 2.1 Korrelation zwischen paO2 und pulsoxymetrischer Sauerstoffsättigung beim Gesunden

paO2 (mmHg) (pCO2=40; pH=7,4; 26 35 40 60 90 150


Normothermie)

SpO2 (%) 50 66 75 90 95 100

. Tab. 2.2 Faktoren, die die Messung der pulsoxymetrischen Sauerstoffsättigung beeinflussen

Keine Beeinflussung der puls- Falsch-hohe Werte o tatsächliche Falsch niedrige Werte o tatsächliche
oxymetrischen Sättigungswerte Sättigung (SpO2) ist niedriger! Sättigung (SpO2) ist höher!

Roter und purpurner Nagellack Xenon- und Fluoreszenzlicht Farbiger Nagellack (blau, grün,
Hautfarbe MetHb bei Hypoxie (bei 5 % MetHb + schwarz) und Fingerabdrucktinte
HbF 1 % COHb o deutliche Überschät- Infrarot-Wärmelampen
Erhöhte COHb-Werte bis 14,5 % zung); unter Hypoxiebedingungen Infundierte Lipidlösungen und erhöhte
weder in Hypoxie noch in wird eine O2-Sättigung von 87,6 % Chylomikronenkonzentrationen
Normoxie am Gerät angezeigt, obwohl die Methylenblau (Absorptionsmaximum
Hyperbilirubinämie (Bilirubinab- tatsächliche partielle Sättigung nur bei 660 nm)
sorptionsmaximum bei 460 nm) 80 % und die mit dem CO-Oxymeter Indocyaningrün, Indigocarmin (Effekt
(Bilirubinabsorptionsbereich von gemessene aktuelle fraktionelle hält nur wenige Minuten an!)
350–550 nm) Sättigung* (SO2) nur 72,5 % beträgt MetHb-Werte (0,4–8,4 %) in Normoxie
(geringfügige Unterschätzung)
Onychomykose führt zu einem zu
niedrig (3–5 %) gemessenen Wert

* Fraktionelle Sättigung s. Blutgasanalyse

2.5.2 Einflussfaktoren auf 2.6.1 Nichtinvasive Blutdruckmessung


die pulsoxymetrische Messung
4 Manschettenbreite ca. 40 % des Oberarmum-
. Tab. 2.2 gibt Faktoren wieder, die die Messung der fangs (bei Kindern: breiteste Manschette, die
pulsoxymetrischen Sauerstoffsättigung beeinflus- die Platzierung des Stethoskops in der Ellen-
sen. beuge noch erlaubt)
Keine Werte messbar: 4 die Blutdruckmanschette sollte 70 % des Ober-
4 unkoordinierter Bewegung (Shivering) arms umschließen
4 ausgeprägter Zentralisation (Hypothermie, 4 bei Oberarmumfang >40 cm Messung am Un-
Hypovolämie, α-adrenerge Substanzen, ...) terarm oder am Unterschenkel

Fehlermöglichkeiten
2.6 Blutdruckmessung 4 zu schmale Manschette/Manschette zu locker
angelegt o tendenziell falsch-hohe Werte
Die Blutdruckmessung stellt das Standardmonito- 4 zu breite Manschette o tendenziell falsch-
ring zur Überwachung der Kreislauffunktion dar. niedrige Werte
4 zu schnelles Ablassen des Manschettendrucks
(>3 mmHg/s) ofalsch-niedrige Werte
4 Hypotension, periphere Vasokonstriktion,
Schock
4 Herzrhythmusstörungen
22 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.4a,b Druckkurvenverlauf. a Normale arterielle Druckkurve. Α Geringer Effekt der Beatmung auf die Druckamplitu-
de; B hoher dikroter Umschlagpunkt; C große Fläche unter der Kurve. b Arterielle Druckkurve bei Hypovolämie. A Starker Ef-
fekt der Beatmung auf die Druckamplitude (paradox); B niedriger dikroter Umschlagpunkt; C kleine Fläche unter der Kurve

Blutdruckmessung nach Riva-Rocci (RR) > Die nichtinvasive Blutdruckmessung kann


4 Korotkoff-Geräusche bei allen hämodynamisch stabilen Patienten,
5 systolischer Wert: beim Hören des Gefäß- bei denen nicht mit schweren Störungen der
tones Herz-Kreislauf-Funktion gerechnet werden
5 diastolischer Wert: beim Verschwinden muss, eingesetzt werden. Bei instabiler Herz-
oder deutlichem Leiserwerden des Gefäß- Kreislauf-Funktion jedoch sollte die invasive
tones Messung wegen ihrer größeren Genauigkeit
4 Berechnung des mittleren arteriellen Druckes und der kontinuierlichen Erfassung der Blut-
(MAP) druckwerte bevorzugt werden.
5 MAP = APdia +1/3 (APsys – APdia)
5 APsys: systolischer arterieller Druck
5 APdia: diastolischer arterieller Druck 2.6.2 Invasive (direkte) Blutdruck-
messung (»Arterie«)
Palpatorische Blutdruckmessung
4 Aufpumpen der Manschette, bis Puls nicht jIndikationen
mehr tastbar 4 hämodynamische Instabilität mit Notwendig-
4 systolischer Wert: wenn Puls wieder tastbar, keit der kontinuierlichen Blutdruckmessung
ca. 10–20 mmHg tiefer als bei der Riva-Rocci- 4 mehrfache arterielle Blutentnahmen not-
Methode wendig
4 diastolischer Wert nicht zu messen 4 nichtinvasive Blutdruckmessung technisch
nicht durchführbar (z. B. bei Adipositas
Blutdruckautomaten permagna)
4 Geräte mit oszillometrischen Messverfahren
4 automatische Messung in vorgegebenen Inter- jKontraindikationen
vallen 4 Gerinnungsstörungen (relativ)
4 Zustand nach. Gefäßoperationen an der
Punktionsstelle (z. B. Gefäßprothese bei
A.-femoralis-Zugang)
2.6 · Blutdruckmessung
23 2
4 pathologischer Allen-Test für A.-radialis- Probleme und Messfehler
Zugang (s. unten) 4 durch Unter- bzw. Überdämpfung des Systems
4 geplante ipsilaterale Shuntanlage bei termina- kommt es zu relevanten Abweichungen der
ler Niereninsuffizienz (relativ!) gemessenen Druckwerte
4 bei vitaler Indikation gibt es nur relative 4 bei Unterdämpfung des Katheter-Druckauf-
Kontraindikationen! nehmer-Systems: Überschätzung des systoli-
schen Blutdrucks und Unterschätzung des
jVorteile diastolischen Drucks
4 Messung des Blutdrucks von Schlag zu Schlag 4 Die Resonanz eines Systems wird erniedrigt
4 Druckkurvenverlauf kann zusätzliche Hin- bzw. die Dämpfung verstärkt, wenn die
weise auf die Volumensituation des Patienten Compliance des Schlauchsystems groß oder
geben (»cardiac cycling« = systolische RR- der Katheter sehr lang ist bzw. einen zu kleinen
Schwankungen bei In- und Exspiration; Innendurchmesser aufweist.
. Abb. 2.4) 4 Der Nachweis von Resonanz und Dämpfung
4 Wiederholte arterielle Blutentnahmen möglich des Systems erfolgt durch den sog. »Fast-flush-
Test« zur Überprüfung der dynamischen
Allen-Test Eigenschaften eines Kathetersystems:
4 simultane Kompression von A. radialis und Durch das Spülen des Katheters werden der
A. ulnaris, nach mehrfachem Faustschluss wird Fluss und der Druck im System abrupt ange-
die Hand blass o A. radialis weiter kompri- hoben und der Druckkurvenverlauf nach ab-
mieren und A. ulnaris freigeben o nach 5 bis ruptem Spülstopp beobachtet. Eine gedämpfte
max. 15 s wird die Hand rosig (Reperfusion). Oszillation mit einem negativen Ausschlag
Wird die Hand nicht rosig, besteht eine gefolgt von einem einzigen positiven Ausschlag
ungenügende Perfusion der Hand über die mit einer etwas schwächeren Amplitude zeigt
A. ulnaris eine optimale Dämpfung des Systems an
4 Aussagekraft umstritten, aus forensischen (. Abb. 2.5b). Links davon der typische Druck-
Gründen jedoch empfehlenswert (Ergebnis kurvenverlauf bei einer Unterdämpfung
dokumentieren!) (. Abb. 2.5b), rechts bei einer Überdämpfung
4 ein pathologischer Allen-Test ist eine relative des Systems (. Abb. 2.5c).
Kontraindikation für die Radialispunktion
> Wiederholte Überprüfung der Konnek-
jAllgemeine Komplikationen tionsstellen des Systems zur Vermeidung
eines akzidentellen Blutverlustes!
4 Blutung und Hämatome
Deutliche Kennzeichnung des arteriellen
4 Thrombose
Zugangs zur Vermeidung akzidenteller
4 Gefäßläsionen: Dissektion, Aneurysma,
Injektionen!
arteriovenöse Fistel
4 Verletzung umliegender Strukturen
(Nervenschäden) Praktisches Vorgehen
4 Infektion (selten!) 4 aseptisches Vorgehen
4 passagerer Vasospasmus bei Fehlpunktion 4 je nach Punktionsort spezielle Lagerung (leicht
(sofortige weitere Punktionsversuche oft überstreckte Hand bei A. radialis, leichte
erfolglos) Unterpolsterung des Beckens bei A. femoralis)
4 sekundäre Katheterfehllage, -dislokation, 4 Kontrolle der intraarteriellen Lage
-diskonnektion mit Blutung 4 evtl. Seldinger-Technik mit Einführen eines
4 versehentliche intraarterielle Injektion mit Führungsdrahtes
Gefahr von Nekrosen 4 nach Einlegen der Kanüle Verbindung mit
einem Spülsystem (3 ml/h mit 500 ml 0,9 %
NaCl) und einem Drucksensor, bei Säuglingen
24 Kapitel 2 · Monitoring

4 Vorteile: gut zugänglicher Punktionsort, oft


erfolgreicherer Zugang bei Hypotonie und
instabiler Hämodynamik
2 4 Nachteile: retro-/intraperitoneale Hämatome
oder Darmperforation bei zu hoher Punktion,
nicht geeignet bei Patienten mit AVK und nach
Gefäßprothese der A. femoralis

Sonstige Zugangswege (z. B. A. dorsalis


pedis, A. temporalis superficialis)
4 Einsatz einer 22-(24-)G-Kanüle
. Abb. 2.5a–c Dämpfungskurven. (Adaptiert nach Perret 4 Nachteile: oftmals schwer lokalisierbar
et al. 1996) (A. dorsalis pedis) bzw. schwer punktierbar
(A. temporalis superficialis mit muskelstarker
und Kleinkindern: Perfusor mit 50 ml NaCl Wand und geschlängeltem Verlauf)
(G5 %) mit 1,2 ml/h
! Höherer systolischer Blutdruck im Vergleich
Zugangswege zum Radialisdruck (MAP ist jedoch gleich!)
A. radialis
4 20-(22) G-Kanüle nach vorheriger Lagerung 2.7 Blutgasanalyse (BGA)
der Hand (leichte Überstreckung)
4 Punktion im Winkel von 30–45° 2.7.1 Vorgehen
4 Vorteile: einfach zugänglich, kollaterale Blut-
versorgung über A. ulnaris 4 Blutentnahme in einer mit heparinisierter
4 Nachteile: Ischämiegefahr bei mangelnder Spritze
Kollateralisation 4 nach Entnahme luftdicht verschließen und
möglichst sofort analysieren. Ist das nicht
> A. radialis Punktionsort der 1. Wahl, bei
möglich, auf Eis lagern, um Erythrozytenstoff-
Rechtshändern sollte bevorzugt die linke
wechsel und Aufnahme oder Abgabe von
Seite kanüliert werden und umgekehrt.
Gasen zu minimieren
4 jedes °C Körpertemperatur <37°C erhöht den
A. brachialis, A. axillaris pH um 0,015! Ein pH von 7,40 bei 37°C ergibt
4 18-(20-) G-Kanüle mit ausreichender Länge bei 27°C einen pH von 7,55 (identische Blut-
(Seldinger-Set) probe!)
4 A. brachialis: medial der Bizepssehne in der 4 die Messung erfolgt bei 37°C (Korrektur auf
Ellenbeuge die tatsächliche Patiententemperatur erfolgt
4 A. axillaris: in Achselhöhle, Klick bei Penetra- bei entsprechender Eingabe automatisch durch
tion der Gefäß-Nerven-Scheide das Gerät)
4 Nachteile: Verletzung des N. medianus bei
Punktion der A. brachialis, Plexusläsion bei jIndikationen
Hämatom, Ischämie des Arms 4 Störungen der Ventilation und Oxygenation
4 Störungen des Säure-Basen- und Elektrolyt-
A. femoralis haushalts
4 18-(20-)G-Kanüle mit ausreichender Länge 4 Bestimmung von Laktat als Marker für anaero-
notwendig! (Seldinger-Set) ben Stoffwechsel
4 evtl. leichte Unterpolsterung des Beckens 4 Dyshämoglobine bei Rauchvergiftung, NO-
4 unterhalb des Leistenbandes Beatmung
4 IVAN: Innen – Vene – Arterie – Nerv 4 hohe Volumenumsätze, akute Blutung
2.7 · Blutgasanalyse (BGA)
25 2
4 Hb und Blutzucker sind auch durch getrennte kapillär(venös) und in der Lunge von
Einzelmessverfahren zu bestimmen gemischtvenös nach alveolär (46 o 40 mmHg)
4 zum HZV-Monitoring (zentralvenöse 4 Produktion: ca. 200 ml/min in Ruhe
Sättigung!) 4 Transport im Blut größtenteils in chemisch
gebundener Form:
5 Bikarbonat: ≈50 % in den Erythrozyten
2.7.2 Messwerte (hohe Carboanhydraseaktivität; das intra-
erythrozytär entstandene HCO3– wird gegen
4 Partialdrücke (pO2, pCO2) extrazelluläres Cl– ausgetauscht [Hambur-
4 partielle Sauerstoffsättigung ger-Shift]) und ≈27 % im Plasma
4 Hb, HbO2 5 Carbamat (Carbaminohämoglobin): ≈11 %
4 pH-Wert (Hb·NH2 + CO2 l Hb·NHCOO– + H+)
4 Basenexzess (BE) und Bikarbonat (HCO3–) 4 Transport in physikalisch gelöster Form zu nur
4 Elektrolyte (mit ionenselektiven Elektroden) ≈12 %
4 evtl. BZ- und Laktatmessung
4 Dyshämoglobine (COHb, MetHb, SulfHb) Haldane-Effekt
4 fraktionelle Sauerstoffsättigung Der Haldane-Effekt beschreibt die Abhängigkeit
der CO2-Bindung vom Oxygenierungsgrad des
Hämoglobins o desoxygeniertes Hämoglobin
2.7.3 Arterieller O2-Partialdruck (paO2) vermag mehr CO2 zu binden als oxygeniertes Hä-
moglobin.
4 der arterielle O2-Partialdruck (paO2) bestimmt
über die sog. O2-Bindungskurve die zugehöri- Transkutane pCO2-Messung (ptcCO2)
ge Sättigung des Hämoglobins (SaO2 in %): 4 modifizierte CO2-Elektrode nach Severinghaus
5 paO2 = 70–95 mmHg (bei FiO2 0,21) mit dünner, nur für CO2 -durchlässigen
5 paO2 = 640 mmHg (bei FiO2 1,0) Teflonmembran, hinter der sich eine dünne
4 die Messung erfolgt elektrochemisch mit Hilfe Flüssigkeitsschicht mit Bikarbonat befindet
der sog. Clark-Elektrode 4 dort Reaktion von H20 und CO2 zu H2CO3
bzw. HCO3– + H+ (H+-Ionenkonzentration
> Ist eine arterielle Punktion bzw. Blutent-
proportional zu CO2-Konzentration)
nahme technisch nicht möglich, kann aus gut
4 Erwärmung des Hautbezirks unter der Elektro-
perfundierten Arealen (Ohrläppchen, Finger,
de auf 44°C o bessere arterielle CO2-Diffu-
Zehe) Kapillarblut entnommen werden o
sion, aber ptcCO2 > paCO2 aufgrund gesteiger-
enge Korrelation zu den arteriellen Blut-
ter regionaler CO2-Produktion
gasen. Der peripher-venöse O2-Partialdruck
(pvO2 in mmHg) liefert keine Information
über die Qualität des pulmonalen Gasaus-
2.7.5 Gemischtvenöse Sättigung
tausches.
(SvO2)

2.7.4 Arterieller CO2-Partialdruck SvO 2 = Sa O 2 − globaler Sauerstoffverbrauch/


(paCO2) (Herzzeitvolumen×1,34×Hb)

4 Kohlendioxid CO2: Entstehung in den Mito- 4 wird aus dem pulmonalarteriellen Blut
chondrien als Endprodukt des aeroben Stoff- bestimmt (distaler Schenkel des Pulmonalis-
wechsels (pro 10 verbrauchten O2-Molekülen katheters)
entstehen 8 CO2-Moleküle) 4 diskontinuierliche (Blutgasanalyse) bzw. konti-
4 Diffusion im Gewebe entlang des Konzentra- nuierliche Messung (z. B. fiberoptisch mittels
tionsgefälles von intrazellulär nach Vigilance-Monitor, Fa. Edwards) möglich
26 Kapitel 2 · Monitoring

4 repräsentiert die O2-Sättigung des venösen Blu-


tes des gesamten Organismus (venöses Misch-
blut aus V. cava superior, V. cava inferior und Si-
2 nus coronarius) o globaler O2-Metabolismus o
Abschätzung des globalen O2-Verbrauchs (VO2)
4 Abfall der SvO2 o unausgeglichene O2-Bilanz
o Warnzeichen einer drohenden Gewebs- . Abb. 2.6 CeVOX-Messgerät (Fa. Pulsion)
hypoxie
4 SvO2 abhängig von SaO2, VO2, HZV, Hb-
Konzentration also bei 27°C einen pH von 7,55 (identische
4 Normwert: ca. 70 % Blutprobe!)
4 intramukosaler pH-Wert (pHi): 7 Kap. 19

2.7.6 Zentralvenöse Sättigung (SvO2)


2.7.8 Mehrwellenlängenoxymeter
4 wird aus dem über den ZVK entnommenen
Blut bestimmt 4 Messung der fraktionellen Sauerstoffsättigung
4 diskontinuierliche (Blutgasanalyse) bzw. (SO2)
kontinuierliche Messung (z. B. mittels CeVOX- 4 Messgeräte z. B.
Messgerät, Fa. Pulsion, . Abb. 2.6) 5 CO-Oxymeter 2500 (Firma Ciba-Corning)
4 repräsentiert die O2-Sättigung des Blutes aus mit spektrometrischer Messung der Hämo-
der V. cava superior und damit der oberen globinderivate bei 7 spezifischen Wellenlän-
Körperhälfte o Abschätzung des globalen O2- gen
Verbrauchs (VO2) 5 Häm-Oxymeter OSM3 (Firma Radiometer)
4 Normwert: ca. 70–75 % 6 verschiedene Wellenlängen

2.7.7 pH-Wert 2.7.9 Fraktionelle Sättigung (SO2)

4 Messung mittels Glaselektrode aus Spezialglas, 4 die fraktionelle Sättigung (SO2) gibt den Anteil
welche für H+-Ionen durchlässig ist, und einer des oxygenierten Hämoglobins (HbO2) am
Ag/AgCl-Referenzelektrode; dazwischen KCl- Gesamthämoglobin an
Lösung und von außen eine angelegte Span- 4 bei normaler Bindung von O2 an das Hb er-
nung, die durch die eindringenden H+-Ionen reicht sie im arteriellen Blut ca. 96–97 %
verändert wird. 4 bei vermindertem O2-Bindungsvermögen,
4 Alternativ Messung mittels CO2-Elektrode mit d. h. in Anwesenheit von Dyshämoglobinen
dünner, nur für CO2 durchlässiger Teflon- (MetHb, COHb, SulfHb) und fetalem Hb,
membran, hinter der sich eine dünne Flüssig- werden entsprechend kleinere Werte erreicht
keitsschicht mit Bikarbonat befindet, welche
mit CO2 zu H2CO3 bzw. HCO3– + H+ reagiert. HbO 2
SO 2 =
Die H+-Ionenkonzentration ist proportional Hb + HbO 2 +COHb + MetHb +SulfHb

der CO2-Konzentration. Dyshämoglobine
4 Die Messung erfolgt bei 37°C (Korrektur auf
die tatsächliche Patiententemperatur erfolgt 4 normale Konzentrationen von Dyshämo-
bei entsprechender Eingabe automatisch durch globinen
das Gerät) 5 COHb: 0,5–1,5 %; bei Rauchern: 5 % (bis
4 Jedes °C Körpertemperatur <37°C erhöht den max. 10 %)
pH um 0,015! Ein pH von 7,40 bei 37°C ergibt 5 MetHb: 0,2–1,5 %
2.8 · In- und exspiratorisches Gasmonitoring
27 2
4 Beeinflussung der fraktionellen Sättigung 4 unverzichtbares Monitoring bei Niedrigfluss-
5 bei erhöhten Bilirubinwerten Messung narkosen (»low-flow«, »minimal-flow«)
falsch-niedriger SO2-Werte omit beiden
! Die Messung der inspiratorischen O2-Konzen-
oben genannten Geräten werden erhöhte
tration gewährleistet, dass dem Patienten
COHb-Werte registriert, welche auf einem
keine hypoxische O2-Konzentration zu-
falschen COHb-Anstieg auf den Boden
geführt wird, garantiert jedoch keine aus-
eines Spektralfehlers und einem echten
reichende arterielle Oxygenierung!
COHb-Anstieg infolge einer CO-Ent-
stehung beim Abbau von Hämoglobin zu
Bilirubin beruhen! 2.8.2 Kapnometrie (etCO2, petCO2)
4 Früh- und Neugeborene besitzen in den ersten
Lebensmonaten noch große Mengen an feta- Messprinzipien
lem Hämoglobin (HbF), das andere Absorp- 4 Messung als Partialdruckeinheit petCO2
tionsspektren als das Hämoglobin des Erwach- (mmHg) oder in Konzentrationseinheiten
senen aufweist o notwendige Korrektur der etCO2 (Vol.-%)
SO2-Werte bei kooxymetrischer Bestimmung 4 kontinuierliche Messung der endexspiratori-
der fraktionellen Sauerstoffsättigung! schen CO2-Konzentration (etCO2, petCO2)
4 Messung der inspiratorischen CO2-Konzentra-
tion (itCO2)
2.8 In- und exspiratorisches 4 Messung der endexspiratorischen CO2-Kon-
Gasmonitoring zentration auf der Basis der CO2-abhängigen
Absorption von Infrarotlicht (lineare Abhän-
2.8.1 Messung der inspiratorischen gigkeit von der Anzahl der CO2-Moleküle)
O2-Konzentration (FiO2) 4 Massenspektrometrie
4 Raman-Spektrometrie
Messprinzipien 4 Messung im Hauptstrom (Sensorkopf wird auf
4 elektrochemisch: 39°C zur Vermeidung von Wasserdampf-
5 galvanische Zelle (Bleianode und Gold- bildung aufgeheizt) bzw. im Nebenstrom
kathode in basischer Elektrolytlösung) (Absaugen einer tubusnahen Gasprobe von 60
– Brennstoffzelle: O2 + 4e– + 2 H2O o 4 OH– oder 200 ml/min, Anwendung frühestens bei
– Pb + 2 OH– o PbO + H2O + 2e– Säuglingen >5 kg)
5 polarographischer Sensor (Clark-Zelle: Pla- 4 Messgenauigkeit: ±2 mmHg im Bereich von
tin- und Silber(chlorid)-Elektroden), um- 40–60 mmHg
hüllt mit einer O2-durchlässigen Membran; 4 Normwerte
die angelegte äußere Spannung erfährt 5 petCO2 = 35–45 mmHg oder etCO2 =
abhängig von der O2-Konzentration eine 4,5–6 Vol.-%
Veränderung 5 AaDCO2 = alveoloarterielle CO2-Differenz
4 paramagnetisch: in einem inhomogenen 2–5 mmHg
Magnetfeld befindet sich eine Hantel mit
Spiegel, welche beim Umströmen mit Sauer- jIndikationen
stoff ausgelenkt wird (gelegentliche Überschät- 4 die Kapnometrie/-graphie ist ein wünschens-
zung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentra- wertes Beatmungsmonitoring auf der Intensiv-
tion bis zu 15 %) station, insbesondere bei Patienten mit Hirn-
druck und pulmonalem Hypertonus
jIndikationen 4 zur Tubuslagekontrolle nach schwieriger
4 Detektion eines ungenügenden O2-Anteils im Intubation
Inspirationsschenkel 4 bei Patienten mit (maligner) Hyperthermie
4 Innerhospitaltransport
28 Kapitel 2 · Monitoring

. Tab. 2.3 Ursachen von petCO2-Veränderungen

Erhöhtes petCO2 Erniedrigtes petCO2


2 Metabolisch Inadäquate Analgosedierung, Hyperther- Tiefe Analgosedierung, (Schmerzen, Stress etc. bei
mie, Sepsis, postoperatives Shivern, Na- nachfolgender Hyperventilation unter Spontan-
Bic-Gabe, maligne Hyperthermie atmung), Hypothermie

Respiratorisch Hypoventilation (z. B. Leckage, Atem- Hyperventilation, Bronchospasmus, Sekret,


depression, respiratorische Insuffizienz), Schleimpfropf, Fehlintubation (primär, sekundär)
obstruktive Lungenerkrankung, Broncho- Tubusverlegung (Tubusknick, Cuff-Hernie), PEEP-
spasmus, Tubusknick Beatmung

Zirkulatorisch Erhöhtes HZV, Sepsis, erhöhte CO2-Auf- Erniedrigtes HZV (akute Hypotension, Hypo-
nahme peripher (z. B. bei Laparoskopie) volämie) Lungenembolie, Herzstillstand

Gerätebedingt Rückatmung (z. B. verbrauchter CO2- Leckage, Diskonnektion, Ausfall des Beatmungs-
Adsorber, defektes Exspirationsventil), geräts, Fehlmessung (O2-Kompensation)
Fehlmessung (N2O-Kompensation),
Patient presst gegen Beatmungsgerät

Fettdruck; plötzliche Veränderungen

jUrsachen von petCO2-Veränderungen 2.9 Zentraler Venendruck (ZVD) –


4 metabolisch (erhöhte bzw. erniedrigte CO2- zentraler Venenkatheter (ZVK)
Produktion, z. B. n O2-Verbrauch o n CO2-
Produktion) 4 zentraler Venendruck (ZVD) = Druck im klap-
4 respiratorisch (verminderte bzw. erhöhte penlosen oberen/unteren Hohlvenensystem
CO2-Abatmung) 4 Positionierung der ZVK-Spitze in der V. cava
4 zirkulatorisch (pulmonale Hypo- bzw. Hyper- superior (z. B. Jugulariskatheter) bzw. in der
perfusion) V. cava inferior (z. B. Femoraliskatheter)
4 gerätebedingt 4 der ZVD entspricht dem rechten Vorhofdruck
4 Kombination von verschiedenen Ursachen (RAP) bzw. – bei suffizienter Trikuspidalklap-
penfunktion – rechtsventrikularen enddiastoli-
! petCO2-Veränderungen können plötzlich oder
schen Druck (RVEDP)
allmählich auftreten, aber auch permanent
4 Mehrlumenkatheter (2-Lumen, 3-Lumen,
vorhanden sein.
4-Lumen, …) zur kontinuierlichen ZVD-
Messung
In . Tab. 2.3 sind Ursachen für ein erhöhtes oder
erniedrigtes endexspiratorisches CO2 aufgeführt. jIndikationen für die ZVK-Anlage
4 zentralvenöse Applikation von Medikamenten
(Katecholamine etc.)
2.8.3 Kapnographie 4 Gabe hyperosmolarer Lösungen
(>800 mosmol/kg)
. Abb. 2.7 stellt die graphische Darstellung der ge- 4 parallele Applikation von untereinander nicht
messenen Werte über dem Atemzyklus dar. verträglichen Medikamenten
4 Notfallzugang, wenn peripher kein Zugang
möglich ist
4 großlumiger ZVK (»Schockkatheter«) bei
großem Blutverlust
2.9 · Zentraler Venendruck (ZVD) – zentraler Venenkatheter (ZVK)
29 2

. Abb. 2.7 Kapnographiekurven. A Normale Kapnographiekurve: 1 Inspirationsphase, 2 beginnende Exspiration, 3 Plateau


während der Exspiration, 4 endexspiratorisches CO2 (petCO2), 5 beginnende Inspiration. B Atemwegsobstruktion. C Patient
presst gegen Beatmungsgerät. D Patient atmet während Exspiration ein. E Rückatmung von CO2. F Magenbeatmung (petCO2-
Abfall bis auf 0) bei intragastralem CO2 (z. B. nach Cola-Trinken). G Leckage oder partielle Diskonnektion. H Zu geringes An-
saugvolumen (Kindereinstellung) beim Erwachsenen eingestellt (60 ml anstatt 200 ml/min)
30 Kapitel 2 · Monitoring

4 Shaldon-Katheter (großlumige Dialysekatheter)


bei Dialysepflichtigkeit auf der Intensivstation
! Die Messung des zentralen Venendrucks ist
2 zur Beurteilung des intravasalen Volumen-
status ungeeignet!

jKontraindikationen für die ZVK-Anlage


4 relativ (abhängig von Zugangsweg)
5 erhöhte Blutungsneigung
5 ausgeprägte Hyperkoagulabilität
4 absolut
5 keine

jAllgemeine Komplikationen
4 Blutung und Hämatome . Abb. 2.8 Kontrolle der korrekten Lage des Katheters mit
4 arterielle Punktion (Hämatom, Gefäßläsionen: Hilfe des Alphacard-Systems (Fa. Braun)
Dissektion, Aneurysma, arteriovenöse Fistel)
4 Luftembolie, Führungsdrahtembolie 4 sichere Methoden
4 Verletzung umliegender Strukturen (Nerven- 5 Druckmessung über Kanüle mit Druck-
schäden) kurve! (bes. bei Shunt-Kindern)
4 Perforation der Vene, besonders V. subclavia,
! Je großlumiger der einzuführende Katheter
oder des rechten Ventrikels
(z. B. »Schockkatheter«), desto wichtiger die
4 Pneumo-, Hämato-, Infusionsthorax
sichere intravenöse Lage!
4 Chylothorax bei Punktion der V. subclavia
links mit Verletzung des Ductus thoracicus
4 katheterassoziierte Infektion Kontrolle der Katheterlage
4 Venenthrombose 4 wichtig ist die richtige Lage in der V. cava
4 Katheterfehllage superior (1–2 cm vor rechtem Vorhof)
4 Herzrhythmusstörungen 4 intrakardiale Elektrokardiographie (Alpha-
card-System) (. Abb. 2.8): EKG-Kurvenverlauf
beim Vorschieben o normale p-Welle bei
2.9.1 Praktisches Vorgehen Lage in V. cava superior o hohe p-Welle bei
Lage in Vorhof, danach wieder ≈2 cm zurück-
4 Kopftieflage bei Punktion der zentralen Venen ziehen bis normale p-Welle im EKG
4 steriles Vorgehen – wenn möglich Verwen- 4 Thoraxröntgen (Lagekontrolle, Ausschluss von
dung von Ultraschall zur Lokalisation der zu Komplikationen)
punktierenden Vene
! Bis zur Bestätigung der korrekten Lage aus-
4 Kontrolle der intravasalen (intravenösen) Lage
schließlich isotone Lösungen infundieren!
4 Einführen eines Führungsdrahtes nach der
Seldinger-Technik
2.9.2 Zugangswege
Kontrolle der intravasalen Lage
4 unsichere Methoden V. jugularis interna
5 Blutfarbe 4 Vorpunktion mit kleiner Kanüle (22 G) emp-
5 Druck/Fluss an der Punktionskanüle fehlenswert (. Abb. 2.9)
5 Farbvergleich: arteriell-venös 4 mittlerer Zugang: Punktion in Höhe des
5 Blutgaskontrolle Schildknorpels, lateral der A. carotis;
2.9 · Zentraler Venendruck (ZVD) – zentraler Venenkatheter (ZVK)
31 2

. Abb. 2.9a–c Katheterisierung der V. jugularis interna. a Verlauf der V. jugularis interna, b Punktion der Vene mit der Kanüle,
c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene

Kanüle parallel der A. carotis nach kaudal V. anonyma


vorschieben 4 lateraler Zugang: Punktion ≈2 cm oberhalb
4 spezifische Vorteile: der Clavicula und ≈2 cm lateral des medialen
5 hohe Erfolgsrate Ansatzes des M. sternocleidomastoideus
4 spezifische Nachteile: (durch lateralen Anteil) und lateral der V. jugu-
5 Punktion der A. carotis: Gefäßläsion laris externa). Kanüle in Richtung Jugulum
(Hämatom mit Gefahr der Kompression der vorschieben. Nach 1,5 bis max. 4 cm Punktion
Atemwege), Ablösen von Plaques mit der V. anonyma, danach zum Einbringen des
konsekutiven zerebralen Durchblutungs- Führungsdrahtes Kanüle evtl. in einen steileren
störungen Winkel bringen
5 Verletzung des Plexus brachialis 4 zentraler Zugang (Notfallzugang für Erfah-
5 zervikale Nervenschäden (Horner-Syn- rene): Punktion ≈1 cm oberhalb des Sterno-
drom, Phrenikusparese) klavikulargelenkes. Kanüle in 45°-Winkel nach
5 Vagusläsion medial und kaudal vorschieben. Punktion der
5 Pleurakuppenverletzung mit Pneumothorax V. anonyma nach 1,5 bis max. 4 cm
5 nicht bei Verdacht auf erhöhten Hirndruck 4 spezifische Vorteile:
(Abflussstörung?) 5 Zugang auch ohne spezielle Lagerung
5 keine beidseitigen Punktionsversuche ohne möglich
Thoraxröntgenkontrolle 5 Punktion auch im hypovolämischen Schock
5 bei linksseitiger Punktion zusätzlich möglich
– schwierigere Katheterplatzierung und er- 4 spezifische Nachteile:
höhte Gefahr der Gefäßverletzung durch 5 Katheterplatzierung oft schwieriger
Introducer wegen rechtwinkliger Ein-
mündung der V. subclavia V. subclavia
– Verletzung des Ductus thoracicus 4 infraklavikulärer Zugang: Punktion ≈1–2 cm
unterhalb der Clavicula am Übergang laterales
> Die rechte V. jugularis interna sollte im Drittel zu medialem Drittel oder Medioklavi-
Rahmen einer Herztransplantation zur post- kularlinie. Kanüle direkt unter Clavicula (Kno-
transplantationären Myokardbiopsie chenkontakt) in Richtung Jugulum vorschie-
geschont werden! ben (. Abb. 2.10)
32 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.10a–d Katheterisierung der V. subclavia. a Anatomische Fixpunkte zur Punktion der V. subclavia, b Punktion
der V. subclavia mit der Kunststoffkanüle, c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene,
d Fixierung des Katheters auf der Haut

4 spezifische Vorteile: 4 spezifische Nachteile:


5 Punktion ist auch im hypovolämischen 5 oft schwierigere Katheterplatzierung
Schock möglich über Einmündung in V. subclavia und
4 spezifische Nachteile: erhöhte Gefahr der Gefäßverletzung durch
5 Punktion der A. subclavia Introducer
5 Pneumo-, Hämato-, Infusionsthorax 5 häufig Fehllagen (o ipsilateraler Arm)
5 keine beidseitigen Punktionsversuche ohne
Thoraxröntgenkontrolle V. basilica, V. cephalica
5 bei ausgeprägtem Emphysemthorax nur als 4 spezifische Vorteile:
Ultima ratio 5 Punktion ist technisch einfach und
5 bei Thoraxtrauma/Thoraxeingriff ipsilate- komplikationsarm
rale Punktion 4 spezifische Nachteile:
5 links zusätzlich: Verletzung des Ductus 5 höhere Infektions-, Thrombosegefahr
thoracicus mit Chylothorax (Thrombophlebitis)
5 starke Beweglichkeit
V. jugularis externa 5 V. cephalica zusätzlich hohe Versagerquote
4 spezifische Vorteile: wegen rechtwinkliger Einmündung in V.
5 leichte und komplikationsarme Punktion axillaris
(wenn gut gefüllt)
2.9 · Zentraler Venendruck (ZVD) – zentraler Venenkatheter (ZVK)
33 2
V. femoralis
4 evtl. leichte Unterpolsterung des Beckens
4 Punktion unterhalb des Leistenbandes
4 IVAN: Innen – Vene – Arterie – Nerv
4 spezifische Vorteile:
5 technisch einfache Punktion
5 hohe Erfolgsrate . Abb. 2.11 Zentrale Venendruckkurve mit a-, c-,v- und x-,
4 spezifische Nachteile: y-Wellen
5 hohe Thromboserate
5 Infektionsgefahr
5 arterielle Fehlpunktion p und AV-Block Grad III o Fusion von a-
5 retro-, intraperitoneale Hämatome oder und c-Welle bei verkürzter PQ-Zeit
Darmperforation, wenn zu hohe Punktion 5 »Kanonen-a-Welle« bei AV-Dissoziation
oder junktionalem Rhythmus
4 c-Welle: durch Kontraktion der rechten Kam-
2.9.3 ZVD-Messung mer kommt es zur Trikuspidalklappenvorwöl-
bung und zum kurzfristigen Druckanstieg
4 bezogen auf das Niveau des rechten Vorhofs, 4 x-Welle: Vorhofdiastole (-erschlaffung) und
der sich in Höhe des Schnittpunktes von vor- Abwärtsbewegung der Klappenebene
derer Axillarlinie (3/5 des anterior-posterioren 4 v-Welle: rechtsatriale Füllung über die Hohl-
Thoraxdurchmessers) und der Senkrechten venen und ventrikuläre Systole
durch die Mammille befindet 5 hohe v-Welle bei Trikuspidalklappeninsuf-
fizienz, Rechtsherzversagen, Pericarditis
> Es wird empfohlen, bei ZVD-Messung über
constrictiva, Herzbeuteltamponade
einen Druckdom diesen ca. 5 cm unter
5 v-Maximum nach dem II. Herzton (Schluss
der Höhe des linken Sternumrands zu
der Aorten- und Pulmonalklappe)
platzieren!
4 y-Welle: Öffnung der Trikuspidalklappe, Rela-
4 Normwerte: 5 (0–10) mmHg (1 mmHg = xation des rechten Ventrikels und Ansaugen
1,36 cmH2O) des Blutes aus den Vorhöfen mit konsekutivem
4 ungeeignet zur absoluten Beurteilung des Abfall des Vorhofdruckes
intravasalen Volumenstatus; wichtiger als die
> W- oder M-Form der ZVD-Kurve (a-v: neuer
Messung von Absolutwerten ist die Verlaufs-
Plateaupunkt) bei Pericarditis constrictiva!
kontrolle
4 alternativ: intrathorakales Blutvolumen,
Schlagvolumenvariation, Pulsdruckvariation Einflussfaktoren für den ZVD
4 Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion, 4 zentrales Venenblutvolumen bzw. totales Blut-
v. a. als Verlaufsparameter (nur bei guter LVF volumen
mit EF >40 %) 4 (rechts-)kardiale Compliancestörungen, z. B.
Perikardtamponade
ZVD-Kurve 4 Trikuspidalklappenvitium
ZVD-Kurve mit 3 Druckmaxima (a, c, v) und 2 4 Arrhythmien
Druckminima (x, y) (. Abb. 2.11): 4 Beeinflussung des intrathorakalen Drucks
4 a-Welle: rechtsatriale Kontraktion (Verlust der (z. B. PPV, PEEP)
a-Welle und Prominenz der c-Welle bei Vor- 4 Beeinflussung des extrathorakalen Drucks
hofflimmern) (z. B. Aszites)
5 hohe a-Welle bei pulmonalem Hypertonus, 4 ZVD erhöht, z. B. bei
Trikuspidalklappenstenose, Pulmonalklap- 5 Hypervolämie
penstenose, rechtsventrikuläre Compliance 5 Rechtsherzversagen
34 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.12 Beziehung zwischen Herzzeitvolumen und globaler Sauerstoffversorgung. Das Herzzeitvolumen stellt eine
wichtige Determinante einer adäquaten zellulären Sauerstoffversorgung des Organismus dar

5 Globalherzversagen mit erniedrigtem HZV 4 PAK wird nach wie vor weltweit am häufigs-
5 Perikarderguss ten zur Bestimmung des HZV eingesetzt,
5 Spannungspneumothorax dennoch zunehmende Verbreitung weniger
5 PEEP invasiver Methoden zur HVZ-Bestimmung
(. Tab. 2.4)
> Bei Beatmung mit hohen PEEP-Werten
(> 10 mmHg) muss der gemessene ZVD-Wert
um ca. ein Drittel des PEEP-Wertes nach
2.10.2 Nichtkalibrierte
unten korrigiert werden; bei PEEP-Werten
Pulskonturanalyse
<10 mmHg ist dagegen in der klinischen Pra-
xis eine Korrektur nur selten erforderlich.
4 z. B. FloTrac-Sensor und Vigileo-Monitor
4 ZVD erniedrigt, z. B. bei (Fa. Edwards Lifesciences)
5 Hypovolämie 4 Pulskonturanalysesystem ohne externe
5 Schock Kalibration
5 hohes HZV
Messprinzip
4 Berechnung des Schlagvolumens aus dem Puls-
2.10 Messung des Herzzeitvolumens druck (Differenz zwischen systolischem und
(HZV; CO) diastolischem Blutdruck) und einer mathemati-
schen Analyse der arteriellen Druckkurve (zur
2.10.1 Physiologische Grundlagen Bestimmung der mechanischen Eigenschaften
der arteriellen Gefäße):
4 Herzzeitvolumen als wichtige Determinante
HZV = HF × σ AP × χ
einer adäquaten zellulären Sauerstoffversor-
gung des Organismus 5 HF: Herzfrequenz
4 adäquates Sauerstoffangebot (. Abb. 2.12) 5 σAP: Standardabweichung des arteriellen
4 inadäquates Sauerstoffangebot und daraus Blutdrucks, gemessen mit 100 Hz über 20 s
resultierende Sauerstoffschuld o eine der 5 χ: Konstante zur Quantifizierung von
Hauptursachen für erhöhte Morbidität und arteriellem Widerstand und Compliance
Mortalität bei Intensivpatienten 4 in Konstante χ fließen Patienteninformatio-
4 relevante Gewebshypoperfusion auch bei nen (Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht) und
adäquatem mittlerem Blutdruck möglich o arterielle Kurvencharakteristika ein (mathe-
Monitoring des HZV zur Abschätzung des matische Analyse u. a. von Schiefe und Wöl-
globalen Sauerstoffangebots bung)
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
35 2

. Tab. 2.4 Übersicht über aktuelle minimalinvasive Techniken zur HZV-Messung. (Adaptiert nach Hofer et al. 2012)

Technik Geräte Annahmen Kontinuierliche Material


(Beispiele) Algorithmus Messung

Pulswellenanalyse

Kalibiert PiCCOplus SC = Fläche unter der systo- 3-Sekunden-Intervall Femoralarterienkatheter


lischen arteriellen Druck- mit Thermistor + ZVK
kurve (Wesseling)

EV1000/ SV ≈ FloTrac + Wesseling 20-Sekunden-Intervall Femoralarterienkatheter


VolumeVIEW mit Thermistor + ZVK

LiDCOplus SV ≈ Netto-Energie Beat-to-beat Lithiuminjektion/


(Energieerhaltung) Detektionsset

Nicht PulsioFlex SV ≈ nach Wesseling? 3-Sekunden-Intervall? Spezieller Drucksensor


kalibiert

FloTrac/ SV ≈ Pulsdruck/Zeit × 20-Sekunden-Intervall Spezieller Drucksensor


Vigileo Spez. Kalibrationsfaktor (Patient-
Drucksensor und Wellenanalyse)

Nichtinvasiv Nexfin SV ≈ arterieller Druck/Zeit Beat-to-beat Zeit-Chip-Karte


(3-Element-Impedanz-
Modell = Modellflow)

Doppler

Ösophageal Deltex SV ≈ aortaler Blutfluss × Eingeschränkt (Platzie- Spezielle Doppler-


CardioQ aortale Querschnittsfläche rungsprobleme) sonden

Transthorakal USCOM SV ≈ Fluss über Aorten/ Möglich Spezielle Sonden


Pulmonalisklappe × Klap-
penöffnungsfläche

Bioimpedanz und Bioreaktanz

Bioimpedanz BioZ SV ≈ thorakale Impedanz- Kontinuierlich Thorakale Elektroden


änderung

Bioreaktanz NICOM SV ≈ Frequenz der Kontinuierlich Thorakale Elektroden


Impedanzänderung

Anwendung Fick-Prinzip

Partielle CO2- NICO SV ≈ Fick-Prinzip auf CO2 3-Minuten-Zyklus Rückatmungsschleife


Rückatmung angewendet CO2 + Flusssensor

4 nach Überarbeitung der zugrunde liegenden 4 FloTrac-Sensor kann an jeden beliebigen


Software-Algorithmen mittlerweile gute arteriellen Zugang konnektiert werden
Genauigkeit in der CO-Bestimmung 4 kein ZVK notwendig
4 . Tab. 2.5 zeigt eine Übersicht der Normalwerte
jNachteile
jVorteile 4 Artefakte in der Pulskurve beeinflussen Messung
4 geringe Invasivität; nur arterieller Zugang und 4 eingeschränkte Interpretierbarkeit bei
kein ZVK notwendig Arrhythmien
4 keine externe Kalibrierung notwendig 4 frühe Softwareversionen ungeeignet zur Mes-
(minütliche mathematische Autokalibration) sung niedriger CO-Werte bei niedrigem SVR
36 Kapitel 2 · Monitoring

5 dPmax, CPI
. Tab. 2.5 Normalwerte der Vigileo-Messung
5 DO2,VO2, O2ER (in Kombination mit kon-
Herzfrequenz HF 60–80/min tinuierlicher Messung der SvO2)
2 Blutdruck RR 100–140 mmHg (syst.)

60–90 mmHg (diast.) 2.10.3 Kalibrierte Pulskonturanalyse


70–105 (mitt.)
PiCCO-System (Pulse Contour Cardiac
Schlagvolumen SV 60–100 ml Output, Fa. Pulsion Medical Systems
Schlagvolumenindex SVI 33–47 ml/m2 GmbH)
Herzzeitvolumen CO 4,0–8,0 l/min
Messprinzip
4 PiCCO-System vereint die transpulmonale
Herzindex CI 2,5–4,0 l/min/m²
Thermodilution (Kalibrierung!) mit der Puls-
Systemvaskulärer Wider- 900–1400 dyn × s × cm-5 konturanalyse
stand SVR
4 benötigte Ausstattung: ZVK sowie spezieller
Systemvaskulärer Wider- 1700–2400 dyn × s × arterieller Katheter mit Thermistor (A. femo-
standindex SVRI cm-5/m2 ralis bzw. A. axillaris/A. brachialis) o weniger
Stroke volume variation <10–15 % invasiv als PAK!
SVV
Transpulmonale Thermodilution
4 Berechnung des HZV nach Injektion von 20 ml
Neuentwicklungen eiskalter Kochsalzlösung in den rechten Vorhof
4 ProAQT-Sensor als Komponente des mit Hilfe des Stewart-Hamilton-Prinzips
PulsioFlex-Monitorings (Fa. Pulsion Medical (Extrapolation von Rezirkulationsphäno-
Systems) menen; Mittelwert aus 3 Messungen):
4 Messung basierend auf dem PiCCO-Puls-
kontur-Algorithmus HZV =
(TB − Tinj)×Vinj ×k

4 integrierter Signalindikator im Sensor zur ∑ ΔTB (t)dt
Vermeidung von Fehlmessungen bzw. inkor- 0

rektem Nullabgleich 5 TB: Bluttemperatur (Thermistor)


4 automatische Startwertbestimmung: 5 Tinj: Injektattemperatur (»Inline-Tempera-
ausgehend von Patientendaten und Details turfühler« am ZVK)
der arteriellen Druckkurve wird ein Startwert 5 Vinj: Injektatvolumen
für das Herzindex-Trend-Monitoring be- 5 K: Berechnungskonstante
stimmt ∞
4 kontinuierliche Herzindexmessung: Die Puls- 4 ∑ ΔTB (t)dt
0
kontur der arteriellen Druckkurve wird konti-
nuierlich analysiert und daraus der HI-Trend Fläche unter der arteriellen Thermodilutions-
ermittelt kurve (Integral des Temperaturverlaufs über
4 optional manuelle Kalibrierung: Um die die Zeit)
Genauigkeit des Herzindex-Monitorings zu 4 Validität und Reliabilität der transpulmonalen
erhöhen, kann ein z. B. mittels TEE gemessener Thermodilution vergleichbar mit pulmonalar-
Wert für eine manuelle Kalibrierung eingeben terieller Thermodilution (klinischer Goldstan-
werden dard, s. u.)
4 verfügbare Parameter: 4 zusätzlich Erfassung zahlreicher volumetri-
5 CITrend , CIcal, SVI scher Parameter möglich (. Abb. 2.13)
5 SVV, PPV (Volumenreagibilität) 4 die mittlere Transitzeit wird anhand der Kety-
5 SVRI, MAP Schmid-Formel (mtt: Zeit bis zu der 50 % des
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
37 2

. Abb. 2.13 Schematische Darstellung der Mischkammern . Abb. 2.14 Druckkurvenverlauf


im kardiopulmonalen System

. Tab. 2.6 PiCCO-Messwerte


Indikators den Messort erreicht hat) wird
folgendermaßen bestimmt: Transpulmonaler Herzindex 3,0–5,0 l/min/m2

Vd Pulmonaler Blutvolumenindex 150–200 ml/m2


mtt =  PBV
V
Globaler enddiastolischer 680–800 ml/m2
Volumenindex GEDVI
5 mtt: mittlere Transitzeit
5 Vd: Verteilungsvolumen Intrathorakaler Blutvolumen- 850–1000 ml/m2
5 V: Durchfluss index ITBVI

4 die Umformung der obigen Gleichung ergibt: Totaler Blutvolumenindex TBV 2500–3200 ml/m2
5 Vd = mtt × CO bzw. ITBV = mtt × CO Extravaskulärer Lungenwasser- 3,0–7,0 ml/kg
– EVLW = ITTV 4 ITBV index EVLWI
– EVLW: extravaskuläres Lungenwasser
Pulmonalvaskulärer Permeabi- 1,0–3,0
– ITTV: intrathorakales Thermovolumen litätsindex PVPI
– ITBV: intrathorakales Blutvolumen
Kardialer Funktionsindex CFI 4,5–6,5 l/min
5 PTV = CO × dst
– PTV: pulmonales Thermovolumen Globale Auswurffraktion GEF 25–35 %
– dst: Abklingrate Pulskontur-Herzindex PCCI 3,0–5,0 l/min/m2
5 ITTV 4 PTV = GEDV
Schlagvolumenindex SVI 40–60 ml/m2
– GEDV: globales enddiastolisches Volu-
men Schlagvolumenvariation SVV <10–15 %
5 ITBV = 1,25 × GEDV (428,4) Pulsdruckvariation PPV <10–15 %
– ITBV wird von Gerät berechnet; ITBV ist
Systemvaskulärer Widerstands- 1700–2400
die Summe von extravaskulärem Lungen- index SVRI dyn*s*cm-5
wasser und intravasalem Blutvolumen

Pulskonturanalyse 4 Kalibration initial bei Messbeginn und bei je-


4 Bestimmung des Schlagvolumens »beat-to- der Änderung des vaskulären Tonus (z. B. nach
beat« aus der arteriellen Druckkurve (mod. veränderter Katecholamintherapie), da sonst
Wesseling-Algorithmus). . Abb. 2.14 gibt den unzureichende Genauigkeit der Pulskontur-
Druckkurvenverlauf wieder analyse
4 Fläche unter dem systolischen Abschnitt der 4 da Änderungen des vaskulären Tonus im in-
arteriellen Druckkurve direkt proportional tensivmedizinischen Bereich häufig unbemerkt
zum ausgeworfenen Schlagvolumen erfolgen, empfehlen sich Rekalibrationsinter-
4 Schlagvolumen ebenfalls abhängig von aortaler valle von 1 h
Compliance o Kalibration mittels transpul- 4 . Tab. 2.6 zeigt die verschiedenen PiCCO-
monaler Thermodilution notwendig Messwerte mit ihren Referenzbereichen
38 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.15 PiCCO-Therapieentscheidungen. Kat Katecholamine, V+ Volumengabe, V– Volumenentzug

Bedeutung der PiCCO-Messwerte 4 Patienten mit IABP


4 ITBVI bzw. GEDVI als Maß der kardialen 4 ausgeprägte kardiale Herzrhythmusstörungen
Vorlast; korrelieren signifikant besser mit dem 4 SVV und PPV-Messung nur unter kontrollier-
aktuellen Volumenstatus als der ZVD bzw. der ter mechanischer Ventilation (mit normalen/
PAOP erniedrigten Tidalvolumina!) bei Sinusrhyth-
4 EVLWI als Maß für die »Feuchtigkeit« der mus verwertbar
Lunge 4 SVV und PPV zur Beurteilung der Hypervolä-
mie ungeeignet
> Der pulmonale Wassergehalt steigt bei Herz-
4 relativ hohe Katheterkosten
insuffizienz, Sepsis, Pneumonie, Intoxikation,
4 Fehlmessung bei Zustand nach Pneumektomie
Verbrennung etc. Berücksichtigung dieses
(ITBV überschätzt, EVLW unterschätzt) bzw.
Parameters bei der Therapie des Intensiv-
bei aortalem Aneurysma (ITBV und GEDV
patienten verringert das Lungenödem, die
überschätzt)
Beatmungstage und letztendlich auch die
Therapiekosten! Therapieplanung und -entscheidung
4 CFI als Maß der kardialen Kontraktilität in mittels PiCCO
Abhängigkeit von der Nachlast (CFI = CI/ . Abb. 2.15 gibt Therapieempfehlungen auf Grund-
GEDVI) lage gemessener PiCCO-Werte wieder.
4 PVPI zur Differenzierung eines hydrostatischen Zahlreiche Untersuchungen deuten darauf hin,
von einem Permeabilitätslungenödem (PVPI = dass sich die Einbeziehung des EVLWI in intensiv-
EVLW/PBV) medizinische Therapieschemata positiv auf das Out-
come von Intensivpatienten auswirken könnte. So
Limitationen der PiCCO-Anwendung ergab sich beispielsweise bei herzchirurgischen Pati-
4 signifikante Aorteninsuffizienz enten, dass die Steuerung des Volumenmanage-
4 intrakardiale Shunts ments über PiCCO-Parameter im Sinne einer »goal-
4 periphere Gefäßerkrankung directed therapy« im Vergleich zur Therapiesteue-
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
39 2

. Abb. 2.16 »Goal-directed therapy« nach Goepfert. GEVDI global-enddiastolischer Volumenindex (ml/m²), EVLWI extra-
vaskulärer Lungenwasserindex ( ml/kg), CI Herzindex (l/min/m²), MAP mittlerer arterieller Druck (mmHg), HR Herzfrequenz
(Schläge/min), SM Schrittmacher. (Adaptiert nach Goepfert et al. 2006)

rung nach ZVD und MAP zu einem geringeren entsprechend dem Massenerhaltungsgesetz o
Katecholaminbedarf, einer verkürzten Beatmungs- Rückschluss auf das Schlagvolumen
dauer und zu einer verkürzten Intensivliegezeit füh- 4 Kalibration des Systems zur Bestimmung
ren kann (Goepfert et al. 2006, . Abb. 2.16)! der arteriellen Compliance mit Hilfe der
transpulmonalen Lithiumverdünnungs-
LiDCO (Lithium Dilutions Cardiac methode
Output)-Messung 4 gute klinische Übereinstimmung mit pulmo-
4 Kombination aus Lithiumverdünnung und nalarterieller Thermodilution (PAK)
Analyse des arteriellen Blutdrucksignals 4 in Deutschland bislang nicht weit verbreitet
(LiDCOplus-Monitor mit arteriellem Li- 4 LiDCOrapid-System: Analyse der Pulse Power
Sensor; Fa. LiDCO Ltd., Cambridge, London, ohne Kalibration mittels Li-Dilution o bislang
UK) nicht ausreichend validiert

Messprinzip Praktisches Vorgehen


4 im Gegensatz zur Pulskonturanalyse keine 4 Injektion von 0,3 mmol Lithiumchlorid in
Analyse der Morphologie der arteriellen Blut- periphere Vene (oder ZVK)
druckkurve, sondern Berechnung der so ge- 4 Aufzeichnung der Lithiumverdünnungskurve
nannten Pulse Power mittels Autokorrelation mittels einer an einen beliebigen arteriellen
40 Kapitel 2 · Monitoring

jNachteile
. Tab. 2.7 Normalwerte von LiDCO
4 maximal zulässige Li-Tageshöchstdosis beträgt
Herzfrequenz HF 60–80/min 3 mmol o Beschränkung der Zahl der Kalibra-
2 Blutdruck RR 100–140 mmHg (syst.)
tionen
4 Muskelrelaxanzien stören Li-Messungen o
60–90 mmHg (diast.) Kalibration vor bzw. 15–30 min nach Gabe die-
70–105 (mitt.) ser Substanzen
4 kontraindiziert bei Körpergewicht <40 kg und
Schlagvolumen SV 60–100 ml
Schwangerschaft im 1. Trimenon
Schlagvolumenindex SVI 33–47 ml/m2 4 Messungen unter Li-Dauertherapie nicht ver-
Herzzeitvolumen CO 4,0–8,0 l/min wertbar
Herzindex CI 2,5–4,0 l/min/m²
4 eingeschränkte Verwendbarkeit unter IABP
4 eingeschränkte Interpretierbarkeit bei
Systemvaskulärer Widerstand 900–1.400 dyn × s
Arrhythmie
SVR × cm–5

Systemvaskulärer Wider- 1.700–2.400 dyn × s Neuentwicklungen


standindex SVRI × cm–5/m2
4 klinische Plattform EV1000 (Fa. Edwards Life-
Systolic pressure variation <5 mmHg Sciences) mit VolumeView-System (arterieller
SPV Katheter, Thermistor, VolumeView-Sensor)
Pulse pressure variation PPV <10–15 % 4 SV wird über den FloTrac-Algorithmus (s. u.)
Stroke volume variation SVV <10–15 %
geschätzt und mittels transpulmonaler Ther-
modilution kalibriert
Sauerstoffangebot DO2 950–1150 ml/min
4 verfügbare hämodynamischen Parameter
Sauerstoffangebotsindex DO2I 500–600 ml/min/m2 5 kalibriertes Herzzeitvolumen CO
Intrathorakales Blutvolumen 850–1000 ml/m2 5 kalibriertes Schlagvolumen SV
ITBV 5 systemischer vaskulärer Widerstand SVR
5 Schlagvolumenvariation SVV
5 Schlagvolumenindex SVI
Katheter angeschlossenen Li-sensitiven 4 verfügbare volumetrische Parameter
Elektrode 5 extravaskuläres Lungenwasser EVLW
4 Berechnung des HZV anhand der Stewart- 5 pulmonalvaskulärer Permeabilitätsindex
Hamilton-Gleichung (s. o.) PVPI
4 Erhöhung der Genauigkeit des Systems durch 5 globales enddiastolisches Volumen GEDV
Verwendung des Mittelwerts aus 3 Lithiumver- 5 globale Auswurffraktion GEF
dünnungsmessungen bzw. häufige Rekalibra-
tionen Die neuesten Entwicklung auf dem Gebiet der hä-
4 in . Tab. 2.7 sind die LiDCO-Messwerte aufge- modynamischen Überwachung stellen Plattformen
listet. dar, die modular aufgebaut sind und es ermöglichen,
je nach Risikoprofil ein individuell angepasstes
jVorteile Herz-Kreislauf-Monitoring mit ansteigender Inva-
4 gering invasiv; lediglich peripherer Venen- sivität und Genauigkeit einzusetzen (z. B. EV 1000,
katheter und arterieller Zugang notwendig Fa. Edwards LifeSciences; PulsioFlex-System, Fa.
4 Parameter des funktionellen hämodynami- Pulsion Medical Systems). Darüber hinaus ermög-
schen Monitorings (Schlagvolumen- und Puls- lichen diese Systeme die Kombination von (nicht-)
druckvariation) erfassbar kalibrierter CO-Überwachung und kontinuierli-
4 LiDCOrapid: keine Kalibrierung notwendig; cher Messung der SvO2 (PreSep Oxymetrie-Kathe-
Li-Gabe mit potenziellen Nebenwirkungen ter, Fa. Edwards LifeSciences; CeVOX-System, Fa.
entfällt Pulsion Medical Systems) bzw. der Plasmaver-
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
41 2
schwinderate von Indocyaningrün (LIMON-Sys- 5 kontinuierliche Registrierung der gemischt-
tem, s. u.) zur Abschätzung der Leberfunktion. venösen Sättigung

PAK bei Kindern


2.10.4 Pulmonalarterienkatheter 4 Kinder <5 kg o 4-F-Thermodilutionskatheter
4 Kinder >5 kg o 5,5-F-Thermodilutions-
Historie der Pulmonalarterienkatheter katheter mit Fiberoptik, femoral eingeführt
1897 Stewart beschreibt erstmals die Indikatordilution und radiologisch kontrolliert
zur Bestimmung des Blutflusses
1913 Henriques verwendet Thiozyanat als Indikator jIndikationen
1929 Erster Rechtsherzkatheter im Selbstversuch durch 4 Eindeutige Indikationen im Sinne der »evi-
Forßmann
dence based medicine« existieren nach gegen-
1930 Erste wissenschaftliche Abhandlung über die
arterielle Pulskonturanalyse durch Frank wärtiger Datenlage nicht; es können daher
1932 Weiterentwicklung der Messmethode durch Ha- lediglich Anwendungsempfehlungen ausge-
milton durch Einführung der monoexponentiellen sprochen werden.
Extrapolation 4 Eine aktuelle Metaanalyse (13 Studien,
ca. 1940 Cournand entwickelt den klassischen Rechtsherz- 5686 Patienten) kommt zu dem Schluss, dass
katheter; Dexter beschreibt erstmals die pulmonal-
kapilläre Wedgeposition des Rechtsherzkatheters
der Einsatz eines PAK bei kritisch Kranken
1970 Klinische Einführung des klassischen PAK durch weder die Mortalität noch die Aufenthalts-
Swan und Ganz dauer auf der Intensivstation bzw. im Kran-
kenhaus sowie die Therapiekosten signifikant
Katheterarten beeinflusst.
2-lumiger PAK (5 Charr.) 4 . Tab. 2.8 gibt eine Übersicht über einige der
4 distales Messlumen oder Chandler-Sonde zur wichtigsten Pulmonalarterienkatheterstudien
Schrittmacherstimulation o »Paceport«-PAK der vergangenen Jahre.
4 Lumen mit Latexballon (kurz oberhalb des dis-
talen Lumens) Potenzielle Einsatzmöglichkeiten für
den PAK (. Tab. 2.9)
4-lumiger PAK (7 Charr.) 4 intraoperative Überwachung
4 distales Lumen: 5 kardiale Hochrisikopatienten mit hohen
5 Druckmesslumen (PAP und PCWP) Volumenumsätzen, zu erwartenden großen
5 Entnahme von gemischtvenösem Blut Blutverlusten oder Aortenabklemmung
4 Ballonlumen (z. B. TAAA, AAA)
4 Thermistorelektrode (etwa 5–6 cm proximal 5 schwere Herzinsuffizienz (Stadium III–
der Katheterspitze) IV NYHA)
5 Messung des Herzzeitvolumens (HZV) 5 Myokardinfarkt vor <6 Monaten
5 Lumen mit Öffnung 25–30 cm proximal der 5 Phäochromozytom
Spitze (Öffnung ca. in Höhe des rechten 5 große Lebereingriffe
Vorhofes, V. cava superior) 5 kontrollierte Hypotonie und gleichzeitig
5 Messung des zentralen Venendruckes (ZVD) schwere Lungenerkrankung
5 herzchirurgische Eingriffe mit extrakorpo-
5-lumiger PAK (7,5 Charr.) ralem Kreislauf bei Patienten mit schlechter
4 zusätzliches Lumen mit Öffnung 20–25 cm Ventrikelfunktion, schwerer Linksherzinsuf-
proximal der Spitze (Öffnung im rechten fizienz (LVEF: <30 %, LVEDP >20 mmHg),
Ventrikel) Hauptstammstenose, Infarktanamnese,
5 Messung des RVP KHK und Klappenvitium, pulmonaler Hy-
5 Infusionsweg (z. B. Katecholamine, Kalium) pertonie, IHSS, Mitralklappenvitium (ggf.
5 bzw. Glasfiberoptik zur distalen Spitze LA-Katheter), ggf. bei Herztransplantation
42 Kapitel 2 · Monitoring

. Tab. 2.8 Studienübersicht Pulmonaliskatheter

Autor Referenz Patientenkollektiv Patienten- Mortalität Signifikanz


2 anzahl (vs. Kontrollgruppe)

Rhodes et al. ICM 2002 Schock/Oligurie/ n=201 28-Tage-Mortalität: p>0,09


Beatmung 47,9 % vs. 47,6 %

Sandham et al. NEJM 2003 ASA III–IV n=1994 Krankenhausmortalität p=0,93


7,8 % vs. 7,9 %

Richard et al. JAMA 2003 Schock/ARDS n=676 28-Tage-Mortalität: p=0,67


59,4 % vs. 61 %

Harvey et al. Lancet 2005 Gemischtes Kollektiv n=1041 Krankenhausmortalität: p=0,39


68 % vs. 66 %

Binanay et al. JAMA 2005 Herzinsuffizienz n=421 180-Tage-Mortalität: p=0,35


höheren Grades 10 % vs. 9 %

4 akute Linksherzinsuffizienz und akuter


. Tab. 2.9 Vor- und Nachteile der verschiedenen
Myokardinfarkt PAK-Zugangswege
5 Steuerung der Therapie bei Schock/arteriel-
ler Hypotonie Periphere V. basilica, V. cephalica, V. jugularis
5 schwere akute Linksherzinsuffizienz (»Low- Venen externa
output«-Syndrom) Vorteile Gefahrlose Punktion
5 schwere Rechtsherzinsuffizienz
Nachteile Probleme beim Vorschieben
5 ggf. bei Verdacht auf akute Mitralinsuffi- Starke Beweglichkeit
zienz oder Septumperforation (sofern kein Höhere Infektions-, Thrombosegefahr
Echokardiogramm zur Verfügung steht) (Thrombophlebitis)
5 Therapiekontrolle (Volumen, Katechola- Zentrale V. jugularis interna, V. subclavia
mine, IABP) Venen
4 schwere Schockzustände Vorteile Sichere Platzierung
5 Differenzialdiagnostik
Nachteile Verletzung zentraler Strukturen
5 Überwachung bei kardiogenem oder
Nachblutungen
septischem Schock Hämato-, Pneumothoraxgefahr
5 hypovolämischer Schock mit gleichzeitiger
linksventrikulärer Dysfunktion
5 behandlungsrefraktärer anaphylaktischer
Schock
4 Sepsis 5 Überwachung des PAOP bei nicht-kardio-
5 kontinuierliches hämodynamisches gen bedingtem Lungenödem
Monitoring 5 Kontrolle der Volumen- und Katecholamin-
5 Überwachung der Volumen- und Katecho- therapie
lamintherapie im Verlauf 4 akute Lungenembolie (auch Verdacht)
5 Ausschluss einer kardialen Insuffizienz 4 Herzbeuteltamponade (nur wenn Echo-
4 akutes Lungenversagen kardiographie nicht verfügbar!)
5 Differenzierung zwischen respiratorischem 4 kardiologische Diagnostik
und kardialem Funktionsversagen (PAOP) 4 (Rechts-)Herzkatheteruntersuchung vor be-
5 bei persistierender ausgeprägter Herz- stimmten Herzoperationen bzw. in der Kinder-
Kreislauf-Instabilität kardiologie
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
43 2
4 perioperative Ischämiedetektion (Sensitivität ! Beim Vorschieben über die rechte V. sub-
von 83 %, Spezifität 60 %) clavia kommt es gelegentlich zum Abknicken
des Katheters hinter dem Introducer o
Die PAK-Indikationen nach den Practice Guide- Gefahr von Fehlmessungen!
lines for Pulmonary Artery Catheterization der
American Society of Anesthesiologists (ASA; Roi- Anlage des PAK
zen et al. 2003) und des American College of Car- Legen des Introducers (»Schleuse«;
diology (ACC; Müller et al. 1998) sind: 8,5–9,0 F) in Seldinger-Technik
4 Diagnostik und Therapie des (kardiochirurgi- 4 Einführen des Introducers in Seldinger-Tech-
schen) Hochrisikopatienten nik unter sterilen Bedingungen
4 Patient mit ausgeprägtem Low-cardiac-output- 4 Komplikationen analog zur ZVK-Anlage
Syndrom 4 Überprüfung der intravenösen Lage besonders
4 Patient mit pulmonalem Hypertonus wichtig, da großlumiger Introducer eingeführt
4 zur Differenzierung zwischen schwerer rechts- wird
oder linksventrikulärer Dysfunktion! 4 Methoden (vgl. ZVK)

jKontraindikationen Einschwemmen des PAK (. Abb. 2.17)


4 absolut 4 kontinuierliches EKG-Monitoring
5 Latexallergie (aber: latexfreie PAK mittler- 4 Kontrolle des Ballons (1,5 ml Luft), nachdem
weile verfügbar!) der Katheter durch die sterile Schutzhülle
5 Trikuspidal- oder Pulmonalstenose geschoben wurde, und Spülung sämtlicher
5 Tumor oder Thromben im rechten Atrium Lumen
oder Ventrikel 4 Verbindung des distalen Lumens mit dem
5 verschiedene Herzfehler (»single ventricle«) Druckdom und Nullabgleich
5 Rechtsherzendokarditis 4 Einführen des Katheters in den Introducer bis
5 Vorhandensein eines Trikuspidal- oder Blut aspirabel (etwa 15–20 cm bei zentralen
Pulmonalklappenersatzes Wegen, 50 cm bei peripheren Wegen), Luftbla-
4 relativ sen aspirieren und erneut durchspülen, danach
5 Blutungsneigung Blocken des Ballons
5 ausgeprägte Hyperkoagulabilität 4 1,5 ml Luft im Ballon o Entfaltungsdruck von
5 hämodynamisch wirksame, medikamentös 475–1050 mmHg, Plateaudruck von 220–
nicht kontrollierbare ventrikuläre Herz- 500 mmHg!
rhythmusstörungen 4 langsames Vorschieben des Katheters mit
5 Überleitungsstörungen geblocktem Ballon unter Kontrolle der Druck-
5 Patienten mit höhergradigem Aortenvitium kurve (etwa 45–60cm bei zentralen Wegen,
(bei Auslösung von Kammerflimmern 80–85 cm bei peripheren Wegen)
während der Anlage schlechter Reanima- 4 erneuter Nullabgleich und Messung
tionserfolg) 4 ggf. Lagekontrolle durch Thoraxröntgen
(Hämato-, Pneumothorax, Schlingen-, Kno-
> Die Anwendung eines PAK innerhalb der
tenbildung)
ersten Wochen nach Anlage eines transvenö-
4 Zurückziehen des Katheters nur mit entblock-
sen Schrittmachers sollte vermieden werden
tem Ballon (Gefahr der Verletzung intra-
(Dislokationsgefahr der Schrittmacherson-
kardialer Strukturen)
den)! Die rechte V. jugularis interna sollte im
Rahmen von Herztransplantationen mit Hin- > Die Möglichkeit der kardiopulmonalen
blick auf zukünftige Myokardbiopsien ge- Reanimation (Defibrillation!) muss gegeben
schont werden! sein!
44 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.17a–d Druckkurven beim Einführen des Pulmonaliskatheters. a Rechter Vorhof in rechten Ventrikel; b rechter Ven-
trikel in Pulmonalarterie; c Pulmonalarterie zur Wedgeposition (Ballon geblockt); d Wedgeposition zur Pulmonalarterienposi-
tion (Ballon entblockt)

Risiken und Komplikationen


Positionierungsschwierigkeiten Kammerflimmern, da der hypertrophierte
4 Introducer liegt zu tief bzw. im falschen Gefäß Ventrikel besonders sensibel ist (die Reani-
oder wird durch Clavicula eingeengt mation ist wegen der schlechten Koronar-
4 geringer Blutfluss zum Herz (Katheter schwer perfusion besonders schwierig und häufig
einschwemmbar) o mögliche Abhilfe: Dis- erfolglos)!
konnektion des Patienten von der Beatmung
bzw. Anheben der Beine und Kopftieflagerung
bzw. Steigerung der RV-Kontraktilität durch
Injektion von 10 %iger Kalziumlösung über das Komplikationen bei der Punktion
distale Lumen o erhöhter venöser Rückstrom 4 vgl. ZVK
zum rechten Herzen!
4 pulmonaler Hypertonus, Vitien Komplikationen durch den PAK
4 Arrhythmien durch Katheter: Vorhofflim-
mern, SVES, VES, Blockbilder usw. (30–60 %),
Gefahren beim Pulmonaliskatheter
gefährliche Arrhythmien (0–7 %)
5 Mitralstenose: erhöhte Gefahr der Pulmo-
4 Lungeninfarkt durch Dauerwedge, Throm-
nalarterienruptur, da durch persistierende
beneinschwemmung (0–1,3 %)
pulmonale Hypertonie sklerosierte, starre
4 Thrombenbildung am Katheter
Gefäße!
4 Thrombophlebitis (0–60 %)
5 Mitralinsuffizienz: erhöhte Gefahr der int-
4 Verschlingung, Knotenbildung, Katheter-
rapulmonalen Gefäßperforation, da durch
annaht bei bestimmten kardiochirurgischen
offene Mitralklappe Wedgekurve erschwert
Eingriffen (selten!)
zu erkennen ist und Katheter evtl. zu weit
4 Pulmonalarterienruptur (0–0,2 %, Letalität:
vorgeschoben wird!
50 %)
5 Aortenstenose: erhöhte Gefahr schwer-
5 Ursache: Ballonruptur, Spontanperforation
wiegender Rhythmusstörungen bis hin zum
in Hypothermie
6 5 Klinik: Husten, Dyspnoe, Hämoptysen,
Schock
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
45 2
PAK auf der Grundlage von Kälte- oder inter-
. Tab. 2.10 PAK-Normalwerte
mittierenden elektrischen Wärmeboli
Mittlerer zentraler Venendruck (CVP) 0–8 mmHg 4 Berechnung nach der Stewart-Hamilton-Glei-
chung bzw. deren Modifikation
Mittlerer rechtsatrialer Druck (RAP) 0–8 mmHg

Rechtsventrikulärer Druck (RVP) 15–30/0– kV1(TB/T1)k


HZV =
– systolisch/diastolisch 8 mmHg
σ TB(t)dt
Pulmonalarterieller Druck (PAP) 15–30/4–
– systolisch/diastolisch 12 mmHg 5 K: Konstante
– Mitteldruck 9–16 mmHg
5 V1: Injektatvolumen
Pulmonalarterieller Verschlussdruck 2–12 mmHg 5 TB Bluttemperatur vor Injektion
(PAOP bzw. »Wedgedruck«) 5 T1 Injektattemperatur
Herzzeitvolumen (CO) Variabel 5 σTB (t)dt: Flächenintegral der durch Kälte-
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung 75 %
bolus hervorgerufenen Temperaturände-
(SvO2) rung
4 Prinzip: Nach Injektion einer Indikatorsubstanz
Rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion 40–50 %
(RVEF)
in den Blutstrom ist die Blutflussrate an einem
stromabwärts gelegenen Punkt der mittleren
Körperkerntemperatur (T) 36,5–37,5 °C
Indikatorkonzentration indirekt proportional
4 die Fläche unter der Thermodilutionskurve ist
umgekehrt proportional zum Herzminuten-
5 Diagnose: Thoraxröntgen (Kontrastmittel volumen (große Fläche = kleines HZV)
in Katheter) 4 kontinuierliches HZV-Monitoring (CCO-
5 Therapie: Kreislaufstabilisierung und sofor- Monitoring) durch intermittierende elektrische
tige operative Versorgung (extrem schlechte Wärmeboli (z. B. Vigilance-System, Fa.
Prognose bei fulminanter Blutung) Edwards)
4 Endokardläsionen, v. a. Pulmonalklappe 4 Erfassung rechtsventrikulärer Parameter mit
(53 %), Endokarditis (7 %) Hilfe so genannter »Fast-response-Thermisto-
4 Infektionen (zeitabhängig) bis zum 3. Tag ge- ren«: EKG-getriggerte Erfassung kleinster
ringe Inzidenz (ca. 3–5 %), ab dem 4. Tag deut- Temperaturschwankungen (innerhalb 50–
lich ansteigend o 24- bis 36-stündige Pause 100 ms), Darstellung diastolischer Plateaus im
bis zum erneuten Legen eines PAK; aufsteigenden Teil der Thermodilutionskurve
max. Liegezeit daher: 5 Tage; in Ausnahme- und Berechnung von RVEF und RVEDV
fällen: 7 Tage
Fehlerquellen und Störfaktoren der HZV-
> Ein liegender PAK muss stets mit einer Druck- Messung (Thermodilutionsmethode)
kurve überwacht werden (Gefahr des Spon-
4 Injektionsort nicht korrekt (z. B. außerhalb des
tanwedge). Ist eine Überwachung mittels
rechten Vorhofs)
Druckmonitor nicht möglich (z. B. Transport),
4 zu langsame Injektatgeschwindigkeit (Bolus
sollte er um 1–2 cm zurückgezogen werden!
sollte innerhalb 2–4s appliziert werden, ggf.
Injektionspumpe)
Messungen mittels PAK 4 zu kleines Injektatvolumen und gleichzeitig
4 . Tab. 2.10 zeigt verschiedene PAK-Normal- niedriges HZV (Unterschätzung des HZV um
werte, . Tab. 2.11 berechnete Parameter bis zu 30 %)
4 zu hohe Temperatur des Injektats (>20°C)
Messung des Herzzeitvolumens (HZV) 4 Injektionszeitpunkt (endexspiratorisch)
4 »golden standard« in der klinischen Praxis: 4 Anzahl der Messungen (Empfehlung: Mittel-
modifizierte Thermodilutionstechniken mit wert von 3 HZV-Messungen)
46 Kapitel 2 · Monitoring

. Tab. 2.11 Berechnete Parameter

Systemarterieller Gefäßwiderstand (SVR) 900–1400 dyn × s × cm–5


2 SVR = 79,9 × (MAP–CVP)/CO
Pulmonalarterieller Gefäßwiderstand (PVR) 150–250 dyn × s × cm–5
PVR = 79,9 × (mPAP–PAOP)/CO

Körperoberfläche (BSA)
BSA = Gewicht [kg]0,425 × Größe [cm]0,725 × 0,007184

Herzindex (CI) 2,5–4,2 l/min/m2


CI = CO/BSA

Schlagvolumen (SV) 80 ml
SV = CO/HF

Schlagvolumenindex (SI) 30–65 ml/m2


SI=SV/BSA

Linksventrikulärer Schlagarbeitsindex (LVSWI) 44–64 g × m/m2


LVSWI=SI × (MAP–PAOP) × 0,0136

Rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex (RVSWI) 7–12 g × m/m2


RVSWI=SI × (mPAP–CVP) × 0,0136

Arterieller Sauerstoffgehalt (CaO2) 180 ml/l


CaO2=SaO2 × Hb × 1,34+PaO2 × 0,003

Gemischtvenöser Sauerstoffgehalt (CvO2) 130 ml/l


CvO2=SvO2 × Hb+1,34+PvO2 × 0,003

Arteriovenöse Sauerstoffgehaltsdifferenz (avDO2) 30–50 ml/l


avDO2=CaO2–CvO2

Sauerstoffangebot (DO2) 640–1400 ml/min


DO2=CO × CaO2 × 10

Sauerstoffverbrauch (VO2) 180–280 ml/min


VO2=CO × avDO2 × 10

Sauerstoffextraktionsrate (ER-O2) 22–30 %


ER-O2=avDO2/CaO2

Pulmonalvenöse Beimischung (Qs/Qt) <3–5 %


Qs/Qt = (CalvO2–CaO2)/(CalvO2–CvO2)

Pulmonalkapillärer hydrostatischer Druck (Pcap) 5–12 mmHg (Gaar-Formel)


Pcap=PAOP+0,4 × (mPAP–PAOP)

HF Herzfrequenz (in Schlägen/min); Hb Hämoglobingehalt (in g/dl); PaO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck (in mmHg);
PvO2 gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruck (in mmHg); SaO2 arterielle Sauerstoffsättigung (in %); CalvO2 alveolärer
Sauerstoffgehalt (in ml/l); CVP zentralvenöser Druck (in mmHg); MAP mittlerer systemarterieller Druck (in mmHg);
mPAP mittlerer pulmonalarterieller Druck (in mmHg); PAOP pulmonalarterieller Okklusionsdruck (in mmHg); CO Herz-
zeitvolumen (in l/min)

4 klinische Störgrößen: 5 intrakardiale Shunts: HZV wird fälsch-


5 Trikuspidalklappeninsuffizienz: HZV licherweise zu hoch gemessen (unabhängig
wird infolge der Regurgitation in den rech- von der Shuntrichtung)
ten Vorhof fälschlicherweise zu niedrig 5 Rhythmusstörungen
gemessen (Temperaturkurve mit flacher 5 Sinustachykardie >140/min (unzureichende
Amplitude und verlängerter Zeit) Indikatormischung)
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
47 2

. Abb. 2.18 Prinzip der Wedgedruckmessung. Part Druck in den Pulmonalarteriolen; Pven Druck in den Pulmonalvenolen;
Palv alveolärer Druck. (Aus Zink et al. 2001)

5 Arrhythmia absoluta (keine homogene lichen statischen Blutsäule bis zum sog.
Indikatormischung) »j-Punkt« (vorhofnaher Bereich, in dem sich
5 Katheterthrombus okkludierte und nichtokkludierte Segmente
5 inkorrekte Lage des Katheters (Thermistor vereinigen)
liegt der Pulmonalarterienwand an oder in 4 enddiastolisches Angleichen von PAOP und
West-Zone I/II) pulmonalvenösem, linksatrialen sowie links-
4 nach Tuman wird doch sehr oft bei intraopera- ventrikulären Druck o jetzt: LVEDP = PAOP
tiv liegendem PAK keine HZV-Messung (Messung eines Druckwerts über eine stati-
durchgeführt! Da die rote Kappe am Pulmona- sche, nichtkomprimierbare Blutsäule »durch
liskatheter nicht entfernt wird, spricht er vom die Lunge hindurch«; . Tab. 2.13; . Abb. 2.18)
»red cap syndrome« 4 Frank-Starling-Prinzip: linksventrikuläres
Schlagvolumen abhängig von Vorlast
Grundlagen der Wedgedruckmessung (= linksventrikuläres enddiastolische Volumen
(= pulmonalarterieller Verschlussdruck) LVEDV)
4 3 Zonen nach West (. Tab. 2.12), funktionell 4 bei konstanter linksventrikulärer Compliance:
definiert anhand des Verhältnisses von regio- LVEDV und LVEDP direkt proportional o
nalem pulmonalarteriellen, pulmonalvenösen PAOP als Schätzwert der Vorlast
und alveolären Druck zueinander
> Zone-III-Bedingungen nach West sind uner-
4 Zone III: pulmonalarterieller und -venöser
lässlich für eine korrekte Messung des PAOP!
Mitteldruck zu jedem Zeitpunkt größer als
alveolärer Druck o kontinuierlicher Blutfluss
4 »Wedge«-Position: Okklusion eines mittel- PAOP-Wellen
großen Asts der Pulmonalarterie durch aufge- 4 a-Welle: Vorhofkontraktion
blasenen Ballon 4 c-Welle: Vorwölbung der AV-Klappe (Mitral-
4 Sistieren des Blutflusses in distalem Gefäß- klappe)
segment und Ausbildung einer kontinuier- 4 v-Welle: Füllung des Vorhofs
48 Kapitel 2 · Monitoring

. Tab. 2.12 West-Zonen

Zone I pA > pa > pv Alveolardruck > pulmonal-arterieller Druck > pulmonal-venöser Druck
2 Zone II pa > pA > pv Pulmonal-arterieller Druck > Alveolardruck > pulmonal-venöser Druck

Zone III pa > pv > pA Pulmonal-arterieller Druck > pulmonal-venöser Druck > Alveolardruck

. Tab. 2.13 Enddiastolische Druckverhältnisse bei pulmonalarterieller Okklusion

Pulmonaler Widerstand Atemwegswiderstand Mitralklappe Compliance linker Ventrikel

p p p p

PA =~ PAOP =~ LAP =~ LVEDP =~ LVEDV

Anmerkung: Voraussetzungen für die Gültigkeit der oben genannten Beziehung:


1. kein pulmonaler Hypertonus
2. keine mechanische Ventilation
3. kein Mitralvitium
4. normale Ventrikel-Compliance

4 pathologische v-Welle bei Mitralinsuffizienz Störgrößen bei der Messung des PAOP
und Stenose, ausgeprägter Linksherzinsuffi- 4 intrapulmonale Druckschwankungen (invasive
zienz oder Myokardischämie Beatmung) o Messungen immer endexspira-
4 nur bei Katheterspitzenlage in der Zone III torisch bei niedrigstem intrathorakalen Druck
nach West entspricht der PAOP dem LAP, da o cave: (Auto-)PEEP
hier ein ununterbrochener Fluss zwischen 4 Verkleinerung der Zone III unter Beatmung o
distaler PA-Katheteröffnung und linkem Vor- eher Messung des intraalveolären Drucks
hof garantiert ist. Meist kommt er auch dort zu 4 Klappenvitien
liegen, da er in der Regel dem größten Blutfluss 4 Rhythmusstörungen (ausgeprägte Tachykardien,
folgt absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern etc.)
4 ein akuter Anstieg des PAOP bzw. die Verän- 4 Veränderungen der linksventrikulären Com-
derungen der PAOP-Wellen (hohe a-, c- und v- pliance (z. B. unter Katecholamintherapie)
Welle) können ein Frühzeichen von Myokar-
dischämien oder einer drohenden Ischämiege- PAOP > LVEDP
fahr sein. Diesen Veränderungen gehen selten 4 Mitralstenose (aufgrund des Gradienten über
EKG-Veränderungen voraus (ST-Senkung in der Stenose)
Ableitung V5 tritt erst verzögert auf) oder 4 ausgeprägte mitrale Regurgitation
diese sind nicht im EKG zu erkennen (Ablei- 4 PEEP-Beatmung (ab ca. 10 cmH2O), intrinsi-
tung II). scher PEEP (z. B. umgekehrtes Atemzeitver-
hältnis) bzw. erhöhter intrathorakaler Druck
! Das Fehlen von Änderungen des PAOP 4 COPD
schließt eine Myokardischämie jedoch nicht 4 deutliche Tachykardie
aus! 4 Lage außerhalb der West-Zone III
4 Patienten mit ausgeprägter respiratorischer
Störung (Konstriktion der kleinen Venen in
hypoxischen Lungenarealen)
2.10 · Messung des Herzzeitvolumens (HZV; CO)
49 2

. Tab. 2.14 Differenzialdiagnose des Low-output-Syndroms

Wedgedruck bei der Differenzialdiagnose des Low-output-Syndroms

Ursache des Low-output ZVD PAOP Diast. PAP

Hypovolämie Erniedrigt Erniedrigt Erniedrigt

Linksherzinsuffizienz Normal oder erhöht Erhöht Erhöht

Rechtsherzinsuffizienz Erhöht Normal Normal

Pulmonale Hypertonie Erhöht Normal Erhöht (> PCWP)

Lungenembolie Erhöht Normal Erhöht (> PCWP)

Globalherzinsuffizienz (Herztamponade) Erhöht Erhöht Erhöht

PAOP < LVEDP einem transösophageal platzierten Trans-


4 Aorteninsuffizienz (vorzeitiger Schluss der ducer
Mitralklappe) 4 Liegedauer bis zu einigen Tagen möglich
4 verminderte pulmonale Gefäßstrombahn
(Embolie, Pneumonektomie) Messprinzip
4 verminderte Ventrikelcompliance (Aorten- 4 vom Schallkopf ausgestrahlten Schallwellen
insuffizienz, Myokardischämie, Vasodilatoren, werden durch die sich bewegenden Erythrozy-
Kardiomyopathie) ten mit einer veränderten Frequenz reflektiert
(Doppler-Effekt); Frequenzverschiebung ist da-
> Mit Hilfe von ZVD, PAOP sowie diastolischem
bei proportional zur Blutflussgeschwindigkeit.
PAP können Rückschlüsse auf die Ursache
4 Bestimmung des Schlagvolumens (SV):
der hämodynamischen Störung gezogen
5 Beat-to-beat-Analyse des maximalen Fluss-
werden (. Tab. 2.14).
Zeit-Integrals (»stroke distance«)
Besonders die Erfassung von Veränderungen im 5 Querschnittsfläche der Aorta descendens:
zeitlichen Verlauf (PAOP, HZV, SVR, PVR) unter Aortenradius wird entweder Nomogram-
entsprechenden therapeutischen Maßnahmen (Vo- men entnommen, die auf Alter, Geschlecht,
lumengabe, Vasodilatatoren, Katecholamine) stei- Größe und Gewicht des Patienten basieren
gert den Wert des PAOP als Überwachungsgröße (CardioQ, Deltex Medical Group, Chiches-
der linksventrikulären Vorlast! ter, West Sussex, England) oder aber mit-
tels M-Mode (HemoSonic, Arrows, Rea-
ding, PA, USA)
2.10.5 Weitere Methoden zur Messung 5 Korrekturfaktor, der den Blutfluss in der
des Herzzeitvolumens Aorta descendens in das totale Herzzeitvo-
lumen umrechnet, da das Blutflussvolumen
Ösophageale Doppler-Sonde zu den supraaortalen Gefäßen und Koro-
4 nichtinvasives Verfahren zur kontinuierlichen nararterien nicht gleichzeitig erfasst wird
HZV-Messung (minus ca. 30 % des HZV)
4 Doppler-Verfahren zur Messung des aortalen T
Blutflusses bereits seit den 1970er Jahren im SV = CSA×K× ∫ VAO(t)dt
Einsatz 0

4 Bestimmung der Blutflussgeschwindigkeit – CSA: Querschnittsfläche der Aorta


in der thorakalen Aorta descendens mit descendens
50 Kapitel 2 · Monitoring

4 nichtinvasive Methode zur Bestimmung des


HZV (z. B. Aesculon; Fa. Osypka)

2 Der Thorax stellt hierbei einen Zylinder dar, dessen


basale Zirkumferenz in Höhe des Xiphoids liegt.
Der Zylinder hat eine elektrische Länge, die der
Distanz zwischen Hals- und Xiphoidbasis ent-
spricht. Ein konstanter hochfrequenter Strom (20–
100 kHz) mit einer niedrigen Amplitude (1–5 mA)
wird über 2 außerhalb des Zylinders liegende Elek-
troden appliziert (. Abb. 2.20). Über 2 weitere Elek-
troden wird dann der Spannungsabfall abgegriffen.
Anschließend erfolgt die Berechnung der auf der
. Abb. 2.19 Korrelationsdarstellung der HZV-Messung zwi-
spezifischen Widerstandsgröße des Thorax beru-
schen Thermodilutions- und transösophagealer Doppler-
Messmethode. (Adaptiert nach Janssen 2000)
henden Impedanz.

Bioreactance
– K: Korrekturfaktor (=1,43) 4 Weiterentwicklung der Bioimpedanz
– T: Integral der maximalen Flussgeschwin- 4 im Gegensatz zur Bioimpedanz Verwendung
digkeit während der kardialen Ejektion von Veränderungen des elektrischen Frequenz-
(»stroke distance«) spektrums als Signal (anstelle von Amplituden-
4 üblicherweise mittelt der Monitor das veränderungen des elektrischen Stroms)
Schlagvolumen von 10 Herzschlägen und 4 Hypothese: Verwendung des elektrischen
multipliziert diesen Wert mit der Herzfrequenz Frequenzspektrums o Reduktion von Signal-
4 gute Korrelation zwischen Thermodilutions- artefakten und höhere »signal-to-noise ratio«
HZV und HZV-Messung mittels transösopha- 4 erste Resultate vielversprechend, jedoch wei-
gealer Doppler-Messung (. Abb. 2.19) tere Erfahrungen in verschieden klinischen
Situationen erforderlich
Limitationen 4 Limitationen: ausgeprägte Volumenshifts,
4 Messgenauigkeit abhängig von: pulmonale und thorakale Veränderungen und
5 Sondenposition Interferenz
5 Korrekturfaktor zur rechnerischen 4 mit anderen elektrischen/elektronischen Gerä-
Kompensation des Blutflusses in den ten, z. B. Elektrokauter im OP
supraaortalen Gefäßen
5 dynamischen Veränderungen des aortalen Indirekte kalorische Messung
Diameters 4 z. B. Deltatrac Metabolic Monitor
4 Validität des Verfahrens bei hämodynamisch 4 Anwendung des Fick’schen Prinzips:
instabilen Patienten ist nicht hinreichend un- VO2 = avDO2 × QL
tersucht 5 VO2 = O2-Aufnahme
5 avDO2 = arteriovenöse O2-Gehaltdifferenz
jKontraindikationen 5 QL= Lungenperfusion ≈ HZV
4 kein Einsatz bei Ösophaguserkrankungen/ 5 venöses Blut muss aus A. pulmonalis sein
wachen Patienten (invasiv)
5 DO2 = caO2 × HZV (Norm: 900–1200 ml/
Bioimpedanz min)
4 Messung von Veränderungen des intrathora- 4 HZV =
VO 2
kalen Volumens durch thorakale elektrische avDO2
Bioimpedanz
2.11 · Echokardiographie
51 2

. Abb. 2.20a,b Bioimpedanz. a Schematische Darstellung der Elektrodenposition. b Darstellung des EKG, der thorakalen
Impedanzveränderung (Z), Rate der Impedanzveränderung (dZ/dt) und der Herzgeräusche (S1 und S2). Die a-Welle tritt wäh-
rend der Vorhofkontraktion, die c-Welle während der ventrikulären Ejektion, die o-Welle während der ventrikulären Füllung
auf. B kennzeichnet den Beginn des schnellen dZ/dt-Anstiegs, X den positiven Spitzenwert von dZ/dt, der mit dem Aorten-
klappenschluss assoziiert ist. Die Differenz zwischen Punkt B und C wird gemessen (dZ/dtmin) und gemeinsam mit der ventri-
kulären Ejektionszeit (VET) zur Berechnung des Schlagvolumens verwendet. (Adaptiert nach Janssen 2000)

caO2 = SaO2 × caHb × 1,34 + paO2 × 0,003


2.11.1 Einführung
(Norm: 19 ± 1 ml/dl)
Die zweidimensionale Echokardiographie – sowohl
Ventrikulographie transthorakal (TTE) als auch transösophageal
4 sehr genau (TEE) – wird intensivmedizinisch immer häufiger
4 sehr invasiv (Herzkatheterlabor!) sowohl zur Analyse der kardialen Anatomie und
Funktion als auch zur Akutdiagnostik bei hämody-
namischer Instabilität eingesetzt.
2.11 Echokardiographie
> Derzeit existiert kein anderes Monitoring-
Verfahren, das so rasch und genau die
Historie der Echokardiographie
notwendige therapeutische Intervention
ab 1970 Erste Gastroskope mit Schallwandlern zur öso-
erkennen lässt sowie den Therapieerfolg
phagealen Anwendung
1981 Technische Grundlagen für bildgebende Schall- quantifiziert!
sonden (Franzin, Hisanaga, DiMagno, Hanrath,
Schüler)
ab 1980 Einsatz bei beatmeten (Intensiv-)patienten
2.11.2 Anwenderqualifikation
(Cremer, Cahalan, Heinrich, Roewer)
Die Beurteilung eines mittels transthorakaler/trans-
ösophagealer Echokardiographie erhobenen Unter-
52 Kapitel 2 · Monitoring

suchungsergebnisses ist komplex und setzt einen 5 Beurteilung der Klappen(-prothesen-)funk-


qualifizierten Anwender voraus (kontinuierliche tion
Ausbildung unter Supervision). 5 Ischämiedetektion bei Hochrisikopatienten
2 Gefordert werden daher: mit kardialer Anamnese
4 Kenntnisse von erworbenen und angeborenen 5 Beurteilung der kardialen Füllung
Herzkrankheiten und den damit verbundenen 5 Abklärung spezieller Verdachtsdiagnosen
hämodynamischen Veränderungen (z. B. Lungenembolie, Myokardkontusion,
4 Erfahrung in der gepulsten, der kontinuierli- Perikardtamponade, Aortendissektion oder
chen und der Farbdopplertechnik -ruptur etc.)
4 Kenntnisse und praktische Erfahrungen in der 4 spezielle Fragestellungen
Handhabung des transösophagealen Schall- 5 Beurteilung der Klappenfunktion
kopfes sowie dessen Einführung in den Öso- 5 Beurteilung der Prothesenfunktion (bei
phagus und den Magen unter besonderer Be- herzchirurgischen Patienten)
rücksichtigung der Indikation, Kontraindikati- 5 Abklärung des Verdachts auf Endokarditis
on und Risiken der Technik 5 Abklärung spezieller kardialer Pathologien
(z. B. intrakardiale Shunts)
jIndikationen 5 Suche nach kardialer Emboliequelle/vor
4 kardiochirurgische Eingriffe (TEE) Kardioversion bei Vorhofflimmern
5 Beurteilung von Klappenrekonstruktionen 4 Bedside-Monitoring
5 Beurteilung der Korrektur kongenitaler 5 Kontraktilität bzw. Ejektionsverhalten
Vitien 5 kardialer Volumenstatus
5 Erkennung paravalvulärer Leckagen bei 5 Herzzeitvolumen (diskontinuierlich)
Klappenprothetik
5 Abklärung der intraoperativen hämodyna- jKontraindikationen
mischen Instabilität 4 Ösophagus- bzw. Fundusvarizen
5 Kreislaufüberwachung vor/nach extra- 4 fortgeschrittene Lebererkrankung
korporaler Zirkulation 4 Gerinnungsstörungen (relativ)
5 Früherkennung myokardialer Ischämien 4 Ösophagustumoren, -strikturen, -fistel,
5 Luftdetektion intravasal (z. B. nach/ -kompressionen
während Herz-Lungen-Maschine) 4 kurz zurückliegende Magen-/Ösophagus- und
5 Lokalisation aortaler Plaques vor Kanülie- Larynxoperation
rung
5 Beurteilung des Operationsergebnisses bei jKomplikationen und Nebenwirkungen
intrakavitären Raumforderungen 4 Würgereflexe und ein hoher Speichelfluss bei
5 Beurteilung zentraler Gefäßanastomosen wachen Patienten
4 nichtkardiochirurgischen Eingriffe 4 Bronchospasmus
5 Überwachung kardialer Hochrisiko- 4 Hypoxie (selten!)
patienten 4 ventrikuläre Tachykardie, Asystolie, Vorhof-
5 Überwachung von Patienten bei Eingriffen flimmern, AV-Block III. Grades, Angina pecto-
mit hohem Risiko einer hämodynamischen ris (selten!)
Entgleisung 4 orale/ösophageale Blutungen
5 Foramen-ovale-Diagnostik (z. B. bei neuro- 4 Verletzungen von Zähnen, Speiseröhre, Kehl-
chirurgischen Eingriffen) kopf und Magen
5 Erkennung von Luftembolien (Eingriffe in 4 Aspiration
sitzender Position!) 4 Aryknorpelluxation
4 Intensiv- und Notfallmedizin
5 Evaluierung und Funktionsdiagnostik bei
allgemeiner Kreislaufinstabilität
2.11 · Echokardiographie
53 2

. Abb. 2.21 TEE-Standardschnittebenen. MÖ mittösophageal, HÖ hoch ösophageal, TG transgastrisch, mitpap. mitpapillär,


MK Mitralklappe, AK Aortenklappe, Einfluss-Ausflusstr. Einfluss- und Ausflusstrakt, RV rechter Ventrikel, LV linker Ventrikel, A.
asc. Aorta ascendens, A. desc. Aorta descendens, A. bog. Aortenbogen. (Adaptiert nach ASE/SCA Guidelines for Performing a
Comprehensive Intraoperative Multiplane Transesophageal Echocardiography Examination 1999)

2.11.3 Untersuchungsgang 4 . Abb. 2.22 zeigt beispielhaft, wie im Rahmen


einer TEE-Untersuchung alle 20 Standard-
> Grundsätzlich sollte bei jeder echokardiographi- einstellungen erhalten und beurteilt werden
schen Untersuchung eine standardisierte Rei- können
henfolge der Einstellung von Standardschnitt- 4 je nach Fragestellung ggf. Ergänzung der
ebenen (. Abb. 2.21) eingehalten werden. Untersuchung durch Farbdoppler, Pulsed
54 Kapitel 2 · Monitoring

. Abb. 2.22 Standardisierter Untersuchungsgang mit den 20 TEE-Standardschnittebenen. (Adaptiert nach Toronto General
Hospital 2008)

Wave(PW)-Doppler bzw. Continuous orientierende echokardiographische Basis-


Wave(CW)-Doppler zur Beurteilung der untersuchung notwendig
Klappenfunktionen

2.11.5 Befunde bei hämodynamischer


2.11.4 Notfallechokardiographie Instabilität

4 Beginn der Untersuchung wenn möglich 4 global eingeschränkte linksventrikulärer


transthorakal (weniger invasiv) Funktion
4 wenn keine eindeutige Ursache erkennbar 5 großer LV mit träger Kontraktion (ESA >
(z. B. schlechte Schallbedingungen bei beatme- EDA)
ten Patienten) o TEE mit häufig besserer 5 Reduktion der Indizes der globalen LV-
Abbildungsqualität (enge anatomische Bezie- Funktion (EF bzw. FAC)
hung zwischen Ösophagus und kardialen 5 ggf. linksventrikuläre Dilatation
Strukturen!) 5 verminderte Wanddicke (enddiastolisch
4 im Gegensatz zur differenzierten kardiologi- <9 mm)
schen Untersuchung ist bei Patienten mit 5 reduzierte oder fehlende systolische Wand-
akuter hämodynamischer Instabilität nur eine verdickung (<50 % Verdickung)
2.11 · Echokardiographie
55 2
5 reduzierte zentripetale Bewegung 5 relevant sind v. a. neu aufgetretene RWBS o
5 evtl. vergrößertes LA mit Rechtsverlagerung Referenzuntersuchung und Dokumentation
des interatrialen Septums erforderlich (z. B. präoperativ)
5 ggf. dilatationsbedingte Mitralklappen- 5 im Kurzachsenblick nachgewiesene Wand-
regurgitation bewegungsstörungen müssen im 2-und
4 eingeschränkte rechtsventrikuläre Funktion 4-Kammer-Blick reproduziert werden
5 RV-Dilatation mit reduzierter systolischer (häufig falsch-positive Befunde!)
Wandverdickung (RV evtl. spitzenbildend) 4 Volumenmangel
5 reduzierte oder fehlende systolische Wand- 5 systolische Pseudoobliteration des LV-
verdickung Kavums (»kissing papillaries«)
5 reduzierte zentripetale Bewegung 5 Pseudohypertrophie des LV (Wand erscheint
5 evtl. vergrößertes RA mit Linksverlagerung durch kleines Kavum hypertrophiert)
des interatrialen Septums 5 kleiner, hyperkontraktiler LV (enddiasto-
5 evtl. signifikante Trikuspidalregurgitation lische Fläche <5,5 cm2/m2 KOF)
5 ggf. Bestimmung des Verhältnisses zwi- 5 Differenzierung absoluter/relativer Volu-
schen rechts- und linksventrikulärer end- menmangel: Bestimmung von EDA und
diastolischer Fläche (leichte bis mäßige ESA des LV (Planimetrie in kurzer Achse)
rechtsventrikuläre Dilatation häufig uner- und Berechnung der »fractional area chan-
kannt): ge« (FAC) als Maß für die systolische Funk-
Ratio >0,6: mäßige RV-Dilatation (nur sicher tion des linken Ventrikels. Aus Vergleich
pathologisch bei paradoxer Septumbewe- von EDA, ESA und FAC Differenzierung
gung) zwischen absolutem und relativem Volu-
Ratio >1: schwere RV-Dilatation menmangel möglich (EDA normal, ESA
5 paradoxe Septumbewegung bei rechtsvent- reduziert, FAC vergrößert bei relativer
rikulärer systolischer Volumenüberladung Hypovolämie; ESA und EDA reduziert, FAC
(Verlängerung der rechtsventrikulären unverändert bei absoluter Hypovolämie)
Systole mit Septumshift nach links im
Moment der beginnenden linksventriku-
lären Diastole) 2.11.6 Herzklappenvitien
5 ggf. Nachweis zentraler Thromben in der
Pulmonalarterie bei Lungenembolie (Cave: 4 Aorteninsuffizienz (AI)
kein Ausschluss der Diagnose bei feh- 5 diastolischer Insuffizienzjet, ausgehend von
lendem Thrombusnachweis!) der Aortenklappe in den linken Ventrikel
4 regionale Wandbewegungsstörungen (akute AI meist bei Aortendissektion bzw.
(RWBS) nach Trauma)
5 bei Nachweis von RWBS hochgradiger 5 bei akutem Verlauf meist keine (ausgepräg-
Verdacht auf koronare Perfusionsstörung te) linksventrikuläre Dilatation; Abnahme
(RWBS noch vor EKG-Veränderungen!) des effektiven SV; starke Zunahme des LVE-
5 je deutlicher die Reproduzierbarkeit des DP (LV arbeitet somit auf dem deutlich in-
Befundes in verschiedenen Schnittebenen, effektiveren steilen Abschnitt der Frank-
desto wahrscheinlicher ist diese Diagnose Starling-Kurve!)
einer akuten Myokardischämie 5 bei chronischem Verlauf immer LV-Dilata-
5 unterscheide Hypokinesie, Akinesie, tion und Hypertrophie; häufig Dilatation
Dyskinesie der regionalen Wandabschnitte des Mitralklappenrings mit einer zusätzli-
(»16-Segment-Modell«) chen MI
5 Zuordnung der Wandbewegungsstö- 4 Aortenstenose (AS)
rungen zu den einzelnen Koronargefäßen 5 turbulenter systolischer Fluss in der aszen-
möglich! dierenden Aorta, von Klappe ausgehend
56 Kapitel 2 · Monitoring

5 verkalkte Aortenklappe mit distaler Schall- 5 bei distaler Dissektion (nach Abgang der
auslöschung linken Kopf-Hals-Gefäße) Intima-Flap in
5 konzentrische LV-Hypertrophie bei chroni- deszendierender Aorta mit Trennung von
2 scher Druckbelastung bei hämodynami- wahrem und falschem Lumen
scher Instabilität 4 Aortenruptur
5 meist akute Dekompensation einer chroni- 5 Diagnose einer Aortenruptur (z. B. nach
schen AS (neu aufgetretene akute Aorten- schwerem Dezelerationstrauma) grundsätz-
stenose unwahrscheinlich!) lich mittels Spiralangio-CT
5 bei Dekompensation einer chronischen AS 5 bei sehr instabilen polytraumatisierten
dilatierter LV (Vorwärtsversagen!) Patienten im Schockraum ggf. Echokardio-
5 zusätzlich evtl. dilatationsbedingte MI graphie-TEE zur primären Diagnostik (kei-
(Rückwärtsversagen!) ne Diagnosestellung mit TTE möglich!)
4 Mitralinsuffizienz (MI) 5 Prädilektionsstelle: Übergang vom Bogen
5 systolischer Insuffizienzjet in den linken zur deszendierenden Aorta (Fixierung der
Vorhof, ausgehend von der Mitralklappe Aorta über das Lig. arteriosum)
5 akute MI des Intensivpatienten häufig bei 5 Intimalappen in Aorta descendens (mit-
ischämiebedingter Papillarmuskeldysfunk- ösophagealer Blick), der zwar frei flottieren
tion bzw. durch Klappenringdilatation kann, jedoch meist regional eng umschrie-
infolge linksventrikulärer Volumenüberla- ben ist
dung; seltener infarkt- oder traumabedingte 5 bei klinischem Verdacht auf Aortenruptur
Sehnenfaden- oder Papillarmuskelausrisse ohne Nachweis eines Intima-Flaps weiter-
mit oder ohne Prolaps der Klappensegel führende Diagnostik bei einem Abstand der
5 LV-Kontraktilität in der Frühphase der aku- Sonde bis zum Beginn der Aorta descen-
ten MI häufig normal oder sogar gesteigert, dens von mehr als 7 mm, da in diesem Fall
im weiteren Verlauf aber Anstieg des LVE- von einer schweren Aortenverletzung aus-
DP und LV-Dilatation (keine Hypertro- zugehen ist
phie!), Lungenödem und kardiogener 5 evtl. Nachweis eines begleitenden hämor-
Schock rhagischen Pleuraergusses
5 chronische MI zumeist bei degenerativen
Veränderungen des Klappenapparats mit
Sklerosierung bzw. Verkalkungen o chro- 2.11.7 Pleuraergüsse
nischen Volumenüberladung mit linksvent-
rikulärer Dilatation und Hypertrophie, pro- 4 grundsätzlich immer Begutachtung der Pleura-
grediente Abnahme der LV-Kontraktilität. räume bei echokardiographischen Untersu-
In der Spätphase Anstieg des LVEDP mit chungen
LA-Dilatation und LV-Dekompensation be- 4 schwarze »Tigerklaue« mit Spitze nach links
reits bei geringem Nachlastanstieg bzw. nach rechts
4 Aortendissektion 4 atelektatische Lunge (echoreiche Struktur) ist
5 die Ursachen der hämodynamischen Insta- häufiger Begleitbefund (cave: Verwechslung
bilität bei akuter Aortendissektion leiten mit Lebergewebe auf der rechten basalen
sich aus spezifischen Komplikationen ab Thoraxhälfte!)
(Herzbeuteltamponade, akute AI, Verlegung
der Koronarostien, Hämatothorax, Hämato-
mediastinum) 2.12 Körpertemperatur
5 bei proximaler Dissektion (Beginn ab
Aortenklappenebene) flottierende Dissek- jIndikationen
tionsmembran in der aszendierenden Aorta 4 kritsch kranke Patienten auf der Intensiv-
sowie ggf. Zeichen der akuten AI station
2.14 · Überwachung der Leberfunktion (LiMON-System, Fa. Pulsion)
57 2
4 Patienten mit erhöhtem Risiko zur Hypo- 2.13.1 Transurethraler Blasenkatheter
thermie (Säuglinge, Neugeborene, Verbren-
nungspatienten, ältere Patienten, Rücken- 4 Einmalkatheterisierung (postoperativ bei
marktrauma) Blasenentleerungsstörungen)
4 langdauernde Eingriffen 4 Dauerkatheter (DK)
4 Infektionsmonitoring
4 kontrollierte Hypothermie Kontraindikationen
4 Verdacht auf maligne Hyperthermie 4 bestehende Infektionen (Urethritis, Prostatitis,
Epididymitis)
jMessorte 4 bestehende Via falsa
4 rektal (entspricht nicht exakt der Kerntempe- 4 relativ: bestehende Enge (Striktur, Prostata-
ratur, ist abhängig von Wärmebedingungen im vergrößerung)
Darm und reagiert sehr träge. Unter kontrol-
lierter Hypothermie gleicht sie eher der peri- Komplikationen
pheren Temperatur) 4 Via falsa
4 nasopharyngeal (Messwerte etwas unter der 4 Harnröhreneinriss
Kerntemperatur) 4 Infektion
4 pulmonalarteriell über Pulmonaliskatheter, 4 Strikturbildung
entspricht der zentralen Kerntemperatur
> Beim traumatisierten Patienten oder anam-
(Cave: Zufuhr kalter Infusionslösungen)
nestischen Problemen o Einführung des DK
4 ösophageal (unteres Viertel, korreliert gut mit
durch den Urologen, ggf. Cystofix-Anlage.
der Kerntemperatur, außer bei Thorakotomie)
4 tympanisch (stimmt am besten mit der zereb-
ralen Kerntemperatur überein; Gefahr der 2.13.2 Suprapubischer Blasenkatheter
Trommelfellperforation, daher kontaktfreie
Messung) 4 präoperativ
4 Blase (über Temperatursonde eines speziellen 4 intraoperativ
Blasenkatheters)
jKomplikationen
4 Blutung
2.13 Urinausscheidung 4 Verletzung von Darmanteilen
(Blasenkatheter) 4 Infektion (lokal, Peritonitis)

jIndikationen
4 Überwachung der Nierenfunktion und 2.14 Überwachung der Leberfunktion
(indirekt) des HZV bzw. des Perfusionsdrucks
4 notwendige Bilanzierung, z. B. bei Herzinsuffi- jGrundlagen
zienz 4 Applikation einer bestimmten Menge an
4 Messung des intraabdominellen Drucks über Indocyaningrün, das an Albumin sowie α1-
spezielle transurethrale Blasenkatheter! Lipoprotein gebunden wird und nach hepati-
scher Aufnahme nicht-metabolisiert mit der
! Strenge Indikationsstellung der Katheter-
Galle bei fehlendem enterohepatischem Kreis-
anlage aufgrund der Gefahr von Harnröhren-
lauf ausgeschieden wird.
strikturen und nosokomialen Harnwegsinfek-
4 Die Aufnahme der Indikatorsubstanz Indocya-
tionen!
ningrün ist von dem Blutfluss, der zellulären
Aufnahme und Exkretion abhängig!
58 Kapitel 2 · Monitoring

. Tab. 2.15 Normalwerte der LiMON-Messung

Messparameter Abkürzung Normalwerte


2 ICG-Plasmaverschwinderate ICG-PDR 18–25 %/min (Wert von 16 %/min gilt als Interventionswert)

ICG-Retentionsrate nach 15 min R15 0–10 %

ICG-Clearance CBI 500–750 ml/min/m²

Zirkulierendes Blutvolumen BVI 2600–3200 ml/m²

Sauerstoffsättigung S pO 2 >96 %

Herzfrequenz HR 70–100 bpm

jIndikationen In . Abb. 2.23 und . Tab. 2.15 sind die Zielgrößen


4 Patienten unter intensivmedizinischer Thera- und die empfohlenen Therapiemaßnahmen darge-
pie und mit den Zeichen einer Störung der stellt.
Leberperfusion bzw. Funktion, z. B. im Rah-
men der Sepsis (Abschätzung der Mortalität)
4 Patienten mit Leberzirrhose vor Leberteil- 2.15 Neuromonitoring
resektion (Einschätzung der Operationsfähig-
keit) 2.15.1 ICP-Messung
4 Differenzierung der verschiedenen Child-
Stadien 4 normaler ICP: 5–15 mmHg
4 Beurteilung der Transplantatfunktion vor 4 kurzfristig kann der ICP bei Husten, Pressen
Organentnahme bzw. nach Implantation usw. auf Spitzenwerte von 50–80 mmHg
ansteigen
jVorteile 4 die normale ICP-Kurve zeigt langsame respira-
4 geringere Invasivität (benötigt wird nur ein torische und schnelle kardiale Schwankungen
peripherer oder zentralvenöser Zugang)
4 keine Limitierung der Messdaueranwendung jIndikationen
4 frühzeitige Detektion von Leberfunktionsstö- 4 SHT mit Glasgow Coma Scale <8 und patholo-
rungen, z. B. bei Sepsis und guter Prognose- gischem CCT-Befund (z. B. Einengung der
parameter bezüglich Outcome (höhere Morta- basalen Zisternen) oder bei normalem CCT-
lität bei geringen PDR-Werten bzw. bei thera- Befund, wenn mindestens 2 der 3 folgenden
peutischem Versagen, den PDR-Wert inner- Kriterien zutreffen: arterielle Hypotonie (RRsyst
halb von 120 h in den Normbereich <90 mmHg), posttraumatischer Krampfanfall,
anzuheben) Alter >40 Jahre
4 alle Patienten, bei denen ein erhöhtes Risiko
jNachteile für einen ICP-Anstieg besteht
4 relativ hohe Kosten der Indikatorlösung (ca.
! Bei sedierten und beatmeten Patienten ist
25–50 €, je nach Menge des Indocyaningrüns
die Indikation eher großzügig zu stellen, da
0,25–0,5 mg/kg)
die klinische Beurteilung des neurologischen
4 allergische Reaktionen (1:40.000; insbesondere
Status erschwert ist!
bei vorbestehender Iodallergie) und Hyper-
thyreose
jVor- und Nachteile
4 Vor- und Nachteile der verschiedenen Mess-
verfahren: . Tab. 2.16
2.15 · Neuromonitoring
59 2

. Abb. 2.23 LiMON-Therapieentscheidungen

. Tab. 2.16 Vor- und Nachteile der ICP-Messung

Art der Messung Vorteile Nachteile

Intraventrikulär »Goldstandard«, Messgenauigkeit, Invasiv, Infektions-, Blutungsrisiko, stör- und


Möglichkeit zur Liquorentnahme (thera- artefaktanfällig, Rekalibrierung bei Lageänderung
peutisch, diagnostisch)

Subdural/ Kleines Blutungs-, Infektionsrisiko, keine Fehlmessung bei hohem ICP, stör- und artefakt-
epidural Hirngewebspenetration anfällig, Rekalibrierung bei Lageänderung

Fiberoptisch Verschiedene Platzierungen möglich, hohe Sehr teuer, keine Rekalibrierung in situ möglich,
Auflösung, minimal artefaktanfällig Faserbruch möglich
60 Kapitel 2 · Monitoring

2.15.2 Messung der jugularvenösen 4 weitere Beeinflussung der Messung durch hohe
O2-Sättigung (SvjO2) Einmündung der V. facialis in die V. jugularis
o der Messkatheter sollte sehr hoch platziert
2 Grundlagen werden, am besten radiologische Kontrolle
4 unter der Annahme eines konstanten O2-Ver- (Spitze in Höhe des 2. Halswirbels)!
brauches bedeutet ein Abfall der bulbären 4 bei diffuser Schädel-Hirn-Verletzung: Bevor-
O2-Differenz einen Rückgang der zerebralen zugung des rechten Jugularbulbus aufgrund
Perfusion, jedoch teilweise nur schlechte Kor- des höheren Flow, ansonsten Platzierung des
relation zwischen CBF und SvjO2 o Kombina- Katheters auf die Verletzungsseite
tion mit jugularvenöser Laktatkonzentration 4 Identifizierung der V. jugularis mit dem höhe-
(Korrelation 0,74) ren Flow (o Kompression der zu bevorzugen-
4 anhand der Messung der jugularvenösen den Seite führt zu einem größeren Anstieg des
O2-Sättigung (SvjO2) können indirekt der ICP)
intrakranielle O2-Verbrauch (CMRO2)
und der zerebrale Blutfluss (CBF) bestimmt
werden 2.15.3 Intraparenchymatöser Gewebs-
4 nach dem Fick’schen Prinzip ist der sauerstoffpartialdruck (ptiO2)
CMRO2 = CBF × avjDO2
avjDO2 = caO2 – cvjO2 4 regional und nicht global messendes invasives
5 caO2: arterieller O2-Gehalt Verfahren, bei dem Clark-Miniaturelektroden
5 cvjO2: hirnvenöser O2-Gehalt) in das Hirngewebe eingebracht werden
5 normale avjDO2 = 5–9 ml/100 ml 4 Normalwert: 25–30 mmHg
4 Normwert der SvjO2: 55–75 % 4 Werte <10 mmHg sprechen für eine ausgepräg-
4 bei Werten <50 % und länger als 10–15 min te zerebrale Minderperfusion oder eine
spricht man von Desaturation oder Desatura- schwere Hypoxie
tionsepisode. Diese korreliert mit einem 4 gute Korrelation zur Bulbusoxymetrie
schlechteren neurologischen Outcome o 4 bis jetzt keine Infektionen oder Blutungen
frühzeitiger Einsatz dieses Monitorings bekannt
gerade nach Schädel-Hirn-Verletzung, da
die meisten Patienten in den ersten Stunden
nach Trauma zu Episoden zerebraler Ischä- 2.15.4 Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)
mien neigen!
4 hohe SvjO2-Werte >75 % können bei starker 4 z. B. INVOS-System, Fa. Covidien, Mansfield,
Kontamination von extrazerebralen Blutzuflüs- USA
sen, bei erhöhtem zerebralem Blutfluss nach 4 Trendmonitor zur nichtinvasiven Überwa-
Trauma oder bei einer globalen Infarzierung chung der zerebralen bzw. somatischen
(massiver Verlust von aktivem Hirngewebe!) (Messung im Gewebe) Sauerstoffversorgung
auftreten 4 bilaterale frontale Erfassung der rSO2 (regiona-
le Sauerstoffsättigung)
Messtechnik 4 »Frühwarnsystem«: Möglichkeit zum früh-
4 gegenwärtiger Einsatz von 4-F-fiberoptischen zeitigen therapeutischen Eingreifen bei »Ent-
Doppellumenkathetern. Insertion nach retro- sättigung«, bevor ein zerebraler Sauerstoff-
grader Gefäßpunktion über 5-F- oder 6-F- mangel zu einer Organschädigung führt
Schleuse mit 10 cm Länge
4 Messung über 2- bzw. 3-Wellenlängen Messprinzip
4 etwa 3 % des jugularvenösen Blutes kommen 4 optische Methode, die anhand von Absorp-
aus dem extrakraniellen Kreislauf (0–6,6 %) tionsänderungen des Lichts im nahinfraroten
und verfälschen den Messwert Wellenlangenbereich (650–1000 nm) Konzen-
2.15 · Neuromonitoring
61 2

. Abb. 2.24 Messprinzip der Nahinfrarotspektroskopie.


(Aus Schön et al. 2012)

trationsänderungen von oxygeniertem und . Abb. 2.25 Vorgehen bei zerebraler Entsättigung (detek-
desoxygeniertem Hamoglobin nichtinvasiv tiert mittels Nahinfrarotspektroskopie). (Aus Schön et al.
und kontinuierlich misst (. Abb. 2.24) 2012)
4 Absorptionsmessungen im Gewebe erfolgen
analog zu dem Prinzip der Absorptionsspekt-
rophotometrie (Anwendung als In-vitro-Tech- Anwendungsgebiete
nik in vielen Bereichen der klinischen und 4 ausgedehnte operative Eingriffe mit hohen
analytischen Chemie) Volumenumsätzen o potenzielle Gefahr einer
4 In-vivo-Anwendung basierend auf der Trans- Unterversorgung des Gehirns oder anderer
parenz von Gewebe für nahinfrarotes Licht Organe (Leber, Niere), z. B. Herz-, Gefäß- und
und den spezifischen Absorptionseigenschaf- Neurochirurgie
ten des Hämoglobins. 4 Überwachung auf der Intensivstation:
4 Detektion einer regionalen »Mischsättigung« neurochirurgische Patienten, Polytrauma mit
von arterieller, kapillärer und venöser Sauer- Schädel-Hirn-Beteiligung, Sepsis, Multiorgan-
stoffsättigung (rSO2, Normwert 58–82 mmHg) versagen etc.
in einer Gewebetiefe von ca. 2–3 cm mittels 4 . Abb. 2.25 fasst das empfohlene Vorgehen bei
Klebeelektroden (Optoden) Entsättigung zusammen
4 je näher der Detektor an der Lichtquelle,
desto flacher ist der zurückgelegte Weg der Limitationen
Photonen durch das Gewebe, je entfernter, 4 Monitoring der zerebralen SO2 im frontalen
desto tiefer Kortex nur kleiner Ausschnitt der gesamten
4 zerebrale NIRS: seitengetrennte Erfassung zerebralen Blutversorgung o lokalisierter
rSO2 nach Aufbringen von 2 Optoden auf die Sauerstoffmangel z. B. im posterioren Strom-
linke und rechte Stirnseite bereich nicht auszuschließen
4 75–85 % des Bluts im frontalen Hirngewebe 4 Verfahren nicht geeignet zur Vermeidung eines
im venösen und im kapillären Gefäßbett o Schlaganfalls (Ausnahmen: Karotischirurgie, se-
zerebrale Sauerstoffsättigung = venös ge- lektive Perfusion supraaortaler Gefäße im Herz-
wichtete Sättigung, die das Verhältnis von Kreislauf-Stillstand). Allenfalls kann ein solches
zerebralem Sauerstoffangebot und -verbrauch Ereignis aufgrund plötzlicher Seitendifferenzen
abbildet vermutet und ggf. können rasch weitere thera-
4 zerebraler Messalgorithmus mit fixem Anteil peutische Maßnahmen eingeleitet werden
von 25 % arteriellem und 75 % venösem Blut 4 Schwellenwerts der zerebralen SO2, unterhalb
dessen eine Schädigung zunehmend wahr-
scheinlich wird, nach wie vor umstritten
62 Kapitel 2 · Monitoring

4 Trend: prä- und auch intraoperative absolute prädiktiver Wert für persistierendes Koma mit
zerebrale SO2-Werte <50 % prognostisch hoher Spezifität.
ungünstig 4 Werte von <33 ng/ml können jedoch infolge
2 Transkranielle Dopplersonographie
einer Sensitivität von nur 80 % eine Restitutio
ad integrum nicht absolut vorhersagen!
(TCD) 4 erhöhte Werte bei:
4 Messung der zerebralen Blutflussgeschwindig- 5 neuronalem Zelluntergang infolge Hypoxie
keit in der A. cerebri media oder der basalen 5 kleinzelligem Bronchialkarzinom und Me-
Hirnarterien dulloblastom
4 Normwer für A. cerebri media:
! Hämolytische Seren, da Erythrozyten
vmean = 38–86 cm/s (aufgrund der großen
enolasereich sind!
Streubreite kann die TCD nicht als Absolut-
wertbestimmung, sondern nur als Verlaufs-
kontrolle erfolgen). Ausgewählte Literatur
4 Als grobes Maß für den zerebralen Gefäßwi-
derstand wird der sog. Pulsatilitätsindex (PI) Alhashemi JA, Cecconi M et al. (2011) Cardiac Output
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Cardiovascular Anesthesiologists Task Force on Trans-
4 Die Blutflussgeschwindigkeitsmessung esophageal Echocardiography. Anesthesiology 84: 986–
der A. cerebri media kann bei der Karotis- 1006
ASE/SCA (2010) Practice Guidelines for Perioperative Trans-
chirurgie eingesetzt werden. Ein Abfall von
esophageal Echocardiography. An Updated Report by
vmean auf 0–15 % des Ausgangswertes zeigt the American Society of Anesthesiologists and the
eine schwere Ischämie, auf 16–40 % eine Society of Cardiovascular Anesthesiologists Task Force on
mäßige Ischämie an, und bei Werten >40 % ist Transesophageal Echocardiography. Anesthesiology
nicht mit einer Minderperfusion zu rechnen. 112:1084–96
Des Weiteren kann eine zerebrale Hyperper- ASE/SCA (1999) ASE/SCA Guidelines for Performing a Com-
prehensive Intraoperative Multiplane Transesophageal
fusion nach Öffnen der Klemmen (vmean-
Echocardiography Examination: Recommendations of
Zunahme >200 %) mit der Gefahr der intra- the American Society of Echocardiography Council for
kraniellen Einblutung erkannt werden. Intraoperative Echocardiography and the Society of
4 Mit der TCD lassen sich außerdem embolisier- Cardiovascular Anesthesiologists Task Force for Certifica-
te Partikel (atheromatöse Plaques, Thromben tion in Perioperative Transesophageal Echocardiography.
Anesth Analg 89: 870–884
etc.) oder Luft nachweisen.
Backer D de, Marx G, Tan A et al. (2009) Arterial pressure
4 Das Abschätzen (nicht Messen!) des zerebralen based cardiac output monitoring: a multi-centre valida-
Perfusionsdruckes (CPP) muss bisher noch tion of the third generation software in septic patients.
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64 Kapitel 2 · Monitoring

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65 3

Kardiovaskulär wirksame
Medikamente und mechanische
Kreislaufunterstützung
W. Zink

3.1 Katecholamine – 66

3.2 Phosphodiesterase-III-Hemmer (Inodilatoren) – 76

3.3 Kalzium-Sensitizer (Inoprotektoren) – 78

3.4 Arginin-Vasopressin (AVP) – 79

3.5 Vasodilatanzien – 80

3.6 Mechanische Unterstützungssysteme – 83

Ausgewählte Literatur – 87

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
66 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

Bei kardiovaskulär wirksamen Medikamenten 3.1.3 Adrenorezeptoren


handelt sich hier um eine Vielzahl von Substanzen
mit uneinheitlicher chemischer Struktur und mit 4 transmembranale Proteine mit sieben Helix-
unterschiedlichen pharmakologischen Wirkme- strukturen in den Membranen der Effektor-
chanismen. zellen sowie Schleifen und je einer Endkette
auf der extrazellularen Seite (Rezeptor) und auf
3 der intrazellularen Seite (für die Kopplung an
3.1 Katecholamine intrazellularen Signalwege)
4 Einteilung der Adrenorezeptoren (. Tab. 3.1)
3.1.1 Einteilung (. Abb. 3.1) 4 α1: α1A, α1B, α1D
4 α2: α2A, α2B, α2C
4 natürliche Katecholamine: Adrenalin, Nor- 4 β: β1, β2, β3
adrenalin, Dopamin 4 Rezeptorstimulation (. Abb. 3.2)
4 synthetische Katecholamine: Dobutamin und 5 führt bei α1-Rezeptoren über eine Variante
Dopexamin, Orciprenalin, Etilefrin, Isoprote- des G-Proteins (Gq) zur Aktivierung der
renol Phospholipase C mit Bildung von Inositol-
triphospat (IP3, welches aus dem sarkoplas-
matischen Retikulum Ca2+ freisetzt) und
3.1.2 Grundstruktur Diacylglycerol (DAG)
5 führt bei α2-Rezeptoren über Interaktion mit
Grundstruktur der Katecholamine ist das hemmenden G-Proteinen (Gi) zur Inaktivie-
β-Phenylethylamin o die natürlichen Katechola- rung der Adenylatzyklase o cAMP p
mine tragen alle an der 4. und 5. Position des Ben- 5 führt bei β-Rezeptoren über Koppelung mit
zolrings eine Hydroxylgruppe (-OH). stimulierenden G-Proteinen (Gs) zur Akti-
vierung der Adenylatzyklase mit Bildung
von cAMP o Aktivierung von Proteinkina-

. Abb. 3.1 Natürliche und synthetische Katecholamine


3.1 · Katecholamine
67 3

. Abb. 3.2 Adrenorezeptoren Second Messenger-Systeme

. Tab. 3.1 Adrenorezeptoren und deren physiologische Hauptwirkungen

Rezeptor Signaltransduktion Signalmolekül Lokalisation Effekte

α1 G-Protein-vermittelte Aktivie- IP3 n Postsynaptisch Arterielle/venöse Vasokon-


rung der Phospholipase C (Gefäße, Herz) striktion (Inotropiesteige-
rung)

α2 Gi-Protein-vermittelte Hem- cAMP p Präsynaptisch Hemmung der NA-Freiset-


mung der Adenylatzyklase (neuronal) zung (negatives Feedback)

β1 Gs-Protein-vermittelte Akti- cAMP n Postsynaptisch Inotropie n


vierung der Adenylatzyklase (Herz) Chronotrpie n
Bathmotropie n
Dromotropie n

β2 Gs-Protein-vermittelte Akti- cAMP n Postsynaptisch Vasodilatation


vierung der Adenylatzyklase (Gefäße, Bronchien, Bronchodilatation
Leber, Skelettmuskel) Glykogenolyse
Glukoneogenese

β3 Gs-Protein-vermittelte Akti- cAMP n Postsynaptisch Lipolyse


vierung der Adenylatzyklase (Fettgewebe) Ketogenese

sen o intrazelluläre Ca2+-Ionenkonzentra- exogenen Katecholaminen o Notwendig-


tion n, v. a. in Kardiomyozyten keit der Dosissteigerung, z. B. länger anhal-
4 Down-/Up-Regulation der Adrenorezepto- tende hochdosierte Katecholamintherapie
ren: die Anzahl der Adrenorezeptoren an der nach kardiochirurgischem Eingriff oder
Zellmembran ist nicht konstant: chronische Asthmatherapie mit β2-
5 Bei länger anhaltender Stimulation kommt Sympathomimetika.
es zu einer Abnahme der Rezeptorendichte 5 Bei chronischer Rezeptorblockade kommt
an der Zellmembran (Down-Regulation) o es zu einer Up-Regulation, z. B. unter chro-
Wirkverlust von kontinuierlich zugeführten nischer β-Blockertherapie o Gefahr von
68 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

überschießenden Reaktionen bei exogener Hypovolämie evtl. zum Blutdruckabfall und


Katecholamingabe bzw. nach periopera- bei kardialer Insuffizienz ggf. zum Blut-
tivem Absetzen eines β-Blockers druckanstieg oder konstantem arteriellem
Druck!
jIndikationen für den Einsatz von 4 Steigerung des koronaren Blutflusses (Netto-
Katecholaminen effekt!)
3 4 akute kardiale Insuffizienz (primär Dobutamin 4 klassisches »Stress- und Fluchthormon«
bei erhöhten Füllungsdrücken und niedrigem
HZV) jPharmakologie
4 anaphylaktische Reaktionen höheren Stadiums 4 Syntheseort: Nebennierenmark
(fraktionierte Gabe von Adrenalin) 4 Inaktivierung:
4 kardiopulmonale Reanimation (Adrenalin als 5 neuronale Wiederaufnahme
Medikament der 1. Wahl) 5 enzymatischer Abbau durch die Enzyme
4 Sepsis (Gabe von Noradrenalin zur Anhebung Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT)
des erniedrigten Widerstands sowie Dobuta- zu 3-Methoxytyramin oder zum größten
min bei septischer Kardiomyopathie) Teil durch Monoaminooxidase (MAO)
4 Vasoplegie, Vasodilatation (Noradrenalin) zu 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure
4 Steigerung des Perfusionsdruckes (DOPAC), die teilweise durch COMT
(z. B. bei Karotisoperationen oder Stenosen, zu Homovanillinmandelsäure(HVA) ab-
bei kardialen Risikopatienten mit Haupt- gebaut wird
stammstenose) 4 HWZ: 1–3 min
4 in Kombination mit Lokalanästhetika zur
Resorptionsverzögerung oder Ausschluss einer jIndikationen
intravasalen Katheterlage (HF nn bei intrava- 4 kardiopulmonale Reanimation (Mittel der
saler Lage) 1. Wahl)
4 Diagnostikum im Rahmen des Dobutamin- 4 Behandlung des ausgeprägten Low-output-
belastungstests beim koronarkranken Syndroms
Patienten 4 anaphylaktische Reaktion

jKontraindikationen
3.1.4 Natürliche Katecholamine 4 bei vitaler Bedrohung keine
4 manifeste Hyperthyreose
Adrenalin, Epinephrin (Suprarenin) 4 Arrhythmien
4 1 Amp. à 1 ml = 1 mg 4 Engwinkelglaukom
4 1 Amp. Infusionslösung à 25 ml = 25 mg 4 Phäochromozytom
4 hypertrophe Kardiomyopathie
jWirkmechanismus 4 als Zusatz bei Lokal- bzw. Regionalanästhesien
4 dosisabhängige Stimulation von β1-, β2- und im arteriellen Endstrombereich (Finger, Zehen,
α-Rezeptoren: in niedriger Dosierung vor- Nasenspitze, Penis) o Gefahr von Gewebs-
nehmlich β-Rezeptoren, in hoher Dosierung nekrosen
fast ausschließlich α1-Rezeptoren
4 o Anstieg des (v. a. systolischen) Blutdrucks,
der Herzfrequenz und des Herzminuten-
volumens
4 über vaskuläre β2-Rezeptoren kann es zum
primären Blutdruckabfall kommen
(insbesondere bei Hypovolämie) o Gabe
eines Testbolus von 5–10 μg i.v. führt bei
3.1 · Katecholamine
69 3

Dosierung 4 Wirkverstärkung z. B. durch Hemmung der


Wiederaufnahme in sympathische Nerven
5 Boli: 10–100 μg i.v. zur Inotropiesteigerung (Antidepressiva, z. B. Amitriptylin) oder des
5 Perfusor (z. B. 10 mg auf 50 ml): 0,05–0,2– Abbaus über MAO (Moclobemid) bzw. COMT
(0,5) μg/kg/min (Entacapon)
5 Perfusor Kinder (3 mg auf 50 ml): initial 4 Wirkminderung durch α1-Rezeptor-
0,1 ml/kg/h = 0,1 μg/kg/min Antagonisten (z. B. Prazosin, Terazosin) bzw.
5 Reanimation: primär 0,01 mg/kg (0,5– oder β-Blocker (z. B. Bisoprolol, Metoprolol,
1 mg) i.v. Propranolol)
5 Anaphylaktische Reaktion: 10–500 μg i.v. 4 unter Dauertherapie mit β-Blockern ggf. aus-
(fraktioniert) geprägte Blutdrucksteigerung o Überwiegen
der α1-vermittelten Vasokonstriktion
4 arrhythmogene Wirkung verstärkt durch Inha-
jNebenwirkungen lationsanästhetika
4 verstärkte Arrhythmogenität (besonders bei
Hypokaliämie, Hypoxämie, Hypothermie, Noradrenalin, Norepinephrin (Arterenol)
Hyperkapnie) 4 1 Amp. à 1 ml = 1 mg
4 Hyperglykämien: Leberglykogenolysen (β1- 4 1 Amp. Infusionslösung à 25 ml = 25 mg
vermittelt), Insulinsekretion p (α1-vermittelt)
4 Hyperkoagulabilität (Faktor-V-Aktivität) jWirkmechanismus
4 Elektrolytstörungen: Katecholamine können 4 Stimulation von α1-Rezeptoren und zu einem
über β2-gekoppelte Kaliumpumpen zu einer geringeren Anteil β1-Rezeptoren (positive Ino-
Verschiebung des extrazellulären Kaliums nach tropie bei gleichzeitiger Erhöhung der kardia-
intrazellulär führen! (Hypokaliämie daher len Nachlast, teils Reflexbradykardie)
meist auch bei Patienten unter β2-Broncho- 4 Anstieg des systolischen, diastolischen und
dilatorentherapie, z. B. Fenoterol [Berotec] mittleren arteriellen Blutdrucks
oder Patientinnen unter Tokolyse mit Feno- 4 30-fach geringere Affinität zu β2- als zu β1-
terol [Partusisten]!) Rezeptoren
4 Drosselung der kutanen und mesenterialen
Perfusion (Darmischämien bei hohen Dosen!) jPharmakologie
4 Anstieg des pulmonalarteriellen Drucks und 4 Syntheseweg und -ort: 7 Adrenalin
der linksventrikulären Nachlast im oberen 4 Elimination: hauptsächlich durch Methylierung,
Dosierungsbereich Oxidation und neuronale Wiederaufnahme
4 unter Adrenalin Anstieg des Laktatspiegels 4 HWZ: 1–3 min
(Rückgang der intestinalen Perfusion?)
4 kardiotoxisch durch Aktivierung von Apop- jIndikationen
tosemechanismen in den Kardiomyozyten bei 4 Steigerung des systemischen Perfusionsdrucks
langdauernder Applikation bei erniedrigtem peripherem Widerstand (z. B.
septischer Schock)
jWechselwirkungen 4 Anhebung des zerebralen Perfusionsdrucks
4 Wirkabschwächung bei metabolischer Azidose (CPP) bzw. des MAP, z. B. bei Hirndruck,
bzw. Wirkverlust bei simultaner Infusion von SHT oder intraoperativ bei Carotisend-
Bikarbonat über denselben venösen Zugang o arteriektomie
Applikation über separaten ZVK-Schenkel!
4 Wirkverstärkung durch Glukokortikoide jKontraindikationen
(Rezeptorsensibilisierung) und Applikation 4 keine bei vitaler Bedrohung
von Schilddrüsenhormonen (Up-Regulation 4 manifeste Hyperthyreose
von Adrenorezeptoren) 4 Arrhythmien
70 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

4 Engwinkelglaukom 4 in mittlerer Dosierung Stimulation von β1-


4 Phäochromozytom Rezeptoren
4 hypertrophe Kardiomyopathie 4 in hoher Dosierung Stimulation aller Adreno-
rezeptoren einschließlich α1-Rezeptoren
Dosierung 4 Dopamin stimuliert zusätzlich die Noradre-
nalinfreisetzung aus den präsynaptischen
3 5 Boli: 5–100 μg i.v.
Vesikeln
5 Perfusor (z. B. 10 mg auf 50 ml): 0,05–
4 Dopaminrezeptoren
0,3 μg/kg/min
5 DA1-Rezeptoren: nur postsynaptisch,
5 Perfusor Kinder (3 mg auf 50 ml): initial
Stimulation der Adenylatzyklase mit konse-
0,1 ml/kg/h = 0,1 μg/kg/min
kutiver Erhöhung von cAMP, kommen in
vielen Gefäßgebieten, v. a. aber in glatten
Muskelzellen der renalen Gefäße, des
jNebenwirkungen Mesenteriums und den Koronarien vor
4 hypertone Krise 5 DA2-Rezeptoren sind prä- und postsynap-
4 Reflexbradykardie tisch lokalisiert, hemmen die Adenylatzy-
4 ggf. RBF p und Diurese p (bei landauernder klase und vermindern die neuronale Nor-
Anwendung in hoher Dosierung) adrenalinfreisetzung
4 Erhöhung des pulmonalvaskulären Wider- 5 Subtypen:
standes – DA1-Familie: D1 und D5 (cAMP n)
4 Rhythmusstörungen und ggf. Kammer- – DA2- Familie: D2L, D2S, D3, D4 (cAMP p)
flimmern 4 Rolle des endogenen Dopamins:
4 Perfusionsstörungen im Gastrointestinaltrakt 5 parakrines natriuretisches Hormon
mit Ischämiegefahr 5 Stimulation der proteinbedingten Hyperfil-
4 Angst- und Unsicherheitsgefühl, Tremor, tration: GFR-Steigerung nach Proteinzufuhr
Hautblässe durch endogene Dopaminfreisetzung und
DA2-Rezeptorenstimulation
> Eine subkutane Antikoagulation sollte unter
Noradrenalingabe auf i.v. Antikoagulation
jPharmakologie
umgestellt werden.
4 Syntheseweg: 7 Adrenalin
4 Syntheseort: adrenerge und dopaminerge Neu-
jWechselwirkungen rone (höchste Konzentration in der Substantia
4 Arrhythmogene Wirkung verstärkt durch nigra des extrapyramidalen Systems) und Zel-
Inhalationsanästhetika len des proximalen Nierentubulus (hohe Akti-
4 Wirkverstärkung z. B. durch Hemmung der vität der L-Aminosäuredecarboxylase)
Wiederaufnahme in sympathische Nerven 4 Inaktivierung: 7 Adrenalin
(Antidepressiva, z. B. Amitriptylin) oder des 4 Clearance: 50 ml/kg/min
Abbaus über MAO (Moclobemid) bzw. COMT 4 HWZ: 1,7–2,9 min (Verteilungsphänomene)
(Entacapon)
4 Wirkminderung durch α1-Rezeptor- jIndikationen
Antagonisten (z. B. Prazosin, Terazosin) 4 manifeste bzw. drohende Schockzustände
verschiedener Ursache
Dopamin 4 akute Herzinsuffizienz
4 1 Amp. Infusionslösung à 50 ml = 250 mg 4 Steigerung der Nieren- und Mesenterial-
perfusion??
jWirkmechanismus 4 Verbesserung der Gewebeoxygenierung auf-
4 Stimulation von Dopaminrezeptoren (DA1 und grund einer Steigerung des globalen Sauer-
DA2) in niedriger Dosierung stoffangebots?
3.1 · Katecholamine
71 3
jKontraindikationen 4 Übelkeit und Erbrechen (DA2-Rezeptor-
4 keine bei vitaler Bedrohung vermittelt)
4 tachykarde Rhythmusstörungen 4 Zunahme des intrapulmonalen Rechts-links-
4 Hyperthyreose Shunts
4 Phäochromozytom 4 Suppression der hormonellen Regulation
4 schwere koronare Herzkrankheit der Schilddrüsenfunktion (besonders bei
4 arterielle Verschlusssyndrome Kindern)
4 Hypoprolaktinämie, welche zu einer einge-
Dosierung schränkten Lymphozyten- und Makro-
phagenaktivität führt o immunsuppressiver
5 Applikation nur kontinuierlich i.v.
Effekt!
5 Perfusor (250 mg à 50 ml)
4 Verminderung der Konzentration verschie-
– niedrige Dosis ≈ 0,5–5 μg/kg/min (dopa-
dener Wachstumshormone o ggf. Ursache
minerg + β; »Nierendosis«): Erhöhung des
von nicht beeinflussbarer Katabolie des Inten-
renalen Blutflusses (RBF) und der GFR,
sivpatienten
Vasodilatation im mesenterialen und
4 Verringerung der Splanchnikusperfusion und
koronaren Bereich, SVR leicht p (dopa-
pHi-Abfall bei septischen Patienten
minerge arterielle Vasodilatation, Hem-
4 Abfall des Atemminutenvolumens und der
mung der tubulären Natriumreabsorp-
arteriellen O2-Sättigung, insbesondere bei
tion [Natriurese], Steigerung der Diurese)
respiratorisch grenzwertig kompensierten
– mittlere Dosis ≈ 6–9 μg/kg/min (α + β;
Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz
»Herzdosis«): direkte β1-
4 Verstärkung von Ulkusblutungen infolge Erhö-
Adrenorezeptoraktivierung sowie indi-
hung der Splanchnikusperfusion
rekt über Noradrenalinfreisetzung o
positiv-inotrope Wirkung, über β1- ! Erhöhte Inzidenz von hämodynamisch
Rezeptoren vermittelte Tachykardie bzw. relevanten und therapiebedürftigen Herz-
reflektorische Tachykardie durch β2- rhythmusstörungen unter Dopamintherapie
Rezeptoren ausgelöste periphere Vaso- im Vergleich zur Therapie mit Noradrenalin
dilatation; Antidiurese infolge gesteiger- bei septischen Patienten!
ter β-vermittelter Reabsorption von Nat-
rium und Aktivierung des Renin-Angio- jWechselwirkungen
tensin-Aldosteron-Systems (RAAS)
4 Wirkverstärkung durch MAO-Hemmer o ini-
– hohe Dosis >10 μg/kg/min (α; »Gefäß-
tial Dosisreduktion (ca. 1/10 der Normaldosis)
dosis«): peripherer Widerstandsanstieg
durch α1-Stimulation, HZV p, RBF p, jWirksamkeit
erhöhte Natriumreabsorption
5 Perfusor Kinder (120 mg auf 50 ml): 0,1 ml/ > Nach derzeitiger Studienlage verhindert die
kg/h = 4 μg/kg/min Anwendung von Dopamin die Entstehung
eines perioperativen Nierenversagens nicht
und trägt nicht zur Verbesserung der Mesen-
terialperfusion bei!
jNebenwirkungen
4 Vasokonstriktion über α1-Rezeptoren und 4 Bei Patienten mit prärenal-ischämischem und
Noradrenalinfreisetzung toxischem Nierenversagen konnte nach zwei-
4 Angina-pectoris-Anfälle infolge Tachykardie wöchiger Dopamintherapie eine erhöhte
4 Verminderung des Atemantriebs o Blockade Dialysepflichtigkeit und nach 3 Wochen eine
der O2-sensitiven Rezeptoren im Karotis- und erhöhte Mortalität gegenüber der nicht mit
Aortenbogenbereich o verminderte Dopamin behandelten Gruppe nachgewiesen
Ansprechbarkeit auf Hypoxie! werden (Chertow et al. 1995).
72 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

4 verminderte O2-Aufnahme o parakapilläre Dosierung


Shuntphänomene (ggf. Abfall des intramu-
kosalen pHi) 5 Applikation nur kontinuierlich i.v.
5 Perfusor (z. B. 250 mg auf 50 ml): 2–10–
(15) μg/kg/min
3.1.5 Synthetische Katecholamine 5 Perfusor Kinder (150 mg auf 50 ml):
3 0,1 ml/kg/h = 5 μg/kg/min
Dobutamin (Dobutrex)
4 1 Amp. Infusionslösung à 50 ml = 250 mg
jNebenwirkungen
jWirkmechanismus 4 Steigerung des myokardialen Sauerstoff-
4 Razemat aus R(+)- und S(-)-Dobutamin, wo- verbrauchs
bei das R(+)-Isomer ein α1-Antagonist und das 4 Hemmung der Thrombozytenaggregation
S(-)-Isomer ein α1-Agonist ist o Wirkung (evtl. vorteilhaft bei KHK-Patienten?)
wird gegenseitig aufgehoben (Pseudo-β- 4 Zunahme des intrapulmonalen Rechts-Links-
Selektivität) Shunts bei hoher Dosierung
4 hauptsächlich Stimulation von β1-Adreno- 4 bei intravasaler Hypovolämie: Tachykardie und
rezeptoren und schwache β2-agonistische ggf. Blutdrucksenkung
Wirkung o positive Inotropie und periphere 4 Arrhythmien
Vasodilatation o LVEDP p, HF n, HZV n,
SVR p jWechselwirkungen
4 keine Interaktion mit Dopaminrezeptoren 4 Wirkverstärkung durch MAO-Hemmer o
Gefahr hypertensiver Krisen, schwerer
jPharmakologie Arrhythmien sowie intrakranieller Blutungen
4 HWZ: 2–3 min 4 Wirkminderung durch α1- oder
4 Elimination durch Konjugation mit Glukuro- β-Rezeptorantagonisten
niden und Umwandlung zu pharmakologisch 4 kein Mischen der Dobutamininfusionslösung
inaktivem 3-O-Methyldobutamin durch Meta- mit anderen Pharmaka aufgrund physikali-
bolismus mittels der COMT (keine über scher Inkompatibilitäten besteht
MAO)
Dopexamin (Dopacard)
jIndikationen 4 1 Amp. Infusionslösung à 5 ml = 50 mg
4 Steigerung der Inotropie (z. B. bei akuter Herz-
insuffizienz bzw. bei septischem Schock) jWirkmechanismus
4 Stimulation von Dopamin- (DA1 und DA2)
jKontraindikationen und vorwiegend β-Rezeptoren mit einer Selek-
4 hypertrophe Kardiomyopathie tivität von β1/β2 von 1:10
4 schwerer Aortenstenose 4 zusätzlich Re-Uptake-Hemmung der Katecho-
4 konstriktive Perikarditis lamine (vorwiegend Noradrenalin) o Steige-
4 Perikardtamponade rung des HZV und Nachlastreduktion bei
4 Hypovolämie Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
über die zahlenmäßig erhöhten β2-Rezeptoren!
4 experimentell: Erhöhung der Splanchnikus-
durchblutung
4 wohl Beeinflussung des intrapulmonalen
Links-rechts-Shunts (auch während der
Ein-Lungen-Ventilation!)
3.1 · Katecholamine
73 3

. Tab. 3.2 Hämodynamische Effekte der verschiedenen vasoaktiven Substanzen

SVR HF PCWP CI MAP Myokardialer O2

Dobutamin p n p n n oder p n

Dopamin n oder p n n n n n

Adrenalin p oder n nn n n n n

Noradrenalin nn n n n nn n

Milrinon p – p n p– ‡ (–n)

4 nach aktuellen Metaanalysen keine Reduktion jWechselwirkungen


der Krankenhaussterblichkeit bei kritisch 4 Wirkverstärkung durch MAO-Hemmer
Kranken bzw. bei Patienten nach großen
abdominalchirurgischen Eingriffen!
3.1.6 Übersicht der hämodynami-
jPharmakologie schen Auswirkung von vaso-
4 HWZ: 5–7 min; bei niedrigem HZV aktiven Medikamenten
bis ca. 11 min
4 Elimination: Metabolisierung in der Leber zu Die verschiedenen Katecholamine bzw. vasoaktiven
inaktiven O-Methyl- und O-Sulfatderivaten Substanzen haben, wie . Tab. 3.2 zeigt, bezüglich
4 Ausscheidung >50 % renal, >20 % unverändert systemvaskulären Widerstand, Herzfrequenz (HF),
oder als Metaboliten über Fäzes Herzindex (CI), mittleren arteriellen Druck (MAP)
sowie Sauerstoffverbrauch (O2) und Wedgedruck
jIndikationen (PCWP) unterschiedliche Effekte.
4 Steigerung der Mesenterialperfusion?

jKontraindikationen 3.1.7 Sonstige kardiovaskulär


4 ausgeprägter Volumenmangel wirksame Medikamente
4 Ausflusstraktbehinderung (z. B. Aortenstenose,
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) Etilefrin (Effortil)
4 Phäochromozytom 4 1 Amp. à 1 ml = 10 mg

Dosierung jWirkmechanismus
4 synthetisches Sympathomimetikum;
5 Applikation nur kontinuierlich i.v.
N-Ethylanalogon von Phenylephrin in 1 %iger
5 Perfusor (z. B. 100 mg auf 50 ml): 0,5–2-
Lösung
(4) μg/kg/min
4 Wirkung auf α- und β-Rezeptoren
5 Perfusor Kinder (z. B. 30 mg auf 50 ml):
4 überwiegende β1-Stimulation (aber auch β2-
0,1 ml/kg/h = 1 μg/kg/min
und α-Stimulation)
4 Tonuserhöhung der arteriellen und venösen
Gefäße, Anstieg der Herzfrequenz, des Schlag-
jNebenwirkungen volumens und des Blutdrucks
4 im oberen Dosierungsbereich oft Tachykardien 4 zur Injektion seit 2005 in Deutschland nicht
und ventrikuläre Arrhythmien mehr im Handel
74 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

jPharmakologie jKontraindikationen
4 HWZ: 2–3 min 4 Phäochromozytom
4 Metabolisierung: zu 80 % auf renalem Weg 4 Mitralstenose
4 schwere Schilddrüsenstörung
jIndikationen
4 Hypotonie Dosierung
3
jKontraindikationen 5 Initial 1–2 ml einer mit NaCl 0,9 % 2:10
verdünnten Lösung i.v.
4 Thyreotoxikose
4 Phäochromozytom
4 Glaukom
4 Prostatahypertrophie jNebenwirkungen
4 Einnahme vom MAO-Hemmern 4 pektanginöse Beschwerden
4 bekannte Herzrhythmusstörungen 4 Herzklopfen
4 Klappenstenosen 4 ventrikuläre Herzrhythmusstörungen
4 hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie
jWechselwirkungen
Dosierung 4 β-Blocker (Herzfrequenz p)

5 Initial 1–2 mg i.v. (1:10 mit NaCl 0,9 % ! Während und bis zwei Wochen nach Einnah-
verdünnt) me von MAO-Hemmern soll Akrinor nicht
angewendet werden, weil es sonst zu krisen-
haften Blutdruckanstiegen kommen kann!
jNebenwirkungen
4 Tachykardie Phenylephrin (Neo-Synephrine)
4 1 Amp. à 1 ml =10 mg
Akrinor
4 1 Amp. à 2 ml = 200 mg Cafedrin und 10 mg jWirkmechanismus
Theodrenalin 4 Phenylephrinhydrochlorid in 1 %iger Lösung
4 synthetisches, direktes Sympathomimetikum
jWirkmechanismus mit vasokonstriktorischer Komponente
4 Mischung aus Theodrenalin (Theophyllin und 4 postsynaptische α1-Rezeptorstimulation,
Noradrenalin) und Cafedrin (Coffein und fehlende β-Rezeptorstimulation
Ephedrin) im Verhältnis 1:20 4 Anstieg des diastolischen und systolischen
4 Stimulation von β1- und β2-Rezeptoren mit Blutdrucks mit Reduktion der Herzfrequenz
Blutdruckanstieg durch positive Inotropie (antagonisierbar mit Atropin) und Erhöhung
ohne Anstieg des peripheren Gefäßwider- des Schlagvolumens sowie pulmonale Vaso-
stands konstriktion o SVR n und PVR n
4 keine bis nur geringe Beeinflussung der
Plazentaperfusion o Einsatz in der Geburts- jPharmakologie
hilfe bei hypotensiven Phasen unter Regional- 4 Wirkdauer: 20 min nach intravenöser und
anästhesie 50 min nach subkutaner Applikation

jIndikationen jIndikationen
4 Hypotonie 4 Hypotonie
3.1 · Katecholamine
75 3
jKontraindikationen 4 Vasokonstriktion (außer Koronararterien) o
4 Hypertonie Steigerung des systolischen Blutdrucks
4 ventrikuläre Tachykardie 4 schwach bronchodilatatorische Effekte
4 Hyperthyreose 4 zentral stimulierend (mit Gefahr der psychi-
4 Bradykardie schen Abhängigkeit bei längerer kontinuier-
4 kardiale Erkrankungen licher Einnahme)
4 schwere Arteriosklerose
jPharmakologie
Dosierung 4 Wirkdauer: 4–6 h (setzt nach oraler Gabe nach
30–60 min ein)
5 Intravenöse Injektion (1 Amp. = 10 mg auf
4 Biotransformation: hepatisch durch Hydrolyse
100 ml Aqua injectabile) als Bolus: 0,2 mg
des aromatischen Rings und anschließender
(= 2 ml der oben genannten Lösung),
Glukuronidierung und Sulfatierung und an-
maximal 0,5 mg i.v. (innerhalb von 20–30 s),
schließender renaler Ausscheidung
maximal alle 10–15 min; Wirkdauer des
4 HWZ pH-abhängig
Bolus: ca. 15 min
5 Kontinuierliche intravenöse Infusion jIndikationen
(Perfusor mit 0,1 mg/ml): 100–180 μg/min
4 Hypotonie
(= 60–108 ml/h) bei ausgeprägter Hypoten-
sion bzw. und 40–60 μg/min (= 24–36 ml/h) jKontraindikationen
bei milder Hypotension
4 Tachykardie
5 Subkutane oder intramuskuläre Injektion:
4 Arrhythmien
2–5 mg, maximal 5 mg initial
4 Koronarinsuffizienz
4 Hypertonie
4 Thyreotoxikose
jNebenwirkungen 4 Prostatahyperplasie
4 ausgeprägte Sinusbradykardien 4 Glaukom
4 hypertone Krisen
4 allergische Reaktionen (Natriumbisulfit) Dosierung
4 asthmoide Reaktionen
5 10–20 mg s.c. initial (20 mg/Tag)
4 Kopfschmerz
5 5–10 mg i.v.
4 Arrhythmien

jWechselwirkungen
4 Wirkverstärkung durch simultane Gabe von jNebenwirkungen
Oxytocinderivaten! 4 Schlafstörungen
4 Angst, Tremor
Ephedrin 4 Schwindel
4 z. B. 1 Amp. à 5 ml = 50 mg 4 Erregungszustände
4 Tachykardie
jWirkmechanismus 4 Miktionsstörungen
4 vorwiegend indirekt wirkendes Sympathomi-
metikum Orciprenalin (Alupent)
4 Freisetzung von Noradrenalin aus den 4 1 Amp. à 1 ml = 0,5 mg, 1 Amp. à
Speichervesikeln 10 ml = 5 mg
4 kompetitive Hemmung des Noradrenalin-
Reuptake
76 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

jWirkmechanismus 3.2 Phosphodiesterase-III-Hemmer


4 Stimulation der β1- und β2-Rezeptoren (Inodilatoren)
(Senkung des peripheren Widerstands und des
diastolischen Blutdrucks) jWirkmechanismus
4 Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels
jPharmakologie durch Blockade von Phosphodiesterasen o in-
3 4 HWZ: 2 h trazellulärer Ca2+-Spiegel n o additive Eigen-
4 renale Elimination (unverändert oder nach schaften mit Katecholaminen
Konjugation an Schwefelsäure) 4 Steigerung der kardialen Inotropie und Chro-
notropie bei simultaner Reduktion der Nach-
jIndikationen last o SV n und HZV n, LVEDP und SVR p
4 Sinusbradykardie 4 keine bis moderate Erhöhung des myokardia-
4 bradykarde Erregungsstörungen (AV-Block len O2-Verbrauchs (im Gegensatz zu Katechol-
II. Grades) aminen)
4 Intoxikation mit β-Blockern 4 lusitroper Effekt (Verbesserung der diastoli-
4 ggf. als Bronchospasmolytikum schen Herzfunktion o Bezeichnung daher
auch als Inodilatoren)
jKontraindikationen 4 Wirkung auch bei β-Blockade oder
4 hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie β-Rezeptor-Down-Regulation!
(HOCM)
4 Aortenstenose jIndikationen
4 tachykarde Herzrhythmusstörungen 4 kurzfristige Therapie der schweren Herz-
insuffizienz
Dosierung
jKontraindikationen
5 Bolus: initial 0,1–0,2 mg i.v. (2–4 ml 1:10
4 schwere obstruktive Aorten- oder Pulmonal-
verdünnt)
klappenerkrankungen
5 Perfusor (z. B. 15 mg auf 50 ml): 0,1–0,3 μg/
4 hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
kg/min (z. B. 10–30 μg/min = 2–6 ml/h)
4 ventrikuläres Aneurysma
5 Perfusor Kinder (3 mg auf 50 ml):
4 schwere, ausgeprägte Hypovolämie, akuter
0,1 ml/kg/h = 0,1 μg/kg/min
Myokardinfarkt
4 Herzinsuffizienz infolge Hyperthyreose, akuter
Myokarditis oder Amyloidkardiomyopathie
jNebenwirkungen 4 Kinder <12 Jahre
4 Tachykardie 4 Schwangerschaft und Stillzeit
4 ventrikuläre Extrasystolen
4 Tremor jNebenwirkungen
4 Kopfschmerz, Übelkeit 4 Herzrhythmusstörungen (vorwiegend ventri-
kuläre Extrasystolen)
> Orciprenalin ist in Deutschland derzeit nicht
4 Hypotonie
mehr zur Bradykardie-Behandlung zugelas-
4 Thrombozytopenie (v. a. bei Milrinon und
sen o off-label use!
Enoximon)
4 Fieber
4 gastrointestinale Störungen, Transaminasen n,
Myalgien
4 Anämie (bei Amrinon)
! Vermehrte Todesfälle in Studien zur Lang-
zeitanwendung!
3.2 · Phosphodiesterase-III-Hemmer (Inodilatoren)
77 3
3.2.1 Gruppeneinteilung ausgeschieden wird (Kumulationsgefahr bei
Nierenfunktionseinschränkung)
4 Bipyridinderivate: Amrinon (Wincoram) und 4 Plasmaproteinbindung: 85 % für Enoximon
Milrinon (Corotrop) und 5 % für Piroximon
4 Imidazolderivate: Enoximon (Perfan) und
Piroximon (in Deutschland nicht verfügbar) Dosierung

5 Perfusor (z. B. 100 mg auf 50 ml): 2,5–


10 μg/kg/min
3.2.2 Amrinon (Wincoram)
5 Perfusor Kinder (z. B. 60 mg auf 50 ml):
0,1 ml/kg/h = 2 μg/kg/min
4 erster selektiver PDE-III-Hemmer, 1983 in die
Klinik eingeführt
4 1 Amp. Infusionslösung à 20 ml = 100 mg
jNebenwirkungen
jPharmakologie 4 Herzrhythmusstörungen bis zum Kammer-
4 HWZ: 2,5–6 h flimmern
4 Maximaleffekt nach 2–5 min 4 Hypotonie
4 Wirkdauer für 60 min 4 Kopfschmerzen
4 30 % werden renal unverändert ausgeschieden 4 Abfall der Thrombozytenzahl
(cave: bei Niereninsuffizienz und Herzinsuffi- 4 Anstieg der Transaminasen und des Bilirubins
zienz verlängerte HWZ bis zu 15 h o Dosis-
reduktion bei Niereninsuffizienz! jWechselwirkungen
4 Plasmaproteinbindung: 30 % 4 Inkompatibilität mit Glukoselösungen!

Dosierung ! Vorsicht bei primärer Bolusgabe (0,5–1 mg/


kg) wegen der Gefahr einer ausgeprägten
5 Perfusor (z. B. 100 mg auf 50 ml): 5–10 μg/ Vasodilatation mit Blutdruckabfall! Enthält
kg/min Ethanol! (9,8 Vol.- %)!
5 Perfusor Kinder (z. B. 90 mg auf 50 ml):
0,1 ml/kg/h = 3 μg/kg/min Milrinon (Corotrop)
4 1994 in die Klinik eingeführt
4 20-mal stärker wirksam als Amrinon
4 1 Amp. Infusionslösung à 10 ml = 10 mg
! Vorsicht bei primärer Bolusgabe (0,5–1,5 mgkg)
wegen der Gefahr einer ausgeprägten Vaso-
jPharmakologie
dilatation mit Blutdruckabfall!
4 HWZ: 55 min
4 bei eingeschränkter Nierenfunktion: >3 h, bei
Enoximon (Perfan) Herzinsuffizienz: 2–3 h
4 1991 in die Klinik eingeführt 4 Metabolisierung nur zu 12 % in der Leber
4 1 Amp. Infusionslösung à 20 ml = 100 m (Glukuronverbindungen) und zu 80–85 %
unveränderte renale Elimination (cave:
jPharmakologie Niereninsuffizienz!)
4 HWZ: ca. 2 h (bei Herzinsuffizienz >6 h) 4 Plasmaproteinbindung: 70 %
4 Maximaleffekt nach 10–30 min
4 Wirkdauer für 3–6 h (dosisabhängig)
4 Metabolisierung des Enoximons zu 80 % zu
dem biologisch aktiven Sulfoxidmetaboliten
Piroximon (20 %ige Restaktivität), der renal
78 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

Dosierung 5 deutlich besserer Herzindex, Abfall


des PC-Drucks und geringere 30-Tage-
5 Perfusor (z. B. 10 mg auf 50 ml): 0,3–0,75 Mortalität im Vergleich zu Dobutamin
μg/kg/min, bei Niereninsuffizienz: (LIDO-Studie)
(Kreatininclearance 5–50 ml/min) Dosis p
auf 0,2–0,4 μg/kg/min jWirkmechanismus
3 5 Perfusor Kinder (z. B. 6 mg auf 50 ml): 4 Erhöhung der Ca2+-Sensitivität (systolisch!)
0,1 ml/kg/h = 0,2 μg/kg/min der kontraktilen Filamente (Troponin C;
Verlängerung der Aktin-Myosin-Quer-
brückendauer)
jNebenwirkungen 5 Inotropie nn, HZV nn, PAOP n, SVR p
4 schwere Nierenfunktionsstörung 5 selten Arrhythmien, relativ frequenzneutral,
4 ausgeprägte Hypokaliämien 5 myokardialen Sauerstoffverbrauch
4 Thrombozytopenie (<100.000/μl) Ø–(n)
4 Verminderung der Erythrozytenzahl und/oder 5 diastolische Herzfunktion n (lusitroper
Hämoglobinkonzentration Effekt)
4 häufig ventrikuläre Arrhythmien, selten Kam- 4 KATP-Kanalöffnung an glatten Muskelzellen
merflimmern 5 generalisierte Vasodilatation
5 links-/rechtsventrikuläre Vor- und Nach-
jWechselwirkungen last p
4 gleichzeitige Gabe von Diuretika: diuretische 4 mitochondriale KATP-Kanalöffnung in Kardio-
und hypokaliämische Wirkung verstärkt myozyten
4 Milrinon-Injektionslösung reagiert chemisch 5 Kardioprotektion
mit Furosemid und Bumetanid o verschie- 5 Stunning-Phänomene p
dene intravenöse Zugänge bei gleichzeitiger 4 simultane Hemmung der Phosphodiesterase III
Anwendung! 4 antiapoptotische, antiinflammatorische
Effekte??
! Vorsicht bei primärer Bolusgabe (0,05–
0,1 mg/kg) wegen der Gefahr einer aus-
jPharmakologie
geprägten Vasodilatation mit Blutdruck-
4 Verteilungsvolumen ca. 0,2 l/kg
abfall!
4 Plasmaproteinbindung 97–98 % (Albumin!)
4 vollständige Metabolisierung; Konjugation zu
3.3 Kalzium-Sensitizer zyklischem oder N-acetyliertem Cysteinyl-
(Inoprotektoren) glycin und Cysteinkonjugaten
4 ca. 5 % der Dosis wird im Darm durch Reduk-
4 herzwirksame Medikamente, welche die Sensi- tion zu Aminophenylpyridazinon (OR-1855)
tivität der kontraktilen Proteine erhöhen metabolisiert, das wiederum nach Reabsorp-
4 zur Zeit einzig klinisch verfügbare Substanz: tion durch N-Acetyl-Transferase zum aktiven
Levosimendan (Simdax) Metaboliten OR-1896 metabolisiert wird
5 in Deutschland seit Februar 2014 erhältlich 4 verlängerte hämodynamische Effekte durch
5 zugehörig zur Gruppe der Pyridazinon- o. g. aktive Metabolite (bis zu 7–9 Tage nach
dinitrile Beendigung der 24-h-Infusion)
5 positiv-inotrop wirkendes Pharmakon aus 4 Clearance ca. 3,0 ml/min/kg
der Gruppe der Kalzium-Sensitizer 4 Halbwertszeit ca. 1 h
5 Steigerung der Schlagkraft des insuffizien- 4 54 % der Dosis wird über den Urin und 44 %
ten Herzens und Verbesserung der diastoli- über die Fäzes ausgeschieden
schen Relaxation 4 Metaboliten OR-1855 und OR-1896 werden
5 fehlendes arrhythmogenes Potenzial langsam gebildet und ausgeschieden (maxi-
3.4 · Arginin-Vasopressin (AVP)
79 3
male Plasmakonzentration nach ca. 2 Tagen: ! Keine Kombination mit Phosphodiesterase-
HWZ ca. 75–80 h) III-Hemmern o ausgeprägte Hypotonie bei
4 Ausscheidung von OR-1855 und OR-1896 peripherer Vasodilatation!
vorwiegend im Urin

jIndikationen 3.4 Arginin-Vasopressin (AVP)


4 akute Herzinsuffizienz, besonders im Rahmen
einer kardialen Ischämie (kardiologische/ 4 Arginin-Vasopressin (AVP) = antidiuretisches
kardiochirurgische Patienten) Hormon (ADH)
4 Wissen bezüglich weiterer Einsatzgebiete 4 physiologischer Botenstoff
derzeit im Fluss: 4 Synthese in Nucleus supraopticus/para-
5 chronische Herzinsuffizienz in fortgeschrit- ventricularis
tenem Stadium 4 Speicherung im Hypophysenhinterlappen
5 Rechtsherzversagen 4 Freisetzung auf physiologischen Reiz: Plasma-
5 kardiogener Schock osmolalität n, Blutdruck p, Hypoxie, Azidose,
5 septischer Schock Hyperkapnie
5 Weaning vom Respirator 4 nur geringe Kreislaufeffekte beim Gesunden
(vasoregulatorisches »back up«?)
Dosierung 4 bei schwerer Sepsis/septischem Schock
4 initial Anstieg der Plasmaspiegel, im Verlauf
5 Ggf. initialer Bolus (bei RRsyst. >100 mmHg):
dann relatives AVP-Defizit (nach 24–48 h)
6–24 μg/kg KG über 10 min (cave: massiver
4 Terlipressin
Blutdruckabfall!), anschließend
5 synthetisches Vasopressinanalogon
5 Perfusor: 0,05–0,2–(0,3) μg/kg/min für 24 h
(Triglycyl-Lysin-Vasopressin)
5 Prodrug o Lysin-Vasopressin
5 lange HWZ (4–6 h)
jWirksamkeit 5 V1R-Agonist (s. u.)
4 nach aktuellen Studienergebnissen signifikante 5 intermittierende Bolusapplikation (1–2 mg)
Reduktion der Infarkthäufigkeit und der Mor- bei katecholaminrefraktären septischen
talität bei kritisch kranken und kardiochirurgi- Schock
schen Patienten: 5 ausgeprägtes Nebenwirkungsspektrum o
5 RUSSLAN-Studie: Überlebensvorteil nach Reservemedikation!
14 Tagen bei Patienten mit Myokardinfarkt, 5 Blutdrucksteigerung ohne Rebound-Hypo-
die innerhalb von 5 Tagen für 6 h tonie, Nierenfunktion n
Levosimendan vs. Plazebo erhalten hatten 5 günstigeres Wirkprofil bei kontinuierlicher
(6-24 μg/kg-Bolus und anschließend 0,1- Low-dose-Gabe (1 μg/kg/min)? oErgebnis-
0,4 μg/kg/min für 6 h vs. Placebo) se klinischer Studien (TESST, TERLIVAP)
5 LIDO-Studie: geringere 31-Tage- und noch ausstehend
6-Monate-Mortalität bei Patienten mit
dekompensierter Herzinsuffizienz (24 μg/ jWirkmechanismus
kg-Bolus und anschließend 0,1–0,2 μg/kg/ 4 Wirkungen rezeptorvermittelt (. Tab. 3.3)
min für 24 h vs. Dobutamin) 5 Vasopressinrezeptoren (V1–V3; G-Protein-
5 Metaanalyse von Landoni et al. (45 Studien, gekoppelt)
5480 Patienten): signifikante Reduktion der 5 Oxytocinrezeptoren
Mortalität bei kardiologischen bzw. kardio- 5 purinerge Rezeptoren (P2)
chirurgischen Patienten gegenüber Dobuta- 4 unter Low-dose-AVP (0,03 U/min)
min/Placebo 5 Vasokonstriktion (via V1R; Modulation von
KATP-Kanälen, NO p)
80 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

. Tab. 3.3 Rezeptortypen

Rezeptor Signalmolekül Lokalisation Effekte

V1(V1A) IP3, DAG, Kalzium Gefäßmuskulatur, Niere, Leber, Vasokonstriktion, Glykogenolyse,


Thrombozyten, Hirnstamm, Plättchenaggregation, (Vasodila-
3 Endothel? tation?)

V2 Adenylatzyklase, Distale Tubuli, Sammelrohre, Wasserretention, Vasodilatation?


cAMP Endothel?

V3(V1B) IP3, DAG, Kalzium Hypophysenvorderlappen ACTH-Ausschüttung

Oxytocinrezeptor IP3, DAG, Kalzium Myo- und Endometrium, Endothel Vasodilatation

Purinrezeptor (P3) ATP Endothel (kardial) Vasokonstriktion

5 hämodynamische Stabilisierung 4 Leberenzyme n, Bilirubin n


5 »Re-Sensibilisierung« gegenüber Nor- 4 Thrombozytenzahl p
adrenalin o Dosisreduktion! 4 Hyponatriämie, Ödeme
5 Verbesserung der Nierenfunktion (Diurese 4 akrale, kutane Nekrosen
n, Kreatininclearance n)

jIndikationen 3.5 Vasodilatanzien


4 generalisierte Vasodilatation, z. B. septischer
Schock etc. jWirkmechanismus
4 Ergebnisse der VASST-Studie (Russel et al. 4 Blutdrucksenkung durch:
2008) 5 Reduktion des peripheren Widerstands
5 AVP evtl. von Vorteil bei moderat septi- (arterielle Vasodilatatoren) bzw.
schen Patienten (5–15 μg Noradrenalin/ 5 Reduzierung von Venentonus, kardialer
min) nach adäquatem Volumenersatz o Füllung und Auswurfleistung (venöse
frühzeitigerer Einsatz? Vasodilatatoren)
5 AVP evtl. von Vorteil bei septischen Patien-
ten mit drohendem Nierenversagen jIndikationen
5 wenn Vasopressin, dann tendenziell früh- 4 Therapie hypertensiver Krisen
zeitig und niedrig dosiert einsetzen o »low 4 kontrollierte Hypotension
dose« (0,01–0,03 U/min) 4 venöse Vasodilatation und Vorlastsenkung
durch organische Nitrate o Steigerung des
Dosierung linksventrikulären Schlagvolumens bei akuter
Herzinsuffizienz, Vorlastreduktion und Ver-
5 Perfusor: 0,01–0,03 (0,067) U/min
besserung der Stauungssymptome im systemi-
schen und im Lungenkreislauf

jNebenwirkungen
4 HZV p, SVR nn, PVR nn 3.5.1 Stickstoffmonoxid (NO)
4 SvO2 p
4 Gefahr der Gewebs- und Organischämie 4 7 Kap. 7.4.3
(Herz, Leber, Darm etc.)
3.5 · Vasodilatanzien
81 3
3.5.2 Glyceroltrinitrat 4 akute Linksherzinsuffizienz mit Lungen-
(z. B. Nitrolingual) stauung (ausgeprägte Vorlastsenkung!)
4 hypertensive Krise
4 1 Amp. à 5 ml = 5 mg 4 kontrollierte Hypotension
4 1 Amp. Infusionslösung à 25 ml = 25 mg
4 1 Amp. Infusionslösung à 50 ml = 50 mg jKontraindikationen
4 ausgeprägte Hypotonie (systolischer Blutdruck
jWirkmechanismus <90 mmHg)
4 organisches Nitrat 4 akutes Kreislaufversagen (Schock, Kreislauf-
4 systemischer NO-Donator kollaps)
4 enzymatische Bioaktivierung über mindestens 4 erhöhter intrakranieller Druck
zwei verschiedene Reaktionswege: 4 hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
5 mitochondriale Umwandlung durch das 4 höhergradige Aorten- und/oder Mitralstenose
Enzym Aldehyddehydrogenase (ALDH-2) 4 Überempfindlichkeit gegen Glyceroltrinitrat,
zu 1,2-Glyceroldinitrat und NOx o Aktivie- andere Nitratverbindungen oder einen der
rung der löslichen Guanylatzyklase nach sonstigen Bestandteile
Diffusion ins Zytosol
5 direkte Aktivierung im endoplasmatischen Dosierung
Retikulum über ein Cytochrom-P450-Enzym
5 Perfusor (z. B. 50 mg auf 50 ml):
NO
2-8(–10) mg/h
4 Dilatation von venösen Kapazitätsgefäßen
sowie von großen Koronararterien
4 Reduktion von Vorlast, ventrikulärer Wand-
spannung sowie des kardialen O2-Verbrauch jNebenwirkungen
durch venöses Pooling 4 ausgeprägter Blutdruckabfall (dosisabhängig)
4 Erweiterung arterieller Widerstandsgefäße erst 4 Reflextachykardie
in höheren Dosierungen 4 Zunahme des Rechts-links-Shunt
4 pulmonalarterielle Vasodilatation 4 Zunahme des zerebralen Blutvolumens
4 Bronchodilatation 4 migräneartige Kopfschmerzen (Dilatation me-
4 Tonusreduktion glatter Muskelzellen im Gast- ningealer Gefäße)
rointestinaltrakt sowie in den ableitenden 4 Verlängerung der Blutungszeit (dosisabhängig)
Harnwegen aufgrund Vasodilatation und Hemmung der
Thrombozytenaggregation
jPharmakologie
4 HWZ 2–2,5 min o gut steuerbare hämo- jWechselwirkungen
dynamische Effekte 4 starker Blutdruckabfall bei simultaner Gabe
4 Tachyphylaxie nach >24 h Dauerapplikation o von Phosphodiesterase-V-Hemmer (z. B. Silde-
Dosiserhöhung erforderlich nafil) zur Therapie einer pulmonal-arteriellen
4 Abbau in der Leber und vielen anderen Zellen Hypertonie oder erektilen Dysfunktion
(z. B. Erythrozyten) durch Abspaltung einer 4 starker Blutdruckabfall bei gleichzeitiger Ein-
oder mehrerer Nitratgruppen nahme von anderen Vasodilatatoren, Antihy-
4 renale Elimination der Metaboliten pertensiva, ACE-Hemmern, Beta-Rezeptoren-
blockern, Kalziumantagonisten, Diuretika,
jIndikationen Neuroleptika oder trizyklischen Antidepres-
4 akutes Konronarsyndrom: Therapie und siva, Alkohol und Sapropterin
Prophylaxe (z. B. instabile und vasospastische 4 ggf. verstärkte blutdrucksteigernde Wirkung
Form) bei gleichzeitiger Anwendung von Dihydro-
4 akuter Myokardinfarkt und Myokardischämie ergotamin
82 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

4 Wirkungsabschwächung von Heparin bei 4 keine Gewebsakkumulation


gleichzeitiger Anwendung 4 max. Infusionsdauer 72 h aufgrund der
Freisetzung von Cyanidionen
! Nitrattoleranz bei Anwendung von Glycerol-
4 nach i.v. Gabe Bindung an Oxyhämoglobin
trinitrat >24 h o Abnahme der vorlastsen-
und Entstehung von Met-Hämoglobin, Cyanid
kenden und antianginösen Effekte oDosis-
und NO
3 erhöhung erforderlich
4 30–50 % des Cyanids sind im Blut nachweisbar,
der Rest im Gewebe
3.5.3 Nitroprussid-Natrium (Nipruss) 4 Entgiftung des Cyanid in Leber und Niere über
das Enzym Rhodanase zu Thiocyanat mit Hilfe
4 1 Amp. mit 52,75 mg Trockensubstanz von Schwefeldonatoren – in erster Linie Thio-
4 schwach gelbliche Lösung (instabil!) olicht- sulfat
geschützte Perfusorspritze! 4 geschwindigkeitsbegrenzender Faktor: Verfüg-
barkeit schwefelhaltiger Substrate
jWirkmechanismus 4 bei höheren Nitroprussidnatrium-Dosen o
4 direkter, nicht gefäßselektiver Vasodilatator Anstieg der Serumkonzentration von Thio-
4 Aufbau: Eisenion im Komplex mit 5 Cyanid- cyanat, weil dieser Metabolit rascher entsteht,
gruppen (CN-) und einer Nitrosylgruppe als er durch die Nieren ausgeschieden wird
4 Aktivierung der lösliche Guanylylzyklase in glat- 4 Thiocyanat-Clearance beträgt beim Nieren-
ter Gefäßmuskulatur (NO!) oVasodilatation gesunden 2,2 ml/kg/min (bei Nierenfunktions-
4 keine enzymatische Freisetzung störungen geringer)
4 Nitroprussidnatrium dilatiert Muskulatur der
präkapillaren Arteriolen und der venösen jIndikationen
Kapazitätsgefäße; tonusherabsetzende Wir- 4 akute Linksherzinsuffizienz, insbesondere bei
kung auf Venen und Arterien etwa gleich aus- gleichzeitiger Hypertonie
geprägt 4 Low-output-Syndrom
4 Venodilatation o venöses Pooling mit Abnah- 4 nach Abgang von der Herz-Lungen-Maschine
me der kardialen Vorlast und Senkung erhöh- 4 intraoperatives Abklemmen der Aorta
ter Füllungsdrücke 4 hypertensive Krise
4 arterioläre Dilatation o Senkung des Blut- 4 kontrollierten Hypotension
drucks, Abnahme des peripheren arteriellen
Widerstandes und Senkung der kardialen jKontraindikationen
Nachlast 4 erhöhter intrakranieller Druck
4 Dilatation der großen Koronararterien 4 Aortenisthmusstenose
4 reflektorische Stimulation des Sympathikus 4 hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
mit Tachykardie und Stimulation der Renin- 4 höhergradige Aorten- und/oder Mitralstenose
sekretion 4 Hypothyreose
4 in vitro Hemmung der durch Kollagen, 4 Leber-Optikus-Atrophie
ADP und Adrenalin ausgelöste Thrombozy- 4 Tabak-Amblyopie
tenaggregation 4 Vitamin-B12-Mangel
4 in vivo Verminderung der Zahl zirkulierender 4 metabolische Azidose
Plättchenaggregate 4 intrapulmonale arteriovenöse Shunts

jPharmakologie
4 ausschließlich intravenöse Applikation;
100 %ige Bioverfügbarkeit
4 sehr kurze Halbwertszeit von 1–2 min,
bei höheren Dosen länger
3.6 · Mechanische Unterstützungssysteme
83 3

Dosierung ! Bei Cyanidintoxikation i.v. Gabe von


Hydroxocobalamin bzw. 4-DMAP (Dimethyla-
5 Perfusor (z. B. 60 mg auf 50 ml): initial minophenol-hydrochlorid) 3–4 mg/kg KG.
0,2 μg/kg/min, dann in Zeitintervallen von DMAP führt zur Met-Hämoglobinbildung o
3–5 min Verdopplung bis zum gewünschten Cyanidentgiftung durch Cyano-Met-Hämo-
Blutdruckniveaus globin, anschließend Natriumthiosulfat 50–
5 Variation der Infusionsgeschwindigkeit 100 mg/kg KG.
0,2–10 μg/kg/min
5 Kinder und Jugendliche benötigen oft 4 Thiocyanat als Endprodukt des Cyanidmeta-
höhere, ältere Patienten dagegen niedri- bolismus kann aber ebenfalls Vergiftungs-
gere Dosen symptome auslösen: Schwindel, Kopfschmer-
zen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Nervo-
sität, Hypothyreose, Durchfalle, Erbrechen,
Inkontinenz, Psychose, Paralyse, Koma, Tod
! Zur Vermeidung von Cyanidintoxikationen
stets Natriumthiosulfat als simultane Dauer-
infusion applizieren: 10 %ige Natriumthiosul-
3.6 Mechanische
fatlösung im Volumenverhältnis 10:1 (Nitro-
Unterstützungssysteme
prussid-Natrium:Natriumthiosulfat) über
getrennten venösen Zugang
3.6.1 Intraaortale
Ballongegenpulsation (IABP)

jNebenwirkungen 4 doppellumiger Ballonkatheter (8–9,5 Fr,


4 schwere Hypotonie Ballonvolumen 25–50 ml)
4 reflektorischer Tachykardie 4 Kathetergröße und Ballonvolumen größen-
4 Schwindel, Brechreiz, Erbrechen abhängig:
4 koronares »Steal«-Phänomen bei KHK 5 bis 152 cm: 25 ml
4 überschießende Hypertonie bei abruptem 5 152–163 cm: 34 ml
Absetzen 5 163–183 cm: 40 ml
4 Cyanidintoxikation (v. a. durch eingeschränk- 5 über 183 cm: 50 ml (Empfehlungen gemäß
ten Cyanidmetabolismus bei Leber- bzw. Nie- Hersteller
reninsuffizienz): 4 perkutane, transfemorale Insertion in Seldin-
5 hell-rotes venöses Blut ger-Technik bzw. über Schleuse
5 Hypoventilation, verminderte O2-Aufnahme 4 Vorschieben des Katheters in die thorakale
5 Laktatanstieg, metabolische Azidose Aorta bis zum Abgang der linken A. subclavia
5 Palpitationen, Herzrhythmusstörungen (o TEE- bzw. Röntgenkontrolle!)
5 Kopfschmerzen 4 EKG- bzw. druckgesteuerte Augmentations-
5 Bewusstseinsstörungen, Atemlähmung, modi von 1:1 bis 1:3
Krampfanfälle 4 Insufflation des Ballons in der Diastole (zum
Zeitpunkt der »Inzisur« in der arteriellen
jWechselwirkungen Duckkurve) durch Füllung mit Helium;
4 evtl. massiver Blutdruckabfall in Kombination abrupte Desufflation zu Beginn der Systole
mit Phosphodiesterase-5-Hemmer (z. B. Silde- (. Abb. 3.3)
nafil)
jWirkprinzip
4 phasische Zunahme des Aortendrucks durch
das streng auf die Diastole beschränkte Auf-
blasen des Ballons (diastolische Augmentie-
84 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

4 hämodynamische Stabilisierung beim Auf-


treten mechanischer Infarktkomplikationen
(insbesondere eines Ventrikelseptumdefektes)
vor dem Transfer in die Herzchirurgie
4 ausgewählte Patienten mit irreversiblem
Schock zur Überbrückung, z. B. bis zur Versor-
3 gung mit linksventrikulärem Assist-Device
(LVAD)
4 herzchirurgischen Patienten mit post- bzw.
perioperativem »Low-output«-Syndrom

. Abb. 3.3 Wirkweise der intraaortalen Ballongegenpulsa- jKontraindikationen


tionspumpe (IABP). (Aus Erdmann (Hrsg.) Klinische Kardiolo- 4 iliacofemorale Gefäßveränderungen, z. B. bei
gie Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herzna- pAVK
hen Gefäße. Springer 2009)
4 Aortendissektion
4 Aneurysma der Aorta abdominalis
4 höhergradige Aorteninsuffizienz
rung mit »Kamelhöckerform« der Blutdruck- 4 Blutungsdiathese (relativ)
kurve) o Zunahme der Koronarperfusion
4 Absenkung des systolischen Aortendrucks jKomplikationen
(Nachlastsenkung) durch die systolische 4 Ischämie der unteren Extremität (2,3–5,6 %)
Desufflation (Sogwirkung!) 4 arterielle Thrombose
4 Zunahme des diastolischen Blutdrucks sowie 4 Infektion (0,1–0,5 %)
des arteriellen Mitteldrucks 4 Blutungen (2,4–4,6 %)
4 Absenkung des bei Pumpversagen erhöhten 4 Beeinträchtigung der Leber- und Nieren-
diastolischen Ventrikeldrucks (Vorlast- funktion
senkung) 4 Darmischämie
4 moderate Verminderung des myokardialen 4 IABP mit einer Gesamtkomplikationsrate von
O2-Verbrauchs (10–20 %) 7–5 % bei mittlerer Liegedauer von 3 Tagen;
4 temporäre Verbesserung der linksventriku- IABP-assoziierte Gesamtletalität 0,05–0,5 %
lären Pumpfunktion
4 Anstieg des CI um ca. 20–30 % 5 Nach aktueller Studienlage kein verbesser-
tes Langzeitüberleben durch die
! Limitationen der IABP-Anwendung sind die Anwendung der IABP bei Patienten im
Notwendigkeit eines Mindest-CI von 1,3 I/ kardiogenen Schock und periinterventio-
min × m2 und eines weitgehend stabilen nell bei nicht unerheblicher Nebenwir-
Herzrhythmus. kungsrate! (Thiele 2012)

jIndikationen
4 kardiogener Schock infolge eines akuten 3.6.2 Perkutane kardiopulmonale By-
Myokardinfarktes, ggf. adjuvant zu primärer pass- und Unterstützungssysteme
systemischer Fibrinolyse
4 kardiogener Schock infolge eines akuten 4 CardioHelp-System (Maquet Cardiopulmo-
Myokardinfarktes bei primärer perkutaner nary AG, Hirrlingen, Deutschland; . Abb. 3.4)
Koronarintervention (PCI; Datenlage derzeit 4 Lifebridge-System (Zoll Lifebridge GmbH,
allerdings unklar) Ampfing, Deutschland; . Abb. 3.5)
4 hämodynamische Stabilisierung zum Trans- 4 Unterstützung bzw. Ersatz der Herz-Lungen-
port in ein Interventionszentrum Funktion für Stunden bis Tage
3.6 · Mechanische Unterstützungssysteme
85 3

. Abb. 3.4 Tragbares Herz-Lungen-Unterstützungssystem


CardioHelp der Fa. Maquet Cardiopulmonary AG, Hirrlingen

4 Luft- bzw. bodengebundene Notfalltransporte


und -verlegungen möglich (z. T. tragbare
Systeme!)

jMethodik
4 Bestandteile
5 Zentrifugalpumpe mit Steuereinheit,
Membranoxygenator, Messsystem für Blut-
fluss und Blutdruck, Wärmeaustauscher
. Abb. 3.5 Herz-Lungen-Unterstützungssystem Lifebridge
sowie arterielle bzw. venöser Kanüle der Fa. Zoll Lifebridge GmbH, Ampfing. (Aus Schmid u.
5 venöse Drainage über eine femoral in die Philipp A (Hrsg.) Leitfaden extrakorporale Zirkulation.
V. cava inferior eingeführte Kanüle Springer 2011)
5 im Oxygenator Anreicherung des venösen
Blutes mit O2, »Abblasen« des CO2 und
Aufwärmen jIndikationen
5 pumpengetriebene Rückführung des arte- 4 intrahospital erlittener Herzstillstand bei
rialisierten Blutes in die Aorta über einen erfolgloser konventioneller Reanimation
femoral platzierten arteriellen Katheter 4 fulminante Myokarditis mit kardiogenem
5 Blutflüsse bis zu 6 l/min möglich Schock
4 Katheterplatzierung (. Abb. 3.6) 4 Überbrückung bis zur Diagnostik, bis zur
5 perkutan mittels Seldinger-Technik (Im- Koronarrevaskularisation (PCI) bzw. bis zur
plantation des Systems innerhalb weniger Implantation eines biventrikularen Unterstüt-
Minuten von erfahrenem Team!) oder aber zungssystems (»bridging to bridging«)
chirurgische Insertion (ggf. über aufgenähte 4 Transport hämodynamisch bzw. respiratorisch
Gefäßprothese) instabiler Patienten zur definitiven Versorgung
86 Kapitel 3 · Kardiovaskulär wirksame Medikamente und mechanische Kreislaufunterstützung

ten unter 60 Jahren mit dokumentiertem plötz-


lichen Herzstillstand, sofort eingeleiteter Re-
animation und ohne neurologische Defizite.

jKomplikationen
4 Ischämie der unteren Extremität
3 4 arterielle bzw. venöse Thrombose
4 Blutungen
4 Infektion

3.6.3 Ventrikuläre Unterstützungs-


systeme
TandemHeart (Cardiac Assist
Technologies Inc., Pittsburgh, USA)
4 linksventrikuläres Unterstützungssystem
4 perkutane Anlage möglich (Herzkatheterlabor!)
4 Drainagekanüle (21 Fr) über Femoralvene
transseptal bis in linken Vorhof (transseptale
Punktion notwendig)
4 Zentrifugalpumpe mit niedrigen Priming-
volumen als Antrieb des Systems
4 arterielle Kanüle in Femoralarterie (15–17 Fr)
4 Unterstützungsfluss von 4,0–5,0 l/min möglich
4 derzeit Zulassung für 6-stündige Anwendung
4 suffiziente rechtsventrikuläre Funktion erfor-
derlich

Impella-System (Abiomed, Danvers, USA)


. Abb. 3.6 Anschluss eines perkutanen Unterstützungs-
systems (»va-ECMO«). (Aus Schmid u. Philipp A (Hrsg.) 4 links- bzw. rechtsventrikuläres Unterstützungs-
Leitfaden extrakorporale Zirkulation. Springer 2011) system
4 Mikroaxialpumpe
4 Implantation offen-chirurgisch (Impella
jKontraindikationen Recover LV, Impella Recover RV) bzw. trans-
4 Kontraindikationen allesamt relativ femoral (Impella Recover LV peripheral)
(»individueller Heilversuch«!) 4 transvalvuläre Platzierung des Katheters o
4 Einsatz der Systeme nach individueller Blut wird aus dem Ventrikel direkt in den
Nutzen-Risiko-Abwägung Bereich distal der Aorten- bzw. Pulmonal-
4 Für den Einsatz perkutaner kardiopulmonaler klappe gepumpt
Bypass-Systeme sollten klare Indikations- 4 Platzierungskontrolle mittels TEE
richtlinien vorliegen, um dieses Verfahren mit 4 maximaler Fluss 5,0–6,0 l/min
Aussicht auf Erfolg einzusetzen und nicht nur 4 Unterstützungsdauer bis zu 7 Tagen
den irreversiblen Schockzustand und damit
das Leiden des Patienten zu verlängern.
4 Als Richtlinien können z. B. gelten (Ferrari u.
Figulla 2005): keine Spontanzirkulation trotz
optimaler Reanimation über 5 min bei Patien-
Ausgewählte Literatur
87 3
> Nach gegenwärtiger Datenlage kein Kersten JR et al. (2000) Levosimendan, a new positive inotro-
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89 4

Blut und Blutprodukte


M. Fresenius

4.1 Blutgruppen – 90

4.2 Blutprodukte – 91

4.3 Transfusion – 97

4.4 Transfusionsgesetz (TFG) – 107

Ausgewählte Literatur – 108

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
90 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

4.1 Blutgruppen
. Tab. 4.1 Blutgruppenhäufigkeiten

4.1.1 AB0-System Blutgruppe Häufigkeit (in Westeuropa)

4 Die Blutgruppe richtet sich nach der Antigen- A 43 %


eigenschaft der Erythrozyten. 0 40 %
4 Die Blutgruppenantigene A und B des AB0-Sys-
B 12 %
tems befinden sich an der Erythrozytenober-
4 fläche. Das Antigen 0 gibt es nicht, man spricht AB 5%

allenfalls vom Merkmal H. Die Verteilung der Rh-positiv 85 %


einzelnen Blutgruppen gibt . Tab. 4.1 wieder. Rh-negativ 15 %
4 Die Blutgruppe A lässt sich in A1 und A2 unter-
teilen. Der Hauptunterschied zwischen den
Untergruppen besteht darin, dass die Aggluti- Serumantikörper
nation von A1-Erythrozyten bei Kontakt mit Antikörper sind Immunoglobuline und werden in
Anti-A-Serum wesentlich stärker und rascher reguläre und irreguläre Antikörper unterteilt.
verläuft. Für die Transfusion ist diese Unter-
teilung nicht von Bedeutung, da Antigen-Anti- Reguläre Antikörper (Iso-Antikörper)
körper-Reaktionen zwischen A1 und A2 sehr 4 Kommen regelmäßig im AB0-System, d. h.
selten auftreten und nur sehr schwach sind ohne Sensibilisierung vor (z. B. Anti-A, Anti-
(Verteilung: A1 ≈20 %, A2 ≈80 %). B). Sie werden jedoch erst im Lauf des ersten
Lebensjahres entwickelt, d. h. Neugeborene
besitzen in der Regel noch keine Iso-Anti-
4.1.2 Rhesusfaktor körper des AB0-Systems.
4 Gehören zu der Klasse der IgM-Antikörper
4 Der Rhesusfaktor der Erythrozyten wird durch und sind wegen ihrer Größe nicht plazenta-
mehrere Antigene (Partialantigene) bestimmt gängig.
(C, c, D, d, E, e). 4 Sie sind fast immer komplementbindend und
4 Das Rhesusantigen D ist wegen seiner starken somit hämolytisch wirksam.
Immunität das wichtigste und bei Transfusio-
nen stets zu berücksichtigen. Irreguläre Antikörper
4 Blut, das Erythrozyten mit dem Antigen D 4 entstehen erst nach Sensibilisierung (z. B.
besitzt, wird als Rhesus-positiv (Rh-pos) nach vorangegangener Transfusion oder nach
bezeichnet. Fehlt dieses Antigen, wird es als Schwangerschaft gebildete Antikörper)
Rhesus-negativ (Rh-neg) bezeichnet 4 gehören zu der Klasse der IgM- oder IgG-Anti-
körper
> Rhesusformel Ccddee (als Empfänger Rh-neg,
4 können gegen Untergruppen im AB0-System
als Spender Rh-pos).
(A2, H) oder anderen Systemen (Rhesus, Kell,
Duffy, Lewis etc.) gerichtet sein.
4.1.3 Weitere Blutgruppenantigene 4 Wichtig sind irreguläre Antikörper der IgG-
Klasse. Sie bleiben jahrelang nach Sensibilisie-
4 Antigene: Kell, Duffy, Lewis, Kidd, Lutheran, rung erhalten und können eine lebensbedroh-
P und MNSs liche Transfusionsreaktion auslösen, außerdem
4 Antikörper gegen diese Antigene werden erst sind sie plazentagängig, z. B. Rhesus (Anti-D,
nach Sensibilisierung gebildet Anti-C, etc.), Kell (Anti-K), Duffy (Anti-Fya),
4 Patienten, die Antikörper eines dieser Systeme Lewis (Anti-Lea Anti-Leb).
besitzen, dürfen kein Blut mit dem entspre- 4 Irreguläre AK gegen die Untergruppen im
chenden Antigen erhalten AB0-System (Anti-A1, Anti-H) besitzen sehr
4.2 · Blutprodukte
91 4
selten hämolytische Eigenschaften und sind 1940 Edwin Cohen zerlegt erstmals mittels seiner
somit klinisch nicht bedeutsam. neuen Methode, das Blutplasma in Fraktionen
(Albumin, Gammaglobulin und Fibrinogen), die
4 Irreguläre Antikörper der IgM-Klasse sind
in den klinischen Einsatz kommen
z. B. Kälteagglutinine. Sie sind außer bei tiefer 1985 HIV-Tests für Blutkonserven werden in den USA
Hypothermie (z. B. in der Kardiochirurgie) eingeführt
ohne klinische Bedeutung, da ihr Temperatur- 1990 Der erste Test für Hepatitis C wurde eingeführt
optimum bei ca. 20°C liegt. 1992 Spenderblut wird routinemäßig auf HIV-1- und
HIV-2-Antikörper getestet
1996 Start der Tests auf das HIV-Antigen p24 (Nach-
weis eines speziellen Virus-Proteins)
4.2 Blutprodukte 2001 Verbindliche Einführung der Leukozyten-
depletion
> Das früher eingesetzte Frisch- bzw. Vollblut Seit 2005 Verbreitung des Patient-Blood-Management
darf nicht mehr in den Verkehr gebracht und
transfundiert werden! Heutzutage werden
nur noch Eigen- und Fremd-Erythrozyten- 4.2.1 Stabilisatoren und Additivlösun-
konzentrate, Fresh Frozen Plasma (FFP) sowie gen für Erythrozytenkonzentrate
gepoolte oder durch Plasmaparese gewon-
nene Thrombozytenkonzentrate (TK) trans- Stabilisatoren
fundiert! Stabilisatoren dienen der Antikoagulation und
Membranstabilität von Erythrozyten zur Lagerung
Historie der Bluttransfusion
(. Tab. 4.2).
1628 William Harvey entdeckt den Blutkreislauf 4 ACD-Stabilisator
1666 Erste Bluttransfusion zwischen Hunden durch 5 Aqua destillata, Citrat (Acidum citricum,
den englischen Arzt Richard Lowen Natrium citricum), Dextrose
1667 Jean-Baptiste Denis führt die erste dokumen- 5 Lagerung bei 2–6°C (erschütterungsfrei) bis
tierte, erfolgreiche Blutübertragung von Lamm- 21 Tage
blut auf den Menschen durch
4 CPD-A-1-Stabilisator
1818 Erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch
wurde im Londoner St. Guy‘s Hospital durch- 5 Citrat, Natriumdihydrogen-Phosphat,
geführt (0,5 l Blut von verschiedenen Spender). Dextrose, Adenin
Er stirbt an diesem Eingriff 5 Lagerung bei 2–6°C (erschütterungsfrei) bis
1884 Salzlösung wird aufgrund der gehäuften Ab- 35 Tage
wehrreaktionen gegen Milch als Blutersatz
verwendet
Additive Lösungen
1901 Der Wiener Pathologe Karl Landsteiner entdeckt
das AB0-Blutgruppensystem (Nobelpreis 1930) Additive Lösungen dienen der Aufrechterhaltung
1902 Alfred von Decastello und Adriano Sturli ent- des Energiehaushalts und der Membranstabilität
decken die vierte Bluthauptgruppe AB von Erythrozyten während der Lagerung und ver-
1915 Richard Lewisohn vom Mount Sinai Hospital in längern die Verwendbarkeit um 10–14 Tage ge-
New York verwendet erfolgreich erstmals
genüber Stabilisatoren.
Natriumcitrat als Gerinnungshemmer. Damit
kann Blut erstmals gelagert werden und muss 4 SAG-M-Additivlösung
nicht direkt vom Spender zum Empfänger über- 5 Sodiumchlorid (NaCl), Adenin, Glukose,
tragen werden Aqua ad inject., Mannitol
1925 Karl Landsteiner entdeckt zusammen mit Phillip 5 Lagerung bei 2–6°C (erschütterungsfrei) bis
Levine 3 weitere Blutgruppen: N, M und P
42 Tage
1939/1940 Das Rhesus(Rh)-Blutgruppensystem wird von
Landsteiner, Wiener, Levine und Stetson ent-
4 PAGGS-M-Additivlösung
deckt und als Ursache für die meisten negativen 5 Natrium-mono- und -di-hydrogen-Phos-
Reaktionen bestimmt phat, Adenin, Glukose, Guanosin, Sodium-
chlorid (NaCl), Aqua ad inject., Mannitol
92 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

. Tab. 4.2 Stabilisatoren

Zitrat Antikoagulation (fällt ionisiertes Kalzium aus und hemmt somit Gerinnung)

Phosphat Unterstützung der Erythrozyten-Glykolyse; hebt pH leicht an o mehr 2,3-Diphosphoglycerat


bleibt erhalten (bis zu 1 Woche 2,3-DPG normal) 2,3-DPG po Linksverschiebung der O2-
Bindungskurve o schlechtere O2-Abgabe ans Gewebe (analog: pHn, CO2 p, Temperatur p)

Adenin Lagerungsfähigkeitsverlängerung

4 Dextrose, Glukose Erythrozyten-Glykolyse o die energiereichen Phosphate bleiben erhalten

. Tab. 4.3 Übersicht Erythrozytenkonzentrate

Präparat Volumen Hämatokrit Restanteil des Vollblutes ( %)


( ml) (%)
Erythrozytenmasse Leukozyten Plasma

Buffy-coat-haltiges EK 280–320 60–80 ≈90 ≈90 20–30

Buffy-coat-freies EK 250–300 60–80 ≈90 <50 20–30

Buffy-coat-freies EK in 250–350 50–70 >80 <20 <5


additiver Lösung

Leukozytendepletiertes EK 200–350 50–80 >80 <1 <20

Gewaschenes EK 200–300 50–70 >80 <1 <1

Kryokonserviertes EK 200–300 50–70 ≈50 <1 <1

5 Lagerung bei 2–6°C (erschütterungsfrei) bis (incl. Gerinnungsfaktoren) und Zusatz additi-
49 Tage ver Lösung zur Haltbarkeitsverlängerung.

Lagerung > 680 μg Ammoniak pro EK! Seit 2001 dürfen


nur noch leukozytendepletierte zelluläre
EKs müssen bei 2–6°C in geeigneten Kühlschrän-
Blutkomponenten in den Verkehr gebracht
ken oder -räumen mit fortlaufender Temperatur-
werden.
registrierung gelagert werden. Die Kühlkette soll
auch während des Transports nicht unterbrochen
werden, sofern die Produkte nicht unmittelbar da- Buffy-coat-haltiges EK
nach verwendet werden. 4 Herstellung: nach Zentrifugation des Vollblu-
tes wird das Plasma durch einfache physikali-
sche Verfahren im geschlossenen System teil-
4.2.2 Erythrozytenkonzentrat (EK) weise oder weitgehend von den Erythrozyten
(. Tab. 4.3) getrennt
4 Volumen: 280–320 ml (40–70 ml Plasma und
4 Alle verfügbaren EK enthalten in Abhängigkeit 10 ml Stabilisator)
vom Herstellungsverfahren den größten Teil 4 Hämatokrit: >80 %
der Erythrozyten einer Vollbluteinheit. 4 Leukozyten: ≈90 %, Plasma: 20–30 % (vom
4 Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch Vollblut)
den Gehalt an noch verbleibenden Leukozyten
und Thrombozyten (»buffy coat«), Plasma
4.2 · Blutprodukte
93 4
Buffy-coat-freies EK 4 Schwangere, wenn CMV-negative EK nicht
4 Herstellung: nach Zentrifugation des Voll- verfügbar sind (Vermeidung einer intrauteri-
blutes wird das Plasma und der buffy-coat nen fetalen CMV-Infektion), und ggf. HIV-
(Leukozyten und Thrombozyten) durch physi- Infizierte
kalische Verfahren im geschlossenen System 4 herzchirurgische Patienten mit einem Trans-
teilweise oder weitgehend von den Erythro- fusionsbedarf >3 EK (seit 1999 in England und
zyten getrennt. Zur Verbesserung der Konser- der Schweiz praktiziert) o geringe Inzidenz an
vierung wird das EK anschließend mit 40– Infektionen und geringere postoperative Mor-
70 ml Plasma resuspendiert talität
4 Volumen: 250–300 ml (40–70 ml Plasma und 4 Zustand nach nichthämolytischer febriler
10 ml Stabilisator) Transfusionsreaktion
4 Hämatokrit: >80 % 4 Verhinderung des Refraktärzustandes gegen
4 Leukozyten: <50 %, Plasma 20–30 % (vom Thrombozyten
Vollblut) 4 Reduzierung von intrazellulärer leukozytärer
Virenübertragung (CMV, HIV)
Buffy-coat-freies EK in additiver Lösung 4 Prophylaxe des ARDS bei Massivtransfusion
4 Herstellung: das buffy-coat-freie EK wird in 4 evtl. Früh-, Neugeborene und Säuglinge bis
80–100 ml Additivlösung aufgeschwemmt zum ersten Lebensjahr
4 Volumen: 280–350 ml (10–25 ml Plasma)
4 Leukozyten: <20 %, Plasma: <15 % (vom Voll- Gewaschenes EK
blut) 4 Herstellung: durch mehrmaliges Aufschwem-
men und Zentrifugieren leukozytendepletier-
Leukozyten-depletiertes EK ter Erythrozyten wird der größte Teil des Plas-
(gefiltertes EK) mas, der Leukozyten und Thrombozyten ent-
4 Herstellung: mittels spezieller Tiefenfilter fernt
(Leukozytendepletionsfilter) wird die Anzahl 4 Leukozyten: <1 %, Plasma: <1 % (vom Vollblut)
der Leukozyten weiter reduziert. Die Anzahl 4 Nachteile: Kontaminationsgefahr und fehlen-
der Restleukozyten darf 1 × 106 Zellen pro EK de Lagerungsfähigkeit bei Eröffnung des
nicht übersteigen. leukozytendepletierte EK geschlossenen Systems sowie waschbedingte
können sowohl aus buffy-coat-freien EK als Zellschäden
auch aus buffy-coat-freien EK in additiver
Lösung hergestellt werden jIndikationen
4 Nachteile: Kontaminationsgefahr und fehlen- Unverträglichkeit gegen Plasmaproteine, trotz Ver-
de Lagerungsfähigkeit bei Eröffnung des wendung von leukozytendepletierten EK in additi-
geschlossenen Systems: Sie sollten nach Eröff- ver Lösung oder bei Nachweis von Antikörpern
nen möglichst umgehend verwendet werden gegen IgA oder andere Plasmaproteine.
4 Leukozyten: <1 %, Plasma: <20 % (vom Voll-
blut) Kryokonserviertes EK
4 Herstellung: gewaschene EK werden unter
jIndikationen Zusatz eines Gefrierschutzmittels (Glycerin)
4 Prävention einer Alloimmunisierung gegen tiefgefroren und bei mindestens –80°C gela-
leukothrombozytäre Merkmale bei absehbarer gert. Kryokonservierte EK sind praktisch frei
Langzeitsubstitution und Immunsuppression von Plasma sowie intakten Leukozyten und
(auch vor Transplantation) Thrombozyten. Nach dem Auftauen muss das
4 hämatologische Grunderkrankungen (aplasti- Glycerin wieder ausgewaschen und die EK
sche Anämie, myelodysplastische Syndrome, müssen umgehend verwendet werden
transfusionspflichtige chronische Anämien, 4 Leukozyten: <1 %, Thrombozyten: <1 %,
Leukämien) Plasma: <1 % (vom Vollblut)
94 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

Indikationen
. Tab. 4.4 Blutgruppenkompatible Gabe von FFP
Nur bei Patienten mit komplexen Antikörper-
gemischen oder mit Antikörpern gegen ubiqui- Patient (Empfänger) Kompatible FFP
täre Antigene, die nicht anders versorgt werden
können. A A (AB)

B B (AB)
Bestrahltes EK
AB AB
4 Herstellung: Bestrahlung mit 30 Gy kurz vor
4 der vorgesehenen Transfusion. Zerstörung im- 0 0 (A, B, AB)
munkompetenter Lymphozyten. Nach Mög-
lichkeit sollten leukozytenarme gefilterte EK
bestrahlt werden divraten bei Karzinompatienten, der Kranken-
4 Nachteil: der lagerungsbedingte Kaliumaustritt hausmortalität, der Verlängerung der Kran-
aus den Erythrozyten wird durch Bestrahlung kenhausliegezeit! Des Weiteren existiert der
zusätzlich verstärkt Verdacht auf eine erhöhte Leukämierate nach
Fremdblutgabe o restriktive Transfusionspoli-
jAbsolute Indikationen tik und Maßnahmen zur Vermeidung von
4 intrauterine Transfusion Fremdblutgaben wie z. B. Patient Blood
4 Neugeborene (<37. SSW) Management, das Anheben der Transfusions-
4 Stammzell- oder Knochenmarktransplantation schwelle sowie das Führen von Transfusion-
4 autologe Stammzellenentnahme trigger-Checklisten! Gabe von intravenösen
4 lymphoproliferative Erkrankungen Eisen (z. B. Ferinjekt) und/oder Erythropoetin
4 Immundefizitsyndrom bei Eisenmangelanämie (zurzeit für diese Indi-
4 alle gerichteten Blutspenden aus der engen kation keine offizielle Zulassung!), präopera-
Familie tive Therapie von Anämien bei chronischen
Erkrankungen, maschinelle Autotransfusion
jRelative Indikationen (MAT), Wiederaufbereitung von Drainagen-
4 Patienten mit Malignom unter Hochdosis- blut, schonende Operationstechniken.
Chemotherapie
4 Autoimmunerkrankungen
4 Morbus Hodgkin 4.2.3 Fresh-frozen Plasma (FFP)
4 Transplantation solider Organe (Immunsup- (. Tab. 4.4)
pression)
4 Austauschtransfusion 4 Herstellung: innerhalb von 6 h (maximal 24 h)
tiefgefrorenes Plasma, welches aus einer Voll-
> Für Kinder und Patienten vor/nach Trans-
blutspende (≈270 ml) oder durch Plasmapha-
plantation sollten nur CMV-freie und
rese (≈600 ml) gewonnen worden ist
bestrahlte Konserven verwendet werden!
4 Antikoagulanzien: Citrat-Phosphat-Dextrose-
4 Die Gabe von Fremdblut führt zu einer kli- Adenin (CPDA)
nisch fassbaren Immunsuppression bei 4 physiologische Zusammensetzung prokoagula-
reduzierter »natural killer cell activity« und torischer und profibrinolytischer Faktoren
reduzierter T-Zell-Entwicklung o verminder- 4 gerinnungsaktive Qualität von Frischplas-
te Abstoßungsreaktion nach Nierentransplan- men abhängig von
tation, günstige Beeinflussung des postoperati- 5 Konzentration beim Spender (große inter-
ven Verlaufs von Autoimmunerkrankungen individuelle Schwankungen bei Spendern
wie z. B. Morbus Crohn. von 0,6–1,4 U/ ml jedes Gerinnungsfaktors,
4 Die Gabe von Fremdblut führt zur Erhöhung dabei entspricht 1 U/ ml 100 % Aktivität
der Infektionsrate, Erhöhung von Tumorrezi- eines Plasmapools)
4.2 · Blutprodukte
95 4
5 Lagerung (Temperatur) 5 spätestens bei 1- bis 1,5-fachen Verlust des
5 Herstellungsverfahren (Virusinaktivierung geschätzten Blutvolumens
durch Methylenblau, Hitze etc.)
5 Auftauen (Temperatur und Geschwindig- Dosierung
keit): Soll: 25 min bei 37°C
5 Faustregel: 1 ml/kg FFP o Erhöhung des
– die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII
Faktorengehalts um ≈1–2 %
im aufgetauten Plasma soll mindestens
5 Massivtransfusion: EK: FFP = 3:1 bis notfalls
70 % der individuellen Ausgangsaktivität
1:1
sein (also mindestens 0,7 U/ ml, von BGA
5 Leberausfall: 10–20 ml/kg, initial 4 Einhei-
vorgeschrieben)
ten, Tagesbedarf ≈8 Einheiten
– nach dem Auftauen verlieren sie jedoch
rasch an Aktivität: 60–70 % der Aus-
gangsaktivität nach dem Auftauen, außer
Faktor V (≈40–50 %), da sehr labil jKontraindikationen
4 Plasmaeiweißallergie
> FFP innerhalb einer ½ h nach dem Auftauen
4 Mangel einzelner Gerinnungsfaktoren
geben! Nach 4 h nur noch 40–50 % der Aus-
4 Volumenmangel ohne Gerinnungsstörungen
gangsaktivität vorhanden, nach 6 h 0 %
4 Hypervolämie, Hyperhydratation, Lungen-
4 zulässiger Restzellgehalt: ödem
5 Erythrozyten: <1000/μl
5 Leukozyten: <500/μl jNebenwirkungen
5 Thrombozyten: <20.000/μl 4 Überempfindlichkeitsreaktionen
4 Proteinkonzentration: 60 g/l 4 Herz-Kreislauf-Reaktionen infolge von Citrat-
4 Lagerung: bei –30°C: bis 1 Jahr, bei –40°C: bis reaktionen bei Leberfunktionsstörungen sowie
2 Jahre, bei –70°C: bis 3 Jahre bei Neugeborenen, besonders bei schneller
Transfusion
jIndikationen 4 Immunisierung des Empfängers gegen Plasma-
4 angeborener Faktor-V- und -XI-Mangel (es proteine
gibt keine Einzelfaktorenpräparate hierfür) 4 transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffi-
4 Lebererkrankungen mit aktiver klinischer zienz (TRALI-Syndrom): sehr selten und tritt
Blutung fast ausschließlich durch Übertragung größe-
4 Plasmaaustausch bei Moschkowitz-Syndrom, rer Mengen Plasma, das granulozytenspezifi-
thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura sche Antikörper enthält, auf
(wird derzeit als Therapie der Wahl angesehen) 4 mit nichtinaktiviertem Plasma können Erreger
4 Guillain-Barré-Syndrom (der mehrfache von Infektionskrankheiten (z. B. HBV, HCV,
Plasmaaustausch ist einer rein supportiven CMV, HIV, Parvovirus B19) oder andere
Therapie nachweislich überlegen) Mikroorganismen übertragen werden
4 Austauschtransfusionen (von mehr als dem 4 Virusinaktivierung des Plasmas durch
errechneten Blutvolumen des Patienten) bei 5 Hitzebehandlung
Kindern und Erwachsenen 5 Alkoholfraktionierung
4 evtl. Verdünnungskoagulopathie infolge 5 photodynamische Einzelplasmabehandlung
Massivtransfusion mit Methylenblau und Lichtexposition
4 evtl. Notfallindikation beim Hämophilie- 5 Behandlung von Poolplasma mit Solvent/
patienten Detergent-Verfahren (S/D): Tri-N-butyl-
4 evtl. Verbrauchskoagulopathie phosphat o hoher Verlust der Aktivität von
4 Gabe von FFP bei Kindern: Faktor V und VIII
5 bei Quick <40 %, PTT >150 % der Norm 5 seit 01.07.1995: Lagerung von 4 Monaten
und Fibrinogen <0,75 g/l bzw. vorgeschrieben o Quarantäneplasma
96 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

4 Plasma der Blutgruppe AB kann im Notfall für


. Tab. 4.5 Blutgruppenkompatible Transfusion
Patienten aller Blutgruppen verwendet werden von TK
4 das Rhesus-System braucht nicht berücksich-
tigt zu werden Patient (Empfänger) Kompatible TK

A A (0)

4.2.4 Thrombozytenkonzentrat (TK) B B (0)


(. Tab. 4.5) AB AB (A, B, 0)
4
Herstellung 0 0

4 Poolthrombozyten bestehend aus 4–6 Einzel- Rh-positiv Rh-positiv (Rh-negativ)


spender-TK enthalten bis 24–36 × 1010 Throm- Rh-negativ Rh-negativ (evtl. Rh-positiv)
bozyten
4 Hochkonzentrat (Thrombozytopherese) ent-
halten bis 20–40 × 1010 Thrombozyten und je
nach Herstellungsverfahren 10–500 × 106 Leu- ! Nicht bei Pseudothrombopenien (fälschlich
kozyten und bis zu 30 × 108 Erythrozyten zu niedrig gemessene Werte durch antikör-
4 leukozytendepletiertes TK kann sowohl aus perinduzierte Verklumpung, z. B. EDTA-ab-
Pool-TK als auch aus Thrombozytopherese-TK hängige Thrombopenie o Bestimmung im
durch spezielle Filter hergestellt werden. Eine Citratblut)!
Leukozytenreduktion auf 1 × 104 kann erreicht
werden, jedoch dadurch bis 25 %iger Verlust Dosierung
von Thrombozyten: Thrombozytengehalt
>6 × 1010, Restleukozyten <50 × 1010, Restery- 5 Faustregel minimaler Thrombozytenbe-
throzyten <5 × 108 darf: Thrombozytenanzahl = gewünschter
Thrombozytenanstieg (/μl) × Blutvolu-
Lagerung men ( ml) (≈70 ml/kg) × 1,5
4 Unter ständiger Bewegung (auf Rüttelmaschi- – z. B. Anstieg um 50.000/μl, Patient 70 kg:
ne) bei Raumtemperatur (>22 ± 2°C) für maxi- 50 × 103/μl × 70 kg × 70 ml/kg × 1,5 =
mal 3–5 Tage haltbar (nicht im Kühlschrank, 50 × 103/μl × 4900 × 103 μl × 1,5 = 367 ×
dies führt zur Plättchenaggregation!). 109 ≈3,6 × 1011
4 Pool-TK oder in offenen Systemen gewonnene 5 Erfahrungsgemäß führen
TK müssen innerhalb von 12 h nach Herstel- – 4–6 Einheiten Einzelspenderthrombozy-
lung verwendet werden. tenkonzentrat oder
– 1 Einheit Poolthrombozyten oder
jIndikationen – 1 Einheit Thrombozytenhochkonzentrat
4 >100.000/μl nur bei Thrombopathie 5 zu einem Thrombozytenanstieg von
4 80–90.000/μl bei großen oder risikobehafteten ≈20.000–30.000/μl
Operationen (besonders Kardiochirurgie, 5 TK-Gabe bei Kindern: ≈10 ml/kg Einzel-
Neurochirurgie, Augen) spender-TK mit 5–8 × 1010 Thrombozy-
4 50–60.000/μl bei Massivtransfusion ten o 20.000–50.000/μl Thrombozyten-
4 50.000/μl peri- und postoperativ bis 4. Tag anstieg
4 20–50.000/μl bei Blutung
4 30.000/μl postoperativ 4.–7.Tag
4 10.000/μl Prävention einer Spontanblutung jBesonderheiten
ohne chirurgischen Eingriff (nach Lebertrans- 4 Nur 60–70 % finden sich in der Blutzirkulation
plantation evtl. erst bei <10.000/μl wegen mög- wieder, der Rest wird bei Erstpassage in der
licher Sensibilisierung) Milz abgefangen (daher × 1,5).
4.3 · Transfusion
97 4

. Tab. 4.6 Blut-Normalwerte (gemäß der Querschnittsleitlinie der Bundesärztekammer 2008)

Parameter Normalwerte (konventionelle Einheit)

Hämatokrit ᄝ: 41–50 % ᄛ: 46 %

Erythrozyten ᄝ: 4,5–5,9 Mio./ ml ᄛ: 4,0–5,2 Mio./ ml

Hämoglobin ᄝ: 14–18 g/dl (8,7–11,2 mmol/l) ᄛ: 12–16 g/dl (7,5–9,9 mmol/l)

MCH 27–34 pg

MCHC 30–36 g/dl

MCV 85–98 fl

4 Seit 2001 dürfen nur noch leukozytendeple- 4.3 Transfusion


tierte zelluläre Blutkomponenten in den
Verkehr gebracht werden. 4.3.1 Indikationen zur Transfusion
4 Übertragung nach Kompatibilität im AB0- und
Rh-System wie bei EK, wegen der geringen, 4 eine Anämie in der perioperativen Phase führt
aber immer vorhandenen Kontamination mit zu einer Zunahme der Mortalität:
Erythrozyten. Weitere wichtige Alloantigene 5 ohne Anämie: 0,78 %
sind die HLA-Antigene der Klasse I sowie 5 milde Anämie: 3,53 %
plättchenspezifische Antigene. 5 schwere Anämie: 10,2 %
4 Einem Rh-neg-Empfänger dürfen Rh-pos- 4 Für die Indikation zur Transfusion von Eryth-
Thrombozyten nur im Notfall transfundiert rozytenkonzentraten lassen sich keine obliga-
werden, da der Empfänger Antikörper bildet, ten unteren Grenzwerte für Hämoglobin oder
die oft lebenslang erhalten bleiben. Wird ei- Hämatokrit festlegen. Anhaltswerte geben
nem solchen Patienten erneut Rh-positives- . Tab. 4.6, . Tab. 4.7, . Tab. 4.8 und . Tab. 4.9
Blut übertragen, kann eine schwere hämolyti- wieder.
sche Transfusionsreaktion ausgelöst werden. 4 Nach neueren Empfehlungen wird bei be-
Wenn die Gabe von Rh-pos-Thrombozyten stehenden kardialen Kompensationsmecha-
unvermeidlich ist, sollte bei Rh-neg-Frauen im nismen die minimale Hb-Konzentration bei
gebärfähigen Alter eine Prophylaxe mit Anti- 6,0 g/dl angegeben (= kritischer Hb-Wert,
D-Immunoglobulin (250–300 μg Anti-D i.v.) bei dem bei Normovolämie und Normoxie
durchgeführt werden (Cave: keine die O2-Versorgung des Gewebes noch gewähr-
i.m.-Injektion). leistet ist)!
4 Gabe über ein spezielles Thrombozytenbe-
steck (Filter 170–200 μm), das einen geringe- jAktuelle Indikationen
ren Thrombozytenverlust im System verur- 4 Hb-Konzentration <6,0 g/dl bzw. Hkt <20 %
sacht. 4 Hb-Konzentration zwischen 6,0 und 10,0 g/dl
4 Therapiekontrolle: Thrombozytenzahl und und bei klinischer Symptomatik wie Tachy-
Thrombozytenfunktion. kardie, Hypotension, Dyspnoe, neu aufgetre-
4 Bei immunsupprimierten Patienten muss vor tene regionale, myokardiale Wandbewegungs-
TK-Transfusion zur Vermeidung einer GvH- störungen im Echo
Reaktion eine Bestrahlung mit ca. 30 Gy 5 pvO2 <32 mmHg
durchgeführt werden. 5 Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung
<60 %
5 globale O2-Extraktionsrate >50 %
98 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

. Tab. 4.7 Transfusionstrigger (gemäß der Querschnittsleitlinie der Bundesärztekammer 2008)

Hb-Bereich Risikofaktor/Transfusionstrigger Transfusion Evidenz

≤6 g/dl bzw. ≤3,7 mmol/l Ja* 1C+, Soll

>6–8 g/dl bzw. > 3,7-5,0 mol/l Keine Risikofaktoren, adäquate Kompensation Nein 1C+, Soll

Risikofaktoren vorhanden, eingeschränkte Kom- Ja 1C+, Soll


pensation
4 Hinweise auf anämische Hypoxämie (Physiolo- Ja 1C+, Soll
gische Transfusionstrigger)

>8–10 g/dl bzw. > 5,0–6,2 mol/l Ja 2C, Könnte

>10 g/gl bzw. >6,2 mol/l Nein* 1A, Soll

* in Einzelfällen kann ein niedriger Hb-Wert toleriert bzw. ein höherer Hb-Wert indiziert sein!

. Tab. 4.8 Hb- und Hkt-Normalwerte und kritische Grenzwerte

Alter Transfusionsgrenzen Normalwerte

Hb (g/dl) Hkt (%) Hb (g/dl) Hkt (%)

Frühgeborene 12–14 40–50

Frühgeborene bis 2 Monate 11–12 36–42

Neugeborene 10 30–40 15–25 45–65

Säuglinge in der Trimenonreduktion 8 25–28 9–12 30–42

1 Jahr 6–7 20–25 10–15 35–45

6 Jahre 6–7 20–25 10–15 35–45

Gesunder Erwachsener 6 18-20 12–16 40–50

KHK-Patient 8-10 30

Grenzwerte werden gegenwärtig nicht einheitlich beurteilt

. Tab. 4.9 Therapievorschlag

Volumenverlust Therapie

Blutverlust bis 20 % des Blutvolumens Ersatz mit Kristalloiden und Kolloiden

Blutverlust ab 30 % des Blutvolumens EK-Einsatz nach Hb-Wert


FFP-Gabe im Verhältnis 4:1–2:1 (EK:FFP)

ab Verlust des einfachen Blutvolumens EK-Einsatz nach Hb-Wert FFP-Gabe im Verhältnis 1:1 (EK:FFP)

ab Verlust des 1,5-fachen Blutvolumens EK-Einsatz nach Hb-Wert


FFP-Gabe im Verhältnis 1:1 (EK:FFP)
TK-Gabe im Verhältnis 1:1 (EK:TK) bzw. ab 50.000 Thrombozyten/μl
4.3 · Transfusion
99 4
5 einer um mehr als 50 % von der (§ 1666 BGB). Im Notfall muss die Transfusion er-
Ausgangssituation gesunkener O2- folgen, da sonst der Tatbestand der unterlassenen
Verbrauch, der nicht anderweitig erklärt Hilfeleistung zugrunde liegen kann.
werden kann Unter extremer Hämodilution sind Gelatine-
5 Laktatazidose >2 mmol/l lösungen aufgrund eines erhöhten Transportver-
5 myokardiale und zerebrale Ischämiean- mögens von CO2 und keiner über das Maß des Hä-
zeichen trotz ausreichender Isovolämie o modilutionseffektes hinausgehende Beeinflussung
ST-Streckensenkungen >0,1 mV oder ST- der Gerinnung zu bevorzugen.
Hebungen >0,2 mV für eine Dauer von min-
Dosierung
destens 1 min in den Ableitungen II und V5
5 Faustregel
Die restriktive Gabe von Erythrozytenkonzentraten
– 3–4 ml/kg EK o Erhöhung des Hb um ≈
(Hb-Transfusionswert <7,0 g/dl vs. <10 g/dl) führte
1 g/dl oder:
in einer von Herbert veröffentlicht großen rando-
– Erforderliches Volumen = Blutvolumen
misierten Studie zu keiner Zunahme der 30-Tage-
(≈70 ml/kg) × HktWunsch – HktAktuell
und der Krankenhausmortalität.
– HktWunsch: gewünschter Hämatokrit
> Mehr als 14 Tage lang gelagerte Erythrozyten- – HktAktuell: aktueller Hämatokrit
konzentrate scheinen ungeeignet zu sein, die
globale und lokale O2-Versorgung beim
kritisch-kranken Patienten zu verbessern!
4.3.3 Patient-Blood-Management

Um eine restriktive Transfusionspolitik auch


4.3.2 Maximal tolerabler Blutverlust auf der Intensivstation durchführen zu können,
(MTBV) sollte auch in diesem medizinischen Bereich das
Konzept des Patient-Blood-Managements umge-
MTBV =
(70ml/kg) × (Hkt o − Hkt min ) setzt werden:
(Hkt o − Hkt min ) / 2
Optimierung des Erythrozytenvolumens
4 Hkto = Ausgangshämatokrit 4 Stimulation der Erythropoese durch Eisengabe
4 Hktmin = minimaler Hämatokrit zum Ausgleich des totalen Eisendefizits (TID)*
und/oder Erythropoetin (EPO): 300–700 U/
> Für das Überleben von (Myokard-)gewebe ist kg KG zweimal wöchentlich über 3 Wochen
ein unterer O2-Gehalt von 6 ml/dl, was einem 4 *TID (mg) = Gewicht (kg) × (Zielhämoglobin-
Hb-Wert von 4,4 g/dl unter Raumluft ent- aktuellen Hämoglobin in g/dl × 0,24) + Eisen-
spricht, notwendig. speicher (500 mg)
4 Berücksichtigung von anämiebegünstigenden
Es liegen einzelne Berichte vor, dass Zeugen-Jeho- Medikamenteninteraktionen
vas-Patienten Hb-Werte von 2,4 g/dl und Hkt-
Werte von bis zu 4 % ohne Organschäden überleb- Minimierung von Blutungen und
ten o das Recht auf Selbstbestimmung (Art. 2 GG) Blutverlusten
ist bei erwachsenen bewusstseinsklaren Patienten 4 optimales Hämostase/Gerinnungsmanage-
zu respektieren (gegenüber dem Grundsatz der ment z. B. mittels ROTEM o Vermeidung von
ärztlichen Behandlungsfreiheit). Anders hingegen Nachblutungen
bei Minderjährigen, deren Eltern eine Bluttransfu- 4 Aufrechterhaltung einer Normothermie bzw.
sion verweigern. Hier muss über das Vormund- schnelle Wiedererwärmung (Ausnahme: indi-
schaftsgericht eine Einwilligung zur Transfusion zierte Hypothermie z. B. nach Reanimation bei
gegen den Willen der Eltern eingeholt werden KF) o bessere Hämostase
100 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

. Tab. 4.10 Bestimmung der Blutgruppe

Blutgruppe Erythrozytenreaktion mit Testserum (Bedsidetest) Serumreaktion mit Testerythrozyten

Anti-A Anti-B A-Zellen B-Zellen

A + – – +

B – + + –

4 AB + + – –

0 – – + +

4 Minimierung des interventionellen und dia- pro Jahr (Zahlen aus dem Jahr 2008). Im Jahr 2011
gnostischen Blutverlustes (keine Routinelabor, wurden 4,3 Mio. Erythrozytenkonzentrate in
Verwendung spezieller Blutabnahmesets, …) Deutschland transfundiert!
4 autologe Blutrückgewinnung (Aufbereitung
des Drainageblutes mittels Cell-Saver)
4 Prophylaxe der oberen gastrointestinalen Blu- 4.3.4 Verträglichkeitstests
tung o Gabe von Protonenpumpenblocker bei (Prophylaxe hämolytischer
Risikopatienten Transfusionsreaktionen)
4 Vermeidung und zeitnahe Behandlung von
Infektionen o Vermeidung einer Infekt- Vor jeder Transfusion müssen folgende Unter-
anämie suchungen bzw. Tests durchgeführt werden:
4 Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-
Erhöhung und Ausschöpfung Faktors (. Tab. 4.10)
der Anämietoleranz 4 Antikörpersuchtest (indirekter Coombs-Test)
4 Optimierung der Anämiereserve o Aufrecht- beim Empfänger und Spender
erhaltung einer Normovolämie und normales 4 Kreuzprobe
Herzminutenvolumen 4 Überprüfung des Blutgruppenbefundes, der
4 Maximierung der O2-Versorgung o Gabe von Kreuzprobe und der Konserve
O2, Optimierung der Beatmung (Hyperoxie) 4 Bedside-Test vom Patienten
und der Hämodynamik, evtl. Gabe von Ka-
techolaminen, PEEP-Beatmung,… Bestimmung der Blutgruppe und
4 Reduktion des O2-Bedarfes o Einhaltung der des Rh-Faktors (Kreuzprobe)
Normothermie (Antipyretika bei Fieber), evtl. Mit der Kreuzprobe soll festgestellt werden, ob sich
milde Hypothermie, Thyreostatika bei Hyper- Antikörper beim Spender oder Empfänger befinden
thyreose, adäquate Analgosedierung evtl. mit und eine hämolytische Transfusionsreaktion auslö-
Muskelrelaxation im Einzelfall, Therapie des sen können. Die Kreuzprobe besteht aus 3 Stufen:
unbehandelten arteriellen Hypertonus,… 4 Stufe 1 = Kochsalztest (eigentliche Kreuz-
4 strenge Indikationsstellung zur Bluttransfusion probe)
o Festlegung des patientenspezifischen 5 die Erythrozyten des Spenders werden mit
Transfusionstrigger dem Serum des Empfängers (Majorteil) und
umgekehrt (Minorteil) zusammengebracht
Anmerkung: Deutschland hat im EU-Vergleich 5 Majortest
eine sehr hohe Transfusionsrate: 57,3 EK pro 1000 5 das Empfängerserum wird auf Antikörper
Einwohner vs. 36,1 in England und 34,4 in Frank- gegen Spendererythrozyten untersucht
reich, EU-Durchschnitt 40 EK pro 1000 Einwohner 5 Minortest
4.3 · Transfusion
101 4
5 Spenderserum wird auf Antikörper gegen 4 Der Bedsidetest ist unmittelbar vor der Trans-
Empfängererythrozyten untersucht fusion vom transfundierenden Arzt oder unter
5 besonders wichtig bei Neugeborenen und seiner Aufsicht durchzuführen, um die AB0-
Kleinkindern mit noch nicht ausgereiftem Blutgruppe des Empfängers zu bestätigen. Das
Immunsystem Ergebnis ist schriftlich zu dokumentieren. Eine
> Tritt beim Major- oder Minortest nach
Testung der Konserve ist nicht mehr vorge-
Inkubation von 5 min bei Raumtemperatur
schrieben!
und anschließender Zentrifugation schon
4 Eine Bestimmung des Rhesusfaktors oder
eine Agglutination auf, besteht Unverträg-
eine Blutgruppenkontrolle des EK (»Inhalts-
lichkeit, und die weiteren Tests können
kontrolle«) ist nicht vorgeschrieben.
weggelassen werden.
4 Bei Eigenblut muss der Bedsidetest vom Emp-
fänger und von der Eigenblutkonserve (»In-
4 Stufe 2 = Albumintest haltskontrolle«) durchgeführt werden, um Ver-
5 Suche nach kompletten Antikörpern oder tauschungen zu vermeiden, da hier keine
Antikörpern, die in Kochsalz keine Aggluti- Kreuzprobe erfolgt.
nation hervorrufen
5 Zugabe von 30 %-igem Rinderalbumin und
Maßnahmen vor Transfusion
Inkubation von 30–45 min bei 37°C
Vor Beginn der Transfusion hat der transfun-
5 nach Zentrifugation wird auf Agglutination
dierende Arzt persönlich zu überprüfen:
untersucht
5 den Blutgruppenbefund des Empfängers
4 Stufe 3 = Coombs-Test (direkter Coombs-Test)
und evtl. vorliegende irreguläre Antikörper,
5 Die Suche nach inkompletten Antikörpern,
5 ob die Konserve für den entsprechenden
die erst durch Zugabe von Coombs-Serum
Empfänger bestimmt ist,
(Antihumanglobulin) eine sichtbare Agglu-
5 ob die Blutgruppe der Konserve (Konser-
tination bewirken. Die im Coombs-Serum
venetikett) dem Blutgruppenbefund des
enthaltenen Antikörper bilden eine »Ver-
Empfängers entspricht,
bindungsbrücke« zwischen inkompletten
5 ob Verträglichkeit besteht (negative Kreuz-
Antikörpern.
probe) und die Kreuzprobe noch Gültigkeit
Antikörpersuchtest besitzt (in der Regel 72 h),
(indirekter Coombs-Test) 5 ob die angegebene Konservennummer mit
dem Begleitschein übereinstimmt,
Bei Empfänger und Spender
5 ob die Konserve unversehrt und das Ver-
4 Im Unterschied zur Kreuzprobe werden
fallsdatum nicht überschritten ist.
gepoolte Testerythrozyten mit einer optimalen
5 Durchführung des Bedsidetests (oder unter
Anzahl von Antigenen mit Empfänger- bzw.
seiner Aufsicht)
Spenderserum vermischt.
4 Aufdeckung der meisten irregulären bzw.
inkompletten Antikörper wie z. B. Rhesus, Kell,
Duffy, Lewis, Kidd etc. 4.3.5 Auswahl von Erythrozyten-
4 Eine weitere Identifizierung von irregulären konzentraten (. Tab. 4.11)
Antikörpern erfolgt dann gegebenenfalls mit
speziellen Testerythrozyten. > Nach Möglichkeit sollte AB0- und Rh-blut-
gruppengleich transfundiert werden.
Bedsidetest
4 Mit dem Bedsidetest sollen Vertauschungen 4 Einem Rh-neg-Empfänger darf Rh-pos-Blut
und Verwechslungen bei der Blutabnahme, bei nur im Notfall transfundiert werden, da der
der Kreuzprobe oder bei der Zuordnung der Empfänger Antikörper bildet, die oft lebens-
Blutpräparate zum Patienten entdeckt werden. lang erhalten bleiben. Wird einem solchen
102 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

4.3.6 Nebenwirkungen und


. Tab. 4.11 Blutgruppenkompatible Transfusion von
EK
Komplikationen von Blut-
transfusionen
Patient (Empfänger) Kompatible EK
4 »Infectious serious hazard of transfusion«
A A (0) (ISHOT):
B B (0) 5 Übertragung von Hepatitis B-, C- und HIV-
AB AB (A, B, 0)
Infektionen sowie Creutzfeldt-Jakob-Er-
4 krankung
0 0
5 Anstieg der Mortalität infolge Infektion und
Rh-positiv Rh-positiv (Rh-negativ) Ischämie (Murphy 2007)
Rh-negativ Rh-negativ (evtl. Rh-positiv) 5 Anstieg des Infektionsrisiko (3-fach höher)
durch transfusionsassoziierte Immunmodu-
lation (TRIM)
Patienten erneut Rh-pos-Blut übertragen, kann 4 »Non infectious serious hazard of transfu-
eine schwere hämolytische Transfusionsreak- sion« (NISHOT)
tion ausgelöst werden. 5 febril-hämolytische und febrile nicht-hämo-
lytische Reaktionen
! Die Gabe von Rh-positivem EK sollte bei
5 erhöhtes Risiko für Non-Hodgkin-Lym-
Rh-neg-Kindern und Rh-neg-Frauen im
phome nach 10–20 Jahre nach Transfusion
gebärfähigen Alter unbedingt vermieden
(Castillo 2010)
werden!
5 Anstieg des allergischen Risikos bzw.
4 »Universalspenderblut 0« Alloimmunisierung
5 Erythrozyten der Blutgruppe 0 lassen sich 5 unspezifische Fieberreaktion infolge
praktisch reaktionslos auf blutgruppen- »storage damage« durch zulange Lagerung
ungleiche Empfänger übertragen. Da jedoch (»aged blood«) mit konsekutiver Freiset-
in EK der Blutgruppe 0 immer noch ein zung von Zytokinen (IgG- und α-TNF-
Plasmaanteil mit Anti-A- und Anti-B-Anti- Freisetzung) o Vermeidung durch kürzere
körpern vorhanden ist, ist die Menge der Lagerungszeiten, Leukozytendepletion und
übertragbaren EK begrenzt. Bei größeren Einsatz von Antipyretika
Transfusionsmengen werden die Empfän-
! Induktion einer akuten Herzinsuffizienz
gererythrozyten geschädigt, da dann die
(TACO = transfusions-associated circulatory
Verdünnung der Antikörper nicht mehr
overload) mit BNP-Anstieg und LVF-Ein-
ausreichend hoch ist.
schränkung o Liegedauer n.
5 Bei EK mit geringem Plasmaanteil (gewa-
schene EK) brauchen die Isoantikörper des
AB0-Systems im Spenderplasma nicht be- Anmerkung:
rücksichtigt zu werden. Solche EK können 4 altes« Blut (ab >14 Tage Lagerungszeit) hat
im Bedarfsfall unter Berücksichtigung der eine höhere Mortalität (2- bis 3-fach n, Mus-
Majorkompatibilität im AB0-System unbe- sallam 2011, Koch CG 2008, Murphy 2008)
denklich übertragen werden. 4 Kosten für ein EK in der Schweiz: ca. 450 €
4 Bei Austauschtransfusionen an Neugebore- 4 Häufigkeit von Transfusionszwischenfällen: ca.
nen muss das für den Austausch herangezoge- 1:5.000 (!)
ne EK mit der AB0-Blutgruppe der Mutter und
des Kindes kompatibel sein. Man kann zwischen immunologisch und nichtim-
munologisch bedingten Komplikationen unter-
scheiden (. Tab. 4.12).
Nachfolgend einige spezielle Nebenwirkungen:
4.3 · Transfusion
103 4

. Tab. 4.12 Häufigkeiten unerwünschter Wirkung bei Transfusionen

Unerwünschte Wirkungen Risiko je transfundierte Einheit

Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp

– ohne tödlichen Ausgang 1:10.000–1:50.000

– mit tödlichem Ausgang 1:250.000–1:600.000

Hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ 1:1.000–1:4.000

1:100.000*

Nichthämolytische, febrile Transfusionsreaktion (NHFT) <1:200 (EK)

<1:5 (TK)

Posttransfusionelle Purpura Einzelfälle

1:600.000*

Allergische Transfusionsreaktion

– mit mildem Verlauf 1:33–1:333

– mit schwerem Verlauf 1:20.000–1:50.000

Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) 1:5.000–1:7.200

< 1:180.000*

Transfusionsassoziierte Graft-vs.-Host-Krankheit (GvHD) 1:400.000–1:1.200.000

Bakterielle Kontamination 1:500.000–1:4.700.000 (EK)

1:1428 (TK)

Transfusionsassoziierte Virusinfektionen durch

– HIV 1:4,3 Mio.

– HBV 1:360.000

– HCV <1:10,88 Mio.

Transfusionsassoziierte Parasitosen <1:106

Neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Bisher kein Fall bekannt

Transfusionsassoziierte Gesamtmortalität (sicher/wahrscheinlich/möglich) 1:260.000a

Modifiziert nach Bundesärztekammer: Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten 3. Aufl., 2003
* Zahlen abgeleitet aus Meldungen an das britische Register Serious Hazards of Transfusion (SHOT), http://www.
shotuk.org

Hämolytische, febrile Transfusions- > Mehr als 80 % der hämolytischen Trans-


reaktion fusionsreaktionen sind auf menschliches Ver-
jUrsachen sagen, also Verwechslung von Patienten und/
4 Antikörper gegen Erythrozyten: am häufigs- oder Konserven, zurückzuführen.
ten AB0-Unverträglichkeit, seltener bereits vor
Transfusion vorhandene, hämolytisch wirksa- jHäufigkeit
me Allo-Antikörper 4 1:10.000–1:50.000
4 tödliche Reaktionen 1:250.000–1:600.000
104 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

jKlinik Patienten gegen Leukozyten (Thrombozyten


4 Schüttelfrost und Fieber, kalter Schweiß oder Plasmaeiweiße), die mit den übertrage-
4 Tachypnoe, Tachykardie, RR p, o Schock nen Bestandteilen reagieren
4 Hämolyse, Hämaturie, diffuse Blutung im 4 Häufigkeit: <1:200 (EK), <1:5 (TK)
Operationsgebiet 4 aber auch eine selten vorkommende bakterielle
Verunreinigung kommt hierfür in Betracht
jKomplikationen
4 DIC, akutes Nierenversagen Posttransfusionspurpura
4 jUrsachen
jTherapie 4 akute, isolierte Thromozytopenie mit oder
4 Transfusion sofort abbrechen ohne Blutungsneigung etwa 1 Woche nach
4 Blutentnahme für Labor, wenn möglich vor Transfusion aufgrund der Bildung spezifischer
weiteren Maßnahmen: Antikörper gegen Thrombozyten
5 Blutgruppenbestimmung, Kreuzprobe und 4 Inzidenz: 1:600.000, besonders Frauen >50 Jah-
AK-Suchtest wiederholen re betroffen
5 Bestimmung von Hämoglobin in Blut und
Urin, Haptoglobin, Bilirubin, Kreatinin und jTherapie
Harnstoff, Thrombozyten, Gerinnungssta- 4 Gabe von Immunglobulinen
tus, Fibrinogenspaltprodukte (FSP)
4 Hypotonie mit Volumengabe und ggf. Kate- Allergische Reaktion
cholaminen behandeln 4 tritt fast ausschließlich bei Empfängern mit
4 evtl. hochdosierte Kortikoidgabe Hypogammaglobulinämie (IgA-Mangel) und
4 Diurese stimulieren (Volumen, Furosemid, Immunisierung gegen IgA-Immunoglobuline
Mannitol, Dopaminperfusor), ggf. Alkalisie- durch IgA-Übertragung auf o Urtikaria,
rung des Urins, evtl. frühzeitige Hämodialyse selten schwere Reaktionen
4 Heparinisierung bei beginnender Verbrauchs- 4 kommt seit Verwendung plasmaarmer EK nur
koagulopathie noch selten vor
4 Bereitstellung von kompatiblen EK
4 bei besonders schweren Reaktionen Aus- Transfusionsassoziierte akute Lungen-
tauschtransfusion insuffizienz (TRALI-Syndrom)
4 sehr seltene Komplikation, vor Einführung
Verzögerte hämolytische der Prävention lag die Inzidenz bei 1:65.000
Transfusionsreaktion transfundierte Blutprodukte
4 Unerklärlicher Hb-Abfall nach zunächst un- 4 Letalität: ca. 10 %
auffälliger Transfusion mit mehr oder weniger
ausgeprägten Hämolysezeichen. jKlinik
4 Primär niedrige Allo-Antikörpertiter beim 4 Innerhalb von 6 h nach Transfusion auftreten-
Empfänger (negative Kreuzprobe). Derartige Re- de plötzliche Dyspnoe bzw. Hypoxämie mit
aktionen lassen sich also nicht sicher vermeiden. bilateralen Infiltraten im Thoraxröngtenbild
4 Nach Übertragung antigentragender Erythro- und ohne Anhalt auf eine Herzinsuffizienz und
zyten kommt es innerhalb weniger Tage zu ei- begleitendem kardiogenem Lungenödem in-
ner verstärkten Antikörperbildung. folge Volumenüberladung (meist normales
BNP mit Werten <100 pg/ ml im Gegensatz
Nichthämolytische febrile Transfusions- zum kardial bedingten Lungenödem)
reaktion (NHFT, Fieberreaktion) 4 evtl. Fieber und arterielle Hypotonie, dramati-
jUrsachen scher Abfall der Leukozyten
4 zytotoxische Reaktion (Antigen-Antikörper-
Reaktion) durch präformierte Antikörper des
4.3 · Transfusion
105 4
jPathogenese gesteigerter Erythropoese (z. B. hämolytische
Leukozytäre Antikörper (AlloAK antiHLA-AKII- Anämie) zu schweren Erkrankungen führen
A2) im Blutpräparat (Frischplasmen und Thrombo- 4 Parasitosen, insbesondere Malaria (Plasmo-
zytenkonzentrate) des Blutspenders. Hierdurch dien), ferner Trypanosomen, Babesien, Leish-
Aktivierung und Agglutination von Granulozyten manien, Mikrofilarien und Toxoplasmen
mit konsekutiver Freisetzung von Sauerstoffradika- 4 HTLV-II-Virus (neue Variante der Creutzfeldt-
len und Enzymen im Bereich der Lunge. Jakob-Erkrankung, sicherheitshalber werden
alle Spender, die sich länger als 6 Monate in
jDifferenzialdiagnosen England aufgehalten haben, von der Blutspen-
4 transfusionsassoziierter Asthma-bronchiale- de ausgeschlossen)
Anfall, transfusionsbedingte Herzinsuffizienz,
akutes Lungenversagen aufgrund von Aspira- Metabolische Probleme
tion, Sepsis, Trauma, Pneumonie, toxischer 4 Citratintoxikation, Hyperkaliämie, Hypo-
Inhalation, Schock etc. thermie
4 besonders bei Früh- und Neugeborenen,
jTherapie Massivtransfusion oder ausgeprägter Leber-
4 Sauerstoffapplikation, notfalls frühzeitige funktionsstörung zu beobachten
invasive Beatmung, Hochdosisglukokortikoid- 4 Vermeidung durch Ca-Glukonat oder CaCl2
therapie (z. B. 500 mg Methylprednisolon), und vorherige Erwärmung auf 37°C
Vermeidung von Diuretika, evtl. Volumengabe

jProphylaxe 4.3.7 Nebenwirkungen von Leukozy-


4 Spenderausschluss von Frauen mit Schwanger- tentransfusion (. Tab. 4.13)
schaftsanamnese seit 2001 in Deutschland!
4 Nichthämolytische, febrile Transfusionsreak-
Transfusionsassoziierte Graft-versus- tion (NHFT)
Host-Reaktion (TA-GvHD)
! Zur Vermeidung der NHFT soll der Anteil
4 wird bei immunsupprimierten Patienten und
transfundierter Leukozyten den Wert von
bei Blutsverwandten nach Übertragung von
2,5 × 108 pro transfundierte Einheit, der auch
proliferationsfähigen Lymphozyten beob-
CALL-Wert (»critical antigenic load of leuco-
achtet
cytes«) genannt wird, nicht überschreiten.
4 durch Bestrahlung der Blutprodukte (30 Gy) zu
verhindern 4 Alloimmunisierung gegen HLA-Merkmale der
Klasse I (notwendige gleichzeitige Übertragung
Septischer Schock von Zellen mit HLA-Antigenen der Gruppe II
4 verursacht durch bakterielle Kontamination [B-Lymphozyten, Makrophagen, aktivierte T-
(insbesondere gramnegative Keime), meist Zellen]) o Die für die Induktion einer Alloim-
letal endend. munisierung notwendige Dosis transfundierter
Leukozyten wird als CILL-Wert (»critical im-
Infektionsübertragung munogenetic load of leucocytes«) bezeichnet
4 Übertragung von intraleukozytären Erregern und beträgt 5 × 106 pro transfundierter Einheit
(CMV, Epstein-Barr-Viren, Yersinien) 4 Entwicklung des Refraktärzustandes gegen
4 Hepatitis B (theoretische Risiko: 1:360:000) Thrombozyten (inadäquater Anstieg der
4 Hepatitis C (theoretische Risiko: 1:10,8 Mio.) Thrombozytenzahlen nach Transfusion)
4 HIV (theoretische Risiko: 1:4,6 Mio.) 4 Übertragung von intraleukozytären Erregern
4 Lues (Frischblut bis 72 h) (CMV, HIV, Epstein-Barr-Viren, Yersinien)
4 Parvovirus B19: kann bei Schwangeren (fötale 4 Graft-vs.-Host-Reaktion
Infektion), Personen mit Immundefekt oder 4 Immunsuppression, -modulation
106 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

. Tab. 4.13 Restleukozyten in Blutkomponenten . Tab. 4.14 Verdünnung der Gerinnungsfaktoren

Blutkomponenten Anzahl Zellen Verlust des Sollblut- Gerinnungsfaktoren (in %


x 106 volumens (in %) der Ausgangsfaktorenkon-
zentration)
Buffy-coat-haltiges EK 3.000
50 60
Buffy-coat-freies EK 400–700
100 37
Leukozytendepletiertes EK <1
4 150 22
FFP 150
200 14
Einzelspender-TK 10–20

Thrombozytenhochkonzentrat 10–500
(Plasmapherese)

Leukozytendepletiertes TK 1–50
4 Koagulopathie durch Verbrauch (Mangel an
Faktor V und VIII) o Labor: PTT n, Quick p,
Fibrinogen p, AT III p, Protein C p
4 Hyperkoagulopathie (bei nur mäßiger Akti-
4.3.8 Massivtransfusion vierung der Fibrinolyse, D-Dimere) o Labor:
PTT p
Definitionen
Nicht einheitlich: Übertragung von Mikroaggregaten
4 Austausch des einfachen Sollblutvolumens 4 Mikrofilter mit 10–40 μm verwenden!
(70 ml/kg) innerhalb von 24 h
4 Austausch des 1,5-fachen Sollblutvolumens in- Citratintoxikation bzw. Hypokalzämie
nerhalb von 24 h 4 Kalzium (ionisiertes Kalzium: Normalwert
4 Austausch des halben Sollblutvolumens in 12 h 1,1–1,4 mmol/l)
und einer Infusionsrate von >1,5 ml/kg/min 4 Die Leber ist normalerweise in der Lage, das
4 benötigte Transfusion >10 EK 100-fache der normalen Serumcitratkonzent-
ration während einer einzelnen Passage zu me-
! Durch die Gabe vor allem von FFP kommt es
tabolisieren. Bei einer Citratüberschwemmung
zur Verdünnung von plasmatischen Gerin-
kommt es auch zu einer Hypokalzämie, da
nungsfaktoren (. Tab. 4.14). Exponentieller
Citrat ionisiertes Kalzium bindet.
Verlust der Gerinnungsfaktoren!
4 Hypothermie, verminderte Leberdurchblutung
und Hyperventilation erhöhen zusätzlich die
Auswirkungen Gefahr der Hypokalzämie
Körpertemperaturabfall 4 Gesamtkalziumwerte (im Labor gemessen)
4 25–30 kalte Blutkonserven (4–6°C) o Abfall können irreführend sein
der Kerntemperatur auf 26–29°C mit Gefahr 4 deutliche Effekte auf die Gerinnung hat die
des Kammerflimmerns ionisierte Hypokalzämie erst <0,5 mmol/l
4 eine Hypothermie per se löst eine Gerinnungs- 4 kardiale Phänomene können schon bei Werten
störung aus <0,75 mmol/l Ca2+ auftreten
4 daher Erwärmung auf 37°C, Blutwärmegeräte 4 Ca2+-Substitution nicht routinemäßig, sondern
nur bei erniedrigtem ionisiertem Kalziumspie-
Störungen der Blutgerinnung gel, wenn keine Ca2+-Bestimmung möglich o
4 Verlustkoagulopathie durch Blutung ≈10 ml, Ca-Glukonat 10 % pro 4 EK oder FFP
4 Dilutionskoagulopathie durch Substitution 4 Ca2+-Substitution durch Ca-Glukonat oder
mit kristalloiden oder kolloidalen Volumener- CaCl2
satzmitteln oder EK (zuerst Thrombozytenp)
4.4 · Transfusionsgesetz (TFG)
107 4
! Ca-Glukonat und CaCl2 haben verschiedene 4 Dokumentationspflicht gemäß § 14 für
Molarität, bei CaCl2 wird mehr ionisiertes folgende Produkte:
Ca2+ freigesetzt (nicht an den Lebermetabo- 4 Eigenblut
lismus gebunden)! 4 Fremdblut + Komponenten (Erythrozyten-
konzentrate etc.)
4 10 ml Ca-Glukonat 10 % (0,225 mmol/ ml) 4 Blutprodukte bzw. Plasmaderivate (α1-
4 10 ml Ca-Glukonat 20 % (0,45 mmol/ ml) Proteinaseninhibitoren, [Albumin], C1-Inhibi-
4 10 ml CaCl2 liefert mehr ionisiertes Ca2+ (0,5 tor, Fibrinkleber, Fibrinogen, Gerinnungsfak-
mmol/ ml) im Vergleich zu Ca-Glukonat 10 % toren VII, VIII, IX, XIII; Prothrombinkom-
plex-Präparate [PPSB], AT III, FFP, Immunglo-
Hyperkaliämie buline, Interferone, Plasminogen,
4 abhängig vom Alter der Konserven (Azidose Plasmaproteinlösung, Protein C, Serumcholin-
verstärkt die Hyperkaliämie) esterase, Transferinfaktor, G-CSF im Rahmen
der Stammzelltransfusion [sonst nicht
Azidose dokumentationspflichtig])
4 Stammzellen
! Überkorrektur, da Citrat in Leber zu Bikar-
4 Dokumentation auch von nicht angewand-
bonat metabolisiert wird.
ten/applizierten Blutprodukten (§ 17)
4 Überwachung der Einhaltung des TFG durch
2,3-DPG (2,3-Diphosphoglycerin) p einen zu benennenden Transfusionsverant-
4 mit Linksverschiebung der O2-Bindungskurve wortlichen bzw. Bildung einer Transfusions-
(bei bis zu 5 Tage alten Konserven unbedeutend) kommission in Krankenhäusern mit Spende-
einrichtung oder transfusionsmedizinischem
Dosierung Institut
4 Meldung des jährlichen Hämostatikaver-
5 Faustregel
brauchs bzw. Anzahl der behandelten Patien-
5 nach Transfusion des 6.–8. EK bzw. dem
ten mit angeborener Hämostasestörung (§ 21)
12.–14. EK o rasche Gabe von 3–4 FFP, an-
4 Meldung von unerwünschten Arneimittelwir-
schließend Transfusionsverhältnis EK:FFP =
kungen (UAW) gemäß § 16
3:1
4 Implemetierung einer
5 pro 4 FFP 10 ml Ca-Glukonat 10 % bzw. 5 ml
4 Qualitätssicherung (§ 15)
CaCl2
4 bei Verdacht auf transfusionsbedingte Infektio-
5 pro 10 EK 4–6 Thrombozytenkonzentrate
nen Unterrichtungspflicht der betroffenen
Spendeeinrichtung bzw. des pharmazeutischen
Unternehmens und ggf. Rückverfolgung der
4.4 Transfusionsgesetz (TFG) spendenden Personen (§ 19)
> Aufbewahrung der Dokumentation für
Blut und Blutkomponenten unterliegen in Deutsch-
15 Jahre!
land dem Arzneimittelgesetz.
Weitere Informationen, Links und Originaltexte
finden sich u. a. an folgenden Stellen:
4.4.1 Wesentliche Punkte des 4 http://www.bundesanzeiger.de (Originaltext
Transfusionsgesetzes des Transfusionsgesetzes)
4 http://www.pei.de (Paul-Ehrlich-Institut: Trans-
4 Inkrafttreten am 07.07.1998 mit Ausnahme fusionsgesetz mit Kommentar und Diskussion)
von § 15 TFG (Qualitätssicherung) und § 22 4 http://www.rki.de (Voten des Arbeitskreis Blut)
TFG (epidemiologische Daten). Inkrafttreten 4 http://www.aerzteblatt.de (offizielle Verlautba-
von § 15 am 07.07.2001, § 22 am 07.07.2000 rungen der Bundesärztekammer)
108 Kapitel 4 · Blut und Blutprodukte

4 http://www.dgti.de (Gesellschaft für Trans- pact of preoperative anemia on outcome in patients


fusionsmedizin und Immunhämatologie) undergoing coronary artery bypass graft surgery. Circula-
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4 http://www.gth.de (Gesellschaft für Thrombo-
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109 5

Analgesie, Sedierung
und Delir-Management

5.1 Analgesie und Sedierung – 110

5.2 Delir und Delir-Management – 122

Ausgewählte Literatur – 131

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
110 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

5.1 Analgesie und Sedierung 4 bei dementer Patient durch Anwendung des
Scores für Beurteilung von Schmerzen bei
M. Fresenius Demenz (BESD)

5.1.1 Ziele Monitoring der Sedierungstiefe


4 Erfassung der Sedierungstiefe mit Hilfe von
4 Tolerierung von intensivmedizinischen klinischen Score-Systemen wie z. B. der Rich-
Maßnahmen mond Agitation and Sedation Score (RASS)
4 situationsangepasste Analgesie (Schmerzen, oder die Sedierungs- und Agitations-Scala
bedingt durch das Grundleiden sowie bei (SAS)
5 bestimmten therapeutischen und pflegerischen 4 ein neurophysiologisches Monitoring mittels
Maßnahmen wie z. B. invasive Beatmung Registrierung der elektrischen Hirnaktivität
(Tubus), kinetische Therapie, Tracheotomie, mit Hilfe von akustisch evozierten Potenzialen
Bülau-Drainagenanlage etc.) (AEP), Bispektralindex (BIS), Narcotrend-
4 Sedierung und Anxiolyse bzw. Beseitigung Index (NI), Patientenstatus-Index (PSI) oder
von schweren psychischen Belastungen, Entropiestatus (SE) wird als alleiniges Beur-
Herstellung von Entspannung und Wohl- teilungskriterium nicht empfohlen evtl.
befinden o Stressreduktion zusätzlicher Einsatz bei Patienten unter neuro-
4 vegetative Abschirmung mit dem Zweck der muskulärer Blockade (2B-Emfehlung)
hämodynamischen Stabilisierung des Patienten
4 Ansprechbarkeit und Kooperationsfähigkeit Monitoring der Delir-Ausprägung
während des Weanings Routinemäßiges Monitoring auf Delir (1B-Empfeh-
lung) mit Hilfe von Score-Systemen wie z. B.:
Anmerkung: 70 % der Patienten einer Intensiv- 4 Confusion Assessment Method for the Inten-
station gaben Schmerzen als die unangenehmste sive Care Unit (CAM-ICU)
Erinnerung an, dagegen vertrat das pflegerische 4 Intensive Care Delirium Screening Checklist
und ärztliche Personal zu 80 % die Meinung, dass (ICDSC)
diese Patienten schmerzfrei waren (Whipple 1995). 4 Nursing Delirium Screening Scale (NU-DESC)
4 Delirium Detection Score (DDS)

5.1.2 Monitoring Monitoring der neuromuskulären


Blockade
Monitoring der Analgesietiefe > Ist eine Relaxierung unabdingbar
Die Schmerzsituation sollte routinemäßig bei allen (z. B. No-touch-Situation nach SHT) sollte ein
erwachsenen Intensivpatienten erfasst werden (1B- neuromuskuläres Monitoring (Relaxometer)
Empfehlung): angewendet werden!
4 bei ansprechbaren Patient mit Hilfe der
Visuellen (VAS = Visuelle Analog-Skala Anmerkung: Alle oben genannten Parameter (An-
[0–100], Verbalen (VRS = Verbale Rating Skala algesie, Sedierung und Delir) sollten alle 8 h bzw.
[5 Stufen ]) oder Numerischen Skala (Nume- 1-mal/Pflegeschicht registriert werden! Eine Über-
rische Rating Skala [0–10]) sedierung sollte vermieden werden! Eine flache Se-
4 bei beatmeten und/oder sedierten Patient dierung ist mit einem besseren klinischen Outcome,
durch die Anwendung der Behavioral Pain verbunden mit kürzerer Beatmungsdauer und In-
Scale (BPS) sowie zusätzlich schmerzassoziier- tensivaufenthalt verknüpft! Es kommt aufgrund der
te Kriterien subjektiver Art wie Bewegung und flachen Sedierung zwar zu vermehrten physiologi-
Mimik und physiologische Parameter wie Blut- schen Stressantworten, die allerding keinen Anstieg
druck, Herz- und Atemfrequenz, Tränenfluss von Myokardischämien nach sich ziehen (1B-Emp-
und Schweißsekretion (2C-Empfehlung) fehlung)
5.1 · Analgesie und Sedierung
111 5
5.1.3 Anforderungen an Pharmaka
. Tab. 5.1 Punktebestimmung der Behavioral Pain
Scale (BPS). (Adaptiert nach Payen 2001)
Für die Gewährung einer kontinuierlichen Sedie-
rung und Analgesie sind folgende Eigenschaften Item Beschreibung Punkte
nötig:
4 schneller Wirkbeginn und schnelles Wirkende Gesichts- Entspannt 1
ausdruck
nach Unterbrechung der Medikamentenzufuhr Teilweise angespannt 2
4 gute Steuerbarkeit des Sedierungsgrades, Stark angespannt 3
geringe kontextsensitive Halbwertszeit
Grimmassieren 4
4 keine Kumulation, möglichst keine wirksamen
Metaboliten Obere Keine Bewegung 1
4 keine Abhängigkeitsentwicklung (Entzugs- Extremität
Teilweise Bewegung 2
syndrom)
Ständiges Anziehen 3
4 keine Interaktion mit anderen Medikamenten
4 fehlende Toxizität Anziehen mit Bewegung 4
der Finger
4 gute Patientenakzeptanz
4 sichere und einfache Anwendung Adaptation Tolerierung der Beatmung 1
4 ökonomisch vertretbar an Beat-
Seltenes Husten 2
mungsgerät
Kämpfen mit dem 3
Beatmungsgerät
5.1.4 Beurteilung des Analgesiegrades
Kontrollierte Beatmung 4
nicht möglich
Die Beurteilung des Analgesiegrades kann mit Hilfe
verschiedener Scores erfolgen:
4 Behavioral Pain Scale (BPS) zur Analgesieein-
schätzung bei beatmeten Patienten (. Tab. verschiedenen BIS-Indices zur entsprechenden
5.1) o Behandlungsziel ist ein Punktewert Sedierungstiefe.
<6 Punkte
4 BESD zur Analgesieeinschätzung bei Patienten
mit Demenz (. Tab. 5.2) o Behandlungsziel 5.1.6 Probleme der Analgesie
ist ein Punktewert ≤4 Punkte und Sedierung

4 gastrointestinale Motilitätsstörungen im Sinne


5.1.5 Beurteilung des Obstipation
Sedierungsgrades 4 Atemdepression
4 kardiovaskuläre Depression
Die Beurteilung des Sedierungsgrades (ohne Mus- 4 Toleranzentwicklung
kelrelaxierung) kann mit Hilfe verschiedener Scores 4 evtl. Entzugssymptomatik bei abruptem
erfolgen. Absetzen (immer ausschleichen!)
4 Der RASS-Score ist der am meisten verbreitete 4 Induktion eines Delirs (vorallem nach Benzo-
und aktuell bevorzugte Score zur Beurteilung diazepinen)
der Sedierungstiefe (. Tab. 5.3). 4 je nach angewendeter Substanz: Hypersaliva-
4 Die Sedierungs- und Agitations-Scala (SAS) tion (Ketamin), Hyperlipidämie und PRIS
wird seltener angewandt (. Tab. 5.4)! (Propofol), Hypernatriämie (γ-Hydroxy-
4 Der Einsatz von Monitoring-Systemen, z. B. buttersäure), Immunsuppression (Thiopental
BIS-Monitor, wird in den aktuellen amerika- und Etomidate) etc.
nischen und europäischen Leitlinien nicht
empfohlen! . Tab. 5.5 zeigt die Zuordnung der
112 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Tab. 5.2 Punktebestimmung der BESD. (Adaptiert nach Basler 2006)

0 1 2 Punkte

Atmung unab- Normal Gelegentlich angestrengtes Lautstark angestrengtes Atmen,


hängig von Atmen, kurze Phasen von Hyper- lange Phasen von Hyperventila-
Lautäußerung ventilation tion, Cheyne-Stoke-Atmung

Negative Laut- Keine Gelegentliches Stöhnen oder Wiederholt beunruhigtes Rufen,


äußerung Ächzen, sich leise negativ oder lautes Stöhnen oder Ächzen,
missbilligend äußern Weinen

Gesichts- Lächelnd, Traurig, ängstlich, sorgenvoller Grimassieren


5 ausdruck nichtssagend Blick

Körpersprache Entspannt Angespannt, nervös hin und Starr, geballte Fäuste, angezo-
hergehen, nesteln gene Knie, sich entziehen oder
wegstoßen, schlagen

Trost Trösten nicht Ablenken oder beruhigen durch Trösten, ablenken, beruhigen
notwendig Stimme oder Berührung möglich nicht möglich

Summe

. Tab. 5.3 Richmond Agitation and Sedation Score (RASS). (Adaptiert nach Ely et al. 2003)

Ausdruck Beschreibung

+4 Streitlustig Offene Streitlust, gewalttätig, unmittelbar Gefahr für das Personal

+3 Sehr agitiert Zieht oder entfernt sich Schläuche und Katheter

+2 Agitiert Häufig ungezielte Bewegungen, atmet gegen das Beatmungsgerät

+1 Unruhig Ängstlich, aber Bewegungen nicht aggressiv oder lebhaft

0 Aufmerksam und ruhig

−1 Schläfrig Nicht ganz aufmerksam, aber erwacht anhaltend durch Stimme (>10 s)

−2 Leichte Sedierung Erwacht kurz mit Augenkontakt durch Stimme (<10 s)

−3 Mäßige Sedierung Bewegungen oder Augenöffnung durch Stimme (aber keinen Augenkontakt)

−4 Tiefe Sedierung Keine Reaktion auf Stimme, aber Bewegung oder Augenöffnung durch körper-
lichen Reiz

5.1.7 Prinzipien dauer (<7 oder >7 Tage) berücksichtigt.


Sekundär sind bei der Auswahl des Analgesie-
4 Anwendung einer Kombination eines potenten sedierungskonzeptes die patientenspezifischen
Analgetikums (meist stark wirksames Opioid- Risikofaktoren sowie kardiozirkulatorische
analgetikum) mit einer sedativ wirkenden und pulmonale Vorerkrankungen zu berück-
Substanz (Benzodiazepine, Propofol, sichtigen.
Clonidin, Ketamin (S), etc.). Hierbei wird 4 Nachahmung des Tag-Nacht-Rhythmus: evtl.
primär sowohl die voraussichtliche, benötigte nur nachts tiefere Sedierung.
Analgesiedauer (<72 oder >72 h), als auch 4 Das früher gültige SESAM-Prinzip (sequen-
die voraussichtliche, benötigte Sedierungs- zielles Sedierungs- und Analgesiemanage-
5.1 · Analgesie und Sedierung
113 5
4 voraussichtliche Therapiezeit >72 h: Gabe von
. Tab. 5.4 Sedierungs- und Agitations-Scala (SAS)
5 Sufentanil (kontinuierlich)
Level Klinische Symptomatik 5 Fentanyl (kontinuierlich)
5 Nicht-Opioid-Analgetika
1 Anästhesie oder Koma 5 rückenmarksnahe (thorakale oder lumbale
2 Stark sediert PDA) oder periphere Regionalanästhesie-
verfahren
3 Sediert

4 Wach und kooperativ Der Algorithmus in . Abb. 5.1 gibt einen Überblick
5 Agitation über die Analgesiekonzepte.
6 Stark agitiert
Mehr als 75 % aller kontrolliert oder assistiert
beatmeten Patienten erhalten eine sedierende und/
7 Gefährlich agitiert
oder analgetische Therapie. Hierbei ist zu berück-
sichtigen, dass die Opioide von der Infusionszeit
abhängige Halbwertszeiten (= Dauer der Abnahme
. Tab. 5.5 Bispektrale Indexbestimmung mittels der Arzneimittelkonzentration im Blut auf die Hälf-
EEG-Registrierung
te der Ausgangskonzentration) aufweisen (kontext-
BIS-Index Sedierungsgrad
sensitive Halbwertszeiten). Die kontextsensitive
Halbwertszeit einzelner Substanzen wird in . Abb.
71–100 Voll wach bis leichte Sedierung 5.2 wiedergegeben!
70 Tiefe Sedierung > Bei neuropathischen Schmerz: Gabe von Gapa-
40 Tiefe Hypnose pentin (Neurontin, Pregabalin (Lyrica) bzw. Car-
0 Isoelektrische EEG-Aktivität
bamazepin (Tegretal) (1B-Empfehlung).

5.1.9 Sedierungskonzept
ment) wurde verlassen. Aktuell wird ein
bestimmtes Analgesiekonzept mit einem 4 voraussichtliche Therapiezeit <7 Tage: Bei-
Sedierungskonzept individuell kombiniert! spielsweise bei postoperativer Nachbeatmung
Gabe von:
5 Propofol ab 16. Lebensjahr und Infusions-
5.1.8 Analgesiekonzept rate <4 mg/kg KG/h sowie Dauer für maxi-
mal 7 Tage
4 voraussichtliche Therapiezeit <72 h: Gabe von 5 Midazolam oder Lormetazepam (Sedalam)
5 Piritramid (Dipidolor), Oxycodon (Oxyge- i.v. (bolusweise oder kontinuierlich)
sic Injekt) bzw. Hydromorhon (Palladon) 5 inhalative Sedierung mit volatilen Anästhe-
bei Niereninsuffizienz i.v. als Bolus tika (Isofluran oder Sevofluran) mittels
5 Remifentanil (Ultiva, kontinuierlich) für Miniaturverdampfer (AnaConDa)
maximal 3 Tage i.v. 4 voraussichtliche Therapiezeit >7 Tage: Bei-
5 Nicht-Opioid-Analgetika (Basisanalgetika spielsweise bei Patienten mit Sepsis, ARDS,
wie z. B. Metamizol, Iburofen, Diclofenac Peritonitis, ausgeprägtem Polytrauma/SHT
oder Parecoxib (Dynastat), …) Gabe von:
5 Lokalanästhetikum 2 %iges Lidocain konti- 5 Propofol (kontinuierlich) i.v.
nuierlich i.v. für 24–48 h (off-label use) 5 Dexmeditomidin (Dexdor) kontinuierlich
5 Sufentanil (kontinuierlich) i.v. i.v.
5 rückenmarksnahe (thorakale oder lumbale 5 Midazolam (kontinuierlich), kombiniert
PDA) oder periphere Regionalanästhesie- evtl. mit Ketamin-(S) kontinuierlich i.v.
verfahren 5 Lorametazepam (kontinuierlich) i.v.
114 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Abb. 5.1 Analgesie-Algorithmus in der Intensivmedizin. (Nach der S3-Leitlinie 2010)


5.1 · Analgesie und Sedierung
115 5

. Abb. 5.2 Kontextsensitive Halbwertszeiten einiger Analgetika und Sedativa

! Die Gabe von Benzodiazepinen stellt einen Kein abruptes Absetzen der Sedativa und Opi-
Risikofaktor für die Entwicklung eines Delirs oide. Die Medikamente sollten nach Langzeitsedie-
da! rung nicht abrupt abgesetzt werden! Durchführung
einer ausschleichenden Therapie wird empfohlen!
Sedierungsziel ist meistens ein RAS-Score von 0 o Vermeidung der Entwicklung einer Entzugspro-
bis −1. blematik (. Abb. 5.3):
Eine sehr tiefe Sedierung ist nur noch wenigen 4 Kurzzeitsedierung (<7 Tage): Reduktion der
speziellen Indikationen vorbehalten, wie z. B. Sedierung um 10–15 % alle 6–8 h
4 nicht adäquate Ventilation bei Schwierigkeiten, 4 Langzeitsedierung (>7–10 Tage): Reduktion
den Patienten an die maschinelle Beatmung zu der Sedierung um 10–15 % pro Tag
adaptieren
4 Hirndrucksymptomatik mit drohender Ein-
klemmung 5.1.10 Adjuvante Substanzen
4 Senkung des Sauerstoffverbrauchs bei dro-
hender Hypoxie Das Analgesie- und Sedierungskonzept wird evtl.
durch adjuvante Substanzen ergänzt:
> Täglich sollte eine mehrfache Evaluation der Not-
4 α2-Agonisten wie Dexmetidomidin oder das
wendigkeit der sedierenden Therapie erfolgen!
unselektivere Clonidin (Paracefan) bei
Es wird empfohlen, den Sedierungsgrad mehrfach Langzeitsedierung oder in der Phase der
täglich zu erfassen und den für die notwendige Se- Entwöhnung oder bei drohendem Entzug
dierungstiefe erforderlichen, individuellen Medika- 4 Nichtopioidanalgetika wie Metamizol (bis
mentenbedarf zu eruieren und evtl. eine Dosisan- 4-mal 1 g/Tag als Kurzinfusion) und Coxibe
passung durchzuführen! (Empfehlung mindestens bei kardial nicht vorerkrankten Patienten
8-stündlich). 4 schwach wirksame Opioide als Bolusergän-
Im Hinblick auf die zu erwartende voraussicht- zung z. B. Piritramid (Dipidolor) 7,5 mg
liche Sedierungsdauer sollte eine gezielte Auswahl (= ½ Amp.) i.v. oder das stärker wirksame
der Medikamente erfolgen. Oxycodon (Oxygesic inject) 5−10 mg i.v.
Bei kontinuierlicher Gabe sollte eine getrennte 4 volatile Anästhetika (Isofluran, Sevofluran)
Verabreichung von sedierenden Medikamenten über AnaConDa-System
und Analgetika durchgeführt werden! Vermeidung 4 γ-Hydroxybuttersäure
einer fixen Medikamentenkombination, um hier-
durch die Einzelkomponenten bedarfsgerecht steu-
ern zu können.
116 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Abb. 5.3 Sedierungsalgorithmus in der Intensivmedizin. (Nach den S3-Leitlinien)


5.1 · Analgesie und Sedierung
117 5
5.1.11 Detaillierte Beschreibung
Praktische Durchführung der Analgesie/ der eingesetzten Sedativa-
Sedierung Substanzen
5 Einführung von »standard operating pro-
cedures« (SOP) zur Analgesie, Sedierung Benzodiazepine
und Delir-Management von Intensivpatien- Benzodiazepine wirken anxiolytisch, antikonvulsiv,
ten. Hierdurch können die Beatmungs- und zentral relaxierend sowie sedierend-hypnotisch. Sie
die Liegezeit auf der Intensivstation sowie besitzen eine große therapeutische Breite, bieten
die Krankenhausverweildauer der Patienten aber auch einen Ceiling-Effekt. Ein Abhängigkeits-
signifikant reduziert werden (Mascia et al. potential besteht auch bei therapeutischen Dosie-
2000) rungen und führt zur Gefahr der Entwicklung einer
5 Kontinuierliche Applikation von Basis- Entzugssymptomatik.
analgetika und -sedativa über zwei ver-
schiedene Perfusorspritzen Midazolam
5 Bolusartige Gabe von Zusatzanalgetika 4 Standardsedativum mit anxiolytischer, anti-
und Sedativa nach Sedierungsgrad und konvulsiver, zentral relaxierender sowie
Analgesieniveau sedierend-hypnotischer Wirkung, fördert die
5 Evtl. zusätzliche Anwendung von adjuvan- GABA-Wirkung an speziellem Rezeptor,
te Substanzen (z. B. Clonidin, Neuroleptika, Induktion von Entzugssymptomatik bei
…) oder Systemen (AnaConDa, etc.) abruptem Absetzen
5 Tägliche Überprüfung der Notwendigkeit 4 Perfusorzusammensetzung: 90 mg Midazolam
einer Analgo-Sedierung sowie deren Aus- (Dormicum) + 32 ml NaCl 0,9 % (= 1,8 mg/ml)
prägung.
5 Schriftliche Angabe der Sedierungstiefe Dosierung
und deren Protokollierung (1-mal/
Schicht). Möglichst geringe Sedierungstiefe 5 Erwachsene: 2–5 μg/kg/min o 0,1–0,3 mg/
anstreben bzw. tägliche Unterbrechung der kg/h = 4–12 ml/h = 7–22 mg/h
Sedierung von beatmeten Patienten (1B- 5 Kinder: 0,1–0,2 mg/kg als Bolus,
Empfehlung) dann 0,05–0,4 mg/kg/h
5 Festlegung eines perioperativen Analge-
siekonzeptes (intravenös, per os, PCA,
PCEA, peripheres Regionalanästhesiever- Lorazepam (Tavor)
fahren etc.) Besonders bei jüngeren Patienten mit Entzugs-
5 Einhaltung eines normalen Tag-Nacht- symptomatik indiziert, bolusweise von 1−2 mg,
Rhythmus bei allen nicht tief sedierten wird in den USA als Mittel der 1. Wahl zur Intensiv-
Patienten. sedierung angewandt.
5 Reduktion des Geräuschpegels und der
Lichtquellen während der Nachtstunden Lormetazepam (Sedalam)
(1C-Empfehlung) 4 wirkt sedativ-hypnotisch, anxiolytisch,
muskelrelaxierenden, antikonvulsiv o Patient
bleibt erweckbar und kooperativ
> Tägliches Wach-werden-lassen des Patienten
4 schnelle, altersunabhängige Glukuronidierung,
führt nach Kress et al. (2000) zu früheren
mittellange Wirkung und keine aktiven Meta-
Extubationszeiten und geringeren Kosten!
bolite, geringe Anreicherung im Fettgewebe
Dieses Konzept wird auch als SAT (»sponta-
nuous awakening trial«) bezeichnet und in
den aktuellen S3-Leitlinien empfohlen!
118 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

Dosierung jKontraindikationen
4 bekannte Allergie, ausgeprägte Hypovolämie
5 Erwachsene: 0,2–0,5 mg Bolus i.v. und extreme Bradykardie, Fettstoffwechsel-
5 Anschließend 2–4 μg/kg KG/h kontinuierlich störung
5 1 Amp. = 10 ml = 2 mg
Dosierung

5 0,8–3 mg/kg/h (0,01–0,05 mg/kg/min)


Weitere Substanzklassen ≈ 3–10 ml/h = 60–200 mg/h
2-6-Diisopropylphenolderivat Propofol
5 4 bevorzugtes Sedativum zur Kurzzeitsedierung
(bis maximal 7 Tage) beim Erwachsenen Unter Langzeitsedierung mit Propofol kommt es zu
(ab dem 16. Lebensjahr) einer Tachyphylaxie, d. h. zur Erreichung eines glei-
4 Perfusorzusammensetzung: 2 %ige-Lösung pur chen Sedierungs-Scores muss bei kontinuierlicher
(= 20 mg/ml) Sedierung über Tage der Propofolplasmaspiegel
bzw. die zugeführte Menge ständig erhöht werden
jNebenwirkungen o wahrscheinlich pharmakodynamischer Effekt,
4 Bradykardie da die Propofol-Clearance konstant bleibt. Unter
4 arterielle Hypotonie (bedingt durch periphere 2 %iger Propofolsedierung kommt es im Vergleich
Vasodilatation) zur 1 %igen Propofollösung zu signifikant geringe-
4 Hyperlipidämie ren Triglyzeridspiegeln bei fast gleichem Choleste-
4 Amylase- und Lipaseanstieg rinspiegel und insgesamt geringerer Fettbelastung
4 Leberfunktionsstörungen bei Langzeitsedierung!
4 Kontaminationsgefahr und Auslösung von
SIRS/Sepsis Ketamin
4 Propofol-Infusionssyndrom (PRIS) mit akuter 4 Substanz aus der Gruppe der Phenzyklidinde-
Rhabdomyolyse und kardialer Beteiligung rivate, chemisch verwandt mit Halluzinogenen
(Rhythmusstörungen und Herzversagen), mit 4 Wirkung auf:
metabolische Azidose, mit Hyperkaliämie und 5 zentraler Muskarinrezeptorantagonist o
mit Nierenversagen (wahrscheinliche Ursache: Wirkung durch Physostigmin (zentral
Steigerung des Malonyl-Coenzym-A-Spiegels wirksam!) antagonisierbar
mit konsekutiver Hemmung der Carnitin-Pal- 5 Opioidrezeptoragonist (μ o Analgesie,
mityl-Transferase [Hemmung des Transports σ o Dysphorie) o Effekt durch Naloxon
langkettiger Fettsäuren ins Mitochondrium] (Narcanti) teils antagonisierbar
sowie direkte Störung der β-Oxidation und 5 nichtkompetitiver N-Methyl-D-Aspartat-
Entkoppelung von dem Multienzymkomplex rezeptorantagonist (L-Glutamat)
von der Atmungskette [Cytochromoxidase]) 5 Hemmung spannungsgesteuerter
Natriumkanäle o lokalanästhetische
jPräventive Maßnahmen Wirkung
4 keine Sedierung von Kindern mit Propofol 5 Einfluss auf die zentrale und periphere
4 Limitierung der Propofolkonzentration auf monoaminerge Neurotransmission
maximal 4 mg/kg/h bei Langzeitsedierung 5 zentrale Sympathikusaktivierung (Hem-
4 präventive Gabe von Glukose von 6–8 mg/ mung der zerebralen NO-Synthetase o
kg KG/min weniger NO als Transmitter) und periphere
4 regelmäßige Laborkontrollen (insbesondere Sympathikusaktivierung (Hemmung der
Laktat und pH-Wert und Kontrolle der Rhab- präsynaptischen Wiederaufnahme von in
domyolyse-Parameter) den präsynaptischen Spalt freigesetzten
Katecholaminen)
5.1 · Analgesie und Sedierung
119 5
4 Induktion keiner echten Hypnose, sondern jKontraindikationen
einer »dissoziative Bewusstlosigkeit« Epilepsie, schwere Nierenfunktionsstörungen, Hy-
4 gute vertikale Steuerbarkeit, keine Hemmung pertonie, Alkoholintoxikation (Wirkungsverstär-
der gastrointestinalen Motilität im Vergleich zu kung).
den Opioiden, katecholaminsparender Effekt
durch Sympathikusstimulation (bevorzugter Clonidin (Paracefan)
Einsatz bei Herzinsuffizienz), bronchodilatato- Anwendung als adjuvantes Medikament zur Opti-
rische Komponente (bevorzugter Einsatz bei mierung einer inadäquaten Sedierung oder als De-
Asthmapatienten), Erhaltung der Schutzreflexe lir-Prophylaxe/-Therapie.
des Larynx/Pharynx sowie der Spontanatmung
4 S(+) Ketamin ist ein rechtsdrehendes Isomer Dosierung
mit 2- bis 3-facher analgetischer und anästhe-
5 0,3–1,2 μg/kg/h = 0,5–4 ml/h o 22 (90)–
tischer Potenz o halbe Dosierung im Ver-
180 μg/h; evtl. 150–450 μg Bolus voraus
gleich zum Razemat

Dosierung
jNebenwirkungen
5 0,5–4,5 mg/kg/h = 2–10 ml/h = 60–300 mg/h
4 Bradykardie (Verlängerung der Refraktärzeit
5 Beispiel für Perfusorzusammensetzung: 1,5 g
des AV-Knotens) und Hypotonie
Ketamin + 20 ml NaCl 0,9 % (= 30 mg/ml)
4 GI-Motilitätsstörungen

jKontraindikationen
jNebenwirkungen 4 ausgeprägte arterielle Hypotonie und paraly-
4 Hypersalivation tischer Ileus
4 Tachykardie und Hypertonie
> Einsatz von Clonidin führt meist zu einer
4 psychomimetische NW nicht ausgeschlossen
Reduktion des Sedativa- und Analgetikabe-
! Kombination mit Midazolam oder Propofol darfs. Es empfiehlt sich auch bei Entzugs-
zur Vermeidung von psychomimetischen symptomatik.
Nebenwirkungen notwendig!
Dexmedetomidin (Dexdor)
jKontraindikationen 4 selektiver α2-Agonist mit hoher Affinität zum
4 fixierter pulmonaler Hypertonus, fraglicher α2-Rezeptor (α2/α1-Affinität = 1600:1)
KHK und intrakranielle Druckerhöhung 4 sedierende, opioidsparende und sympathikoly-
tische Wirkung, keine atemdepressive Wir-
γ-Hydroxybuttersäure (Somsanit) kung, allerdings Reduktion des Tonus der
4 hoher Na-Gehalt, selten Myoklonien, Wirkung Pharynx- und Mundbodenmuskulatur (Cave:
evtl. mit Physostigmin antagonisierbar Obstruktion der oberen Atemwege!)
4 Patienten sind jederzeit leicht erweckbar und
Dosierung interaktiv
4 Reduktion der Rate an Delirium bei Risiko-
5 Initial-Bolus: 50 mg/kg, dann 10–20 mg/
patienten
kg/h = 750–1500 mg/h o 3,5–7,5 ml/h
5 mögliche Perfusorzusammensetzung: 10 g Dosierung
γ-Hydroxybuttersäure (Somsanit) pur auf
50 ml (= 0,2 g/ml) 5 Loading dose: 1 μg/kg über 10 min
5 Anschließend 0,2–0,7 μg/kg/h, evtl. bis
1,5 μg/kg/h
120 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

5
. Abb. 5.4 Aufbau des AnaConDa-Systems. (Nach Sedana Medical)

jPharmakologie 4 Voraussetzung: kreislaufstabiler Patient und


4 Wirkbeginn innerhalb 15 min nach Start des Tidalvolumen >350 ml
Perfusors, Sedierungsmaximum nach 1 h
! Keine Zulassung der Narkosedämpfe für die
4 HWZ: ca. 2 h
Sedierung!
4 rasche Umverteilung ins Gewebe und anschlie-
ßende hepatische Metabolisierung, keine
aktiven Metabolite 5.1.12 Detaillierte Beschreibung
der eingesetzten, stark wirksame
jNebenwirkungen Analgetikasubstanzen
4 Bradykardie
4 Hypotension Sufentanil
4 Hypertension nach Bolusgabe 4 μ-Rezeptoragonist

Volatile Anästhetika Dosierung


4 Bei inadäquater Sedierung eines beatmeten
5 0,5–1,5 μg/kg/h = 2–10 ml/h = 20–100 μg/h
Patienten trotz Kombination verschiedenster
5 Mögliche Perfusorzusammensetzung:
Medikamente in Höchstdosis können volatile
0,5 mg Sufentanil (Sufenta) + 40 ml NaCl
Anästhetika (Sevofluran und Isofluran) durch
0,9 % (= 10 μg/ml)
einen tubusnah platzierten Miniaturverdamp-
fer mit Speichermedium (AnaConDa) injiziert
werden (. Abb. 5.4). Das volatile Anästheti-
kum wird bei der anschließenden Exspiration Remifentanil (Ultiva)
zu einem Großteil im Filter adsorbiert und
wird bei der erneuten Inspiration wieder von Dosierung
der Filtermembran in die Einatemluft abgege-
5 2,5–6 μg/kg/h = 0,04–0,1 μg/kg/min o
ben (Anästhesiereflektor AnaConDa).
0,1–0,3 ml/kg/h
4 Des Weiteren können volatile Anästhetika bei
5 Mögliche Perfusorzusammensetzung:
Patienten eingesetzt werden, die über Tracheal-
1 mg Remifentanil (Ultiva) auf 50 ml NaCl
tubus oder Tracheostoma beatmet werden, und
0,9 % (= 20 μg/ml)
kurze Aufwachzeiten, rasche Erholung kogni-
tiver Funktionen oder eine schnelle Mobilisie-
rung angestrebt werden.
5.1 · Analgesie und Sedierung
121 5
! Keine Bolusapplikation wegen der Gefahr der 4 Geburtshilfe
respiratorischen Insuffizienz und der 4 Myasthenia gravis
Skelettmuskelrigidität, die eine Beatmung
unmöglich machen kann! Dosierung

Fentanyl 5 Bolus: 1,5 mg/kg KG i.v. über 10 min, spätes-


tens zur Einleitung
Dosierung 5 1,5 mg/kg KG/h als Perfusor intraoperativ
i.v.
5 1–3,5 μg/kg/h = 2–12 ml/h = 60–360 μg/h 5 1,33 mg/kg KG/h als Perfusor auf der Inten-
5 Mögliche Perfusorzusammensetzung: sivstation
1,5 mg Fentanyl + 20 ml NaCl 0,9 % 5 Bei extrem adipösen Patienten erfolgt die
(= 30 μg/ml) Dosierung anhand des Normalgewichts
5 Bei Leber- oder Niereninsuffizienz 50 %ige
Dosisreduktion empfohlen (bei derzeit un-
> In Kombination mit Midazolam-Perfusor! klarer Datenlage)

Morphin (zur Analgesie und Sedierung


von Patienten mit Dyspnoe)
Intoxikationserscheinungen von Lokal-
anästhetika
Dosierung
5 Metallgeschmack auf der Zunge
5 1–3–5 mg Boli bzw. 3–10 mg/h 5 Sehstörung
5 Unruhe
5 Schweißausbrüche
! Kumulationsgefahr bei Niereninsuffizienz 5 Übelkeit/Erbrechen
des aktiven Metabolits Morphin-6-gluku- 5 Herzrhythmusstörung
ronids, Histaminliberation, Hemmung des 5 Bradykardie/Tachykardie
Immunsystems! 5 Asystolie
5 Blutdruckanstieg oder -Abfall
5 Parästhesien
5.1.13 Intravenöses Analgesie- 5 Hyperventilation
verfahren mit dem Lokal- 5 zerebraler Krampfanfall
anästhetikum Lidocain 2 % 5 Angst

jIndikationen
4 Operationen, bei denen bekanntermaßen jPraktisches Vorgehen
postoperativ starke Schmerzen auftreten 4 ausschließlich 5 ml Ampullen Lidocain 2 %
können (z. B. große bauchchirurgische Ein- verwenden, da die 50 ml-Ampullen Paraben
griffe) und Kontraindikationen für einen PDK als Konservierungsmittel enthalten o große
bestehen allergene Potenz
4 Perfusor mit 10 Ampullen 5 ml Lidocain 2 % =
jKontraindikationen 1000 mg Lidocain/50 ml = 20 mg/1 ml
4 Reizleitungsstörung, AV Block II° und III°, 4 Stoppen der Zufuhr bei intraoperativ hohem
Sick sinus usw. Volumenumsatz mit Hypotonie
4 Vormedikation: Antiarrhythmika 4 der Lidocain-Perfusor muss 30 min vor einer
4 alle Formen des Schocks Verlegung auf die Normalstation gestoppt
4 Herzinsuffizienz werden!
4 Allergie gegen Lidocain/Lokalanästhetika
122 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

5.1.14 Regionale Analgesieverfahren 4 entweder als »single shot« oder als Katheter-
technik
Folgende regionale Anästhesie- und Analgesiever-
fahren kommen als Bestandteil des schmerzthera-
peutischen Konzeptes in der Intensivmedizin zur 5.2 Delir und Delir-Management
Anwendung:
jDefinition
Rückenmarksnahe Leitungs- Unter Delir/Delirium versteht man eine akute re-
anästhesien/-analgesien versible Psychose mit qualitativer Bewusstseinsstö-
4 vorzugsweise die thorakale Katheterepidural- rung und Sinnestäuschung, die durch 3 Hauptkom-
5 analgesie (kontinuierlich oder als PCEA) bei ponenten gekennzeichnet ist:
Oberbauch- und Thoraxeingriffen 4 Negativsymptomatik/Akinesie oder
4 o Verbesserung der intestinalen Motilität bei Hypokinese
Anlage in Höhe Th5–10 und der pulmonalen 4 produktiv-psychotische Symptomatik
Funktion mit geringeren Raten an pulmonalen 4 Agitation
Komplikationen
4 hierdurch Einsparung von Opioiden und jEinteilung
Nichtopioidanalgetika mit besserer periopera- 4 hyperkinetisches Delir
tiver Analgesie und verkürzter intensivmedizi- 4 akinetisches Delir (klinisch nicht immer zu
nischer Behandlungsdauer erfassen!)
4 Die amerikanischen Leitlinien 2013 empfehlen 4 Mischform (mit fluktuierender Symptomatik)
eine thorakale Periduralanästhesie/-analgesie
nur bei Patienten, die sich einen abdominellen jInzidenz
Aorteneingriff unterziehen (1B-Empfehlung) 4 >60 % aller Patienten zeigen nach Langzeit-
oder eine traumatische Rippen(serien)fraktur sedierung eine Entzugssymptomatik unter-
(2B-Empfehlung) aufweisen! schiedlichen Schweregrades
4 Kontraindikation für die Anlage des rücken- 4 daneben Delir-Symptomatik unter speziellen
marknahen Katheters: Sepsis mit positiver Konstellationen (Alkohol- und Opioidentzug,
Blutkultur, jegliche Schockformen, erhöhter bei polytraumatisierten Patienten [63–83 %]
Hirndruck, spezifische neurologische Vor- etc.)
erkrankungen ohne Dokumentation, hoch-
gradige Aorten- und Mitralstenosen, manifeste jFolgen
Gerinnungsstörungen, lokale Infektion der 4 signifikant erhöhte Mortalität bei Patienten
Haut im Bereich der Einstichstelle, Lokalanäs- mit Delir nach 1 Jahr (im Vergleich zu Patien-
thetikaallergie, fehlende Einwilligung bzw. ten ohne Delir) (Milbrandt et al. 2004)
Ablehnung des Patienten 4 verlängerter Intensiv- und Krankenhausauf-
enthalt
Periphere Leitungsanästhesie/ 4 erhöhte Rate an langanhaltenden kognitiven
-analgesie Störungen nach »ICU-Delir«
4 der oberen und unteren Extremitäten 4 erhöhte Rate an Reintubationen und erhöhtes
4 ebenfalls bevorzugt als Kathetertechnik bei Risiko für eine Pneumonieentwicklung
größeren orthopädischen und unfallchirur- 4 Steigerung der Behandlungskosten
gischen Eingriffen
jRisikofaktoren
Andere Regionalanästhesie/ Auf folgende Risikofaktoren für Delir sollte geachtet
-analgesieverfahren werden:
4 z. B. Interkostalblockaden oder Intrapleural- 4 vorbestehende Demenz
analgesie 4 Koma (unabhängiger Risikofaktor)
5.2 · Delir und Delir-Management
123 5
4 Schwere der Erkrankung wie Sepsis (u. a. 4 Toxine/Drogen
Einsatz von Sedativa, mechanischer Beatmung 4 Schwermetallvergiftung (heavy metals)
und Intubation)
> Bei allen deliranten Patienten sollte als Erstes
4 arterieller Hypertonus und/oder Alkoholismus
eine akute respiratorische Insuffizienz bzw.
4 anticholinerge Medikation oder/und Gabe von
Hypoxie ausgeschlossen werden!
Benzodiazepinen
4 Polytrauma
4 extrakorporale Kreislaufverfahren jProphylaxe
4 Frühmobilisierung von Patienten zur Reduk-
jLabormarker tion der Inzidenz und Dauer von deliranten
4 erniedrigte Plasmaspiegel der Metallo- Zuständen (1B-Empfehlung)
proteinase-9 (MMP-9) und Protein C 4 Aufrechterhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus,
4 erhöhte Plasmaspiegel des löslichen Tumor- Re-Orientierung des Patienten (z. B. durch Uhr
Nekrose-Faktor-Rezeptor 1 (sTNFR1) und Kalender in Sichtweite), Hör- und Seh-
hilfen müssen verfügbar sein, kognitive Stimu-
jScore-Systeme lation, enterale Ernährung sowie frühzeitige
4 Confusion-Assessment-Methode in ICU Entfernung von Drainagen
(CAM-ICU) mit einer Sensitivität und Spezifi- 4 eine prophylaktische, pharmakologische The-
tät >90 % (. Abb. 5.5) rapie mit z. B. niedrig dosiertem Haloperidol
4 Intensive-Care-Delirium-Screening-Checklist oder Dexmeditomidin wird nicht empfohlen
(ICDSC) mit einer Sensitivität von 99 % und (2C-Empfehlung)
einer Spezifität von ca. 64 % (. Tab. 5.6) 4 ausschleichende Reduktion von Analgetika
4 Nursing Delirium Screening Scale (NU-DESC) und Sedativa nach Langzeitanalgesie und
(. Tab. 5.7) Sedierung (initiale Reduktion der Medika-
4 Delirium Detection Score (DDS) (. Tab. 5.8) mente um 25 % und im Anschluss eine tägliche
Reduktion um 10 %).
Es sollte ein regelmäßiges gezieltes Screening auf
delirante Symptome mit einem validen und reliab- jTherapie (zeitnah)
len Delir-Score (. Abb. 5.6 und . Abb. 5.7) wie Zeitnahe symptomatische Therapie bei:
die beiden oben erstgenannten Scores durch- 4 Agitation: Gabe von Dexmedetomidin
geführt werden. Das Ergebnis des Delir-Monito- (Dexdor) bei fehlenden Benzodiazepin- oder
rings soll mindestens 8-stündlich dokumentiert Alkoholentzug (2B-Empfehlung), ansonsten
werden. kurzwirksame Benzodiazepine (z. B. Midazo-
lam) bei akutem Delir und Gabe von langwirk-
jUrsachen samen Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam
Die Ursachen für das Auftreten von Entzugssymp- (Tavor pro injectione 2 mg oder Tavortablet-
tomen sind vielfältig und können anhand des Merk- ten 0,5/1/2,5 mg oder Tavor expidet 1/2,5 mg)
satzes: »I watch death« aufgelistet werden: oder Diazepam (Valium)
4 Infektion 4 sympathischer Hyperaktivität: Gabe von
4 Entzug (withdrawal) Clonidin (initial 300 μg i.v. anschließend Per-
4 akute metabolische Störung (Hypoglykämie, fusor), Betablockern (z. B. Beloc zok mite) und
Hepatopathie,…) Magnesium (1–2 g Magnesium i.v.), evtl.
4 Trauma Dexmedetomidin (Dexdor)
4 pathologisches ZNS (CNS pathology) 4 psychotischen Symptomen: Gabe von Halo-
4 Hypoxie peridol (Haldol 5–10 mg i.v.), Risperidon (z. B.
4 Mangelerkrankungen (deficiencies) Risperdallösung 1 mg/ml oder Risperdalfilm-
4 Endokrinopathie tablette 0,5/1/2/3/4 mg oder QUICKLET
4 akute vaskuläre Erkrankungen/Ischämie 1/2/3/4-mg-Schmelztablette; initial 2-mal
124 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Tab. 5.6 Intensive Care Delirium Screening Checklist (ICDSC). (Nach der S3-Leitlinie 2010)

1. Veränderte Bewusstseinslage

Keine Reaktion oder die Notwendigkeit einer starken Stimulation, um irgendeine Reaktion zu erhalten, 0–1
bedeutet, dass eine schwere Veränderung der Bewusstseinslage vorliegt, welche eine Bewertung
unmöglich macht. Befindet sich der Patient die meiste Zeit der Untersuchungsperiode im Koma oder im
Stupor, so wird ein Strich eingetragen (–) und für diese Untersuchungsperiode wird keine weitere
Bewertung vorgenommen
Ist der Patient schläfrig oder reagiert nur bei milder bis mittelstarker Stimulation, wird dies als eine
veränderte Bewusstseinslage mit 1 Punkt bewertet
Wache oder leicht erweckbare Patienten werden als normal betrachtet und mit keinem Punkt bewertet
5 Übererregbarkeit wird als eine nicht normale Bewusstseinslage mit 1 Punkt bewertet

2. Unaufmerksamkeit

Schwierigkeiten einem Gespräch oder Anweisungen zu folgen. Durch äußere Reize leicht ablenkbar 0–1
Schwierigkeit, sich auf verschiedene Dinge zu konzentrieren. Tritt eines dieser Symptome auf, wird es mit
1 Punkt bewertet

3. Desorientierung

Ein offensichtlicher Fehler der entweder Zeit, Ort oder Person betrifft wird mit 1 Punkt bewertet 0–1

4. Halluzination, Wahnvorstellung oder Psychose

Eindeutige klinische Manifestation von Halluzination oder Verhalten welches wahrscheinlich auf einer 0–1
Halluzination (z. B. der Versuch, einen nicht existierenden Gegenstand zu fangen) oder Wahnvorstellung
beruht. Verkennung der Wirklichkeit. Tritt eines dieser Symptome auf, bekommt der Patient 1 Punkt

5. Psychomotorische Erregung oder /Retardierung

Hyperaktivität, welche die Verabreichung eines zusätzlichen Sedativums oder die Verwendung von Fixier- 0–1
mitteln erfordert, um den Patienten vor sich selber oder anderen zu schützen (z. B. das Entfernen eines
Venenkatheters, das Schlagen des Personals). Hypoaktivität oder klinisch erkennbare psychomotorische
Verlangsamung. Tritt eines dieser Symptome auf, bekommt der Patient 1 Punkt

6. Unangemessene Sprechweise/Sprache oder Gemütszustand

Unangemessene, unorganisierte oder unzusammenhängende Sprechweise. Im Verhältnis zu bestimmten 0–1


Geschehnissen und Situationen unangemessene Gefühlsregung. Tritt eines dieser Symptome auf, wird es
mit 1 Punkt bewertet

7. Störung des Schlaf-/Wachrhythmus

Weniger als 4 h Schlaf oder häufiges Aufwachen in der Nacht (das beinhaltet nicht Erwachen das durch 0–1
das medizinische Personal oder durch laute Umgebung verursacht wurde) Die meiste Zeit des Tages
schlafend. Tritt eines dieser Symptome auf, wird es mit 1 Punkt bewertet

8. Wechselnde Symptomatik

Fluktuation des Auftretens eines der Merkmale oder Symptome über 24 h (z. B. von einer Schicht zu einer 0–1
anderen) wird mit 1 Punkt bewertet.

Punkte Gesamt: 0 Pkt. = kein Delirium, 1–3 Pkt. = Verdacht auf subsyndromales Delirium, ≥4 Pkt. = Delirium

0,5 mg p.o.) oder Olanzapin (Zyprexa zen bei Patienten mit bekanntem Risiko für
2,5/5/7,5/…/20 mg p.o.) Torsade de points/QT-Zeitverlängerung
5 atypische antipsychotische Substanzen bzw. Einnahme vom Medikamenten, die zur
können die Dauer des Delirs reduzieren! Verlängerung der QT-Zeit führen (2C-
5 keine Gabe von antipsychotischen Substan- Empfehlung)!
5.2 · Delir und Delir-Management
125 5

. Tab. 5.7 Nursing Delirium Screening Scale (NU-DESC). (Nach der S3-Leitlinie 2010)

Symptome Symptomintensität

1. Desorientierung: Manifestierung einer Desorientierung zu Zeit oder Ort durch Worte oder 0–2
verhalten oder Nicht-Erkennen der umgebenden Personen

2. Unangemessenes Verhalten: Unangemessenes Verhalten zu Ort und/oder Person: z. B. 0–2


Ziehen an Kathetern oder Verbänden, Versuch aus dem Bett zu steigen wenn es kontraindi-
ziert ist usw.

3. Unangemessene Kommunikation: Unpassendes Kommunikation zu Ort und/oder Person, 0–2


z. B. zusammenhanglose- oder gar keine Kommunikation; unsinnige oder unverständliche
sprachliche Äußerungen

4. Illusionen/Halluzinationen: Sehen und oder Hören nicht vorhandener Dinge, Verzerrung 0–2
optischer Eindrücke

5 Psychomotorische Retardierung: Verlangsamte Ansprechabarkeit, wenige oder keine 0–2


spontane Aktivität/Äußerung, z. B. wenn der Patient nicht angestupst wird, ist die Reaktion
verzögert und/oder der Patient ist nicht richtig erweckbar

Summe

Delir ≥2 Punkte: ja
<2 Punkte: nein

. Tab. 5.8 Delirium Detection Score (DDS). (Nach der S3-Leitlinie 2010)

Orientierung 0: orientiert zu Person, Ort, Zeit, Fähigkeit zur Konzentration


1: nicht sicher orientiert zu Ort/Zeit, Unfähigkeit zur Konzentration
4: nicht orientiert zu Ort und oder Zeit
7: nicht orientiert zu Ort, Zeit und Person

Halluzinationen 0: normale Aktivität


1: gelegentlich leichte Halluzinationen
4: permanent leichte Halluzinationen
7: permanent schwere Halluzinationen

Agitation 0: normale Aktivität


1: leicht gesteigerte Aktivität
4: moderate Unruhe
7: schwere Unruhe

Angst 0: keine
1: leichte Angst
4: gelegentlich moderate Angst
7: Panikattacken

Schweißausbrüche 0: keine
1: meist unbemerkt, v. a. Hände
4: Schweißperlen auf der Stirn
7: starkes Schwitzen

Summe

Delir <7 Punkte: nein


≥7 Punkte: ja
126 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Abb. 5.5a,b Flussdiagramm CAM-ICU. a Teil 1

5 keine Empfehlung für Revistagmin-Gabe 5.2.1 Delir bei Alkoholentzugs-


(1B-Empfehlung)! syndrom
5 zur Therapie des hypoaktiven Delirs gibt es
keine Studien an Intensivpatienten; im jNegativeffekte des Alkohols
Prinzip können sowohl Haloperidol, Rispe- 4 Unterdrückung der REM-Schlafphasen, der
ridon oder Olanzapin bei hypo- und hyper- Schlaftiefe; schnellerer Wechsel der Schlaf-
aktiven Delirformen eingesetzt werden phasen
4 in hohen Dosen Atemdepression
5.2 · Delir und Delir-Management
127 5

. Abb. 5.5a,b (Fortsetzung) b Teil 2. (Nach der S3-Leitlinie 2010)

4 bei akuter Intoxikation: Verminderung der kar- 4 hormonelle Änderungen: T3 und T4 p, Korti-
dialen Kontraktilität, periphere und zentrale sol p, Hypoglykämie durch Verminderung der
Vasodilatation (Ausnahme: Koronararterien) Glukoneogenese und Verstärkung der Insulin-
mit Reflextachykardie o Anstieg des O2-Ver- wirkung
brauchs mit ggf. Angina-pectoris-Symptomatik
4 bei chronischem Abusus: dilatative Kardio- jWirkmechanismus
myopathie (DCM) mit eingeschränkter systo- 4 Alkohol blockiert die NMDA-Rezeptoren o
lischer Pumpfunktion, arterieller Hypertonus, Gedächtnisverlust und Amnesie während
Leberschaden (Steatosis hepatis, Leberzirrhose, Alkoholintoxikation
portale Hypertension, Hypersplenismus) 4 Alkohol stimuliert den GABAA-Rezeptor
128 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

. Abb. 5.6a,b Zusammenführung von Sedierungs- und Delir-Monitoring. Ein 2-stufiger Ansatz zur Beurteilung des Be-
wusstseins. a Stufe 1: Erfassung der Sedierung, b Stufe 2: Delir-Einstufung. (Nach der S3-Leitlinie 2010)

4 Alkohol stimuliert auch spannungsabhängige 4 Alkohol führt zu Elektrolytstörungen:


Kalziumkanäle o Krampfanfälle nach Alko- Magnesiummangel (Anstieg der Krampf-
holexzess schwelle), Hypokaliämie (Herzrhythmus-
4 Alkohol führt zu einer Funktionsstörung des störungen), Zinkmangel (Zn bindet an Zink-
Locus coeruleus und der Hirnstammnuclei o und Magnesiumrezeptoren, die wiederum mit
vermehrte Sekretion von Adrenalin und Nor- NMDA-Rezeptoren gekoppelt sind. Fehlende
adrenalin Hemmung auf NMDA-Rezeptoren und
4 Alkohol blockiert die ADH-Sekretion o vermehrte NMDA-Rezeptorpräsentation bei
Gefahr der Exsikkose und gesteigertes Durst- Zink-Mangel)
gefühl
5.2 · Delir und Delir-Management
129 5

. Abb. 5.7 CAM-ICU Arbeitsblatt. (Nach der S3-Leitlinie 2010)


130 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

jInzidenz 4 Schlaflosigkeit
4 >100 g Alkohol/Tag bzw. 36 l/Jahr reiner Alkohol 4 Hyperkinesie
4 10 % der Männer und 3–5 % der Frauen 4 motorische Unruhe
müssen in den westlichen Industrienationen 4 Nesteln
als alkoholkrank eingestuft werden 4 Fieber, Tachykardie, Hypertonie, vermehrtes
4 30–60 % der alkoholabhängigen Patienten ent- Schwitzen
wickeln ein Entzugssyndrom während der 4 Elektrolytstörungen, Störungen des SBH,
postoperativen Behandlung Anämie
4 Pankreatitis
jMortalität 4 Hepatopathien
5 4 bei ausgeprägtem Delir: ca. 5 %
kIm Vollbild
! Bei chronischer Einnahme von >80–120 g
4 Tachykardie, Hypertension
Alkohol am Tag über mehrere Jahre hinweg,
4 Gesichtsröte, starkes Schwitzen, Hyperventila-
muss bei Abstinenz mit einem Entzugsdelir
tion mit Alkalose
gerechnet werden!
4 Ataxie, Tremor, Artikulationsstörungen
(verwaschene Sprache)
jLaborparameter bei chronischem Alkohol- 4 Übelkeit, Erbrechen
abusus 4 Denkstörungen, Verwirrtheit, Halluzinationen
4 CDTn (kohlenhydratdefizientes Transferrin) (optisch), Suggestibilität
spezifischer als γ-GT und MCV
4 γ-GT n (Differenzialdiagnose: Cholestase und jPathophysiologie
andere Lebererkrankungen) Komplexe Imbalance neuronaler Transmitter:
4 MCV n (Differenzialdiagnose: megaloblastäre 4 Die Acetylcholinsynthese ist aufgrund einer
Anämie durch Vitamin-B12-Mangel und Fol- Abnahme des zerebralen oxidativen Metabolis-
säuremangel) mus vermindert o Besserung der klinischen
Symptomatik auf Physostigmin-Gabe (Anti-
jBegleiterkrankungen cholium) möglich. Des Weiteren Hemmung
4 chronische Gastritis der Acetylcholinfreisetzung durch direkte Al-
4 Leberzellschaden (Hepatomegalie, Alkohol- koholwirkung.
hepatitis, Leberzirrhose) 4 Die Aktivität von inhibierend wirkenden
4 äthyltoxische Kardiomyopathie GABA-Rezeptoren ist reduziert o Auftreten
4 chronische Pankreatitis oder evtl. akuter Schub von zerebralen Anfällen im Rahmen des Ent-
4 Hüftarthrose zugs o Gabe von Benzodiazepinen (Clonaze-
4 Elektrolytstörungen pam, Diazepam, Midazolam).
5 Magnesiummangel: Anstieg der Krampf- 4 Die Anzahl von dopaminergen Rezeptoren
schwelle im limbischen System ist erhöht o vegetative
5 Hypokaliämie mit Herzrhythmusstörungen Übererregbarkeit und Halluzinationen mög-
5 Zinkmangel lich o Besserung auf Haloperidol (Haldol).
4 Klebsiellenpneumonie, TBC 4 Ungebremste sympathische Aktivierung und
4 alkoholtoxische Myopathie und zerebelläre Noradrenalinfreisetzung o Besserung auf
Degeneration etc. Clonidin (Catapresan oder Paracefan).

jKlinik jTherapie
kVorzeichen des Alkoholentzugs 4 Ausgleich von Flüssigkeitsdefiziten und Be-
4 Desorientiertheit seitigung von Elektrolytstörungen wie z. B.
4 Halluzinationen Hypomagnesiämie (0,2 mmol/kg Magnesium)
4 Tremor o Magnesium ist auch für den Thiamin-(B1)-
Ausgewählte Literatur
131 5
Stoffwechsel notwendig (Thiamin zu Thiamin- 5.2.2 Delir bei Opioidentzug
pyrophosphat; funktioneller Thiaminmangel
bei Magnesiumdefiziten) 4 Abusus bewirkt eine kontinuierliche Stimula-
4 additive und symptomorientierte Maßnahmen tion von Opiatrezeptoren im Locus coeruleus
5 Sedierung mit Benzodiazepinen: mit Hemmung der von dort ausgehenden nor-
– Midazolam-Bolus 3–5 mg i.v. und/oder adrenergen Neurone o Stimulation dieser bei
Midazolam-Perfusor 2,5–10 mg/h Entzug
– Chlordiazepoxid-(Tranxilium-)Perfusor 4 der Zeitpunkt des Auftretens von Entzugs-
200–400 mg/24 h symptomen ist vom Opioid abhängig:
– Oxazepam 10 mg p.o. 5 bei Pethidin bereits nach 4 h
– Flunitrazepam (Rohypnol) 0,2–2,0 mg 5 bei Heroin und Morphin nach 6–8 h
Boli, anschließend 0,015–0,08 mg/kg/h 5 bei L-Polamidon erst nach 2–3 Tagen
5 Clonidin (Paracetan, Catapresan), Beginn
mit initialem Bolus von 150 μg i.v. und an- jSymptome bei Opioidentzug
schließend 120–240 μg/h bzw. 2–6 μg/ In Abhängigkeit von der Karenzdauer:
kg KG/h o Verringerung der Tage mit Ent- 4 Phase 1 (nach ca. 4 h): Opioid-Hunger
zugssymptomatik und Behandlungsdauer (»craving«), Ängstlichkeit, Gähnen, Schlaf-
5 Neuroleptika (cave: Senkung der Krampf- losigkeit, Schwitzen
schwelle): Haloperidol (nephro- und 4 Phase 2 (nach ca. 8 h): Tränenfluss, Rhinorrhö,
kardiotoxisch, Gefahr des MNS); Dosis: Piloerektion (Gänsehaut), Mydriasis (so ge-
3–5(–10) mg i.v. initial und anschließend nannte »Tellerminen«)
alle 4 h 5–10 mg Haloperidol i.v. 4 Phase 3 (nach ca. 12 h): Glieder- und Muskel-
5 evtl. β-Blocker bei malignen Herzrhyth- schmerzen, Tremor
musstörungen 4 Phase 4 (nach ca. 24 h): Tachykardie, Blut-
5 evtl. Physostigmin (Anticholium) 2 mg in druckanstieg, Übelkeit und Erbrechen, Tempe-
100 ml NaCl 0,9 % über 30 min raturanstieg, Agitiertheit
5 evtl. γ-Hydroxybuttersäure (50 mg/kg KG 4 Phase 5 (nach ca. 36 h): Magenkrämpfe,
Bolus und 10–20 mg/kg KG/h kontinuier- Diarrhö, Koma
lich) o nicht im Prädelir mit Halluzinatio-
nen, da die Substanz selbst eine halluzino- Dosierung
gene Wirkung besitzt!
5 Gabe von Clonidin (Catapresan) initial 0,3–
! Kein postoperativer direkter Entzug auf- 1,2 mg, anschließend 2–6 μg/kg KG/h
grund einer Hyperalgesie und Steigerung des 5 Gabe von Doxepin (Aponal) bis 600 mg/Tag!
Stressstoffwechsels!
jProphylaxe
4 evtl. Rohypnol 2 mg p.o. und/oder Clonidin Ausgewählte Literatur
150 μg p.o.
4 evtl. Ethanolsubstitution (15–150 mg/kg KG/h) Publikationen
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132 Kapitel 5 · Analgesie, Sedierung und Delir-Management

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133 6

Ernährungstherapie
M. Fresenius

6.1 Patientensituation – 134

6.2 Allgemeines – 134

6.3 Parenterale Ernährung (PE) – 136

6.4 Enterale Ernährung – 149

Ausgewählte Literatur – 154

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
134 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

6.1 Patientensituation 4 Erhalt der Muskelmasse, Vermeidung der


Atrophie der Atem- und Zwerchfellmus-
6.1.1 Präoperativ kulatur
4 bedarfsadaptierte Substrat- und Energiezufuhr
Viele Patienten sind bereits präoperativ mangel- unter Vermeidung einer Hypo- und Hyper-
ernährt! Ca. 31 % aller stationär aufgenomme- alimentation
nen Patienten weisen Zeichen einer Mangelernäh- 4 Erhalt der Immunkompetenz und Förderung
rung auf. der Wundheilung
Die Risiken der Mangelernährung sind:
4 erhöhte Infektanfälligkeit Anmerkung: die Hauptziele der Ernährung werden
4 gestörte Wundheilung häufig nicht erreicht (bei enteraler Ernährung: zu
4 Atrophie der intestinalen Schleimhaut hoher Reflux, zu geringe Laufzeiten aufgrund von
4 Verringerung der Muskelmasse und Muskel- Diagnostik wie z. B. CT-Fahrten oder operative
6 kraft Eingriffe etc.; bei parenteraler Ernährung zu hohe
4 Verlängerung der Beatmungsdauer und der Glukose- und Fettspiegel etc.). In einer aktuellen
Liegedauer Studie konnte gezeigt werden, dass über 12 Tage
4 Morbititäts- und Mortalitätserhöhung nur 55–65 % der verordneten Energie verabreicht
werden!
Anmerkung: Die Mangelernährung sollte mit dem Die Ernährungstherapie sollte so früh wie mög-
»subject global assessment« (SGA) und mit dem lich (<24 h) mit einer physiologischen, enteralen
»nutritional risk score« (NRS) erfasst werden! Die Ernährung begonnen werden. Wird das Energieziel
kodierte Mangelernährung kann im DRG-System parenteral nicht erreicht, kann diese evtl. durch eine
erlössteigernd sein! »gemäßigte« parenterale Ernährungstherapie un-
terstützt wird (ESPEN-Empfehlung) o so konnte
Heidegger (SWISS- oder SPN-Studie) nachweisen,
6.1.2 Im Intensivbereich dass eine ergänzende parenterale Ernährung ab
dem 3. Tag bei ungenügender enteraler Ernährung
Viele Intensivpatienten werden aktuell in den ersten bezüglich Mortalitätsreduktion und Komplikatio-
Behandlungstagen nicht adäquat ernährt! Nur 49– nen wie z. B. Wundheilungsstörungen und septische
70 % des benötigten Bedarfs werden in den ersten Ereignisse von Vorteil ist. In der Studie wurde am 3.
5 Tagen verabreicht! Die Mortalität nimmt nach Tag der Kalorienbedarf mit Hilfe der indirekten Ka-
Alberda et al. (2009) abhängig von der zugeführten lorimetrie ermittelt. In den Fällen wo dies nicht
Energiemenge ab! (Unabhängig vom Ausgangs- möglich war, wurde für Frauen 25 kcal/kg KG und
BMI-Wert). für Männer 30 kcal/kg KG verabreicht!
Aktuell wird empfohlen eine Hyperalimenta-
> Wenn immer möglich sollte die Ernährung
tion in der Frühphase sowie eine Hypoalimentation
auf enteralem Wege erfolgen!
in der Spätphase einer kritischen Erkrankung zu
vermieden o hierdurch Komplikationen p, Liege- Die »volle« enterale Ernährung (1400 kcal/Tag) ver-
zeit p, Mortalität p, Infektionsratep. Die klinische bessert nach Rice et al. (2011, EDEN-Studie) im Ver-
Ernährung sollte an den bestehenden Stressstoff- gleich zu einer »trophischen« Ernährung (400 kcal/
wechsel, das SIRS-Stadium und dem Postaggres- Tag) bis zum 6 Tage nicht das klinische Outcome!
sionsstoffwechsel angepasst werden! Allerdings treten in der trophisch ernährten Patien-
tengruppe weniger gastrointestinale Komplikatio-
nen auf (enterale Regurgitation und reduziertes
6.2 Allgemeines GRV)! Allerdings zeigten beide Studienarme eine
Hypoalimentation!
Ziele der modernen Ernährungstherapie beim In-
tensivpatienten sind:
6.2 · Allgemeines
135 6

. Abb. 6.1 Indikationen zur Ernährungstherapie. (Adaptiert nach Hackl 1998)

jIndikationen albumins bei normaler hepatischer Synthese-


4 Dauer der Nahrungskarenz (>7 Tage leistung)
Nahrungskarenz bzw. Energieaufnahme 4 Dauer der behinderten Nahrungsaufnahme
<500 kcal/Tag) 4 Ausmaß der Katabolie
4 reduzierter Ernährungszustand (je schlechter
der Ernährungszustand, desto früher sollte die jKontraindikationen
Ernährungstherapie begonnen werden; der 4 Akutphase einer Erkrankung, unmittelbar
präoperative Beginn führt zur postoperativen nach der Operation und nach Trauma, bei
Verbesserung des Outcome!) Maldigestion
4 ausgeprägter Hyperkatabolismus (Gewichts- 4 Schock jeder Genese und schwere Sepsis/
abnahme, hohe Stickstoffausscheidung) septischer Schock
4 Vorhandensein von speziellen Situationen bzw. 4 Hyperlaktatämie (>3–4 mmol/l)
Stressfaktoren (Verbrennung, Sepsis, Immun- 4 schwere Azidose (pH <7,2 und pCO2
suppression etc.) >80 mmHg)
4 Hypoxie (pO2 <50 mmHg bzw. O2-Sättigung
> Die Entscheidung, eine Ernährungstherapie
<85 %)
durchzuführen, kann anhand des Ernäh-
rungs-Scores nach Hackl verifiziert werden
> Im Vordergrund der Therapie stehen die
(. Abb. 6.1).
Erhaltung der Vitalparameter (Kreislauf-
stabilisierung, Beatmungstherapie, Volumen-
jKriterien und Elektrolytausgleich innerhalb der ersten
4 Ernährungsstatus, ggf. präoperativer Aufbau 24 h).
bei reduziertem Ernährungszustand
(Gewichtsverlust, Erniedrigung des Serum-
136 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

jNutzen 4 Katabolie mindern: Reduktion des endogenen


4 Verbesserte Wundheilung Proteinanteils an der Deckung des Energie-
4 Reduktion der katabolen Antwort bedarfs
4 Steigerung der Immunfunktionen 4 Kofaktoren für den Stoffwechsel zur Verfü-
4 Erhalt der intakten Darmbarriere, insbeson- gung stellen (Vitamine, Spurenelemente)
dere bei enteraler Ernährung
4 Reduktion der Komplikationsrate, der jIndikationen
Mortalität, der Krankenhausverweildauer und Gemäß den noch aktuellen ESPEN-Guidelines aus
der Kosten dem Jahr 2009 sollen folgende Patienten parenteral
4 Verbesserung der intestinalen Perfusion bei ernährt werden:
enteraler Ernährung 4 alle Patienten die voraussichtlich länger als 3
Tage nicht ernährt werden können, sollten
> Mit der richtigen Ernährungstherapie kann
nach 24–48 h parenteral ernährt werden, wenn
6 die Letalität der Intensivpatienten um 10–
Sie eine enterale Ernährung nicht vertragen
20 % gesenkt werden!
bzw. diese kontraindiziert ist.
4 alle Patienten, die ihr enterales Substrat- und
6.3 Parenterale Ernährung (PE) Energieziel innerhalb von 2 Tagen nicht errei-
chen, sollten parenteral substituiert werden!
jDefinition
4 Intravenöse Zufuhr von allen benötigten Anmerkung: in den letzten Jahr wurden einige,
Energieträgern und für den Stoffwechsel not- wegweisende multizentrische Studien veröffentlich,
wendigen Substraten über einen (zentral)- die sicherlich in den nächsten Empfehlungen be-
venösen Zugang rücksichtigt werden müssen:
4 Formen der parenteralen Therapie: In der EPaNic-Studie konnte Casaer et al. aus
5 totale parenterale Ernährung (TPE): intra- der Arbeitsgruppe von Greet van den Berghe (2011)
venöse Zufuhr aller Komponenten der täg- nachweisen, dass einen späterer Beginn (≥8 Tage)
lichen Ernährung ohne zusätzliche orale einer parenteralen Ernährung im Vergleich zur frü-
Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme hen parenteralen Ernährung (<2 Tage) mit geringe-
5 partielle parenterale Ernährung: bei nicht ren Komplikationen und schneller Rekonvaleszenz
bedarfsdeckender oraler/enteraler Ernäh- einhergeht!
rung wird diese durch eine parenterale Zu- Das Patientenkollektiv mit folgenden Erkran-
fuhr von Nährstoffen ergänzt kungen sollten parenteral ernährt werden: Patien-
5 krankheitsadaptierte Ernährung: Ernäh- ten, die die Kriterien zur Ernährungstherapie erfül-
rungsform, die den geänderten Bedarf ein- len und bei denen die enterale Ernährung länger-
zelner Ernährungskomponenten in Gegen- fristig kontraindiziert oder nicht möglich ist, z. B.
wart von Stoffwechselstörungen (z. B. Le- 4 mit entzündlichen Darmerkrankungen
ber- und Nierenerkrankungen) berücksich- 4 mit postoperativen, posttraumatischen,
tigt und zu korrigieren versucht ausgeprägten enteraler Störungen
4 mit enterokutanen Fisteln bzw. Kurzdarm-
jZiele syndrom
4 Energie zur Verfügung stellen (Kohlenhydrate, 4 mit Strahlendermatitis
Fette, Proteine) 4 mit Hyperemesis gravidarum
4 Strukturbausteine liefern, z. B. für Membran-
lipide Bei Patienten mit Pankreatitis sollte keine parente-
4 Proteinbausteine für reparative, humorale und rale Therapie, sondern möglichst eine jejunale Er-
immunologische Leistungen anbieten nährung über eine endoskopisch platzierte Sonde,
4 Anabolismus fördern: Effizienz der Protein- distal des Treitz-Bandes, erfolgen!
utilisation erhöhen
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
137 6
> Bei der parenteralen Ernährung sollte routi-
. Tab. 6.1 Monitoring der parenteralen Therapie
nemäßig 2- bzw. 3-Kammerernährungsbeutel
angewendet werden! Überwachung Glukose (BZ) Kalzium
infundierter Triglyzeride (TG) Magnesium
jKomplikationen Substrate Kalium Phosphat
4 katheter- oder port-assoziierte Komplikatio- Natrium Chlorid

nen, Sepsis, Thrombose im Bereich der Überwachung SGPT LDH


Katheterspitze und Pneumothorax bei von Organ- Alkalische Phos- Erythrozyten
Katheteranlage funktionen phatase Hämoglobin
Bilirubin Leukozyten
4 metabolische Entgleisungen: Kreatinin Blutgase
5 Hyperglykämie (erhöhtes Infektionsrisiko, Harnstoff Quick-Wert
Dehydratation, Leberverfettung und
Störung des RES, Freisetzung von Sauer-
stoffradikalen etc.)
5 Hypertriglyzeridämie (akute Pankretatitis) 6.3.1 Beginn der parenteralen
5 Störungen des Säure-Basen-Haushalts Ernährungstherapie
5 Elektrolytverschiebung (Mg, Na, K, P)
5 hepatische Komplikationen in 15–40 % der 4 nach Beendigung des Postaggressionsstoff-
Fälle (Verfettung, intrahepatische Chole- wechsels mit seinen neurohumoralen Imba-
stase, nicht steinbedingte Cholezystitis lancen wie Katecholamine n, Kortikosteroi-
(mangelnder Stimulus der Gallenblasen- de n, STH n (Spätphase, primär p), Insulin-
kontraktion aufgrund fehlender Chole- sekretion p und periphere Insulinresistenz o
zystokininsekretion), Cholezystolithiasis, verstärkte Lipolyse und Fettoxidation (. Abb.
milder bis mäßiger Anstieg der Transami- 6.2)
nasen, AP, Bilirubin – benigne und meist 4 Beginn der parenteralen Ernährung möglichst
selbstlimitierend) spät (>7–8 Tage) und nur supplementierend o
4 Harnstoffanstieg bei Katabolie im Rahmen stufenweise Erhöhung des Angebotes
einer Hypoalimentation bzw. bei zu hoher
> Wenn immer möglich sollte eine enterale
Aminosäurezufuhr
Ernährungstherapie bevorzugt werden!
4 erhöhte CO2-Produktion und Atemarbeit bei
zu hoher Kohlenhydratzufuhr sowie Oxygenie- . Tab. 6.1 zeigt die Laborparameter, mit der eine
rungsstörungen bei zu hoher bzw. zu schneller parenterale Ernährungstherapie überwacht werden
Fettzufuhr soll.
4 Vitamin-, Spurenelementmangel/-überdosie-
rung
4 Flüssigkeitsimbalanzen (Hypovolämie oder 6.3.2 Postaggressionsstoffwechsel
Überwässerung) mit Gefahr der kardialen
Dekompensation Der Postaggressionsstoffwechsel ist die krankheits-
4 Überwucherung des Darms mit gramnegativen bedingte metabolische Antwort zur Bereitstellung
Darmbakterien bei totaler parenteraler Ernäh- von Energie bzw. Substraten:
rung und simultaner H2-Blockade (pH-Wert 4 erhöhte hepatische Glukoneogenese (z. B. nach
des Magens meist >4) Trauma und Sepsis) o Hyperglykämie. In der
4 Schleimhautatrophie und vermehrte bak- Frühphase kann die endogene, hepatische
terielle Translokation bei totaler parenteraler Glukoneogenese nicht komplett blockiert wer-
Therapie den. Normal beträgt die hepatische Glukoneo-
4 immunsuppressiver Effekt genese 2 mg/kg/min bzw. 200 g/Tag! Bei kritisch
kranken Patienten kann diese auf 500 g/Tag an-
steigen, d. h. eine exogene Glukosezufuhr ist
138 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Abb. 6.2 Hormonstatus bei Stress- und Hungerstoffwechsel

dann nicht notwendig bzw. schädlich (Leber- Phasen des Postaggressionsstoff-


verfettung/Störung, Anstieg der Infektrate, …) wechsels (nach Cuthbertson 1978)
4 Hemmung der Glykogensynthese durch 4 Akutphase (Ebbphase)
erhöhte Glukokortikoidspiegel 5 Dauer: Stunden; keine Ernährung indiziert
4 temporäre Insulinresistenz (Abnahme der 5 Mobilisierung freier FS aus dem Fettgewebe
Anzahl der Insulinrezeptoren sowie periphere 5 Aktivierung des Cori-Zyklus durch
Insulinresistenz aufgrund eines Postrezeptor- hormonelle Konstellation
defekts) 5 Zunahme der Laktat- und Pyruvat-
4 Gesamtkörperumsatz von Eiweiß erhöht produktion
5 negative Stickstoffbilanz 4 Postaggressionsphase (»flow phase«)
5 Harnstoffsynthese erhöht 5 Dauer: Tage/Wochen; reduziertes Nähr-
5 Skelettmuskelproteolyse stoffangebot
5 Aminosäureaufnahme in der Muskulatur 5 Hypermetabolismus
vermindert 5 gesteigerte Proteolyse (Hyperkatabolismus)
4 Synthese von Akutphaseproteinen erhöht 5 gesteigerte Lipolyse
5 Aminosäurefluss von der Peripherie zu den 4 Reparationsphase (»gain of lean body mass«)
viszeralen Organen 5 Es herrscht eine anabole Stoffwechsellage
mit Hyperinsulinismus.
Hormone und Entzündungsmediatoren
bei Stress- bzw. Postaggressionsstoff-
wechsel 6.3.3 Berechnung des Energiebedarfs
4 katabole Hormone:
5 Katecholamine nn (Adrenalin n) Der tägliche Energiebedarf des einzelnen Patienten
5 Glukagon  kann entweder abgeschätzt oder gemessen werden.
5 ACTH no Kortisol n
4 Mediatoren: Gleichung von Harris und Benedikt
5 Interleukin 1 n, TNF n, PIF n (1919)
4 anabole Hormone: Der durchschnittliche Tagesenergiebedarf in kcal
5 Insulinnn beträgt:
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
139 6

. Tab. 6.2 Aktivitäts-, Thermal- und Traumafaktor

AF = Aktivitätsfaktor IF = Traumafaktor

Strikte Bettruhe 1,20 Strikte Bettruhe 1,20

Gelockerte Bettruhe 1,25 Gelockerte Bettruhe 1,25

Stationäre Bettruhe 1,30 Stationäre Bettruhe 1,30

TF = Thermalfaktor Sepsis 1,3

–38°C 1,10 Peritonitis 1,4

–39°C 1,20 Polytrauma 1,5

–40°C 1,30 Verbrennungen III. Grades 1,7–2,0

–41°C 1,40

4 Männer: 66,47 + (13,74 × kg KG) + (5 × Größe 4 die simultane Ermittlung des respiratorischen
in cm) – (6,75 × Alter in Jahren) Quotienten (RQ) gibt Hinweise auf die vorwie-
4 Frauen: 655,1 + (9,56 × kg KG) + (1,85 × Größe gende Nährstoffverwertung:
in cm) – (4,67 × Alter in Jahren)
VCO 2
RQ =
! Die oben stehende Formel wurde anhand VO 2
von gesunden Probanden ermittelt und ist
5 Normwert: 0,83
sicherlich auf den heutigen Intensivpatienten
5 Hungerzustand: RQ ca. 0,70
nicht ohne weiteres übertragbar!
5 reine KH-Verwertung: RQ ca. 1,0
5 Ketonkörperverbrennung: RQ <0,7
Indirekte Kalorimetrie 5 Lipogenese: RQ >1,0
Mit Hilfe der indirekten Kalorimetrie lässt sich der
! In einzelnen Fällen können bei Azidose (RQ
tatsächliche aktuelle Energiebedarf des Patienten
<0,7) oder bei Alkalose (RQ >1,0) extreme
berechnen.
RQ-Werte vorkommen.
! Voraussetzung: keine pflegerischen Maß-
nahmen ab ca. 30 min vor bzw. während der Formel von Weir (1949)
Messung, keine Änderung des Katecholamin-
Nach der Weir-Formel und deren Modifikation un-
regimes während der Messung!
ter Berücksichtigung der Temperatur, der Mobilität
und des Verletzungsmusters ergibt sich:
jNachteile
4 ab inspiratorischen Sauerstoffkonzentratio- Ruheumsatz (REE) =
nen >60 % wird der metabolische Bedarf (3,94 × VO2 +1,11 × VCO2) × 1,44 o
falsch ermittelt (Sauerstoffaufnahme wird nach aktueller Energiebedarf (AEE,
der Haldane-Transformation berechnet)! mod. nach Long) = REE × AF × IF × TF
4 relativ teures und personalaufwendiges
Messverfahren Die einzelnen Werte für den Aktivitäts-, Thermal-
und Traumafaktor können aus . Tab. 6.2 entnom-
jVorteile men werden.
4 relativ genaue Bestimmung des täglichen,
aktuellen Energiebedarfs des Patienten
140 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Tab. 6.3 Schätzung des Energiebedarfs

Bedarf kcal/kg Sollgewicht* Durchschnittliche kcal/Tag

Grundumsatz 25 1600–1800

Postoperativ (durchschnittlich) 25–30 1800–2300

Gesteigert (Sepsis, Polytrauma) 30–35 2300–2700

Maximal (Verbrennung) 40–50 3000–3800

* Sollgewicht = Körpergröße (cm) – 100

6 ! Bei den meisten Intensivpatienten entfällt


. Tab. 6.4 Energiebedarf anhand des Körperge-
der Aktivitätsindex aufgrund einer Analgose-
wichtes
dierung; spezielle Faktoren wie Stress sowie
neurohumorale Aktivierungen werden nicht Institution Energiebedarf in Energiebedarf in
berücksichtigt! kcal/kg KG/Tag kcal/kg KG/Tag
in der Akutphase in der Spätphase
z. B. nach Stabili-
4 Der Energiebedarf kann auch nährungsweise
sierung)
unter Berücksichtigung der Grunderkrankung
ermittelt werden (. Tab. 6.3). DGEM 2003 15–25* 25–35
4 Eine minimale Energiezufuhr von 10 kcal/
AKE 2004 20–30** 25–35**
kg KG/Tag (ca. 700 kcal) darf nicht unterschrit-
ten werden! * BMI <29, als Grundlage dient das aktuelle Körperge-
4 Der Mensch ist auf die kontinuierliche Zufuhr wicht!
von Nährsubstraten angewiesen, da bestimmte ** bei BMI >30, nicht akut krank, immobil

Organe (z. B. Gehirn) nur ganz spezielle Sub-


strate verwerten können und die endogenen
. Tab. 6.5 Menschliche Energiereserven
Energiereserven sehr begrenzt sind.
4 Allerdings sollte in den ersten Tagen keine Energie- Vorhandener Vorrat Energie-
Hyperalimentation durchgeführt werden. So quelle (durchschnittlicher ausbeute
konnte gezeigt werden, dass die Mortalität, die Wert in kg) (kcal)
Beatmungsdauer und die Infektionsrate güns-
tig beeinflusst wurden, wenn die Patienten nur Fett 15,00 141.000

ca. 60–70 % der errechneten Kalorienzufuhr Muskeleiweiß 6,00 24.000


(25–30 kcal/kg KG/Tag) erhalten hatten! Krey- Glykogen 0,09 900
mann et al. (2006) empfehlen daher, Patienten
mit Sepsis in den ersten Tagen nur maximal
1000 kcal/Tag in Form von Fett, Aminosäuren O2-Verbrauchsmessung
und Glukose zuzuführen! 4 Mittels Pulmonalarterienkatheter kann durch
Bestimmung der avDO2 × HZV (= VO2) der O2-
Energiebedarfs anhand Verbrauch näherungsweise berechnet werden
des Körpergewichtes (. Tab. 6.4) (der Sauerstoffverbrauch des Lungengewebes
Der Mensch besitzt in Form von Fettgewebe, wird nicht miterfasst!).
Muskelmasse und Leberglykogen Energievorräte 4 Unter Annahme eines mittleren kalorischen
(. Tab. 6.5). Äquivalents von 4,85 kcal/l O2 lässt sich der
Energiebedarf abschätzen:
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
141 6

. Abb. 6.3 Änderung des Grundumsatzes bei verschiedenen Erkrankungen. (Adaptiert nach Hackl 1998)

avDO2 = CaO2 – CvO2 Fettverwertung = 0,71 o RQ × VO2 = VCO2); d. h.


(CxO2 = sxO2 × cHb × 1,39 + pxO2 × 0,003) Energiestoffwechsel und Atmung beeinflussen sich.
z. B. HZV = 6,4 l/min, avDO2 = 8 ml/100 ml Durch eine übermäßige KH-Zufuhr muss der
(= 80 ml/l) Patient vermehrte Atemarbeit leisten:
o O2-Verbrauch 512 ml/min = 30,72 l/h = 4 1000 kcal Glukose = 207 l CO2
737 l/Tag 4 1000 kcal Fett = 152 l CO2
o Energieverbrauch: 737 × 4,85 = 3574 kcal/
Tag Anmerkung: durch die Beachtung der CO2-Produk-
4 Energieverbrauch bei Fieber: pro 1° >38°C: tion durch unterschiedliche Ernährungskomponen-
+10 % ten (Einzelkomponententherapie bei ausgewählten
Patienten) lässt sich die Atemarbeit bei COPD-Pati-
Änderungen des Grundumsatzes enten positiv beeinflussen (übermäßige Glukosezu-
bei Erkrankungen fuhr o Liponeogenese n o CO2-Bildung n)!
In . Abb. 6.3 sind Änderungen des Grundumsatzes . Tab. 6.6 zeigt die Dosierungsempfehlungen
bei verschiedenen Erkrankungen aufgeführt. der einzelnen Substrate im Rahmen der parentera-
len Ernährung.
Aktuell empfohlene Nährstoff-
zusammensetzung (2013)
4 50–60 % Kohlenhydrate (KH) 6.3.4 Glukose
4 20–35 % Fette
4 10–15 % Eiweiß 4 Glukose ist Hauptenergielieferant.
4 Die menschlichen Glukosespeicher in Form
> Der O2-Verbrauch bei der Verwertung von 1 g
von Glykogen (ca. 300 g) sind nach ca. 12–16 h
Glukose beträgt 0,75 l, bei Aminosäuren
erschöpft o minimale Glukosezufuhr von
0,9 l/g und bei Fett 2,0 l/g.
1,0 g/kg KG/Tag (100 g/Tag).
Die CO2-Produktion verhält sich entsprechend dem 4 Umwandlung von FFS in Glukose ist nicht
respiratorischen Quotienten (RQ für Glukose = 1, möglich o alle Zellen können jedoch Glukose
für Proteinverwertung = 0,8 bzw. für überwiegende verwerten!
142 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Tab. 6.6 Nährstoffsubstrate der parenteralen Therapie

Substrat Anfangsdosis Maximale Infu- Maximale Dosis VO2 VCO2 Energiewert RQ


(g/kg/Tag) sionsrate (g/kg/h) (g/kg/Tag) (l/g) (l/g) (kcal/g)

Glukose 1,0–2,0 0,500 2,5–3,5 0,75 0,75 3,8 1,00

Eiweiß 0,8–1,0 0,250 1,2–1,5 0,90 0,78 4,1 0,80

Fette 0,5–1,0 0,150 1–1,5 2,00 1,40 9,3 0,71

RQ respiratorischer Quotient

4 ZNS, Erythrozyten und RES sind auf Glukose


6 als Energieträger angewiesen.
. Tab. 6.7 Osmolarität einzelner Ernährungs-
lösungen
4 Der Blutzuckerspiegel ist normalerweise eine
streng geregelte Messgröße und kann leicht Lösung Osmolarität (mosmol/l)
laborchemisch erfasst werden.
Glukose 10 % 555
4 Die Glukoseaufnahme in Muskulatur und Fett
erfolgt insulinabhängig. Glukose 20 % 1110
4 Die Glukoseaufnahme in Neurone, Erythro- Glukose 40 % 2200
zyten und Leber erfolgt insulinunabhängig.
AKE 1.100 + Glukose 800
4 Hoher proteinsparender Effekt durch Hemmung
der endogenen Glukoseproduktion aus gluko- AS-Lsg. 5 % 430
plastischen Aminosäuren o 100 g Glukose füh- AS-Lsg. 10 % 850
ren zu 50 % Reduktion des Proteinverlustes; eine AS-Lsg. 15 % 1.300
weitere Glukosezufuhr ohne Aminosäurenappli-
Lipovenös 10 % LCT/MCT 272
kation ist diesbezüglich ineffektiv
4 Hochprozentige Lösungen sind hyperosmolar. Omegaven 273
Die maximale Osmolarität bei periphervenö- Structolipid 20 % 260
ser Applikation sollte nicht über 900 mosmol/l
steigen (Thrombophlebitis), d. h. maximal
G10 % periphervenös applizieren! 5 beschleunigte Lipogenese
5 verminderte Lipolyse
Die einzelnen Infusionslösungen zeigen unter- 5 verstärkter AS-Abtransport von der Leber
schiedliche Osmolaritäten (. Tab. 6.7), was die peri- 5 Steatosis hepatis bei höherer und längerer
phere Applikationsmöglichkeiten zum Teil ein- Glukosedosierung (>6 g/kg/Tag)
schränkt (>800 mosmol/l) 4 erhöhte Infektionsgefahr o Harnwegsinfekte
infolge Glukosurie (Nierenschwelle: 180 mgdl)
> 1 g Glukose hat einen Energiewert von
o bei Glukosurie des Intensivpatienten Re-
ca. 4 kcal!
duktion der KH-Zufuhr
4 Wundheilungsstörungen
Nebenwirkungen zu hoher Glukose- 4 Hypoglykämien bei zu hoher Insulingabe
zufuhr (Hyperglykämie) 4 Hypophosphatämie (Verbrauch von Phosphat
4 osmotische Diurese aufgrund der Thiaminpyrophosphatbildung,
5 Dehydratation einem wichtigen Kofaktor des KH-Stoffwech-
5 Elektrolytstörungen sels [C1-Körper])
5 hyperosmolares Koma 4 Der Blutzuckerspiegel sollte daher unter
4 Insulinstimulation niedriger KH-Zufuhr <180 mg/dl sein (nach
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
143 6
Hackl bei gleichzeitigem Laktatspiegel 6.3.5 Aminosäuren (AS)
<4,0 mmol/l) o sonst Reduktion der täglichen
Kohlenhydratzufuhr. 4 20 Aminosäuren, davon 8 essenziell, d. h. vom
4 Ist bei einer KH-Dosierung (3 g/kg KG/Tag) Körper nicht synthetisierbar. Unter hyper-
der BZ >180 mg/dl o dann ggf. Altinsulinper- metabolischen Konditionen können auch
fusor (maximal 5 IE/h = 120 IE/Tag): benötigte andere AS wie Histidin, Arginin, Tyrosin,
IE Insulin/h = Blutglukose/150. Ist der BZ Cystein, Glutamin, Taurin und Ornithin und
>170 mg/dl bei Insulingabe bis 5 I.E. Insulin/h, Ornithinketoglutarsäure essenziell bzw. semi-
sollte die Glukosezufuhr reduzieren! essenziell werden.
4 Zur Verstoffwechselung der zugeführten AS
! Die exogene Insulinzufuhr führt zwar zu
sind Nichtproteinkalorien notwendig! (Pro
einer Elimination von Glukose aus dem
Gramm zugeführtem Stickstoff sollten ca.
Plasma, jedoch nicht zu einer verbesserten
130–170 kcal aus Nicht-Stickstoff-Energie
Glukose-Utilisation; daher wird die Insulin-
(Glukose und Fette) zugeführt werden!
applikation bei erhöhten Blutzuckerwerten
zunehmend abgelehnt! > 1 g N = 6,25 g AS = 30 g Muskelprotein. 1 g
Protein hat einen Energiewert von 4 kcal.
4 Die Vermeidung von Hyperglykämien bzw.
das Einstellen des BZ auf Werte von 110– 4 Eine übermäßige Aminosäurezufuhr führt zur
150 mg/dl führt bei Patienten mit Sepsis zu Hyperosmolarität, Azidose, Anstieg der Harn-
einer Reduktion der Mortalität (Sepsis stoffproduktion (>40 g/Tag) und des Harn-
7 Kap. 25; van de Berghe 2001). Die Blut- stoff-Kreatinin-Quotienten (>20).
zuckereinstellung scheint auch im Rahmen von 4 Eine anfängliche externe Proteinzufuhr spart
SHT, Apoplex und evtl. Myokardinfarkt von eigene AS-Reserven, höhere AS-Zufuhr führt
Bedeutung zu sein! allerdings zu keiner weiteren Einsparung von
fettfreier Körpermasse (»lean body mass«,
Folgen eines BZ >250 mgdl LBM): . Abb. 6.4.
4 Phagozytose vermindert 4 Es müssen L-AS zugeführt werden, da nur die-
4 Morbidität und Mortalität erhöht se verstoffwechselt werden und die Verwertung
5 nach zerebraler Ischämie und von infundierten albumin- oder plasmahal-
5 nach Herz-Kreislauf-Stillstand mit CPR tigen Lösungen aufgrund der notwendigen
4 Gefahr der Leberverfettung Aufspaltung der Proteine in AS bis zu 14 Tage
4 nutzlose Energieumsatzsteigerung in Anspruch nehmen würde!
(»futile cycles«) 4 Rund 35–50 % der zugeführten AS werden im
4 Anstieg der Atemarbeit durch vermehrte CO2- Energiestoffwechsel (Glukoneogenese) ver-
Produktion braucht, und nur 50–65 % der extern zuge-
4 Glukosestoffwechselstörung auch ohne exter- führten AS können anabol verwendet werden.
ne Glukosezufuhr infolge erhöhter hepatischer 4 Dosierung: 1,2–1,5 g/kg KG/Tag; bei Nieren-
Glukoneogenese aus Glykogen und sekundär insuffizienz ohne Dialyse evtl. Dosisreduktion
aus glukoplastischen AS (bis 300 g/Tag) o eine auf <1,0 g/kg KG/Tag, Zu hohe AS-Gabe ver-
Unterdrückung dieses Vorgangs ist nur mit ho- stärkt die Azotämie!
hen Glukose- und Insulindosen (bis 50 IE/h)
> Die adäquate Protein- und Energiezuführ ist
möglich und wird allgemein nicht empfohlen.
für kritisch kranke Patienten von Bedeutung.
So konnte Weijs et al. (2012) eine von der Pro-
> Die hepatische Glukoneogenese ist ein
teinzufuhr abhängige Beeinflussung der Mor-
äußerst energieverbrauchender Prozess
talität bei beatmeten Patienten nachweisen!
(ca. 50 % des hepatischen O2-Verbrauchs o
in Analogie zur Kardiologie: metabolische
»Nachlast« der Leber nn)!
144 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

als Substitutionslösung (z. B. 20 %iges Dipepta-


min [(100 ml enthalten 20 g AS bzw. N(2)-L-
Alanyl-L-Glutamin; pH 5,4–6,0; mit APL 10 %
zu infundieren]).
4 Funktion: Aufrechterhaltung der intestinalen
Barrierefunktion, insbesondere für den Dünn-
darm relevant o evtl. Anwendung bei intesti-
naler Minderperfusion und parenteraler Lang-
zeittherapie (>5 Tage) sowie bei reduziertem
Ernährungszustand.
4 Glutamineffekte
5 proteinsparend (negative Stickstoffbilanz p),
Konservierung eigener Glutaminreserven
6 der Skelettmuskulatur und somit Reduktion
des Autokannibalismus
5 Aufrechterhaltung der intestinalen Barriere-
. Abb. 6.4 Darstellung der Auswirkungen einer steigenden funktion o Förderung der Proliferation der
externen Aminosäurezufuhr auf die endogene Proteolyse, Enterozyten
Proteinsynthese und energetische Verwertung sowie Verlust
5 Unterstützung der zellulären Immunab-
von fettfreier Körpermasse (LBM)
wehr, insbesondere des darmassoziierten
Lymphgewebes (GALT) o wichtig für die
DNA-Replikation für Leukozyten und Ma-
! AS-Verluste bei extrakorporalen Eliminations-
krophagen
verfahren:
5 Erhalt der hepatischen Glutathionreserven
5 Dialyse: 1,5–2,0 g AS S/h
(antioxidative Funktion)
5 CVVHF: Filtrationsvolumen (l) × 0,3 = g AS
5 verbesserter Säure-Basen-Haushalt
5 Peritonealdialyse:
(Bildung der renalen Puffersubstanz
0,2–0,3 g/l Peritoneallösung
Ammoniak)
4 Indikation für spezielle stoffwechseladaptierte 5 Glutaminsäure ist ein ineffektiver Ersatz für
AS-Lösungen (»Leber-« oder »Nierenlösung«) Glutamin, da es nur zu 5–7 % in Glutamin
gibt es aktuell nicht o ihr Einsatz führt zu umgewandelt wird! o Ersatz von Glutamin
keiner Mortalitätsreduktion beim Intensiv- durch α-Ketoglutarat oder Ornithin, die zu
patienten; ist allerdings im Vergleich zu Stan- Glutamin umgewandelt werden können!
dardlösungen mit erhöhten Kosten verbunden! 4 Von der E.S.P.E.N.-Gruppe wird derzeit die
enterale Glutamingabe nur für Verbrennungs-
und Traumapatienten empfohlen! Alle kri-
6.3.6 Glutamin tisch kranken Patienten sollten bei parentera-
ler Ernährung Glutamin substituiert bekom-
4 Im Rahmen des Postaggressionsstoffwechsels men (A-Empfehlung).
kommt es zu einer signifikanten Abnahme der
intramuskulären Glutaminkonzentration.
4 Glutamin kann unter intensivmedizinischen 6.3.7 Fette
Konditionen (Stress, Sepsis) essenziell werden
und sollte in einer Größenordnung von 20– Fette sind ein günstiger Energiespeicher mit hoher
30 g pro Tag bzw. 0,2-0,4 g/kg KG substituiert Energiedichte (90 % des Nassgewichts) bei gerin-
werden(Grad-A-Empfehlung). gem Volumen.
4 Präparate: z. B. in Kombination mit anderen
Aminosäuren (z. B. 13,4 %iges Glamin) oder > 1 g Fett hat einen Energiewert von 9,3 kcal.
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
145 6
4 Hauptenergiedepot (15 kg=141.000 kcal)
. Tab. 6.8 Spezifische Stoffwechselaufgaben der
4 geringe Osmolalität der Fettlösungen: 280– einzelnen FS-Klassen
355 mosmol/l o periphere Applikation mög-
lich Energie Struktur Funktion
4 energetische Funktion: Energiespeicher bzw.
-lieferant Mittelkettige +++ 0 0
Fettsäuren
4 nichtenergetische Funktionen:
5 Funktionsträger: Träger von fettlöslichen Langkettige
Vitaminen (Ausnahme: Cernevit!) Fettsäuren
5 Bestandteil von Zellmembranen und Quelle Gesättigte FS ++ ++ (+)
essenzieller Fettsäuren Einfach ungesät- ++ ++ (+)
5 Präkursoren von Mediatoren der verschie- tigte FS
denen Reihen wie z. B. Prostaglandine,
Mehrfach ungesättigte FS
Thromboxane und Leukotriene o Immun-
modulation durch die Applikation be- Linolsäure oder 0 +++ +++
ω6-FS
stimmter Fette!
4 durch die Applikation von Fetten wird der re- Linolensäure 0 +++ +++
spiratorische Quotient (RQ) positiv beeinflusst oder ω3-FS

o Atemarbeit p

Spezifische Stoffwechselaufgaben und DHA] im Verhältnis von 30:30:25:15). Das


der einzelnen Fettsäureklassen Verhältnis von ω3- zu ω6-Fettsäuren ist für die
Die einzelnen Fettsäurearten besitzen unterschied- Vermeidung von SIRS- und CARS-Reaktionen
liche Funktionen bzw. Aufgaben (Spielmann et al. mit signifikanter Verkürzung der postoperati-
1998; . Tab. 6.8). ven stationären Intensiv- und Krankenhaus-
4 Unterscheidung der FS in kurzkettige Fett- verweildauer (Tseckos 2004) von Bedeutung.
säuren (2–4 C-Atome), mittelkettige Fett- Optimal scheint ein Verhältnis von 2:1 bis 4:1
säuren (6–12 C-Atome) und langkettige Fett- von ω6 zu ω3-FS zu sein. Bei SMOFlipid be-
säuren (14–24 C-Atome) bzw. in einfach und trägt das Verhältnis 2,5:1. Zukünftig wird es Li-
mehrfach ungesättigte Fettsäuren (= Anzahl pide geben, bei denen das Glycerol mit speziel-
der Doppelbindungen zwischen den C-Ato- len Fettsäuren verestert wurde (sog. struktu-
men). rierte Lipide).
4 Auftreten eines sog. »substrate cycling« zwi- 4 Wie Grimm u. Grimminger (1995) zeigen
schen Triglyzeriden (TG) und Fettsäuren, z. B. konnten, hat die parenterale Applikation von
bei Insulinstörungen o verstärkte periphere verschiedenen Ölsorten bzw. deren Kombinati-
Lipolyse und anschließende, energieverbrau- on Auswirkungen auf die Überlebenszeit von
chende Reveresterung der freigesetzten FS in Transplantaten und ist somit für die Immunab-
der Leber o Ruheumsatz (RU) n wehr von großer Bedeutung (. Abb. 6.5)!
4 Konzentrationen: 10 %, 20 % o höherpro-
Unterschiede der verwendeten zentige Fettlösungen (20 %) sind aufgrund
Fettlösungen eines besseren Emulgator (Eiphospholipid)-
4 Ölsorten: Sojabohnenöl, Distelöl, Kokosöl und Triglyzerid-Verhältnisses zu bevorzugen o
Olivenöl oder Fischöl. Seit einigen Jahren auf dadurch bessere Fett-Clearance und geringere
dem Markt sind Mischungen aus verschiede- Triglyzeridspiegel
nen Ölsorten (z. B. SMOFlipid = Mischung aus 4 Verhältnis der Anteile von lang (LCT)- und
Sojabohnenöl [(Linolsäure und α-Linolen- mittelkettigen (MCT)-Triglyzeriden o 1:1-Mi-
säure], MCT in Form von Kokosöl, Olivenöl schung von mittelkettigen (MCT) und langket-
[ω9-FS] und Fischöl [ω3-FS in Form der EPA tigen (LCT) Fettsäuren empfohlen o protein-
146 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Abb. 6.5 Einfluss verschiedener Ölsorten auf die Immunabwehr

sparender Effekt, sofortige carnitinunabhän- Essenzielle Fettsäuren


gige Verstoffwechselung von MCT (Cave: Linolsäure (C18:2)
Überladung der Mitochondrien!), minimale 4 Vorstufe für Prostaglandin- und Prostazyklin-
Reveresterung, höhere Clearance-Rate, gerin- stoffwechsel
gere Beeinflussung des retikuloendothelialen 4 Bildung von Arachidonsäure (ω6-FS; C20:4),
Systems (RES), geringere Inzidenz von hepa- aus der über die Lipooxygenase die Leukotrie-
tischen Cholestasen unter Fettapplikation ne der 4er-Reihe (Chemotaxis und endothelia-
4 LCT müssen über Carnitin-Shuttle ins Mito- le Permeabilitätserhöhung durch LTB4, LTC4,
chondrium eingeschleust werden Die Carni- LTD4) und über die Cyclooxygenase die Pros-
tinsynthese ist von einem ausreichenden Ange- taglandine der 2er-Reihe (PGD2, PGE2, PGF2)
bot an Methionin, Lysin und Vitamin C abhän- sowie Thromboxan A2 und PGI2 synthetisiert
gig o bei Verdacht auf Mangel, z. B. unter werden o Broncho- und Vasokonstriktion so-
chronischer Dialyse: Gabe von Carnitin (Bio- wie Thrombozytenaggregationsförderung und
carn) Immunsuppression (PGE2 hemmt die Interleu-
4 MCT sind keine Substrate des Eikosanoidstoff- kin-2-Produktion der T-Lymphozyten mit
wechsels! konsekutiver geringerer T- und B-Zell-Prolife-
4 Art und Konzentration der Emulgatoren: Ei-, ration)
Soja-Phosphatid 4 Tagesmindestbedarf: 10 g; bei Postaggressions-
4 Zusätze zur Erlangung der Blutisotonie: Xylit, stoffwechsel: bis zu 50 g
Glycerin
4 Zufuhr von essenziellen Fettsäuren o wichtig α-Linolensäure (C18:3) (. Abb. 6.6)
als Membranbausteine, jedoch Präkursoren für 4 Präkursor für die antiinflammatorisch wirken-
den Eikosanoidstoffwechsel, weniger für den den ω3-Fettsäuren (Eikosapentaensäure
Energiestoffwechsel o 5–10 g Fett/Tag sind für (C20:5) [EPA] und die Docosahexaensäure
den Erwachsenen nach 3 Wochen und für das (C22:5) [DHA], die vor allem im Fischöl ent-
Neugeborene bereits nach 7 Tagen essenziell! halten sind) o Synthese von Leukotrienen der
5er-Reihe und Prostaglandinen der 3er-Reihe
bei gleichzeitiger kompetitiver Hemmung der
δ-6-Desaturase o Eikosanoidsynthese p
6.3 · Parenterale Ernährung (PE)
147 6
4 Störungen der Hämatopoese (Anämie)
4 Fettleber
4 Infektanfälligkeit
4 kardiale Funktionsstörung

Anmerkung: Aktuell ist nicht geklärt, welche Pa-


tienten von welchen Fettsäuremustern profitieren!
Dies bereitet dem Intensivmediziner bei der Aus-
wahl eines bestimmten Produkt/Hersteller für sei-
nen Patienten erhebliche Probleme!

Infusionslösungen (Beispiele; . Tab. 6.9)


Aktuell wird die Anwendung von 3-Kammer-Beu-
teln anstatt einer individuell zusammengestellten
Mehrkomponenten parenteralen Ernährung emp-
. Abb. 6.6 Stoffwechselschema der Linol- und der Linolen-
fohlen (Grad-B-Empfehlung)!
säure. (Adaptiert nach Fresenius u. Kabi (2003)
4 Vorteile der 3-Kammer-Beutel sind:
5 verbesserte pharmakologische Sicherheit
4 Tagesmindestbedarf: 1,2 g (Hauptquelle: (Ernährung mit Einzelkomponenten be-
Distelöl, auch in Fischöl enthalten). steht z. T. aus >40 Einzelbestandteil, gerin-
4 Bei 2–6 g/Tag: Plasmatriglyzeridspiegel p, HDL gere Gefahr von Verordnungsirrtümer)
steigt leicht an, Gesamtcholesterin und LDL 5 erhöhte mikrobiologische Sicherheit
bleiben konstant oder fallen geringgradig ab. 5 verbesserte physikalische Stabilität
4 Erste Hinweise auf einen positiven Effekt der 5 preisgünstige Lösung
ω3-Fettsäuren stammen aus den 1970er-Jah- 5 einfachere Anwendung im klinischen Alltag
ren, als eine geringere Inzidenz von arterio- 4 Laufzeiten der einzelnen Komponenten: . Tab.
sklerotischen Veränderungen sowie deren Fol- 6.10
gen (Myokardinfarkt, Apoplex) bei sich über- 4 Unter kontinuierlicher Fettapplikation sollten
wiegend von Seefisch ernährenden Grönland- die Serumtriglyzeridwerte <350 mg/dl liegen,
Eskimos nachgewiesen wurde. Teskos konnte nach 6-stündiger Nüchternheit <250 mg/dl,
2001 durch die parenterale Gabe von ω3-FS sonst Fettreduktion bei höheren Werten (ggf.
eine signifikante Reduktion der perioperativen Aktivierung der Lipoproteinlipase durch
Mortalität 15 % vs. ca. 3 %) nachweisen. Heparin!).
4 Die einfach ungesättigte Ölsäure (C18:1) ist
! Bei zu hoher und zu schneller Fettzufuhr
nichtessenziell und kann im Unterschied zu
droht das sog. »fat overload syndrome«:
den mehrfach ungesättigten Fettsäuren vom
Oxygenierungsstörungen, massive Funktions-
Körper synthetisiert werden!
störungen der Leber und des Gerinnungs-
> Während der parenteralen Ernährung sollte systems o kontinuierliche Applikation der
auf ein Verhältnis von ω6- zu ω3-Fettsäuren Fette über 24 h!
von 2:1 bis 4:1 geachtet werden.
4 Absetzen der Fettapplikation bei Thrombo-
zyten <50.000/μl, bei DIC, kardiogenem
Folgen des Mangels an essenziellen Schock und schweren Oxygenierungs-
Fettsäuren störungen!
4 Dermatitis
4 erhöhte Thrombozytenaggregation und
Thrombozytopenie
4 Wundheilungsstörungen
148 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Tab. 6.9 Verschiedene Infusionslösungen

Lösung Osmolarität Energiedichte Bemerkung


(mosm/l) (kcal/500 ml)

NaCl 0,9 % 308 NaCl 9 g/l (unphysiologisch!)


Na+ 154 mmol/l, Cl 154 mmol/l (1 g NaCl = 17,1 mmol)

Glukose
G 5% 278 100
G 10 % 523 200
G 20 % 1250 400
G 30 % 2100 1600
G 50 % 3800 1000

6 Zuckeraustauschstoffe

Xylit 10 % 1658 200 Maximal 3 g/kg Xylit


Kaloplasmal 1770 600 Mischung aus G20 % und Xylit 10 %
30 %

Proteine Gesamtstickstoff 15,5 g/l


Aminoplas- 990 200 Gesamtstickstoff 8,6 g/l, L-AS 60 g/l
mal PO-10 % 1510 1111 80 g AS/l, Gesamtstickstoff 12,9 g/l maximal 1,5 g/kg/Tag
Aminomel 1770 160
nephro
Aminosteril
N-Hepa 8 %

Fette

Lipofundin 345 529 8 g Phosphatidylcholin + 25,0 g, Glycerol in 1,0 l; 50 % LCT in Form


10 % MCT von Sojaöl (100 g) + 50 % MCT

Lipofundin 380 954 12 g Phosphatidylcholin + 25,0 g Glycerol in 1,0 l; 200 g Soja-


20 % MCT bohnenöl

Omegaven 272 560 aus Fischöl mit hohem Anteil am ω3-FS, zur Fetternährungs-
(10 %) ergänzung (maximal 10–20 % der Gesamtfettzufuhr bzw. maximal
2 g/kg/Tag)

ClinOleic 270 1000 80 % Olivenöl und 20 % Sojabohnenöl, 40 g essenzielle


20 % Oli Fettsäuren/l
Clinomel

Structolipid 260 mosmol/ 980 Erste kommerziell erhältliche Lösung von strukturierten Lipiden,
20 % kg H2O) 22 g/l freies Glyzerin

SMOFlipid 380 mosmol/ 1.000 Mischung aus 4 verschiedenen Fetten:


kg H2O – zu 30 % Sojabohnenöl mit langkettigen Fettsäuren (LCT) als
Quelle für essenzielle Fettsäuren, Konzentration: 60 g
Sojabohnenöl/l
– zu 30 % Kokosöl als schnell verfügbare mittelkettige Fettsäuren
(MCT), Konzentration: 60 g MCT/l
– zu 25 % Olivenöl als Lieferant von einfach ungesättigten Fett-
säuren, Konzentration: 50 g Olivenöl/l
– zu 15 % Fischöl als Quelle für langkettige ω3-Fettsäuren,
Konzentration: 30 g Fischöl/l
6.4 · Enterale Ernährung
149 6

. Tab. 6.9 (Fortsetzung)

Lösung Osmolarität Energiedichte Bemerkung


(mosm/l) (kcal/500 ml)

Lipidem/ ca. 410 955 Mischung aus 3 verschiedenen Fetten:


Lipoplus mosmol/kg – zu 40 % Sojabohnenöl (LCT)
– zu 50 % Kokusnussöl (MCT) und
– zu 10 % Fischöl (ω3-FS bzw. EPA und DHA); ausgewogenes
Verhältnis von ω6:ω3-FS von 2,7:1; mit Tocopherol zum Schutz
vor Peroxidation angereichert, 20 %ige Lsg. = 20 g Fett/100 ml
Fettlösung

. Tab. 6.10 Empfohlene Laufzeiten Applikation von Vitaminen und Spuren-


elementen
Art der Infusions- Maximale Maximale Lauf- 4 Substitution von wasser- und fettlöslichen
lösungen Laufzeit (h) zeit (h), von
Vitaminen bei parenteralen Ernährung (. Tab.
nach RKI Experten emp-
(2002) fohlen 6.11)
4 Aktuell wird empfohlen, ab dem 7. Tag der
All-in-one-Lösung 24 36–48 Ernährung Vitamine zu substituieren!
Reine Lipidlösung 12 24 4 Substitution von Spurenelementen bei längerer
parenteraler Ernährung: . Tab. 6.14
Glukose- oder 1 48
Aminosäure-
4 Aktuell gibt es keine offiziellen Empfehlungen
lösungen über die Höhe der Spurenelementsubstitution
beim kritisch kranken Patienten!

! Eine Überdosierung von Mangan kann infol-


Kontraindikationen der Fettapplikation ge Ablagerung in den Basalganglien ein par-
4 Störungen der Mikrozirkulation: Schock, kinsonähnliches Krankheitsbild auslösen!
dekompensierte Herzinsuffizienz, Hyper-
lipidämie (>300–350 mg %) sowie alle Zustän-
de mit verminderter O2-Zufuhr an das Gewebe 6.4 Enterale Ernährung
(obligate aerobe Fettverwertung zu ATP!)
4 die akute Pankreatitis stellt keine Kontrain- 6.4.1 Sondenkost (SK)
dikation für niedrig dosierte, parenteral appli-
zierte Fette dar o 0,5–1,0 g/kg/Tag Einteilung der SK
4 selbst hergestellte SK: so genannte »Home-
Kurzkettige Fettsäuren (SCFA) made«-Sondenkost (nur gastrale Applikation
4 In Zukunft könnte die enterale Gabe von kurz- möglich!)
kettigen Fettsäuren (SCFA) eine zunehmende 4 industriell gefertigte Sondennahrung:
Rolle spielen. Hierzu zählen: Azetat, Proprio- Formuladiät o wiederum untergliedert in:
nat, Butyrat: bakterielle Abbauprodukte von 5 hochmolekulare nährstoffdefinierte
Ballaststoffen, die für den oxidativen Stoff- Diät (NDD):
wechsel des Kolons wichtig sind o trophische – standardisiert (mit und ohne Ballaststoffe)
und antiinflammatorische Effekte von SCFA. oder
– modifiziert, stoffwechseladaptiert
5 niedermolekulare chemisch definierte Diät
(CDD):
6
150

. Tab. 6.11 Vitaminpräparate

Empfehlung Zeit bis zum klinischen Multibionta N Vitalipid Soluvit N Cernevit Freka-vit Freka-Vit
DGEM Mangel adult fettlöslich wasserlös-
lich

Vitamin A (IE) 3000 1–2 Jahre 3000 3300 3500 3300

Vitamin C (Ascorbinsäure) 100–300 1–2 Monate 100 100 125 100

Vitamin D (IE) 200 200 220 200

Vitamin E (IE) 9–12,5 5,5 mg 10 11,2 10


Kapitel 6 · Ernährungstherapie

K (μg) 100–150 150 150

Vitamin B1 (Thiamin) (mg) 3–4 4–10 Tage 10 2,5 3,5 2,5

Vitamin B2 (Riboflavin) (mg) 3–5 1–2 Monate 7,3 3,6 4,1 3,6

Nicotinamid (mg) 40–50 2–6 Wochen 40 40 45 40

Panthothensäure (mg) 10–20 25 15 17,25 15

Vitamin B6 (Pyridoxin) (mg) 4–6 2–6 Wochen 15 4 4,5 4

Vitamin B12 (μg) 2–6 3–5 Jahre 5 6 5

Biotin (μg) 60–120 60 69 60

Folsäure (μg) 160–400 3–4 Monate 400 414


6.4 · Enterale Ernährung
151 6
(»short chain fatty acid«), z. B. Azetat o Ener-
. Tab. 6.12 Spurenelementen bei parenteraler Er-
nährung
gielieferant für die Dickdarmschleimhaut oder
nicht fermentierbare Ballaststoffe (Lignine).
Normalkost Parenterale Zufuhr 4 Der durchschnittliche Kaloriengehalt der
(mgTag) (mgTag) kommerziell erhältlichen Präparate liegt meist
bei 1,0 kcal/ml Sondennahrung. Einige wenige
Eisen 12–18 0,5–4
besitzen einen höheren Energiegehalt (Pulmo-
Zink 15–30 1,5–5 care [1,5 kcal/ml], Nutrison concentrated
Mangan 2–5 0,15–0,8 [2,0 kcal/ml], Jevity HiCal [1,5 kcal/ml], Fre-
subin HP Energy [1,5 kcal/ml] etc.).
Kupfer 2–4 0,5–1,5
4 Die Osmolalität der Sondennahrung ist vom
Molybdän 0,2 0,02 Kohlenhydratgehalt abhängig, der wiederum
Chrom 0,05–0,2 0,01–0,015 den Energiegehalt der Kost bestimmt o Son-
Selen 0,05–0,5 0,02–0,06
dennahrungen mit niedrigem Kaloriengehalt
besitzen eine niedrige Osmolalität (ca.
Iod 180 0,1–0,15
300 mosmol/kg H2O), solche mit hohem Ener-
Fluorid 1 0,9 giegehalt eine gesteigerte Osmolalität (bis
1000 mosmol/kg H2O)!

– Elementardiät oder Astronautenkost (Glu- Applikationsmodus


kose und nur L-AS, unangenehmer Ge- Die enterale Ernährung erfolgt
schmack, hohe Osmolarität >600 mosm/l) 4 als gastrale Ernährung über eine nasogastrale
– Oligopeptiddiät (Di- oder Tripeptide wer- Sonde und perkutan endoskopisch gelegte
den im oberen Dünndarm besser resor- Gastrostomien (PEG) oder
biert als einzelne AS, daher vorteilhaft) 4 als jejunale Ernährung über z. B. endoskopisch
eingelegte Dreilumensonden oder Sonden, die
! Niedermolekulare chemisch definierte
sich selbst in den unteren Abschnitt des Dünn-
Diäten enthalten keine Ballaststoffe!
darms ziehen (Tiger-2-Sonde)

Zusammensetzung > Die jejunale Applikation von Sondennahrung


sollte aufgrund einer geringeren Inzidenz
4 Der Gehalt an Vitaminen und Spurenelemen-
von Pneumonien und einer effizienteren
ten in den Sondennahrungen entspricht bei
Substratzufuhr durchgeführt werden.
voller enteraler Therapie dem durchschnitt-
lichen Tagesbedarf. Bei extremer Katabolie Die Applikation der Sondennahrung wird entweder
sollten jedoch zusätzlich Zink, Eisen, Vita- 4 bolusweise gastral (bis maximal 8-mal 300 ml
min B und C substituiert werden. nach langsamer kontinuierlicher Steigerung
4 Die Komplementierung der SK mit Ballast- der Bolusmengen von 3-mal 50 ml aufwärts)
stoffen ist bezüglich der Darmmotilität zu oder
empfehlen. Wenn keine Ballaststoffe in der 4 kontinuierlich über eine gastrale oder duode-
enteralen Therapie vorhanden sind, sollten nal-jejunalen Sonde mit einer Steigerung der
Ballaststoffkonzentrate zugeführt werden. enteralen Ernährung alle 6–12 h um ca. 10–
Nebenwirkungen der Ballaststoffgabe: intesti- 20 ml/h bei unkomplizierten Verlaufen bis zu
nale Gasproduktion, intestinale Obstruktion, einer maximalen Infusionsrate von 100 ml/h.
durch Reduktion der Darmmotilität Obstipa- Ansonsten Steigerung alle 24 h um 10 ml/h auf
tion und bakterielle Überwucherung. max. 50 ml/h bei komplizierten Verläufen (pro-
4 Ballaststoffe bestehen aus fermentierbaren longierte hämodynamische Instabilität, hoher
Fasern (Zellulose, Pektin); Abbau durch Darm- Katecholaminbedarf, Subileus, offene Bauch-
bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren, sog. SCFA behandlung)
152 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

4 Anregung der Magenentleerung und der


. Tab. 6.13 Kontinuierliche Applikation vs.
Bolusapplikation von Sondennahrung
Darmmotilität durch Stimulation von Rezep-
toren im Dünndarm
Kontinuierliche Bolus- 4 bessere Wundheilung bei frühzeitigem Be-
Applikation applikation ginn der enteralen Ernährung innerhalb 24 h
postoperativ unter Berücksichtigung von chi-
Energieverbrauch p n
rurgischen Kontraindikationen
Energiezufuhr n p 4 verbesserte intestinale Immunkompetenz
Diarrhö p n (GALT-Funktion erhalten) und Abnahme der
Inzidenz von septischen Komplikationen
Aspirationsgefahr p n
(geringere bakterielle Translokation, 7 Kap. 19,
N-Bilanz r n Abschn. »Gastrointestinale Probleme«).
Gastroösophage- p n 4 geringere Stressreaktion und Mediatorenfrei-
6 aler Reflux (bei setzung
PEG-Ernährung) 4 geringere Kosten der Ernährung
Sondenokklusion p n 4 geringere Katheterkomplikationen (Infektion,
Blutung, Pneumothorax)
> Bei Trauma- und Verbrennungspatienten
sollte zur Verbesserung des Outcome eine
Die Dünndarmsonden werden gastroskopisch oder
frühzeitig beginnende (<6 h) minimal entera-
intraoperativ platziert. In den letzten Jahren wurde
le Ernährung begonnen werden o Level-I-
das gastrale Residualvolumen zum Beginn zw. Fort-
Empfehlung nach den Kriterien der »Evi-
führung der enteralen Ernährung immer mehr
dence-based Medicine«.
nach oben verschoben (von 150 auf 500 ml). Neuere
Studien empfehlen auf die Messung des Residualvo-
lumen gänzlich zu verzichten! jNachteile der SK-Ernährung
Pro und Kontra der kontinuierlichen und der 4 Gefahr der Regurgitation und Aspiration von
Bolusapplikation von Sondennahrung . Tab. 6.13. SK bei gastroösophagealem Reflux des beatme-
ten oder bewusstseinsgestörten Patienten o
jVorteile der SK-Ernährung Reduktion der Inzidenz durch Oberkörper-
4 Aufrechterhaltung der intestinalen Integrität hochlagerung (30–45°), Gabe von Prokinetika
durch Einhaltung des physiologischen Prozes- (Metoclopramid oder Erythromycin in niedri-
ses von Digestion und Absorption selbst bei ger Dosierung).
kleinsten Volumenmengen (Zottenernährung 4 bakterielle Kontamination bei selbstherge-
mit 20 ml/h postoperativ beginnend bis zur stellter Sondennahrung oder unsachgemäßer
ersten Defäkation) o Verhinderung der Trans- Anwendung kommerzieller Lösungen
lokation von Bakterien ins Blutsystem mit der 4 Schleimhautläsionen/Druckschäden der Son-
Gefahr der Induktion des Multiorganversa- den (Nasenulzera, Magenulzera) oder Schäden
gens (MOV) aufgrund einer intakten Darm- infolge von Fehllagen der Sonden (pulmonale
schleimhaut. Sondenlage oder zerebrale bei frontobasalen
Läsionen! o radiologische Kontrolle der Son-
! Die Enterozyten werden zum Großteil vom denlage vor Beginn der enteralen Ernährung
Lumen her ernährt, und bei enteraler Ernäh- ist obligat!)
rung werden Zellbausteine zur Verfügung 4 durch die erhöhte Osmolarität oder dem er-
gestellt, die intestinale Perfusion erhöht, höhtem Fettanteil ausgelöste Diarrhö (bis zu
trophische gastrointestinale Hormone wie 20 %) o Wechsel der Sondennahrung, Reduk-
Gastrin ausgeschüttet sowie der Gallen- und tion der Menge und Verdünnung der SK mit
Pankreassekretfluss gesteigert! Wasser auf maximal die Hälfte
6.4 · Enterale Ernährung
153 6
4 Tube-feeding-Syndrom: akute Niereninsuffi- se, bei der Synthese von Kreatinin und Stickstoff-
zienz durch Hyperosmolarität oder Hyper- monoxid, für den Transport, Speicherung und Eli-
natriämie (Zufuhr von bis zu 15 g/Tag) infolge mination von Stickstoffverbindungen.
Diuretikatherapie und SK-Hyperosmolarität Die Gabe von Arginin führt
4 diabetische Entgleisung durch leicht spaltbare 4 zur Stimulation des Zellwachstums
Stärkeabbauprodukte und Leberverfettung 4 zur verbesserten Immunität durch Anstieg der
4 Darmdilatation und Flatulenz NK-Zytotoxizität, der IL-2-Synthese und der
4 Dünndarmnekrose bei forcierter enteraler Makrophagenaktivität
Ernährung (bei 0,15–1,4 % der Ernährungs- 4 zum Anstieg der Lymphozytenproliferation
patienten; meist nach 5–10 Tagen) 4 zur Stimulation der STH-, Insulin-, Glukagon-,
Prolaktin- und Somatostatinsekretion sowie
jAbsolute und relative Kontraindikationen der Katecholaminesekretion
für enterale Ernährung 4 zur Stimulation der hepatischen Fibrinogen-
4 akutes Abdomen und mechanischer Ileus des synthese und Kollagenbildung (verbesserte
Dünn- oder Dickdarms Wundheilung)
4 Nichtüberwindbare Stenose des Gastrointesti-
! Die Gabe von Arginin bei septischen Patien-
naltrakts (entzündlich oder neoplastisch
ten birgt theoretisch die Gefahr einer
bedingt)
gesteigerten NO-Synthese und damit einer
4 hochgradige Resorptionsstörungen (ausgiebige
Zunahme der Vasodilatation! Zurzeit keine
floride Darmentzündungen, Kurzdarmsyn-
Empfehlung für die Gabe von Arginin-ange-
drom)
reicherten Ernährungslösungen!
4 akute Stoffwechselentgleisungen (Coma diabe-
ticum, Coma hepaticum)
4 Perforationsgefahr (Zustand nach Verätzung) Glycin
oder manifeste Perforation (Nachweis freier Glycin kann unter intensivmedizinischen Bedin-
Luft im Abdomen) gungen zu einer essenziellen AS werden.
4 intestinale Perfusionsstörungen bzw. Ischämie Glycin besitzt selbst einen zytoprotektiven Ef-
(Angina abdominalis) fekt und beschützt insbesondere die Leberzellen vor
4 Peritonitis oder toxisches Megakolon Hypoxie und Reperfusionschaden (Radikalenfän-
4 frische Darmanastomose (relativ) und interen- ger, Stabilisierung der Membranproteinstruktur,
terische Fisteln Verhinderung der Makrophagenaktivierung, Mo-
4 akute Herz- und Niereninsuffizienz (Natrium- dulation der Zytokinproduktion, z. B. TNF-α-
und Flüssigkeitsbelastung!) Ausschüttung p).
4 akute Gastrointestinalblutung
4 Kurzdarmsyndrom Nukleotide
4 unstillbares Erbrechen Nukleotide (Purine und Pyrimidine) führen nach
4 schwere Hypovolämie oder Hypoperfusion Applikation in Form von RNA-Fragmenten zu einer
4 persistierende Diarrhö verbesserten Immunabwehr (zellulärer Turnover ist
gesteigert)!

6.4.2 Semiessenzielle Nährstoff- Glutamin


substrate 7 Abschn. 6.3

Arginin Antioxidanzien
Die Aminosäure Arginin kann unter intensivmedi- 4 Antioxidanzien spielen bei entzündlichen Vor-
zinischen Bedingungen essenziell werden. gängen wie Sepsis und ARDS eine große Rolle.
Arginin wird benötigt bei der Biosynthese ande- 4 Zu den Antioxidanzien zählen u. a. Selen,
rer Aminosäuren, im Rahmen der Harnstoffsynthe- Vitamin C und E, β-Carotin und Zink.
154 Kapitel 6 · Ernährungstherapie

. Tab. 6.14 Immunonutrition kritisch kranker Patienten nach den ESPEN-Empfehlungen von 2009

Substanz Kritisch Kranke Sepsis Trauma/ ARDS/ALI


Verbrennung

Arginin Keine Vorteile Nicht empfohlen Keine Vorteile Keine Vorteile

Glutamin Parenterale Gabe bei Unzureichende Enterale Gabe Unzureichende


parenteraler Ernäh- Datenlage empfohlen Datenlage
rung empfohlen

ω3-FS*, Antioxidanzien Unzureichende Unzureichende Unzureichende Enterale Gabe


Datenlage Datenlage Datenlage empfohlen

Nukleotide Unzureichende Unzureichende Unzureichende Unzureichende


Datenlage Datenlage Datenlage Datenlage
6 Selen Unzureichende Unzureichende Unzureichende Unzureichende
Datenlage Datenlage Datenlage Datenlage

Enterale Kombinati- Einsatz nicht empfoh- Einsatz bei nicht Einsatz nicht Nicht empfohlen!
onspräparate (Nukleo- len; Einsatz bei ente- chirurgischen Pati- empfohlen
tide, Arginin Antioxi- ral ernährten enten mit Sepsis,
danzien, ω3-FS*) (>2,5 l/72 h) Patienten wenn der APACHE-II-
empfohlen Score <15 ist

* FS = ω3-Fettsäuren

4 Selen: Empfehlungen zum Einsatz von


5 als Bestandteil von 35 verschiedenen Immunonutrition bei kritisch kranken
Selenoproteinen von Bedeutung, insbeson- Patienten
dere für die Glutathionperoxidase . Tab. 6.14.
5 als direkter Radikalenfänger und Hemmung
der Mediatorenbildung über Hemmung der Ausgewählte Literatur
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157 7

Invasive Beatmung
W. Zink

7.1 Grundlagen – 158

7.2 Beatmungsformen – 162

7.3 Beispiele für Beatmungsformen – 163

7.4 Additive Maßnahmen – 171

7.5 In Entwicklung befindliche neuere Beatmungsmodi


und -konzepte – 179

7.6 Lungenersatzverfahren – 184

7.7 Weaning – 187

Ausgewählte Literatur – 191

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
158 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

7.1 Grundlagen tion der Alveolaroberfläche im Rahmen von


Lungenteilresektionen oder Pneumektomien
7.1.1 Indikationen für maschinelle 4 infolge von Perfusionsstörungen
Beatmung 4 infolge anatomischer oder funktioneller intra-
pulmonaler Rechts-links-Shunts (VA/Q o 0),
Hypoventilation Lungenembolie (VA/Q o ∞) oder kardialem
4 Hypoventilation bei Störungen von Atem- Pumpversagen
antrieb oder Atemmechanik o Versagen der
»Atempumpe« oder »Pumpschwäche« mit
konsekutiver Hypoxämie bei normaler alveo- 7.1.2 Innsbrucker Stufenschema
loarterieller O2-Partialdruckdifferenz (AaDO2)
4 anfangs charakteristischerweise Normokapnie Unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden
oder Hypokapnie (= partielle respiratorische Atemstörung und dessen Grad kommen verschie-
Insuffizienz), später dann Hyperkapnie bei dene Atemhilfen zum Einsatz, welche nach dem
globaler respiratorischer Insuffizienz Innsbrucker Stufenschema in 3 Sektoren (A–C)
7 eingeteilt werden. Sektor B gliedert sich wiederum
jUrsachen in verschiedene Teilschritte:
Die Ursachen des »Pumpversagens« können zentral
oder peripher bedingt sein: Sektor A (Physiotherapie)
4 medikamentöse Depression des Atem-
> Die Basis aller Atemhilfen ist die mehrmals täg-
zentrums, z. B. durch Opioide, Barbiturate
lich durchgeführte, intensive Physiotherapie.
4 zerebrale Schädigungen, z. B. Trauma,
Tumor, Infektion
4 peripher bedingte Ventilationsstörungen Sektor B
4 neuromuskuläre Störungen wie Lähmung des 4 STEP 1 (Spontan-CPAP): Steht bei erhaltener
N. phrenicus, hohe Querschnittslähmung, Spontanatmung eine Oxygenierungsstörung
Guillain-Barré-Syndrom, »critical illness poly- im Mittelpunkt der respiratorischen Insuffi-
neuropathy« (CIP), »critical illness myopathy« zienz, so kommen Atemhilfen ohne mecha-
(CIM) oder Muskelrelaxanzienüberhang nische Ventilationshilfe zur Anwendung, wie
4 Muskelerkrankungen und -schwächen wie Po- z. B. die »continuous-positive-airway-
lymyositis, Myasthenia gravis, Muskelatrophie pressure«-Therapie (CPAP).
und Dyskoordination der Atemmuskulatur 4 STEP 2 (mechanische Ventilationshilfe): Ist die
4 Störungen der Atemmechanik bei obstruktiven Spontanatmung hingegen in ihrer Effektivität
oder restriktiven Ventilationsstörungen mit eingeschränkt, sind Atemhilfen mit mecha-
Erhöhung der zu leistenden Atemarbeit nischer Ventilationshilfe anzuwenden wie z. B.
4 schmerzbedingte Hypoventilation insbesonde- »assisted spontanuous breathing« (ASB) oder
re nach Oberbaucheingriffen oder lateralen BIPAP.
Thorakotomien 4 STEP 3 (kontrollierte Beatmung): Handelt es
sich um eine ausgeprägte Oxygenierungsstö-
Gasaustauschstörungen rung oder ein respiratorisches Pumpversagen,
Aufgrund von Erkrankungen des Lungenparen- so sollte auf kontrollierte Beatmungsformen
chyms: mit Anwendung eines endexspiratorischen po-
4 mit pathologischem Ventilations-Perfusions- sitiven Drucks übergegangen werden.
Verhältnis und Ausbildung eines intrapulmo- 4 STEP 4 (Änderung des Atemzeitverhältnisses):
nalen Rechts-links-Shunts Eine weitere Steigerung der Invasivität der
4 mit einer alveolo-kapillären Diffusions- Atemhilfen stellt die Veränderung des Atem-
störung, bedingt durch chronisch interstitielle, zeitverhältnisses zugunsten der Inspirations-
inflammatorische Prozesse oder durch Reduk- zeit dar.
7.1 · Grundlagen
159 7
Sektor C (additive Maßnahmen) 7.1.4 Einige Grundbegriffe
Ist mit den vorangegangenen Atemhilfen eine ad- der Beatmung
äquate Oxygenierung nicht erreichbar, sollten addi-
tive Maßnahmen wie z. B. die etablierte kinetische Resistance (Atemwegswiderstand)
Therapie und die teils noch experimentellen Ver- 4 bei laminarer Strömung (Normalwert:
fahren wie NO-Beatmung oder Prostazyklinverne- 2–4 mbar/l/s für Erwachsene):
belung zusätzlich durchgeführt werden.
pTubus − p Alveole
R=
V

7.1.3 Nachteile der maschinellen 5 pTubus: Druck am Tubus


Beatmung 5 pAlveole: Druck in der Alveole
 Flow
5 V:
4 Erhöhung des intrathorakalen Drucks mit
> Bei hoher (turbulenter) Strömung steigt der
sekundärer Beeinflussung der Hämodynamik
Atemwegswiderstand mit dem Quadrat der
o kardiale Füllung p
Strömung an.
4 Beeinflussung der Nierenfunktion mit Gefahr
der Hyperhydratation (renaler Blutfluss RBF p 4 inspiratorische Resistance:
bei Anstieg des renalen Venendruckes und Ab-
p max − p Plat.
fall des arteriellen Perfusionsdrucks, Stimula- R AW =

V
tion des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys-
tems, atrialer natriuretischer Faktor (ANF) p, 5 pmax: Beatmungsspitzendruck
erhöhte ADH-Plasmaspiegel) 5 pPlat.: Plateaudruck
4 Überdruckschädigung der Lunge (Baro- 5  inspiratorischer Flow (l/s)
V:
trauma) durch hohe Atemwegspitzendrücke 5 Normalwert für den intubierten erwach-
(PIP) o Pneumothoraxgefahr senen Patienten: 4–6 mbar/l/s
4 Beeinflussung der mukoziliaren Clearance-
funktion mit der Gefahr des distalen Sekret- Beatmungsdruck
verhaltes mit konsekutiven Obstruktions- 1 
Δp = VT × +V × R
atelektasen und Pneumoniegefahr C
4 erhöhtes Pneumonierisiko in Abhängigkeit
von der Beatmungsdauer o Konkret bedeutet dies, dass der Beatmungsdruck
5 <24 h: 5,5 % bei Erhöhung des Atemzugvolumens (VT), bei Zu-
5 >24 h: 26,6 %  z. B. bei vo-
nahme des inspiratorischen Flows ( V)
5 >10 Tage: >80 % (50 % der Pneumonien ent- lumenkontrollierter Beatmung oder bei Zunahme
wickeln sich in den ersten 4 Tagen!) des Atemwegwiderstandes (R) sowie bei Abnahme
4 negative Beeinflussung der Splanchnikus- der Compliance (C) ansteigt.
perfusion
4 Schädigung des Surfactants durch »shear stress Compliance (C)
trauma« (= Volutrauma) sowie Induktion der ΔV (ml)
O2-Radikalenbildung und Mediatorenfreiset- C=
Δp (mbar oder cm H 2O)
zung durch Mechanotransduktion

Statische Compliance
exsp.VT
Cstat =
p Plat − PEEP

Normalwert für den erwachsenen Patienten:


80–100 ml/cmH2O
160 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

> Zur Berechnung der statischen Compliance


müssen In- und Exspirationsventile nach der
Inspiration für 2–3 s geschlossen werden.
Voraussetzung: völlig erschlaffte Atemmus-
kulatur und Flow = 0.

Dynamische Compliance
VT
CDyn =
PPeak − PEEP

Klinischer Nutzen eher gering, da im Wert neben


den elastischen Kräften auch die restitiven Kompo-
nenten (Tubus-, Bronchuswiderstand) eingehen!

Effektive Compliance . Abb. 7.1 Pulmonale Druck-Volumen-Kurve


7 4 Messung im Respirator (inklusive der Com-
pliance der Beatmungsschläuche und Beat- 5 Aspiration
mungssystem) o nur als Verlaufsparameter 5 Zwerchfellhochstand, z. B. bei ausgeprägtem
sinnvoll Meteorismus, Zustand nach Oberbauchein-
4 Die »innere Compliance« liegt je nach Beat- griff, Pleuraerguss, Hämato(pneumo)thorax
mungsschlauchart zwischen 0,5 und 3,0 ml/
mbar, d. h. es müssen 0,3–3 ml Volumen pro Zeitkonstante (τ)
mbar inspiratorischer Druck von dem inspira- 4 τ=R×C
torischen AMV abgezogen werden! 5 R: Resistance (cmH2O/l/s)
5 C: Compliance (l/cmH2O)
Spezifische Compliance 4 Zeit, in der die Alveole eine 63 %ige Änderung
4 Compliance bezogen auf das aktuelle Lungen- ihres Volumens erfährt
volumen o Berücksichtigung der Abhängig- 5 3-mal Zeitkonstante: 95 %ige Füllung bzw.
keit der Compliance von der FRC Entleerung der Alveole in dieser Zeit
5 7-mal Zeitkonstante: 99,9 %ige Füllung bzw.
> Die spezifische Compliance ist alters-
Entleerung der Alveole in dieser Zeit
unabhängig und somit beim Säugling und
4 Normalwert für gesunde Lunge: 0,2 s
Erwachsenen gleich!
4 bei COPD: 0,9 s

Lungen-Compliance Inflection points


VT 4 entsprechen den Übergangspunkten vom
CLunge =
p AW − p Pleura flachen in den steilen Teil der Druck-Volu-
men-Kurve der Lunge (»lower inflection
4 Abnahme der Compliance o Atemarbeit n bei point«) oder vom steilen in den flachen oberen
gleicher alveolärer Ventilation o chronische Abschnitt des Kurvenverlaufs (»upper inflec-
Ermüdung der Atemmuskulatur; Störung des tion point«) (. Abb. 7.1)
Ventilations-Perfusions-Verhältnisses. 4 Kurvenverlauf links vom unteren »inflection
4 Reduktion der Compliance durch point« o niedrige Compliance
5 ARDS 4 Die Druck-Volumen-Kurve der ARDS-Lunge
5 Pneumonie (interstitielle, alveoläre) wird im Rahmen der Erkrankung nach rechts
5 Lungenfibrose (bei Kollagenosen, verschoben und ist durch einen deutlich fla-
Sarkoidose, chronischen Alveolitiden) cheren Kurvenverlauf bzw. eine geringere
5 Lungenödem Compliance gekennzeichnet.
7.1 · Grundlagen
161 7
4 Registrierung der statischen Druck-Volumen- arterio-venöse Druckdifferenz p o GFR p o
Kurve am sedierten und relaxierten Patienten Na+- und Wasserretention o intravasales
5 nach der Super-Syringe-Methode (Appli- Volumen n o Gefahr des interstitiellen Lun-
kation von Atemzugvolumina in 200-ml- genödems n)
Schritten mit anschließender Pause von 4 Beeinträchtigung der LVF durch interventriku-
2–3 min bis zu einem Beatmungsdruck von läre Septumdeviation o Koronarperfusion p
ca. 40 cmH2O oder einem Gesamtvolumen 4 Erhöhung des intrapulmonalen Drucks mit
von 25 ml/kg KG) Anstieg der rechtsventrikulären Nachlast und
5 durch Registrierung der inspiratorischen Kompression der Kapillaren von ventilierten
Plateaudrücke nach Applikation verschie- Alveolen o PAP n
den großer Atemzugvolumina 4 Abnahme der Compliance und Überdehnung
der alveolokapillären Membran bei zu hohem
PEEP PEEP-Niveau
4 PEEP = »positive endexspiratory pressure« 4 PEEP o ADH n, Renin n o Wasserretention
4 Leberfunktionsstörung infolge venöser
jVorteile Abflussbehinderung
4 Vergrößerung der funktionellen Residualkapa- 4 intrakranieller Druck n durch Behinderung
zität (FRC n) o Vergrößerung der Gasaus- des venösen Abstroms
tauschfläche und Verbesserung des Ventila- 4 Anstieg des extravaskulären Lungenwassers bei
tions-Perfusions-Verhältnisses o Abnahme des hohem PEEP-Niveau infolge einer Störung der
intrapulmonalen Rechts-links-Shunts o paO2 n Lymphdrainage via Ductus thoracicus sowie
4 Aufhebung intermittierender Bronchial- pleuralen und mediastinalen Lymphgefäßen
verschlüsse 4 PCWP n (Korrelation zu LVEDP wird ver-
4 Verhinderung oder Auflösung von Atelektasen schlechtert, besonders ab PEEP-Niveau
4 Verlagerung der Atemschleife in den steilen >10 cmH2O!)
Teil der Druck-Volumen-Kurve der Lunge in-
folge Erhöhung der FRC o Compliance n o Optimaler PEEP
Atemarbeit p 4 Best-PEEP-Konzept nach Suter, Gallagher bzw.
4 »Verdrängung« von interstitiell eingelagertem Murray
Wasser und Reduktion eines intraalveolären 4 Beatmungskonzept bei ARDS 7 Kap. 23
Ödems 4 Patienten mit initial erhöhter FRC ohne PEEP
4 Vermeidung von sekundären Lungenschä- und Lungenemphysem profitieren nicht von
den infolge permanenten Recruitments/De- einer PEEP-Erhöhung über das physiologische
Recruitments, da der Atemzyklus aufgrund der Maß hinaus, da es hierunter zu einem starken
PEEP-Anwendung oberhalb des unteren »in- Abfall von HZV und O2-Angebot kommt.
flection point« stattfindet o geringere Auswa- 4 Patienten mit einer reduzierten FRC infolge
schung von Surfactant, verminderte Schädi- ausgeprägten Alveolarkollapses profitieren von
gung der alveolokapillären Basalmembran so- der Anwendung eines positiven endexspirato-
wie verminderte Sekretion von proinflamma- rischen Drucks.
torischen Zytokinen
Intrinsic-PEEP (Auto-PEEP)
jNachteile 4 Endogener PEEP, der bei Lungenerkrankungen
4 Gefahr des Barotraumas bei hohem PEEP- mit vorwiegend obstruktiver Komponente
Niveau oder bei mechanischer Ventilation mit verlän-
4 intrathorakaler Mitteldruck n o venöser gerter Inspirationszeit vorwiegend in Lungen-
Rückstrom p o HZV p arealen mit langer Zeitkonstante auftritt.
4 renale Funktion p (V.-cava-Druck n o 4 Die Höhe des Intrinsic-PEEP sowie das korre-
venöser Rückstrom p o renaler Abfluss p o spondierende »airtrapped volume« können mit
162 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

. Abb. 7.2 Druck- und Flowverlauf bei der Intrinsic-PEEP-Messung

modernen Respiratoren durch die Okklusions-


methode gemessen werden (. Abb. 7.2) o
während einer kompletten maschinellen Inspi-
rationsphase werden In- als auch Exspirations-
ventil geschlossen und der leicht ansteigende
Druckverlauf von Respirator registriert o
Wert am Ende der Verschlusszeit ist der
Gesamt-PEEP (= effektiver PEEP).
4 Gesamt-PEEP minus am Beatmungsgerät ein-
gestellter PEEP = Intrinsic-PEEP.
4 Die Ausbildung eines Intrinsic- oder Auto-
PEEP unter mechanischer Beatmung kann bei
Verwendung eines Bildschirms anhand einer . Abb. 7.3 Intrinsic-PEEP bei volumenkontrollierter Beat-
mung eines COPD-Patienten
veränderten Flow-Zeit-Kurve erkannt werden
(. Abb. 7.3).

4 die Höhe des Patientenatemanteils (kontrol-


7.2 Beatmungsformen lierte, mandatorische, augmentierende und
spontane Beatmungsformen)
Diese werden charakterisiert durch:
4 den zeitlichen Verlauf von Fluss, Volumen und
Druck (druck-, volumenkontrolliert) 7.2.1 Atemzyklus
4 das Verhältnis von In- zu Exspiration (z. B.
»Inverse Ratio«-Ventilation oder verlängerte 4 Zeitdauer von Beginn einer Inspiration bis
Exspiration) zum Ende der anschließenden Exspiration
7.3 · Beispiele für Beatmungsformen
163 7
4 Aufteilung in Inspirationszeit mit inspiratori- jNebenwirkungen
scher Fluss- und Pausenphase sowie in Exspi- 4 der mittlere Atemwegsdruck wird nach oben
rationszeit mit Flussphase verschoben o venöser Rückstrom zum Herz p
4 das Verhältnis von In- zu Exspiration wird als o ggf. RR p und HZV p
Atemzeitverhältnis bezeichnet (normalerwei- 4 hohe Perspiratio insensibilis durch Zufuhr
se 1:1,7 bis 1:2) kalter, trockener Frischgase, zusätzlich Gefahr
der Auskühlung
4 Gefahr des Barotraumas und Überdehnung
7.2.2 Beatmungsmuster
der Alveole bei Anwendung hoher PEEP-
Niveaus
Das Beatmungsmuster beschreibt den zeitlichen
4 hoher Gasverbrauch bei Continuous-flow-
Ablauf eines einzelnen Atemzyklus.
Systemen
4 Aerophagie (Übelkeit, Meteorismus etc.) o
7.3 Beispiele für Beatmungsformen ggf. Magensonde legen
4 CPAP-Applikation muss immer über ein dicht
7.3.1 Spontan-CPAP (»continuous sitzendes System erfolgen, was vom Patienten
positive airway pressure«) gelegentlich als beängstigend empfunden wird.
Außerdem können Hautläsionen im Bereich
4 Bei der CPAP-Therapie atmet der Patient der Maske entstehen
spontan auf einem bestimmten Druckniveau
o während des Atemzyklus wird ein konti- CPAP-Systeme
nuierlicher positiver Druck (meist 5–10 mbar) Es werden zwei große Gruppen unterschieden:
in den Luftwegen aufrechterhalten. Demand-flow-CPAP und Continuous-flow-CPAP.
4 Normalerweise ist der intraalveoläre Druck bei 4 Beim Demand-System muss der Patient
Spontanatmung Respiratorventile antriggern, um den Flow zu
5 bei Inspiration immer negativ aktivieren.
5 bei Exspiration null bis leicht positiv 4 Beim Continuous-System (früher CPAP-
Ballon, heute FDF-Gerät) wird der Flow konti-
CPAP-Effekte nuierlich generiert.
4 Anhebung der Atemmittellage mit Verhinde- 4 CPAP muss ohne Leckage appliziert werden
rung eines vorzeitigen Alveolenkollaps bei der (Überprüfung der Maskendichtigkeit).
Exspiration 4 Einstellung eines adäquat hohen Frischgas-
4 ggf. Eröffnung von verlegten Luftwegen (pro- flows: Während der Inspiration erreicht der
phylaktische und therapeutische Wirkung auf Spitzenfluss eines normal atmenden Patienten
Atelektasen) Werte von 30–50 l/min. Bei forcierter Einat-
4 Erhöhung der funktionellen Residualkapazität mung werden Werte von 100 l/min und mehr
(FRC; »Luft- und O2-Puffer«, der bei normaler erreicht. Der Flowgenerator sollte diesen Fluss
Exspiration in der Lunge verbleibt) liefern, da sonst – auch bei Existenz eines Re-
4 Verbesserung der Lungencompliance servoirbeutels – der positive Druck im System
4 Abnahme des intrapulmonalen Rechts-links- absinken kann o ca. 40–50 l/min am CPAP-
Shunts Gerät einstellen; der O2-Gehalt kann beim
4 Abnahme der inspiratorischen Atemarbeit FDF-Gerät durch Mischen von Druckluft und
4 Abnahme der Atemfrequenz bei gleichzeitiger Sauerstoff reguliert werden.
Zunahme des Zugvolumens und Verlängerung 4 Die Höhe des CPAP-Niveaus muss individuell
der Exspirationszeit bestimmt werden:
4 Abnahme des Atemminutenvolumens (AMV) 5 5 cmH2O gilt als unterste Grenze mit thera-
o paCO2 bleibt dennoch konstant, da die Tot- peutischer Wirkung
raumventilation ebenfalls abnimmt 5 empfohlenes PEEP-Niveau: 7–10 cmH2O
164 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

5 10 cmH2O werden von vielen Patienten 7.3.4 SIMV


bereits schlecht toleriert
5 15 cmH2O sind nur ausnahmsweise anzu- 4 SIMV = »synchronized intermittent manda-
wenden tory ventilation«
4 Vorgabe einer SIMV-Frequenz (≈6–8/min),
Besonderheiten der CPAP-Therapie eines Atemzugvolumens (≈500 ml) bei volu-
bei Kindern menkontrolliertem Modus oder eines oberen
4 Nach Extubation ist es bei Säuglingen und Druckniveaus (≈20–25 mbar) unter druck-
Kleinkindern manchmal sehr hilfreich, einen kontrollierter Form sowie einer Druckunter-
kontinuierlichen positiven Druck in den Luft- stützung während der Spontanatmung
wegen aufrechtzuerhalten o Rachen-CPAP (≈5–20 mbar) und einer Triggerschwelle, die
über nasal eingeführten Tubus (s. u.), der in der Patient zur Auslösung der Druckunter-
der Regel gut toleriert wird. stützung überwinden muss.
4 CPAP-Masken sind außerdem erst für größere 4 Zwischen den maschinellen Beatmungshüben
Kinder verfügbar. kann der Patient spontan atmen.
7 4 Durchführung:
5 Nötige Tubuslänge bestimmen (≈ Distanz
Nasenloch – Ohransatz), Tubus mit Lido- 7.3.5 MMV
cain-Gel einreiben und unter angeschlos-
senem Flow in ein Nasenloch einführen 4 MMV = »mandatory minute ventilation«
und fixieren. 4 Garantiert ein voreingestelltes Atemminuten-
5 Einstellung des Continuous-flow-Systems volumen und vergleicht es intermittierend mit
(FDF-Gerät): Flow ca. 10 l/min, CPAP- dem vom Patienten geleisteten Atemminuten-
Niveau ca. 5 cmH2O, ggf. Anwärmen der Luft volumen.
mit Hilfe der Heizung des Beatmungsgerätes, 4 Bei ausreichender Spontanatmung wird auf
um Auskühlen zu verhindern. eine maschinelle Unterstützung ganz verzich-
tet; bei Unterschreiten des Atemmindestvolu-
mens werden solange eingestellte Atemhübe
7.3.2 Nichtinvasive Überdruck- über das Atemgerät appliziert, bis das vorgege-
beatmung (NIPPV) bene MMV erreicht wird.
4 Beachte: eine Hechelatmung (hohe Frequenz
7 Kap. 8. bei kleinem Atemvolumen und somit erhöhter
Totraumventilation) wird nicht registriert!

7.3.3 SIMV, MMV, IMV


7.3.6 ASB bzw. PSV
4 Diese Beatmungsformen gewährleisten ein
Atemmindestvolumen, das durch die Spontan- 4 ASB = »assisted spontaneous breathing«
atmung des Patienten (meist unter Druck- 4 PSV = »pressure support ventilation«
unterstützung von >5 mbar) noch gesteigert 4 Meist angewandte Beatmungsform im Rahmen
werden kann. der Spontanisierung, deren Grundprinzip 1962
4 Die kontrollierten Beatmungszyklen werden von Taylor entwickelt wurde.
synchronisiert (z. B. SIMV) oder asynchron 4 Nach Antriggerung des Gerätes erfolgt bis zum
(z. B. IMV) bzw. druck- oder volumenkontrol- Erreichen des eingestellten Druckniveaus eine
liert ausgeführt (SIMV-PC oder SIMV-VC). inspiratorische Gasströmung (≈30–60 l/min).
4 Die Flowform ist dezelerierend (. Abb. 7.4).
4 Die passive Exspiration erfolgt bei einem
Flowabfall von 75 % des Spitzenflusses, bei
7.3 · Beispiele für Beatmungsformen
165 7

. Abb. 7.5 Druck- und Flowkurve bei volumenkontrol-


lierter Beatmung

. Abb. 7.4 Druck- und Flowkurve bei »assisted spontane-


ous breathing« (ASB)

Gegenatmen des Patienten (Flow <0) oder


spätestens nach 4 s.
4 Die Dauer der Inspiration ist abhängig von der
inspiratorischen Atemarbeit, die vom Patienten
erbracht wird.
4 Voraussetzung zur Anwendung dieser Beat-
mungsform: intakte zentrale Atmungsregula-
tion und neuromuskuläre Steuerung der
respiratorischen Muskulatur.
4 Ist die inspiratorische Gasströmung des Ge-
rätes kleiner als der spontane Gasfluss des
Patienten, kann Dyspnoe entstehen o Steue-
rung am besten über das Messverfahren P0,1. . Abb. 7.6 Druck- und Flowkurve bei druckkontrollierter
4 Bei COPD-Patienten sollte ein hoher inspirato- Beatmung
rischer Flow (ca. 100 l/min) angewandt werden,
da hierdurch der Gasaustausch infolge verlän- VCV
gerter Exspiration verbessert werden kann. 4 VCV = »volume controlled ventilation«
4 volumenkontrolliert (ggf. druckreguliert) mit
konstantem Flow (. Abb. 7.5)
7.3.7 CMV
PCV
4 CMV = »continuous mandatory ventilation« 4 PCV = »pressure controlled ventilation«,
4 Synonym: IPPV = »intermittent positive druckkontrollierte Beatmung
pressure ventilation« 4 druckkontrollierte Beatmung mit dezelerie-
4 bei Anwendung von PEEP wird aus IPPV o rendem Flow (. Abb. 7.6)
CPPV (»continuous positive pressure venti- 4 Einstellung eines oberen Druckniveaus,
lation«) der Atemfrequenz, des Atemzeitverhältnis-
166 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

. Abb. 7.7 Flow-Zeit-Kurven

. Abb. 7.8 Druckkurve von BIPAP als Kombination von Spontanatmung und druckkontrollierter Beatmung

ses o der Beatmungsspitzendruck sollte mög- 7.3.8 BIPAP


lichst <30–35 cmH2O betragen (. Abb. 7.7)
4 das Atemzugvolumen ergibt sich als sog. 4 BIPAP = »biphasic positive airway pressure«
Freiheitsgrad aus der Compliance der Lunge 4 1989 von Baum und Benzer aus Innsbruck in
und Faktoren wie Patientenlagerung, »Bauch- die klinische Praxis eingeführte Beatmungs-
binde« etc. form (. Abb. 7.8)
4 geringere Gefahr des Barotraumas 4 Kombination aus zeitgesteuerter, druckkon-
4 jedes Kompartiment füllt sich gemäß seiner trollierter Beatmung und Spontanatmung,
bestimmten Zeitkonstante meist mit Druckunterstützung auf dem
unterem Druckniveau (BIPAP/ASB bei Respi-
ratoren wie z. B. Evita 4)
4 Respirator wechselt zwischen zwei Druck-
niveaus, was einer druckkontrollierten Beat-
mung entspricht
7.3 · Beispiele für Beatmungsformen
167 7
4 Spontanatmung meist auf dem unteren Druck- IRV
niveau beginnend, jedoch zu jedem Zeitpunkt 4 IRV = »inverse(d) ratio ventilation«
des Atemzyklus möglich 4 I:E ≥1:1
4 nach dem Anteil der Atemarbeit, welche vom 4 Verlängerung der Inspirationszeit (bis zum
Patienten erbracht wird, werden 4 verschie- 4-fachen der Exspirationszeit) o auch Kom-
dene Formen der BIPAP-Beatmung unter- partimente mit großer Zeitkonstante (= R × C)
schieden: füllen sich
5 CMV-BIPAP: keine Spontanatmung, reine
druckkontrollierte Beatmung jVorteile
5 IMV-BIPAP: Spontanatmung auf dem 4 Aufgrund der Ausbildung eines regional
unteren Druckniveau unterschiedlichen Intrinsic-PEEP wird
5 genuiner BIPAP: Spontanatmung auf beiden ein endexspiratorischer Alveolarkollaps
Druckniveaus verhindert
5 CPAP: oberes Druckniveau wurde konti- 4 inspiratorische Füllung von Alveolarkomparti-
nuierlich dem unterem Druckniveau ange- menten mit langsamer Zeitkonstante
passt 4 Erhaltung der Surfactantfunktion o Vergrö-
ßerung der FRC durch alveoläres Recruitment
o Verschiebung des Atemzyklus in einen
7.3.9 APRV günstigeren Druck-Volumen-Bereich
4 Abnahme des intrapulmonalen Rechts-
4 APRV =»airway pressure release ventilation« links-Shunts durch Verbesserung des V/Q-
4 1987 von Downs und Stock vorgestellte Verhältnisses
Beatmungsform 4 längere Kontaktzeiten zwischen frischem
4 Spontanatmung mit hohem CPAP-Niveau (20– Alveolargas und Kapillarblut
30 cmH2O) und kurzzeitige (10- bis 15-mal/
min) Absenkung des oberen Druckniveaus auf jNachteile
ein niedrigeres Niveau für die Dauer von ca. 4 arterielle Hypotonie durch Abnahme der Vor-
1–2 s o Absenken des Beatmungsdruckes auf last (ausgeprägt bei intravasaler Hypovolämie)
das untere Niveau entspricht einer kurzen 4 Zunahme der rechtsventrikulären Nachlast
Exspiration, wobei die exspiratorischen Atem- aufgrund eines Anstiegs des Beatmungsmittel-
zugvolumina bis zu 2,0 l betragen können. drucks
4 Bei Wegfall der Spontanatmung stellt APRV 4 Gefahr des pulmonalen Barotraumas infolge
eine druckkontrollierte Beatmungsform mit der kürzeren Exspirationszeit mit konsekuti-
umgekehrtem Atemzeitverhältnis dar vem »air-trapping« und Ausbildung eines
(= BIPAP mit IRV). Intrinsic-PEEP, besonders bei einer volumen-
kontrollierten IRV
jVorteile 4 Bestimmung der Höhe des intrinsischen PEEP
4 Reduktion des pulmonalen Shunt-Anteils bei mit automatischen Messmanövern
gleichzeitig geringerer Totraumventilation 4 Notwendigkeit einer tiefen Analgo-
unter APRV im Vergleich zur SIMV- Sedierung
Beatmung
4 höherer paO2, geringerer pulmonaler Shunt
und ein um 30 % geringerer Atemwegspit- 7.3.10 Hochfrequenzbeatmung (HFV)
zendruck unter APRV im Vergleich zur
volumenkontrollierten »inverse ratio venti- jDefinition
lation« Die HFV ist die Beatmungsform, bei der die Atem-
4 Kontraindikation für eine APRV-Beatmung: frequenz >60/min (1 Hz) und das Atemzugvolumen
obstruktive Ventilationsstörung ca. 2–3 ml/kg KG (≤Totraumgröße) beträgt.
168 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

jIndikationen hung des mittleren intrapulmonalen Drucks


4 intraoperativ bei z. B. Trachearesektionen, und Erhöhung der FRC bzw. des durchschnitt-
Tracheomalazien, bei laryngoskopischen Ein- lichen intrapulmonalen Gasvolumens!
griffen
4 bei Bestrahlung von Lungentumoren zur Einteilung der Hochfrequenz-Ventilation
»Lungenruhigstellung« 4 Hochfrequenz-Überdruckbeatmung
4 bei bronchopleuralen oder tracheoösopha- (HFPPV) mit 60–120/min
gealen Fisteln 4 Hochfrequenz-Jet-Beatmung (HFJV) mit
4 zur Sekretmobilisation und zum Lösen von 120–900/min o mittlere Beatmungsdrücke
Resorptionsatelektasen während HFJV sollten denen während
4 zur Notfallbeatmung bei Intubationsproblemen konventioneller mechanischer Beatmung
(z. B. über spezielle Kanüle nach Ravussin) entsprechen o bessere Oxygenierung. HFJV
4 pädiatrisches Beatmungskonzept (bei IRDS) ist gekennzeichnet durch: offenes System,
hohen Gasfluss (10–30 l/min), kleine Tidal-
jVorteile volumina, breiten Frequenzbereich, aktive In-
7 4 kleines VT und geringere Thoraxexkursion und passive Exspiration, koaxiale Gasflüsse in
4 Ventilation über das Operationsgebiet hinweg den Atemwegen, Einbeziehung der Umge-
möglich (z. B. beim Anlegen von trachealen bungsluft aufgrund des Venturi-Effektes
Anastomosen) (Entrainment)
4 geringere Beeinträchtigung der Hämodynamik 4 Hochfrequenz-Oszillation (HFOV) mit 600–
o Verbesserung des HZV mit Blutdruckan- 3000/min o Exspiration erfolgt ebenfalls im
stieg Unterschied zu allen anderen HF-Formen aktiv
4 intrakranielle Drucksenkung im Vergleich zur
Überdruckbeatmung
Formen der HF-Beatmung
4 wirksamere pulmonale Gasverteilung
VT–Angaben gelten für den normalgewichti-
4 positiver intratrachealer und negativer pleu-
gen Erwachsenen; Angabe durchschnittlicher
raler Druck während des gesamten Atemzyklus
Ventilationsfrequenzen (. Abb. 7.9).
4 dezelerierender Inspirationsfluss ohne endex-
5 HFPPV (»high frequency positive pressure
spiratorisches Plateau
ventilation«
– konventionelle Beatmung mit hoher Fre-
jNachteile
quenz (60–120/min) und niedrigen VT
4 zum Teil schwierige technische Handhabung
(150–250 ml)
4 eingeschränktes Monitoring (AMV, Beat-
5 HFJV (»high frequency jet ventilation«)
mungsdrücke, inspiratorische O2-Konzentra-
– Einleitung eines schmalen Gasstrahls mit
tion) o obligate Pulsoxymetrie + intraopera-
hohem Druck
tive BGA
– Frequenz: 120–300/min
4 eingeschränkte Vorhersagbarkeit der Beat-
– VT: 150–250 ml
mungseffektivität
5 HFP (Hochfrequenz-Pulsation) o HFJV
4 keine Atemgasklimatisierung oder Möglichkeit
(. Abb. 7.20)
zur Applikation von Inhalationsanästhetika
5 HFJO (Hochfrequenz-Jet-Oszillation)
! Auskühlung, postnarkotisches Kältezittern, – über Kolbenpumpe werden sinusartige
nekrotisierende Tracheobronchitis! Druckschwankungen in die Trachea
geleitet
4 Gefahr des Barotraumas bei Obstruktion des
– Frischgasflow wird quer zur Richtung
Gasabflussweges!
eingeleitet.
4 Der positive Effekt auf die Oxygenierung
während der HF-Beatmung beruht auf einer 6
Generierung eines Intrinsic-PEEP, der Erhö-
7.3 · Beispiele für Beatmungsformen
169 7

. Abb. 7.9 Schematische Darstellung der unterschiedlichen Hochfrequenzbeatmungssysteme

– Frequenz: bis 700/min


– VT: 70–150 ml
5 FDV (forcierte Dilutionsventilation)
– Frequenz: 500–1800/min
– VT: 30–50 ml
5 HFOV (Hochfrequenz-Oszillationsventilation)
– Frequenz: 600–3.000/min
– VT: 60–150 ml
5 Sonderform: SHFJV (superponierte Hoch-
frequenz-Jet-Ventilation mit simultaner
Applikation einer nieder- und einer hoch-
frequenten Gasapplikation)

. Abb. 7.10 Normogramm zur Ermittlung des pCO2


170 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

Verbesserung der CO2-Elimination 7.3.11 Seitendifferente Beatmung


unter HF-Beatmung (DLV)
4 Senkung der Beatmungsfrequenz (optima-
ler Bereich der Frequenz: 90–150/min jIndikationen
[1,5–2,5 Hz]) bei hoher Frequenz 4 Unilaterale Lungenprozesse wie z. B. seiten-
4 Erhöhung des Betriebsdrucks (normal: 1,5– betontes ARDS, Lungenveränderungen mit
2 bar beim englumigen Jet-Katheter und 0,5 bar seitendifferenter Compliance oder Resistenz,
beim starren Bronchoskop) Lungenabszess, Bronchiektasien etc.
4 Verlängerung der Inspirationszeit (maximal 4 große bronchopulmonale Fisteln, z. B. bei
50 %) Barotrauma im Rahmen des ARDS o
Blähung der mazerierten Lunge mit einem
Die CO2-Eliminationskapazität des Patienten kann Druck, der kleiner als der Fistelöffnungsdruck
anhand eines CO2-Eliminationskoeffizienten ist
(ECCO2) eingeschätzt werden und beträgt durch-
schnittlich ca. 0,79. Werte unter 0,63 signalisieren Beatmung mit Hilfe von:
7 eine erschwerte individuelle CO2-Elimination: 4 zwei unabhängig voneinander arbeitenden
75 Respiratoren (asynchron) oder
ECCO2 = 4 zwei miteinander gekoppelten Respiratoren
DP (atm) × pCO 2 (mmHg)
(synchrones »Master-and-slave-Prinzip«)
4 DP = Arbeitsdruck oder
4 pCO2 = arteriell oder transkutan gemessener 4 einem konventionellem Respirator und ein
Kohlendioxidpartialdruck Hochfrequenzbeatmungsgerät oder
4 einem konventionellen Respirator und einem
Hieraus kann der zur Erreichung eines bestimmten »Continuous-flow«-CPAP-System
pCO2 notwendige Arbeitsdruck ermittelt werden:
! Anwendung gleicher Zugvolumina mit
75
DP (atm) = unterschiedlicher PEEP-Applikation, welche
pCO 2 (mmHg) × ECCO 2 synchron oder asynchron appliziert werden
können.
Anders ausgedrückt: um einen normalen pCO2 von
37,5 mmHg zu erreichen, muss der Arbeitsdruck
wie folgt betragen: 7.3.12 Atemunterstützung
2 mit konstantem Flow
DP (atm) =
ECCO2
4 apnoische Oxygenierung (7 Kap. 36)
Der zur Normokapnie notwendige Arbeitsdruck 4 tracheale O2-Insufflation (TRIO)
kann bei errechnetem CO2-Eliminationskoeffizen- 5 kontinuierlich O2-Insufflation von 2 l/min
ten aus dem Normogramm (. Abb. 7.10) auch di- ≈1 cm oberhalb der Karina
rekt ermittelt werden. 5 Indikation: schwierige Intubation, massive
Verlegung der oberen Luftwege (o Punk-
Verbesserung der Oxygenierung tion der Membrana cricothyreoidea und
4 Verlängerung der Inspirationszeit in kleinen darüber Einlegen der O2-Sonde)
Schritten (bis maximal 50 %) 4 »constant flow ventilation (CFV): ähnlich wie
4 Erhöhung der FiO2 TRIO, jedoch O2-Gabe über 2 getrennte
Sonden in jeden Hauptbronchus mit einem
hohem Flow von 1 l/kg/min o Jet-Effekt und
Gastransport infolge Turbulenzen, kardiale
Oszillationen und kollaterale Ventilation
7.4 · Additive Maßnahmen
171 7
7.4 Additive Maßnahmen > Grundsätzlich ist für alle Lagerungsmaß-
nahmen notwendig, dass das gesamte Team
7.4.1 Kinetische Therapie der an der Behandlung Beteiligten die Maß-
(Lagerungstherapie) nahmen kennt und beherrscht.

4 Nachweis eines günstigen Effektes von Lage- Kinetische Therapiemodi


rungsdrainagen auf die Lungenfunktion durch 4 dorsoventrale Wechsellagerung bei dorso-
Blair u. Hickham (1955) basalen Atelektasen (z. B. 2-mal pro Tag für
4 Im Vergleich zur konventionellen Beatmungs- jeweils 4–6 h)
therapie ohne Lagerungsmaßnahmen kommt es 4 kontinuierliche axiale Rotation, z. B. im Ro-
unter der kinetischen Therapie mit einer druck- torRest-Spezialbett bei interstitiell-alveolärem
limitierten Beatmung und permissiver Hyper- Ödem mit erhöhter Sekretproduktion
kapnie (PHC [paCO2-Werte: 46,5–116 mmHg]) 4 intermittierende Seitenlagerung bei unilate-
zu einer Reduktion der nach dem APACHE-II- ralen Lungenprozessen, wobei der Patient nach
Score vorhergesagten Mortalität von ARDS- dem Motto von Fishman (1981) »down with
Patienten um ein Drittel (12 % vs. 35,4 %). the good lung« auf die gesunde Lunge gelagert
4 Beim schwersten ARDS mit lebensbedroh- werden sollte
licher Hypoxämie (PaO2/FiO2 <100) wird die 4 überdrehte Seitenlagerung (135°)
Bauchlage zur Verbesserung des Gasaustauschs
für mindestens 12 h empfohlen. Die Verbesserung des pulmonalen Gasaustausches
4 PROSEVA-Studie (Guerin et al. 2013): unter kinetischer Therapie beruht auf einem Sofort-
5 multizentrisch (27 Intensivstationen in F effekt mit:
und ES), prospektiv, kontrolliert, randomi- 4 verbesserter Mobilisierung von tracheo-
siert bronchialem Sekret
5 466 Patienten mit schwerem ARDS (paO2/ 4 Reduktion von Ventilations-/Perfusions-
FiO2 <150 mmHg; FiO2 ≥0,6; PEEP ≥5 cm- störungen o Umverteilung des Blutflusses in
H2O; Vt ≈6 ml/kg, weniger als 36 h beste- weniger geschädigte gesunde Areale
hend) 4 Rekrutierung von Kompressionsatelektasen o
5 Intervention: Bauchlage für ≥16 h/Tag (vs. pulmonale venöse Beimischungenp
Belassen in Rückenlage) nach Stabilisierung
5 Ergebnis: annähernd Halbierung der Mor- und einem Späteffekt (nach 2–4 h):
talität nach 28 bzw. 90 Tagen unter Lage- 4 Anstieg der funktionellen Residualkapazität
rungstherapie, keine Unterschiede hinsicht- 4 Rückgang von Lungenödemen infolge der
lich der Komplikationsraten Veränderung des hydrostatischen Drucks
5 o Bauchlagerung bei ARDS frühzeitig und 4 Reduktion nosokomialer Infektionen und
lange! pulmonaler Komplikationen
4 Bei Kontraindikationen zur Bauchlage (BL)
sollte die kontinuierlichen lateralen Rotations- jNachteile
therapie (KLRT) zum Einsatz kommen. 4 Auftreten von Lagerungsschäden
4 Bei nicht lebensbedrohlicher Hypoxämie 4 Gesichtsödeme
können BL und KLRT zur Verbesserung des 4 akzidentelle Extubation und Katheter-
Gasaustauschs und zur Lungenprotektion dislokationen
eingesetzt werden. 4 hoher personeller Aufwand
4 Zur Pneumonieprophylaxe eignen sich BL und 4 zeitlich limitierte Durchführbarkeit
KLRT. 4 z. T. nur positiver Effekt in Bauchlagerung, der
4 Bei unilateraler Lungenschädigung ist die nach dem Drehen nicht anhält
Seitenlagerung (»good lung down«) zur Ver-
besserung der Oxygenierung angezeigt.
172 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

jKontraindikationen Mukolytika
4 Akutphase eines SHT 4 N-Acetylcystein o Erniedrigung der Schleim-
4 instabile Wirbelsäule viskosität durch Aufspaltung von Disulfid-
4 kardiovaskuläre Instabilität brücken durch Cystein (Dosis: 3-mal 1 Amp. à
4 maligne Herzrhythmusstörungen 200 mg)
4 offenes Abdomen 4 Carbocystein o intrazelluläre Beeinflussung
4 die kinetische Therapie sollte in der Frühphase der Schleimsynthese und Bildung von gering
einer respiratorischen Insuffizienz eingesetzt viskösem Sekret, leichte Abnahme der Sekret-
werden: Patienten mit einem progressiven produktion; Wirkung umstritten
ARDS (>1 Woche Beatmungsdauer mit inva-
sivem Beatmungsmuster) profitieren von der Sekretomotorika
kinetischen Therapie weniger als Patienten mit 4 β2-Sympathomimetika o Anregung der
kürzerem Krankheitsverlauf und geringgradi- Zilienmotilität und Broncholyse.
gerem Lungenversagen!
Sekretmindernde Medikamente
! Das Abdomen darf bei der Bauchlagerung
7 zur Vermeidung eines lagerungsbedingten
4 bei Hypersekretion ggf. Gabe von Para-
sympatholytika:
Zwerchfellhochstands nicht komprimiert
5 Belladonnablätter 3-mal ½–1 Messlöffel
werden! o Unterpolsterung der Hüfte und
5 hyoscyaminhaltige Lösung: 1-mal 1 Tbl.
des oberen Thorax oder Einsatz eines Luft-
oder 3-mal 15 Trpf.
kissenbettes bei dem der Druck in den einzel-
nen Luftpolstern eingestellt werden kann!

4 empirisch gesehen profitieren in Bezug auf die 7.4.3 Stickstoffmonoxid (NO)


Oxygenierung ca. 75 % der Patienten von der
kinetischen Therapie! Historie der inhalativen NO-Applikation
1980 Furchgott u. Zawadzki entdecken einen Stoff, den
sie als »endothelial derived relaxing factor« (EDRF)
7.4.2 Expektoranzien bezeichnen (Nobelpreis für Medizin im Oktober
1998 für Furchgott, Ignarro und Murad)
1987 Ignarro und Palmer/Moncada weisen nach, dass
Sekretolytika
EDRF = NO
4 ätherische Öle (Transpulmin, Pulmotin, 1991 Frostell zeigt klinischen Effekt von NO an Proban-
Soledum, Gelomyrtol) o direkte Steigerung den unter hypoxischen Bedingungen
der Bronchialsekretion sowie Anregung der 1992 NO Molekül des Jahres 1992 (Zeitschrift: Science)
Zilientätigkeit 2001 NO wird als Arzneimittel zur Inhalation bei Neuge-
borenen offiziell in Europa zugelassen
4 Ammoniumchlorid und Kaliumiodid o di-
rekte und reflektorische Wirkung auf schleim-
produzierende Zellen, keine Langzeitanwen- Biologische Effekte
dung von Kaliumiodid wegen Iodvergiftung! 4 selektive pulmonale Vasodilatation (. Abb.
4 Bromhexin o vermehrte Schleimbildung 7.11)
durch seröse Drüsenzellen bei gleichzeitiger 4 Anstieg des paO2 bzw. des Oxygenierungs-
Abnahme der Sputumviskosität durch gestei- index infolge Perfusionszunahme der venti-
gerten Abbau saurer Mukopolysaccharide lierten Alveolen o Va/Q-Verbesserung,
(Dosis: 3-mal 4–8 ml p.o.) und die hypoxische Vasokonstruktion bleibt
4 dessen Metabolit Ambroxol o Stimulation der erhalten
Surfactantbildung o Reduktion der Ober- 4 RVEF n, PAP p, PVR p o insgesamt verbes-
flächenspannung, Verhinderung von Dys- und serte Lungenperfusion (. Abb. 7.12)
Atelektasen o Reduktion der Schleimadhärenz 4 CO n, Reduktion des pulmonalkapillären
am Bronchialepithel (Dosis: 3–6 g/24 h i.v.) Drucks (PCP)
7.4 · Additive Maßnahmen
173 7
4 unterschiedliche Reaktivität auf NO o Eintei-
lung der Patienten in zwei Kollektive: Respon-
der und Non-Responder (Verhältnis ca. 60:40)
o Ursache unklar:
5 fragliche Beeinflussung der vaskulären Re-
aktivität auf NO durch extravaskuläres Lun-
genwasser und/oder Katecholamintherapie
5 genetische Disposition
5 Veränderungen innerhalb des NO/cGMP-
Stoffwechsels
5 Gasaustauschstörung durch ausgeprägtes
diffuses interstitielles und intraalveoläres
Lungenödem
. Abb. 7.11 Selektiver Wirkmechanismus von inhalativen
NO Synthetase
4 konstitutionelle NO-Synthetase (cNOS):
5 Ca2+- und calmodulinabhängig; Synthese-
4 bei höheren NO-Konzentrationen (NO rate in picomol; kontinuierliche Synthese-
>10 ppm) o evtl. Reduktion eines Lungen- rate o Regulation von Blutdruck bzw.
ödems Gefäßweite
4 Abnahme der Interleukin-6- und Interleukin- 5 Vorkommen: Endothel, Endokard, Myo-
8-Konzentration in der BAL sowie der kard, Neuron, Thrombozyten
spontanen H2O2-Produktion und Expression 5 wiederum 2 Unterarten: eNOS (endothelial)
von Adhäsionsmolekülen durch neutrophile und bNOS (»brain«)
Granulozyten nach mehrtägiger NO-Inhala- 4 induzierbare NO-Synthetase (iNOS):
tion o ggf. möglicher antiinflammatorischer 5 Ca2+- und calmodulinunabhängig
Effekt von NO 5 höhere Syntheserate als cNOS (nanomol)

. Abb. 7.12 Effekte der NO-Inhalation bei ARDS. (Adaptiert nach Gerlach et al. 2003). Höhere NO-Konzentration können
ggf. zu einer Verschlechterung der Oxygenierung führen, da inhaliertes NO auch in nichtventilierte Shunt-Areale diffundiert!
(n=12 Patienten mit ARDS)
174 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

5 durch Mediatoren (TNF, IL-1) nach 8–12 h kInoffiziell


induzierbar o verzögerter Anstieg nach 4 Oxygenierungsverbesserung beim ARDS
Stimulation ist durch Genexpression und (Shunt-Abnahme bzw. Umverteilung des Blut-
Neusynthese bedingt. flusses zu ventilierten Alveolen)
5 erhöhte Serumkonzentrationen von
! Trotz der klinischen Verbesserung der
cGMP und Nitrat bei septischen
Oxygenierung ist bis zum gegenwärtigen
Patienten o generell gesteigerte NO-
Zeitpunkt ein positiver Effekt der NO-
Produktion
Beatmung auf die Letalität des schweren
4 Substrat der NO-Synthetasen: L-Arginin
ARDS bei Erwachsenen nicht nachge-
wird durch NO-Synthetase zu L-Citrullin
wiesen!
und NO umgewandelt, welches wiederum
die intrazelluläre Guanylatzyklase (sGC) 4 Hohe NO-Konzentrationen können sogar zu
aktiviert, wodurch die Ca2+-Konzentration einer Verschlechterung der Oxygenierung
abfällt o Relaxation der Gefäßmuskulatur führen, da es infolge einer Diffusion von NO
in nichtventilierte Alveolen zu einem konseku-
7 NO-Uptake tiven Perfusionsanstieg nicht- oder minder
4 inhalative Aufnahme von ca. 90 % der zuge- ventilierter Lungenbezirke kommen kann
führten NO-Menge (. Abb. 7.12)!
4 der NO-Uptake ist anhängig vom: 4 Implantation eines linksventrikulären Unter-
5 Volumenanteil gut ventilierter Lungen- stützungssystems (LVAD)
bezirke (lineare Korrelation) 4 Therapie des Rechtsherzversagens bei Herz-
5 Ausmaß der alveolären Totraumventilation transplantationen (HTPL)
(inverse Korrelation) 4 akuter postoperativer pulmonaler Hypertonus
4 NO wird auch beim Menschen in geringen als Folge von Herzerkrankungen
Mengen im Nasopharynx gebildet und nach- 4 Diagnostik der pulmonalen Vasoreaktivität,
folgend inhaliert (physiologische Aufgabe?) o z. B. vor Transplantation
dem intubierten Patienten wird »physiolo- 4 Patienten mit Sichelzellanämie
gisches NO« somit vorenthalten! 4 Therapie des Höhenlungenödems
4 Vermeidung der Notwendigkeit eines extra-
> Inaktivierung von NO im Sekundenbereich
korporalen Kreislaufs und von Reperfusions-
durch Hämoglobin o Nitrosylhämoglobin o
schäden im Rahmen von Lungentransplanta-
Methämoglobin o obligates NO2-Monitoring
tionen (NO-Inhalation; 5–20 ppm schon vor
und Methämoglobinmessung.
Beginn der Einlungenventilation)
> Nach einer britischen Expertenrunde gibt es
jIndikationen für inhalative NO-Gabe
nur 2 Indikationen für eine NO-Gabe:
kOffiziell (Level-A-Empfehlung)
5 ARDS mit schwerer, therapierefraktärer
4 akute respiratorische Insuffizienz des reifen
Hypoxämie (paO2/FiO2 <84 mmHg)
Neugeborenen (≥34 SSW)
5 Schweres Rechtsherzversagen
4 persistierende pulmonale Hypertension des
(MPAP >24 mmHg, transpulmonaler
Neugeborenen (PPHN)
Druckgradient >15 mmHg,
> Bei pädiatrischen Patienten mit akutem Lun- PVR >400 dyn × s × cm–5)
genversagen konnte in zahlenmäßig großen
Studien eine Reduktion der Indikationsstel-
lungen zur ECMO nachgewiesen werden! o
Klasse-I-(Level-A)-Empfehlung.
7.4 · Additive Maßnahmen
175 7

Dosierung 4 Entstehung eines zähen, klebrigen Tracheal-


sekrets nach längerer NO-Beatmung (eigene
5 Inhalatives NO: Zur Verbesserung der Oxy- Erfahrungen)
genierung reichen schon geringe NO-Kon- 4 Hemmung der Thrombozytenaggregation
zentrationen von 5–15 ppm (= 5–15 ml/m³) (klinisch nicht relevant)
aus, während zur pulmonalarteriellen 4 Hemmung der Granulozytenaktivität sowie
Drucksenkung höhere NO-Konzentrationen der HLA-DR-Expression auf Leukozyten o
eingesetzt werden müssen (durchschnitt- immunsuppressive Wirkung (fragliche kli-
lich 20–40 ppm)! nische Relevanz)
4 Beeinträchtigung des interzellulären Zellkon-
takts (»tight junction«) o spielt im Rahmen
jKontraindikationen der septischen bakteriellen Translokation
4 Methämoglobinämie wahrscheinlich eine Rolle!
4 Blutungsneigung 4 Reboundphänomen nach abruptem Absetzen
4 frische intrakranielle Einblutung höherer NO-Konzentrationen
4 schwere Linksherzinsuffizienz (Zunahme der
linksventrikulären Vorlast unter NO auf- ! Vorsicht bei der Anwendung von NO bei
grund eines vermehrten transpulmonalen Patienten mit manifester Linksherzin-
Blutflusses!) suffizenz o Anstieg des PAOP bedingt
durch erhöhtes Blutangebot an das linke
jNebenwirkungen Herz!
4 Methämoglobinbildung (MetHb wird durch
die NADH-Methämoglobinreduktase wieder Beeinflussung der endogenen
zu funktionstüchtigem Hb reduziert); cave: NO-Produktion
angeborener Enzymmangel! Es gibt drei 4 Antagonisten (falsche Metabolite)
weitere Enzyme bezüglich der Reduktion des 5 N-Methl-L-Arginin
MetHb, welche jedoch klinisch von geringer 5 N-Argininmethylester
Relevanz sind: NADPH-Dehydrogenase, As- 4 Hemmung der Guanylatzyklase durch
corbinsäure und reduziertes Glutathion) o Methylenblau
Andidot bei Methämoglobinämie: Methylen-
blau 1 mg/kg KG i.v. Beeinflussung der NO-Wirkdauer
4 Entstehung von Nitraten und Nitriten bzw. 4 Verlängerung der NO-Wirkung durch Hem-
ihrer wässrigen Verbindungen (Salpeter- und mung der selektiven (cGMP)-Phosphodieste-
salpetrige Säuren) o NO2 und NOx rase durch Zaprinast-Vernebelung oder i.v.
4 Unter klinischer NO-Applikation kann die Gabe (nur Hemmung der Phosphodiesterase
NO2-Konzentration durch den Einsatz eines vom Typ 5) o dosisabhängige Reduktion des
CO2-Absorbers (NaOH, Ca(OH)2 und KOH) PAP o nur geringe Beeinflussung der systemi-
reduziert werden, wobei mit steigenden KOH- schen Zirkulation bei hohen Dosen
Konzentrationen im Absorber mehr NO2 eli- 4 Dauer der durch Zaprinast induzierten pulmo-
miniert wird. nalen Vasodilatation ist dosisabhängig (zwi-
4 Bronchokonstriktion bei höheren NO2-Kon- schen 5 und 20 min)
zentrationen (>0,6 ppm)
4 proinflammatorische pulmonale Effekte ! Für Erwachsene ist die Anwendung von NO
(>2,25 ppm) augenblicklich auf individuelle Heilversuche
4 Hemmung der Schilddrüsenfunktion beschränkt!
4 Surfactantschädigung durch NO2
4 epitheliale Hyperplasien
4 entzündliche Veränderungen der Atemwege
176 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

. Abb. 7.13 Überblick über die Effekte von systemischen Vasodilatatoren, inhalativem NO und die Kombination von NO
und Almitrin bezüglich intrapulmonalem Shunt (QS/QT ) und paO2

Kombination von NO und intravenösem 4 z. T. irreversible Polyneuropathie bei Langzeit-


7 Almitrin anwendung (>1 Woche Dauer und Konzentra-
4 experimenteller Therapieansatz tionen >10 μg/kg/min)
4 soll zur Verbesserung der Oxygenierung füh- 4 Nausea, Vomitus, Diarrhö
ren o paO2 n, QS/QT p, Totraumventilation p
(. Abb. 7.13) jPharmakologie
4 Almitrin gehört zur Gruppe der Analeptika, 4 hepatische Metabolisierung o geringe Clea-
wie z. B. Dopram oder Daptazile rance von 4 ml/kg/min; lange β-HWZ (40 h bis
4 Wochen unter Langzeitanwendung bei Le-
Dosierung berinsuffizienz).

5 In Konzentrationen von 2–4 μg/kg/min jInteraktionen


intravenös
4 Interaktion von Almitrin und Nifedipin o
5 bis maximal 16 μg/kg/min o Plateau-Effekt
Abschwächung der Almitrinwirkung
bezüglich der Oxygenierung bei 4 μg/kg/min

Wirkmechanismus
7.4.4 Prostazyklin-2-Aerosol

4 Verstärkung des physiologischen Euler-Lilje- PGI2 ist ein Arachidonsäuremetabolit, der in den
strand-Reflexes vorwiegend in Arealen mit ab- 1970er Jahren entdeckt wurde und in physiologi-
geschwächter hypoxischer pulmonaler Vaso- scher Weise im Endothel (vorwiegend der Lunge)
konstriktion (HPV) o Konstriktion nur der gebildet wird.
pulmonalen Arterien (dadurch keine Gefahr 4 o Anstieg der rezeptorvermittelten, intrazel-
eines Lungenödems infolge des PAP-Anstieges lulären cAMP-Produktion (Adenylatzyklase)
zu erwarten!) mit konsekutivem Abfall des intrazellulären
4 teils Anstieg des HZV (durch simultane inha- Kalziums
lative NO-Gabe ist dieser Effekt noch zu ver- 4 endogene Prostazyklinproduktion durch
stärken!) Endothel- und glatte Muskelzellen
4 benötigte Serumkonzentration: 300 ng/ml (totale PGI2-Syntheserate: 60 pg/kg/min bzw.
Serumkonzentrationen von 5–18 ng/l bzw.
jNebenwirkungen 0,2–0,5 nmol/l)
4 MPAP + PVRI n und Oxygenierung p 4 HWZ 180 s
4 Cave: Abschwächung des Euler-Liljestrand- 4 Stabilität von PGI2-Lösung ist pH- und tempe-
Reflexes bei hohen Dosierungen raturabhängig!
7.4 · Additive Maßnahmen
177 7

. Abb. 7.14 Hämodynamik nach intravenöser und transbronchialer Applikation von PGI2. (Adaptiert nach Walmrath)

4 pH-Wert der Lösung 10–11! 4 geringer Anstieg des HZV (Effekt bei intrave-
4 messbarer Metabolit: PGF1α nöser Gabe ausgeprägter als bei Vernebelung)
4 Thrombozytenaggregationshemmung (o Ein-
jWirkmechanismus satz bei extrakorporalen Eliminationsverfah-
4 Die Vernebelung von Prostazyklinen wie Flo- ren: ≈5–15 ng/kg/min)
lan (Epoprostenol) oder Ilomedin (Iloprost) im 4 Hemmung der Leukozytenadhäsion und Akti-
Rahmen des A RDS führt zu einer Verbesse- vierung bei inflammatorischen Prozessen so-
rung der Oxygenierung durch wie Freisetzung von lysosomalen Enzymen aus
5 signifikante Reduktion des intrapulmona- den Leukozyten
len Shunts aufgrund der Dilatation von pul- 4 Verbesserung der Mikrozirkulation (o An-
monalen Gefäßen ventilierter Alveolen (im stieg des pHi); im Tiermodell führt die PGI2-
Gegensatz zur intravenösen Prostazyklin- Infusion beim Endotoxinschock zu einem
gabe mit Erhöhung des Rechts-links-Shunts Anstieg des HZV, des O2-Angebots und der
durch Beeinflussung der hypoxischen Vaso- Urinproduktion bei gleichzeitigem Abfall des
konstriktion und Verschlechterung des in- Cathepsinspiegels und der »clotting activity«.
trapulmonalen Gasaustauschs) (. Abb. 7.14) 4 Die Inhalation von vasodilatatorisch wir-
5 Im Vergleich zur inhalativen NO-Therapie kenden Substanzen ist beim akuten Rechts-
ist die Verbesserung der Oxygenierung ge- herzversagen eine Klasse-IIa-(Level-C-Emp-
ringer, die Senkung des pulmonalarteriellen fehlung!
Drucks ist hingegen stärker ausgeprägt als
bei NO.
4 Reduktion von mittleren Pulmonalarterien-
druck (MPAP) und pulmonalem Gefäßwider-
stand (PVR)
4 Vasodilatation und Abfall des systemischen
Gefäßwiderstands (SVR; Effekt bei i.v. Gabe
ausgeprägter als bei Vernebelung)
178 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

7.4.5 Surfactant
Dosierung
Physiologische Effekte
5 Epoprostenol (Flolan)
4 Reduktion der Oberflächenspannung
– HWZ von 2–3 min
4 Vermeidung des alveolaren Kollapses während
– 5–15(–25) ng/kg/min über Spezialverneb-
bzw. am Ende der Exspiration
ler o PGI2-Partikel <5 μm o keine Tachy-
4 Ermöglichung eines gleichförmigen alveolaren
phylaxie unter der Prostazyklingabe,
Recruitments während der Inspiration
jedoch Reboundphänomene o Aus-
4 Reduktion der Atemarbeit
schleichen der Therapie!
4 antibakterielle und immunologische
– Wirkdauer meist nur während der
Aufgaben
Inhalation
5 Iloprost (Ilomedin)
Zusammensetzung des natürlichen
– HWZ von 30 min
Surfactant
– z. B. 16–20 μg Gesamtmenge
4 80 % Phospholipide, 8 % Neutralfette und 12 %
– Wirkdauer 60–90–120 min
7 Proteine, wovon 50 % spezifische Surfactant-
proteine sind.
4 Die Phospholipide bestehen wiederum zu 60 %
jVorteile der Prostazyklinvernebelung aus gesättigten Phosphatidylcholinverbin-
4 »einfache« Applikationsmethode dungen (80 % hiervon sind Dipalmitoylphos-
4 keine toxischen Metabolite (wie z. B. bei NO: phatidylcholine [DPPC]), 25 % ungesättigte
NO2 und NOX, MetHb) Phospatidylcholinverbindungen und 15 %
Phosphatidylglycerol.
jNebenwirkungen 4 Zu den Proteinen zählen die Surfactant-Apo-
4 Hypotension nach systemischer Resorption proteine (SP) A, B, C und D.
des Aerosols 4 SP-B + SP-C sind lipophile niedermolekulare
4 Hustenreiz Proteine, welche die Absorption und Ausbrei-
4 Flush, Kopfschmerzen tung der Phospholipide an der Luft-Flüssig-
4 abdominelle Schmerzen, Diarrhö keits-Grenzfläche fördern.
4 Hemmung der Thrombozytenfunktion (für ca. 4 SP-A fördert die Bildung von tubulären, mye-
30 min nach Infusionsstop) linartigen Strukturen der neu sezernierten
4 Hemmung der Leukozytenaktivität bzw. Phospholipide.
Adhärenz am Endothel (Immunsuppression?) 4 Die Funktion des SP-D scheint die lokale Im-
4 systemisch appliziertes Prostazyklin (PGI2) er- munabwehr zu sein.
reicht den Systemkreislauf, da es im Gegensatz
zu den anderen Eikosanoiden (z. B. PGE1) Surfactantstörung
nicht in der Lunge enzymatisch durch 4 durch erhöhte Inaktivierung von sezerniertem
15-Hydroxyprostaglandin-Dehydrogenase Surfactant durch intraalveoläre Ansammlung
(PGDH) und Prostaglandin Δ13-Reduktase von Serumproteinen und Entzündungsmedia-
(PGR) abgebaut wird! toren sowie Proteasen und O2-Radikalen
4 Das Eventerationssyndrom ist durch die Frei- 4 durch Störung des Metabolismus der Pneumo-
setzung von Prostazyklinen aus dem Darm be- zyten Typ II (Bildungsort des endogenen Sur-
dingt. Die PGI2-Synthese kann durch Ibupro- factant)
fen inhibiert werden o führt jedoch zu einer 4 beim ARDS kommt es zu Veränderungen des
veränderten intestinalen Perfusion, erhöhter Surfactant, welche auf quantitativer und quali-
bakterieller Translokation in die mesenterialen tativer Basis beruhen:
Lymphknoten und zu einem erhöhten Endoto- 5 Phosphatidylcholin p, Phosphatidylglycerol
xinspiegel! p, Phosphatidylinositol n, Phosphatidyle-
7.5 · In Entwicklung befindliche neuere Beatmungsmodi und -konzepte
179 7
thanolamin n, Sphingomyelin n; Surfactan- 7.5 In Entwicklung befindliche
protein A und Bp neuere Beatmungsmodi und
5 einige Autoren empfehlen deshalb die intra- -konzepte
pulmonale Applikation von Surfactant
7.5.1 Flüssigkeitsbeatmung
Surfactanteffekte (Liquidventilation)
4 fragliche Effektivität bei ARDS-Patienten
4 in der Pädiatrie hingegen ist die Surfactan- Ein aus dem pädiatrischen Bereich stammendes
tapplikation im Rahmen des IRDS bei Früh- experimentelles Verfahren zur Oxygenierungsver-
und unreifen Neugeborenen ein anerkanntes besserung ist die so genannte Flüssigkeitsbeat-
Therapiekonzept o signifikante Reduktion mung.
der Mortalität! Historie der Flüssigkeitsbeatmung
4 Bei der Vernebelung von Surfactant erreichen 1966 Clark und Gollan ließen über eine Stunde eine in
nur ca. 4–5 % der Ausgangsmenge die Alveolen! Perfluorocarbon (FX80) eingetauchte Maus spontan
atmen
Surfactantapplikation 1976 Shaffer: Totale Liquidventilation (TLV) an Lämmern
1990 Erste klinische Anwendung durch Greenspan
4 intrabronchiale Instillation über Katheter oder
bronchoskopisch
4 inhalative Applikation über spezielle Vernebler Durchführung
4 totale Flüssigkeitsbeatmung (TLV) o
jIndikationen komplettes Auffüllen der Lunge mit Perfluoro-
4 nachgewiesener Benefit: Atemnotsyndrom des carbonen und anschließende Applikation
Neugeborenen normaler Atemzugvolumina mit niedriger
Frequenz über einen speziellen Liquid-
Surfactantpräparate ventilator
4 natürliche Surfactantpräparate: 4 partielle Flüssigkeitsbeatmung (PLV) o Fül-
5 Alveofact (aus bovinen Lungen gewonnen, lung der Lunge in der Größenordnung der
enthält wie die meisten natürlichen Surfac- FRC (= 30 ml/kg) mit Perfluorooctylbromid
tantpräparate kein SP-A); Dosierung: (LiquiVent). Anschließend wird eine konven-
100 mg/kg in der Pädiatrie mit 3 Repeti- tionelle Beatmung durchgeführt o PFC-asso-
tionen ziierter Gasaustausch (PAGE)
5 Survanta (zusätzliche Anreicherung mit 4 die Effektivität der PLV ist von der instillierten
DPPC, Palmitinsäure und Triglyzeriden, Menge und deren Verteilung abhängig!
aus bovinen Lungen gewonnen, enthält 4 aber: bisher konnte noch keine klinische
SP-B + -C) Standardapplikation für Perfluorcarbon (PFC)
5 Curosurf (Neutralfette sind chromatogra- etabliert werden!
phisch entfernt worden, wird aus Schweine-
lungen gewonnen) Eigenschaften von Perfluorocarbon
4 künstliche Surfactantpräparate: (PFC)
5 Exosurf (DPPC, Hexadecanol und Lösungs- 4 farb- und geruchlose Flüssigkeit, bestehend aus
mittel Tyloxapol) einer Kette von 8C-Atomen, die mit einem
5 ALEC (besteht zu 70 % aus DPPC und 30 % Brom-Atom und sonst nur Fluor-Atomen sub-
Phosphatidylcholin) o künstliche Surfac- stituiert ist
tantpräparate enthalten keine Apolipo- 4 biologisch inert, keine Metabolisierung o Ver-
proteine (SP)! dampfung (geringer Dampfdruck)
4 hohe physikalische Löslichkeit von Sauerstoff
(53 ml O2/dl = 2,5-fache Löslichkeit des Blutes)
und CO2 (160–210 ml/dl)
180 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

4 Umverteilung des Blutes von den kompri-


mierten basalgelegenen Gefäßen zu ventralen
gut ventilierten Lungenbereichen o Reduk-
tion des intrapulmonalen Rechts-links-Shunts
o kein Anstieg des MPAP, da es durch Wie-
dereröffnung der Alveolen zur Reduktion der
hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion
kommt!
4 Reduktion von pulmonalen inflammatorischen
Infiltraten
4 Reduktion eines Permeabilitätslungenödems
durch tamponadenähnlichen Effekt
4 Reduktion der Oberflächenspannung (auch in
den apikalen ventilierten Alveolen nach Ver-
dampfung von Fluorocarbon)
7 4 Erhöhung der Compliance durch surfac-
tantähnliche Eigenschaften o die Druck-
Volumen-Kurve einer flüssigkeitsgefüllten
. Abb. 7.15 Sekret schwimmt auf der Perfluorocarbon-
schicht. (Mit freundlicher Genehmigung von Herrn PD Dr.
Lunge verläuft viel steiler o Verbesserung der
med. Rene Gust, Klinik für Anästhesiologie, Krankenhaus Lungenmechanik, die durch vorherige Surfac-
Siloah, Pforzheim) tant- und anschließende PFC-Instillation noch
gesteigert werden kann!
4 Stimulation der endogenen Surfactantproduk-
4 hohes spezifisches Gewicht (ca. doppelt so tion
groß wie H2O) oSekret schwimmt obenauf, 4 Die PLV sollte mit einem PEEP >5 cmH2O
und PFC reichert sich in den dorsobasal gele- oder einem PEEP-Niveau, das über dem un-
genen Lungenbezirken an (. Abb. 7.15) teren »inflection point« (LIP) der pulmonalen
4 hoher Spreitungskoeffizient o PFC breitet sich Druck-Volumen-Kurve liegt, erfolgen o Stei-
spontan auf der Lungenoberfläche aus gerung der Oxygenierung.
4 antiinflammatorische Wirkung
> Aktuelle Metaanalysen ergeben, dass die
4 »Tamponadeneffekt« o Reduktion einer er-
Flüssigkeitsventilation weder bei Erwach-
höhten pulmonalvaskulären Permeabilität
senen noch bei Kindern mit akutem Lungen-
4 Verbesserung der Compliance durch surfac-
versagen die Mortalität zu senken vermag –
tantähnliche Erniedrigung der Oberflächen-
trotz vielversprechender theoretischer
spannung
Ansätze.
4 Röntgendichtigkeit der PFC o früher wurden
PFC als Röntgenkontrastmittel eingesetzt Perfluorcarbone könnten in Zukunft allerdings als
Trägersubstanz von Medikamenten, z. B. für Vanco-
! Nach Instillation ist eine radiologische
mycin oder Gentamicin, Bedeutung erlangen.
Diagnostik in den nächsten Tagen nicht mehr
möglich! jNebenwirkungen
4 Pneumothorax
jWirkmechanismus 4 Liquidthorax
4 Recruitment von kollabierten Lungenbezirken
o das schwere und O2-transportierende PFC
gelangt nach Instillation in die dorsobasalen,
atelektatischen Alveolen und »dehnt« diese auf
(»Liquid-PEEP«)
7.5 · In Entwicklung befindliche neuere Beatmungsmodi und -konzepte
181 7
7.5.2 Inhalation von vernebeltem dert und simultan die CO2-Elimination gestei-
Perfluorhexan gert wird o Reduktion von Volumen- bzw.
Druckanteil des Ventilators im Vergleich zur
4 erste Untersuchungen zur Inhalation von konventionellen Ventilation möglich
Perfluorocarbon (Perfluorhexan) bereits absol- 4 Durchführung als kontinuierliche TGI (»conti-
viert nuous flow TGI«) oder nur in der Exspira-
4 Verdampfung von Perflourhexan über »kon- tionsphase durchgeführte TGI (»phasic flow
ventionellen« Vapor in einer Konzentration TGI«)
von 2–18 Vol.- % 4 Nebenwirkung ist die unzureichende Befeuch-
tung des Zusatzgasflusses und ggf. unkontrol-
Effekt lierter Anstieg des Beatmungsdrucks insbeson-
4 Verbesserung von Compliance, Atemwegsspit- dere bei hohen Gasflüssen aufgrund einer zu-
zendruck (PIP p) und Oxygenierung, welche sätzlichen PEEP-Entstehung.
über die Phase der Vernebelung hinaus anhält! 4 TGI ist umso effektiver, je höher der Totraum-
anteil der Ventilation und je höher die alveo-
Eigenschaften von Perfluorhexan läre CO2-Konzentration unter konventio-
4 farb- und geruchlose Flüssigkeit, bestehend aus neller Beatmung ist. Des Weiteren spielen
einer Kette von 6C-Atomen, die alle mit F-Ato- der Gasfluss (ca. 4–15 l/min) und die tiefe,
men substituiert sind (C6F14) karinanahe Position des Insufflationskatheters
4 hoher Dampfdruck: 273 mmHg bei 30°C eine Rolle!
(o Perflubron nur 11 mmHg) 4 Anstelle von Sauerstoff wurde bei der TGI
4 Siedepunkt: 57°C auch Helium verwendet o geringerer Anstieg
4 hohe physikalische Löslichkeit für Sauerstoff des Beatmungsdrucks bei ggf. leicht vermin-
(55 ml O2/dl) und CO2 (207 ml/dl) derter Oxygenierung!
4 hohe Oberflächenaktivität (gute Surfactant-
wirkung)
4 Stimulation der endogenen Surfactant- 7.5.4 Proportionale unterstützende
produktion Beatmungsformen
PPS bzw. PAV
7.5.3 ALV 4 PPS = »proportional pressure support« bzw.
4 PAV = »proportional assist ventilation«
4 ALV = »adaptive lung ventilation«« 4 augmentierende Beatmungsform mit pro-
4 druckkontrollierte, synchonisierte intermittie- portionaler Unterstützung, die 1992 von
rende Beatmungsform (PCSIMV), bei der die Younes vorgestellt wurde und bei der die
Beatmungsfrequenz nach der Formel von Höhe des inspiratorischen Flusses und des
Mead und Otis aus der Compliance und der Tidalvolumens individuell von den inspira-
alveolären bzw. Totraumventilation berechnet torischen Atembemühungen des Patienten
wird abhängig sind
4 die Exspirationszeit wird vom Respirator auto- 4 bessere Synchronisation von Patient und Re-
matisch so gewählt, dass sie dem 2-fachen der spirator; d. h. atmet der Patient schnell und tief
exspiratorischen Zeitkonstante entspricht o ein, so wird proportional seiner Bemühungen
dadurch Vermeidung eines Intrinsic-PEEP eine hohe Druckunterstützung mit hohem
Flow-Volumen geliefert.
Trachealgasinsufflation (TGI) 4 atmet der Patient mit geringerer inspirato-
4 neue, noch experimentelle Beatmungsform, rischer Anstrengung flach, wird nur eine
bei der durch einen intratrachealen Zusatz- geringe Druckunterstützung mit niedrigem
gasfluss die Totraumventilation (VD) vermin- Inspirationsflow vom Gerät generiert
182 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

7
. Abb. 7.16 Schematische Darstellung des restriktiven Druckverlustes über den Endotrachealtubus (gestrichelte Kurve bei
verschiedenen Gasflüssen (0–2 l/s). In diesem Beispiel beträgt die Druckunterstützung 10 mbar (durchgezogene Linie). Bei
Gasflüssen <1,2 l/min liegt die Druckunterstützung höher als der Tubuswiderstand o Überkompensation (Run-away-Phäno-
men) der durch den Gasfluss verursachten zusätzlichen Atemarbeit

4 Voraussetzung: ausreichender und kontinuier- 4 Der Anwender muss Tubusart und -größe am
licher Atemantrieb und physiologisches Atem- Beatmungsgerät eingeben, und der Tubuskom-
muster. pensationsdruck wird gemäß der folgenden
4 PAV-Ventilation ist z. B. im Beatmungsgerät Formel berechnet:
Evita 4 mit neuer Softwarekonfiguration pATC = V  × K1 + V
 2 × K2
implementiert! 5 K1 und K2: linearer und nichtlinearer
4 Voraussetzung: exakte Kenntnis von Elastance Tubuskoeffizient
und Resistance 5V  : Höhe des Gasflusses
4 klinischer Stellenwert bis heute nicht hinrei- 4 Die tubusbedingte Atemarbeit ist eine vari-
chend untersucht und daher nicht abschlie- able, flussabhängige Größe o Modifikation
ßend beurteilbar der konventionellen Druckunterstützung
während augmentierter Beatmungsform
> Die Beatmungsform PPV stellt abstrakt einen
wie z. B. ASB, sodass sie nicht mehr fix,
zusätzlichen Atemmuskel dar! Kontraindika-
sondern entsprechend dem nicht linearen
tion für diese Beatmungsform: bronchopleu-
Zusammenhang (. Abb. 7.16) zwischen
rale Fistel!
Tubuswiderstand und Gasfluss appliziert
wird.
ATCATC (automatische Tubus- 4 Hierdurch ist eine optimale Reduktion der
kompensation) Atemarbeit möglich (neuere Beatmungsgeräte
4 Bei Inspiration wird der Widerstand des Tubus besitzen bereits die Zusatzfunktion »ATC«) o
unter der Berücksichtigung eines nichtlinearen Methode entspricht also einer »elektronischen
Zusammenhangs von Druck und Fluss durch Extubation« (. Abb. 7.17).
eine entsprechende Druckerhöhung kompen- 4 Das Atemmuster entspricht unter ATC weitge-
siert. hend dem Atemmuster unter Spontanatmung
4 Während der Exspiration wird der Druck ent- ohne Tubus (gleiche Atemfrequenz, gleiches
sprechend reduziert (ggf. subatmosphärisch). Atemzugvolumen).
7.5 · In Entwicklung befindliche neuere Beatmungsmodi und -konzepte
183 7
4 Unter ASB mit 5 oder 10 mmHg Druckunter-
stützung ist hingegen nach Untersuchungen an
Probanden die VT signifikant erhöht!
4 Nachteil: ggf. Atemwegskollaps bei gefähr-
deten Patienten und unvollständige Kompen-
sation während der Exspiration.

> Bei der ATC wird der Trachealdruck konti-


nuierlich berechnet und am Monitor über-
wacht o bessere Abschätzung der Gefahr
des Barotraumas der Lunge.

Neuronally adjusted ventilatory assist


. Abb. 7.17 Zusätzliche Atemarbeit (WOB) bei verschie- (NAVA)
denen Verfahren zur assistierten Spontanatmung. Unter 4 assistierende Beatmungsform, die die Unter-
CPAP ist die Atemarbeit am höchsten. Die beste Kompensa-
stützung des Patienten aufgrund der elektri-
tion der zusätzlichen Atemarbeit wird durch die automa-
tische Tubuskompensation (ACT) erreicht. Die oben ge- schen Aktivierung des Zwerchfells (»electrical
zeigten Werte wurden an einem mechanischen Lungenmo- activation of diaphragm« = EADi) regelt
dell bei einem Gasfluss von 1 l/min, einem V T von 500 ml, ei- (. Abb. 7.18)
ner AF von 30/min und einem Tubus mit ID von 8,0 mm 4 Steuerung des Beatmungsgerätes unter NAVA
erhoben (Respirator Evita 2, Fa. Dräger)
erfolgt direkt über ein zentral reguliertes Signal
und ist unabhängig von der neuromuskulären

. Abb. 7.18 NAVA-Funktionsprinzip. Mit Hilfe einer mit Elektroden versehenen ösophagealen Sonde wird die elektrische
Aktivierung des Zwerchfells (EAdi) erfasst und nach Multiplikation mit einem Verstärkungsfaktor (NAVA-Pegel) zur Steuerung
des Beatmungsgerätes verwendet (aus: Moerer O, Barwing J, Quintel M (2008) Neuronally Adjusted Ventilatory Assits (NAVA).
Anaesthesist 57: 998–1005
184 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

Kopplung o Probleme konventioneller Trig- jKlinische Erfahrungen


gerkriterien mit mangelnder Synchronisie- 4 derzeit noch sehr begrenzte klinische Erfah-
rung zu den Atembemühungen des Patienten rungen mit NAVA (Zulassung Ende 2007!) o
entfallen abschließende klinische Bewertung, ob und in-
4 assistierende Druckunterstützung jederzeit wieweit Patienten von NAVA profitieren, noch
direkt proportional zur elektrischen Aktivität ausstehend!
des Zwerchfells und damit zum Bedarf des
Patienten
7.6 Lungenersatzverfahren
jTechnisches Vorgehen
4 Ableitung der (ösophagusnahen) EAdi erfolgt Ist das Ziel einer adäquaten Oxygenierung mit den
über eine mit Ringelektroden versehene konventionellen Atemhilfen nicht erreichbar, kön-
Magensonde nen in einigen Zentren sog. Lungenersatzverfahren
4 gewonnene Signale werden gefiltert, amplifi- durchgeführt werden.
ziert und weiter prozessiert 4 die aus der Pädiatrie kommende extrakor-
7 4 Transformation des quadratischen Mittelwerts porale Membranoxygenierung (ECMO)
(QMS oder »root mean square«, RMS) dieses 4 die 1977 von Kolobow entwickelte extrakor-
elektromyographischen Signals in Voltsignal porale CO2-Elimination (ECCO2R), welche
o Steuerung des Beatmungsgerätes 1980 von Gattinoni mit einer niedrigfrequenten
4 endgültige Höhe der Druckunterstützung Überdruckbeatmung kombiniert wurde
ergibt sich aus der Höhe der kontinuierlich 4 die 1992 von Mortensen vorgestellte intra-
aufgezeichneten EAdi (in μV), multipliziert venöse Membranoxygenierung (IVOX)
mit einem frei einstellbaren Verstärkungsfak-
tor (NAVA-Pegel): Die Lungenersatzverfahren werden im angloameri-
Druckunterstützung über PEEP [cmH2O] = kanischen Bereich auch als »extracorporeal lung
EAdi [μV] × NAVA-Pegel [cmH2O/μV] assist«, kurz ECLA bezeichnet.
4 resultierende Druckunterstützung ist somit di-
rekt proportional zur EAdi des Patienten und
wird kontinuierlich an die aktuelle Signalstärke 7.6.1 Extrakorporale Membran-
angepasst o Patient reguliert sowohl Atem- oxygenierung (ECMO)
frequenz als auch Höhe des applizierten
Druckes und damit des Tidalvolumens Historie der ECMO
4 Erhöhung des NAVA-Pegels führt zu Erhöhung 1937 Gibbon unternimmt den ersten Einsatz eines Bubble-
der resultierenden Druckunterstützung und Oxygenators
damit zur zunehmenden Entlastung der Atem- 1965 Clowes entwickelt den Membranoxygenator
muskulatur 1971 Erster erfolgreicher ECMO-Einsatz von Hill bei poly-
traumatisiertem 24-jährigen Patienten
4 direktes Signal aus zentral reguliertem Regel-
kreis o Beatmungsgerät als »zusätzlicher
Atemmuskels«, dessen Kraft vom NAVA-Pegel Methode
bestimmt wird 4 Bei der ECMO des Erwachsenen wird venöses
Blut über größere Gefäßzugänge und heparin-
jPotenzielle Vorteile der Beatmung mit NAVA beschichtete Schläuche aus der V. cava inferior
4 verbesserte Synchronisierung zwischen Patient entnommen und durch einen Membranoxyge-
und Beatmungsgerät nator zur V. cava superior zurückgeleitet.
4 lungenprotektive Effekte 4 Die Patienten werden ggf. simultan mit nor-
4 Reduktion der Atemarbeit maler Atemfrequenz (5–10/min) bei deutlich
4 diagnostisch und therapeutisch verwendbares reduziertem Atemwegsspitzendruck (maximal
Signal (EAdi) 25–30 mmHg) und hohem PEEP-Niveau (10–
7.6 · Lungenersatzverfahren
185 7
15 cmH2O; PEEP-Niveau sollte oberhalb des jKontraindikationen bei Erwachsenen
unteren »inflection point« sein) konventionell 4 absolut: malignes Grundleiden, septischer
beatmet. Schock bei nichtbereinigter Infektionsquelle,
4 angestrebter paO2 >70 mmHg bei möglichst ZNS-Schädigung, Gerinnungsstörungen,
niedriger FiO2 progrediente chronische Lungenerkrankung,
4 CESAR-Trial (»Conventional Versus ECMO Immunsuppression, primäre kardiale Insuffi-
for Severe Adult Respiratory Failure«) mit 180 zienz
Patienten in 70 Zentren 4 relativ: Alter >60 Jahre, Vorbeatmung
5 ECMO vs. herkömmliche Beatmungs- >21 Tage
techniken
5 nach 6 Monaten zeigte sich kein signifi- jKontraindikationen bei Kindern
kanter Mortalitätsunterschied 4 Gestationsalter von weniger als 35 Wochen
5 Lungenfunktion in beiden Gruppen ver- 4 Gewicht <2000 g
gleichbar 4 vorbestehende intrakranielle Blutung
5 Kosten für die ECMO-Therapie doppelt so 4 kongenitale Anomalien, z. B. neurologischer
hoch verglichen mit konventioneller Art, die eine günstige Prognose ausschließen
4 Eine unlängst publizierte Chochrane-Metaana- 4 Zustand nach >1 Woche konventioneller Beat-
lyse kommt zu dem Schluss, dass der Einfluss mungstherapie
der ECMO-Therapie auf die Krankenhaus- 4 angeborene Herzerkrankungen
sterblichkeit bei schwerem akuten Lungen-
versagen nach wie vor unklar bleibt o indivi- jKomplikationen
duelle Indikationsstellung! kPatientenbezogene Komplikationen
4 ECMO bei pädiatrischen Patienten: Es liegen 4 Pneumothorax (mechanisch unabhängig,
50- bis 70 %ige Überlebensraten bei Kindern Auftreten von Bullae in abhängigen, schlecht
mit »infant respiratory distress syndrome« ventilierten Lungenarealen)
(IRDS) vor. 4 Blutungen (infolge heparinbeschichteter
Schläuche in der Inzidenz deutlich zurück-
Effekte gegangen o angestrebte PTT = 40–50 s oder
4 Reduktion von FiO2, Atemwegsdrücken und ACT = 120–150 s bei Benutzung heparinisier-
Beatmungsvolumina bei gleichzeitiger Beseiti- ter Oxygenatoren und Schläuche)
gung der Hypoxämie o geringere Invasivität 4 Thrombozytopenie
der Beatmung 4 Infektion
4 Abfall des pulmonalarteriellen Druckes o 4 DIC
wahrscheinlich bedingt durch präpulmonale 4 Hämolyse und Anämie (durchschnittliche
Oxygenierung und Aufhebung der pulmona- Transfusionsrate: 1,3 EK pro ECMO-Tag)
len, hypoxischen Vasokonstriktion unter 4 neurologische und vaskuläre Komplikationen
ECMO
kTechnische Komplikationen
Einschlusskriterien 4 Thrombenbildung im Bypass-System
4 Slow-entry-Kriterien nach 24–96 h konventio- 4 kanülenassoziierte Probleme
neller Beatmung: 4 Schlauchruptur und Fehlfunktion der Roller-
5 Oxygenierungsindex <150 mmHg bei PEEP pumpe oder des Wärmeaustauschers
>5 mbar
5 semistatische Compliance <30 ml/mbar Weaning und Beendigung der ECMO
5 Rechts-links-Shunt >30 % 4 Schrittweise Reduktion des Blut- und O2-
4 Fast-entry-Kriterien bei akuter Hypoxie: Flusses im extrakorporalen Bypass, nachdem
5 paO2 <50 mmHg unter Beatmung mit FiO2 die inspiratorische O2-Konzentration (FiO2)
= 1,0 und PEEP >5 mbar für >2 h Dauer am Beatmungsgerät reduziert wurde.
186 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

4 wenn paO2 >70 mmHg, pH >7,30 und die


FiO2 für mindestens 24 h ohne ECMO-
Unterstützung möglich ist, wird die ECMO
beendet

Erneuerung der im Einsatz befindlichen


ECMO-Membranen
4 pO2 am rückführenden Blutschenkel
<300 mmHg bei 100 % Sauerstoff
4 extrakorporaler Blutfluss <2,5 l/min
4 makroskopisch sichtbare Thrombenbildung o
i.v. Heparinisierung während ECMO mit
5000–12.500 IE/Tag nach PTT 40–55 s
4 Membranleakage >50 ml/h
4 Anstieg des Membranwiderstandes
7 (pmean >200 mmHg für länger als 1 h)
4 Anstieg von Fibrinogenspaltprodukten (FSP)
auf 50 mg/l über dem Ausgangslevel

7.6.2 Extrakorporale CO2-Entfernung


mit niedrigfrequenter Über-
druckbeatmung (ECCO2-LFPPV)

4 Kolobow stellt die extrakorporale CO2-Elimi-


nation bei niedrigem Blutfluss (0,5–2 l/min) . Abb. 7.19 Schematische Darstellung des Blutflusses
und gleichzeitiger apnoischer Oxygenierung durch das NovaLung-System
vor o erster Einsatz durch Gattinoni 1979 in
Mailand genator«, über den ca. 12 l O2/min insuffliert
4 keine verbesserte Letalitätsrate nach der Salt- werden
Lake-City-Studie von 1994 (67 % vs. 58 %) 4 Vorfüllung des Systems mit kristalliner Lösung
4 in der Startphase der Novalung langsame
Steigerung des Sauerstoffflusses um 1 l/min O2
7.6.3 »Interventional lung assist« alle 20 min bis zu 4 l/min O2, anschließend
(ILA; NovaLung) O2-Erhöhung um 2 l/min alle 20 min bis max.
10–12 l/min!
4 Sonderform der extrakorporalen Oxygenie- 4 parallel zur Erhöhung des Sauerstoffflusses
rung (extrakorporale Lungenunterstützung = Reduktion der Beatmungsinvasivität
ECLA oder »lung assist device« = LAD)
4 pumpenlose arteriovenöse Membranoxygenie- jVoraussetzungen
rung mittels speziell beschichtetem Gasaus- 4 kardiale Stabilität und ausreichender Blut-
tauschmodul (NovaLung mit einer Gesamt- druck (MAP >60 mmHg, damit der Blutfluss
austauschfläche von 1,3 m²) o komplette >1,0 l/min beträgt)
CO2-Elimination und simultan moderate Ver- 4 hoher Antithrombin-Wert (>90 %), keine
besserung der Oxygenierung (. Abb. 7.19) pAVK (ausreichender Durchmesser der linken
4 spezielles widerstandsarmes Kanülierungsset; A. femoralis), i.v. Heparinisierung mit Ziel-
das Blut fließt aufgrund der arteriovenösen PTT >50 s
Druckdifferenz pumpenlos durch den »Oxy- 4 Vermeidung von fetthaltigen Lösungen
7.7 · Weaning
187 7
jIndikationen > Für jeden Patienten muss ein individueller
4 Patienten mit akuter respiratorischer Störung Weaningplan erarbeitet, schriftlich doku-
mit führender CO2-Retention und nicht zu mentiert und eingehalten werden o signifi-
korrigierender Azidose (pH<7,2) kante Steigerung des Weaningerfolgs bei
4 beatmete Patienten, die sehr invasiv beatmet verkürzter Weaningdauer!
werden müssen
4 schwierige Weaning-Phase, insbesondere bei
COPD-Patienten 7.7.2 Voraussetzungen

jKontraindikationen 4 hämodynamische Stabilität (kein Low-output-


4 heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT II) Syndrom, kein Lungenödem, keine hämodyna-
4 instabile Hämodynamik (septischer oder misch relevanten Arrhythmien, keine Blu-
kardiogener Schock) tungszeichen)
4 Gefäßerkrankungen wie z. B. periphere 4 kompensierte Infektiologie (kein Fieber)
arterielle Verschlusskrankheit, Leisten- 4 keine weiteren geplanten operativen Eingriffe
aneuryma etc. 4 suffizienter Atemapparat (keine Thoraxinstabi-
4 Körpergewicht <20 kg (kleinster notwendiger lität, medikamentöse Atemdepression, keine
Kanülendurchmesser beträgt 13 F) Mangelernährung)
4 ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt
4 kein ausgeprägter Meteorismus (o funktio-
7.7 Weaning nelle Residualkapazität und Compliance p o
Atemarbeit n)
7.7.1 Definition

4 schrittweise Reduktion der Invasivität der 7.7.3 Kriterien zur erfolgreichen


Beatmung mit dem Ziel der Spontanatmung Entwöhnung
4 Reduktion der FiO2, Normalisierung des
Atemzeitverhältnisses, Reduktion des PEEP- Pulmonale Parameter
Niveaus in kleinen Schritten (3 cmH2O) 4 Vitalkapazität (VC) >5 ml/kg KG
4 Reduktion der inspiratorischen Unterstützung (zur Extubation: >10–15 ml/kg KG)
bei augmentierenden Beatmungsverfahren wie 4 inspiratorischer Sog >10 cmH2O
z. B. ASB (zur Extubation: >25–30 cmH2O)
4 PEEP <15 cmH2O (zur Extubation:
Die Beatmungsdauer sollte möglichst kurz gehalten <5–8 cmH2O)
und das Weaning möglichst frühzeitig begonnen 4 pH-Wert >7,3
werden o nach Studien von Betbese (1998) und 4 Atemfrequenz <45/min (zur Extubation:
Tindol (1990) sind viele der Intensivpatienten un- <25/min)
nötig lange beatmet; so mussten nach akzidenteller 4 AMV <18 l/min (zur Extubation: <10 l/min)
Extubation nur 81 % (keine 100 %) der weitgehend 4 AaDO21.0 sollte zu Beginn des Weanings
kontrolliert beatmeten Patienten reintubiert wer- <300–350 mmHg betragen
den! In der Weaning-Phase mussten nur ca. 16 %
der Patienten nach akzidenteller Extubation reintu- Klinische Aspekte
biert werden! 4 koordinierte Atemmuskulaturfunktion führt
Die Beatmungsdauer ist somit auch ganz ent- zu einem normalen Atemmuster
scheidend von der Erfahrung der Intensivpflege- 4 kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
kraft und damit auch vom Personalschlüssel ab- 4 keine interkostalen oder jugulären Einzie-
hängig! hungen
4 keine Schaukelatmung (paradoxe Atmung)
188 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

. Abb. 7.20 Druckverlauf während der Messung von p0,1

4 keine Tachypnoe > Die regelmäßige Anwendung des Yang-Index


4 keine Tachykardie einmal pro Tag führt zu kürzeren Weaning-
Phasen bzw. früherer Extubation!
Atemarbeit und O2-Verbrauch
4 Normalerweise beträgt der O2-Bedarf der 4 Ein Yang-Index <80 ist bezüglich einer anhal-
Atemmuskulatur etwa 1–3 % des Gesamtsauer- tenden Spontanatmung sicherer, Patienten mit
stoffverbrauchs. Bei massiv erhöhter Atem- Yang-Indizes zwischen 80 und 105 sollten
arbeit kann dieser Anteil bis auf 20 % ansteigen durch intermittierende NIPPV nach der Ex-
(»oxygen cost of breathing«). tubation unterstützt werden.
4 Der Atemarbeitsanstieg kann beim Wechsel 4 Bei der Bestimmung der Atemfrequenz des
von kontrollierter Beatmung auf Spontanat- Patienten sollte nicht nur die angezeigte
mung z. B. mittels Deltatrac-System gemessen Atemfrequenz registriert werden, sondern es
werden. sollten die tatsächlichen Atembemühungen
anhand der Flow- bzw. Druckkurve erfasst
werden.
7.7.4 Prognostische Parameter 4 Okklusionsdruck nach 100 ms (p0,1) bei
für erfolgreiches Weaning COPD-Patienten o Normwert: 1–4 mbar
5 Bei zunehmender Erschöpfung kommt es
4 Yang-Index oder »rapid shallow breathing in- zu einem gesteigerten Atemantrieb mit p0,1-
dex«: <100(f/VT), wobei VT in Liter angege- Werten >6 mbar.
ben wird o in ca. 80 % der Fälle erfolgreicher 5 Gemessen wird der negative Druck, der in
Verlauf nach Extubation bei Werten <100 un- den ersten 100 ms einer Inspiration gegen
ter nicht assistierter Spontanatmung; bei Wer- ein geschlossenes Inspirationsventil gene-
ten >105/min war der Entwöhnungsversuch zu riert wird.
95 % nicht erfolgreich. 5 Die Messung beginnt, wenn der Patient
einen negativen Druck von 0,5 mbar erzeugt
(. Abb. 7.20).
7.7 · Weaning
189 7
> Der p0,1 sollte eher als Verlaufsparameter initial 5–10 min, dann 15, 30, 60, 120 min
anstatt als absoluter Messparameter heran- Dauer etc.)
gezogen werden. Ein p0,1 <1 mbar bedeutet 4 bei COPD-Patienten o rasche Extubation
z. B., dass der Patient maximal respiratorisch ohne Spontanatemversuch, ggf. nach einer
entlastet ist. Ruhephase (CMV >24 h) o Wiederauffüllen
der Glykogenspeicher der Atemmuskulatur!
4 CROP-Index (Compliance/Rate/Oxygenierung/ beim tracheotomierten Patienten entweder
Pressure) >13 ml/Atemzug: über T-Stück oder nach Insertion einer Silber-

( )
kanüle intermittierend bzw. kontinuierlich
C + pimax + pa O 2 p O spontan atmen lassen
CROP (ml/Atemzug) = A 2
4 bei folgenden Erkrankungen rechnet man mit
f
einer erschwerten Entwöhnung
5 C: effektive Compliance 5 COPD (hohe resistente Widerstände)
5 f: Atemfrequenz 5 Lungenfibrose (hohe elastische Widerstände)
5 pimax: maximaler inspiratorischer Atemwegs- 5 hoher Rückenmarkquerschnitt und andere
druck neurologische Störungen
4 maximaler inspiratorischer Sog (Neben- 5 Störungen der Atemmuskulatur (»critical
wirkungen –90 cmH2O für Frauen und illness polyneuropathy and myopathy«)
–120 cmH2O für Männer): mindestens –20 bis
! Inzidenz der definitiv nicht entwöhnbaren
–30 cmH2O o 60 % der Patienten konnten
Patienten nach Langzeitbeatmung beträgt
bei besseren Werten erfolgreich entwöhnt
ca. 4,2 %!
werden o guter Indikator für die Auswahl
derjenigen Patienten, die entwöhnt werden 4 Die Frage, ob über einen T-Stück-Versuch oder
können und weniger ein Indikator für erfolg- mittels Spontanatmungsversuch unter 7 mbar
reiches Weaning! Druckunterstützung extubiert werden sollte,
4 Atemmuster unter einer ATC-Ventilation gibt kann gegenwärtig nicht beantwortet werden o
Hinweise auf das Atemmuster nach Extubation Reintubationsrate ist bei beiden Verfahren
(o »physikalische oder elektronische Extuba- gleich!
tion«)
> Das Wichtigste am erfolgreichen Weaning ist
nicht die Methode oder der Inhalt, sondern
das rechtzeitige Erkennen des Zeitpunkts,
7.7.5 Weaning-Methoden (diskonti-
ab dem der Patient ohne Unterstützung
nuierliche oder kontinuierliche)
suffizient spontan atmen kann.

4 bei kurzfristiger postoperativer Nachbeatmung


o kurzer Spontanatemversuch bei ausreichen- 7.7.6 Komplikationen und Neben-
der Vigilanz über T-Stück oder Demand-CPAP wirkungen der Entwöhnung
4 bei postoperativer Entwöhnung nach längerer
Beatmung (>24 h) o augmentierende Beat- 4 Hyperkapnie (Anstieg des paCO2 um
mungsformen wie SIMV, BIPAP/ASB, ASB; 5–8 mmHg in den ersten Stunden nach Extu-
Kinder über CPAP/ASB bation) o Anstieg der Pulsfrequenz und des
4 Entwöhnung nach Langzeitbeatmung o Blutdruckes o O2-Verbrauch und linksventri-
BIPAP/ASB oder SIMV/ASB kuläre Nachlast steigen an! (Kann auch durch
4 bei prolongierter Entwöhnung o Anwendung Angst des Patienten bedingt sein o Extubation
intermittierender Spontanatmungsversuche dann unter leichter Sedierung empfohlen)
unter O2-Insufflation mit zunehmender Dauer 4 Hypoxämie durch Shunt-Zunahme nach der
gemäß Weaningprotokoll (z. B. Spontanat- Extubation
mung 8.00, 11.00, 14.00, 17.00, 20.00 Uhr;
190 Kapitel 7 · Invasive Beatmung

4 Zunahme des pulmonalen Gefäßwiderstands 7.7.8 Flankierende Maßnahmen


(PVR) infolge Abnahme der funktionellen
Residualkapazität (FRC) nach Extubation Maßnahmen, die das Weaning-Verfahren optimie-
möglich (bei konstanter FRC kommt es zu ren sollen, sind:
einer Abnahme des PVR infolge Abnahme des 4 Ausgleich von Elektrolyt- und Säure-Basen-
intraalveolären Druckes) Störungen:
5 Hypophosphatämie <0,4 mmol/l, Hypokali-
ämie, Hypomagnesiämie (Beeinflussung der
7.7.7 Weaning-Versagen ATPase-Aktivität), Hypokalzämie
5 metabolische Alkalose, z. B. bedingt durch
Bis zu 20 % der Patienten lassen sich nur schwer ent- Diuretikatherapie (verringerter Ateman-
wöhnen, und bei einem Teil der Patienten kommt es trieb durch Versuch der respiratorischen
aufgrund der Imbalance zwischen der Last und der Kompensation)
Kapazität der Atemmuskulatur mit deutlich erhöh- 4 Reduzierung der Atemarbeit durch kohlen-
ter Atemarbeit zum Weaning-Versagen. Übersteigt hydratarme Diät o pCO2-Anfall p
7 die Belastung der Atemmuskulatur etwa 40 % der 4 Vermeidung von zu hoher Fettapplikation
maximal möglichen Kraft, droht die muskuläre Er- bei der totalen parenteralen Ernährung mit
schöpfung. »fat overload syndrome« o Hypoxämien
Gründe sind: infolge Störung des Eikosanoidstoffwechsels
4 ungenügende Atemmechanik (Diskoordina- (Thromboxan A2 + Leukotriene B4) und
tion der Atemmuskulatur, Proteinkatabolis- Perfusionsstörungen der Lunge
mus, Sedativaüberhang, diaphragmale Minder- 4 Applikation eines höheren Aminosäure- oder
perfusion, Elektrolytstörungen etc.) Proteinanteils der Ernährung o Stimulation
4 erhöhte Atemarbeit oder erhöhter Bedarf an des Atemzentrums
alveolärer Ventilation (reduzierte Lungencom- 4 vorsichtiger Flüssigkeitsentzug oLemaire
pliance, Hyperthermie, COPD etc.) konnte nachweisen, dass Patienten mit kardio-
4 Bei COPD sind die Zwerchfellkuppeln abge- vaskulärer Insuffizienz und COPD beim
flacht, wodurch es zu einer Verschlechterung Übergang von mechanischer Beatmung auf
der Länge-Kraft-Relation der Muskelfasern Spontanatmung die akute Erhöhung der links-
kommt. Zusätzlich muss zur Überwindung des ventrikulären Vor- und Nachlast erst nach
iPEEP in der frühen inspiratorischen Atem- mehrtägiger schonender negativer Flüssig-
phase vermehrt isometrische Atemarbeit keitsbilanzierung (und ggf. Katecholamin-
geleistet werden! therapie) tolerierten!
4 psychologische Komponente nach rezidivie- 4 evtl. Steigerung der diaphragmalen Kontrak-
renden Reintubationen (mentale Abhängigkeit tilität durch Theophyllinpräparate (unspezi-
vom Beatmungsgerät) fische PDE-Hemmer) und Verbesserung der
diaphragmalen Perfusion
! Beim Weaning sollte alles unternommen 4 ggf. Einsatz von Katecholaminen (zusätzlich
werden, um eine Erhöhung der Atemarbeit anabole Wirkung) und/oder Phosphodieste-
zu vermeiden. Eine erhöhte Atemarbeit ist rase-III-Hemmer
definiert als das Produkt aus transpulmona- 4 bei ängstlichen Patienten: psychische Unter-
lem Druck und Atemzugvolumen. Im Falle stützung, pharmakologische Anxiolyse und
einer Reintubation kommt es zu einem deut- Sedierung (Chlordiazepoxid, Haloperidol und
lichen Anstieg der Letalität (bis zu 33 %). Morphin [unterdrückt das Gefühl der Atem-
not]) o Angst während des Weaning ist durch
einen Anstieg des Tidalvolumens gekennzeich-
net! (bei kardialem oder respiratorischem
Pumpversagen: VT p und AF n und pCO2 n)
Ausgewählte Literatur
191 7
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193 8

Nichtinvasive Beatmung (NIV)


W. Zink

8.1 Grundlagen – 194

8.2 Klinische Durchführung – 195

8.3 Intermittierende Selbstbeatmung (ISB) – 196

Ausgewählte Literatur – 196

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
194 Kapitel 8 · Nichtinvasive Beatmung (NIV)

Historie der nichtinvasiven Beatmung 4 nicht gesichert


1936 Erstanwendung bei einem Patienten mit kardialem 5 chronisch ventilatorische Insuffizienz (CVI)
Lungenödem bzw. palliative Linderung der Dyspnoe
1981 Erste erfolgreiche nasale CPAP-Therapie bei Schlaf-
5 zur/während der Bronchoskopie
apnoesyndrom durch Sullivan
1989 Erfolgreiche NPPV-Therapie bei akuter respiratorischer
Insuffizienz bei intensivmedizinisch betreuten Patien- Anmerkung: Leitsymptom der CVI ist die Hyper-
ten mit vorbestehender Lungenerkrankung durch kapnie. Weitere Symptome sind Kopfschmerzen,
Meduri et al. (1989) Schlafstörungen, Schlafneigung am Tage, Konzent-
2003 Nichtinvasive Beatmungsformen im DRG-System rations- und Merkfähigkeitsstörungen.
kodierbar
2007 Veröffentlichung der S3-Leitlinie zur nichtinvasiven
Beatmung
jKontraindikationen
4 absolut
5 fehlende Spontanatmung oder Schnapp-
8.1 Grundlagen atmung
5 fixierte oder funktionelle Verlegung der
jDefinition Atemwege
4 Mechanische Beatmung, die im Gegensatz zur 5 gastrointestinale Blutung oder Ileus
invasiven Beatmung nicht über einen endo- 5 Multiorganversagen
8 trachealen Tubus oder Tracheostoma, sondern 5 stark eingeschränkte Vigilanz oder gestörte
über eine Mund-Nasen-Maske, eine Nasen- Neurologie sowie Patienten mit erhöhtem
maske, eine Ganzgesichtsmaske oder mit Aspirationsrisiko
einem Beatmungshelm erfolgt. 5 fehlende Schutzreflexe der oberen Atem-
4 Ziel der nichtinvasiven Beatmung ist die wege
Vermeidung von beatmungsassoziierten 4 relativ
Komplikationen wie z. B. der tubusasso- 5 eingeschränkte Kooperation bzw. massive
ziierte Pneumonie (Empfehlungsgrad A), Agitiertheit des Patienten
die Reduktion der Letalität sowie die 5 Koma
Reduktion der Aufenthaltsdauer auf der 5 massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie
Intensivstation. 5 schwergradige Hypoxämie und Azidose
(pH <7,1)
jIndikationen 5 hämodynamische Instabilität (kardiogener
4 gesichert Schock oder akuter Myokardinfarkt mit
5 akute hyperkapnische respiratorische Insuf- Lungenödem) (cave: erhöhte Mortalität un-
fizienzen mit pH-Werten <7,35 und pCO2 ter NIV mit PSV-Modus)
>45 mmHg; z. B. akute COPD-Exazer- 5 Zustand nach oberer gastrointestinaler
bation, Obesitas-Hypoventilation Operation
5 akutes kardiogenes Lungenödem → Reduk- 5 Verletzungen im Gesichts- und HNO-Be-
tion der Mortalität und der Intubationsrate, reich sowie anatomische und/oder subjek-
keine höhere Mortalität nach Postinfarkt- tive Schwierigkeiten hinsichtlich des Beat-
lungenödem unter NIV mungszuganges
5 akute respiratorische Insuffizienz (ARI)
bei immunsupprimierten Patienten, z. B. jVorteile
nach Transplantation bzw. mit Immun- 4 Reduktion der ventilator-(tubus)assoziierten
schwäche Pneumonierate und der Mortalität (z. B. 19 %
5 Postextubationsphase und Weaning von in- vs. 10 % bzw. 41 % vs. 22 % nach Carlucci et al.
vasiver Langzeitbeatmung bei hyperkap- 2009)
nischer ARI 4 erhaltener Hustenreflex und ungehinderte
bronchiale Sekretmobilisierung
8.2 · Klinische Durchführung
195 8
4 fehlende Notwendigkeit oder geringerer Be- 8.2 Klinische Durchführung
darf an medikamentöser Sedierung → gerin-
gere Beeinflussung der Darmmotilität 8.2.1 Monitoring
4 Verkürzung des Intensivaufenthaltes, Senkung
der Beatmungsdauer, Reduktion der 60-Tage- 4 EKG
Mortalität (nach Nava 1998), insbesondere bei 4 Blutdruck
COPD-Patienten → u. a. durch Vermeidung 4 Pulsoxymetrie
einer (Re-)Intubation mit ihren Folgen 4 intermittierende arterielle BGA-Unter-
4 Kostenreduktion der Intensivbehandlung suchungen
4 Reduktion der Atemarbeit durch 4 klinischer Eindruck!
»inspiratory pressure support« (IPS) und PEEP
(Reduktion des O2-Verbrauchs, Wiederherstel-
lung der koordinierten Atemmechanik, 8.2.2 Beatmung
Reduktion des Einsatzes der Atemhilfsmusku-
latur, Vermeidung der Erschöpfung des Dia- 4 halbsitzende (45°-)Lagerung
phragmas) 4 Halten der Gesichtsmaske mit der Hand
4 Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme (Patient oder Hilfsperson)
4 Möglichkeit der Kommunikation für den 4 evtl. Abdichtung und Polsterung der Maske,
Patienten bei guter Akzeptanz Fixierung der Maske mit
4 geringere Inzidenz an Harnwegsinfektionen Gummizügel
(20 % vs. 6 %) und katheterassoziierten Infek- 4 Anwendung von
tionen (18 % vs. 4 %) nach Girou et al. (bedingt 5 BIPAP, BiLevel-CPAP o. Ä. mit Hilfe eines
wahrscheinlich durch eine verbesserte kommerziell erhältlichen Gerätes zur
Abwehrlage bei Vermeidung der invasiven nichtinvasiven Beatmung wie z. B. BIPAP-
Beatmung) Vision, EVITA XL mit spezieller Beat-
mungssoftware oder
jNachteile 5 assistierte/kontrollierte Beatmung
4 initial hoher Pflegeaufwand für die ersten (druck- oder volumenkontrolliert) je nach
Stunden (später geringere Personalbindung als angewandtem Gerät
die invasive Beatmung) 5 NAVA? (7 Kap. 7)
4 Hautläsionen im Bereich des Gesichtes und 4 Beatmung über
Konjunktivitis insbesondere durch Nasen und 5 Nasen-Mund-Maske, z. B. Mirage-Gesichts-
Nasen-Mund-Masken maske, Fa. Resmed oder Rudolph-Beat-
4 Lärm und Irritation des Gehörs beim Helm- mungsmasken, Fa. Rüsch
einsatz 5 Ganzgesichtsmaske, z. B. Fa. Respironics
4 Aerophagie 5 spezielle Helme wie z. B. 4-Vent-Helm, Fa.
4 evtl. Aspirationsgefahr bei eingeschränkter Rüsch oder CASTAR R-Helm, Fa. Starmed
Vigilanz
4 relativ kostenintensiver Beatmungshelm zur . Tab. 8.1 zeigt Vor- und Nachteile der Anwendung
Einmalverwendung der Nasen- und Mund-Nasenmaske sowie des Beat-
4 notwendige Nachrüstung älterer Respiratoren mungshelms.
mit spezieller nichtinvasiver Beatmungssoft-
ware
196 Kapitel 8 · Nichtinvasive Beatmung (NIV)

tendenzielle Besserung der klinischen Sympto-


. Tab. 8.1 Vor- und Nachteile der verschiedenen
Beatmungszugänge
matik (Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie, pH
>7,34 bzw. pH-Anstieg), sollte eine zügige
Aspekte Nasen- Mund- Helm orale Intubation mit konventioneller Beat-
maske Nasen- mung erfolgen!
maske 4 gleiches Prozedere gilt für einen Wiederanstieg
des CO2 im Therapieverlauf
Mundleckage – + +
4 bei chronischer Überlastung der Atempumpe
Volumen-Monitoring – + – für 6–8 h täglich (weitgehend ausreichend)
Initiales Ansprechen 0 + 0 4 bei neuromuskulären Erkrankungen (NME)
der Blutgase für >16 h
Sprechen + – 0
! Erhöhte Abbruchrate der nichtinvasiven Be-
Expektoration + – – atmung insbesondere bei Patienten mit Aus-
Aspirationsrisiko + 0 + gangs-pH <7,2 oder höherem APACHE-Score!

Aerophagie + 0 0

Klaustrophobie + 0 0 8.3 Intermittierende


8 Selbstbeatmung (ISB)
Totraum + 0 –

Lärm und Irritation + + – jIndikationen


des Gehörs Chronische ventilatorische Insuffizienz im Rahmen
Vorteil: +
von
Neutral: 0 4 neuromuskulären Erkrankungen (Duchenne-
Nachteil: – und Becker-Dystrophie, spinale Atrophien,
bilaterale Zwerchfellparesen mit Apnoephasen
während des REM-Schlafes)
4 adipositasbedingter Hypoventilation
8.2.3 Primäre Einstellung 4 Thoraxrestriktion (pCO2 >45 mmHg)
des Respirators 4 Erschöpfung der respiratorischen Pumpe bei
COPD (pCO2 >55 mmHg)
4 CVI: IPAP 6–8 cmH2O und EPAP 4–6 cmH2O 4 Schlafapnoesyndrom (SAS)
und kontinuierliche Steigerung, ggf. unphysio-
logisches I:E-Verhältnis (1:1), niedrige Atem-
zugvolumina und höhere AF und niedrigeren Ausgewählte Literatur
Inspirationsfluss einstellen (wird teilweise nach
Anfangsproblemen vom Patienten besser tole- American Thoracic Society (2001) International Consensus
Conferences in Intensive Care Medicine: Non-invasive
riert).
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4 Lungenödem: CPAP von 10–12 cmH2O und – Am J Respir Crit Care Med 163:283–291
falls notwendig – nur ein IPAP, der geringfügig Antonelli et al. (1998) A comparison of non-invasive positive
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8.2.4 Dauer der NIV using a helmet in patients with acute exacerbation of
chronic obstructive pulmonary disease: A feasibility
4 bei akuter respiratorischer Insuffizienz initial Study. Anesthesiology 100:16–24
Therapieversuch für ca. 30–60 min Antonelli M, Conti G, Esquinas A et al. (2007) A multiple-
4 falls nach dieser Zeit keine adäquate Oxygenie- center survey on the use in clinical practice of noninva-
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Hyperbare Oxygenierung
(HBO)
W. Zink

9.1 Definition – 200

9.2 Formen – 200

9.3 Ziele – 200

9.4 Indikationen – 200

9.5 Kontraindikationen – 200

9.6 Nebenwirkungen – 201

Ausgewählte Literatur – 201

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
200 Kapitel 9 · Hyperbare Oxygenierung (HBO)

jHistorie 4 Reduktion von Ödemen infolge Vasokonstrik-


4 1961: erster Einsatz der HBO von Boerema u. tion bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der
Brummelkamp zur Therapie des Gasbrands Gewebsoxygenierung
4 Verbesserung der leukozytären Phagozytose-
aktivität
9.1 Definition

Behandlungsform, bei der der Patient in einer 9.4 Indikationen


Überdruckkammer Sauerstoff unter erhöhtem Par-
tialdruck (2–3 atm) für 45 min (CO-Intoxikation) 4 nekrotisierende Weichteilinfektion und
oder bis zu 6 h (schwere Gasembolie) atmet. clostridiale Myonekrose (Gasbrand) mit dem
TS 300-90-Schema, d. h. Behandlung mit
300 kPa (3,0 bar) für 90 min; 3 Sitzungen in
9.2 Formen den ersten 24 h und anschließend 2 Sitzungen
in den folgenden 2–4 Tagen (Nach GTÜM e.V.
4 Mehrplatzdruckkamer (meistens) 1996)
4 Monoplatzdruckkammer 4 Dekompressionskrankheit (Caisson-Erkran-
kung) mit dem TS 280-60-Schema
4 Problemwundenbehandlung insbesondere
9.3 Ziele bei Diabetikern mit dem TS 240-90-Schema
9 für 14 Tage
4 Erhöhung des Anteils des physikalisch gelösten 4 Luft- und Gasembolien mit dem TS
Sauerstoffs aufgrund der Steigerung des Umge- 600-30-Schema
bungsdrucks (2,5–3,0 bar) und Zufuhr von 4 Kohlenmonoxidvergiftung (CO-Intoxikation)
reinem Sauerstoff o Berücksichtigung der 4 ausgedehnte und tiefe Weichteilverletzungen
Henry-Gleichung: Gaskonzentration in einer (Crush-Verletzungen, Kompartimentsyndrom)
Flüssigkeit ist abhängig vom Partialdruck 4 Verbrennungen/Verbrennungskrankheit
[= Barometerdruck × Volumenanteil] und dem 4 Prävention und Therapie eines radiogenen
Löslichkeitskoeffizienten o Verbesserung der Schadens (Osteoradionekrose, Strahlenzystitis)
Gewebsoxygenierung auch in schlecht perfun- und Strahlensensibilisierung von Tumorzellen
dierte Areale → 3 Zyklen à 30 min bei 240 kPa (ca. 1,8 bar)
4 Reduktion der Gasblasendurchmesser bei Luft 4 therapieresistente Osteomyelitis
bzw. Gasembolien oder Dekompressions- 4 Hörsturz mit/ohne Tinnitus
krankheit o Berücksichtigung des Boyle-Ma- 4 lebensbedrohlicher Blutverlust
riotte-Gesetzes: Produkt aus Druck und Volu- 4 eventuelle weitere Indikationen für den Einsatz
men eines Gases ist konstant o Reduktion der der HBO können sein:
Ischämiezone und Ausschwemmung der Gas- 5 Otitis externa necroticans
blasen in die Peripherie 5 Neuroblastom
4 schnellere Verdrängung von gebundenem 5 interkranielle Abszesse
Kohlenmonoxid (CO) aus der Hämoglobin- 5 gefährdete Haut-/Weichteiltransplantate
verbindung (25–30 min bei HBO vs. 80–
90 min unter reiner O2-Beatmung bzw. 5 Std.
unter Raumluftventilation) 9.5 Kontraindikationen
4 direkte bakterizide Eigenschaft hoher O2-
Konzentrationen (1.500–2.000 mmHg) auf 4 Lungenläsion (z. B. Pneumothorax)
Anaerobier 4 Schädel-Hirn-Trauma mit intrakranieller Luft
4 hirndrucksenkender Effekt hoher paO2-Kon- 4 bekanntes Krampfleiden
zentrationen (zerebrale Vasokonstriktion) 4 Schwangerschaft
Ausgewählte Literatur
201 9
4 gestörte Mittelohrbelüftung (Gefahr der Ausgewählte Literatur
Trommelfellruptur)
4 gestörte alveoläre Belüftung (bullöses Emphy- Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin e.V. (GTÜM).
Leitlinie Tauchunfall. Von der Gesellschaft für Tauch- und
sem, Dystelektasen, Sekretverhalt mit Ventil- Überdruckmedizin; www.gtuem.org
effekt) sowie pulmonale Infekte Jaeger K, Jüttner B (2003) Hyperbare Sauerstofftherapie.
4 Chemotherapie (Bleomycin! Cave: bei simulta- Anästhesiol Intensivmed 3: 187–202
ner Gabe von Cyclosphosphamid, Doxorubicin
und Cisplatin → 4–6 Wochen Abstand)
4 bestehendes Asthma bronchiale

9.6 Nebenwirkungen

4 zentral neurologische Störungen (von Benom-


menheit bis zu zerebralen Krampfanfällen)
4 Barotraumata im Rahmen der Kompression
und Dekompression von Nasennebenhöhlen,
Mittelohr und Lunge (Pneumothorax und
Mediastinalemphysem) → Valsalva-Manöver
oder Anlegen einer Paukendrainage bei beat-
meten Patienten können Mittelohrschäden
vermeiden helfen
4 direkte Lungenschädigung durch O2-Toxizität
4 eine direkte Lungenschädigung durch O2-Toxi-
zität kann durch intermittierende Luftatmung
für 5–10 min alle 20–30 min abgeschwächt
werden!
4 durch HBO ausgelöste Hyperventilation mit
zerebraler Vasokonstriktion und Minder-
perfusion
4 Erhöhung des Strömungswiderstands im
Bronchialsystem o Atemwiderstand n, Atem-
arbeit n
4 Erhöhung des arteriellen Drucks, Abfall der
Herzfrequenz und pCO2-Anstieg
4 gerätetechnische Komplikationen
4 erhöhte Brandgefahr
4 Cuff-Komplikation beim beatmeten Patienten
4 bei Kompression und Dekompression o Fül-
lung des Cuffs vor der Dekompression mit
Kochsalz
4 Respiratorprobleme (Evita 4 nur bis 1,8 bar
einsetzbar)
203 10

Kardiopulmonale Reanimation
(CPR)
W. Zink

10.1 Vorbemerkungen – 204

10.2 Aktuelle Reanimationsleitlinien (Oktober 2010) – 205

10.3 Therapeutische Hypothermie – 211

Ausgewählte Literatur – 216

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
204 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

Historie der Reanimation jUrsachen des Herz-Kreislauf-Stillstands


1956 Therapeutische Empfehlung zur Terminierung des 4 primär kardiale Ursachen (bis zu 80 %)
Kammerflimmerns mit Elektrizität (nach Zoll et al. 5 myokardiale Ischämie bzw. Myokardinfarkt
1956)
(eine ischämische Herzerkrankung ist die
1958 Einführung der Mund-zu-Mund-Beatmung (Safar et
al. 1958) häufigste Ursache des plötzlichen Herztodes
1960 Erste Empfehlung zur Thoraxkompressionsmassage beim Erwachsenen in der »industrialisier-
1966 First Conference on CPR ten Welt«)
2000 Erste Leitlinien basierend auf dem Consensus on CPR 5 Elektrolytentgleisungen
Science with Treatment Recommandations (CoSTR), 5 Intoxikation, Medikamentenüberdosierung
welche seither alle fünf Jahre überarbeitet werden
5 Elektrounfall
2010 Neuesten Leitlinien zur CPR
5 Perikardtamponade, Trauma
4 primär respiratorisch Ursachen
5 Verlegung der oberen Luftwege
10.1 Vorbemerkungen 5 Beinahe-Ertrinken
5 O2-Mangel der Umgebungsluft
In Europa erleiden ca. 370.000 Menschen einen 4 primär zirkulatorische Ursachen
plötzlichen Kreislaufstillstand. Maximal 50 % der 5 alle Schockformen, einschließlich Anaphy-
Betroffenen können präklinisch »erfolgreich« re- laxie
animiert werden, sodass sie mit einem wiederer- 5 Lungenembolie
langten Kreislauf (»return of spontanous circula-
> Da die Herz-Kreislauf-Stillstände zu 80 % kar-
tion«; ROSC) in die Klinik eingeliefert werden. Nur
dialer Natur und nur zu 20 % durch andere
ca. 10–15 % aller reanimierten Patienten überleben
Ursachen bedingt sind, ist der Kreislauf zu-
10 ohne neurologisches Defizit.
nächst wichtiger als die Oxygenierung: Herz-
Die International Liaison Committee of Resus-
druckmassage (HDM) vor primärer Beatmung!
citation (ILCOR), bestehend aus dem European
Resuscitation Council (ERC), der American Heart
Association (AHA) und u. a. den Resuscitation jKlinik des Kreislaufstillstands
Councils von Kanada, Australien, Südafrika haben 4 Bewusstlosigkeit innerhalb von 10–15 s nach
am 18. Oktober 2010 die neuen, derzeit gültigen Herzstillstand
Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation ver- 4 ggf. zerebrale Krämpfe nach 15–45 s
öffentlicht. 4 Atemstillstand, Schnappatmung bei primärem
Die Intention der neuen Leitlinien ist eine Ver- Kreislaufstillstand nach 15–40 s
besserung der Praxis der Wiederbelebung und letzt-
lich der Überlebensrate, die trotz großer Anstren-
gungen immer noch sehr schlecht ist!
Gründe für die vorhandene stagnierende Er-
folgsquote sind:
4 fehlende Interventionsbereitschaft der Notfall-
zeugen
4 mangelnde Qualität der Reanimation,
insbesondere der Thoraxkompression
4 ungezielte Behandlung im Postreanimations-
stadium
4 zu später Beginn der Reanimationsmaß-
nahmen (jede Minute Herz-Kreislauf-Still-
stand reduziert die Überlebenswahrscheinlich-
keit um 7–10 %; . Abb. 10.1) . Abb. 10.1 Abhängigkeit der Überlebensrate vom Zeit-
punkt des CPR-Beginns nach Herz-Kreislauf-Stillstand
10.2 · Aktuelle Reanimationsleitlinien (Oktober 2010)
205 10

. Abb. 10.2 Basic Life Support (BLS) für Erwachsene und AED. (Aus European Resuscitation Council Guidelines for Resusci-
tation 2010)

4 Pupillenerweiterung und Verlust der Licht- neurologische Outcome nach primär erfolgreicher
reaktion nach 30–60 s (unsicheres Zeichen!) Reanimation zu beeinflussen.
4 Veränderung des Hautkolorits (unsicheres
> Die biphasische Defibrillation terminiert
Zeichen!)
durch den 1. Schock häufiger eine VT/VF und
ist der monophasischen Defibrillation über-
legen (. Abb. 10.4)!
10.2 Aktuelle Reanimationsleitlinien
(Oktober 2010) . Tab. 10.1 zeigt eine übersichtliche Darstellung der
Einzelmaßnahmen des Basic Life Support (BLS)
10.2.1 Reanimationsempfehlungen beim Erwachsenen.
für Erwachsene . Tab. 10.2 zeigt eine übersichtliche Darstellung
der Einzelmaßnahmen des Advanced Life Support
Die Algorithmen Basic Life Support (BLS) und Ad- (ALS) beim Erwachsenen.
vanced Life Support (ALS) für Erwachsene sind in . Tab. 10.3 zeigt die Ergebnisse der TROICA-
. Abb. 10.2 und . Abb. 10.3 dargestellt. Studie.
BLS umfasst alle Basismaßnahmen, welche so- Maßnahmen, die in der Postreanimationsphase
wohl durch den Laien, als auch durch den profes- durchgeführt werden können, sind in . Tab. 10.4
sionellen Helfer durchgeführt werden können – zusammengefasst.
einschließlich der Nutzung eines Automatisierten
Externen Defibrillators (AED).
ALS umfasst erweiterte Maßnahmen, welche 10.2.2 Reanimationsfolgen
vom professionellen Helfer je nach Ausbildungs-
stand durchgeführt werden können, um die BLS- Nach einer erfolgreichen Reanimation sollte im
Maßnahmen zu ergänzen und zu optimieren. Verlauf nach Komplikationen/Verletzungen ge-
Eine wichtige Stellung nimmt das Management sucht werden:
der Peri- bzw. Postarrestphase ein. Hier ist es mög- 4 Hämato-/Pneumothorax
lich, einen Herzstillstand durch frühzeitiges Erken- 4 Perikardtamponade
nen von Risikopatienten zu vermeiden bzw. das 4 Leber- und Milzverletzungen
206 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

10

. Abb. 10.3 Advanced Life Support (ALS) für Erwachsene. (European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010)

. Tab. 10.1 Basic Life Support (BLS) des Erwachsenen und AED

Maßnahme Anmerkungen

Reanimations- Die Entscheidung zum Start von Reanimationsmaßnahmen fällt sofort nach Feststellung von
beginn Bewusstlosigkeit, nicht normaler Atmung, fehlenden Zeichen für eine Spontanzirkulation und
nach dem Absetzen des Notrufs ( o »call first!«)

Im Laienbereich entfällt das Tasten des Pulses

Herz-Druck- Der Druckpunkt der Herzdruckmassage befindet sich in der Mitte des Brustkorbs, d. h. auf der
Massage (HDM) unteren Hälfte des Brustbeins

Die Kompressionstiefe beträgt 5–6 cm

Die Kompressionsfrequenz beträgt 100–120/min


Motto: »push hard and push fast«!

Beim intubierten Patienten weiterhin HDM (asynchron von der Beatmung) mit einer Frequenz von
100–120/min

Zur Wahrung der Qualität der Kompressionen sollen Feedbacksysteme verwendet werden
10.2 · Aktuelle Reanimationsleitlinien (Oktober 2010)
207 10

. Tab. 10.1 (Fortsetzung)

Maßnahme Anmerkungen

Herz-Druck- Die Helfer sollen sich alle zwei Minuten für die Thoraxkompression ablösen, um einen durch-
Massage (HDM) gehend effektiven Flow zu gewährleisten
(Fortsetzung)
Geringste Pausen (Sekunden!!!) der Thoraxkompression verschlechtern die Prognose deutlich!
Daher sollten jegliche Unterbrechungen (»no-flow-time«) der Thoraxkompressionen vermieden
werden. Maximal 10 s für das Tubusvorschieben!

Harte Unterlage verwenden! Jedoch keine Zeit beim Unterlegen eines Rückenbretts verlieren.
Scheint keinen gesicherten Vorteil zu haben!

Ab der 20. Schwangerschaftswoche Becken rechts anheben und Uterus nach links verlagern!

Beatmung Sofortiger Start der HDM, und erst nach 30 Kompressionen der erste Beatmungszyklus; keine
initiale Beatmung bei Erwachsenen. Ausnahme: asphyktischer Stillstand, z. B. nach Ertrinken

Die Beatmungsdauer beträgt 1 s

Die FiO2 soll möglichst 1,0 betragen

Für nicht intubierte Erwachsene im Kreislaufstillstand beträgt das Verhältnis von Kompressionen
zu Beatmungen 30:2 (ca. 2 min)

Das Tidalvolumen sollte 500–600 ml bzw. 6–7 ml/kg KG betragen (sichtbares Thoraxheben)

Beatmung unter der Reanimation mit 100 % Sauerstoff. Nach Wiedererlangung eines Kreislaufes
sollte die Sauerstoffkonzentration zur Vermeidung einer Radikalenbildung erniedrigt werden.
Eine arterielle Sauerstoffsättigung von 94–98 % ist ausreichend!

Automatisierter AED sollten an solchen Orten positioniert werden, an denen alle 2 Jahre mit einer Reanimation zu
externer rechnen ist!
Defibrillator
Innerklinisch sollte in 3 min nach Arrestbeginn (!) ein Schock abgegeben sein. Ansonsten ist die
(AED)
Platzierung von AED empfohlen

Während des Ladevorgangs soll die Thoraxkompression für kurze Zeit bis zum Schock aufgenom-
men werden; auch Sekunden der Thoraxkompression unmittelbar vor Schock erhöhen bereits den
Defibrillationserfolg!

Durch entsprechende Technologie ist es bei einigen Geräten bereits möglich, während der
Analysephase die Thoraxkompression weiter durchzuführen. Die Artefakte werden mithilfe der
Software herausgefiltert o maximale Verkürzung der »no-flow time«!

AED wurden als »der größte individuelle Fortschritt in der Behandlung des Kreislaufstillstands
infolge Kammerflimmerns seit der Einführung der Herz-Lungen-Wiederbelebung« beschrieben!

Einsetzbar ab dem 1. Lebensjahr


208 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

. Abb. 10.4 Mono- und biphasische Defibrillation

. Tab. 10.2 Advanced Life Support (ALS) des Erwachsenen

Maßnahme Anmerkungen

Beatmung Die Intubation wird zur Sicherung der Atemwege und zum Aspirationsschutz durch in diesem
Verfahren trainierte und sehr erfahrene Personen empfohlen. Voraussetzungen sind:

Intubation muss unter laufender Kompression erfolgen

Standardtubus ist ein Magill-Tubus von 7,5 mm Innendurchmesser


10 Insgesamt max. 10 s Unterbrechung der Kompression für Einführen des Tubus, Lagekontrolle u. a.
intubationsassoziierte Unterbrechungen

Kapnographie ist obligat nach Intubation!

Verifizierung der endotrachealen Tubuslage

Frühzeitiges Erkennen des ROSC möglich

Überwachen der CPR-Qualität

Supraglottische Atemwegshilfen sind gute Alternativen zur endotrachealen Intubation, zumal sie
auch mit wenig Erfahrung erfolgreich einzubringen sind

Defibrillation Als Defibrillation wird die simultane Depolarisation einer kritischen Myokardmasse durch eine
ausreichende Strommenge zur Wiederherstellung einer geordneten elektrischen Erregung mit
effektiver Kontraktion bezeichnet

Rhythmen mit Defibrillationsindikation: Kammerflimmern (VF) und pulslose ventrikuläre Tachy-


kardie (pVT)

Die Defibrillation sollte so früh wie möglich erfolgen. Jede Minute Defibrillationsverzögerung
verschlechtert die Wahrscheinlichkeit zu überleben um 10–12 %, unter begonnener CPR um
3–4 %!

Beim beobachteten und auch beim unbeobachteten Kreislaufstillstand soll so schnell wie möglich
defibrilliert werden. Die 2005 abgegebene Empfehlung einer zweiminütigen CPR vor dem ersten
Schock bei unbeobachtetem Kreislaufstillstand wurde mangels Evidenz revidiert

Während des Ladevorgangs soll die Thoraxkompression für kurze Zeit bis zum Schock aufgenom-
men werden; auch Sekunden der Thoraxkompression erhöhen bereits den Defibrillationserfolg!

Durch entsprechende Technologie ist es bei einigen Geräten bereits möglich, während der
Analysephase die Thoraxkompression weiter durchzuführen. Die Artefakte werden mithilfe der
Software herausgefiltert o maximale Verkürzung der »no-flow-time«!
10.2 · Aktuelle Reanimationsleitlinien (Oktober 2010)
209 10

. Tab. 10.2 (Fortsetzung)

Maßnahme Anmerkungen

Defibrillation Die Energie des 1. Defibrillationsschocks beträgt geräteabhängig:


(Fortsetzung) – bei biphasischer Schockform 150–200 J oder
– bei monophasischer Schockform 360 J (anschließend bei beiden Defibrillationsformen immer
die höchst mögliche Energie o 200–360 J)

Die biphasische Defibrillation terminiert durch den 1. Schock häufiger eine pVT/VF und ist der
monophasischen Defibrillation überlegen (. Abb. 10.4)
Nach erfolgter Defibrillation sofort CPR ohne Pulskontrolle für 2 min; dann erst Pulskontrolle und
EKG-Analyse
Die kurz hintereinander erfolgende 3-malige Abgabe des Elektroschocks ist verlassen worden! Die
3-Schock-Strategie hat nur noch bei CPR im Herzkatheterlabor und bei unmittelbar postopera-
tiven kardiochirurgischen Patienten eine Bedeutung
Bei Respiratorbeatmung ohne Diskonnektion in Exspiration defibrillieren
Defibrillationsgel sollte nicht mehr verwendet werden. Gelpads oder Defibrillationspads sind zu
bevorzugen
ACD-CPR Die aktive Kompression-Dekompressions-CPR allein ist der Standard-CPR nicht überlegen!

Mechanische Trotz verbesserter Hämodynamik im Vergleich zur manuellen Thoraxkompression keine deutliche
Hilfsgeräte zur Evidenz für verbesserte Überlebensrate
mechanischen
Möglicherweise Nutzen bei protrahierter CPR oder in besonderer Umgebung (CT, Herzkatheter-
Kompression bei
labor, Transport)
der kardiopulmo-
nalen Reanima-
tion (»loading-
distributing-
band« – AutoPuls,
LUCAS)

Medikamenten- Venenzugang peripher: 1. Wahl ist die Ellenbeugevene oder V. jugularis externa, schnelle Bolus-
applikation injektion, danach 20 ml NaCl 0,9 % und Anheben der Extremität für 10–20 s
Intraossäre Applikation soll erwogen werden, wenn innerhalb der ersten 2 min nach CPR-Beginn
kein i.v. Zugang etabliert werden kann: geeignet für Medikamente, Volumengabe und Erheben
von Laborwerten (Verwendung von Spezialnadeln)
Die endotracheale Applikation wird nicht mehr empfohlen. Die erzielten Wirkspiegel scheinen
völlig unkalkulierbar
Das Legen eines zentralvenösen Zugangs (ZVK) unter CPR wird nicht empfohlen!
Adrenalin Indika- Asystolie und pulslose elektrische Aktivität (PEA): 1 mg Adrenalin i.v./i.o., sobald ein
(Epinephrin) tionen intravenöser Zugang gelegt ist. Wiederholung alle 3–5 min, bis eine spontane Zirkula-
tion erreicht ist
Nach der 3. erfolglosen Defibrillation Gabe von 1 mg Adrenalin i.v./i.o. Solange VF/pVT
fortbesteht, Wiederholung alle 3–5 min, bis eine spontane Zirkulation erreicht ist
Bedrohliche Bradykardien und arterielle Hypotonien
Anmerkung: Bisher liegt kein Nachweis der Outcome-Verbesserung beim Menschen vor; aller-
dings Verbesserung der myokardialen und zerebralen Perfusion durch α-adrenerge Wirkung. Die
β-adrenerge Wirkung (Inotropie, Chrontropie) kann zu einer Verbesserung des koronaren und
zerebralen Blutflusses führen, jedoch auch zu gesteigertem O2-Verbrauch des Myokards, Arrhyth-
mogenität und Zunahme des arteriovenösen Shunts
Die High-dose-Adrenalingabe wird nicht mehr empfohlen!
210 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

. Tab. 10.2 (Fortsetzung)

Maßnahme Anmerkungen

Amiodaron Nach der 3. erfolglosen Defibrillation Gabe von Amiodaron (300 mg i.v.); evtl. Repetition mit
(Cordarex) 150 mg i.v. bei wieder auftretendem oder schockrefraktärem VF/pVT, danach eine Infusion von
900 mg über 24 h

Behandlung von vorwiegend ventrikulären Rhythmusstörungen

Gesicherte Verbesserung des Outcomes (Klinikaufnahme) im Vergleich zu Placebo und Lidocain!

Lidocain 2 % Lidocain 2 % wird nicht mehr empfohlen! Ist nur noch einzusetzen, wenn Amiodaron nicht
verfügbar

Atropin Keine Empfehlung mehr zur routinemäßigen Gabe bei Asystolie und PEA

Nur bei konkretem Anhalt für eine vagale Ursache des Arrests kann Atropin 3 mg weiter erwogen
werden

Natrium- Generell nicht empfohlen (nur bei Hyperkaliämie oder Intoxikation mit trizyklischen Antidepres-
bikarbonat siva oder vorbestehender metabolischer Azidose, evtl. nach längerer Reanimation mit pH-Wert
<7,25 bzw. »base excess« (BE) ≥10 mmol)

Initiale Dosierung: 50 mmol der 8,4 %igen Lösung, weitere Gabe nur nach BGA

Theophyllin Kein klarer Benefit gezeigt; evtl. bei Asystolie

Initiale Dosierung: 5 mg/kg KG

10 Magnesium
(Diasporal)
Routinemäßige Gabe wird nicht empfohlen, außer bei Torsade de pointes als vermutete Ursache

Initiale Dosierung: 8 mmol (4 ml 50 %iges Magnesiumsulfat bzw. 2 g), Wiederholung ggf. nach
10–15 min!

Kalzium Nur bei pulsloser elektrischer Aktivi- – Hyperkaliämie


tät (PEA) und Verdacht auf: – Hypokalzämie
– Überdosis von Kalziumantagonisten

Initiale Dosierung: 10 ml CaCl2 10 %

Vasopressin Wird derzeit generell nicht empfohlen! Gegenüber Adrenalin keine Outcome-Verbesserung für
(Pitressin) alle Patienten

Thrombolytika Bei Kreislaufstillstand aufgrund einer Lungenembolie und nach Myokardinfarkt mit Versagen der
Standard-CPR als Einzelfallentscheidung, wenn thrombotische Ätiologie des Stillstands ange-
nommen wird*

Die CPR-Maßnahmen werden nach Thrombolytikaapplikation für 60–90 min fortgeführt

Medikamente: Alteplase (Actilysin) 0,6 mg/kg KG i.v., maximal 50 mg oder Reteplase (Rapilysin)
10 IE i.v. oder Tenecteplase (Metalyse) 0,5 mg/kg KG, maximal 50 mg

* Die Ergebnisse der größten Lysestudie während Reanimation (TROICA-Studie; n=827) zeigten keine Vorteile der
prähospitalen Lyse bei simultaner höherer Rate an symptomatischen intrazerebralen Blutungen (1,0 % vs. 0 %) und
allgemein leicht erhöhten Blutungskomplikationen. . Tab. 10.3 zeigt die Ergebnisse der Troica-Studie.
10.3 · Therapeutische Hypothermie
211 10

. Tab. 10.3 Ergebnisse der TROICA-Studie im Detail

Parameter Tenecteplase (%) Plazebo (%) Signifikanzniveau (p)

Überleben nach 30 Tagen 18,2 20,2 n.s.

Klinikaufnahme 59,0 59,5 n.s.

ROSC 59,6 59,2 n.s.

Überleben nach 24 h 35,4 37,9 n.s.

. Tab. 10.4 Postreanimationsphase

Maßnahme Anmerkungen

Milde Eine milde Hypothermie (32–34°C) sollte für 12–24 h bei Patienten mit ROSC (»return of spotanous
Hypothermie circulation«) und Bewusstlosigkeit nach Herzstillstand durchgeführt werden! Empfohlen ist dies
für alle defibrillierbaren und nichtdefibrillierbaren Rhythmen eines Kreislaufstillstandes ungeach-
tet der Tatsache, dass Evidenz nur für Hypothermie bei Kammerflimmern vorliegt

Langsame Wiedererwärmung (<0,5°C/h) am Ende der Kühlphase

Fieber und Muskelzittern sofort und effektiv behandelno evtl. neuromuskuläre Blockade,
ggf. Antipyretika

Maßnahmen: 4°C kalte Infusionslösung (30 ml/kgKG) in 30 min! Kühlkatheter oder externe
Kühlung mit Eispack, Kühldecke oder Kühlzelt

Die Einführung eines Protokolls wird empfohlen

Normoglykämie Normoglykämie (<180 mg/dl)


Cave: Vermeidung einer Hypoglykämie!

4 Diagnostik: Thoraxröntgenaufnahme, Sono- 4 Reanimation im Kindesalter: Der Algorithmus


graphie von Thorax und Abdomen, Hb-Kon- Advanced Life Support (ALS) für Kinder ist in
trolle, EKG . Abb. 10.6 dargestellt.

In . Tab. 10.6 sind die wichtigsten Maßnahmen des


10.2.3 Reanimationempfehlungen Basic Life Support (BLS) im Kindesalter zusam-
für Neugeborene und Kinder mengefasst. . Tab. 10.7 gibt die wichtigsten Maß-
nahmen des ALS im Kindesalter wieder.
> Die Reanimation im Kindesalter lässt sich
unterscheiden in: Kinder-, Säuglings- und
Neugeborenenreanimation. Als unmittelbare 10.3 Therapeutische Hypothermie
Neugeborene (»new born«) gelten hier aller-
dings nur Kinder unmittelbar nach der . Tab. 10.8 gibt die Einteilung der therapeutischen
Geburt, nicht wie allgemein üblich bis zum Hypothermie wieder.
28. Lebenstag.
> Der protektive Effekt einer milden
4 Reanimation des Neugeborenen: Die wich- Hypothermie ist bei 32–34°C für die
tigsten Aspekte der Neugeborenenreanimation neuronalen Strukturen am effektivsten
sind in . Tab. 10.5 zusammengestellt. (. Abb. 10.7)!
212 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

. Tab. 10.5 Wesentliches im Rahmen der Neugeborenenreanimation

Maßnahme Anmerkungen

Allgemeines Das Neugeborene muss vor Wärmeverlust geschützt werden. Frühgeborene sollen abgetrocknet
in Plastikfolie eingewickelt werden (Kopf und Körper außer dem Gesicht). So abgedeckt sollte das
Neugeborene unter einen Heizstrahler gelegt werden

Das Absaugen von Mekonium über Nase und Mund vor der Entwicklung des kindlichen Brust-
korbs (intrapartales Absaugen) ist nicht sinnvoll und wird nicht empfohlen

Kopf zur Beatmung in Neutralposition

Einzelhelfer: zuerst 1 min CPR durchführen, bevor nach Hilfe gerufen wird!

Zugänge: Nabelvenenkatheter oder 20/22-G-Braunüle sind in den ersten 3 Lebenstage möglich,


notfalls intraossäre Spezialnadel (. Abb. 10.5)

Beatmung Initial 5-malige Beatmung

Atemfrequenz: 30/min. Damit die Lunge optimal gebläht wird, müssen die ersten Beatmungen
2–3 s dauern

Beim reifen Neugeborenen soll zunächst mit Raumluft beatmet werden. Erst bei fortbestehender
schlechter Oxygenierung höhere Sauerstoffgabe erwägen

Medikamenten- Die intravenöse Dosierung beträgt 10 μg/kg KG


applikation
Die endotracheale Adrenalingabe wird nicht empfohlen. Wenn der endotracheale Weg doch
Adrenalin
benutzt werden soll, muss wahrscheinlich eine Dosis von 50–100 μg/kg KG gegeben werden
10

gewiesen werden. Die Therapieoption der »tiefe-


ren« Hypothermie wurde allerdings in den 1960er
Jahren aufgrund der schlecht beherrschbaren Ne-
benwirkungen wieder verlassen. Erst Bernard et al.
veröffentlichten 1997 eine prospektive Studie, die
einen deutlichen Überlebensvorteil und ein verbes-
sertes neurologisches Outcome nach präklini-
schem Kreislaufstillstand und anschließender Hy-
pothermie (33°C) zeigte.
Noch vor Erscheinen der Leitlinien 2005 wurde
aufgrund der Ergebnisse der HACAR-Studie (2002)
. Abb. 10.5 Intraossärer Zugang. Steriles Vorgehen: Punk- und Studien von Bernard et al. (2002) eine Empfeh-
tion der proximalen Tibia ca. 1–3 cm unterhalb der Tuberosi- lung zur therapeutischen Hypothermie nach ROSC
tas tibiae, 10° kaudale Einführung der intraossären Nadel bis im Rahmen eines Herz-Kreislauf-Stillstands auf-
ins Knochenmark (»loss of resistance«), Aspirationsversuch,
grund von Kammerflimmern abgegeben. In den
Druckinfusion, Fixierung der Infusionsleitungen über
Pflastersteg
Leitlinien 2010 wurde die bereits in die Leitlinien
2005 übernommene Empfehlung auf alle einem
Arrest zugrunde liegenden Rhythmen erweitert,
Erste Fallbeschreibungen über die klinische An- wohl wissend, dass keine gesicherte Evidenz bei
wendung der Hypothermie existieren aus den hypodynamen Formen des Arrests vorliegt. Diese
1940er Jahren. In zahlreichen tierexperimentellen Empfehlung gilt für Neugeborene und Erwachse-
Untersuchungen konnte der Nutzen der Hypother- ne. Für Kinder gibt es nach wie vor keine klare
mie nach Ischämie, Trauma und Reperfusion nach- Empfehlung.
10.3 · Therapeutische Hypothermie
213 10

. Abb. 10.6 Advanced Life Support (ALS) für Kinder. (Aus European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010)

. Tab. 10.6 Wesentliches beim Basic Life Support im Kindesalter

Maßnahme Anmerkungen

Ursachen- Beseitigung der Reanimationsursache:


beseitigung
4 Hs: Hypoxie, Hypovolämie, Hypo- und Hyperkaliämie, Hypothermie

eHITS: Herzbeuteltamponade, Intoxikation, Thromboembolie, Spannungspneumothorax

Reanimations- Sofortiger Beginn der BLS für ca. 1 min und erst sekundär den Notruf absetzen (o »call fast!«)
beginn

Herz-Druck- Ein einzelner Laienhelfer oder professioneller Helfer, der einen kindlichen Kreislaufstillstand
Massage beobachtet oder hinzukommt, sollte ein Verhältnis von Kompressionen zu Beatmung von 30:2
anwenden

2 oder mehr professionelle Helfer verwenden bei einem Kind das Verhältnis von Kompressionen
zu Beatmung von 15:2

Beim Säugling (<1 Jahr): 2-Finger-Technik für einen einzelnen Helfer oder die 2-Daumen-Technik
mit Umfassen des Thorax bei 2 oder mehr Helfern. Bei Kindern, die >1 Jahr sind, wird nach Bedarf
die 1- oder 2-Hände-Technik verwendet
214 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

. Tab. 10.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Anmerkungen

Herz-Druck- HDM-Frequenz: 100–120/min


Massage
Eindrücktiefe: 1/3 des Thoraxdurchmessers!

Beatmung Initial 5 Beatmungen, dann erst HDM!

Vermeidung einer Hyperventilation bzw. Hypokapnie

Das ideale Beatmungsvolumen soll zu einer mäßigen Hebung des Brustkorbs führen

Inspirationsdauer: 1–1,5 s

Automatischer AED können bei Kindern >1 Jahr verwendet werden


externer Defi-
brillator (AED

. Tab. 10.7 Wesentliches beim Advanced Life Support im Kindesalter

Maßnahme Anmerkungen

Defibrillation Energie: 4 J/kg KG (mono- oder biphasisch) für den 1. und alle weiteren Schocks

10 Anschließend 2 min CPR, dann erst Puls- und EKG-Kontrolle

Beatmung Ein Endotrachealtubus mit Cuff (Microcuff ) kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein
(Cuffdruckmesser obligat!)

Supraglottische Atemwegshilfen können ebenso erwogen werden

Medikamenten- Dosierung: 10 μg/kg KG i.v./i.o. alle 3–5 min


applikation
Bei fehlendem Gefäßzugang evtl. 100 μg/kg KG endobronchial, mit NaCl 0,9 % auf 5 ml aufgezo-
Adrenalin
gen. Nach Applikation 5 tiefe Atemhübe

Nach dem 3. Schock: Adrenalin 10 μg/kg KG i.v./i.o. evtl. alle 3–5 min wiederholen

Bei Asystolie oder PEA: schnellst mögliche Applikation von Adreanlin i.v./i.o.

Amiodaron Nach dem 3. Schock: Amiodaron 5 mg/kg KG i.v./i.o.; evtl. nach der 5. erfolglosen Defibrillation
wiederholen

Therapeutische Nach einem Kreislaufstillstand: Fieber aggressiv behandeln!


Hypothermie
Ein Kind, das nach einem Kreislaufstillstand einen spontanen Kreislauf wiedererlangt, aber koma-
tös bleibt, kann möglicherweise von einer Kühlung auf eine Körperkerntemperatur von 32–34°C
über 12–24 h profitieren. Eine eindeutige Empfehlung gibt es derzeit hierfür im Gegensatz zur
Postarresttherapie bei Erwachsenen und Neonaten nicht! Nach der Phase der milden Hypother-
mie sollte das Kind langsam um 0,25–0,5°C/h erwärmt werden
10.3 · Therapeutische Hypothermie
215 10

. Tab. 10.8 inteilung der Hypothermie und unspezifische Effekte

Level Temperatur (°C) Applikation Unspezifische Effekte

Mild >32 Fokale und globale zerebrale Shivering, Katecholaminfreisetzung, periphere


(bzw. myokardiale) Ischämie Vasokonstriktion, Diurese, Membranstabilisierung

Moderat 28–32 Ventrikuläre Arrhythmie, Hypotension, Koagulo-


pathie

Schwer 20–28 Stillstand bei Herzoperationen Metabolische Azidose, Flimmern, Hypotension,


(bzw. lokal am Rückenmark) Hypokaliämie

Profund <20 Asystolie

. Abb. 10.7 Protektive Effekte der Hypothermie bezüglicher neuronaler Strukturen. (Adaptiert nach Busto et al. 1989)

jMechanismen der Hypothermie nach torische Neurotransmitter p, Zinkausschüt-


ischämischen Ereignissen tung p, intrazelluläres Kalzium p)
Ischämischen Ereignisse können z. B. Herz-Kreis- 4 Veränderung der Genexpression
lauf-Stillstand, Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, 4 Veränderung der Koagulopathie (kapilläres
Geburtsasphyxie, Myokardinfarkt etc. sein. »No-flow«-Phänomen p und Reduktion des
4 Reduktion der allgemeinen Reaktionsge- Sludge-Phänomens)
schwindigkeit: 4 Immunsuppression
5 Reduktion des Glukose- und des Sauerstoff- 4 beim Schädel-Hirn-Trauma:
verbrauchs (5–7 %/°C Temperaturabfall) 5 Reduktion des Hirnödems
5 Reduktion des Laktat- und Pyruvatspiegels 5 Senkung des Hirndrucks
(bei noch vorhandenen energiereichen 5 Reduktion der inflammatorischen Antwort
Phosphaten)
4 Inhibierung der Apoptose jNebenwirkungen
4 Reduktion von freien Radikalen 4 erhöhte Blutungsneigung
4 Reduktion exzitatorischer Neurotransmitter 4 erhöhte Infektionsrate
(Glutamatausschüttung p, extrazelluläre exzita- 4 erhöhte Herzrhythmusstörungen
216 Kapitel 10 · Kardiopulmonale Reanimation (CPR)

Ausgewählte Literatur

Publikationen
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Internetadressen
www.erc.edu
217 II

Infektiologie
Kapitel 11 Antibiotika und Antimykotika – 219
M. Fresenius

Kapitel 12 Infektiöse Endokarditis und


Endokarditisprophylaxe – 263
W. Zink

Kapitel 13 Pneumonie – 277


M. Fresenius

Kapitel 14 Nosokomiale Infektionen – 293


M. Fresenius

Kapitel 15 Spezielle Infektionen – 299


M. Fresenius
219 11

Antibiotika und Antimykotika


M. Fresenius

11.1 Bakteriologie – 220

11.2 Antibiotika – 221

11.3 Antimykotika – 248

11.4 Selektive Darm- bzw. oropharyngeale


Dekontamination – 256

Ausgewählte Literatur – 260

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
220 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

Historie der Antibiotika Gramnegative Bakterien


1928 Entdeckung der Penicillinwirkung durch Alexander 4 färben sich rot
Fleming (1881–1955) 4 Zellwand besteht aus Zytoplasmamembran,
1945 Entdeckung des Chlortetracyclins, ein Produkt von
Murein, Lipoproteinen, äußerer Bakterien-
Streptomyces aureofaciens
1950 β-Laktam-produzierende Stämme nachzuweisen membran und Lipopolysacchariden
1957 Synthese des V-Penicillins durch Sheehan 4 gramnegative Bakterien: z. B. Pseudomonaden,
1959 Isolierung der 6-Aminopenicillansäure durch Klebsiellen, Proteus, Escherichia coli, Shigellen,
Batchelor (Ausgangssubstanz für die halbsyntheti- Salmonellen, Vibrionen, Neisserien, Fusobakte-
schen Penicilline) rien, Haemophilus, Moraxella, Brucellen
1960 Einführung von Isoxacillin
1963 Erstes Auftreten von MRSA-Infektionen > Säurefeste Stäbchen (Mykobakterien) nehmen
1984 Einführung des ersten Fluorchinolons Ciprofloxacin den Farbstoff nur sehr schwer auf o Spezial-
1993 Entdeckung des Tigecyclins, als einziger gegen- färbung nach Ziehl-Neelsen notwendig.
wärtiger Vertreter aus der Gruppe der Glycylcycline
1996 Erste VISA-Stämme in Japan nachgewiesen
1998 Erste VISA-Stämme in Deutschland isoliert 11.1.2 Normale Bakterienflora
2000 Einführung des ersten Oxazolidinon-Antibiotikums des Menschen
(Linezolid) in den USA
2002 Einführung des ersten Carbapenems der Gruppe 2
Auf der Haut
Ertapenem (Invanz)
2002 Erste vancomycinresistente Staphylococcus-aureus- Aerobe und anaerobe diphtheroide Stäbchen (Co-
Stämme (MHK >128 mg/dl, VanA-Gen-Träger) rynebakterien), aerobe und anaerobe Staphylokok-
2006 Erstes zyklisches Lipopeptidantibiotikum Daptomy- ken (Staphylococcus epidermidis) und vergrünende
cin (Cubicin) in Deutschland eingeführt Streptokokken und Proprionibakterien. Hoher
2006 Erstes Glycylcyclinantibiotikum Tigecyclin (Tygacil) in
Keimgehalt auf der behaarten Kopfhaut: 106/cm².
Deutschland eingeführt
2012 Erstes MRSA-Cephalosporin Ceftarolin (Zinforo) in
In der Mundhöhle
11 Deutschland eingeführt (nach PEG-Klassifikation ein
Cephalosporin der Gruppe 5) Streptokokken, Staphylokokken, diphtheroide Stäb-
chen, gramnegative Diplokokken, Nokardien,
Milchsäurebakterien, anaerobe Spirochäten, fusi-
11.1 Bakteriologie forme Stäbchen, vereinzelt Sprosspilze und Bactero-
ides-Arten. Keimgehalt: 107–8 Keime/ ml.
11.1.1 Einteilung der Bakterien
nach der Gramfärbung Im Intestinaltrakt
4 ab Jejunum: Enterokokken, Laktobazillen;
Hans Gram, dänischer Arzt, Kopenhagen, 1853– im Ileum vorwiegend Aerobacter aerogenes,
1938 Enterokokken und Escherichia coli
4 ab Kolon: 99 % Anaerobier (Bacteroides, Lak-
Grampositive Bakterien tobazillen, Clostridien), Enterokokken und
4 färben sich blauschwarz Enterobakterien nur in geringem Prozentsatz
4 Zellwand besteht aus Zytoplasmamembran
und Murein (Peptidoglykan) Die Anzahl der Bakterien im Darm ist extrem hoch:
4 grampositive Bakterien: z. B. Staphylokokken, 4 Ileum ca. 104 Keime/ml Darminhalt
Streptokokken, Pneumokokken, Lakto- 4 Zökum 106/ ml Darminhalt
bakterien, Clostridien, Corynebakterien, 4 Colon descendens 1010/ml Darminhalt und
Listerien, Bacillus anthracis, Erysipelothrix, 4 Rektum 1011/ml Darminhalt
Actinomyzeten, Nocardien, Streptomyzeten
> Der Darm ist somit ein undrainierter Abszess
und spielt in der Initialphase des Sepsis und
des MOV eine wichtige Rolle.
11.2 · Antibiotika
221 11

. Abb. 11.1 Mortalitätsraten in Abhängigkeit von adäquater/inadäquater initialer Antibiotikatherapie. (Adaptiert nach
Rello 1997, Ibrahim 2000; Kollef 1999; Luna 1997)

In der Urethra ! 5 Ein Antibiotikum ist kein Antipyretikum!


Staphylococcus epidermidis und Enterokokken. 5 Eine Leukozytose und Fieber sind keine
spezifischen Parameter für eine Infektion.
In der Vagina 5 Fieber (Temperaturerhöhung ≥38,5°C)
Aerobe Laktobazillen (Döderlein-Stäbchen), koa- alleine ist keine Indikation für ein Anti-
gulasenegative Staphylokokken, Enterokokken, ver- biotikum!
grünende Streptokokken, Corynebakterien und
Escherichia coli. Nach dem Tarragona-Prinzip (Sandiumenge et al.
2003) sind bei der Antibiotikaauswahl und Thera-
pie folgende 5 Faktoren zu beachten:
11.2 Antibiotika 4 »listen to your patient!« Berücksichtigung der
individuellen Risikofaktoren des Patienten und
Voraussetzungen für den erfolgreichen Antibio- einer vorausgegangenen Antibiotikatherapie in
tikaeinsatz (nach Grundmann 1993) den letzten 3 Monaten
4 Krankheit wird durch Mikroorganismen 4 »listen to your hospital!« Berücksichtigung
ausgelöst der lokalen Resistenzen des Krankenhauses
4 Erregerempfindlichkeit auf das Antibiotikum und der Intensivstation
4 ausreichende Wirkspiegelkonzentrationen am 4 »hit hard and early!« frühe adäquate Breit-
Infektionsort spektrumantibiotikatherapie
4 ausreichende Immunkompetenz des Patienten 4 »get to the point!« Vermeidung von zu niedri-
(insbesondere bei bakteriostatischen Anti- gen Gewebsspiegeln mit der Gefahr des Thera-
biotika!) pieversagens und Induktion von Resistenzen.
Bevorzugung von Antibiotika, die sich am
> Die primäre richtige Antibiotikaauswahl ist
Infektionsort anreichern
gerade bei Pneumonien, Bakterikämie und
4 »focus, focus, focus!« Nach Erhalt des mikro-
Sepsis hinsichtlich der Mortalität von größter
biologischen Ergebnisses evtl. gezieltes Um-
Bedeutung (. Abb. 11.1).
setzen der antibiotischen Therapie (Deeskala-
tionstherapie). Möglichst kurze Therapie-
dauer anstreben!
222 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

11.2.1 Dauer der Antibiotikatherapie


. Tab. 11.1 Typische Nebenwirkungen bestimmter
Antibiotika(gruppen)
4 Einmalgabe z. B. im Rahmen der periopera-
tiven Antibiotika-Prophylaxe bei normalem Antibiotikum Nebenwirkungen
Risiko
4 Kurzzeittherapie (bis 3 Tage) z. B. bei der Tigecyclin Übelkeit, Erbrechen

Therapie von Harnwegsinfektionen Daptomycin Rhabdomyolyse, Diarrhöen,


4 »normale Therapie« (7–10 Tage) z. B. bei Erbrechen
Pneumonien im intensivmedizinischen Linezolid Thrombopenie, PNP
Bereich
Tetracycline Photosensibilisierung
4 verlängerte Therapie (3–6 Wochen) z. B.
Listerienmeningitis, Staphylokokkensepsis, Chinolone QT-Verlängerung, Tendopathien,
Knorpelschäden
Endokarditis, infizierte Fremdkörper etc.
4 Langzeittherapie (z. B. Tuberkulose, chroni-
sche Borreliose)
11.2.3 Einteilung der Antibiotika

11.2.2 Risiken und Nebenwirkungen Die gängigen Antibiotika werden anhand des Wirk-
einer Antibiotikatherapie prinzips in 2 Gruppen eingeteilt: in die bakterizid
(»collateral damage«) und in die bakteriostatisch wirksamen Antibiotika
(. Tab. 11.2).
4 Veränderung der mikrobiellen Flora (mit der Die Kombination von verschiedenen Antibio-
Gefahr einer Clostridium-difficile-induzierten tika ist aus folgenden Gründen von Vorteil:
Diarrhö) 4 erweitertes Wirkspektrum
4 Selektion von Bakterien und Pilzen 4 verzögerte Resistenzentwicklung
11 (z. B. Stenotrophomonas maltophilia durch 4 Wirkverstärkung (Potenzierung)
Carbapeneme, Candida spp. durch Reduktion 4 geringere Toxizität bei niedriger Einzeldosie-
der physioiologischen Flora, Clostridium rung der jeweiligen Substanz
difficile durch verschiedene Antibiotika)
> Die Kombination von bakteriziden und bak-
4 Selektion von multiresistenten Keimen (vanco-
teriostatischen Antibiotika sollte vermieden
mycinresistente Enterokokken, ESBL-Keime,
werden! Ausnahme:
MRSA etc.)
5 Piperacillin/Tazobactam (Tazobac) + Clin-
4 Organtoxizität (z. B. Oto- und Nephrotoxizität
damycin (Sobelin) bei gesicherter Aspira-
der Aminoglykoside, Nephrotoxizität der
tion oder
Glykopeptide, Hepatitis durch Clavulansäure)
5 bakteriostatisches Makrolidantibiotikum
4 allergische/anaphylaktische Reaktionen
im Rahmen der Differenzialdiagnose
4 Induktion von neurologischen Störungen (z. B.
Pneumonie/atypische Pneumonie
zerebrale Krampfanfälle unter Imipenem, Ver-
wirrtheit und Agitation unter Ciprofloxacin Antibiotika im intensivmedizinischen Bereich
aufgrund GABA-erger Hemmung) werden eingeteilt in:
4 Beeinflussung der Hämostaseologie (z. B. 4 Basisantibiotika gegen die üblichen Errreger/
Benzylpenicilline, Carbenicillin, Cefomandol Infektionen
durch Vitamin-K-Antagonismus) 4 β-Laktamantibiotika (Penicilline, Cephalo-
sporine, Carbapeneme, Monobactame) evtl.
Weitere typische Nebenwirkungen der Antibiotika plus β-Laktamase-Inhibitoren in freier
sind in . Tab. 11.1 aufgeführt. (Sulbactam, Clavulansäure, Tazobactam) oder
fester Antibiotikakombination (Unacid,
Augmentan, Tazobac)
11.2 · Antibiotika
223 11

. Abb. 11.2 Wirkungsweise von Antibiotika

4 Chinolone bzw. Gyrasehemmer (z. B. Cipro-


. Tab. 11.2 Einteilung nach Wirktyp
floxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, …)
Bakterizid wirksam Bakteriostatisch wirksam 4 Spezielle Antibiotika/Antiinfektiva gegen aty-
(d. h. 99 % der Bak- (Verhinderung des Wachs- pische Erreger (Mykoplasmen, Chlamydien),
terien werden in tums ohne Abtötung) Anaerobier, multiresistente Erreger (Acineto-
4–8 h abgetötet) bacter, Klebsiellen, Pseudomonaden, ….)
Penicilline Tetracycline
Antibiotika können nach ihrem Wirkmechanismus
Cephalosporine Linezolid eingeteilt werden (. Abb. 11.2):
Chinolone Lincosamide 4 Hemmung der Mureinzellwandbiosynthese
Carbapeneme Fusidinsäure (Mureinsynthetase = Penicillin-bindendes Prote-
in) durch Penicilline, Cephalosporine, Glyko-
Aminoglykoside Sulfonamide
peptide, Carbapeneme, Bacitracin, Monobactam
Glykopeptide Trimethoprim 4 Zytoplasmamembranschädigung durch
Rifampicin Chloramphenicol Polymyxine und Lipopeptide
4 Hemmung der Proteinbiosynthese durch
Isoniazid Ethambutol
Tetracycline, Aminoglykoside, Lincosamide,
Nitroimidazole Glycylcycline Makrolide, Fusidinsäure, Chloramphenicol,
Dalfopristin/Quinup- Azalide Dalfopristin/Quinupristin, Linezolid
ristin 4 Hemmung der Nukleinsäurebiosynthese durch
Polymyxine Makrolide Rifampicin, Nalidixinsäure
4 Hemmung der DNA-Topoisomerase II: Chino-
Monobactame
lone
4 Hemmung von Intermediärstoffwechselreak-
tionen (z. B. Folsäureantagonist) durch Sul-
fonamide, Trimethoprim
224 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

akute Osteomyelitis, Meningitis und andere bakte-


. Tab. 11.3 Orale Bioverfügbarkeit verschiedener
Antibiotika
rielle ZNS-Infektionen; nur intravenös verfügbare
Applikationsform (z. B. Piperacillin, Tigecyclin,
Antibiotikum Bioverfüg- Mezlocillin etc.)
barkeit (%) Orale Antibiotikumgabe: Bevorzugung von
Generic name Handelsname, z. B. Antibiotika mit hoher Bioverfügbarkeit. . Tab.
11.3 gibt einen Überblick über die Bioverfügbarkeit
Ciprofloxacin Ciprobay 70–85
verschiedener Antibiotika.
Levofloxacin Tavanic >95
! Unvorhersehbare gastrointestinale Resorp-
Linezolid Zyvoxid 100
tion und damit Plasmaspiegel bei oraler Anti-
Erythromycin Erythrocin 50–80 biotikagabe!
Azithromycin Zithromax, 40
Azithrobeta, etc.

Clindamycin Sobelin 75–90 Schema zur Dosierung von Antibiotika bei


Metronidazol Clont >95 Niereninsuffizienz und Nierenersatzver-
Fluconazol Diflucan >95 fahren (NEV)
5 Ab 25 % renalem Anteil an der Gesamt-
Cefuroximaxetil Zinnat, Elobact 40–50
Clearance der Substanz ist ein Nierenersatz-
Ampicillin Ampicillin 40 verfahren von Relevanz.
ratiopharm 5 Initialdosierung wie bei normaler Nieren-
SMZ/TMP* Bactrim >95 funktion (Ausnahme Aminoglykoside, hier
evtl. keine Einmalgabe, sondern Applikation
* SMZ/TMP: Sulfamethoxazol/Trimethoprim
in 3 ED, ab 2. Tag um ca. 50 % Dosis reduzie-
ren und ab 3. Tag Spiegelbestimmung).
11 5 Dosis wie bei Anurie plus Substitutionsdosis.
Antibiotika können nach der Serumkonzentration 5 Weitere Dosierung nach Freiburger Liste von
und der Spiegeldauer oberhalb der minimalen Keller oder Wiener Liste von Thalhammer
Hemmkonzentration (MHK) eingeteilt werden in: (7 Nachschlageteil am Ende des Buches),
4 zeitabhängig wirkende Antibiotika: oder im Internet z. B. unter www.dosing.de
β-Laktamantibiotika, Cephalosporine (z. B. 5 Ausnahmen:
Ceftazidim kontinuierlich) – Vancomycin: initial 15–20 mg/kg KG, ab
4 konzentrationsabhängig wirkende Antibio- 2. Tag 250–500 mg alle 12 h (keine Elimi-
tika (Spitzenspiegelantibiotika): Chinolone nation bei klassischer Dialyse)
und Aminoglykoside, Makrolide – Piperacillin/Tacobactam: HF-Clearance von
Piperacillin > Tazobactam; deshalb Pipera-
> Die Spitzenkonzentration muss bei konzent-
cillin intermittierend ohne Tazobactam
rationsabhängig wirkenden Antibiotika hoch
5 Unveränderte Dosierung von:
sein, die Zeit oberhalb der MHK muss bei
– Rifampicin
zeitabhängig wirkenden Antibiotika lang sein.
– Chloramphenicol
Applikationsformen für Antibiotika sind intrave- – Clindamycin
nös, primär und evtl. sekundär oral (Sequenzialthe- – Ceftriaxon*
rapie). Indikationen für eine parenterale Gabe: – Metronidazol*
lebensbedrohliche Erkrankung (Sepsis, akute Me- – Doxycyclin*
ningitis etc.), reduzierte Immunabwehr, gastroin- – Erythromycin*
testinale Resorptionsprobleme (Schluckstörungen,
Erbrechen, Diarrhö, Koma, Kurzdarmsyndrom * Dosierung wie bei Anurie!
oder chronisch entzündliche Darmerkrankung),
11.2 · Antibiotika
225 11

. Abb. 11.3 β-Laktamantibiotika. (Aus Mutschler 2001)

. Tab. 11.4 Gruppe der Penicilline

Benzyl-Penicilline Phenoxy-Penicilline (Oralpenicilline) Isoxazolyl-Penicilline (Staphykokokken-Penicilline)

Penicillin G (Penicillin G) Penicillin V (Isocillin, Infectocillin) Oxacillin (InfectoStaph)


Propicillin (Baycillin) Flucloxacillin (Staphylex, FLUCLOX Stragen)

. Tab. 11.5 Gruppe der Amino- und Ureido-Penicilline

Amino-Penicilline Ureido-Penicilline (Azylamino-Penicilline)

Ampicillin (Ampicillin ratio) Piperacillin (Pipril)


Amoxicillin (AmoxiHEXAL, Amoxibeta) Mezlocillin (Baypen)

. Tab. 11.6 Gruppe der Cephalosporine

Cephalosporine Cephalosporine Cephalosporine Cephalosporine Cephalosporin


1. Generation 2. Generation 3. Generation 4. Generation 5. Generation

Cefazolin (Cephazolin Cefuroxim (CefuHexal; Cefotaxim (Cefotaxim Cefepim Ceftarolin


Fresenius, Basocef- Cefuroxim) HEXAL, Claforan) (Maxipime) (Zinforo)
Actavis) Cefotiam Ceftriaxon (Rocephin)
(Spizef ) Ceftazidim (Fortum)
Cefoxitin (Mefoxitin)

Antibiotika können darüber hinaus nach der chemi- 4 Carbapeneme (Gruppe 1 + 2)


schen Struktur eingeteilt werden. β-Laktamanti- 4 Monobactame
biotika beispielsweise sind Antibiotika mit einem
β-Laktamring. Zu ihnen zählen (. Abb. 11.3): . Tab. 11.4, . Tab. 11.5, . Tab. 11.6, . Tab. 11.7,
4 Penicilline . Tab. 11.8, . Tab. 11.9, . Tab. 11.10, . Tab. 11.11
4 Cephalosporine (1.–5. Generation) führen die gängigsten Antibiotikaklassen auf.
226 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.7 Gruppe der Monobactame und Aminoglykoside

Monobactame Carbapeneme (Thienamycine) Aminoglykoside

Aztreonam (Azactam) Imipenem (Zienam) Streptomycin (Streptomycin)


Meropenem (Meronem) Gentamicin (Refobacin)
Ertapenem (Invanz) Tobramycin (Gernebcin)
Doripenem (Doribax) Amikacin (Biklin)

. Tab. 11.8 Gruppe der Tetracycline, Chinolone und Lincosamine

Tetracycline Chinolone (Fluorochinolone, Gyrasehemmer) Lincosamine

Doxycyclin (DoxyHEXAL, Doxycyclin Ofloxacin (Tarivid, OfloHEXAL, …) Clindamycin


ratiopharm ) Ciprofloxacin (Ciprobay, Ciprobeta,Ciptoflox-CT, …) (Sobelin, ClindaBeta,
Tetracyclin (Tetracyclin Wolff ) (oral) Levofloxacin (Tavanic) ClindaHEXAL, …)
Oxytetracyclin (Terravenös) Moxifloxacin (Avalox)
Minocyclin (Minocyclon HEXAL, Skid, Enoxacin (Enoxor) (oral)
Skinocyclin) (oral) Norfloxacin (BARAZAN, Bactracid, Norflox,
Norflosal, …) (oral)

. Tab. 11.9 Gruppe der Makrolide, Glykopeptide, Vancine und Azalide

Makrolide Nitroimidazole Glykopeptide Vancine Azalide

11 Erythromycin (Erythrocin) Metronidazol Vancomycin (Vancomycin) Oritavancin Azithromycin


Roxithromycin (Rulid) (Clont) Teicoplanin (Targocid) Dalbavancin (Zithromax)
Clarithromycin (Klacid) Telavancin
Spiramycin (Rovamycine)

. Tab. 11.10 Gruppe der Tuberkulostatika, der Oxazolidinone und Lipopeptide, der Makrozykline, Rifamycine, Poly-
peptide, Phosphonsäurederivate

Tuberkulostatika Oxazoli- Lipopeptid Makrozykline Rifamycine Polypeptid Phosphon-


dinone säure

Isoniazid (Isozid) Linezolid Daptomycin Fidaxomicin Rifaximin Colistin Fosfomycin


Rifampicin (Rifa) (Zyvoxid) (Cubicin) (Dificlir) (oral) (Xifaxan) (Colistinmethat (Infectofos)
Ethambutol (My- Tedizolid (oral) Infectopharm,
ambutol) (Phase III) Diarönt)
Streptomycin
(Strepto Hefa)

. Tab. 11.11 Gruppe der Ketolide und Glyclycycline

Ketolide Glycylcycline

Telithromycin (Ketec) Tigecyclin (Tygacil)


11.2 · Antibiotika
227 11
11.2.4 Charakteristika der Antibiotika- – 3b mit Pseudomonas-Aktivität
gruppen (Ceftazidim)
5 4. Generation: Wirkspektrum ähnlich wie
Penicilline Cefotiam, jedoch bessere Aktivität auf Pseu-
4 Wirkspektrum: grampositive und gramnega- domonas aeruginosa Enterobakterien und
tive Kokken; Mittel der 1. Wahl bei Strepto- methicillinsensible Staphylokokken und
kokken, Pneumokokken, Meningokokken, Streptokokken. Vertreter ist das Cefepim
Borrelien, Leptospiren, Clostridien 5 5. Generation: Wirkspektrum auf MRSA
4 Wirklücke: Enterokokken und Enterobakterien erweitert! Aktuelle einziger Vertreter in
(gilt nicht für die Breitspektrum-Penicilline), Deutschland ist das Ceftarolin (Zinforo)
Bacteroides fragilis, Pseudomonas aeruginosa, 4 Wirklücke: (1.–4. Generation) Enterokokken,
Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien Anaerobier (Ausnahme: Cefotetan und
4 HWZ: 0,5–1,5 h; Verteilungsvolumen: 0,2 l/kg; Cefoxitin!) und methicillinresistente Staphylo-
Plasmaproteinbindung: 60 % kokken (MRSA), Mykoplasmen, Chlamydien,
4 Elimination: bis zu 90 % unverändert renal Legionellen
(tubuläre Sekretion) 4 Pharmakokinetik einiger Cephalosporin-Anti-
4 dialysierbar (Zusatzdosis bei HD: biotika werden in . Tab. 11.12 dargestellt.
≈1–2 Mio. IE)
4 bis zu 2 % der Pneumokokken sind resistent
Ceftarolinfosamil (Zinforo)
bzw. bis zu 5 % sind nur intermediär sensibel
5 Seit 8/2012 neues Cephalosporin der Klasse
gegenüber Benzyl-Penicillin (Penicillin G)
5 mit Anti-MRSA-Aktivität (erstes MRSA-
4 Menigokokken sind hingegen zu 96 % sensibel
Cephalosporin)!
auf Benzyl-Penicilline, Ampicillin und Amoxi-
5 Indikationen: Haut- und Weichteilinfektion
cillin wirken gut bei Enterokokken und Liste-
mit und ohne MRSA-Beteiligung, ambulant
rien, werden jedoch von β-Laktamase-produ-
erworbene Pneumonie (CAP)
zierenden Bakterien inaktiviert (z. B. Staphylo-
5 Wirkspektum: bakterizid gegenüber gram-
kokken, Moxarella, Bacteroides fragilis und
positiven (einschließlich MRSA und Penicil-
viele Enterobacteriaceae)
lin-resistente Streptokokken) und einige
4 Mezlocillin und Piperacillin wirken gut bei
gramnegativen Bakterien wie z. B. Moxarella
Enterokokken, Enterobacteriaceae und Pseu-
catarrhalis, Haemophilus influenzae, Kleb-
domonas aeruginosa (gilt nur für Piperacillin)
siella pneumonia, Morganella morganii, E.
4 Pharmakokinetik einiger Penicillin-Antibio-
coli, …
tika wird in . Tab. 11.12 dargestellt.
5 Wirklücke: Pseudomonas spp., ESBL-Keime,
Cephalosporine Proteus spp., Mykoplamen, Chlamydien
5 Dosierung: 2×600 mg als KI über 1 h bei
4 1.–5. Generation nach Paul-Ehrlich-Gesellschaft
normaler Nierenfunktion; Dosisreduktion
4 Wirkspektrum
bei Niereninsuffizienz: 2×400 mg bei CrCl
5 1. und 2. Generation: überwiegend gram-
zwischen 30 und 50 ml/min
positive Kokken: Staphylokokken und Strep-
5 Wirkmechanismus: Hemmung der Murein-
tokokken (einschließlich penicillinresistenter
synthese durch hohe Affinität zum Penicil-
Stämme) sowie Gono- und Meningokokken,
lin-bindenden Protein 2a (PBP2a)
Haemophilus influenzae (2. Generation)
auch noch indolpositive Proteusarten,
Moxarella catarrhalis, Klebsiellen und E. coli
! Alle Cephalosporinantibiotika können
5 3. Generation: Verschiebung des Wirk-
bei bekannter Penicillin-Allergie zur Kreuz-
spektrums in den gramnegativen Bereich
reaktion führen (ca. 10 % der Fälle)!
– 3a ohne Pseudomonas-Aktivität
(Cefotaxim, Ceftriaxon) und
228 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab.11.12 Pharmakokinetik verschiedener Antibiotikagruppen

HWZ (h) Proteinbindung (%) Renale Elimination (%)

Penicilline

Penicillin G 0,5 45–50 50–70

Flucloxacillin 1 95 75

Ampicillin 1 20 Ca. 30
70–80 p.o.
60 i.v.

Piperacillin 1,0 20 68

Mezlocillin 0,9 30 55

Cephalosporine*

Cefomandol 1 70 80

Cefuroxim 1,5 30 95

Ceftazidim 2 10 100

Ceftriaxon 6–9 95 50 (überwiegend hepatische Elimination)

Ceftarolin 2,5 20 (gering) 88

β-Laktamaseinhibitoren

Tazobactam 1 23 80

Clavulansäure 1 20 40–60, 80–90 p.o.


11 Sulbactam 1 38 100

Glykopeptidantibiotika

Vancomycin 6 50 95

Teicoplanin >24 90 95

Carbapeneme der Gruppe 1

Imipenem 1 25 70

Meropenem 1 15 70

Doripenem 1 20 70

Carbapeneme der Gruppe 2

Ertapenem 8–9 >90 80

Makrolide

Erythromycin 1,5 70 10

Azalide

Azithromycin 48–96 12–52 (konzentrationsabhängig) 11

Lincosamide

Clindamycin 2,5 90 10

* Elimination: vorwiegend renal o relative Nephrotoxizität der Cephalosporine der 1. Generation


11.2 · Antibiotika
229 11
β-Laktamaseinhibitoren 4 Toxizität:
4 Wirkspektrum: Substanz besitzt selbst keine 5 ototoxisch (irreversibler Hörverlust im
antimikrobielle Eigenschaft, sondern antagoni- höheren Frequenzbereich) und
siert nur die von den Bakterien sezernierten 5 nephrotoxisch (rezeptorgekoppelte Anrei-
und den β-Laktamring spaltenden Enzyme cherung an die Nierentubuli) o die Neph-
4 Kombination mit Ureido-Penicillin (Ampicil- rotoxizität wird verstärkt durch Hypovolä-
lin, Piperacillin) mie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie,
4 Wirkstärke: Tazobactam = Clavulansäure > vorbestehenden Nierenschaden und hohes
Sulbactam Lebensalter
4 Pharmakokinetik der β-Laktamaseinhibitoren
! Interaktion mit Diuretika, Amphotericin B
wird in . Tab. 11.12 dargestellt.
und Cisplatin! Verstärkung der Wirkung
von nichtdepolarisierenden Muskel-
Durch die Zugabe von β-Laktamaseinhibitoren zu
relaxanzien!
β-Laktamaseantibiotika kann das Spektrum auf fol-
gende β-Laktamase-bildende Erreger ausgeweitet 4 gegenwärtiges Dosierungsregime: nur noch
werden: Einmalgabe, aufgrund des Phänomens der
4 bei den Penicillinen auf MSSA, Moxarella ersten Dosis o Abnahme der Antibiotika-
catarrhalis, Haemophilus influenza, Klebsiel- penetration ins Bakterium nach der ersten
len, E. coli, Proteus, Gonokokken und die Antibiotikagabe!
Bacteroides-fragilis-Gruppe 5 Eimalgabe führt auch zu einer geringeren
4 bei den Cephalosporinen auf die Bacteroides- Ototoxizität (Niere kann sich während der
fragilis-Gruppe Applikationsphasen wieder erholen)
4 Sulbactam ist zur Kombination von Mezlocil- 5 geringe therapeutische Breite o Bestim-
lin, Piperacillin, Cefotaxim und Cefoperazon mung des Talspiegels (<0,5 mg/dl) kurz vor
zugelassen! der nächsten Gabe (Drugmonitoring)
4 Anmerkung: ein weiterer Laktamaseinhibitor 4 des Weiteren ist die bakterizide Wirkung der
ist in klinischer (Phase-III)-Erprobung: Avib- Aminoglykoside konzentrationsabhängig (je
actam (in Kombination mit Ceftazidim oder höher die Konzentration über der minimalen
Ceftarolin) o Wirkung dann auf ESBL-Erre- Hemmkonzentration (MHK), umso wirksamer
ger (wie Carbapeneme), aber auch auf Carba- ist dieses Antibiotikum) und der sog. postanti-
penemase-produzierende Klebsiella pneumo- biotische Effekt (PAE) o Wirkung auch unter
niae (KPC)! der MHK; ist von der Ausgangskonzentration
abhängig!)
Aminoglykoside 4 bis zum heutigen Tag sind keine Resistenz-
4 Wirkspektrum: gramnegative Bakterien sowie entwicklungen auf Aminoglykoside bekannt
Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und 4 Aminoglykoside sollten nicht simultan mit
alle Enterobakterien einem Penicillin-Präparat gegeben werden
4 Wirklücke: Enterokokken, Anaerobier, Strepto- (Spaltung des β-Laktamringes)!
kokken, Pneumokokken und bestimmte 4 Ausnahme von der heute praktizierten Einmal-
Pseudomonasarten (Pseudomonas bzw. Burg- gabe: Endokarditis, bei der das Aminoglykosid
holderia cepacia und Stenotrophomonas mal- zusammen mit dem zweiten Antibiotikum
tophilia) über den Tag verteilt verabreicht wird (meist
4 Kombination mit β-Laktamantibiotikum oder 3-mal/Tag)
Fluorchinolon 4 keine Wirkung im sauren und anaeroben
4 Pharmakokinetik: Milieu
5 HWZ: 2–3 h, Verteilungsvolumen: 0,25 l/kg, 4 keine Outcomeverbesserung in Kombination
Plasmaproteinbinding: 10–25 % mit β-Laktamantibiotika
5 Elimination: nahezu vollständig renal
230 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.13 Einteilung der Chinolone

Gruppe Gruppenmerkmal Erreger Substanz

I Orale Fluorchinolone für den Harnwegs- Gramnegative Norfloxacin,


infekt

II Systemisch anwendbare Fluorchinolone Plus Staphylokokken, Streptokokken Enoxacin, Ofloxacin,


mit breiter Indikation Ciprofloxacin

III Verbesserte Aktivität gegen grampositive Plus Pneumokokken, Legionellen Levofloxacin,


und atypische Erreger plus atypische Erreger (Chlamy-
dien, Mykoplasmen)

IV Verbesserte Aktivität gegen grampositive Plus Anaerobier Moxifloxacin


und atypische Erreger sowie Anaerobier

> Einzige Indikation für Aminoglykoside im 4 Pharmakokinetik:


intensivmedizinischen Bereich: hochresistente 5 HWZ 3–4 h (Ciprofloxacin), 6 h (Ofloxacin),
Pseudomonaden und Endokarditistherapie. 6–8 h (Levofloxacin) Verteilungsvolumen
2–2,5 l/kg, Plasmaproteinbindung: 20–30 %
5 vorwiegend renale Elimination
Glykopeptidantibiotika
4 Wirkspektrum: Staphylokokken, Strepto- jNebenwirkungen
kokken (auch S. faecalis), Corynebacterien, Diarrhö, Krampfanfall, Vigilanzstörung, Halluzina-
Listeria monocytogenes und Clostridien tion, Phototoxizität, Hypotonie, Granulo- und
4 Wirklücke: gramnegative Bakterien Thrombopenie, AP-, Transaminasen- und Bili-
11 4 Pharmakokinetik: . Tab. 11.12 rubinanstiege, Tendopathien, Theophyllin- und
Ciclosporinspiegelanstieg unter Ciprofloxacin.
jNebenwirkungen
! Chinolone sind für Kinder aufgrund von
4 Nephro- und Ototoxizität o Dosisreduktion
Knorpelschäden nicht zugelassen.
bei Niereninsuffizienz o Drugmonitoring:
Bestimmung von Tal-(5–10 mg/l) und Spitzen- Chinolone sind ähnlich wie Aminoglykoside Spit-
spiegel (30–40 mg/l) zenspiegelantibiotika, d. h ihr bakterizider Effekt
4 Red-neck- bzw. Red-man-Syndrom bei zu ist nicht so sehr von der langen Aufrechterhaltung
schneller Infusion! eines Serumspiegels über der mittleren inhibitori-
schen Konzentration, sondern von einem hohen
Chinolone (Gyrasehemmer) Wirkspiegel abhängig!
4 Wirkspektrum: Haemophilus influenzae Die Chinolon-Antibiotika werden nach der
(Ofloxacin/Fleroxacin) o hohe Konzentration Paul-Ehrlich-Gesellschaft (1998) in 4 Gruppen ein-
im Bronchialsekret; Enterobakterien, Salmo- geteilt (. Tab. 11.13).
nellen, Shigellen, Legionellen, Yersinien, Cam-
pylobacter, außerdem zum Teil Pseudomonas Carbapeneme
aeruginosa (Ciprofloxacin) 4 Wirkspektrum: breitestes Spektrum mit Erfas-
4 Wirklücke: Streptokokken, Staphylokokken, sung der meisten gramnegativen Aerobier
Enterokokken, Anaerobier (gilt nicht für die (Hämophilus, Klebsiellen, Enterobacter spp.,
neuere Substanz Moxifloxacin), Clostridium Campylobacter, Neisserien, Moraxella spp., E.
difficile, Pseudomonas cepacia, Stenotropho- coli, Bordetella, Acinetobacter) und Anaero-
monas maltophilia (Ausnahme: Moxifloxaxin), bier (Bacteroidesarten, Fusobakterien, Clostri-
E. faecium, Nokardien dien, Aktinomyces, Bifidobacterium Peptoccos
11.2 · Antibiotika
231 11

. Tab. 11.14 Einteilung der Carbapeneme

Gruppe Handelsname Substanz Besonderheiten

1 Zienam, Meronem Imipenem/Cilastatin, Gute Wirksamkeit gegen Non-Fermenter (P. aeruginosa,


Meropenem Acinetobacter spp.)

Doribax Doripenem Bei 4-stündiger Infusionsdauer längere Zeit in der der


Medikamentenspiegel über der MHK des Erregers liegt!
Daher höhere Bakterizidie und hohe In-vitro-Aktivität
gegenüber Pseudomonas und ESBL-Keimen!

2 Invanz Ertapenem Begrenzte Wirksamkeit gegen Non-Fermenter

spp.) sowie grampositive Keime (Staphyloco- jNebenwirkungen


ccus aureus und epidermidis, Listerien, Nocar- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Krampfanfall (Zie-
dien, Enterococcus faecalis) nam), dermatologische Nebenwirkungen (Exan-
4 Wirklücke: natürliche Resistenz von Steno- them bis Steven-Johnson-Syndrom) Vigilanz-
throphomonas (Xanthomonas) maltophilia störung, Halluzination, Blutbildveränderungen
und methicillinresistente Staphylokokken, (Thrombozytose, Agranulozytose, Thrombopenie),
einige Stämme von Pseudomonas cepacia Verlängerung der Prothrombinzeit, Leberwerterhö-
und Enterococcus faecium, Chlamydien und hung (AP-, Transaminasen-, Bilirubinanstiege), Er-
Mykoplasmen. Meropenem wirkt etwas besser höhung von Retentionswerten (Kreatinin, Harn-
im gramnegativen Bereich bei gleichzeitiger stoff).
Lücke gegenüber Enterococcus faecalis; Imi- Die Einteilung der Carbapeneme nach der Paul-
penem hat etwas bessere Wirkung auf grampo- Ehrlich-Gesellschaft (2003) ist anhand der . Tab.
sitive Kokken (nach Vortrag von Rodloff 11.14 ersichtlich.
2006). Doripenem wirkt bei Pseudomonasre-
sistenz anderer Carbapeneme noch in bis zu Tetracycline
30 % der Falle. 4 Wirkspektrum: grampositive (Strepto-,
4 Pharmakokinetik: . Tab. 11.12, überwiegend Pneumokokken, Listerien) und zahlreiche
renale Ausscheidung gramnegative Bakterien (Hämophilus, Brucel-
len, Yersinien, Neisserien, Campylobacter),
> Imipenem wirkt besser auf grampositive
Spirochäten und intrazelluläre Keime wie
Keime, während Meropenem und Ertapenem
Mykoplasmen und Chlamydien sowie Plasmo-
besser auf gramnegative Keime bakterizid
dium falciparum (cave: Photosensibilisierung
wirken!
im Urlaub!)
Durch die erhöhte Inzidenz von ESBL-Keimen ist 4 Wirklücke: Proteus, Enterobacter, Serratia-
ein Anstieg der Carbapenemtherapien auf der In- Arten und Pseudomonas aeruginosa
tensivstation zu beobachten! Dies führt bei Anwen- 4 Pharmakokinetik:
dung von Meopenem, Imipenem und Doripenem 5 HWZ: 12–24 h (Doxycyclin und Mino-
zu einem erhöhten Selektionsdruck auf Pseudomo- cyclin), 10 h (Tetracyclin)
naden o Anstieg der Carbapenem-resistenten 5 Biotransformation bis zu 30 %, Elimination
Pseudomonaden! Experten empfehlen daher bei biliär und renal
ESBL-Erregern das Ertapenem (Invanz) zu bevor-
zugen, das »von Haus aus« eine Pseudomonaslücke jNebenwirkungen
aufweist! Diarrhö, Krampfanfall, Vigilanzstörung, Halluzina-
tion, Phototoxizität, RRp, Granulothrombopenie,
AP-, Transaminasen- und Bilirubinanstiege, Spei-
232 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

cherung in Knochen (Wachstumsstörung!) und jNebenwirkungen


Zähnen (Zahnschmelzhypoplasie, Verfärbung der Gastrointestinale Störungen, Hautausschlag, Som-
Zähne) o Anwendung nur bei Kindern >8 Jahre. nolenz und Schwindel, selten Hörstörungen.
! 10–30 % der Staphylokokken und Strepto- Dosierung
kokken sind resistent (Austestung)!
5 1-mal 0,5 g/Tag p.o. oder langsam i.v. für
Makrolide 3 Tage
5 Wirkspiegel anschließend für bis zu 14 Tage
4 Wirkspektrum: Legionellen-, Chlamydien-
vorhanden)
und Mykoplasmeninfektionen (Mittel der
1. Wahl bei atypischer Pneumonie), Strepto-
kokken inkl. Pneumokokken sowie Bordetella
pertussis, bei Clarithromycin zusätzlich Lincosamide
Haemophilus influenzae 4 Wirkspektrum: Anaerobier (cave: 10–20 % der
4 Wirklücke: Enterobakterien, Pseudomonas Bacteroides fragilis sind resistent), gramposi-
und Enterokokken, Bacteroides fragilis, tive Kokken (cave: 15–30 % der Staphylokok-
Haemophilus influenzae, Fusobakterien ken sind resistent), Nokardien, Mykoplasmen,
4 Pharmakokinetik von Erythromycin: Diphteriebakterien
. Tab. 11.12 4 Wirklücke: MRSA, MRSE, Enterokokken,
Enterobactericae; E. coli, Klebsiellen, Haemo-
jNebenwirkungen philus influenzae, Neisserien, Ureoplasma
Interaktion mit dem P450-System der Leber (Spiegel- ureolyticum
erhöhung von Theophyllin, Carbamazepin und Di- 4 Pharmakokinetik von Clindamycin: . Tab.
goxin); QT-Zeitverlängerung und Gefahr der ven- 11.12; Anreicherung im Knochen und der
trikulären Arrhythmie unter simultaner Einnahme Lunge!
11 von Astemizol oder Terfenadin und Amiodaron!
! In 5–10 % gastrointestinale Nebenwirkungen
Anstieg des kardialen Risikos um den Faktor 250-
und selten Selektion von Clostridium difficile
fach!
(blutige Durchfälle).
! Akkumulation bei ausgeprägten Leberfunk-
tionsstörungen, 10–15 % der Pneumokokken Oxazolidinone
sowie Streptokokken der Gruppe A und ca.
4 relativ neue Wirkstoffklasse mit dem bakterio-
20–50 % der Enterokokken sind in Deutsch-
statisch wirksamen Präparat Linezolid
land auf Makrolide resistent!
(Zyvoxid); hohe Wirkspiegel in der Lunge auf-
grund einer 4,5-fachen Anreicherung, keine
Azalide Interaktion mit dem Cytochrom P450.
4 einziger Vertreter Azithromycin (Zitromax) 4 Wirkspektrum: Staphylokokken (inkl. MRSA,
4 Wirkspektrum: ähnlich wie Erythromycin MRSE und GISA), Streptokokken (inkl. peni-
(einschließlich atypische Erreger), erweitert cillinresistente Pneumokokken), Enterokokken
auf E. coli, Salmonellen, Shigellen, Yersinien (inkl. VRE) sowie Corynebakterien, Mykoplas-
und Mycobacterium avium, M. kansasii und men, Chlamydien, Legionellen und Neisserien
M. xenopi 4 keine Kreuzresistenz zurzeit bekannt
4 Wirklücke: Streptokokken, Staphylokokken, 4 Wirklücke: gramnegative Keime, daher bei
Enterokokken, Pseudomonas Sepsis und erwartetem gramnegative Keim-
4 Pharmakokinetik von Azithromycin: spektrum immer mit anderen gramnegativ-
. Tab. 11.12 wirksamen Antibiotikum kombinieren.
4 Wirkmechanismus: Hemmung der Protein-
biosynthese in der Frühphase
11.2 · Antibiotika
233 11
jIndikationen jNebenwirkungen
Nosokomiale und ambulant erworbene Pneumo- Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Transaminasenan-
nien, schwere Haut- und Weichteilinfektionen bei stieg.
fehlender Alternativtherapie.
Dosierung
jNebenwirkungen
5 1-mal 2 Tbl. à 400 mg (= 800 mg tgl.) p.o.
Thrombozytopenie wegen Blutbildstörungen, peri-
phere und optische Neuropathie, gastrointestinale
Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und
Diarrhö sowie Kopfschmerzen. jWechselwirkungen
Hemmung von Cytochrom P450 3A4 und 2D6
Dosierung (Wirkverlängerung von Medikamenten wie z. B.
Midazolam, Nifedipin, Ciclosporin A, Digoxin,
5 2-mal 600 mg intravenöse und oral als
Simvastatin).
Suspension oder in Tablettenform bei leich-
ten Infektionen Glycylcycline
5 3-mal 600 mg i.v. bei septischen Patienten
Einziger gegenwärtiger Gruppenvertreter ist das in-
bzw. septischen Schock
travenös applizierbare und bakteriostatisch wirk-
5 100 %ige Bioverfügbarkeit, keine Dosis-
same Tigecyclin (Tygacil), ein synthetisches Analo-
anpassung bei Nieren- oder Leberfunktions-
gon des Minozyklins, das von der Gruppe der Tetra-
störungen
cycline abstammt.
4 Wirkspektrum: grampositive und gramnega-
tive Bakterien, Anaerobier sowie atypische
! Linezolid ist ein MAO-Hemmer, daher
Bakterien und schnell wachsende nichttuber-
Vorsicht bei simultaner Gabe von SSRI, tri-
kulöse Mykobakterien wie z. B. Mycobacte-
zyklischen Antidepressiva, Triptanen und
rium abscessus, Mykobakterium chelonae,
Katecholaminen! Erste Resistenzen in den
Mykobakterium fortuitum; starke Aktivität
USA ab dem Jahr 2001 beschrieben!
auch gegenüber MRSA, VRE, penicillinre-
sistenten Pneumokokken, tetracyclinresis-
Ketolide tenten Bakterien und ESBL-Keimen. Auch
4 Einziger gegenwärtiger Gruppenvertreter ist gute Wirkung auf Clostridium-difficile-Infek-
das Telithromycin (Ketec) tionen!
4 Wirkspektrum: v. a. makrolidresistente Pneu- 4 Wirklücke: Pseudomonas aeruginosa, erwor-
mokokken bzw. Streptokokken, daher Einsatz bene Resistenzen auf Proteus spp. (nur 53 %
bei ambulant erworbenen Pneumonien, auch sensibel), Providentia spp., Stenotrophomonas
Chlamydien und Mykoplasmen maltophilia, Burkholderia cepacia und Morga-
4 Wirklücke: koagulasenegative Staphylokokken, nella morgannii
MRSA, Enterokokken, Enterobakterien, Pseu- 4 Wirkmechanismus: Hemmung der Protein-
domonaden, B.-fragilis-Gruppe, Clostridium biosynthese. 5fach höhere Affinität zu bak-
difficile teriellen 30S-Ribosomen als Tetrazykline
4 Pharmakokinetik: o Hemmung der Proteinbiosynthese auf-
5 HWZ: 2–3 h, Bioverfügbarkeit: 57 %, Eiweiß- grund der Blockade der Anlagerung der
bindung ca. 70 % Amino-Acyl-Transferase-RNA an die A-Seite
5 Biotransformation: Metabolisierung in der der Ribosomen, langer postantibiotischer
Leber und Ausscheidung überwiegend über Effekt (PAE)
Fäzes (76 %) und nur 17 % renal o keine 4 Pharmakokinetik:
Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz (nur 5 HWZ: 42 h, Eiweißbindung 70–90 % (kon-
leichte Akkumulation) zentrationsabhängig), Anreicherung des
234 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

Antibiotikums in der Gallenblase (38-fach struktur von 13 Aminosäuren und lipophiler Sei-
im Vergleich zur Serumkonzentration), tenkette besteht.
Lunge (9-fach), Kolon (2-fach)
> Daptomycin zeichnet sich durch eine gute
5 Biotransformation: Ausscheidung über die
Gewebegängigkeit (68–72 % der Serum-
Galle und Fäzes (60 %), renale Elimination
konzentration) und hohe Penetration in Bio-
zu 33 %, nur 22 % der Gesamtdosis werden
filme aus! Es hat eine hohe und schnell ein-
unverändert im Urin eliminiert (für die
setzende Bakterizidie!
Therapie des Harnweginfektes daher nicht
zugelassen!). Keine Interaktion mit dem 4 Wirkspektrum: nur grampositive Bakterien
Cytochrom-P450-Enzym einschließlich Enterococcus faecalis und
faecium, VRE und MRSA
jIndikationen 4 Wirklücke: gramnegative und atypische
Komplizierte intraabdominelle Infektionen (CIAI) Erreger
und schwere Haut- und Weichteilinfektionen 4 Wirkmechanismus: irreversible, kalziumab-
(CSSTI), keine Zulassung für die Pneumonie-Mo- hängige Bindung an die Bakterien-Zellmem-
notherapie in Deutschland! Allerdings scheint die bran o Ausbildung von transmembranösen
Kombination mit hochdosuiertem Carbapenem Kanälen o schnelle Depolarisation der
plus Tigecyclin 2×100 mg bei erworbener Pneumo- Zellmembran o Efflux von Kalium und Zu-
nie mit einem multiresistenten Erreger von Vorteil sammenbruch des Membranpotenzials o
zu sein! Hemmung der bakteriellen Protein-, DNA-
und RNA-Synthese o Zelltod ohne signifi-
jNebenwirkungen kante Bakterienlyse
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö. 4 Pharmakokinetik:
5 Biotransformation: vorwiegend unverän-
Dosierung derte renale Elimination (bis 80 %), nur 5 %
11 über Fäzes; keine Interaktion mit dem P450-
5 Initial 100 mg als Kurzinfusion, anschlie-
Cytochromsystem, allerdings Anstieg der
ßend 2-mal 50 mg/Tag i.v. als Kurzinfusion
Daptomycinplasmaspiegel durch simultane
über 30–60 min in jeweils 250 ml 0,9 % NaCl
Gabe von Medikamenten, die die renale Fil-
über 1 h bei leichten Infektionen, sonst bei
tration vermindern, z. B. NSAR und Coxibe
schweren Infektionen besser 2×75 mg bzw.
5 Proteinbindung: 92 %
2×100 mg i.v.
5 HWZ: 8–9 h
5 Keine Reduktion bei Niereninsuffizienz oder
Hämodialysepatienten jIndikationen
5 Dosisreduktion nur bei schwerer Leberfunk-
Schwere Haut- und Weichteilinfektionen, rechtssei-
tionsstörung (2-mal 25 mg Tigecyclin)
tige infektiöse Endokarditis mit Staphylococcus au-
reus, Staphylococcus-aureus-Bakteriämie.

> Keine Monotherapie empfohlen! Bakterio- ! Nicht für die Behandlung von Pneumonien
statischer Effekt! Tigecyclin ist nicht dialysier- zugelassen! (ineffektiv, evtl. aufgrund zu
bar und weist keine Interaktion mit dem niedriger Lungenspiegel bzw. aufgrund einer
Cytochrom-P450-System auf. Interaktion des Antibiotikums mit Lungen-
surfactant).

Natürliche zyklische Lipopeptide


Einziger gegenwärtiger Gruppenvertreter ist das in-
travenös applizierbare und sehr bakterizid wirk-
same Daptomycin (Cubicin), das aus einer Ring-
11.2 · Antibiotika
235 11

Dosierung 4 Wirkspektrum: grampositive Bakterien ein-


schließlich Enterococcus faecalis und faecium
5 1-mal 4 mg/kg KG/Tag i.v. über 30 min für und MRSA
maximal 7–14 Tage bei cSSTI 4 Wirklücke: gramnegative und atypische Erreger
5 1-mal (8)–10–(12) mg/kg KG/Tag v. über 4 Wirkmechanismus: Störung des späten
30 min für >4 Wochen bei Endokarditis. Bei Stadiums der Peptidglykansynthese (Zellwand-
MRSA- Infektionen die höhere Dosierung synthese)
wählen! Evtl. in Kombination mit Rifampicin
2×450 mg/kg KG/Tag i.v. jIndikationen
5 Keine Dosisanpassung bis CrCl von <30 ml/ Komplizierte Haut- und Weichteilinfektionen
min; (bei Kreatinin-Clearance <30 ml/min durch grampositive Erreger einschließlich MRSA.
bzw. bei Hämodialyse oder CAPD Verlänge-
rung des Dosisintervalls auf 48 h!) Dosierung
5 Bei CVVH Dosierungsintervall belassen und
5 1,5–3 mg/kg KG/Tag über 30 min (Oritavan-
evtl. Dosiserhöhung!
cin) und 1,0 g/Woche (Dalbavancin)

jNebenwirkungen
Gastrointestinale Nebenwirkungen in bis zu 7 % der 11.2.5 Entwicklung neuer Antibiotika
Fälle (Diarrhö, Erbrechen), Muskelschmerzen, Mus- bzw. feste Kombinationen
kelschwäche, Myositis und Rhabdomyolyse (dosis-
unabhängig!) insbesondere bei Niereninsuffizienz In den letzten 10 Jahren sind die Grundlagenfor-
(Kontrolle der CK-MM und Therapieabbruch bei schungen und Neuentwicklungen von Antibiotika
CK-Anstieg auf das >5-Fache der Norm, Vorsicht von der Pharmaindustrie dramatisch heruntergefah-
bei simultaner Einnahme von CSE-Hemmern), ren worden. Nur für 4 Präparate kann mit einer Zu-
Kopfschmerzen, Pilzinfektionen (Soor), Erhöhung lassung in naher Zukunft gerechnet werden (2013):
der Leberenzyme. 4 fixe Kombination des β-Laktamase-Inhibitors
Avibactam mit Ceftazidim und Ceftarolin
jKontraindikationen 4 die beiden Vancine Dalbacin und Oritavancin
Schwangerschaft, Patienten mit Myopathie (relativ), (Phase-III-Studien)
Patienten mit Statin-Einnahme. 4 das Tetrazyklin Omedacyclin
4 das Oxazolidinon Tedizolid Phase-III-Studien;
> Aufgrund des Wirkmechanismus ist keine
Zulassung für cSSTI)
Kreuzresistenz zu erwarten!

Anmerkung: Daptomycin wirkt in einigen Studien Die Vernebelung von Aminoglykosidantibiotika


rascher als Vancomycin mit höherer Überlebensrate (Tobramycin, Amikacin) über spezielle Vernebler
nach 4- bis 7-tägiger Therapiedauer. Ggf. Kombina- (Neostar) könnte in naher Zukunft an Bedeutung
tion von Daptomycin mit β-Laktamantibiotikum gewinnen. Die Firma Bayer testet aktuell die Ami-
(höhere Behandlungserfolg von 90 % vs. 57 %). kacin-Vernebelung (BAY41-6551).

Vancine > Bei den meisten Antibiotika muss im Rahmen


der Dauerdosis die Nierenfunktion berück-
Zu dieser Substanzgruppe zählen die neuen Subs-
sichtigt werden (. Tab. 11.15).
tanzen Telavancin sowie Oritavancin und Dalba-
vancin (beide in Phase-III-Zulassungsverfahren).
Telavancin (Vibativ) ist im September 2011 in Euro- Nachfolgend sind die einzelnen Antibiotika mit Do-
pa zur Therapie von MRSA-Pneumonien zugelas- sierungsempfehlung und Besonderheiten aufge-
sen worden. führt (. Tab. 11.16).
236 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.15 Antibiotika und Nierenfunktion

Dosierungen unabhängig von der Nierenfunktion

Ceftriaxon Clindamycin Doxycyclin


Linezolid Erythromycin Rifampicin
Tigecyclin Chloramphenicol Moxifloxacin

Dosierung reduziert nur bei deutlicher Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance <30 ml/min)

Alpacillin Cefotaxim Ethambutol


Amoxicillin Cefoxitin Isoniazid
Ampicillin Ceftazidim Mezlocillin
Cefazolin Ciprofloxacin Penicillin G
Cefuroxim Piperacillin
Trimethoprim/Sulfamethoxazol

Dosierung muss immer der Nierenfunktion angepasst werden!

Aminoglykoside Fosfomycin Vancomycin


Ofloxacin
Teicoplanin

. Tab. 11.16 Bakterizide Antibiotika

Dosierung Bemerkungen

Biosynthetische Penicilline
11 Penicillin G 3-mal 10–20 Mega i.v. (bei offener 1 Mio. IE = 0,6 g hohe Na+-Belastung!
(Penicillin 5/10) Fraktur) (1 Mio. IE = 1,86 mmol Na+)
Kinder: 3-mal 50.000 IE/kg/Tag Gut wirksam gegen: Streptokokken, Pneumokokken,
Niedrige Dosis: 3- bis 4-mal 0,5– Meningokokken und Borrelien
1,0 Mio. IE i.v. Wirklücke bei: Enterokokken, Enterobakterien, Bacte-
roides fragilis, Pseudomonas aeruginosa
Zusatzdosis bei Hämodialyse (HD): 1–2 Mio. IE

Semisynthetische Penicilline (Derivate der 6-Aminopenicillansäure)

Propicillin p.o.: 3-mal 1,0 Mio. IE Resorption ist unabhängig von der Nahrungsaufnahme!
(Baycillin Mega)

Staphylokokken-Penicilline (penicillinasefest)

Oxacillin 4-mal 0,5–1 g i.v. oder p.o. (1 h vor Nicht bei Infektion durch methicillinresistente Staphylo-
dem Essen), maximal 8 g/Tag kokken (MRSA), dann Linezolid, Vancomycin, Teicoplanin,
Kinder (>1 Woche): 100 mg/kg/Tag Clindamycin, Fosfomycin oder Fusidinsäure nach Anti-
in 4 Dosen biogramm bevorzugen
Nebenwirkungen: GOT, GPT, AP, γ-GT n

Flucloxacillin 4-mal 0,5–1–2 g p.o., i.m., i.v.


(Staphylex)

Breitspektrum-Penicilline

Ampicillin 3- bis 4-mal (0,5-) 2,0 g i.v. Wirkt nicht bei: Staph. aureus, Klebsiellen
(Binotal, Kinder: 150–200 (400) mg/kg/Tag in Typischer Selektionskeim: Klebsiellen
Amblosin) 4 ED oral: nur 40 % Resorptionsquo- Mittel der 1. Wahl bei Enterokokken!
te o Schädigung der Darmflora
11.2 · Antibiotika
237 11

. Tab. 11.16 (Fortsetzung)

Dosierung Bemerkungen

Amoxicillin 3- bis 4-mal 750 mg p.o. 3-mal 1(–2) Mittel der 1. Wahl bei Enterokokken-, Listerien- und
g i.v. 4-mal 500 mg p.o. bei Ulkus Salmonelleninfektionen. Amoxicillin + Clavulansäure s. u.
und Heliobacter-pylorii-Nachweis; 2-bis 3-mal bessere enterale Resorption als Ampicillin,
80 % orale Resorption weniger gastrointestinale Störungen

Mezlocillin 3-mal 2–5 g i.v. Gallengängig


(Baypen) Spektrum: Anaerobier, Enterokokken, Enterobakterien,
Pseudomonas aeruginosa
Wirklücke: Klebsiellen und Staphylokokken

Pseudomonasaktive Penicilline

Piperacillin (Pipril) 3-mal 2–4 g i.v. Piperacillin + Tazobactam o Tazobac


Kinder: 100–300 mg/kg/Tag in Breites Wirkspektrum
4 Einzeldosen Wirklücke: methicillinresistente Staphylokokken, Entero-
kokken, Clostridium diff., Listeria mono., Campylobacter
Empfindlichkeit variiert: Pseudomonas spp., Acineto-
bacter spp.
Piperacillin ist ab dem 1. Lebensmonat zugelassen!

β-Laktamaseantibiotika plus β-Laktamaseinhibitoren

Piperacillin 4 g + 2 (–3)mal 4,5 g i.v. Unterschiedlich empfindlich auf: Pseudomonas aerugi-


Tazobactam 0,5 g ab Kreatinin 3,3 mg/dl 2-mal tgl. nosa (8–15 % resistent), Bacteroides frag. (1 % resistent),
(Tazobac/Tacobac Serratia marcescens; Enterobacter und Klebsiellen
EF) (10–20 % resistent!), Anaerobier
Wirklücke: methicillinresistente Staphylococcus aureus,
Enterococcus faecium

Amoxicillin + 3-mal 625–1250 mg p.o. Wirkspektrum wie Ampicillin, erweitert auf Anaerobier
Clavulansäure 1 Tbl.= 0,5 g Amoxicillin + 0,125 g und β-Laktamasebildner (Staphylokokken); wirkt nicht
(Augmentan) Clavulansäure 3- bis 4-mal 1,2–2,2 g auf Citrobacter spp., Enterobacter, Pseudomonas spp.,
i.v. Serratia spp., Providentia spp., Morganella morganii

Ampicillin + 3-mal 3 g i.v Wirkspektrum wie Ampicillin, erweitert auf Anaerobier


Sulbactam und β-Laktamasebildner (Staphylokokken)
(Unacid)

Sultampicillin 2-mal 375–750 mg p.o.


(Unacid PD oral) 1 Tbl. = 0,5 g Ampicillin + 0,25 g
Sulbactam p.o.

Parenterale Cephalosporine

Cephazolin 3-mal 1–2 g i.v. Kinder: 25–100 mg/ Gutes grampositives Wirkspektrum
(1. Generation) kg/Tag in 3–4 Dosen
(Gramaxin)

Cefoxitin (4. Gene- 3-mal 1–2 g i.v. Wirkt auch auf Anaerobier, inklusive Bacteroides fragilis
ration) (Mefoxitin) Cave: Induktor von β-Laktamasen

Cefuroxim 3-mal 1,5 g i.v. Perioperative Antibiotikaprophylaxe in Orthopädie und


(2. Generation) Kinder: 100 mg/kg/Tag in 2–3 ED Chirurgie
(Zinacef ) Resistenzen bei: Pseudomonas spp., Legionellen, Serra-
tia, Acinetobacter, Bacteroides, Listerien, indolpositiver
Proteus, Clostridien, Enterokokken, Campylbacter und
MRSA
238 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.16 (Fortsetzung)

Dosierung Bemerkungen

Cefotiam (2. Gene- 3-mal 2 g i.v. Wirkt auch auf Enterobakterien


ration) (Spizef )

Ceftriaxon Am 1. Tag 2-mal 2 g, dann 1-mal 2 g Gallengängig (35–40 %), Kombination meist mit Metroni-
(3a.Generation) i.v. dazol; längste HWZ der Cephalosporine: 6–9 h gegen-
(Rocephin) Kinder: 50–100 mg/kg/Tag in 1 Dosis über 1–2 h bei den anderen Cephalosporinen

Cefotaxim 3-mal 2 g i.v. 50–200 mg/kg/Tag


(3a. Generation) Kinder: in 3–4 Dosen
(Claforan)

Ceftazidim 2 (–3)mal 2 g i.v. »Pseudomonasantibiotikum«, bei vermutlicher Anaero-


(3b. Generation) bier- bzw. Staphylokokkenbeteiligung mit Clindamycin
(Fortum)

Cefepim 2-mal 1,0 – 2,0 g i.v. Wirkspektrum ähnlich wie Cefotiam, jedoch bessere
(4. Generation) Aktivität auf Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien,
(Maxipime) methicillinsensible Staphylokokken und Streptokokken

Ceftarolin 2-mal 0,6 g i.v. als KI > 60 min Wirkspektrum auf grampositive (einschl. MRSA und
(5. Generation) penicillinresistente Pneumokokken) sowie einige gram-
(Zinforo) negative Bakterien (E.coli, Klebsiella pneumonia und
oxytoca, Morganella morganii, …
Wirklücke: Pseudomonas aeruginosa, Proteus spp.,
Mykoplasmen, ESBl-Keime

Unter Cefotaxim- oder Ceftriaxontherapie besteht die Möglichkeit der Selektion von Enterobacter cloacae! Des Weite-
11 ren Selektion von vancomycinresistenten Enterokokken (Cave: bei primärer Gabe von Cephalosporin und sekundär
Vancomycin z. B. im Rahmen einer pseudomembranösen Kolitistherapie)

Orale Cephalosporine der Gruppe 1 (. Abb. 11.4)

Cefalexin (500 mg) 3-mal 1,0 g p.o. Kinder: 25–100 mg/kg/Tag


(Cefporexin oder
Oracef )

Cefadroxil 2-mal 1,0 g p.o. Kinder: 50–100 mg/kg/Tag


(500 mg) (Bidocef,
Grüncef )

Cefaclor (500 mg) 3-mal 0,5–1,0 g p.o. Eingeschränkte Aktivität gegenüber Haemophilus
(Panoral, influenzae
Cefallone) Kinder: 30–50(–100) mg/kg/Tag

Orale Cephalosporine der Gruppe 2 (. Abb. 11.4)

Cefuroximaxetil 2-mal 250–500 mg p.o. Einnahme nach dem Essen (höhere Bioverfügbarkeit!),
(250 mg) (Elobact, gute Aktivität gegen Haemophilus influenzae und gram-
Zinnat) negative Keime
Kinder: 20–30 mg/kg/Tag

Loracarbef (400 mg) 2-mal 200–400 mg p.o. Kinder: 15–30 mg/kg/Tag


(Lorafem)
11.2 · Antibiotika
239 11

. Tab. 11.16 (Fortsetzung)

Dosierung Bemerkungen

Orale Cephalosporine der Gruppe 3 (. Abb. 11.4)

Cefixim (200 mg) 1- bis 2-mal 200–400 mg p.o. Wirklücke: Enterokokken, Staphylokokken, Bacteroides
(Cephoral, Suprax) fragilis, Pseudomonas aeruginosa
Bessere Aktivität gegenüber gramnegativen Keimen
Kinder: 8–12 mg/kg/Tag

Cefpodoxim 2-mal 200–400 mg p.o. Kinder: 5–12 mg/kg/Tag


(200 mg) (Orelox, Cave: eingeschränkte Aktivität gegenüber Staphylokok-
Podomexef ) ken

Ceftibuten 1-mal 400–800 mg p.o. Kinder: 9 mg/kg/Tag


(200 mg) (Keimax) Cave: eingeschränkte Aktivität gegenüber Pneumokok-
ken und Streptokokken

Cefetamet (500 mg) 2-mal 500 mg p.o. Kinder: 10–20 mg/kg/Tag


(Globocef)

Carbapeneme bzw. Thienamycine

Imipenem + 3-mal 0,5 g bis 3-mal 1 g i.v. Cave: Selektion von Stenotropomomas maltophilia!
Cilastatin (Zienam) Kinder: 4-mal 15 mg/kg/Tag Lücke bei: Enterokokken, Legionellen, Pseudomonas
Max. 4 g bzw. 2 g bei Kindern maltophilia und cepacia sowie methicillinresistenten
Staphylokokken o Kombination mit Gykopeptidanti-
biotikum Vancomycin oder Linezolid
Cave: Krampfanfälle! (1–3 %)
Antibiotikum der engeren Wahl bei nekrotisierender
Pankreatitis
Cilastatin hemmt die Dihydropeptidase, wodurch die
Bildung eines nephrotoxischen Imipenemabbaupro-
dukts verhindert wird

Meropenem 3-mal 0,5 g bis 3-mal 1 g i.v. (Kein Cilastatin notwendig), geringeres Krampfpotenzial
(Meronem) 2- bis 3-mal 2,0 g bei Meningitis Ab dem 3. Lebensmonat zugelassen
SG/Kinder: 3-mal 10–20 mg/kg KG

Ertapenem 1-mal 1,0 g i.v. Zugelassen für schwere ambulant erworbene Pneumo-
(Invanz) nien, frühe nosokomiale Infektionen, intraabdominelle
Infektionen (nekrotisierende Pankreatitis, sekundäre
Cholangitis, sekundäre Peritonitis), Infektionen in der
Gynäkologie, schwere Infektionen der Haut- und des
Weichteilgewebes (nur in den USA), diabetischen Fuß
Wirklücke: Pseudomonas spp. (Cave bei Kolonperforati-
onen!), MRSA, atypische Erreger, Legionellen und Entero-
kokken

Doripenem 3-mal 500 mg als KI über Keine Dosisanpassung bis zu einer Kreatinin-Clearance
(Doribax) 1–4 Stunden von 50 ml/min! Anschl. 250 mg alle 8 h bis zu einer Krea-
tinin-Clearance von 30 ml/min, ab dann 250 mg alle 12 h
Kontraindikation: Patienten <18 Jahre

β-Laktamaseinhibitoren

Sulbactam 3- bis 4-mal 1,0 g i.v. vor der eigent- Nur in Kombination sinnvoll, da selbst keine antibak-
(Combactam) lichen Antibiotikagabe terielle Wirkung

Clavulansäure In Augmentan in fester Kombination, hepatotoxisch

Tazobactam In Tazobac in fester Kombination


240 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Abb. 11.4 Wirkspektrum der oralen Cephalosporingruppen. (Adaptiert nach Scholz et al. 1999)

11 11.2.6 Reserveantibiotika jIndikationen


Nosokomiale Pneumonie und komplizierte Harn-
Colistimethat-Natrium (CMS) wegsinfekte.
4 Colistimethat-Natrium (CMS) bzw. Polymy-
xine E (Colistimethat-Natrium Infectopharm jKontraindikationen
1,0 Mio. IE) ist ein so genanntes Prodrug, Porphyrie, Schwangerschaft.
welches nach i.v. Applikation durch Hydrolyse
in die pharmakologisch aktive Colistin-Base jNebenwirkungen
umgewandelt wird. Neurotoxizität (<5 %), Nephrotoxizität (5–35 %).
4 Aus 80 mg CMS (= 1 Mio. IE) werden ca.
33 mg Colistin-Base freigesetzt. Dosierung
4 Wirkmechanismus: Interaktion des Colistins
5 Intravenöse Dosis: 9 Mio. IE loading dosis,
mit dem bakteriellen Lipid A o Destabilisie-
anschl. 2×4,5 Mio. IE/Tag i.v.
rung der Zellmembran o Efflux von Kalium
5 Vernebelung von Colistin wird nicht emp-
o Platzen des Bakteriums.
fohlen (Umweltkontamination!, unsichere
4 Wirkung nur auf Prokaryonten!
Zielortkonzentration nach Welte!)
4 Wirkspektrum: multiresistente gramnegative
5 Intrathekales Colistinmethylsulfat: 20.000–
Erreger wie Acinetobacter baumanii, Entero-
100.000 IE/Tag bzw. 10 mg/Tag
bacteriaceae wie z. B. Kebsiella pneumoniae,
5 Durchschnittliche Colistin-Zielkonzentra-
Kryptokokken, Vibrionen und Nokardien!
tion: 1,0–2,5 mg/l
4 Wirklücke: Anaerobier, Pseudomonaden
4 Metabolismus: keine aktive Metabolisierung 6
11.2 · Antibiotika
241 11
jNebenwirkungen
5 Formel zur Bestimmung der Aufsätti- Hypernatriämie (14,5 mmol Na+/g Fosfomycin),
gungsdosis: CMS (Mio. IE) = Colistin-Ziel- Kopfschmerzen, Exanthem.
konzentration (mg/l) × 0,06 × kg KG
5 Formel zur Bestimmung der Erhaltungs- > Keine Monotherapie!
dosis pro Tag: CMS (Mio. IE) = Colistin –
Zielkonzentration (mg/l) × (0,05 × CrCl +1) 11.2.7 Nur oral einsetzbare Antibiotika,
5 Therapeutisches Drug Monitoring unter z. B. zur Therapie der CDAD
Hämodialyse und Hämofiltration!
Rifaximin (Xifaxan)
4 Wirkspektrum: Clostridium difficile
Anmerkung: Keine Monotherapie, möglichst Kom- 4 Wirkmechanismus: Hemmung der Proteinbio-
bination mit Rifampicin empfohlen o nachgewie- synthese
sener Synergismus; sonstige Kombinationsmög- 4 wird nicht resorbiert und wirkt nur auf die
lichkeiten mit Makroliden, Carbapenemen, Azali- Darmbakterien!
den oder Tygacil. Die Kombination von Colistin
und Tigecyclin führt zu einem anhaltenden bakte- jIndikationen
riziden Effekt z. B. auf multiresistente Acinetobacter Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD),
baumannii. milde Form.
Neuentwicklungen: liposomale Polymyxin-
Formulierung bzw. Dextrin-Colistin-Konjugate, die Dosierung
langsam das »gebundene« Colistin freisetzen.
5 3×200 mg bzw. 2×400 mg p.o.
Fosfomycin (Infectofos)
Gehört zur Gruppe der Epoxid-Antibiotika und
weist gutes Penetrationsvermögen in Weichteilge- Fidaxomicin (Dificlir)
webe, Liquor, Lungengewebe auf, bakterizider Ef- 4 Wirkmechanismus: Hemmung der Proteinbio-
fekt. synthese in einem frühen Stadium (DNA-ab-
4 Wirkspektrum: nur grampositive Bakterien hängigen RNA-Polymerase)
einschließlich Enterococcus faecalis und 4 Wirkspektrum: bakterizid gegenüber Clostri-
faecium, VRE und MRSA dium difficile und effiziente Unterdrückung
4 Wirklücke: natürliche Resistenz gegenüber Lis- der Sporenbildung; wirkt nur schwach gegen-
teria monocytogenes, Bacteroides spp., Serratia über grampositiven Keimen und nicht gegen-
ssp.; VRE in < 60 % der Fälle resistent, MRSA- über obligaten, gramnegativen Anaerobier
Resistenz <1 %, ESBL ca. 10–20 %
4 Wirkmechanismus: Hemmung der Zellwand- jIndikationen
synthese Schwere Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö
4 Pharmakokinetik: (CDAD) bzw. Rezidivinfektion.
5 Biotransformation: vorwiegend unver-
änderte renale Elimination (bis 90 %) Dosierung
5 Proteinbindung: keine
5 2×200 mg p. o. für 10 Tage, insbesondere
Dosierung bei Rezidivinfektionen

5 3×5 g bis 2×8 g i.v.


242 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.17 Bakteriostatische Antibiotika

Dosierung Bemerkungen

Sulfonamide

Trimethoprim + Sulfame- 2-mal 2 Tbl. p.o. oder Harnwegsinfekt, Bronchitis, Enteritis, Typhus,
thoxazol = Cotrimoxazol 2-mal 80 mg TMP/400 mg SMZ i.v. Pneumocystis carinii, Toxoplasmose
(Bactrim, Eusaprim)

Makrolide

Roxithromycin (Rulid) 2-mal 150 mg p.o. Höhere Serumspiegel als die anderen Makrolide
(75 % Bioverfügbarkeit)

Clarithromycin (Klacid) 2-mal 250 (–500) mg p.o. oder Gute Gewebegängigkeit, bessere Anreicherung in
2-mal 500 mg i.v. Lungengewebe und Alveolarmakrophagen als
Erythromycin (55 % Bioverfügbarkeit) Einsatz bei
Helicobacter-pylorii-Gastropathie, wirksam auch
gegen Haemophilus influenzae

Erythromycin (Erythrocin) 3- (bis 4-)mal 0,5 g p.o., i.v. als Ersatzantibiotikum bei Penicillin-Allergie. Mittel der
Kurzinfusion in 250 ml Kochsalz Wahl bei Legionellen, Chlamydien, Mykoplasmen
über 45 min vorwiegend hepatische Eliminination
HWZ: 1,5 h; nicht dialysierbar

Azithromycin (Zithromax) 1-mal 250–500 mg p.o. Bessere Wirkung auf Haemophilus influenzae als
Erythromycin

Lincosamide

Clindamycin (Sobelin) 3-mal 600 mg i.v. als Kurzinfusi- Wirkt gut gegen Anaerobier, Staphylokokken und
11 on über mindestens 15 min,
oder 3-mal 100–300 mg p.o.
Streptokokken, Corynebakterien, gute Penetration in
Knochen und Abszessgebiete (Anreicherung in
Kinder: 20 mg/kg/Tag in Leukozyten), Verstoffwechselung über die Leber!
3 Dosen nicht wirksam gegen: Enterokokken, Enterobacteri-
cae; E. coli, Klebsiellen, Haemophilus influenzae,
Neisserien, Ureoplasma ureolyticum
Cave: in 5–10 % gastrointestinale Nebenwirkungen
und selten Selektion von Clostridium difficile (blutige
Durchfälle), selten hepatotoxisch

Tetracycline

Doxycyclin Initial 200 mg, dann 1-mal 100– Bevorzugt bei Rickettsien-, Chlamydien- und
200 mg i.v. p.o.: 1-mal 200 mg Mykoplasmeninfektionen
Kinder: initial 4 mg/kg i.v./p.o., Wirklücke: Pseudomonas aeruginosa, Proteus,
dann 2 mg/kg in 1 Dosis Serratia, Providentia

11.2.8 Bakteriostatische Antibiotika 11.2.9 Antibiotikaresistenz

In . Tab. 11.17 sind bakteriostatisch wirksame Ursachen


Antibiotika mit ihrer empfohlenen Dosierung und 4 Chromosomal kodierte Resistenzen = kodierte
Besonderheiten aufgeführt. Resistenz mit vertikaler Übertragung (sozusa-
. Tab. 11.18 führt weitere Antibiotika mit Do- gen von Mutter auf Tochter), konstitutiv ausge-
sierungsempfehlung und Besonderheit auf. prägt, Induktion möglich
4 plasmidkodierte Resistenzen = horizontale
Übertragung unter den Bakterienstämmen
11.2 · Antibiotika
243 11

. Tab. 11.18 Dosierungsempfehlung und Besonderheiten weiterer Antibiotika

Dosierung Bemerkungen

Monobactame

Aztreonam 2- bis 3-mal 1–2 g i.v. Wirkt nur auf gramnegative Keime! Alternative zu den
(Azactam) Aminoglykosiden, keine Anaerobierwirkung
Aminoglykoside
Gentamicin 1-mal 340–400 mg/Tag i.v. Talspiegel: <0,5 mg/l, bei Niereninsuffizienz deutliche
(Refobacin) (3–5 mg/kg/Tag), dann nach Spiegel Dosisreduktion
Tobramycin 1-mal 340–400 mg/Tag i.v. (3–5 mg/ Talspiegel: <0,5 mg/l, bei Niereninsuffizienz deutliche
(Gernebcin) kg/Tag), dann nach Spiegel (intratra- Dosisreduktion gelegentlich auch intratracheale Anwen-
cheal 3-mal 50 mg) dung oder Vernebelung (4-mal 80 mg) o Wirkung nicht
einheitlich beurteilt! Gute Wirkung auf Pseudomonas
aeruginosa
Paromomycin 2,0 g p.o. verteilt auf 4 Dosen Therapie der hepatischen Enzephalopathie und bei
(Humatin) NH3 n

Glykopeptide
Vancomycin 2-mal 2 g bzw. 4-mal 0,5 g i.v. (40 mg/ Talspiegel: 5–10 mg/l; Spitzenspiegel: 30–40 mg/l (bei
(Vancomycin) kg/Tag) über 60 min Kinder: 20–40 0,5 g 1 h, bei 1 g 2 h nach Gabe) bei zu schneller Infusion
mg/kg/Tag in 2 Dosen (bei pseu- Red-neck-Syndrom (Histaminfreisetzung), nicht dialysier-
domembranöser Kolitis orale Gabe bar, bei Anurie 1,0 g alle 1–2 Wochen; unter Hämofiltra-
von 4-mal 250 mg für 7–10 Tage) tion (HF) ist eine häufigere Gabe notwendig!
Teicoplanin Initial 800 mg, dann 1-mal (200-) Talspiegel: 5–15 mg/l Gabe mindestens 3 Tage über
(Targocid) 400 mg/Tag i.v. (ca. 6 mg/kg) CVVHD: Entfieberung hinaus; wirkt nicht auf gramnegative Bak-
1.Tag: 800 mg; 2+3 T.: 400 mg, dann terien! bessere Wirkung auf Enterokokken im Vergleich
400 mg jeden 2.–3. Tag. Kinder: SD: zu Vancomycin
2-mal 10 mg/kg/Tag ED: 1-mal 10 mg/
kg/Tag
Fosfomycin (eigenständigen Gruppe der Phosphonsäurederivate ohne Ähnlichkeit zu anderen Antibiotika)
Fosfomycin 2- bis 3-mal 3–5–8 g i.v. Breites auch nosokomiales Wirkspektrum S. aureus, S.
(Infectofos) bzw 2- bis 3-mal 50–80 mg/kg KG bei epidermidis, Enterokokken, E. coli, Klebsiella pneumoniae,
Kindern Serratia, multiresistente Pseudomonaden aeruginosa
einschl. MRSA, VRE, ESBL-Bildner; Wirklücke: Acinetobacter
baumannii, Burkholderia cepacia, Morganella morganii,
Klebsiella terrigena, Providentia stuartii, Chlamydien und
Mykoplasmen, Legionellen, Bordella pertussis
Kontraindikation: Niereninsuffizienz (CrCl < 20 ml/min):
wird zu 90–95 % über die Niere ausgeschieden
Hypernatriämie (1 g Fosfomycin Ⳏ 14,5 mmol Na+)

Gyrasehemmer (Chinolone, Fluorchinolone)


Ofloxacin 2-mal 200–400 mg/Tag p.o. oder i.v. Gute orale Resorption Wirklücke: Stenotrophomonas
(Tarivid) maltophilia, Pseudomonas cepacia, Entercoccus faecalis,
Clostridium difficile, Nocardia
Ciprofloxacin 2- (bis 3-)mal 400 mg i.v. 2-mal 0,5 g Enteritis, Harnwegsinfekt Nebenwirkungen zentralner-
(Ciprobay) (0,25) p.o. Unter HDF bzw. HF nur vöse Störungen, (Verwirrtheit), in Einzelfällen zerebrale
Einmalgabe Krampfanfälle; sollte nicht für die Behandlung von noso-
komialen Late-onset-Pneumonien eingesetzt werden ·
möglicherweise Selektion von MRSA Anstieg des Theo-
phyllinspiegels um 25 % unter simultaner Anwendung
244 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.18 Dosierungsempfehlung und Besonderheiten weiterer Antibiotika

Dosierung Bemerkungen

Norfloxacin 2-mal 400 mg p.o. Urologische Infektion mit multiresistenten Keimen,


(Barazan) Prophylaxe Reisediarrhö Wirklücke: Anaerobier, Chlamy-
dien, Mykoplasmen

Enoxacin 1-mal 1 Tbl. (= 200 mg) bis 2-mal Infektionen der Niere, der Harnwege sowie der Prostata;
(Gyramid) 2 Tbl. bei schweren Harnwegs- Gonorrhö; Infektionen der Atemwege einschließlich des
infektionen nur p.o. Hals-, Nasen- und Ohrenbereichs, Infektionen der Haut-
und Hautanhangsgebilde
Cave: gleichzeitiger Gabe von Ranitidin führt zur Resorp-
tionsbeeinträchtigung von Enoxacin

Levofloxacin 1- bis 2-mal 500 mg p.o./i.v. Höhere Aktivität im grampositiven Bereich (Pneumokok-
(Tavanic) (links- Bei unkompliziertem HWI: 1-mal kenpneumonie) und gegen atypische Erreger (Myko-
drehendes 250 mg plasmen, Chlamydien), inkl. penicillinresistenter Pneu-
Enantiomer des Bei Kreatinin-Clearance <50 ml/min: mokokken und Klebsiellen
Razemats Dosisreduktion!
Ofloxacin)

Moxifloxacin 1-mal 400 mg p.o. oder i.v. als Kurzin- Einsatz bei Atemwegsinfektionen, wirkt auf grampositive
(Avalox) fusion über >30 min und -negative Keime, auf atypische Erreger sowie auf
Anaerobier o kein Metabolismus über das P450-System
besonders gut geeignet zur Therapie von ambulant
erworbenen Pneumonien oder Knochen- und Weichteil-
infektionen sowie bei nekrotisierender Pankreatitis,
keine Wirkung gegen Pseudomonas spp.! hohe Gewebe-
gängigkeit (auch bei Pankreatitis)
11 Keine Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz oder CVVH!

Nitroimidazole

Metronidazol 3-mal 0,5 g i.v. Wirkt gut auf: obligate Anaerobier, Amöben und Flagel-
(Clont, Flagyl) Kinder: 3-mal 10 mg/kg/Tag laten
Behandlungsdauer: <10 Tage Wirkmechanismus: Ausbildung von DNA-Strangbrüchen
und Entspiralisierung der Doppelhelix

Oxazolidinone

Linezolid 2-mal 600 mg i.v. (Infusionslsg. mit Spektrum: Staphylokokken (inkl. MRSA, MRSE, GISA) und
(Zyvoxid) 2 mg/ml) Streptokokken (inkl. penicillinresistente Pneumokokken),
2-mal 1 Filmtbl (= 600 mg) oder Enterokokken (inkl. VRE) und grampositive Erreger, keine
Granulat (= 100 mg/5 ml) p.o. Dosisanpassung bei Leber- oder Niereninsuffizienz Ne-
benwirkungen Kopfschmerz, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen

Ansamycine

Rifampicin 10 mg/kg/Tag mindestens 450 mg, Wirkspektrum: Mykobakterien, Streptokokken, Staphylok-


(Rifa) maximal 700 mg i.v. oder p.o. ken, (auch Legionellen und Enterokokken) keine prophy-
Säuglinge >3 Monate und Klein- laktische Gabe oder Single-Therapie mit Rifampicin bei
kinder: 15 mg/kg Tuberkuloseanamnese! Hohe Resistenzentwicklung bei
Staphylokokkeninfektionen Nebenwirkungen GOT/GPT
(5–20 % der Fälle), bei GOT >100 U/l Substanz absetzen!
Gefahr der akuten Leberdystrophie o keine simultane
Gabe mit Ritonavir oder Saqiunarvir wegen Gefahr einer
medikamentösen Hepatitis, Neutro-, Thrombopenie,
zentralnervöser Störungen, interstinaler Nephritis,
Enzyminduktion! (Cave: Pille, Marcumar-Therapie)
11.2 · Antibiotika
245 11
mittels Bakteriophagen oder durch Konjuga- Resistenzkarte im Internet: www.earss.rivm.nl
tion und Austausch von extrachromosomaler oder www.antibiotika-sari.de
DNS (springende Gene)
Antibiotika-Cycling
Die Resistenzentwicklung gegenüber β-Laktam- In den letzen Jahren kam es zu einer deutlichen Zu-
antibiotika beruht auf: nahme von Antibiotikaresistenzen in den Kranken-
4 Bildung von das Antibiotikum inaktivierenden häusern und auch im ambulanten Bereich. Diese
Enzymen wie z. B. β-Laktamasen (Resistenz ist Antibiotikaresistenz ist assoziert mit einer höheren
chromosomal- oder plasmidgespeichert) bzw. Morbidität, Letalität und höheren Krankenhaus-
Carbapenemasen (z. B. New Delhi Metallo-β- kosten. Betroffen sind v. a. folgende Keime:
Laktamasen = NDM-1); Umgehung der Resis- 4 Escherichia coli mit Fluorchinolonresistenz
tenz bei β-Laktamasen durch Gabe von Isoxa- 4 Staphylococcus aureus mit Oxacillinresistenz:
zolyl-Penicillinen oder β-Laktamase- ca. 20 % aller Isolate sind mittlerweile oxacil-
Inhibitoren wie z. B. Clavulansäure, Sulbactam, lin-/methicillinresistent
Tazobactam) 4 Pseudomonaden mit zunehmender Multiresis-
4 Vorkommen von veränderten Zielstrukturen tenz (MDR) gegenüber Ceftazidim, Ciprofloxa-
(z. B. Penicillin-Bindeproteine) d. h. keine Bin- cin, Piperacillin/Tazobactam und Meropenem
dungsmöglichkeit des Antibiotikums an das 4 Acinetobacter mit
Bakterium β-Laktamantibiotikaresistenz
4 bakteriellen Membran- bzw. Permeabilitäts- 4 gramnegative Keime mit ESBL-Bildung
veränderungen (Efflux/Influx) oder aktiven
Ausschleusmechanismen, d. h. Bakterienzelle Zur Vermeidung von Resistenzentwicklungen auf
ist nicht permeabel für das Antibiotikum, oder der Intensivstation gibt es verschiedene Ansätze:
das Antibiotikum wird wieder ausgeschleust, 4 Anwendung des Tarragona-Konzeptes (vor
z. B. durch aktive Effluxpumpe wie bei den allem der kurze und adäquate Antibiotika-
Tetrazyklinen einsatz)
4 Fehlen der Bakterienzellwand, z. B. bei den 4 »mixed antibiotic therapy«: der Einsatz von
Mykoplasmen/Chlamydien verschiedenen Antibiotika bzw. Antibio-
4 veränderter Permeabilität des Antibiotikums, tikagruppen zur selben Zeit bei Intensiv-
z. B. bei Aminoglykosiden patienten
4 verminderter DNS-Polymerasebindung wie 4 zurückhaltender Einsatz von Antibiotika,
bei Rifampicin-Resistenzen nur bei Infektionen mit klinischer Symp-
tomatik (»Antibiotika sind keine Antipyreti-
Weltweit ist ein Trend zur Resistenzentwicklung mit ka«)
Ausbreitung resistenter Stämme feststellbar, v. a. 4 turnusmäßiger Wechsel der häufig eingesetz-
methicillinresistente Staphylokokken (MRSA), ten Antibiotika (z. B. alle 6 Monate). Dies führt
penicillin- und makrolidresistente Pneumokok- langfristig allerdings zu keiner Reduktion der
ken, vancomycinresistente Enterokokken (VRE) allgemeinen Resistenzentwicklung, sondern
bzw. multiresistente Enterokokken. Selten werden nur zu einer zyklischen Verlagerung des
die Enterbacteriacae durch Bildung von NDM-1 Problemkeimspektrums und wird daher
(Carbapenemasen) resistent! aktuell nicht mehr empfohlen!
Grund: unkontrollierter und unkritischer Anti-
biotikaeinsatz im Klinikbereich (meist auch zu Durch den Einsatz bestimmter Antibiotikagruppen
niedrig dosierte Antibiotikatherapie), leichte, au- können die in . Tab. 11.19 aufgeführten Resisten-
ßerklinische Verfügbarkeit der Antibiotika (z. B. frei zen induziert werden.
verkäufliche Antibiotika in Frankreich und Spa- Das Wirkspektrum der wichtigsten Antibio-
nien), Verfütterung von Antibiotika in Tiermast tika unter Berücksichtigung des PEG-Resistenz-
und Zucht (z. B. Chloramphenicol). musters zeigt . Abb. 11.5.
11
246
Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Abb. 11.5 Wirkspektrum der wichtigsten Antibiotika (unter Berücksichtigung des PEG-Resistenzmusters); Pneumokokken (Strept. pneumoniae, Meningokokken [Neisseria
meningitidis], Gonokokken [Neisseria gonorrhoae]). (Adaptiert nach Prof. F.-J. Schmitz [Bayer-Broschüre] und Prof. Thalhammer/Prof. Grabein [Infektiologie. Kompendium der
antimikrobiellen Therapie], Prof. H. Geiss [Wyeth-Wirkspektrum], Fachinformationen sowie Stellungnahmen der pharmazeutischen Industrie zu ihren Produkt sowie anhand der
Antibiogramme der Intensivstation des EVK Düsseldorf )
11.2 · Antibiotika
247

. Abb. 11.5 (Fortsetzung)


11
248 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.19 Antibiotika-induzierte Resistenzen. (Adaptiert nach Paterson 2004)

Antibiotikum Erreger

Durch Grampositive Problemkeime Vancomycinresistente Enterokokken, z. B. durch Ceftriaxon


Cephalosporine
Gramnegative Problemkeime ESBL-bildende Klebsielle durch sog. Cephalosporine der Oximo-
gruppe (Cefuroxim, Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim)
β-Laktam-resistente Acinetobacter spp.
Clostridium difficile

Durch Grampositive Problemkeime Methicillinresistente Staphylococcus aureus


Fluorchinolone
Gramnegative Problemkeime Chinolonresistente gramnegative Erreger, inklusive Pseudo-
monas aeruginosa

. Tab. 11.20 Einteilung der Antimykotika

Polyene Triazole Echinocandine Nukleinsäuresynthese-


hemmer (Antimetabolite)

Amphotericin B Miconazol (Daktar) Caspofungin Flucytosin


– liposomales Amphotericin B (Cancidas) (Ancotil)
(Ambisome)
– ABCD (Amphocil)
– ABLC (Abelcet)
– Suspension (Amphomoronal)
11 Nystatin (Moronal) Ketoconazol (Nizoral) Anidulafungin Nystatin (Moronal)
Fluconazol (Diflucan) (Ecalta)
Voriconazol (Vfend) Micafungin
Itraconazol (Sempera) (Mycamine)
Posaconazol (Noxafil)
(Ravuconazol)
(Isavuconazol)
(Albaconazol)

11.3 Antimykotika 11.3.1 Einteilung

Klinische Zulassung der Antimykotika . Tab. 11.20 zeigt die Gruppeneinteilung der Anti-
1959 Zulassung von konventionellem Amphotericin B mykotika.
1990 Zulassung von Fluconazol (Diflucan)
2001 Zulassung von Caspofungin (CANCIDAS) in Deutsch-
land 11.3.2 Wirkprinzipien
2002 Zulassung von Voriconazol (VFend) in Deutschland
2002 Zulassung von Micafungin in Japan
2003 Zulassung von Itraconazol (Sempera) in Deutschland
Hauptangriffsorte für eine antimykotische Wirkung
zur intravenösen Applikation sind die:
2005 Zulassung von Posaconazol (Noxafil) in Deutschland 4 Zellmembran (Azole, Polyene)
2008 Zulassung des Echinocandins Anidulafungin (Ecalta) 4 Zellwand (Echinocandine) und
2008 Zulassung des Echinocandins Micafungin (Mycami- 4 Nukleinsäuresynthese (Flucytosin)
ne) in Deutschland
11.3 · Antimykotika
249 11

. Abb.11.6 Schematischer Aufbau der Pilzzellwand. (Adaptiert nach Glasmacher 2001)

Anmerkung: Die Zellmembran der Pilzzelle hat 4 Das 5-Flucytosin (Ancotil) hemmt mit der
eine ähnliche Struktur wie die anderer Eukaryonten Nukleinsäuresynthese, einen für die Protein-
(Phospholipiddoppelschicht mit Proteinen sowie synthese notwendigen Schritt. Von vielen Pilz-
Sterinen und enthält ferner Enzyme, die Bestandtei- zellen wird Flucytosin über 5-Fluorouracil in
le der Zellwand aufbauen. Das wichtigste Sterin bei weitere Bestandteile umgewandelt, die sowohl
Pilzen ist das Ergosterol, während in der mensch- die Funktion als auch die Synthese von DNS
lichen Zellmembran Cholesterin vorhanden ist) und RNS hemmen o Störungen in der Pro-
(. Abb. 11.6). teinsynthese o Tod der Zelle
Die meisten antimykotischen Substanzen be- 5 für die menschlichen Zellen relativ wenig
einflussen die Synthese bzw. die Funktion der Zell- toxisch, da diese Flucytosin nicht in 5-FU
membran (Polyene, Azole) oder die Synthese der umwandeln
Zellwand der Pilze: 5 viele Pilzzellen weisen eine natürliche
4 Die Echinocandine beeinflussen die Synthese Resistenz gegen Flucytosin auf
der Pilzzellwand. 5 schnelle Resistenzentwicklung (daher nur
4 Die Polyene wie z. B. Amphotericin B binden in in Kombination einsetzbar)
der Zellwand direkt an Ergosterin. Die Poly-
ensterinkomplexe ordnen sich dadurch neu an Die Echinocandine (Caspofungin, Anidulafungin
und bilden in der Zellwand kleine Poren, und Micafungin) sind Glukansynthesehemmer und
durch die es zu einem Elektrolytverlust der richten sich gegen die Zellwand, die ihre Form und
Zelle und letztlich zum Zelltod kommt. Stabilität durch Schichten langer Polysaccharidfibril-
4 Die Azole (Ketoconazol, Fluconazol, Itraco- len erreicht. Dieses Gerüst aus Fibrillen ist mit ver-
nazol, Posaconazol) verhindern die Synthese schiedenen Arten von Strukturpolysacchariden und
des Ergosterins, indem sie an ein pilzspezifi- einer kleinen Zahl von Proteinen und Lipiden besetzt.
sches Cytochrom-P450-Enzym, die Lano- Das Caspofungin beispielsweise bindet als Glu-
sterin-14-α-Demethylase, blockieren o Ver- kan-Synthese-Inhibitor an die Zellmembran, blo-
hinderung der Demethylierung des Lanoste- ckiert dort nicht-kompetitiv die Glukansynthase
rins zum Ergosterin o Steigerung der Zellper- und verhindert somit den Aufbau der Glukane. Die-
meabilität, Hemmung des Zellwachstums und se Hemmung ist hochspezifisch. Sie zerstört die
-vermehrung. Zellwandintegrität, führt zur osmotischen Instabili-
Anmerkung: Azole interagieren z. T. mit dem tät der Zelle und bereits nach kurzer Einwirkzeit
menschlichen Cytochrom-P450-Enzymsystem! zum Absterben der Pilzzellen.
250 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

Anmerkung: Da das Enzym β-(1,3)-D-Glu- ämie verstärkt. Diuretika o Nephrotoxizitat


kansynthetase nur in niederen Eukaryonten und und Hyperkaliämie verstärkt.
nicht in den menschlichen Zellen vorkommt, ist 4 Kortikoide, ACTH o Verstärkung einer
dieser Wirkmechanismus der Echinocandine für Hypokaliämie. Mit Flucytosin o Synergismus
den Menschen nicht toxisch. Anmerkung: Versuch der Reduktion der Ne-
phrotoxizitat des »klassischen Amphotericin B
führte zur Entwicklung verschiedener Aufbe-
11.3.3 Antimykotika im Detail reitungsformen:
5 als Liposome (AmBisome): Dosis von
Polyene (Amphotericin B) 3–7 mg/kg (Nephropathierate immer noch
4 Wirkspektrum: Organmykosen und generali- bei ca. 10 %)
sierte Mykosen, besonders Candidamykose, 5 als Cholesterindispersion (Amphocil):
Aspergillose, Histoplasmose, Kryptokokkose, Dosis 4–6 mg/kg; 120–140 nm große
Kokzidioidomykose, Blastomykose Scheibchenmoleküle
4 Wirklücke: Candida lusitaniae und Aspergillus 5 als Lipidkomplexe verkapselt (Abelcet): Do-
terreus et flavus, Trichosporon bigelii, Fusa- sis 5 mg/kg KG; 160–1000 nm große Bänder
rium spp., Scedosporium prolificans
! Keine Kombination mit Azolderivaten o
4 Wirkmechanismus: Permeabilitätserhöhung
Antagonismus!
der Pilzmembran durch entstandene Poren
nach Komplexbildung von Amphotericin mit
Ergosterol (= essenzieller Bestandteil der Zell- (Tri)-Azole
membran von Pilzen) 4 Hierzu zählen: Fluconazol, Itraconazol,
4 Pharmakokinetik: Voriconazol, Posaconazol etc.
5 HWZ des Plasmapools: 24–48 h, terminale 4 Wirkspektrum: Sprosspilze (Systemkandi-
HWZ: bis zu 15 Tagen dosen, Kandidosen oberflächlicher Schleim-
11 5 Metabolisierung von Amphotericin B in häute wie rezidivierende oropharyngeale und
der Leber zu 34 Metaboliten, 5 % werden ösophageale Kandidosen, Behandlungsversuch
über die Nieren eliminiert zur Vorbeugung der Kryptokokkenmeningitis
bei AIDS-Patienten (nach Rex et al. wurden
jNebenwirkungen einzelne Resistenzen beschrieben) und von
Fieber (80 %), Nephrotoxizität (jedoch keine Do- Kandidosen bei der Chemo- oder Strahlenthe-
sisreduktion bei Niereninsuffizienz notwendig!), rapie sowie bei abwehrgeschwächten Patien-
Leuko- und Thrombopenie, Eosinophilie, Leukozy- ten). Für Voriconazol ist das Anwendungs-
tose, Transaminasenanstieg, gastrointestinale Stö- gebiet auf invasive Aspergillosen sowie
rungen (50 %), Blutgerinnungsstörungen, periphere Candidainfektionen bei nicht-neutropenischen
Neuropathie, Konvulsionen. Patienten erweitert!
4 Wirklücke: Candida glabrata (meist nur inter-
> Die Toxizität des liposomalen Amphotericin
mediar sensibel) und Candida krusei (primär
ist von allen Aufbereitungsformen am ge-
resistent auf Fluconazol, Ausnahme Voricona-
ringsten und wird von den verschiedensten
zol) und Aspergillen (Fluconazol)
Fachgesellschaften als einzige Darreichungs-
4 Wirkmechanismus: Hemmung der Ergosterol-
form aktuell empfohlen! Der Einsatz von kon-
synthese der Pilze (Hemmung der 14-α-De-
ventionellem Amphotericin B wird nicht mehr
methylase) o fungistatische Wirkung!
empfohlen!
jNebenwirkungen
jWechselwirkungen Gastrointestinale Störungen, Hautausschlag, Kopf-
4 Herzglykoside, Muskelrelaxanzien, Anti- schmerzen, periphere Nervenstörungen; Verände-
arrhythmika etc. oWirkung durch Hypokali- rungen der Werte von hepatischen, renalen sowie
11.3 · Antimykotika
251 11

. Tab. 11.21 Metabolisierung der Azol-Antimykotika

Substanz Handels- Metabolisierung Eiweiß- CYP- Nebenwirkung/


name bindung/ Inhibition Bemerkungen
Renal Hepatisch Dialyse

Fluconazol Diflucan +++ – Gering (12 %) CYP 2C9 >


(60–80 % dialysierbar CYP 3A4 >
unverändert) CYP 2C19
Voriconazol Vfend + (<5 % ++++ Mittel (58 %) CYP 3A4; Sehstörungen (in bis
unverändert) (ca. 80 %) CYP 2C9 > zu 30 % der Fälle),
CYP 2C19 > CYP 2C19 GOT/GPT-Anstieg (in
CYP 2C9 bis zu 15% der Fälle)
CYP 3A4* Cave: GFR <50 ml/min
o Cyclodextrin n
Itraconazol Sempera ++++ Hoch (99,8 %), CYP 3A4 > Aktive Metabolite
CYP3A4 nicht dialy- CYP 2C9
sierbar
Posa- Noxafil ++++ Hoch (99 %) CYP 3A4 Übelkeit, Erbrechen
conazol** Über UGT*** nicht dialy- Einnahme mit fett-
(75 % unver- sierbar reicher Mahlzeit!
ändert über Kein CYP450-Metabo-
Fäzes) lismus

* Die hepatische Eliminationskapazität von Voriconazol ist wegen eines Polymorphismus des Cytochroms-P450-Isoen-
zyms 2C19 und im Zusammenhang mit möglichen Medikamenteninteraktionen sehr variabel. Daher wird aktuell ein
therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) diskutiert. In diesem Zusammenhang konnte eine Korrelation zwischen
einem Mindesttalspiegel von 1 mg/l Voriconazol und einem therapeutischen Erfolg von 70 % abgeleitet werden, wäh-
rend höhere Spiegel den Erfolg marginal steigern (. Tab. 11.23)
** Posaconazol unterliegt nicht dem Phase-1-Metabolismus, d. h. es wird nicht durch Cytochrom-P450-Isoen-
zyme (CYP) metabolisiert. Allerdings wirkt es trotzdem als Inhibitor des CYP3A4! Andere Isoenzyme (z. B. CYP 1A2, 2D6,
2C8/9 oder CYP 2E1) werden nicht beeinflusst!
Simultane Gabe von Terfenadin (Terfenadin Stada u. a.) oder Pimozid (Orap) und einigen anderen Medikamenten, die
Torsades de pointes verursachen können, sind kontraindiziert!
Ebenso sollte die Therapie mit Statinen wie Simvastatin (Zocor), Lovastatin (Mevinacor) und Atorvastatin (Sortis) wäh-
rend der Behandlung mit Posaconazol unterbrochen werden; die Dosierungen von Ciclosporin (Sandimmun, etc.) und
Tacrolimus (Prograf etc.) müssen reduziert werden.
*** UGT = Uridin-diphosphat-Glucosyltransferase

hämatologischen Laborparametern wie Leuko- Darreichungsform in Lösung gebracht (cave


penie, Thrombopenie. bei bekannter Allergie gegen diesen Lösungs-
vermittler!)
jWechselwirkungen
4 Meist CYP450-Enzym-Interaktion; Wirkungs- . Tab. 11.21 zeigt die Metabolisierungswege der ver-
verstärkung von Kumarinderivaten, oralen An- schiedenen Azol-Antimykotika.
tidiabetika vom Sulfonylharnstoff-Typ, Theo- Anmerkung: Aufgrund der großen interindivi-
phyllin und Phenytoin. duellen Variabilität der Pharmakokinetik der
4 Bei gleichzeitiger Gabe von Rifampicin können Azol-Antimykotika wird seit kurzen bei Anwen-
die Fluconazolspiegel erniedrigt sein! dung dieser Antimykotikagruppe die Bestimmung
Anmerkung: Viele Azol-Antimykotika werden des Serumspiegels gefordert (therapeutisches
durch den Zusatz von Natrium-β-Cyclo- Drug-Monitoring; TDM) (. Tab. 11.22)!
dextrinsulfobutylether in der intravenösen
252 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.22 Therapeutisches Drug-Monitoring (TDM)

Substanz Indikation Zeitpunkt (Tag) Zielwerte (μg/ ml)

Voriconazol (VFend) Therapieversager, Komedikation, Kinder, 4–7 Prophylaxe: >0,5


gastrointestinale Störungen, i.v./p.o.-Um- Therapie: 0,5–2
stellung, Hepatopathie, neurologische Toxizität: > 6
Störungen

Talspiegel von ≥1 μg/ ml gehen mit einem therapeutischen Erfolg von ca. 70 % einher! (Pascual et al. 2008)

Posaconazol (Noxafil) Therapieversager, gastrointestinale 4–7 Prophylaxe: >0,5


Störungen, PPI-Einnahme, Komedikation Therapie: 0,5–1,5
Toxizität: ?

Itraconazol (Sempera) Routine in der 1. Woche, Therapieversager, 4–7 Prophylaxe: >0,5


gastrointestinale Störungen, Komedikation Therapie: 1–2
Toxizität: ?

Flucytosin(Ancotil) Routine in der 1. Woche, Therapieversager, 3–5 Therapie: Spitze >20


Niereninsuffizienz Toxizität: >50

! Keine Empfehlung eines TDM für Fluconazol sporium spp. und Aspergillus spp. (inkl.
und allen Echinocandinen! zerebrale Form mit verbesserten Ansprech-
barkeitsraten im Vergleich zu Amphoteri-
Azolderivate cin B)
4 Wirklücke: Mucor, Zygomyzeten
Fluconazol (Diflucan)
11 4 Wirkspektrum: Candida albicans und einige jIndikationen
Non-albicans-Stämme sowie Histoplasma Aspergillose, Candidiasis.
capsulatum
4 Wirklücke: Candida glabrata, C. krusei, Dosierung
C. guillermondi, C. dubliensis, Aspergillen,
5 Initial 2-mal 6 mg/kg KG i.v. anschließend
Zygomyzeten, …
2-mal 4 mg/kg KG i.v. oder
Dosierung 5 initial 2-mal 400 mg p.o., anschließend
2-mal 200 mg/Tag p.o. mit 1 h Abstand zum
5 Initial 2-mal 6 mg/kg KG i.v. Essen
5 Anschließend 2-mal 4 mg/kg KG i.v.

jWechselwirkungen
jNebenwirkungen 4 Rifabutin + Phenytoin o Erhöhung der Vori-
Gastrointestinale Störungen. conazoldosis (z. B. 5 mg/kg i.v., 400 mg oral/2-
mal täglich)
Voriconazol (VFend) 4 simultane Tacrolimusgabe o 1/3 der initialen
4 Wirkspektrum: Tacrolimusdosis und Bestimmung der Serum-
5 Fungistatisch gegenüber Candida spp. und konzentration
fungizid gegenüber Schimmelpilzen 4 simultane Cyclosporingabe o 1/2 der initialen
5 erfasst auch fluconazolresistente Candida Cyclosporindosis und Bestimmung der Se-
spp. bzw. Non-albicans-Stämme, Crypto- rumkonzentration
coccus neoformans, Fusarium spp., Scedo-
11.3 · Antimykotika
253 11
! Unter Itraconazol sind Fälle von Herzversa-
Nicht simultan mit Voriconazol anzuwenden gen beschrieben worden! An Rattenherzen
5 Terfenadin, Astemizol (Antiallergika) (Cleary et al. 2012) kommt es unter Itracona-
5 Rifampicin zol aufgrund einer angenommenen mito-
5 Carbamazepin chondrialen Dysfunktion zur deutlichen
5 Phenobarbital Abnahme der kardialen Kontraktilität!
5 Sirolismus Auch bei Posaconazol sind Fälle von Herz-
5 Efavirenz, Ritonavir insuffizienzen beschrieben worden!
5 Johanniskraut
5 Chinidin jKontraindikationen
5 Ergotalkaloide Kreatinin-Clearance <30 ml/min für i.v. Lösung
(Cyclodextrinakkumulation), dekompensierte
Herzinsuffizienz.
jNebenwirkungen
4 Transaminasenanstieg (10–25 %) Posaconazol (Noxafil)
4 passagere Sehstörungen (bis 25 %) 4 Wirkmechanismus: Hemmung der Lanosterol-
4 Exanthem (1–6 %) 14α-Demethylase und damit den Umbau von
4 Fieber, Durchfall, Magenschmerzen, Hypo- Lanosterol in Ergosterol. Die Ergosterolvorstu-
glykämie und Pneumonitis, Erbrechen und fen werden in die Pilzmembran eingebaut und
4 Halluzinationen die Permeabilität für Zellbestandteile erhöht sich

Itraconazol (Sempera) jIndikationen


4 in Deutschland als i.v. zu applizierende Invasive Mykosen beim Erwachsenen (>18. Lebens-
Substanz (Sempera 10 mg ml Konzentrat), in jahr), u. a. Candidosen (C. albicans, C. parapsilosis
Kapselform (Semperakapseln mit 100 mg u. a.) evtl. Amphotericin B oder itraconazolresistente
Itraconazol) oder als Lösung (Sempera liquid invasive Aspergillose (A. fumigatus, A. flavus, A. ni-
10 mg Itraconazol/ ml) erhältlich ger u. a.), evtl. Amphotericin-B-resistente Fusariose,
4 Wirkspektrum: wie bei Voriconazol; wirkt evtl. Itraconazol-resistente Chromoblastomykose
auch gegen Aspergillen oder Amphotericin-B-Itraconazol- und Fluconazol-
4 Wirklücke: Candida krusei und glabrata, resistente Kokzidioidomykose, sowie Zygomyzeten;
Fusarium spp., Aspergillus niger, Zygomy- Pilzprophylaxe nach Transplantation (KMT, …).
zeten, Cryptococcus neoformans
Dosierung
jIndikationen
5 2-mal 400 mg p.o. zusammen mit einer
Candidose, Aspergillose.
Mahlzeit (Suspension enthält 40 mg Posa-
Dosierung conazol/ ml)
5 Nüchtern sollten die Tagesdosis in 4 Einzel-
5 1- bis 2-mal 200 (–400) mg p.o. oder dosen gegeben werden, z. B. 4-mal 200 mg
5 3-mal 200 mg an Tag 1–4 i.v., anschließend p.o. bei Mukositis
2-mal 200 mg i.v.
5 Kinder 1–12 Jahre: 5–12 mg/kg KG
jNebenwirkungen
Übelkeit (6 %), Erbrechen, Kopfschmerzen (8 %),
jNebenwirkungen Exantheme und Leberwerterhöhung.
Gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen und Anmerkung: in den nächsten Jahren ist mit ei-
Hauterscheinungen, reversible Erhöhungen der Le- ner Darreichungsform zur intravenösen Applika-
berenzyme. tion zurechnen!
254 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

11.3.4 Echinocandine Dosierung

Caspofungin (Cancidas) 5 1. Tag 70 mg über 1 h


4 in den USA seit 1/2001 und in Europa seit 5 Ab dem 2. Tag dann 50 mg/d über 1 h
10/2001 zugelassen 5 Schwere Leberinsuffizienz: Dosisreduktion
4 Wirkspektrum: Sprosspilze (fungizid C. albi- auf 35 mg/Tag
cans sowie Non-Albicans-Stämme), Schimmel- 5 Kinder: anstatt 1 mg/kg/Tag besser 50 mg/
pilze (fungistatisch), Histoplasmose und auch m²/Tag (nach Walsh ICAAC 2002)
Pneumocystis carinii
4 Wirklücke: Cryptococcus neoformans, Blasto-
myces, Fusarium, Trichosporon jNebenwirkungen
4 Wirkmechanismus: Hemmung der Synthese Fieber, Schüttelfrost, Bauchschmerzen, Übelkeit,
von β-(1,3)-D-Glukan (nicht-kompetitive Erbrechen, Thrombophlebitis an der Einstichstelle,
Hemmung der Glukansynthese); Glukan Hautausschlag Juckreiz, Schwitzen, Anämie, Kopf-
kommt in Säugetierzellen nicht vor und ist ein schmerz, reversibler Transaminasenanstieg (beson-
essenzieller Bestandteil der Pilzzellwand, der ders bei simultaner Ciclosporinmedikation), hista-
für mechanische Stabilität und osmotische minvermittelte Symptome.
Integrität verantwortlich ist o Zellnekrose.
4 In Konzentrationen unterhalb der MHK führt jWechselwirkungen
Caspofungin zur Apoptose der Candidazelle Weder Induktion noch Inhibition des CYP3A4-Me-
(Hao et al. 2012). Daneben kommt es nach tabolimus! Bei gleichzeitiger Gabe von Ciclosporin
neusten Erkenntnissen zur dosisabhängigen erhöhte sich allerdings die Konzentration von Cic-
Funktionsstörung der Mitochondrien in der losporin. Caspofungin blieb unverändert. Bei gleich-
C.-albicans-Zelle (King et al. 2012). zeitiger Verabreichung von Tacrolismus erniedrigte
sich dessen minimale Plasmakonzentration.
11 jIndikationen Bei einigen Patienten erniedrigt sich die Kon-
4 Behandlung von invasiven Candida-Infektio- zentration von Caspofungin bei gleichzeitiger Gabe
nen bei erwachsenen Patienten von
4 Behandlung einer invasiven Aspergillose bei 4 Efavirenz
erwachsenen Patienten, die auf Therapien mit 4 Nevirapin
Amphotericin B, Lipidformulierungen von 4 Rifampicin
Amphotericin B und/oder Itraconazol nicht 4 Dexamethason
ansprechen oder diese nicht vertragen 4 Phenytoin
(»second-line«) 4 Carbamazepin
Anmerkung: Ein Nichtansprechen ist definiert
als ein Fortschreiten der Infektion oder wenn Anidulafungin (Ecalta)
nach vorangegangener mindestens 7-tägiger Halbsynthetisches Lipopeptid aus der Gruppe der
antimykotischer Therapie in therapeutischen (Echino)candine.
Dosierungen keine Besserung eintritt. 4 Wirkspektrum:
4 empirische Therapie bei Verdacht auf Infektio- 5 fungizide Wirkung gegen klinisch relevante
nen durch Pilze (wie Candida oder Aspergil- Candida-Arten, wie C. albicans, C. glabrata
lus) bei erwachsenen Patienten mit Fieber und oder C. krusei. (auch Stämme mit Resistenz
Neutropenie gegenüber Fluconazol)
5 fungistatische Wirkung gegenüber Asper-
gillus-Arten
4 Wirklücke: Cryptococcus neoformans, Blasto-
myces, Fusarium spp., Mucor, Zygomyzeten,
Trichosporon
11.3 · Antimykotika
255 11
4 Anmerkung: es liegen z. Zt. keine ausreichen- 4 Wirkspektrum: alle Canida-Arten (C. albicans,
den therapeutischen Erfahrungen bei Aspergil- C. glabrata, C. guilliermondii, C. krusei, C. pa-
lusinfektionen vor! rapsilosis und C. tropicalis)
4 Wirkmechanismus: spezifische Beeinflussung 4 Wirklücke: Cryptococcus neofomans, Fusa-
der Pilzzellwandbiosynthese durch nicht- rium spp. und Zygomyzeten
kompetitive Inhibition der (1-3)-β-D-Glukan- 4 Wirkmechanismus: spezifische Beeinflussung
synthetase der Pilzzellwandbiosynthese durch nicht-
kompetitive Inhibition der (1-3)-β-D-Glukan-
Dosierung synthetase (wie die anderen Echocandine
auch)
5 Initial 200 mg am ersten Behandlungstag
über 3 h und anschließend 100 mg/Tag über jIndikationen
1,5 h i.v. als Eimalgabe (bei Candidaösopha-
4 systemische Pilzinfektionen bei erwachsenen,
gitis 150 mg/Tag i.v.)
nicht-neutropenischen Patienten mit Candid-
5 Zur Candidaprophylaxe bei Knochenmark-
ämie, akuter disseminierter Candidose, Can-
stransplantierten: 50 mg/Tag i.v.
didaperitonitis und Abszess oder Patienten mit
ösophagialer Candidiasis
! Keine Zulassung von Anidulafungin in Europa 4 Prophylaxe von Candidainfektion bei Patienten
zur Prophylaxe der Candidaösophagitis! mit hämatologischer Stammzelltransplantation
4 wenn kein anderes Antimykotikum ange-
jTherapiedauer wendet werden kann
Mindestens bis zu 14 Tage nach der ersten negativen 4 Anmerkung: Nicht untersucht bzw. zugelassen
Blutkultur/bzw. nach dem letzten Pilznachweis! Ab bei Patienten mit Candidaendokarditis,
dem 10. Behandlungstag kann im Rahmen einer Se- Candidaosteomyelitis und Candidameningitis
quentialtherapie auf orales Fluconazol umgestellt oder bei Patienten mit anderen Pilzinfektionen!
werden!
Dosierung
jIndikationen
Systemische Pilzinfektionen bei erwachsenen, nicht- 5 Konzentration: 50 mg/100 mg Micafungin-
neutropenischen Patienten mit Candida spp. Ampullen
5 Bei Candidämie, akuter disseminierter
jNebenwirkungen Candidose, Candidaperitonitis und Abszess:
Hautrötungen bzw. Hitzewallungen (2,3 %), selten 1-mal 100 mg/Tag
ZNS-Reaktionen (Konvulsionen, Kopfschmerzen) 5 Bei Candidaösophagitis: 1-mal 150 mg/Tag i.v.
und gastrointestinale Symptome wie z. B. Durchfall, 5 Zur Candidaprophylaxe bei Knochenmarks-
Erbrechen, Übelkeit (1–2 %) oder Pruritus, Haut- transplantierten: 1-mal 50 mg/Tag i.v.
ausschlag, Urtikaria und Erhöhungen der Leberen- (jeweils aufgelöst in 100 ml 0,9 %ige NaCl-
zyme und Hypokaliämie. oder 5 %ige Glukoselösung; Infusionsdauer:
>1 h)
jKontraindikationen 5 Keine Dosisanpassung bei schwerer
Kinder und schwangere Patientinnen. Niereninsuffizienz oder moderater Leber-
insuffizienz!
Micafungin 5 Keine Dosisanpassung von Micafungin bei
4 Mycamine in den USA, Funguard in Japan simultaner Gabe von Cyclosporin, Tacrolis-
halbsynthetisches Lipopeptide aus der Gruppe mus. Prednisolon, Sirolismus, Fluconazol,
der (Echino)candine, das durch chemische Mo- Voriconazol, Itraconazol, Amphotericin B,
difikation eines von Coleophoma empetri Rifampicin, Ritonavir
F-11899 produzierten Ferment abstammt
256 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.23 Pharmakokinetik der Antimykotika aus der Gruppe der Echinocandine

Substanz Handelsname Metabolisierung Eiweißbin- Nebenwirkung/Bemerkungen


dung/Dialyse
Renal Hepatisch

Caspofungin Cancidas – ++++ Hoch (97 %), Nicht-oxidative Metabolisierung:


N-Acetylierung nicht >90 % Degradation via Peptidhy-
in der Leber dialysierbar drolyse
Fieber (7,0 %), Schüttelfrost (5,3 %),
Phlebitis (3,5 %),
Erbrechen (3,5 %)

Anidula- Ecalta – – Hoch (>99 %), Nicht-enzymatische Degradation


fungin nicht Diarrhö (3,4 %)
dialysierbar

Micafungin Mycamine – ++++ Hoch (>99 %) >90 % Degradation via hepatischer


Arylsulfatase, COMT und CYP450
Fieber (8,0 %), Übelkeit (4,5 %),
Erbrechen (3,4 %)

jNebenwirkungen 11.4.1 Ursprüngliche medikamentöse


Leberenzymanstiege, Vasodilatation, Flush, Juck- Zusammensetzung (klassisch)
reiz durch Histaminfreisetzung, Thrombophlebitis.
. Tab. 11.23 gibt einen pharmakokinetischen Nasoorale und gastrale Gabe eines Gemisches aus
Überblick der Antimykotika aus der Gruppe der 4 einem Polymyxin E (50 mg in 8 ml NaCl 0,9 %
11 Echinocandine. aufgelöst)
. Tab. 11.24 zeigt die empfohlene Dosierung 4 einem Aminoglykosid, z. B. 2 ml Tobramycin
und Besonderheiten der einzelnen Antimykotika (= 80 mg) (Gernebcin) und
auf. 4 Amphotericin B (Suspension von 3 ml)
. Tab. 11.25 zeigt die verschiedenen Wirkspekt-
rum der einzelnen Antimykotika gegenüber Candi- sowie nach dem Groningen-Regime die systemi-
da spp., Aspergillus spp. sowie selteneren Fadenpil- sche Gabe von Cefotaxim (Claforan) 3-mal 2 g bzw.
zen (nach Klamareck 2005). 4-mal 1 g i.v. für 4 Tage.

11.4 Selektive Darm- bzw. oropharyn- 11.4.2 Modifizierte Medikation


geale Dekontamination
Für SDD und SOD sind die in . Tab. 11.26 aufgelis-
4 SDD = selektive Darmdekontamination teten Applikationsformen zu beachten.
4 SOD = selektive oropharyngeale Dekontami- Anmerkung: Paste aus
nation 4 Amphomoronal 10,4 g
4 1984: erste Anwendung der SDD durch 4 Colistinsulfat 0,2 g (= Polymyxin E)
Stoutenbeek 4 Tobramycin 0,16 g und Gelgrundlage 9,24 g
4 Ziel: Elimination aerober gramnegativer plus evtl. Geschmacksstoffe
Bakterien und Pilze bei Erhaltung der Anaero-
bier mit ihrer Platzhalterfunktion Seit Juni 2012 ist es den Apothekern nicht möglich,
die einzelnen Komponenten der SOD-Lösung/Pas-
te zusammen zu mixen, da hierdurch ein nicht mehr
11.4 · Selektive Darm- bzw. oropharyngeale Dekontamination
257 11

. Tab. 11.24 Antimykotika im Überblick

Substanz/Präparat Dosierung Bemerkungen

Polyenantimykotika

Amphotericin B in Dosis: 3–5 mg/kg KG) Gabe bei: Aspergillose, Blastomykose, Kryptokokkose, Histo-
liposomaler Formu- plasmose und systemischer Candidiasis
lierung (AmBisome) (Nachweis im Blut und evtl. Urin)
Nebenwirkungen: Fieber (80 %), Nephrotoxizität (jedoch
keine Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz notwendig! o
Abbau im Gewebe, Ausscheidung über Niere), Leuko-,
Thrombozytopenie, Transaminasen n, gastrointestinale
Störungen (50 %) nicht dialysierbar, keine Kombination mit
Azolderivaten!

Polyenderivate

Amphotericin B 3- bis 4-mal tgl. Bei lokaler Infektion (oral, inguinal)


(Amphomoronal)

Nystatin 3- bis 4-mal 1 Pipette p.o. Wirkt nur lokal, keine Resorption
(Candio-Hermal)

Flucytosin (Ancotil) 4-mal 37,5 mg/kg als Kurz- Mit Amphotericin B kombinieren (Kombination bei Krypto-
infusion i.v. kokkose von Vorteil)
100–200 mg/kg p.o. Nebenwirkungen: Leuko-, Thrombopenie, Transaminasen
Renale Elimination: >90 % o Zusatzdosis nach Dialyse
Nephrotoxizitat bei Serumkonzentration >100 mg/l

Triazolderivate

Voriconazol 1. Tag: 6 mg/kg, Reversible, kurz andauernde Sehstörungen (in 30 %)


(VFend) 2 Tag: 4 mg/kg jeweils in Hautreaktionen (in 10 %)
2 ED i.v. oder p.o. Ab dem 2. Lebensjahr zugelassen
Orale Bioverfügbarkeit: 96 %, 8 Metabolite, tmax<1 h, t1/2: ca. 6 h
Erhältlich als intravenöse Lösung, Kapseln oder Pulver
(40 mg ml Pulver)
Kapseln enthalten Lösungsmittel, das bei Niereninsuffizienz
akkumuliert!

Fluconazol 1- bis 2-mal 200–400 mg i.v. Wirkt nicht bei C. glabrata und C. tropicalis
(Diflucan) Bei CVVH: 4-mal 200 mg i.v. Hohe Liquorgängigkeit!
Schleimhaut: 1-mal 50–100 mg/ Bei Niereninsuffizienz:
Tag p.o. – GFR 21–40 ml: alle 48 h 1-mal
GFR 10–20 ml alle 72 h (renale Elimination >80 %)
Bioverfügbarkeit: >90 %, hohe Liquorgängigkeit, niedrige
Eiweißbindung, überwiegend unveränderte renale Elimination
Nebenwirkungen: gastrointestinale Störungen
o zunehmende Resistenzentwicklung

Itraconazol 1- bis 2-mal 200 (–400) mg p.o. Wirkt auch gegen Aspergillen
(Sempera) 3-mal 200 mg an Tag 1–4 i.v. Bioverfügbarkeit: nur 55 %
Anschließend 2-mal 200 mg i.v. Kontraindikation: Kreatinin-Clearance <30 ml/min
Kinder 1–12 Jahre: 5–12 mg/kg Wirklücke: C. krusei, Fusarium spp., Zygomyzeten, Crypto-
coccus neoformans
258 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.24 (Fortsetzung)

Substanz/Präparat Dosierung Bemerkungen

Posaconazol 2-mal 400 mg p.o. mit einer Zugelassen für invasive Mykosen beim Erwachsenen
(Noxafil) Mahlzeit oder (>18. Lebensjahr) mit Candida spp, resistente invasive Asper-
4-mal 200 mg p.o. nüchtern gillen, resistente Fusaria spp., Chromoblastosen, resistente
z. B. bei Mukositis Kokzidioidomykose sowie Zygomyzeten
Hepatische Metabolisierung, allerdings nicht durch Cyto-
chrom-P450-Isoenzyme, trotzdem Inhibitor der CYP3A4!
In naher Zukunft soll eine intravenöse Applikationsform auf
den Markt kommen!

Miconazol (Daktar) 4- bis 6-mal 1 Tbl. (= 250 mg) Cremophorlösungsvermittler!

Ketoconazol 1-mal 200 mg p.o. Nebenwirkungen: med.-toxische Hepatitis


(Nizoral) Cave: bei GOT-/GPT-Anstieg o Absetzen der Medikation!

Echinocandine

Caspofungin 1. Tag 70 mg über 1 h, ab Tag 2 Wirkspektrum: Sprosspilze, Schimmelpilze, Histoplasmose


(Caspofungin MSD) dann 50 mg/d über 1 h und auch Pneumocystis carinii
Wirklücke: Cryptococcus neoformans, Blastomyces, Fusarium
Dosisreduktion nur bei schwerer Leberinsuffizienz

Anidulafungin 1. Tag: 200 mg/Tag über 3 h Nur für invasive Candidosen zugelassen (erfasst auch Stäm-
(Ecalta) und anschließend 100 mg/Tag me mit Resistenz gegenüber Fluconazol)
über 1,5 h i.v. Keine hepatische Metabolisierung und keine Cyto-
Bei Candidaösophagitis: chrom-P450-Interaktion bzw. Arzneimittelinteraktion
150 mg/Tag i.v. Keine Dosisanpassung bei Leber- und Niereninsuffizienz
Zur Candidaprohylaxe bei notwendig!
11 Knochenmarkstransplan-
tierten: 50 mg/Tag i.v.

Micafungin Invasive Candidose: 100 mg/ Soll nur angewendet werden, wenn andere Antimykotika
(Mycamine) Tag nicht effektiv sind oder eingesetzt werden können! Nicht
Candidaösophagitis: 150 mg/ zugelassen bei Patienten mit Candidaendokarditis, Candida-
Tag i.v. osteomyelitis und Candidameningitis oder bei Patienten mit
Candidaprohylaxe bei Kno- anderen Pilzinfektionen!
chenmarkstransplantierten: Kein Cytochrom-P450-Metabolismus, keine Dosisanpassung
50 mg/Tag i.v. bei schwerer Niereninsuffizienz oder moderater Leberinsuf-
Jeweils über 1 h fizienz!

zugelassener Medikamenten-Cocktail entsteht! Die duktion der 28-Tage-Letalität auf der Inten-
einzelnen intensivmedizinischen Fachgruppen sivstation bzw. trendmäßig auch noch nach
widmen sich aktuell diesem Problem! einem Jahr. Die Behandlung erfolgte dabei mit
Ciprofloxacin 2-mal 400 mg i.v. und topisch
jIndikationen appliziertem Polymyxin B und Gentamicin
Intubierte Intensivpatienten mit einer erwarteten 4 polytraumatisierte Patienten (jedoch dann
Beatmungsdauer >48 h (A-Empfehlung). Weitere frühzeitiger Einsatz)
Indikation könnte sein: 4 thorakale Ösophaguschirurgie mit intra-
4 chirurgische Patienten mit einen APACHE-II- operativer erster Gabe
Score von >20 Punkten, Alter >60 Jahre 4 internistischer Patienten mit nachgewiesener
Anmerkung: nach einer Untersuchung von nekrotisierender Pankreatitis o signifikante
Krüger (2002) bzw. De Jonge (2003) führt die Reduktion der Letalität in einer randomisier-
SDD-Prophylaxe zu einer signifikanten Re- ten, prospektiven Studie von Luiten et al. (1995)
11.4 · Selektive Darm- bzw. oropharyngeale Dekontamination
259 11

. Tab. 11.25 Wirkspektrum der Antimykotika

Spezies Fluco- Itraco- Vorico- Posaco- Ampho- Anidula- Mica- Caspo-


nazol nazol nazol nazol tericin B fungin fungin fungin

Candida

– albicans + + + + + + + +

– tropicalis (+) + + + + + + +

– glabrata (+) O + (+) + + + +

– krusei O O + (+) + + + +

– dubliensis O + + + + ? ? +

– lusitaniae + + + + O ? ? +

– guillermondi O + + + + O O O

– parapsilosis + (+) + + + (+) (+) (+)

Crytococcus + O + ? + O O O
neoformans

Aspergillus

– fumigatus (+) + + + + ? ? +

– flavus O + + + O ? ? +

– niger O O + + + ? ? +

– granulosus O + + + ? ? +

– terreus O + + + O ? ? +

– nidulans O + + ? ? +

Weitere Schimmelpilzarten

Fusarium O O + + O O O O

Scedosporium O + + + + O O O

Mucor O (+) O + + O O O

Histoplasma + + + + + (+) (+) (+)


capsulatum

Zygomyzeten O O O + + O O O

+: meist sensibel
(+): nur nach Testung, meist nur intermediär sensibel
O: meist resistent
260 Kapitel 11 · Antibiotika und Antimykotika

. Tab. 11.26 Applikationsform von SDD und SOD

Applikationsform SDD SOD

Oral (alle 6 h) 2 % Paste aus Polymyxin E, Tobramycin und Ampho- 2 % Paste aus Polymyxin E, Tobramycin
tericin B im Mund verteilt und Amphotericin B im Mund verteilt

Gastral 10 ml Suspension mit 100 mg Polymyxcin E, 80 mg Entfällt!


Tobramycin und 500 mg Amphotericin B

Intravenös 4-mal 1 g Cefotaxim oder bei Allergie 2-mal 400 mg Entfällt!


(für 4 Tage) Ciprofloxacin
Ausnahme: bereits durchgeführte Antibiotikathera-
pie mit Carbapenem, Fluorchinolon, Ceftazidim oder
Piperacillin/Tazobactam

jErgebnisse Ausgewählte Literatur


4 Reduzierung der Pneumonierate
4 Reduktion der Bakteriämie und Candidämie Publikationen
Bodmann KF, Vogel F (2002) Sichere parenterale Antibiotika-
4 Reduktion der Letalität schwer kranker Inten-
therapie mit geringen (Folge)Kosten. Klinikarzt 31:
sivpatienten (Nachweis in 4 prospektiven, ran- 3–11
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Smet et al. (2009, 2011) Brodt HR (2006) Tigecyclin (Tygacil). Antibiotika- Glycyl-
cycline. Neue Arzneistoffe 1:58–63
Classen et al. (1992) The timing of prophylactic administration
Anmerkung: SDD reduziert nach De Smet et al.
11 (2009) die Mortalität relativ um 11–13 %! Die allei-
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New Engl J Med 326: 281–286
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(»selektive orale Dekontamination – SOD«) kann function. ICAAC M-991
Cornely OA, Maertens J, Winston DJ et al (2007) Posaconazole
ebenfalls die Inzidenz der beatmungsassoziierten
vs. fluconazole or itraconazole prophylaxis in patients
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! Theoretische Gefahr der Selektion von tobra- multiple diseases in healthy adults. Agents Chemother
mycinresistenten Enterobakterien, Staphylo- 47: 2788–2795
kokken (vor allem MRSA) und Pseudomona- Daschner F (2004) Antibiotika am Krankenbett, 12. Aufl. Sprin-
den sowie erhöhte Rate an grampositiven ger, Berlin Heidelberg New York Tokio
Bakteriämien! De Jonge E (2003) Effect of selective decontamination of
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Die Entwicklung von Multiresistenzen konnte in bacteria in intensive care: a randomised controlled trial.
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De La Cal MA, Cerdá E, García-Hierro P et al. (2005) Survival
et al. aus dem Jahr 2009 auf 13 holländischen Inten-
benefit in critically ill burned patients receiving selective
sivstationen nicht bestätigt werden. Zwei weitere, decontamination of the digestive tract: a randomized,
ältere Langzeitstudien zeigten ebenfalls, dass SDD placebo-controlled, double-blind trial. Ann Surg
auch über mehrere Jahre routinemäßig ohne gravie- 241:424–30
rende Resistenzprobleme angewendet werden kann de Smet AM, et al. (2011) Selective digestive tract deconta-
mination and selective oropharyngeal decontamination
(Leone et al. 2003 und Heininger et al. 2006).
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Ausgewählte Literatur
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263 12

Infektiöse Endokarditis
und Endokarditisprophylaxe
W. Zink

12.1 Infektiöse Endokarditis (IE) – 264

12.2 Endokarditisprophylaxe – 272

Ausgewählte Literatur – 274

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
264 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

12.1 Infektiöse Endokarditis (IE) 4 transitorische Bakteriämien nach medizini-


schen Eingriffen, aber auch nach Alltagstätig-
4 schwere Form der Herzklappenerkrankung, keiten (z. B. Zähneputzen)
die trotz erheblicher diagnostischer und thera- 4 Adhäsion von Mikroorganismen an thrombo-
peutischer Fortschritte nach wie vor mit einer tischen Auflagerungen und Kolonisation
hohen Letalität und Morbidität einhergeht 4 weiteres »Wachsen« der Auflagerungen durch
4 substanzielle Veränderung des epidemiologi- Fibrin und Thrombozyten → Vegetationen
schen Profils über die letzten Jahre: früher
besonders jüngere Patienten mit meist rheu- jRisikofaktoren
matischer Klappenerkrankung → heute ver- 4 Eingriffe im Oropharynxbereich (z. B. HNO-
mehrt ältere Patienten bzw. zahnärztlich)
4 neue prädisponierende Faktoren: Klappenpro- 4 kardiochirurgische Eingriffe
thesen, degenerative Klappenerkrankungen, 4 angeborene Herzfehler mit Klappenano-
intravenöser Drogenabusus, Zunahme der in- malien
vasiven Prozeduren 4 Klappenprothesen
4 steigenden Anteil der Staphylokokken- 4 anamnestisch rheumatisches Fieber bzw.
infektionen und Rückgang der Streptokokken- infektiöse Endokarditis
infektionen 4 i.v. Drogenkonsum
4 Alkoholabusus
! Für ein optimales Management der infek-
4 Immunsuppression (angeboren oder erworben)
tiösen Endokarditis ist ein interdisziplinäres
Vorgehen von Kardiologie, Infektiologie,
jErregerspektrum
Herzchirurgie und anderer Disziplinen
4 Streptokokken (40–60 %)
(z. B. Radiologie, Neurologie, Pathologie)
5 Viridans-Gruppe: S. mutans, S. mitis,
erforderlich.
S. sanguinis, S. anginosus, S. oralis und
S. salivarius
jDefinition 5 Letalität der Viridans-Endokarditis <10 %
12 Mikrobiell verursachte Endokarditiden sind endo- 5 S. bovis (Assoziation mit Kolonkarzinom o
vaskuläre, vorzugsweise durch Bakterien verur- Kolo-/Gastroskopie im stationären Verlauf!)
sachte Infektionen kardiovaskulärer Strukturen, 5 S. pneumoniae (v. a. bei Alkoholabusus,
insbesondere der nativen Herzklappen (. Tab. 12.1). Begleitpneumonie bzw. Meningitis)
4 Staphylokokken (20–40 %)
jEpidemiologie 5 S. aureus (85 % MSSA, 15 % MRSA): akuter
4 Inzidenz ca. 3 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr Verlauf!
4 unbehandelt: immer letal 5 koagulasenegative Staphylokokken: Prothe-
4 behandelt: abhängig vom Erreger, zurzeit in senfrühendokarditis/nosokomiale Endokar-
Deutschland durchschnittlich ca. 18–26 % ditiden
(akut) bzw. bis zu 40 % (innerhalb eines 4 Enterokokken (10 %)
Jahres)! 5 E. faecalis (90 %), E. faecium und E. durans
4 Mitralklappenendokarditis mit signifikant hö- 4 Pilze (1–10 %)
herer Mortaltiät als Aortenklappenendokarditis 5 Candida (C. albicans, C. glabrata, C. krusei,
4 mittlere stationäre Verweildauer: 42±29 Tage C. parapsilosis)
4 diagnostische Latenz 29±35 Tage 5 Aspergillus spp.
5 Risikofaktoren: Immunsuppression, Zu-
jPathogenese stand nach kardiochirurgischen Eingriffen,
4 Schädigung kardialer Strukturen (Herzklap- antibiotischer Langzeittherapie, Drogen-
pen!) mit konsekutiver Formation thromboti- abusus
scher Auflagerungen 5 hohe Letalität!
12.1 · Infektiöse Endokarditis (IE)
265 12

. Tab. 12.1 Klassifikation der infektiösen Endokarditis

Klassifikationskriterium Erläuterungen

Lokalisation und intra- Linksseitige Nativklappen-IE


kardiales Material
Linksseitige Klappenprothesenendokarditis

Früh: <1 Jahr nach Klappenoperation

Spät: >1 Jahr nach Klappenoperation

Rechtsseitige Endokarditis

Fremdmaterialassoziierte Endokarditis

Modus der Akquisition IE assoziiert mit Krankenversorgung

Nosokomial: Auftreten von Symptomen einer IE >48 h nach Klinikaufnahme

Nicht-nosokomial: Auftreten von Symptomen einer IE <48 h nach Aufnahme


bei Patienten, die eines der folgenden Kriterien erfüllen:
– häusliche Pflege oder ambulante intravenöse Gabe von Infusionen oder Chemo-
therapie, Hämodialyse <30 Tage vor dem Auftreten einer IE
– stationärer Aufenthalt weniger als 90 Tage vor dem Auftreten einer IE
– Bewohner eines Pflegeheims oder einer sonstigen Langzeitpflegeeinrichtung

Ambulant erworbene IE: Klinische Symptome einer IE weniger als 48 h nach stationärer
Aufnahme bei einem Patienten, der nicht die oben angeführten Kriterien erfüllt

IE assoziiert mit i.v. Drogenabusus: IE bei einem aktiven i.v. Drogenkonsumenten ohne
alternative Quelle einer Infektion

Aktive infektiöse IE mit persistierendem Fieber und positiven Blutkulturen oder


Endokarditis
Fortbestehende Therapie mit Antibiotika oder

Nachweis einer aktiven Entzündung im Operationssitus oder

Histopathologischer Nachweis einer aktiven Infektion

Rezidiv einer infektiösen Relaps: Wiederholte Episoden einer IE, verursacht durch den gleichen Erreger
Endokarditis <6 Monate nach der initialen Episode

Reinfektion: Infektion mit einem anderen Erreger

Wiederholte Episode einer IE verursacht durch den gleichen Erreger >6 Monate nach
der initialen Episode

4 gramnegative Erreger (3–5 %) jKlinik


5 meist bei negativen Blutkulturen, da schwer 4 unklares z. T. hohes Fieber (häufigstes klini-
anzüchtbar sches Zeichen einer Endokarditis)
5 HACEK-Gruppe (Haemophilus aphrophi- 4 neu aufgetretenes Herzgeräusch oder Aggra-
lus/paraphrophilus, Acinetobacter actino- vierung eines bekannten Herzgeräusches
mycetemcomitans, Cardiobacterium homi- (bedingt durch Regurgitation)
nis, Eikenella corrodens, Kingella kingae) 4 erhöhte Entzündungsparameter (Leukozytose
5 meist niedrige Virulenz, besiedeln bevor- mit Linksverschiebung, CRP n, BSG n, evtl.
zugt vorgeschädigte Klappen oder Klappen- Infektanämie, Procalcitonin n)
prothesen 4 progrediente Belastungsdyspnoe/Orthopnoe
bei ausgeprägter Klappendestruktion
266 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

4 klinische Zeichen einer zentralen Embolisie- kMikrobiologie


rung von Vegetationen (unspezifische Bewusst- 4 Blutkulturen sind bei etwa 85 % aller IE-
seinsstörungen/fokal neurologische Ausfälle) Patienten positiv
4 unspezifische klinische Zeichen (z. B. Kopf- 4 negative Blutkulturen meist durch eine voran-
schmerzen, allgemeine Abgeschlagenheit, gegangene Antibiotikagabe (→ Absetzen der
Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Nacht- Therapie vor erneuten Blutkulturentnahmen!)
schweiß, Myalgien und Arthralgien) bzw. durch schwer anzüchtbare oder intrazel-
4 (selten) Zeichen einer peripheren Mikro- oder luläre Mikroorganismen verursacht
Makroembolie und immunologische Phäno- 4 . Abb. 12.1 gibt die mikrobiologische Diagnos-
mene: u. a. Roth-Flecken, Janeway-Läsionen, tik wieder
Osler-Knötchen und Splinter-Hämorrhagien
> Dem Mikrobiologen sollte der Endokarditis-
sowie Symptome einer pulmonalen Embolisie-
verdacht mitgeteilt werden o längere Bebrü-
rung, glomeruläre Löhlein-Herdnephritis mit
tung der Blutkulturflaschen und damit
Hämato- und Proteinurie
größere Inzidenz eines Erregernachweises
4 bei älteren und immunkompromittierten Patien-
(Bebrütung >10 Tage)!
ten häufig untypisches Erscheinungsbild der IE
4 drei Paare unabhängige aerobe und anaerobe
> Das klinische Erscheinungsbild höchst varia-
Blutkulturen in 3 h (grundsätzlich vor der kal-
bel und abhängig vom ursächlichen Mikro-
kulierten antibiotischen Therapie und unab-
organismus und dem Vorhandensein einer
hängig vom Verlauf der Körpertemperatur, bei
vorbestehenden Herzerkrankung.
akut septischem Verlauf innerhalb von 1–2 h)
4 evtl. Kultur von reseziertem Herzklappen-
jDiagnostik gewebe oder von Biopsiematerialien
4 Echokardiographie und Mikrobiologie sind die 4 serologischer Nachweis von Coxiella burnetii,
wichtigsten Pfeiler der Endokarditisdiagnostik! Bartonella spp., Legionella pneumophila,
4 positive Anamnese (durchgemachte Endokar- Chlamydia psittaci und Brucella spp.
ditis, vorbestehende Vitien, Klappenprothe-
12 sen, Zustand nach rheumatischem Fieber, i.v. kWeiterführende Diagnostik
Drogenabusus oder nach invasiven Eingriffen 4 Labor (BSG, CRP, Procalcitonin, Blutbild)
mit potenzieller sekundärer Bakteriämie)! 4 Urinstatus (Hämaturie, Proteinurie)
4 12-Kanal-EKG (evtl. Überleitungsstörungen
kEchokardiographie bei paravalvulärem Abszess)
4 Echokardiographie schnellstmöglich bei Ver- 4 Sonographie des Abdomens (Organinfarkte/
dacht auf Endokarditis (zunächst transthora- -abszesse? Splenomegalie?)
kal; bei fortbestehendem Verdacht bzw. zur
definitiven Diagnosestellung transösophageal) kDuke-Kriterien zur Diagnose der IE
4 echokardiographische Hauptkriterien: 4 Duke-Kriterien beruhen auf klinischen,
5 Vegetationen echokardiographischen und mikrobiologi-
5 Abszesse schen Befunden
5 neue Dehiszenz einer Klappenprothese 4 hohe Sensitivität und Spezifität (ca. 80 %)
4 Echokardiographie auch hilfreich für die Ein- 4 Wertigkeit bei bestimmten Formen der Erkran-
schätzung der Schwere der Erkrankung, die kung eingeschränkt (Klappenprothesen, Schritt-
Vorhersage der Kurz- und Langzeitprognose macher, ICD, CRT, negative Blutkulturen)
und die Verlaufsbeobachtung unter Antibioti- 4 kein Ersatz für die klinische Beurteilung!
katherapie 4 Hauptkriterien
4 bei initial negativem TEE, aber fortbestehen- 5 Blutkulturen positiv für IE
dem Verdacht auf IE Wiederholung der TEE – Nachweis endokarditistypischer Erreger
nach 7–10 Tagen in zwei unabhängigen Blutkulturen
12.1 · Infektiöse Endokarditis (IE)
267 12

. Abb. 12.1 Mikrobiologische Diagnose bei Patienten mit kulturpositiver und kulturnegativer Endokarditis. (Aus ESC Pocket
Guidelines 2010) * Bei stabilen Patienten mit nicht identifiziertem Erreger sollte ein Absetzen der Therapie erwogen werden,
um eine erneute Blutkulturdiagnostik zu ermöglichen

(Viridans-Streptokokken, Streptococcus 4 Nebenkriterien


bovis, HACEK-Gruppe, Staphylococcus 5 Prädisposition (Herzerkrankung, intra-
aureus oder ambulant erworbene Entero- venöser Drogenabusus)
kokken ohne Nachweis eines primären 5 Fieber >38°C
Fokus) 5 vaskuläre Phänomene (schwere arterielle
oder Embolien, septische Lungeninfarkte,
– Mikroorganismen vereinbar mit einer IE mykotisches Aneurysma, intrakranielle
in persistierend positiven Blutkulturen: Blutungen, konjunktivale Einblutungen,
≥2 positive Blutkulturen aus Blutentnah- Janeway-Läsionen)
men mit mindestens 12 h Abstand; oder 5 immunologische Phänomene (Glomerulo-
jede von 3 oder eine Mehrzahl von ≥4 nephritis, Osler-Knoten, Roth-Spots, Rheu-
separaten Blutkulturen (erste und letzte mafaktoren)
Probe in mindestens einer Stunde Ab- 5 mikrobiologischer Nachweis (positive Blut-
stand entnommen) kulturen, die nicht einem Hauptkriterium
oder entsprechen, oder serologischer Nachweis
– eine einzelne positive Blutkultur mit einer aktiven Infektion mit einem mit IE zu
Coxiella burnetii oder Phase-I-IgG-Anti- vereinbarenden Organismus)
körper-Titer >1:800
5 Nachweis einer endokardialen Beteiligung > Definitive IE bei 2 Hauptkriterien oder
– positive Echokardiographie für eine IE 1 Haupt- und 3 Nebenkriterien oder 5 Neben-
(Vegetation, Abszess, neue Dehiszenz kriterien. Mögliche IE bei 1 Haupt- und
einer Klappenprothese) 1 Nebenkriterium oder 3 Nebenkriterien.
– neu aufgetretene Klappeninsuffizienz
268 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

. Tab. 12.2 Kalkulierte antimikrobielle Therapie bei unbekanntem Erreger

Antibiotikum Dosis Dauer

Nativklappen

Ampicillin-Sulbactam 12 g/d in 4 Dosen 4–6 Wochen

oder Amoxicillin-Clavulansäure 12 g/d in 4 Dosen 4–6 Wochen


mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 4–6 Wochen

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 4–6 Wochen


mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 4–6 Wochen
und Ciprofloxacin 800 mg/d in 2 Dosen 4–6 Wochen

Klappenprothesen (spät, ≥12 Monate postoperativ)

Antibiotikatherapie wie bei Nativklappen-Endokarditis

Klappenprothese (früh, <12 Monate postoperativ)

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 6 Wochen


mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 2 Wochen
und Rifampicin 1200 mg/d in 2 Dosen 6 Wochen

4 nach chirurgischer Sanierung nur dann erneu-


Prädiktoren für eine schlechte Prognose te Antibiotikatherapie in voller Dauer, wenn
bei Aufnahme Mikrobiologie der exzidierten Herzklappe
5 Alter >60 Jahre positiv (Wahl des Antibiotikums entsprechend
5 Klappenprothesen-Endokarditis des Resistenzprofils des zuletzt identifizierten
5 Komorbiditäten (z. B. IDDM, vorausgegan- Mikroorganismus!)
12 gene kardiovaskuläre, renale oder pulmo- 4 bei mangelndem Ansprechen der Nativklap-
nale Erkrankung) penendokarditis mit unbekanntem Erreger ist
5 vorhandene Komplikation einer IE (Herz- eine Kombinationstherapie unter Einschluss
insuffizienz, Nierenversagen, Schlaganfall, eines Carbapenems bzw. einer Kombinations-
septischer Schock) therapie aus Vancomycin und Gentamicin zu
5 spezielle Erreger (S. aureus, Pilze, gramne- erwägen
gative Bakterien) 4 bei foudroyantem Verlauf und bei i.v.
5 perianuläre Komplikationen, schwere links- Drogenabhängigen ist statt Ampicillin die
seitige Klappeninsuffizienzen, LVF p, pulmo- gezielte Gabe eines Isoxazolyl-Penicillins zu
nale Hypertonie, große Vegetationen, erwägen
schwere Klappenprothesendysfunktion etc. 4 bei gutem klinischem Ansprechen kann die
Behandlungsdauer von Gentamicin auf 2 Wo-
chen limitiert werden
jTherapie 4 alternativ zu Vancomycin kann Teicoplanin
kKonservative/medikamentöse Therapie mit einer Initialdosis von 800–1000 mg/d über
4 Grundprinzip: prolongierte Kombinationsthe- 4–5 Tage und einer Erhaltungsdosis von
rapie mit bakteriziden Antibiotika (. Tab. 12.2 400 mg/d gegeben werden
– Tab. 12.8) 4 Kurzinfusion der β-Laktamantibiotika über
4 längere Behandlung von Klappenprothesen- ca. 60 min, der Aminoglykoside über 30–
infektionen (ca. 6 Wochen) als von Nativ- 60 min, Vancomycin über mindestens 60 min
klappeninfektionen (ca. 2–6 Wochen) (Cave: »Red-man-Syndrom«)
12.1 · Infektiöse Endokarditis (IE)
269 12

. Tab. 12.3 Antimikrobielle Therapie bei Streptococcus spp.

Antibiotikum Dosis Dauer

Penicillinempfindliche Stämme (MHK <0,125 mgl): Standardtherapie

Penicillin G 12–18 Mio. U/d in 6 Einzeldosen 4 Wochen

oder Amoxicillin 100–200 mg/kg/d in 4-6 Dosen 4 Wochen

oder Ceftriaxon 2 g/d in 1 Dosis 4 Wochen

Penicillinempfindliche Stämme (MHK <0,125 mgl): zweiwöchige Behandlung

Penicillin G 12–18 Mio. U/d in 6 Dosen 2 Wochen

oder Amoxicillin 100–200 mg/kg/d in 4–6 Dosen 2 Wochen

oder Ceftriaxon 2 g/d in 1 Dosis 2 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 1 Dosis 2 Wochen

oder Netilmicin 4–5 mg/kg/d i.v. in 1 Dosis 2 Wochen

β-Laktamallergie

Vamcomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 4 Wochen

Relative Penicillinresistenz (MHK 0,125–2 mg/l): Standardtherapie

Penicillin G 24 Mio. U/d in 6 Dosen 4 Wochen

oder Amoxicillin 200 mg/kg/d in 4–6 Dosen 4 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 1 Dosis 2 Wochen

Relative Penicillinresistenz (MHK 0,125–2 mg/l): bei β-Laktamallergie

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 4 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 1 Dosis 2 Wochen

4 Serumspiegel: Vancomycin-Talspiegel 4 ggf. Einsatz moderner Antimykotika mit


<10 μg/ ml, Gentamicin-Talspiegel <2 μg/ ml Aspergillusaktivität (Rücksprache mit Infektio-
4 Dosisanpassung der Antibiotika bei Nieren- logie)
insuffizienz!
4 bei übergewichtigen Patienten sind Amino- kOperative/kardiochirurgische Therapie
glykoside und Vancomycin auf Idealgewicht zu 4 chirurgische Therapie in ca. 50 % der Fälle not-
beziehen wendig
4 bei Penicillinunverträglichkeit vom verzöger- 4 Hauptindikationen für frühzeitigen herz-
ten Typ ist die Gabe von Cefazolin 6 g/d in 3 chirurgischen Eingriff (noch während initialer
Dosen oder analoges Erstgenerations-Cefalo- Antibiotikatherapie, . Tab. 12.9, . Tab. 12.10):
sporin möglich 5 Herzinsuffizienz
4 Attenuierung der Nephrotoxizität von Ampho- 5 unkontrollierte Infektion (perivalvuläre
tericin B unter hoher Volumen- und Kochsalz- Abszessbildung etc.)
zufuhr 5 endokarditisbedingte embolische Ereignisse
4 im Einzelfall Entscheidung über Gabe von li- 4 Operation nach ischämischem, emboliebe-
posomalem Amphotericin B (3–7 mg/kg/d) dingtem Schlaganfall grundsätzlich nicht kon-
4 bei Aspergillus ggf. nach Testung zusätzliche traindiziert, solange neurologische Prognose
Gabe von 5-Flucytosin und/oder Rifampicin per se nicht zu schlecht
270 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

. Tab. 12.4 Antimikrobielle Therapie bei Staphylococcus spp.

Antibiotikum Dosis Dauer

Nativklappen: Methicillin-empfindliche Staphylokokken (MSSA)

Flucloxacillin oder Oxacillin 12 g/d in 46 Dosen 4-6 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 3–5 Tage

Nativklappen: β-Laktamallergie oder Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA)

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 4-6 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 23 Dosen 3–5 Tage

Klappenprothesen: Methicillin-empfindliche Staphylokokken (MSSA)

Flucloxacillin oder Oxacillin 12 g/d in 4–6 Dosen ≥6 Wochen

mit Rifampicin 1200 mg/d in 2 Dosen ≥6 Wochen

und Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 2 Wochen

Klappenprothesen: β-Laktamallergie oder methicillinresistente Staphylokokken (MRSA)

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen ≥6 Wochen

mit Rifampicin 1200 mg/d in 2 Dosen ≥6 Wochen

und Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 2 Wochen

. Tab. 12.5 Antimikrobielle Therapie bei Enterococcus spp.

Antibiotikum Dosis Dauer


12 Amoxicillin 200 mg/kg/d in 4–6 Dosen 4–6 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 4–6 Wochen

oder Ampicillin 200 mg/kg/d in 4–6 Dosen 46 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 46 Wochen

β-Laktamallergie

Vancomycin 30 mg/kg/d in 2 Dosen 6 Wochen

mit Gentamicin 3 mg/kg/d in 2–3 Dosen 6 Wochen

4 optimales Intervall zwischen ischämischem Situationen in Betracht gezogen werden


Schlaganfall und herzchirurgischem Eingriff (. Tab. 12.10):
unbekannt 5 schwer zu eradizierende Mikroorganis-
4 neurologische Prognose bei Patienten mit men (z. B. persistierende Pilze) oder
hämorrhagischem Schlaganfall schlecht o Bakteriämie über >7 Tage (z. B. S. aureus,
verschieben der Operation um wenigstens P. aeruginosa) trotz adäquater Antibiotika-
einen Monat therapie
4 bei rechtsseitiger Nativklappenendokarditis 5 persistierende Vegetationen >20 mm an der
sollte eine chirurgische Therapie in folgenden Trikuspidalklappe nach rezidivierenden
12.1 · Infektiöse Endokarditis (IE)
271 12

. Tab. 12.6 Antimikrobielle Therapie bei gramnegativen Erregern

Erreger Antibiotikum/Dosis Dauer

HACEK Ceftriaxon 2 g/d in 1 Dosis 4 Wochen

Pseudomonas aeruginosa Piperacillin + β-Laktamase-Inhibitor 20 g/d in 3–4 Dosen ≥6 Wochen


oder
Ceftazidim 6–8 g/d in 3–4 Dosen
mit
Tobramycin 3–5 mg/kg/d in 3 Dosen

Enterobacteriaceae Ceftriaxon 2 g/d in 1 Dosis ≥4 Wochen


oder
Cefotaxim 6–8 g/d in 3–4 Dosen
mit
Gentamicin 3 mg/kg/d in 3 Dosen

. Tab. 12.7 Antimikrobielle Therapie bei Pilzinfektionen

Erreger Antibiotikum/Dosis Dauer

Candida Amphotericin B 0,8–1,0 mg/kg/d in 1 Dosis ≥6 Wochen


mit
5-Flucytosin 150 mg/kg in 3 Dosen

Aspergillus Amphotericin B 1–1,2 mg/kg/d (maximale Gesamtdosis 2–5 g) ≥6 Wochen

. Tab. 12.8 Antimikrobielle Therapie bei Coxiella burnetii, Brucellen, Bartonellen

Erreger Antibiotikum/Dosis Dauer

Coxiella burnetii Doxycyclin 200 mg/d ≥18 Monate


mit
Chinolon (Ofloxazin 400 mg/d) p.o.

Brucella spp. Doxycyclin 200 mg/d ≥12 Wochen


mit
Cotrimoxazol 1920 mg/d in 2 Dosen
und
Rifampicin 300–600 mg/d in 1–2 Dosen p.o.
(evtl. zusätzlich Streptomycin 150 mg/kg/d in 2 Dosen für 14 d)

Bartonella spp. Ceftriaxon 2 g/d oder Ampicillin 12 g/d i.v. 6 Wochen


oder 6 Wochen
Doxycyclin 200 mg/d p.o. 3 Wochen
mit
Gentamicin 3 mg/kg/d
272 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

. Tab. 12.9 Operationsindikationen bei linksseitiger Nativklappenendokarditis

Operationsindikationen Operationszeitpunkt

Akute Herzinsuffizienz

Aorten- oder Mitralklappenendokarditis mit schwerer Insuffizienz oder Klap- Notfall (innerhalb 24 h)
penobstruktion mit refraktärem Lungenödem oder kardiogenem Schock

Aorten- oder Mitralklappenendokarditis mit Fistel in Ventrikel bzw. Perikard mit Notfall (innerhalb 24 h)
refraktärem Lungenödem oder kardiogenem Schock

Aorten- oder Mitralklappenendokarditis mit schwerer Insuffizienz oder Dringend (innerhalb weniger Tage)
Klappenobstruktion mit persistierendem Herzversagen oder beginnenden
Dekompensation

Aorten- oder Mitralklappen-IE mit schwerer Insuffizienz ohne Zeichen der Elektiv (nach ≥1–2 Wochen
Herzinsuffizienz Antibiotikatherapie)

Unkontrollierte Infektion

Lokal unkontrollierte Infektion (Abszess, Aneurysma spurium, Fistel, progre- Dringend


diente Vegetation)

Persistierendes Fieber und positive Blutkulturen >7–10 Tage Dringend

Infektion durch Pilze oder multiresistente Organismen Dringend/elektiv

Prävention einer Embolisierung

Aorten- oder Mitralklappenendokarditis mit großen Vegetationen (>10 mm) Dringend


mit embolischen Ereignissen trotz adäquater Antibiotikatherapie

Aorten- oder Mitralklappenendokarditis mit großen Vegetationen (>10 mm) Dringend


und anderen Prädiktoren eines komplizierten Verlaufs (Herzinsuffizienz,
persistierende Infektion, Abszess)
12 Isolierte sehr große Vegetationen (>15 mm) Dringend

Lungenembolien mit oder ohne begleiten- 12.2 Endokarditisprophylaxe


der Rechtsherzinsuffizienz
5 sekundäre Rechtsherzinsuffizienz bei 4 aktuelle Leitlinien: deutliche Reduktion der
schwerer Trikuspidalklappenendokarditis Indikationen für eine Endokarditisprophylaxe
mit schlechtem Ansprechen auf eine diure- mit Antibiotika im Vergleich zu früheren
tische Therapie Empfehlungen
4 Infektionen kardialer Implantate (z. B. 4 prophylaktische Antibiotikagabe nur noch bei
Schrittmacher oder Defibrillatorsonden) Höchstrisikopatienten im Rahmen (zahnärzt-
schwer zu diagnostizieren und mit schlechter licher) Höchstrisikoeingriffe
Prognose 4 gute Mundhygiene und regelmäßige zahnärzt-
4 oftmals verlängerte Antibiotikatherapie und liche Kontrollen für Prävention der IE bedeut-
chirurgische Entfernung des Implantats not- samer als Antibiotikaprophylaxe
wendig (zumeist ohne Thorakotomie möglich)
4 bei gegebener Indikation Verzögerung der > Beachtung von Sterilität und Desinfektion
Reimplantation zugunsten der Antibiotika- bei Manipulation an intravenösen Kathetern
therapie für einige Tage oder Wochen und medizinischen Eingriffen zwingend er-
forderlich!
12.2 · Endokarditisprophylaxe
273 12

. Tab. 12.10 Operationsindikationen bei Klappenprothesenendokarditis

Operationsindikationen Operationszeitpunkt

Akute Herzinsuffizienz

Schwerer Prothesendysfunktion (Dehiszenz oder Obstruktion) mit refraktärem Notfall


Lungenödem oder kardiogenem Schock

Fistel in Ventrikel oder Perikard mit refraktärem Lungenödem oder kardio- Notfall
genen Schock

Schwere Prothesendysfunktion und persistierende Herzinsuffizienz Dringend

Schwere Prothesendehiszenz ohne Herzinsuffizienz Elektiv (nach ≥1–2 Wochen


Antibiotikatherapie)

Unkontrollierte Infektion

Lokal unkontrollierte Infektion (Abszess, falsches Aneurysma, Fistel, Dringend


progrediente Vegetation)

Pilze oder multiresistente Organismen bzw. Staphylokokken oder gramnega- Dringend/elektiv


tive Bakterien als Erreger

Persistierendes Fieber und positive Blutkulturen >7–10 Tage Dringend

Prävention einer Embolisierung

Rezidivierende Embolien trotz adäquater Antibiotikatherapie Dringend

Vegetationen >10 mm und andere Prädiktoren eines komplizierten Verlaufs Dringend


(Herzinsuffizienz, persistierende Infektion, Abszess)

Isolierte, sehr große Vegetationen (>15 mm) Dringend

jIndikationen 5 keine Antibiotikaprophylaxe bei anderen


4 vorbestehende kardiale Erkrankungen: Klappenerkrankungen oder angeborenen
Antibiotikaprophylaxe nur bei: Vitien!
5 Patienten mit Klappenprothesen oder mit 4 Risikoprozeduren:
rekonstruierten Klappen unter Verwendung 5 Antibiotikaprophylaxe bei
alloprothetischen Materials – zahnärztlichen Eingriffen mit Manipula-
5 Patienten mit überstandener tion an Gingiva oder periapikale Zahn-
Endokarditis region bzw. Perforation der oralen
5 Patienten mit bestimmten angeborenen Mukosa
Vitien 5 keine Antibiotikaprophylaxe bei
– unkorrigierte zyanotische Vitien oder – Injektion von Lokalanästhetika (in
residuelle Defekte, palliative Shunts/ nichtinfiziertes Gewebe)
Conduits – intraoraler Nahtentfernung
– weniger als 6 Monate nach operativer – Röntgenaufnahmen der Zähne
oder interventioneller Korrektur unter – Platzierung oder Einstellung von pro-
Verwendung von prothetischem thetischen oder kieferorthopädischen
Material Verankerungselementen/Klammern
– persistierende residuelle Defekte von – Lippentrauma
chirurgisch oder interventionell einge- – Trauma der oralen Mukosa
brachtem prothetischen Material – physiologischem Milchzahnverlust
274 Kapitel 12 · Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe

. Tab. 12.11 Antibiotika zur Endokarditisprophylaxe

Antibiotikum Erwachsene Kinder

Standardprophylaxe

Amoxicillina 2 g p.o. oder i.v. als Einzeldosis 50 mg/kg p.o. oder i.v. als Einzeldosis 30–60 min vor Eingriff
oder 30–60 min vor Eingriff
Ampicillina,b

β-Laktamallergie

Clindamycinc,d 600 mg p.o. oder i.v. als Einzel- 20 mg/kg p.o. oder i.v. als Einzeldosis 30–60 min vor Eingriff
dosis 30–60 min vor Eingriff

a Alternativ: Penicillin G oder V.


b Alternativ Cefazolin, Ceftriaxon 1 g i.v. für Erwachsene bzw. 50 mg/kg i.v. bei Kindern.
c Alternativ Cefalexin: 2 g p.o. für Erwachsene bzw. 50 mg/kg p.o. bei Kindern oder Clarithromycin 500 mg p.o. für

Erwachsene bzw. 15 mg/kg p.o. bei Kindern.


d Cave: Kein Einsatz von Cephalosporine bei Patienten mit früherer Anaphylaxie, Angioödem oder Urtikaria nach

Einnahme von Penicillin oder Ampicillin

– Eingriffen am Respirationstrakt Ausgewählte Literatur


(einschließlich Bronchoskopie, Laryn-
goskopie und Intubation) Al-Nawas B, Block M, Ertl G et al. (2009) Kommentierte Zusam-
menfassung der Leitlinien der European Society of
– Eingriffe am Gastrointestinal- und Uro-
Cardiology zur Infektiösen Endokarditis (Neuauflage
genitaltrakt (einschließlich Gastroskopie, 2009). Kardiologe 4: 285–294
Koloskopie, Zystoskopie oder transöso- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (2009) ESC Pocket
phageale Echokardiographie) Guidelines »Infektiöse Endokarditis«
12 – Haut- und Weichteileingriffen (außer bei ESC Pocket Guidelines »Infektiöse Endokarditis« 2010
Habib G, et al. (2009) Guidelines on the prevention, diagnosis,
infiziertem Gewebe!)
and treatment of infective endocarditis (new version
2009). Eur Heart J 30: 2369–2413
Anmerkung: Die Empfehlungen beziehen sich nur Horstkotte D, Follath F, Gutschik E et al (2004) Guidelines on
auf Eingriffe an nichtinfiziertem Gewebe! Bei Ein- prevention, diagnosis and treatment of infective endo-
griffen an infiziertem Gewebe bei Risikopatienten carditis executive summary; the task force on infective
wird empfohlen, in Abhängigkeit vom Infektionsort endocarditis of the European Society of Cardiology. Eur
Heart J 25:267–276
auch organtypische potenzielle Endokarditiserreger Kini V, Logani S, Ky B et al. (2010) Transthoracic and trans-
mitzubehandeln (z. B. bei Infektionen der oberen esophageal echocardiography for the indication of
Atemwege und bei Haut- und Weichteilinfektionen suspected infective endocarditis: vegetations, blood
Streptokokken- und Staphylokokkenspezies, bei cultures and imaging. J Am Soc Echocardiogr (Epub
gastrointestinalen oder urogenitalen Prozeduren ahead of print)
Li JS, Sexton DJ, Mick N, Nettles R, Fowler VG, Jr., Ryan T,
Enterokokken).
Bashore T, Corey GR (2000) Proposed modifications to the
Duke criteria for the diagnosis of infective endocarditis.
jDurchführung Clin Infect Dis 30: 633–638
Die rationale Antibiotikatherapie im Rahmen der Murdoch DR, Corey GR, Hoen B et al. (2009) International
Endokarditisprophylaxe wird in . Tab. 12.11 wie- Collaboration on Endocarditis-Prospective Cohort Study
(ICE-PCS) investigators. Clinical presentation, etiology,
dergegeben.
and outcome of infective endocarditis in the 21st cen-
tury: the International Collaboration on Endocarditis-
Prospective Cohort Study. Arch Intern Med 169:
463–473
Ausgewählte Literatur
275 12
Naber CK, Al-Nawas B, Baumgartner H et al. (2007) Prophylaxe
der infektiösen Endokarditis. Kardiologe 1:243–250
Shah PM (2010) Infektiöse Endokarditis – Risikofaktoren,
Erreger, antibakterielle Therapie. Arzneimitteltherapie 28:
231–240
Talarmin JP, Boutoille D, Tattevin P et al. (2008) Candida endo-
carditis: role of new antifungal agents. Mycoses 52: 60–66
277 13

Pneumonie
M. Fresenius

13.1 Bakterielle Pneumonien – 278

13.2 Virale Pneumonien – 290

Ausgewählte Literatur – 291

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
278 Kapitel 13 · Pneumonie

13.1 Bakterielle Pneumonien Die maximale Inzidenz von ventilatorassoziierter


Pneumonie (VAP) liegt nach Ibrahim et al. (2001)
jEinteilung zwischen dem 6. und dem 10. Tag (. Abb. 13.1).
4 nach dem ursächlichem Agens (bakteriell, Hierdurch kommt es zu einer zusätzlichen Verweil-
atypisch, viral, oder mykotisch) zeit auf den Intensivstationen von 4–6 Tagen.
4 nach klinischem Verlauf (akut, chronisch)
4 nach dem Ort, an dem die Infektion erworben jInzidenz
wurde: 4 VAP/HAP anhand von KISS-Daten: 5,4 pro
5 ambulant, außerhalb des Krankenhauses 1000 invasive Beatmungstage, bei Patienten
erworbene Pneumonie (»community mit nichtinvasiver Beatmung 1,6 pro 1000
acquired pneumonia«; CAP) nichtinvasive Beatmungstage und bei Patienten
5 nosokomial erworbene Pneumonie ohne Beatmung 0,6 pro 1000 Patiententage
(»hospital acquired pneumonia«; HAP); tritt 4 CAP: ca. 500.000 Menschen in Deutschland
frühestens 48 h nach der Krankenhausauf- erkranken jährlich an einer ambulant erwor-
nahme auf. Hierzu zählen die benen Pneumonie
– beatmungsassoziierte Pneumonie
(»ventilator associated pneumonia«; VAP) jMortalität
und die 4 ambulant erworbene Pneumonie: Altersab-
– HCAP (»health care acquired pneumo- hängigkeit der Mortalität nach Marston (1997):
nia«), also eine Pneumonie bei Patienten, 5 Alter <45 Jahre: ca. 3 %
welche aus dem Alten- oder Pflegeheim 5 Alter 45–64 Jahre: ca. 5 %
stammen, ist in den neusten Leitlinien als 5 Alter >65 Jahre: ca. 12 %
eigene Entität nicht mehr berücksichtigt! 4 nosokomiale Pneumonie: Letalität von insge-
4 nach dem Immunzustand des Patienten: Pneu- samt 16 % (10–47 %) (. Abb. 13.2)
monien bei immunsupprimierten Patienten 4 MRSA-Pneumonie: >50 % bzw. MSSA: ca. 12 %
nach Transplantation, Chemotherapie, syste- (nach Rello et al. 2001)
mischen Erkrankungen mit medikamentöser
Immunsuppression
4 in primäre und sekundäre Pneumonien (als
13 Folge bestimmter Grunderkrankungen,
Bronchiektasien, Aspiration, Inhalations-
intoxikation, Lungeninfarkt etc.)

Die American Thoracic Society (ATS) empfiehlt


folgende Einteilung:
4 ambulant erworbene Pneumonien oder im
Krankenhaus erworbene Pneumonien ≤5 Tage
ohne antibiotische Vorbehandlung im Kran-
kenhaus (»early onset pneumonia«)
4 im Krankenhaus erworben Pneumonie ab dem
6. Tag mit vorheriger antibiotischer Vorbe-
handlung im Krankenhaus (»late onset
pneumonia«)
5 Patient nicht am Respirator
5 Patient am Respirator o beatmungsassozi-
ierte Pneumonie bzw. »ventilator-associated . Abb. 13.1 Abhängigkeit der VAP von den Beatmungs-
pneumonia« (VAP) tagen
4 Aspirationspneumonie
13.1 · Bakterielle Pneumonien
279 13
4 durch Aspiration von Mageninhalt, Blut und
Fremdmaterial

13.1.3 Pneumoniekriterien

4 neu aufgetretene oder progressive Lungeninfil-


tate im Thoraxröntgenbild (positives Broncho-
aerogramm oder retikuläre Zeichnung bei
Pilzpneumonien) in Kombination mit zwei
von drei weiteren Kriterien:
5 purulentes Tracheobronchialsekret, evtl.
Husten und Auswurf
5 Leukozytose (>10.000/ml) oder Leukopenie
(<4000/ ml)
5 Fieber (≥38,3°C)
! Das Lungeninfiltrat plus 2 der 3 oben ge-
nannten Kriterien hat nur eine Sensitivität
von ca. 70 % und eine Spezifität von 75 %! o
. Abb. 13.2 Mortalität der Früh- und Spätpneumonie 30 % der Pneumonie werden nicht erkannt!

4 weitere klinische Zeichen:


5 Tachypnoe, Dyspnoe
Die Mortalität von Pneumonien auf der Intensivsta- 5 typischer Auskultationsbefund: Bronchial-
tion ist sowohl bei Früh- als auch Spätpneumonie atmen, klingende ohrnahe Rasselgeräusche
gleich hoch (Ibrahim 2000). sowie gedämpfter Klopfschall und verstärk-
ter Stimmfremitus »99«
5 Anstieg der benötigten inspiratorischen
13.1.1 Risikofaktoren für eine Sauerstoffkonzentration
nosokomiale Pneumonie 5 hämodynamische Instabiltät und Zeichen
eines SIRS (SVR p, ITBI p, EVLWI n)
4 Alter <1 Jahr oder >65 Jahre
4 vorbestehende schwere Grunderkrankungen, jDifferenzialdiagnose
die zu einer Reduktion der Immunabwehr 4 Atelektasen (Sekretverlegung)
und/oder des Bewusstseins führen 4 Herzinsuffizienz/Überwässerung (BNP n)
4 Vorerkrankungen des Respirationstrakts 4 alveoläre Hämorrhagie
4 thorakale oder abdominelle operative 4 interstitielle Lungenerkrankungen wie
Eingriffe kryptogen organisierende Pneumonie (COP)
4 Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung 4 ARDS
4 Lungenarterienembolien

13.1.2 Infektionsweg jDiagnostik


4 Erhöhung von C-reaktivem Protein (CRP) und
4 aerob durch kontaminierte Stäube, Aerosole Procalcitonin (PCT) sowie BSG (. Tab. 13.1)
4 durch Keimaszension der bakteriellen Flora Anmerkung: Durch die Bestimmung von
des Oropharynx, Mikroaspiration bei PCT und der daraus resultierenden Entschei-
beatmeten Patienten dung, eine Antibiotikatherapie zu beginnen
4 hämatogen oder zu beenden, können die Antibiotika-
280 Kapitel 13 · Pneumonie

. Tab. 13.1 Procalcitonin-Cut-offs

PCT (ng/ml) Bakterielle Infektion Empfehlung

<0,1 Keine Die Applikation eines Antibiotikums ist strikt abzulehnen

≥0,1 bis <0,25 Unwahrscheinlich Antibiotikum nicht empfohlen

≥0,25 bis <0,5 Wahrscheinlich Antimikrobielle Therapie mit Antibiotikum empfohlen

≥0,5 Klarer Hinweis Antibiotikum vorgeschrieben

. Tab. 13.2 Morphologische Befunde bei bestimmtem Pneumonietypen

Morphologie Pneumonietyp

Lobär oder segmental begrenzte Infiltrate Lobärpneumonie

Milchglasartige diffuse Infiltrate Atypische Pneumonie

Unregelmäßig begrenzte Infiltrate mit Ausbreitung entlang der Bronchien Bronchopneumonie


(positives Bronchoaerogramm)

Wandernde kleinfleckige diffuse Infiltrate Viruspneumonie

Keilförmige pleuraständige Infiltrate Infarktpneumonie

Rechtsseitig basalbetonte Infiltrate Aspirationspneumonie

Infiltrate in Begleitung mit Stauungszeichen (Curley-Linien, prominente Hili, Stauungspneumonie


Gefäßzeichnung in den apikalen Lungenbezirken)

Stationäres lobäres Infiltrat (ohne Bronchopneumogramm) Poststenotische Pneumonie

13 kosten signifikant reduziert werden (Christ- 4 Nachweis von potenziell pathogenen Erregern
Crain 2004)! Außerdem ist ein Abfall der im Tracheobronchialsekret (Keimzahl >106/
Inflammationsparameter PCT an Tag 4 ein ml), mittels Gramfärbung und mikroskopi-
unabhängiger Prädiktor für das Überleben sche Leukozytenzählung o Ausschluss von
(Hillas 2010)! Kontaminationen aus der Mundhöhle
4 Thoraxröntgen in zwei Ebenen in Standard- (>25 Plattenepithelzellen/Gesichtsfeld bei
technik mit evtl. typischen Veränderungen 100-facher Vergrößerung) sowie Nachweis
(. Tab. 13.2); bei immobilen Patienten Rönt- von Sekret aus dem unteren Respirationstrakt
genuntersuchung im Liegen. Sensitivität der (>25 neutrophile Granulozyten/Gesichtsfeld
Thoraxröntgenuntersuchung in prämortalen und Nachweis mehrerer Makrophagen) spre-
und postmortalen Studien: lediglich 50–70 %, chen für eine Pneumonie und gegen Sputum-
Spezifität: 30–50 % verunreinigung.
4 evtl. bei therapierefraktären Infiltraten, 4 Kultur des abgesaugten Trachealsekrets nach
schwieriger Differenzialdiagnostik und bei vorangegangenem mikroskopischem Scree-
Intensivpatienten Thorax-CT (hohe Aussage, ning (Gramfärbung)
Darstellung von Infiltraten, Pleuraergüssen 5 positives Ergebnis bei >105–106 Kolonien/
und Atelektasen) ml unverdünnten Sekrets
4 Blutkultur bei Verdacht auf hämatogene 5 hohe Sensitivität (90–95 %), jedoch geringe
Streuung oder Quelle Spezifität (ca. 30 %)
13.1 · Bakterielle Pneumonien
281 13

. Tab. 13.3 Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Asservierungsmethoden des mikrobiologischen Materials

Sensitivität (%) Spezifität (%) Cut-off Autor

Trachealsekret 38–82 72–85 106 cfu/ml Cook 2000


MW: 76±9 MW: 75±28

BAL 42–93 45–100 104–105 cfu/ml Torres 2000


MW: 73±18 MW: 82±19

PSB 33–100 50–100 103 cfu/ml und mehr Marquette 1993


MW: 66±19 MW: 90±15

Blinde Gewinnung von Tracheobronchialsekret

1. Blindes bronchiales Absaugen 74–97 74–100 Campbell 2000

2. Blinde Mini-BAL 63–100 66–96

3. Blinde PSB 58–86 71–100

MW: Mittelwert; cfu: »colony forming unit«

5 Nachweis von Elastinfasern bei nekrotisie- Dieses Vorgehen verminderte im Vergleich zur
render Pneumonie mittels 40 %iger Kalium- konventionellen Diagnostik die Beatmungs-
hydroxidlösung dauer, die Anzahl der Fälle von C.-difficile-
4 bronchoalveoläre Lavage (BAL) Kolitis sowie den Antibiotikaverbrauch.
5 positives Ergebnis bei >104 Kolonien/ ml Sensitivität und Spezifität der einzelnen mikro-
5 ein großes Lungenareal von ca. 1 % wird biologischen Untersuchungsmethoden sind in
mikrobiologisch »gescreent« o erhöhte Rate . Tab. 13.3 aufgelistet.
an falsch-positiven Befunden (ca. 80 %), bei 4 offene Lungenbiopsie bei schweren Verläufen
einer Sensitivität von teilweise nur 70 %! (insbesondere bei Verdacht auf Pilzpneumonie)
5 eher zurückhaltend bei schwerer respirato- 4 selten:
rischer Störung (Gefahr der Hypoxie wäh- 5 serologische Untersuchung auf Viren und
rend und insbesondere nach der Bronchos- Pilze (Galaktomannan, β-D-Glukan) insbe-
kopie mit der BAL) sondere bei Patienten mit Prädisposition
4 geschützte Bürste (PSB) wie einer strukturellen Lungenerkrankung,
5 positives Ergebnis bei >10³ Kolonien/ml einer rheumatologischen Grunderkrankung
Verdünnungslösung oder einer Leberzirrhose und/oder hinwei-
5 erhöhte Inzidenz falsch-negativer Befunde sende Infiltrate im CT-Thorax, die mit einer
unter antibiotischer Therapie! Sensitivität invasiven Aspergillose assoziiert sein
allgemein bei nur 70 % bei guter Spezifität könnten
von 80–90 % 5 Nachweis von Elastinfasern
5 hohe Materialkosten! 5 Bestimmung von Interleukin-6 und Procal-
4 Punktion und Kultur von Pleuraergüssen/ citonin in der BAL-Flüssigkeit
-empyem 5 Nachweis eines löslichen TREMI-Rezeptors
Anmerkung: Durch Anwendung von sog. E- (»triggering receptor expressed on myeloid
Tests (Bouza 2007) konnten aus den ausgestri- cells«), der zur Immunglobulin-Super-
chenen Kulturplatten erste Ergebnisse bezüg- familie gehört und von Phagozyten nach
lich Antibiotikaresistenzen ohne vorausgegan- bakterieller Stimulation exprimiert wird;
gener Speziesdifferenzierung bereits nach 24 h Sensitivität: 98 % und Spezifität 90 % (Gibot
dem behandelnden Arzt übermittelt werden. et al. 2004)
282 Kapitel 13 · Pneumonie

> Ist eine Pneumonie anhand der oben ge-


. Tab. 13.4 CURBS-Kriterien. (Adaptiert nach Wood-
nannten Faktoren wahrscheinlich, sollte
head 2005)
unverzüglich nach Gewinnung von mikrobio-
logischem Material mit einer kalkulierten Score- Wert Punkte
Antibiotikatherapie begonnen werden! Parameter

Alter Alter ≥65 Jahre 1


Ein negatives Trachealaspirat (keine Bakterien und
keine Leukozyten nachweisbar) innerhalb eines an- Mentaler Mentaler Test-Score <8 1
tibiotikafreien Intervalls von 72 h oder nach Anti- Zustand
biotikawechsel hat einen hohen negativen Vorher- Harnstoff >7 mmol/l 1
sagewert (94 %)! Atemfrequenz >30/min 1

jPathophysiologie Blutdruck Systolischer ≤90 mmHg 1


oder diastolischer
4 Veränderung der physiologischen Mundflora ≤60 mmHg
(grampositive hämolysierende Streptokokken
und anaerobe Bakterien) aufgrund veränderter
Bakterienadhärenz an den Endothelzellen der
. Tab. 13.5 Bewertung des CURB-Scores. Pneumo-
Mundschleimhaut (Fibronectinschutzfilm p), nie-Score nach Singh (2000)
Zunahme von gramnegativen Keimen wie
Enterobacteriaceae bei Schwerkranken bereits Punkte Letalität Ort der Therapie
nach wenigen Krankenhaustagen! (%)
4 Vor allem bei der VAP geht eine Mikroaspira-
0–1 1–2 Ambulant
tion (am Tubus vorbei) von aeroben gram-
negativen Keimen nach vorangegangenem 2 9–10 Kurzzeitig stationär, dann
Verlust der Magenazidität durch Ulkus- ambulant überwacht
prophylaxe mit Protonenpumpenblocker 3 oder ca. 22 Stationär; bei Score-Werten 4
voraus mehr oder 5 evtl. intensivmedizi-
4 Durch die pulmonal eingedrungenen Erreger nisch
kommt es zur lokalen oder generalisierten Ent-
13 zündungsreaktion mit Migration von diversen
Entzündungszellen ins interstitielle und alveo- und die Behandlungsintensität ermittelt wer-
läre Lungengewebe. den (. Tab. 13.5).
4 Infiltrations- und exsudationsbedingte Ab- 4 Der Schweregrad und die daraus resultierende
nahme der Lungenkapazität und Lungencom- Risikoklassifizierung einer Pneumonie kann
pliance o Atemarbeit n, respiratorische anhand verschiedener Scores ermittelt werden.
Partialinsuffizienz, Perfusions/Ventilations- 5 Für die ambulant erworbene Pneumonie
störungen durch Freisetzung vasoaktiver wird der Pneumonia Severity Scores (PSI)
Mediatoren aus den inflammatorischen nach Fine (1997) angewendet (. Tab. 13.6).
Lungenbezirken, Shunt-Zunahme o arterielle Der Score dient auch zur Abschätzung der
Hypoxämie und evtl. Hyperkapnie Notwendigkeit einer stationären Behandlung
(Ausschluss einer Fehlbelegung) (. Tab.
13.7). In Deutschland meist stationäre Be-
13.1.4 Erhebung spezieller handlung von Patienten der Klasse III (71–90
Pneumonie-Scores Punkte), Klasse V benötigt eine intensivme-
dizinische Betreuung (Mortalität >30 %).
4 CURBS-Kriterien (Woodhead 2005) (. Tab. 5 Neuerdings wurde der Fine-Score verein-
13.4): Anhand der vergebenen Punkte kann die facht: Vier Komponenten beschreiben das
voraussichtliche durchschnittliche Letalität Risiko der Patienten besser als der Fine-
13.1 · Bakterielle Pneumonien
283 13
Score oder die Fine-Klassifikation (Chung
. Tab. 13.6 Pneumonia Severity Scores (PSI). (Nach
Fine 1997)
et al. 2003, 43. ICAAC 2003):
– Harnstoff-Stickstoff (BUN) >30 mg/dl
Anamnese und Punkte – vorbestehende Tumorerkrankung
Komorbiditätsfaktoren – vorbestehende zerebrovaskuläre Erkran-
kung
Alter Alter (Jahre)
– pO2 bei Aufnahme <60 mmHg
ᄛ: Alter –10
4 Für beatmungsassoziierte Pneumonien
Pflegeheim +10 (VAP) wird der CPIS nach Pugin angewendet
Tumorleiden +30 (. Tab. 13.8).
Lebererkrankung +20
> Die Anwendung von Scores führen zu keiner
Herzinsuffizienz +10 Verbesserung der Pneumoniediagnostik bzw.
Atherosklerose +10 Therapie!

Nierenerkrankungen +10
13.1.5 Pneumonieprophylaxe
Vigilanzstörung +20

Atemfrequenz >30/min +20 4 Vermeidung jeglicher Intubation/Reintubation


RRsyst <90 mmHg +20 sowie mechanischer Ventilation. Wenn mög-
Temperatur <35,0/>40,0 °C +15
lich, Bevorzugung der nichtinvasiven Beat-
mung (NIV) o Reduktion von VAP (jeweils
Puls >125/min +10
IA-Empfehlung)
Arterieller pH <7,35 +30 4 frühzeitiges Weaning, um die Beatmungszeit
Harnstoff >30 mmol/l +20 möglichst kurz zuhalten o Einsatz von stan-
dardisierten oder automatischen/elektroni-
Glukose >14 mmol/l bzw. >250 mg/dl +10
schen Weaning-Protokollen, intermittierende
Hkt <30 % +10 Unterbrechung der Analgosedierung, geringe
Pleuraerguss +10 Sedierungstiefe und 8-stündliche Messung des
Sedierungsgrades mittels Richmond-Agita-
paO2 <60 mmHg +10
tion-Sedierungs-Score (RASS)
4 hygienische Händedesinfektion mit Alkohol
vor und nach jedem Kontakt mit Tracheal-
. Tab. 13.7 Auswertung des PSI tubus, Tracheostoma oder Beatmungszubehör
(IA-Empfehlung)
Risikoklasse Punkte Mortalität (%) 4 konsequente Oberkörperhochlagerung (30–
45°) des beatmeten Patienten zur Reduktion
I <50 0,1
der Inzidenz von Mikroaspirationen (IB-Emp-
II <71 0,6 fehlung) o vor Flachlagerung Absaugen der
III 71–90 2,8 Magensonde.
IV 91–130 8,2
4 Wechsel der Beatmungsschläuche frühestens
alle 7 Tage und der Beatmungsfilter alle 24–
V >130 29,2
48 h (Ib-Empfehlung)
4 regelmäßige Entfernung von Kondenswasser
in den Beatmungsschläuchen (auf das Tragen
von Einmalhandschuhen und strikte Hände-
hygiene ist zu achten; IB-Empfehlung).
4 regelmäßige Überprüfung des eingestellten
Cuff-Drucks (>20 und ≤30 cmH2O; evtl.
284 Kapitel 13 · Pneumonie

. Tab. 13.8 CPIS. (Adaptiert nach Pugin 1991)

Parameter Punkte

0 1 2

Temperatur (°C) ≥36,0 bis ≤38,3 ≥38,4° bis ≤38,9° <36,0 oder ≥39,0

Leukozyten (/mm³) ≥4000 bis ≤11.000 <4000 oder >11.000 50 % stabkernige Granulozyten

Trachealsekret Keines Nicht eitrig Eitrig

Oxygenierungsindex >240 oder ARDS ≤240 und kein ARDS

Thoraxröntgenbild Kein Infiltrat Diffuses Infiltrat Lokalisiertes Infiltrat

Progression pulmonaler Nein Ja (kein ARDS oder Lungenödem)


Infiltrate

Kultur des Trachealsekrets Geringe Keimzahl Moderate bis hohe Derselbe Keim in Kultur und
Keimzahl Gramfärbung

Auswertung: >6 Punkte = Pneumonie höchstwahrscheinlich.


Der Score hat allerdings nur eine Sensitivität von 77 % und eine Spezifität von 42 %.

Anwendung eines Cuff-Druck-Kontrollers 4 zurückhaltende Transfusion von leukozyten-


4 restriktives tracheales Absaugen von intubier- depletierten Erythrozytenkonzentraten
ten Patienten (nur wenn nötig!) und Verwen- (Triggerschwelle: 7,0 g/dl bei fehlenden kardia-
dung von geschlossenen Absaugsystemen len Risikofaktoren)
4 evtl. Einsatz von Tuben mit supracuffealer 4 evtl. antibiotische Abdeckung von Hoch-
Absaugung bzw. Spülmöglichkeit (»Reinigung risikopatienten (Polytrauma mit Lungenkon-
der subglottischen Jammerecke«) tusion, myeloische Insuffizienz, Immunsup-
4 Einhaltung einer guten Zahnhygiene und peri- pression)
operative Spülung des Mund-Rachen-Raumes
13 mit 0,12 %igen Chlorhexidinlösung o er-
brachte bei kardiochirurgischen Patienten eine 13.1.6 Therapie der bakteriellen
deutliche Reduktion der Pneumonierate Pneumonie
4 Einsatz von H2-Blockern (z. B. Ranitidin) an-
statt Protonenpumpenblockern bei ulkusge- Therapeutische Allgemein-
fährteten Patienten, sonst genereller Verzicht maßnahmen
auf Anhebung des Magen-pHs bei Patienten 4 Bettruhe und Thromboseprophylaxe
ohne Risikofaktoren (Ib-Empfehlung); keine 4 ausreichende Flüssigkeitszufuhr (hohe Flüssig-
Sucralfatgabe! keitsverluste durch Fieber)
4 Bevorzugung der frühzeitigen enteralen 4 evtl. Analgetika bei Pleuritis (Piritramid, Pethi-
Ernährung via Magensonde und Einsatz von din oder Metamizol) (cave: Morphinderivate:
Prokinetika bei hohem Reflux (>250 ml/h); Atemdepression, Bronchokonstriktion
Bevorzugung der orogastralen Sonde und 4 Sekretolytika: Acetylcystein, Ambroxol
nicht der nasogastralen Sonde 4 Physiotherapie, Inhalationstherapie
4 intensive physiotherapeutische Betreuung/ 4 ggf. Bronchoskopie bei Sekretverhalt mit
Atemtherapie Atelektasenbildung
4 Vermeidung von Muskelrelaxanzien 4 bei Hypoxämie: O2-Gabe über Nasensonde
4 frühzeitige Tracheotomie bei prolongiertem oder Gesichtsmaske mit Reservoir, ggf. aug-
Weaning und Langzeitbeatmung mentierende oder kontrollierte Beatmung mit
13.1 · Bakterielle Pneumonien
285 13
PEEP (5–15 mmHg) bei respiratorischer 4 ambulant erworbene Pneumonie mit voraus-
Erschöpfung oder fortbestehender Hypoxämie sichtlich leichter bis mittelschwerer Ausprä-
(paO2 <60 mmHg) trotz O2-Zufuhr (10 l/min gung mit stationärer Behandlungsbedürftig-
über O2-Maske) keit, unabhängig vom Patientenalter
4 bei begleitender Herzinsuffizienz mit 4 ambulant erworbene schwere Pneumonie mit
Stauungspneumonie: differenzierte Katechola- intensivmedizinischer Behandlungsbedürf-
mintherapie und Schleifendiuretika tigkeit

Erregerspektrum bei ambulant


erworbenen Pneumonien Definition »schwere Pneumonie«
5 Atemfrequenz >30/min
4 das Keimspektrum der ambulant erworbenen
5 Schwere Partialinsuffizienz mit der Notwen-
Pneumonien umfasst meist grampositive
digkeit der kontrollierten Beatmung
Keime und atypische Erreger
5 Bilaterale pneumonische Infiltrate
4 an erster Stelle stehen Streptococus pneumo-
5 Befundverschlechterung um 50 % innerhalb
niae (Pneumokokken); v. a. bei Patienten
von 48 h oder Schocksymptomatik für län-
>65 Jahre, Patienten mit Alkoholabusus,
ger als 4 h und Oligurie bzw. akutes Nieren-
Zustand nach Splenektomie oder Patienten mit
versagen
chronischen Atemwegserkrankungen
4 weitere Keime:
5 Haemophilus influenzae (v. a. bei Patienten
mit COPD), Mycoplasma pneumonia (v. a. Spezielle Therapie der ambulant erwor-
jüngere Patienten) und Moraxella catarrha- benen, nicht nosokomialen Pneumonien
lis sowie seltener 4 Patienten der Gruppe 1
5 »respiratorische« Viren oder 5 Amoxicillin p.o. oder Ampicillin und
5 Staphylococcus aureus (auch methicillin- Clavulansäure (Augmentan) oder
resistente Staphylokokken) mit der Gefahr 5 Makrolidantibiotikum p.o., z. B. Roxithro-
der Pleuraempyembildung (bei Patienten mycin oder Clarithromycin je 2×1 Tbl. p.o.
mit Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz), Anmerkung: In Deutschland weisen zurzeit
Legionella spp., Enterobacteriacae oder ca. 10–20 % der Pneumokokken eine Ma-
andere gramnegative Bakterien (<5 %) vor- krolidresistenz auf (Frankreich bis 25 %, in
wiegend bei älteren Patienten Spanien sogar bis 50 % und in Ungarn bis
40 %)
> Da eine ätiologische Diagnostik bei ambulan-
4 Patienten der Gruppe 2
ten Pneumonien in nur maximal der Hälfte
5 Cephalosporine der 2. Generation oder
aller Fälle gelingt, sollte auf diese bei unkom-
5 β-Laktamantibiotikum und
pliziertem Verlauf und immunkompetenten
β-Laktamaseinhibitor
Patienten verzichtet werden!
5 bei Verdacht auf Legionellen: Fluorchinolo-
ne oder Kombination mit Makroliden und
Therapie der ambulant erworbenen ggf. bei schwerer Pneumonie Substitution
Pneumonie mit Rifampicin; alternativ Azithromycin
Die Therapiestrategie der ambulant erworbenen (Zithromax) 1×500 mg/Tag
Pneumonie richtet sich nach folgendem Eintei- 4 Patienten der Gruppe 3
lungsschema der Patienten: 5 β-Laktamantibiotikum und β-Laktamase-
4 ambulant erworbene Pneumonie bei Patienten Inhibitor i.v. oder
<60 Jahre ohne Begleiterkrankung 5 Cephalosporine der 2. oder 3. Generation i.v.
4 ambulant erworbene Pneumonie bei Patienten 4 Patienten der Gruppe 4
mit relevanten Begleiterkrankungen und/ 5 Kombination aus Makroliden und Cephalo-
oder einem Alter >60 Jahre sporinen der 3. Generation i.v. mit Wirk-
286 Kapitel 13 · Pneumonie

samkeit gegen Pseudomonaden oder 4 Bei Patienten mit Risikofaktoren für das Vor-
moderne Chinolone i.v. handensein von multiresistenten Erregern
5 bei Verdacht auf gramnegative Keime: (MRE) finden sich zusätzlich:
Kombination mit einem Aminoglykosid 5 methicillinresistente Staphylococcus aureus
5 ggf. Reserveoption: Carbapeneme (MRSA)
5 ESBL-bildende Enterobacteriaceae
> Als Maxime der effektiven Antibiotikathera-
5 Pseudomonas aeruginosa
pie gilt: »Mit Antibiotika sparen, nicht an
5 Acinetobacter baumannii
Antibiotika sparen«; d. h. kalkulierte Anti-
5 Stenotrophomonas maltophilia
biotikatherapie einleiten und als Sequenzial-
4 Bei Patienten mit Vorerkrankungen:
therapie fortführen sowie von i.v. auf p.o.
5 Bei komatösen Patienten und Patienten mit
Therapie umstellen, wenn der Patient auf die
Diabetes mellitus oder Alkoholabusus sowie
Therapie anspricht und eine orale Resorption
nach Steroidtherapie vor Antibiotikagabe
zuverlässig ist.
treten gehäuft Staphylokokken auf (Nach-
weis von Elastin im Trachealsekret!).
Erregerspektrum bei nosokomiale 5 bei Patienten mit langjähriger Lungenvor-
Pneumonien erkrankung (Bronchiektasie, Mukoviszi-
Das Erregerspektrum bei nosokomialen Pneumo- dose) und tracheotomierten Patienten
nien ist maßgeblich von Risikofaktoren abhängig, findet man gehäuft Pseudomonaden.
die das Auftreten von multiresistenten (Infektions-) 5 bei Patienten mit äthyltoxischer Leber-
Erregern (MRE) bedingen! zirrhose vorwiegend Klebsiella spp.
5 bei abwehrgeschwächten Patienten sowie
Patienten mit chronischem Nierenversagen
Risikofaktoren von MRE
oder längerer Kortikoidtherapie auch
5 antimikrobielle (Vor-)Therapie o Selektion
Legionellen.
von polyresistenten Erregern
5 bei Patienten mit Immunschwäche bzw.
5 Hospitalisierung >4 Tage (late-onset)
Immunsuppression
5 invasive Beatmung >4–6 Tage
– grundsätzlich jeder Erreger möglich
5 vorausgegangener Aufenthalt auf einer
– bei AIDS meist auch Pneumocystis-
Intensivstation
13 5 Malnutrition
jirovecii- oder Pilzinfektion
4 Keine Bedeutung im Hinblick auf nosokomiale
5 strukturelle Lungenvorerkrankung
Pneumonie-Erreger haben folgende Erreger:
5 Leberzirrhose
5 vergrünende Streptokokken
5 bekannte Kolonisation durch MRE
5 Neisseria spp.
5 Aufnahme aus Langzeitpflegebereichen,
5 Corynebacterium spp.
von Patienten mit chronischer Tracheo-
5 Enterococcus faecalis und E. faecium
stoma-Anlage und/oder offenen Haut-
5 koagulasenegative Staphylokokken und
wunden
Candida spp.
4 Anmerkung: ESBL-bildende Enterobakterien
4 Bei Patienten ohne Risikofaktoren für das spielen trotz rascher Zunahme bei abdominel-
Vorhandensein von multiresistenten Erregern len, urogenitalen und primär bakteriämischen
(MRE) finden sich: Infektionen als Pneumonie-Erreger in Deutsch-
5 Enterobacteriaceae wie z. B. Escherichia coli land bislang eine untergeordnete Rolle!
5 Klebsiella spp.
5 Enterobacter spp. Therapie der nosokomialen Pneumonie
5 Haemophilus influenzae jTherapiedauer
5 Staphylococcus aureus (MSSA) Therapiedauer soll im Regelfall 8 Tage betragen. In
5 Streptococcus pneumoniae einer Untersuchung von Chastre et al. (2007) ist
13.1 · Bakterielle Pneumonien
287 13
eine 15- bis 16-tägige Behandlung nicht besser als 4 oder Carbapenem:
eine 8-tägige antibiotische Therapie. Ausnahmen 5 Ertapenem (Invanz) 1×1 g i.v.
hiervon – wobei mindestens 2 Wochen Therapie- 4 oder Pneumokokken-wirksame Fluorchinolon:
dauer diskutiert werden – sind: 5 Levofloxacin (Tavanic) 2×500 mg i.v.
4 Legionellosen, bei denen eine prolongierte 5 Moxafloxacin (Avalox) 1×400 mg i.v.
Therapie empfohlen wird, ohne dass hierzu
vergleichende Studien vorliegen kPneumonie des Erwachsenen mit
4 bakteriämische S.-aureus-Infektionen evtl. Risikofaktoren für vorhandene MRE
bei komplizierter S. aureus-Bakteriämie (plus Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE gehören
Pneumonie) 4-wöchige Therapiedauer Piperacillin/Tazobactam oder pseudomonaswirksa-
4 invasive pulmonale Aspergillosen, bei denen me Carbapeneme bzw. Cephalosporine, initial in
eine Therapiedauer von 6–12 Wochen empfoh- Kombination mit einem Aminoglykosid oder einem
len wird (immundefizientes Patientenkollektiv pseudomonaswirksamen Fluorchinolon zu den
empfohlenen Therapieoptionen. Ceftazidim (For-
Eine Re-Evaluation der antimikrobiellen Therapie tum) soll nur in Kombination eingesetzt werden. Die
soll 48–72 h nach Beginn der Antibiotikatherapie Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lo-
erfolgen. Hierzu gehört die Beurteilung des klini- kalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getrof-
schen Verlaufs, der Ergebnisse der initialen mikro- fen werden (starke Empfehlung, Evidenz B). Die
biologischen Diagnostik, der Röntgenverlaufsun- initiale Kombinationstherapie im Detail:
tersuchung und von Biomarkern (starke Empfeh- 4 Pseudomonas-wirksames Antibiotikum:
lung, Evidenz B) 5 Piperacillin/Tazobactam (Tazobac) 3×4,5 g
i.v. bzw.
jAntibiotikatherapie 5 Cefexim (Maxipime) 3×2 g i.v. bzw.
Die Auswahl des richtigen Antibiotikums ist nach 5 Ceftazidim (Fortum) 3×2 g i.v.
Ibrahim (2000) bezüglich der Mortalitätsraten von oder
größter Wichtigkeit: 19,9 % vs. 11,9 % Mortalitäts- Impienem/Cilastatin (Zienam) 3×1 g i.v.
rate bei richtiger Antibiotikawahl. Ein nachträgli- bzw.
cher Wechsel ist nach Kollef et al. (2006) meist un- 5 Meropenem (Meronem) 3×1 g i.v. bzw.
wirksam! 5 Doripenem (Doribax) 3×(0,5–)1 g i.v.
4 in Kombination mit einem Pseudomonas-
kPneumonie des Erwachsenen ohne wirksamen Fluorchinolon:
Risikofaktoren für vorhandene MRE 5 Ciprofloxacin (Ciprobay) 3×400 mg i.v. bzw.
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für MRE gehö- 5 Levofloxacin (Tavanic) 2×500 mg i.v.
ren Cephalosporine der Gruppe 3a, Aminopenicil- 4 oder einem Aminoglykosid:
line/Betalaktamaseinhibitor, das Carbapenem Erta- 5 Gentamicin (Refobacin) 1× 6 mg/kg KG i.v.
penem oder Pneumokokken-wirksame Fluorchino- (Talspiegel <1 μg/ml)
lone zu den empfohlenen Therapieoptionen. Die 5 Tobramycin (Gernebcin) 1×6 mg/kg KG i.v.
Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lo- (Talspiegel <1 μg/ml) oder evtl. Tobramy-
kalen Erregerspektrums und Resistenzprofils ge- cin-Vernebelung in einer Dosis von
troffen werden (starke Empfehlung, Evidenz C). Die 2×200 mg/d in 10 ml 0,9 % NaCl
Antibiotika im Detail: 5 Amikacin (Amikacin Fresenius) 1×15–
4 Aminopenicilline/β-Laktamaseinhibitor: 20 mg/kg KG i.v. (Talspiegel <4 μg/ml)
5 Ampicillin/Sulbactam (Unacid) 3×3 g i.v. bzw.
5 Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentan) Anmerkung: Eine initiale Kombinationstherapie
3×2,2 g i.v. soll ausschließlich bei Patienten mit erhöhtem Risi-
4 oder Cephalosporin 3a: ko für das Vorliegen multiresistenter gramnegativer
5 Ceftriaxon (Rocephin) 1×2 g i.v. bzw. Erreger sowie bei septischem Schock eingesetzt wer-
5 Cefotaxim (Claforan) 3×2 g i.v. den. Nach drei Tagen soll die Erfordernis der Kom-
288 Kapitel 13 · Pneumonie

binationstherapie überprüft und bei Nachweis eines 4 Carbapenem (Doripenem, Imipenem und
empfindlichen Erregers bzw. Stabilisierung des Pa- Meropenem) evtl. in Kombination mit Cipro-
tienten auf eine Monotherapie deeskaliert werden. floxacin bzw. Levofloxacin oder einem Amino-
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des glykosid (Tobramycin, Gentamicin, Amikacin)
lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils ge- o Dosierung s. oben! Eine Überlegenheit ge-
troffen werden (starke Empfehlung, Evidenz B). genüber der Monotherapie ist aber nicht sicher
belegt. Bei Resistenz gegenüber allen Standard-
> Vor Therapiebeginn Gewinnung eines
substanzen ist eine Therapie mit Colistin indi-
Tracheobronchialsekretes (TBS) zum Erreger-
ziert; eine Kombinationstherapie ist hierbei an-
nachweis und der Möglichkeit einer späteren
zustreben, möglichst in Rücksprache mit ei-
zielgerichteten Antibiotika-Umstellung nach
nem Infektiologen/Mikrobiologen.
Kultur- und Resistenzbestimmung!
MRSA-Pneumonie
Antibiotikatherapie bei bekanntem 4 Monotherapie mit Linezolid (Zyvoxid 2×
Erreger (Therapieempfehlungen) 600 mg/Tag i.v./p.o.), Vancomycin (2×15 mg/
Pneumokokkenpneumonie kgKG bzw. 2×1 g/Tag i.v.; Talspiegel sollte auf je-
4 Kombinationstherapie mit β-Lactam-AB und den Fall 15–20 μg/ml) oder Teicoplanin (Targo-
einem Makrolid-Antibiotikum z. B. Amoxicil- cid, 1×800 mg initial, anschließend 400 mg/Tag).
lin und Clarithromycin 4 bei schwerer Erkrankung stellt eine Kombina-
tion von Vancomycin mit Rifampicin eine wei-
Anmerkung: Die Kombination mit einem Makrolid tere Option dar!
hat nach Welte bestimmte Vorteile:
! Keine Daptomycin-Therapie! (Inaktivierung
4 Makrolide hemmen die IL-8-Produktion o
der Substanz durch Surfactant!)
hierdurch geringere Makrophageneinwande-
rung ins Lungengewebe.
4 Makrolide hemmen die TNF-α-Produktion. Stenotrophomonas-maltophilia-Pneumonie
4 Makrolide haben einen immummodulie- 4 meist Kombinationstherapie, möglichst nach
renden Effekt o geringere Resistenzentwick- Austestung!
lung z. B. der Pseudomonaden-Stämme. 4 bei In-vitro-Empfindlichkeit ist Cotrimoxazol
13 4 Makrolide hemmen die proinflammatorische (Bactrim 90–120 mg/kg KG/Tag i.v.) indiziert!
Reaktion. 4 alternativ:
5 Ceftazidim (Fortum, 3×2 g/Tag i.v.) plus ggf.
Pneumonie mit A- oder B-Streptokokken Aminoglykosid (Tobramycin, 1×3–7 mg/kg
4 Kombinationstherapie mit Penicillin G und i.v.)
Clindamycin 5 Moxifloxacin (Avalox) 1×400 mg/Tag i.v. als
Monotherapie
Staphylococcus-aureus-Pneumonie 5 Levofloxacin (Tavanic) 2×500 mg/Tag i.v.
4 bei sensiblen Staph. aureus: Oxacillin oder 1.
> Zur Vermeidung von Resistenzen alle Anti-
Generations-Cephalosporin z. B. Cephazolin
biotika bei Infektion mit Stenotrophomonas
4 bei methicillinresistenten Staph. aureus: Van-
in Höchstdosis geben (nach den Tarragona-
comycin oder Linezolid, evtl. Kombination mit
Prinzip: »hit hard«)!
Rifamoicin

Pseudomonas-Pneumonie Acinetobacter-baumannii-Pneumonie
4 Ceftazidim (Fortum, 3×2 g/Tag i.v.) oder 4 Therapie nach Austestung!
Cefepim (Maxipime, 3×2 g i.v.), 4 Carbapeneme (Imipenem oder Meropenem
4 Piperacillin/Tazobactam (Tazobac, 3×4,5 g/Tag 3×1 g/Tag i.v., Ertapenem 1×1,0 g i.v.) am häu-
i.v.) oder ein figsten wirksam!
13.1 · Bakterielle Pneumonien
289 13
4 evtl. Ceftazidim (3×2 g/Tag i.v.) eskalationstherapie oder Interventionstherapie,
4 bei Panresistenz Gabe von Colistin i.v. in d. h. Einsatz einer Kombination von Antibiotika mit
Kombination mit einen sensiblen Antibioti- möglichst breitem Wirkspektrum und Umsetzen
kum (möglichst in Rücksprache mit einem der Therapie nach Erhalt des Antibiogramms auf
erfahrenen Infektiologen/Mikrobiologen) kostengünstigere, zielgerichtete Präparate.
Anmerkung: Tigecyclin ist zur Therapie der
Pneumonie nicht zugelassen! Pneumonien bei Immundefizit
Als Erkrankungen mit immunsupprimierter Kom-
Legionellen-Pneumonie ponente zählen: Zustand nach Organ- oder Kno-
4 nach Welte et al. Kombinationstherapie aus chenmarktransplantation; Chemotherapie solider
β-Lactamantibiotikum plus Makrolid z. B. oder hämatologischer Neoplasien mit oder ohne
Piperacillin/Tacobactam 3×4,5 g i.v. plus Clari- Neutropenie; HIV-Infektion im Stadium AIDS; Im-
thromycin (Klacid, 2×500 mg/Tag i.v.) oder munsuppressive oder immunmodulierende Thera-
Roxithromycin (Rulid, 2×150 mg p.o.) pie bei Autoimmunopathien; Glukokortikoidthera-
4 Therapiedauer: pie über einen Zeitraum von mindestens vier Wo-
5 bei immunkompetenten Patienten 14 Tage chen mit einer Erhaltungsdosis ≥10 mg/d.
5 bei immunsupprimierten Patienten
21 Tage! Pneumocystis-jirovecii (früher carinii)-
Pneumonie
Pneumonie mit atypischen Erregern 4 Trimethoprim (TMP)/Sulfamethoxazol (SMX)
4 Klinik: langsamer Beginn, geringe klinische (Bactrim) 4-mal TMP/SMX 160/800 mg i.v.
Symptomatik (geringes Fieber, wenig Husten oder p.o.
und Sputumproduktion, auskultatorischer 4 oder alternativ das Antimykotikum 70/50 mg
Negativbefund, geringe Leukozytose Caspofungin i.v.
4 Erreger: Chlamydien, Mykoplasmen, Legio- 4 bei schwerem Verlauf evtl. ergänzend Predni-
nellen; Rickettsien solon (1–5. Tag 2×40 mg/Tag; 5.–11. Tag
4 Therapieempfehlung: 1×40 mg/Tag; anschließend bis 21 Tage
5 Roxithromycin (Rulid, 1×300 mg/Tag oder 1×20 mg/Tag)
2×150 mg i.v.)
5 Azithromycin (Zithromax 1×500 mg i.v./ Pilzpneumonie
p.o.) oder Bei Sprosspilznachweis im Trachealsekret besteht
5 Moxifloxacin (Avalox) 1×400 mg/Tag i.v. meist nur Kolonisation und keine Infektion (Kli-
nik?) o daher erst einmal Intensivierung der Pilz-
Lungentuberkulose diagnostik (7 Kap. 15).
4er-Kombination mit:
! Pilztherapie nur bei immunsupprimierten Pa-
4 Isoniazid 5 mg/kg i.v. als tägliche Einmal-
tienten oder Intensivpatienten nach längerer
infusion
Antibiotikatherapie und multilokulärem
4 Rifampicin 10 mg/kg i.v. als tägliche Einmal-
Nachweis von Pilzen! Aspergillenpneumonie
infusion
insgesamt sehr selten (meist Verunreinigun-
4 Streptomycin (15 mg/kg als tägliche Einmal-
gen, z. B. während Umbaumaßnahmen)!
infusion) oder Ethambutol (20–25 mg/kg/Tag
i.v./p.o.initial)
4 Pyrazinamid 1×35 mg/kg/Tag oral Therapieversager
> Eine fehlende Verbesserung von paO2/FiO2
> Wenn möglich gezielte Antibiotikatherapie
an Tag 3 ist ein unabhängiger Prädiktor für
nach Antibiogramm.
ein Therapieversagen!
Antibiotikatherapie bei unbekanntem Erreger und
hohem Infektionsrisiko nach dem Prinzip der De-
290 Kapitel 13 · Pneumonie

jUrsachen jRisikogruppen
Ursachen für ein Therapieversagen bei korrekter 4 kleine Kinder
Diagnose können sein: 4 ältere Patienten
4 Infektion mit primär resistentem bakteriellen 4 Patienten mit COPD, Herzfehlern oder nach
oder nichtbakteriellen Erreger Organtransplantation
4 Resistenzentwicklung unter Therapie
4 Unterdosierung der antimikrobiellen Therapie jEinteilung
4 Superinfektion mit »neuem« Erreger 4 exanthematöse Viren
4 Einschmelzende/organüberschreitende Infek- 5 Masern
tion (z. B. Lungenabszess, Pleuraempyem) 5 Varizellen
4 ARDS-induzierende Viren
Ursachen für ein Therapieversagen bei Fehldiagno- 5 Adenoviren
se »HAP« können sein: 5 Hantaviren
4 interstitielle Lungenerkrankung (z. B. kryp- 5 Koronaviren (SARS-Viren; PCR-Nachweis
togen organisierende Pneumonie (COP) aus dem Bronchialsekret, 1–10 Tage positiv)
4 medikamenteninduzierte Pneumonitis
4 kongestive Herzinsuffizienz jKlinik
4 Lungenembolie/Lungeninfarkt 4 Respiratorische Hypoxie
4 Alveoläre Hämorrhagie 4 Infiltrate im Thoraxröntgenbild
4 Aspirationssyndrom 4 keine Besserung unter antibiotischer
4 Atelektase Therapie

jMaßnahmen jDiagnostik
4 erneute mikrobiologische Diagnostik aus re- 4 Labor: Antigennachweis in der BAL, Stuhl,
spiratorischen Materialien. Eine Therapiepause Blut oder Virusisolation nach Anzüchtung,
(»diagnostisches Fenster«) ist nicht indiziert. RT-Labor, Differenzialblutbild, CK
Die Diagnostik soll vor Gabe neuer Antibiotika Anmerkung: Hohe CK-Werte (>500 UI/l,
erfolgen. insbesondere bei Aufnahme) im Rahmen
4 zur Klärung der dem Therapieversagen zu- von H1N1-Influenza-Infektion korrelieren
13 grunde liegenden Ursache kann eine erweiterte mit vermehrten pulmonalen und renalen
Bildgebung mit Thorax-CT, Echokardiogra- Komplikationen, sowie mit einer Verlänge-
phie oder Thoraxsonographie indiziert sein. rung des Intensiv- und Krankenhausaufent-
haltes!
4 Veränderungen im Thoraxröntgenbild
13.2 Virale Pneumonien
jTherapie
Die Inzidenz viraler Pneumonien ist bei immun- 4 hochdosiertes Methyprednisolon 1 mg/kg KG
kompetenten und immuninkompetenten Patienten alle 8 h für 3 Tage, dann 50 mg Prednisolon o
gleich hoch; allerdings liegen bei 30 % der immun- die Therapie mit Kortikosteroiden bei H1N1-
inkompetenten Patienten schwere Verläufe vor, ins- Influenza führt zu vermehrten Aspergillus-
besondere mit CMV und Herpes-simplex-Viren. fungi-Infektionen!
Rund 70 % aller viral bedingten HAP, VAP und 4 Oseltamivir (Tamiflu) 2×75 mg p.o. für 5 Tage
HCAP werden durch Influenza A und B, Pararin- (Neuraminidaseinhibitor)
fluenza, Adenoviren und dem »respiratory syncyti- 4 Zanamivir (Relenza) 2×10 mg per inhalatio-
al virus« (RSV) verursacht. nem über spezielles orales Inhalationsstück für
10 % der in den USA diagnostizierten Pneumo- 5 Tage (Neuraminidaseinhibitor)
nien sind virusbedingt, allein 30.000 Todesfälle/ 4 Rabavirin (Virazole) 3×400 mg i.v. für 3 Tage,
Jahr durch Influenzainfektionen. dann 2×600 mg p.o.
Ausgewählte Literatur
291 13
4 Amantadin (Infectoflu) nur bei Influenza A: randomized study. Am J Respir Crit Care Med 171:242–
1–2×0,2 g p.o. für >10 Tage (bis zum 65. Le- 248
bensjahr) oder Rimantadin (in Deutschland Crist-Crain M et al. (2004) Effect of procalcitonin-guided
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nicht erhältlich) ratory tract infections: cluster-randomised, single-blind-
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fektionen bei Influenza-A- und -B-Viren Cook DJ et al. for the Canadian Critical Care Trials Group (1998)
Incidence of and risk factors for ventilator-associated
> Eine inhalative Antibiotikatherapie kann der- pneumonia in critically ill patients. Ann Intern Med
zeit nicht generell empfohlen werden. In aus- 129:433–440
gewählten Fällen, wie bei Vorliegen multi- Cook D, Mandell L (2000) Endotracheal aspiration in the diagno-
resistenter Erreger, kann die Gabe von aero- sis of ventilator-associated pneumonia. Chest 117: 195–197
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pie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie.
zu einer systemischen Antibiotikatherapie S-3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiolo-
erwogen werden. gie und Intensivmedizin e.V., der Deutschen Gesellschaft
für Infektiologie e.V., der Deutschen Gesellschaft für
Hygiene und Mikrobiologie e.V., der Deutschen Gesell-
Ausgewählte Literatur schaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und
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292 Kapitel 13 · Pneumonie

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293 14

Nosokomiale Infektionen
M. Fresenius

14.1 Grundlagen – 294

14.2 Prävention – 295

14.3 Therapie – 296

Ausgewählte Literatur – 297

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
294 Kapitel 14 · Nosokomiale Infektionen

14.1 Grundlagen 4 Anhand von Hochrechnungen des Kranken-


haus-Infektions-Surveillance-Systems erleiden
jDefinition >600.000 Patienten eine nosokomiale Infektio-
Nosokomiale Infektionen (NI) sind systemische nen pro Jahr in Deutschland, bis zu 15 000 Pa-
oder lokale Infektionen, die bei der Krankenhaus- tienten sterben daran (11/2012)!
aufnahme weder vorhanden noch in der Inkuba-
tionsphase waren. jRisikogruppen
4 Patienten mit Systemerkrankungen
jBegünstigende Faktoren 4 Patienten mit COPD und Kortikoidtherapie
4 reduzierte Infektabwehr des Patienten 4 Patienten mit Immunsuppression
(z. B. Diabetes mellitus) 4 Verbrennungspatienten
4 Immunsuppression 4 Polytrauma-Patienten
4 Kachexie 4 Patienten mit kardiopulmonalen Vorerkran-
4 Durchführung von vielen infektionsbegünsti- kungen
genden, invasiven, diagnostischen und
therapeutischen Maßnahmen (z. B. Beatmung, jHäufigste nosokomiale Infektionen
Gefäßkatheter etc.) 4 postoperative Wundinfektionen (24,3 %)
4 hohe Exposition 4 Harnwegsinfektionen (23,2 %)
5 durch intensiven Kontakt zwischen Patient 5 Diagnostik anhand von Urinstatus mit
und Personal z. B. bei notwendigem hohen Nachweis von Nitrit im Urin (cave: Entero-
Pflegeaufwand oder auch Personalmangel kokken oder Pseudomonaden können z. T.
(eine Schwester betreut mehr als 2 Intensiv- kein Nitrat zu Nitrit reduzieren o Test fällt
patienten) o 15 % der nosokomialen Infek- trotz Bakteriurie negativ aus) oder mit
tionen beruhen auf Transmission! Nachweis von Bakterien mit Leukozyten
5 kolonisiertes Personal oder Equipment und mikrobiologischem Erregernachweis
4 Aufenthalt auf der Intensivstation 4 Infektion der unteren Atemwege, z. B. eitrige
4 Selektion von stations- bzw. krankenhaus- Tracheobronchitis (21,7 %)
spezifischen Krankheitserregern durch anti- 4 Clostridium-difficile-Infektionen (6,4 %)
bakterielle Medikamente 4 primäre Sepsis, einschließlich katheterasso-
ziierte Infektionen (5,7 %)
4 andere Infektionen des Gastrointestinaltraktes
Relevanz nosokomialer Infektionen
(4,6 %) mit Ausnahme der CDI
14 5 Erhöhung der Morbidität und Mortalität
4 Haut- und Weichteilinfektionen (2,4 %)
5 Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes
4 Infektionen des HNO-Traktes bzw. Augen
5 Höherer Diagnostik- und Behandlungsauf-
(1,2 %)
wand
4 Infektionen des kardiovaskulären Systems
5 Mehrkosten der stationären Behandlung
(0,7 %)
unter DRG-Bedingungen
4 Infektionen des Respirations- und Urogenital-
traktes machen ca. die Hälfte aller nosokomi-
jPrävalenz alen Infektionen aus!
4 Prävalenz von Patienten mit während des
aktuellen Krankenhausaufenthaltes aufge- > In Deutschland werden u. a. die NI durch die
treten NI beträgt nach neusten Zahlen aus seit 1997 laufende KISS-Studie (Kranken-
dem Jahr 2011 3,8 % bzw. bezüglich aller NI haus-Infektions-Surveillance-System) erfasst.
(einschließlich bereits bei Aufnahme vor- Nosokomiale Infektionen mit resistenten Kei-
handene NI) 5,1 %. Im Intensivbereich finden men müssen nach § 23 des Infektionsschutz-
sich bei 18,6 % der Patienten nosokomiale gesetz (IfSG) registriert und auf Verlangen
Infektionen! des Gesundheitsamtes vorgelegt werden.
14.2 · Prävention
295 14
jEinteilung jSpezielle Präventionsmaßnahmen
4 endogene nosokomiale Infektionen (körper- kVermeidung von beatmungsassoziierten
eigene Erreger führen durch Translokation in Pneumonien
normalerweise sterile Bereiche zu Infektionen, 4 Anheben des Kopfende des Bettes von
z. B. Pneumonie durch aszendierende gastroin- beatmeten Patienten bis zu einem Winkel von
testinale Flora während der Beatmung oder 30–45°, sofern keine Kontraindikation dafür
wenn durch Massenvermehrung einzelner gegeben ist.
Erreger, z. B. von C.-difficile-Erreger nach 4 Entfernung aller »devices« wie Intubations-
Breitspektrumantibiotikagabe die infektions- tuben, Tracheostoma, sobald die klinische
auslösende Dosis überschritten wird) Indikation bei den Patienten nicht mehr gege-
4 exogene nosokomiale Infektionen (körper- ben ist.
fremde Infektionserreger, z. B. Übertragung 4 Bevorzugung der nicht-invasiven Beatmung
von anderen Patienten – Hände des Personals bei adäquater Neurologie
oder von Gegenständen in der Umgebung) 4 Verwendung von Spezialtuben, die ein sub-
4 endemische oder epidemische nosokomiale glottisches Absaugen von Rachensekret erlau-
Infektionen ben o Reduktion von Mikroaspirationen bzw.
beatmungsassoziierten Pneumonien um 45 %!
jErregerspektrum Vor der Entblockung des Tubus muss gesichert
Die wichtigsten Erreger nosokomialer Infektionen sein, dass die Sekrete oberhalb des Cuffs ent-
(Stand 2011) gehören zur Gruppe der fakultativ pa- fernt worden sind!
thogenen Erreger: 4 kontinuierliche Messung des Cuffdruckes bzw.
4 E. coli (18 %) Anwendung von automatischen Cuffdruck-
4 Enterokokken (13,2 %), d. h. E. faecalis und regulatoren
E. faecium 4 Schmerztherapie mit systemischen Analge-
4 S. aureus (13,1 %) tika, wenn die Schmerzen Husten und tiefes
4 Clostridium difficile (8,1 %) Einatmen in der postoperativen Periode
behindern.
4 Verwendung von Heat Moisture Exchange
14.2 Prävention Filter (HME) statt eines aktiven Befeuchter-
systems (hier gibt es inzwischen eine gute ran-
jAllgemeine Präventionsmaßnahmen domisierte kontrollierte Studie, die signifikant
4 an erster Stelle Händedesinfektion nach niedrigere Pneumonieraten in der HME-
Patientenkontakt oder auch Unterlagen Gruppe gezeigt hat).
4 Tragen von Handschuhen bei Kontakt mit 4 kein routinemäßiger Beatmungsschlauchwech-
Blut, Körperflüssigkeiten oder Tragen von sel, wenn das System an ein HME gekoppelt
Schutzkleidung bei Behandlung von Patienten ist, solange es bei einem Patienten benutzt wird
mit multiresistenten Erregern und intensivem 5 periodisches Entleeren des Kondenswassers
Kontakt im Beatmungsschlauchsystem (Tragen von
4 Überziehschuhe für Personal und Besucher Handschuhen) (cave: Rückfluss von Kon-
sind obsolet. denswasser zum Patienten!)
5 Beatmungsschlauchsysteme nicht häufiger
> Eine jährliche Hygieneschulungen und die
als alle 7 Tage wechseln
Teilnahme an bestimmten Aktionen z. B.
5 ggf. Verwendung von geschlossenen Mehr-
Aktion »Saubere Hände« führen zu einer
fachabsaugsystemen vs. offenen Einmalab-
Reduktion der Infektionsrate!
saugsystemen
4 ggf. selektive Darmdekontamination (SDD) bei
schwerkranken Patienten mit einen APACHE-
Score von 20–29 Punkten (nach W. Krüger).
296 Kapitel 14 · Nosokomiale Infektionen

4 Pneumokokkenimpfung bei entsprechenden 4 Legen des Katheters unter sterilen Bedin-


Hochrisikopatienten (z. B. vor großen, plan- gungen (sterile Handschuhe, steriles Abdeck-
baren Operationen, Patienten >60 Jahre) tuch, sterile Tupfer, antiseptische Lösung für
die periurethrale Reinigung und einzeln
kVermeidung von ZVK-assoziierten verpacktes Gleitmittel)
Septikämien 4 Verwendung steriler, dauerhaft geschlossener
4 Katheters unter sterilen Bedingungen legen, Urinableitsysteme mit Antirefluxventil
d. h. sterile Kittel und prä- oder postoperative 4 Katheter und Drainageschlauch sollten nicht
Anlage und nicht während der Operation diskonnektiert werden, außer wenn unbedingt
4 tägliche Überprüfung der Notwendigkeit eines eine Spülung notwendig ist, die allerdings
ZVK und frühzeitige Entfernung des Gefäß- grundsätzlich vermieden werden sollte (Aus-
zugangs bei fehlender Indikation nahmen: z. B. Blutungen im Zusammenhang
4 Bevorzugung des infraklavikulären Zuganges mit Prostata- oder Blasenoperationen)
zur Vena subclavia 4 ein freier Urinabfluss sollte gewährleistet sein
4 bei längerer Liegezeit des Katheters Benutzung (d. h. kein »Blasentraining«)
von silberbeschichteten Kathetern oder Anlage
eines subkutan getunnelten Katheters oder im- kVermeidung von multiresistenten Erregern
plantierbare Gefäßzugänge bei Patienten ab 4 Keine ungezielte Antibiotikatherapie, Therapie
4 Jahren (z. B. Hickman) nach Antibiogramm, hohe und adäquate Anti-
4 kein routinemäßiger Wechsel von Gefäß- biotikadosen,
kathetern 4 kein Einsatz eines Standardantibiotikums für
4 kein Katheterwechsel über einen Führungsdraht, alle Patienten zur selben Zeit; ein Antibiotika-
wenn eine katheterbedingte Infektion belegt ist mix ist von Vorteil!
4 Verwendung von steriler Gaze oder transpa- 4 restriktive prophylaktische Antibiotikagabe
renten (semipermeablen) Verbänden zum (Einmalgabe oder Anwendungszeit <1 Tag)
Abdecken der Kathetereintrittsstelle (Infek-
! Allgemein restriktive Anwendung von Anti-
tionsprophylaktisch kann kein Unterschied
biotika und möglichst kurze Therapiedauer
zwischen beiden Verbandsmaterialien nach-
zur Vermeidung von Resistenzen! Anwen-
gewiesen werden), keine routinemäßige
dung des Tarragona-Konzeptes (. Kap. 13).
Applikation von antimikrobiellen Salben auf
die Insertionsstelle
4 tägliche Palpation der Kathetereintrittsstelle 14.3 Therapie
14 durch den Verband
4 Wechsel des Verbandes des ZVK bei Durch- Einsatz von bakterioziden Antibiotika aus der
feuchtung, Verschmutzung, Lockerung, Gruppe der
notwendiger Inspektion der Eintrittsstelle 4 Zweitgenerations-Cephalosporine (15,1 %)
4 Wechsel der i.v. Schläuche einschließlich der 4 Fluorchinolone (13,8 %)
Drei-Wege-Hähne nicht häufiger als im 72-h- 4 Penicilline plus β-Laktaminhibitoren (12,5 %)
Intervall 4 Drittgenerations-Cephalosporine (10,4)
4 Carbapeneme (5,9 %)
kVermeidung von katheterassoziierten
Harnwegsinfektionen Die Behandlung von einigen speziellen nosokomi-
4 Harnwegskatheter sollten nur gelegt werden, alen Infektionen ist im 7 Kap. 15 detailliert darge-
wenn sie erforderlich sind, und sobald wie stellt.
möglich wieder entfernt werden
4 Verwendung suprapubischer Katheter als
sinnvolle Alternativen zu transurethralen
Harnwegskathetern
Ausgewählte Literatur
297 14
Ausgewählte Literatur

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299 15

Spezielle Infektionen
M. Fresenius

15.1 Vermeidung von Infektionen/Prävention – 300

15.2 Katheterassoziierte Infektionen – 300

15.3 Im Krankenhaus erworbene Infektionen – 301

15.4 Infektion mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus


(MRSA) – 302

15.5 ESBL-Bildner – 305

15.6 Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) – 306

15.7 Pilzinfektionen – 307

15.8 Meningitis und Enzephalitis – 318

15.9 Hirnabszess – 322

15.10 Peritonitis – 323

15.11 Osteomyelitis – 325

15.12 Clostridium-difficile-Infektion (CDI) bzw. Clostridium-


difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD) – 326

15.13 Haut- und Weichteilinfektionen – 328

15.14 Wundinfektionen – 328

15.15 Tetanus – 329

15.16 Meldepflicht von speziellen Infektionen


im Krankenhaus – 330

Ausgewählte Literatur – 331

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
300 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

15.1 Vermeidung von Infektionen/Prävention

. Tab. 15.1.

. Tab. 15.1 Empfohlene Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen bei Intensivpatienten

Bereich Maßnahmen Empfehlung Evidenzgrad

Vermeidung von VAP, Gerichtete Schulungsprogramme des (Intensiv-)Personals B IIC


ZVK-assoziierte Infek-
Hygienische Händedesinfektion vor Maßnahmen am A Ia
tionen, Bakteriämie,
Patienten
Harnwegsinfektionen
Erreger- bzw. Resistenzerfassung B IIC

Vermeidung von VAP Körperposition bzw. >(30)–45° Oberkörper-Hochlagerung B IIb

Ulkusprophylaxe mit H2-Blocker anstatt PPI B IIb

Mundpflege mit oralen Antiseptika (z. B. 0,12- bis A Ia


0,2 %-iges Chlorhexidin)

Vermeidung von VAP, Selektive Darmdekontamination (SDD) bzw. selektive A Ia


Bakteriämie und orale Dekontamination (SOD)
Fungämie
Aseptische Technik bei Anlage von Kathetern A IIb
Umgang mit »Devices«
Frühzeitige Entfernung von nicht mehr indizierten A IC
Kathetern

Kein routinemäßiger Wechsel von intravasalen und Harn- B IIb


wegskathetern

Einsatz von endotrachealen Tuben mit subglottischer C IIb


Absaugung

Einsatz von antibakteriellen ZVK-Kathetern bei hohen E V


Infektionsraten der Intensivstation

Ernährung Frühzeitige enterale bzw. orale Ernährung (Beginn <24 h) B Ia


bei chirurgischen Patienten nach Operation am GI-Trakt

Immunnutrition bei elektiven chirurgischen Patienten A Ia


mit gastrointestinalen Tumoren sowie bei Polytrauma-
15 patienten, die enteral ernährt werden können

VAP ventilatorassozierte Pneumonien; PPI Protonenpumpenhemmer

15.2 Katheterassoziierte Infektionen jEinteilung


kKontamination
jInzidenz 4 sekundäre Besiedelung des Katheters (keine
4 Kolonisationshäufigkeit: 5–25 % klinische Relevanz)
4 katheterassoziierte Infektionen: 1–10 %
4 Sepsisrate: 1 % mit 50 % Letalität kKolonisation
4 durch biofilmbildende Bakterien (<15 Keime
in der Ausrollkultur des Kathetersegments)
15.3 · Im Krankenhaus erworbene Infektionen
301 15
4 extraluminäre Kolonisation (vorwiegend bei 4 mikrobiologische Kriterien
traumatologisch-postoperativen Patienten von 5 Kultur des Kathetersegments in Nähr-
der Kathetereintrittsstelle ausgehend o lokale bouillon und später Bestimmung der
Infektionszeichen; jedoch nur 50 % der Kathe- Kolonieanzahl
terinfektionen gehen mit lokalen Infektions- 5 zwei peripher entnommene Blutkulturen
zeichen einher) und die aus dem Katheter entnommene
4 intraluminäre Kolonisation (vom Katheter- Blutkultur zeigen identisches Keimspek-
ansatzstück ausgehend; vorwiegend bei lang- trum
zeitkatheterisierten Patienten und hämatolo-
gisch-onkologischen Patienten) jTherapie
4 hämatogene Streuung (Kolonisation nach 4 Katheterentfernung bzw. anschließende Neu-
vorangegangener Bakteriämie) anlage (Kein Wechsel über Seldinger-Draht!)
4 Antibiotikatherapie bei schweren Infektionen;
kInfektion möglichst nach Antibiogramm: bei
4 extra- oder intraluminale Besiedlung des 5 koagulasenegativem Staphylokokkus: peni-
Katheters mit anschließender Induktion eines cillinasefestes Penicillin oder Cephalospo-
SIRS rin der 1. Generation, z. B. Cephazolin
4 >15 Kolonien in der Ausrollkultur des Katheter- 5 S. aureus: Oxacillin oder Cephalosporin
segments (Definition nach Maki 1977) oder Be- 1./2. Generation, z. B. Cephazolin/
stimmung der Keimzahl nach intraluminärem Cefuroxim
Ausspülen und ultraschallgetriggerter Keim- 5 Enterokokken:
ablösung o 90 % Spezifität und Sensitivität – E. faecalis: Ampicillin plus ggf. Amino-
glykosid
jHäufigstes Keimspektrum – E. faecium: Vancomycin oder Linezolid
4 koagulasenegative Staphylokokken (Staphylo- oder Daptomycin
coccus epidermidis) 5 gramnegative Bakterien: Cephalosporin der
4 Staphylococcus aureus 3. Generation, Piperacillin/Tazobactam
5 Pseudomonas spp.: Piperacillin/Tazobactam
jRisikofaktoren oder Ceftazidim (jeweils ca. 5–10 %
4 verminderte Abwehrlage des Patienten resistent in Deutschland 2008), Cipro-
4 Zugangsweg (Keimbesiedelung des V.-subcla- floxacin oder Carbapenem 1 (jeweils ca.
via-Katheters < V. jugularis < V. femoralis) 10–25 % resistent in Deutschland 2008).
4 Nichtbenutzung von Bakterienfilter (<0,2 μm) Tobramycin (ca. 5–10 % resistent in
und Katheterschleusen (z. B. Pulmonaliskathe- Deutschland 2008)
ter-Introducer) o signifikante Reduktion der
Rate an katheterassoziierten Infektionen durch
Anwendung dieser Maßnahmen 15.3 Im Krankenhaus erworbene
4 Kathetermaterialien (hydrophile Materialien Infektionen
aus Polyurethan sind zu bevorzugen)
4 Verbandstechnik (Mullbinden und Pflaster Durch den »unkontrollierten«, breiten Einsatz von
sind günstiger als Okklusionsverbände, feuchte Antibiotika im Krankenhaus, der daraus resultie-
Kammern!) renden Induktion von Resistenten sowie durch die
4 Verwendung von geschlossenen Spülsystemen Transmission von z. T. multiresistenten Keimen auf-
o Reduktion der Infektionsrate grund vernachlässigter Hygienemaßnahmen kam
es in den letzten Jahren zu einer Zunahme von
jDiagnostik Krankenhausinfektionen.
4 klinische Kriterien (Fieber, Leukozytose, CRP- Die Top 10 der Mikroorganismen bei kranken-
Anstieg, lokale Infektionszeichen etc.) hauserworbenen Infektionen (»hospital acquired
302 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.2 Die 6 Problemkeime bei den krankenhauserworbenen Infektionen (»ESKAPE«)

Abkürzung Keim Häufigkeit (%) Therapie

E Enterococcus spp. * 12 Ampicillin

S Staphylocuccus aureus 15 Cefuroxim, Oxacillin

K Klebsiella spp.** + E.coli 18

A Acinetobacter baumanii 3 Imipenem, Ampicillin/Sulbactam

P Pseudomonas aerug. 8 Tazobac, Ciprofloxacin, Imipenem, Ceftazidim, Cefepim

E Enterobacter spp. 5 Imipenem, Ciprofloxacin

* bis zu 15 % der Enterokokken-Isolaten sind aktuell vancomycinresistent (sog. VRE)


** Carbapenem-resistente Klebsiella pneumoniae (KPC) breiten sich an der Ostküste der USA, Israel und China schnell
aus!

infection«, HAI), verantwortlich für 84 % aller HAI, 15.4 Infektion mit methicillinresisten-
sind nachfolgend aufgeführt (nach Hidron 2008): tem Staphylococcus aureus
1. koagulasenegative Staphylokokken (15 %) (MRSA)
2. Staphylococcus aureus (15 %)
3. Enterococcus species (12 %) 4 Methicillinresistente Staphylococcus aureus
4. Candida species (11 %) (MRSA) sind grampositive Haufenkokken, die
5. Escherichia coli (10 %) koagulasepositiv sind und eine goldgelbe
6. Pseudomonas aeruginosa (8 %) Pigmentierung in der Kultur zeigen. Sie besit-
7. Klebsiella pneumoniae (6 %) zen die Fähigkeit, an Haut und Flächen zu
8. Enterobacter species (5 %) haften und wochenlang zu überleben.
9. Acinetobacter baumannii (3 %) 4 Methicillin ist ein 1956 in England einge-
10. Klebsiella oxytoca (2 %) führtes Antibiotikum, das wegen Knochen-
mark- und Nephrotoxizität nicht mehr im
Von den oben genannten Keimen erweisen sich die Handel ist und später von Oxacillin in Europa
untenstehenden 6 Keime als klinische Problemkei- abgelöst wurde.
me (»ESKAPE«). Dies sind wiederum für ca. 2/3 al- 4 MRSA wurde erstmals 1961 von Jevons
ler im Krankenhaus erworbenen Infektionen ver- beschrieben.
15 antwortlich (. Tab. 15.2). 4 Staphylococcus aureus ist normaler Bestandteil
Viele der oben genannten Keime weisen auf- der menschlichen Mikroflora (Nachweis bei
grund der Bildung veränderter penicillinbindenden 30 % gesunder Erwachsener, vorwiegend in
Proteinen bzw. durch Sekretion von antibiotikaspal- Nasenhöhlen und Rachen).
tenden Enzymen (Penicillinasen, Metalloproteina-
sen, Carbapenemasen, …) Multiresistenzen bzw. jInzidenz
selten auch Panresistenzen auf! 4 In Deutschland wird die Häufigkeit von MRSA
Auf Empfehlung des Robert-Koch-Institutes derzeit mit 22,6 % (PEG-Studie 2007) angege-
werden die resistenten, gramnegativen Erreger ben; deutliches Nord-Süd-Gefälle bei den
seit dem Jahr 2012 in 3MRGN- und 4MRGN+- MRSA-Infektionen in Europa. In Südeuropa
Gruppen eingeteilt (gegenüber 3 oder 4 verschiede- und einigen westeuropäischen Ländern wird
ne Antibiotika multiresistente, gramnegative Kei- über Häufigkeiten von über 30 %, gelegentlich
me; . Tab. 15.3). sogar zwischen 40 und 50 % berichtet
(Spanien). In Skandinavien und mittlerweile
15.4 · Infektion mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA)
303 15

. Tab. 15.3 Einteilung der resistenten gramnegativen Erreger in 3MRGN- und 4MRGN+-Gruppen

Antibiotikagruppe Leitsubstanz Enterobacteriaceae Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter spp.

3MRGN 4MRGN 3MRGN 4MRGN 3MRGN 4MRGN

Acylureidopenecilline Piperacillin/ R R Nur eine der R R R


Tazobactam vier Antibio-
tikagruppen
Cephalosporine der Cefotaxim R R R R R
wirksam
3./4. Generation und/oder
(sensibel)
Ceftazidim

Carbapeneme Imipenem S R R S R
und/oder
Meropenem

Fluorchinolone Ciprofloxacin R R R R R

3MRGN = multiresistente, gramnegative Stäbchenbakterien mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen


4MRGN = multiresistente, gramnegative Stäbchenbakterien mit Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen

auch wieder in den Niederlanden liegt die 4 Veränderung der Zielstruktur des Antibioti-
Häufigkeit unter 5 %. kums (penicillinbindendes Protein = PBP2A)
4 Weltweit zunehmende Resistenz von Staphylo- 4 häufig ist MRSA auch gegen weitere Antibioti-
coccus aureus auch gegen Vancomycin (VRSA)! ka wie Chinolone, Aminoglykoside resistent o
So waren z. B. in Japan zwischen 9 und 20 % Bezeichnung »multiresistenter Staphylococcus
der isolierten MRSA auch gegen Vancomycin aureus«
resistent!
4 Aufgrund einer MRSA-Infektion kommt es zu jNachweis
einem Anstieg der Behandlungskosten um ca. 4 Screening-Platte mit 6 mg/l Oxacillin (Ergebnis
6–10 % gegenüber einer MSSA-Infektion. nach 24–48 h)
Außerdem steigt die Letalität um das ca. 4 Nachweis des penicillinbindenden Proteins
2,5-fache an! Die seltene MRSA-Pneumonie (Antigennachweis von PBP2A; Ergebnis nach
hat eine Mortalität von >50 %. 24 h)
4 Bei hoher MRSA-Inzidenz führt das 4 Nachweis des Resistenzgens (mecA) mittels
MRSA-Screening nach Wernitz (2005) zu PCR (Ergebnis nach 24 plus 2 h)
einer Reduktion der Behandlungskosten.
Dabei entscheidet die Höhe der MRSA-Inzi- jRisikofaktoren nach RKI 2004
denz, ob es ökonomisch sinnvoll ist, alle kFür eine MRSA-Besiedelung
Patienten oder nur 20 % der stationären 4 Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese
Patienten oder nur bestimmte Risikopatienten 4 Verlegung aus Einrichtungen mit bekannter
(ca. 10 % aller Patienten) auf MRSA zu unter- hoher MRSA-Prävalenz (Alten-/Pflegeheime,
suchen. Es gibt zuverlässige Schnelltest, mit …)
deren Hilfe nach 1,5–4 h ein Screeningergeb- 4 Patienten die Kontakt zu MRSA-Trägern hat-
nis vorliegt (z. B. GeneExpert MRSA Scree- ten (z. B. Unterbringung im selben Zimmer)
ning) 4 Patienten, die mindestens 3 der nachfolgenden
Risikofaktoren aufweisen:
jUrsachen der Resistenz 5 chronische Pflegebedürftigkeit im Pflege-
4 Bildung von β-Laktamasen, die den heim oder auf neurologische/neurochirur-
β-Laktamring spalten oder gische Einrichtungen
304 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

gen PVL (= Panton – Valentine – Leukozidin), das


. Tab. 15.4 Einteilung der MRSA-Infektionen
zu ausgeprägten Weichteilinfektionen/-nekrosen
Begriff Bezeichnung und nekrotisierender Pneumonie führen kann. Er
befällt auch jüngere Patienten und verursacht Endo-
H-MRSA Im Krankenhaus (»hospital«) karditiden, Weichteilinfektionen, nekrotisierenden
erworbener MRSA-Stamm Pneumonien.
HCA-MRSA In Zusammenhang mit einem Kranken-
haus, Pflegeheim oder einer anderen jTherapie
medizinischen Einrichtung erwor- kAllgemeine Maßnahmen
benener MRSA-Stamm (»health care-
associated«)
Hygienemaßnahmen sind nach Krueger und Unertl
vom Ort der Kolonisation/Infektion abhängig
C(A)-MRSA Außerhalb des Krankenhaus erwor-
(. Tab. 15.5).
bener (»community acquired«) MRSA-
Stamm ! MRSA-Träger müssen immer isoliert werden
NORSA Non-multiresistenter Oxacillin-resi- (Einzel- oder Kohortenisolation). Aufhebung
stenter Staphylococcus-aureus-Stamm der Isolation erst, wenn 3 Abstriche im Ab-
stand von 48 h negativ sind!

5 liegende Katheter (PEG, DK etc.) kMaßnahmen zur Dekolonisation


5 Dialysepflichtigkeit 4 zur Sanierung der Schleimhäute zusätzlich
5 Hautulzera, Gangrän, chronische Wunden, Mupirocin (Turixin Nasensalbe) 3- bis 4-mal
tiefe Weichteilinfektionen, … täglich für maximal 5 Tage, dann mikrobiologi-
4 Brandverletzungen sche Kontrolle der Schleimhäute!
4 Alter >60 Jahre und männliches Geschlecht Anmerkung: Turixin Nasensalbe (2 % Mupi-
4 vorausgegangene Antibiotikatherapie in den rocin) ist ein von Pseudomonas fluorescens ge-
letzten 3 Monaten (insbesondere mit Cephalo- bildetes bakteriostatisches Antibiotikum, das
sporinen der 3. Generation, Fluorchinolonen die bakterielle Proteinsynthese durch Hem-
und Makroliden) mung der Isoleucin-tRNA-Synthetase verhin-
dert (<1 % der Substanz wird resorbiert).
kFür eine MRSA-Infektion 4 bei extranasaler, dermatologischer Besiedlung
4 Kolonisation durch MRSA ≥2 Tage nach Duchführung von Bädern mit Hexachloro-
Hospitalisation phen oder Dekontamination mit Polyhexa-
4 Hospitalisation innerhalb des letzten Jahres methylen-Biguanid-Hydrochlorid (PHMB;
4 chirurgischer Eingriff innerhalb des letzten Sanalind und Lavasept) bzw. bei multilokulä-
15 Jahres rem Nachweis und/oder immunsupprimierten
4 Dialysepatient Patienten Ganzkörperwaschung mit Octenidin
4 Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung (Octenisept) über einen Zeitraum von 5 Tagen
4 Vorhandensein eines invasiven Katheters mit täglich je 3 Einzelapplikationen morgens
und abends jeweils im Abstand von 1 h
jEinteilung der MRSA-Infektionen 4 täglicher Wäschewechsel
. Tab. 15.4 zeigt die Einteilung der MRSA-Infek- 4 Wechsel von Utensilien zur Körperpflege
tionen. Der ambulant erworbene C(A)-MRSA- (Kämme. Schwamm, …)
Keim (»community-acquired MRSA«) ist aufgrund
einer hohen Pathogenität und der zunehmenden kTherapie einer MRSA-Infektion
Resistenz gegenüber β-Laktamantibiotika und Sub- 4 systemische Gabe von Vancomycin 2×1 g/Tag i.v.
stanzen wie Cotrimoxazol, Clindamycin, Moxiflo- Anmerkung: die Mortalität ist abhängig von
xacin und Tigecyclin von besonderer Bedeutung)! der minimalen Hemmkonzentration (MIC)
Die hohe Pathogenität beruht auf einem Virulenz- des Erregers: ab 2 mg/dl deutlicher Anstieg der
15.5 · ESBL-Bildner
305 15

. Tab. 15.5 Hygienemaßnahmen

Ort Isolierungs- Handschuhe Schutzkittel Mundschutz


maßnahmen*

Nasale/rektale Kolonisation Ja Ja Nein Nein

Wunde, Tracheostoma, Ja Ja Bei direktem Wenn Aerosolisierung


Harnwege Kontakt oder Verspritzen von
Sekret wahrscheinlich

Verbrennungen, Infektionen Ja Ja Ja Ja
des unteren Respirationstraktes

* Einzel- oder Kohortenisolation

Mortalität! Die gemessenen Vancomycin-Tal- genüber Vancomycin (VISA) bzw. Glykopeptiden


spiegel korreliert nicht mit der Effektivität der (GISA = Glykopeptid-intermediär-sensible Staphy-
Antibiotikatherapie, d. h. höhere Vancomycin- lococcus aureus) beschrieben.
Talspiegel führen zu keinen weiteren Reduk- Ein routinemäßiges Screening von Pflege- und
tion der Mortalität (»mehr hilft nicht mehr!«) ärztlichen Personal ist weder medizinisch noch
4 bei MRSA-Pneumonie ökonomisch indiziert. Nur bei Pandemie gezielte
5 Gabe von Linezolid 2×600 mg i.v. (signifi- Umgebungsuntersuchung empfohlen!
kant bessere klinische Heilungsrate bei pul-
> Eine dauerhafte Sanierung des Patienten
monaler Anreicherung o 450 % höherer
vom MRSA ist selten möglich; meist nach
Gewebsspiegel als Plasmaspiegel!) oder
einigen Wochen Rekolonisation! MRSA-Scree-
5 Gabe von Daptomycin (Cubicin) 1×
ning bei stationärer Wiederaufnahme des
(4)–6 mg/kg KG i.v. (nicht bei Pneumonie,
Patienten! Bei Risikopatienten mit Staphylo-
da Inaktivierung durch Surfactant!)
coccus-aureus-Nachweis im Nasenabstrich
5 Gabe von Ceftarolin (Zinforo) 2×600 mg als
präoperative Gabe von Mupirocin-Nasen-
Kurzinfusion >1 h i.v.
salbe erforderlich!
5 Gabe von Tigecyclin (Tygacil) initial 100 mg,
anschließend 2×50 mg/Tag über 30–60 min
4 alternativ Gabe von Vancomycin in Kombina- 15.5 ESBL-Bildner
tion mit
4 Rifampicin 10 mg/kg KG/Tag i.v. (bei alleiniger 4 Ca. 35 % der pathogenen, klinisch relevanten
Gabe hohe Resistenzentwicklung!) Bakterien produzieren β-Laktamasen und vie-
5 Trimethoprim/Sulfamethoxazol (Bactrim) le von ihnen solche mit einem breiten Spek-
2×80/400 mg i.v.) oder trum (= »extended spectrum beta-lactamases«;
5 Fosfomycin (Infectofos) 3×3–5 g i.v. bei sep- ESBL) o Inaktivierung einer Vielzahl von
tischem Krankheitsbild Antibiotika wie z. B. Penicillin, Ampicillin,
Piperacillin, Mezlocillin, Cefazolin, Cefuro-
> Bei nachgewiesener Pneumonie mit MSSA
xim, Ceftriaxon, Cefotazidim, Cefepim
sollte nicht mit Vancomycin, sondern mit Clo-
4 die seit 1983 bekannte ESBL-Resistenz ist plas-
xacillin therapiert werden, da sonst nach
midkodiert, z. B. CTX-M-Gruppe o schnelle
Gonzalez et al. (1999) die Letalität deutlich
Verbreitung zwischen verschieden Erreger-
erhöht ist (47 % vs. 10 %).
gruppen
Seit 1998 sind in Deutschland auch Staphylococcus- 4 ESBL-produzierende Keime sind: Klebsiella
aureus-Stämme mit geringerer Empfindlichkeit ge- pneumoniae und oxytoca, Escherichia coli,
306 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

Citrobacter spp., Enterobacter spp., Morganella 5 SENTRY-Programm (Resistenzsituation in


morganii, Proteus spp., Providentia spp., Sal- USA, Südamerika und Asien/Pazifik)
monella spp. und Serratia spp.

Anmerkung: die ESBL-Resistenz ist ein Beispiel 15.6 Vancomycinresistente


für eine extrahospitale Resistenzentwicklung: 18 % Enterokokken (VRE)
der Möwen an der Ostseeküste (2010) und 19,3 %
der Möwen in Portugal (2008) haben ESBL-Keime jInzidenz
in den Exkrementen! ESBL-Keime sind 3MRGN- Etwa 5–10 % aller Enterokokkenisolate waren im
Keime! Jahr 2009 in Deutschland vancomycinresistente
Enterococcus-faecium-Stämme, in Luxemburg,
jRisikofaktoren Griechenland und in Irland liegt der Anteil gegen-
4 vorausgehende längere Klinikaufenthalte wärtig bei über 25 %.
4 Patient ist Pflegeheimbewohner
> Aufgrund der Virulenz und der epidemischen
4 schwere Grunderkrankung
Potenz sowie der spezifischen Antibiotikare-
4 Diabetes mellitus
sistenz wird unter krankenhaushygienischen
4 maschinelle Beatmung
Gesichtspunkten vom Robert Koch-Institut
4 diverse Gefäßkatheter, Magen- und Duodenal-
beim Auftreten von VRE-Infektionen ein Vor-
sonden
gehen analog zur MRSA-Infektion empfohlen!
4 Hämodialyse und -filtration
4 Notfalleingriffe im Abdomen
4 lang andauernde Antibiotikatherapie und/oder jTypen
Unterdosierung z. B. mit Cephalosporinen der 4 Enterokokken sind fakultativ anaerob, nicht
3a- und 3b-Generation, Aztreonam, Fluorchi- sehr virulent, besitzen jedoch die Eigenschaft,
nolonen oder TMP/SMZ an Herzklappen und Nierenepithelzellen zu
haften sowie extrachromosomale Antibiotika-
jTherapie resistenz zu erwerben.
4 Antibiotikum der 1. Wahl: Carbapeneme wie 4 Enterococcus spp.:
z. B. Ertapenem, Meropenem, Doripenem, Imi- 5 E. faecalis (80–90 %)
penem 5 E. faecium (5–15 %)
4 evtl. Tigecyclin, Cefoxitin, Fosfomycin 5 E. avium, gallinarum oder casseliflavus
4 Bei vorliegender Endokarditis ist Enterococcus
> Es wird empfohlen beim Einsatz von Carba-
faecalis der dritthäufigste Keim nach den
penemen im Rahmen der ESBL-Therapie Erta-
Streptokokken der Viridansgruppe und den
penem (Invanz) zu bevorzugen, da hierdurch
15 kein Selektionsdruck auf Pseudomonaden
Staphylokokken.
4 Hauptreservoir: menschlicher Gastrointesti-
ausgeübt wird!
naltrakt, wo Enterococcus spp. zur normalen
4 Die Resistenzentwicklung wird national und Flora gehören.
international durch verschiedene Projekte
überwacht: jUrsachen
5 SARI-Programm (Resistenzlage auf 4 Durch die unkontrollierte Anwendung von
deutschen Intensivstationen) Glykopeptidantibiotika oder Cephalosporinen,
5 GENARS-Programm der Paul-Ehrlich- z. B. Ceftriaxon, in der Klinik kommt es zur
Gesellschaft (Resistenzlage auf deutschen Induktion der Resistenzentwicklung!
Intensivstationen) 4 normal sensible Enterokokken werden übli-
5 SMART-Studie (mit Fokus auf intra- cherweise mit einer Kombination von Ampicil-
abdominellen Infektionen) lin mit einem Aminoglykosid nach Austestung
5 MYSTIC-Studie der Antibiotikasensibilität behandelt
15.7 · Pilzinfektionen
307 15

. Abb. 15.1 Häufigkeit verschiedener Erreger bei Septikämien in Prozent. (Adaptiert nach Wisplinghoff et al. 2004)

4 Zugabe von Antibiotika zum Futtermittel in 4 Pilzinfektionen des Intensivpatienten sind zu


der Tierzucht, z. B. wurde Avoparcin, ein Gly- 90 % Infektionen mit Candida spp. (ca. 60 %
kopeptidantibiotikum, bis 1995 in Deutschland mit Candida albicans, >30 % Non-albicans-
verfüttert Candida-Arten wie z. B. C. glabrata, tropicalis,
parapsilosis und krusei, guilliermondii sowie
jRisikogruppen C. lusitaniae und dubliniensis)
4 transplantierte Patienten Anmerkung: Candida spp. gehört zur norma-
4 onkologische Patienten len Flora des Gastrointestinaltraktes und findet
4 Dialyse- und Intensivpatienten sich auch bei vielen Patienten auf der Haut!
> Die Candida-non-albicans-Stämme nehmen
jTherapie
kontinuierlich zu und sind für die effektive
Gegen VRE können folgende Medikamente einge-
antimykotische Therapie von Bedeutung.
setzt werden:
Meist sind sie fluconazolresistent!
4 Oxazolidinon Linezolid (Zyvoxid) 2×600 mg i.v.
4 Glycylcyclinantibiotikum Tigecyclin (Tygacil) 4 Infektionen mit Fadenpilzen wie Aspergillus
initial 100 mg, anschließend 2×50 mg/Tag über spp. sind sehr selten (2−5 %) und immer exo-
30–60 min gen bedingt.
4 Sehr selten sind andere Pilzinfektionen – meist
in Form von Kleinepidemien – mit Malasezzia
15.7 Pilzinfektionen spp. bei Neugeborenen, Fusarium spp. und
Trichosporon spp. bei Tumorpatienten und
15.7.1 Allgemeines Acremonium spp. bei Augenpatienten.
4 die meisten Pilzinfektion sind opportunistische
4 Pilzinfektionen nehmen im operativen Bereich Infektionen im Rahmen einer erworbenen
in den letzten Jahren deutlich zu. Gründe hier- Immuninkompetenz (Ausnahme: Blastomy-
für sind die Zunahme von immungeschwäch- kosen)
ten Patienten bzw. multimorbiden Patienten 4 weitere seltene Pilze in Europa sind: Crypto-
die einem operativen Eingriff unterzogen wer- coccus spp. (C. gattii, C. neoformans) und
den, die Zunahme der Invasivität und Dauer Pneumocystis spp. (P. jirovecii)
der Intensivbehandlung. 4 außereuropäisch vorkommende Pilzinfektio-
4 Pilze sind in Europa in bis zu 24 % der im In- nen sind: Blastomykosen (Ohio- und Missis-
tensivbereich erworbenen Sepsisfälle beteiligt sippi-Becken), Kokzidioidmykosen/Parakokzi-
(. Abb. 15.1, . Tab. 15.6). dioidmykosen (Lateinamerika), Histoplasmose
308 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.6 Weitere klinisch relevante Pilzerreger

Hefepilze Schimmelpilze

Candida-Spezies C. albicans Aspergillus-Spezies A. fumigatis


C. glabrata A. niger
C. guilliermondii A. flavus
C. kefyr A. terreus
C. krusei
Zygomycetes Absidia-Spezies
C. lusitaniae
Cunninghamella-Spezies
C. rugosa
Mucor-Spezies
C. parapsilosis
Rhizomucor-Spezies
C. tropicalis
Rhizopus-Spezies

Andere Hefepilze Blastoschizomyces-Spezies Andere hyaline Acremonium-Spezies


Cryptococcus neoformans Schimmelpilze Fusarium-Spezies
Malassezia-Spezies Paecilomyces-Spezies
Rhodotorula-Spezies Scedosporium-Spezies
Saccharomyces-Spezies
Dermatiazeen Trichoderma-Spezies
Trichosporum-Spezies
Alternaria-Spezies
Cladophialophora-Spezies
Cladosporium-Spezies
Curvularia-Spezies
Exophiala-Spezies
Phialophora-Spezies
Scopulariopsis-Spezies

(USA, Zentral- und Südamerika), Zygomy- 15.7.3 Candidämie


zeten (Mucor, Rhizomucor, Rhizopodus,
Scedosporium spp. etc.) jInzidenz
4 nach Menzin et al. verlängert eine invasive Variiert in Europa von Land zu Land: zwischen
Pilzinfektion den durchschnittlichen Kranken- 4,9 Fälle/100.000 in 2002/2003 in Spanien bis 11 Fäl-
hausaufenthalt (7 vs. 19 Tage) der Patienten im le/100.000 in 2003/2004 in Dänemark. Mit 0,31–
Vergleich zu Patienten ohne invasive Mykose 0,44 Candidämien/10.000 Patiententagen liegt die
und die Kosten werden verdreifacht (44.800 $ Inzidenz in Europa deutlich niedriger als in den
vs. 15.400 $) USA (1,5/10.000 Patiententage).
15
jFormen
15.7.2 Infektionsweg Nach Brody (1994) werden 4. verschiedene For-
men von Candida-Infektion unterschieden (. Abb.
Als Ausgangspunkt der Infektion gilt bei Candida- 15.2).
infektionen meist eine Invasion über den besiedel-
ten Darmtrakt bei vorliegender Barrierefunktions- jErregerspektrum
störung oder über die Haut entlang eines (zentral-) 4 bei C. albicans handelt es sich um die in
venösen Zugangs, direkt in die Blutbahn. Die Infek- Europa am häufigsten isolierte Spezies
tion ist meist endogen bedingt. 4 95 % aller Candidämien (Nachweis von Candi-
da spp. in der Blutkultur) werden verursacht
durch C. albicans, C. glabrata, C. parapsilosis
und C. tropicalis
15.7 · Pilzinfektionen
309 15

. Abb. 15.2 Einteilung der Candida-Infektionen. * mit oder ohne Fungämie und metastatischen Absiedelungen; meist he-
patolienale Candidosen mit Leberdruckschmerz und Anstieg der alkalischen Phosphatase. ** auf ein einzelnes Organ be-
schränkt (Peritonitis, Endokarditis, Meningoenzephalitis)

4 weitere Candia-Spezies sind: C. krusei,


C. guilliermondii, C. dubliniensis, C. lusita-
niae, C. rugosa, C. famata, C. norgegensis,
C. kefyr und C. stellatoidea
4 besonders in Nordamerika und verzögert auch
in Europa kommt es zu einer Zunahme von
Infektion mit Non-albicans-Stämmen!
4 C. parapsilosis findet sich vermehrt im pädia-
trischen Bereich und neigt zur Ausbildung
von Biofilmen in bzw. an Kathetern; in diesem
Zusammenhang deutlich reduziertes Anspre- . Abb. 15.3 Häufigkeit der verschiedenen Candida-Arten
in Deutschland. (Adaptiert nach Borg-von Zepelin et al.
chen auf Antimykotika (erhöhte MHK-Werte 2007)
gegenüber Echinocandinen; diese sind aller-
dings auch im Biofilm aktiv!). Weitere Unter-
gruppen sind orthopsilosis (bildet keine Bio- jRisikofaktoren
filme) bzw. C. metapsilosis 4 vorherige systemische antimykotische Therapie
4 C. tropicalis wird vorwiegend bei Patienten 4 vorherige gastrointestinale Operationen
mit (hämato-)onkologischer Erkrankungen 4 erhöhtes Patientenalter und die i.v. Gabe von
sowie Neutropenie, nachgewiesen; geringe Medikamenten
Sensibilität auf Fluconazol) 4 unabhängige Risikofaktoren für eine Candidä-
4 C. krusei vorwiegend bei älteren Intensiv- mie durch Non-albicans-Spezies:
patienten 5 Gabe von Glukokortikosteroiden
4 . Abb. 15.3 gibt die Häufigkeit der verschie- 5 Vorhandensein eines zentralen Venen-
denen, in Deutschland nachgewiesenen Candi- katheters
da-Arten wieder 5 eine vorher existierende Candidurie
5 eine vorausgegangene Fluconazoltherapie
310 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.7 Risikofaktoren für invasive Pilzinfektionen mit Candida spp. oder Aspergillus spp. (Adaptiert nach Groll
2011)

Für Candida spp. Für Aspergillus spp.

Immunsuppressive Therapie Lungen-, Leber-, Herz- und Nierentransplantation


Behandlung mit Breitspektrum-Antibiotika ≥2 Wochen Akute, chronische Abstoßungsreaktion
ZVK oder arterieller Zugang COPD
Parenterale Ernährung Leberzirrhose
Kontrollierte Beatmung ≥10 Tage Kortikosteroide
Kolonisierung mit Candida-Spezies ≥2 Körperregionen Hämodialyse, Nierenversagen
Akutes Nierenversagen, Hämodialyse Calcineurininhibitoren, OKT3
Rezidivierende gastrointestinale Perforationen mit sekundärer/ CMV
tertiärer Peritonitis Retransplantation
Operationen bei akuter Pankreatitis Splenektomie
Hoher »Mortibidity Score” (APACHE II/III >20) Diabetes mellitus, diabetische Ketoazidose
Granulozytopenie (≤500 neutrophile Granulozyten/μl über
>10 Tage)
Akute und chronische GVHR nach allogener HSCT
Aufenthalt auf der Intensivstation ≥9 Tage

CMV Zytomegalievirus, COPD »chronic obstructive pulmonary disease«, GVHR Graft-versus-Host-Reaktion,


HSCT hämatologische Stammzelltransplantation

5 eine Kombinationstherapie von verschie- jKlinik


denen Antibiotika 4 evtl. sehr unterschiedliches klinisches Bild,
5 hohes Patientenalter vom milden Krankheitsverlauf mit kontinuier-
5 längerer Aufenthalt auf einer Intensivstation lich subfebrilen Temperaturen bis zu schwerer
5 Neutropenie, eine hämatoonkologische Sepsis reichend
Erkrankung oder eine allogene Stammzell- 4 meist allgemeine Sepsiszeichen (Hypotonie,
transplantation MOV, DIC) mit Fieber, moderater PCT- und
CRP-Erhöhung
. Tab. 15.7 führt nochmals die Risikofaktoren für 4 »Antibiotikaresistenz« mit Persistenz der
invasive Pilzinfektionen mit Candida spp. oder As- klinischen Symptomatik
pergillus spp. auf. 4 Pilznachweis an mehreren Körperlokali-
sationen
15 jLetalität 4 Augenhintergrund (in bis zu 16 % der Fälle
Chorioretinitis und Glaskörperbefall!)
! Die Candida-Sepsis weist eine Letalitätsrate
4 anamnestische Vorbehandlung mit Fluconazol
von bis zu 90 % auf!
bzw. einem anderen Antimykotikum
Die Letalitätsrate ist abhängig von der Candida-Spe- 4 die meisten Candida-Infektionen treten bei
zies (. Abb. 15.4): bei C. albicans und C. parapsilosis nicht-neutropenischen, stationären Patienten
ist sie niedriger als bei C. glabrata oder C. krusei. zwischen dem 21. und 28. Tag auf
Das Überleben korreliert negativ mit dem
Auftreten eines Nierenversagens, einem hohen jDiagnostik
APACHE-Score (>20), einer vorherigen Kortikoste- 4 Blutkulturen aus peripheren Venen und
roidmedikation, einem Patientenalter >70 Jahre zentralvenösen Gefäßzugängen mittels spe-
und dem Verbleiben einliegender i.v. Katheter. Die ziellen Pilzflaschen z. B. BD BACTEC Mycosis
Mortalität ist bei nichtoperativen Patienten mit Anmerkung: Nur 60 % aller Candidämien sind
Candidämie größer als bei operierten Patienten. in der einzelnen Blutkultur nachweisbar! Die
15.7 · Pilzinfektionen
311 15

. Abb. 15.4 Letalitätsrate in Abhängigkeit von der Candida-Spezies. (Adaptiert nach Horn et al. 2004)

BACT/Alert-Blutkulturflaschen können mehr okularem Befall o Entfernung des Glas-


Candidämien aufdecken als BACTEC-Blutkul- körpers des befallenen Auges notwendig
turflaschen (23,6 vs. 17,9 %) 5 Sonographie von Leber, Nieren, Milz
4 Bebrütung der Blutkulturflaschen ≥7 Tage, 5 evtl. CCT oder MRT zum Ausschluss
da einige Pilzspezies langsames Wachstum zerebraler Beteiligungen
zeigen (insbesondere C. glabrata). Blutab-
nahme am besten aus der Vene, da arterielle kNachweismethoden
Blutkulturen eine längere Nachweiszeit von . Tab. 15.8 gibt einen Überblick über die verschie-
Pilzen benötigen! denen Pilznachweismethoden.
4 Abstrichmaterial von Haut, Wunden sowie int- Der indirekte serologische Erregernachweis
raoperative Abstriche (als positiv zu werten bei mittels Candida-Antigen-Nachweis (>1:16) oder
Nachweis aus sonst sterilen Körpergebieten) Candida-Antikörper wird nicht mehr empfohlen!
4 Bebrütung von Derzeit gibt es keine schnellen Parameter zur
5 Trachealsekret und BAL (meist nur Koloni- Indikationsstellung einer antimykotischen Thera-
sation) pie. Meist wird die Diagnose einer Candida-Infek-
5 Urinproben (Hefen werden über die Glo- tion anhand der Zusammenschau von Patienten-
merula in den Urin ausgeschieden; eine risikofaktoren, der Klinik und vorhandenen Befun-
lokale Harnblaseninfektion/-kolonisation den gestellt!
kann eine Candidurie vortäuschen!) Hilfreich kann evtl. eine Risikostratifizierung
5 Gefäßkathetern und Drainagen anhand verschiedener Scores sein:
4 histo-/zytopathologische Untersuchung 5 Kolonisationsindex nach Pittet von 0,4–
durch Gewebeprobe oder Feinnadelpunktion 0,5–(0,6):Kolonisationsindex ist das Ver-
o Nachweis von invasiven Hyphen hältnis der Anzahl der positiven Körperab-
4 radiologische Verfahren wie z. B. Computer- striche zur Anzahl der durchgeführten Ab-
tomographie (miliares Verteilungsmuster im striche.
Röntgen-Thorax); zum Ausschluss von Organ- 5 Sog. Candida-Score (CS): Punktesystem
beteiligungen: mit jeweiliger Punktevergabe (. Tab. 15.11)
5 TEE
5 Spiegelung des Augenhintergrundes o Hieraus ergibt sich bei CS ≥3 eine diagnostische
Nachweis von Cotton-wool-Herden bei Sensitivität von 77,6 %, eine Spezifität von 66,2 %,
312 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Abb. 15.5 Diagnostischer Algorithmus für Pilzinfektionen. (Adaptiert nach Maertens et al. 2005). BAL brochoalveoläre
Lavage, CT Computertomographie SOD selektive oropharyngeale Dekontamination, OP Operation

. Tab. 15.8 Verschiedene Pilznachweismethoden

Verfahren Methode

Konventionelle mikro- Direkte Mikroskopie mittels Methylenblaufärbung, Lactophenolblau, Calcofluor und klas-
biologische Methoden sische Gramfärbung
15 Anzüchtung (in Verbindung mit Resistenztestung)

Histopathologische Konventionelle Mikroskopie mit Nachweis einer Myzelbildung (Goldstandard)


Methoden
Direkte Immunfluoreszenzmikroskopie mit Blankophor zum Nachweis der Pilzhyphenbildung

In-situ-Hybridisierung

Immunologische und Galaktomannantest zum Aspergillennachweis (. Tab. 15.9)


biochemische (1,3)-β-D-Glukannachweis von invasiven Pilzinfektionen durch z. B. Candidia-, Aspergillus-
Methoden und Fusariumspezies (. Tab. 15.10)
Kein Nachweis von Cryptococcusspezies und Zygomyzeten (besitzen nur sehr geringe
Mengen von (1,3)-β-D-Glukan in ihrer Zellwand)

Molekulare Methoden »Direct detection«/»identification« (18S-Sequiring, Real-time-qPCR):


– Kommerzielle »Polymerase-chain-reaction«-(PCR-)Verfahren zur Detektion von Candida-
und Aspergillusspezies aus Vollblut, Serum, Proben des Respirationstrakts und Geweben
– Nukleinsäure (FISH mit PNA-Sonde)
15.7 · Pilzinfektionen
313 15

. Tab. 15.9 Tests für den Nachweis von Mannan. (Adaptiert nach Rüchel u. Debusmann 2008)

Testverfahren Sensitivität Spezifität Patientengut Besonderheiten


(%) (%)

Platelia Candida 62,6 75 Hämato-onkologisch Monoklonale Anti-Mannan-Antikör-


Fa. Biorad, München per vom Kaninchen; diagnostische
79,3 99,5 Chirurgisch
Lücke bei C. krusei und C. parapsilosis

Serion Elisa Antigen 77,5 94,7 Hämato-onkologisch Polyklonale Anti-Mannan-Antikörper


Candida, Fa. Virion,
94,5 97,2 Chirurgisch
Würzburg

. Tab. 15.10 Test für den quantitativen Nachweis von 1,3-D-Glukan. (Adaptiert nach Ostrosky-Zeichner et al. 2005)

Testverfahren Sensitivität Spezifität Patientengut Besonderheiten


(%) (%)

Fungitec-G (Japan), 69,9 87,1 Bei Kolonisation und oraler Candidose


Glucatell und Fungi- negativer Test. Diagostische Lücke bei
tell (USA) Kryptokokken und Zygomyceten

Testergebnis: <60 pg/ml negativ, 60–79 pg/ml intermediär und >0 pg/ml positiv

. Tab. 15.11 Candida-Score

Faktor Punkte Cut-off Inzidenz (95 % CI)

Stattgehabte Operation 1 <3 2,3

Multifokale Kolonisierung 1 3 8,5

Parenterale Ernährung 1 4 16,8

Schwere Sepsis 2 5 23,6

ein positiver prädiktiver Wert von 13,8 % und ein Die Wahl des Antimykotikums richtet sich nach
negativer prädiktiver Wert von 97,7 %! 4 der nachgewiesenen Erregerspezies,
. Abb. 15.5 zeigt den deutschen diagnostischen 4 dem Schweregrad der Erkrankung,
Algorithmus für Pilzinfektionen. 4 dem Ausmaß der Organdysfunktion, einschl.
der Hämodynamik,
jTherapie 4 der antimykotischen Vortherapie in den letzten
! Bei Verdacht auf eine (invasive) Pilzinfektion 3 Monaten (z. B. Azol-Prophylaxe),
sollte unverzüglich (<12 h) eine antimykoti- 4 dem lokalen Resistenzmuster auf der Station.
sche Therapie eingeleitet werden, da hiervon
die Überlebenswahrscheinlichkeit des Bei der Therapie von Pilzinfektionen werden 4 For-
Patienten abhängig ist: Je später die Therapie men unterschieden:
eingeleitet wird, desto höher ist die Letalität 4 prophylaktische Therapie = Therapie zur Ver-
(. Abb. 15.6) meidung einer Pilzinfektion
314 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Abb. 15.6 Abhängigkeit der Pilzmortalität vom Zeitpunkt des Therapiebeginns nach Diagnosestellung. (Adaptiert nach
Garey et al. 2006)

4 empirische Therapie = Therapie einer ange- nach der letzten positiven Blutkultur
nommenen Pilzinfektion bei unbekanntem therapiert werden
Pilzerreger 5 bekannte Spezies wie z. B. Non-albicans-
4 gezielte Therapie = Therapie einer nachgewie- Stamm von C. glabrata, krusei o Gabe von
senen Pilzinfektion bei bekanntem Erreger einem Echinocandin wie z. B.
4 Salvage-Therapie = Therapie einer nachge- – Caspofungin (CANCIDAS): 1. Tag
wiesenen, aber therapierefraktären Pilz- 70 mg/Tag; 2. Tag 50 mg/Tag (bei KG
infektion <80 kg, sonst 70 mg/Tag oder
– Anidulafungin (Ecalta) 1. Tag 200 mg/
kAllgemeine Maßnahmen Tag, ab 2. Tag 100 mg/Tag, wenn nicht
4 Wechsel aller peripheren und/oder zentralve- enteral aufgebaut und/oder Organdys-
nösen Gefäßkatheter sowie Urinkatheter. Bei funktion vorliegt!
nachgewiesener Candidämie auch Wechsel al- 4 bei klinisch instabilen Patienten oder Patient
ler intravasaler/implantierter Advices wie z. B. mit unbekannter Candida-Spezies:
Herzschrittmacher! 5 primär immer ein Echinocandin (Caspo-
4 symptomatische Therapie (Infusions- fungin, Anidulafungin) verabreichen! Evtl.
15 und aktuelle Sepsistherapie, evtl. Fieber- nach Erregerachweis Sequenzialtherapie mit
senkung, …) einem Azolpräparat
4 Therapiealternative bei Versagen der Thera-
kMedikamentöse Therapie pie: liposomales Amphotericin B
. Abb. 15.7 zeigt einen möglichen Algorithmus für (AmBisome): 3–5 mg/kg KG/Tag i.v.
die Therapie der Candida-Infektionen wieder.
4 klinisch stabiler Patient ohne Neutropenie, Anmerkung: Im Jahr 2012 wurde der Einsatz von
ohne Fluconazolvorbehandlung und Fluconazol für nicht neutropenische Erwachsene
5 bekannte Spezies wie z. B. C. albicans, C. bei sensiblen Erreger nach den Empfehlungen der
parapsilosis oder C. lusitaniae o Gabe von European Society of Clinical Microbiology and in-
Fluconazol (Diflucan) (1. Tag 12 mg/kg KG/ fectious Disease (ESCMID) weiter eingeschränkt!
Tag i.v.; 2. Tag (6–)12 mg/kg KG/Tag i.v. . Tab. 15.12 gibt einen Überblick über die Antimy-
Therapiedauer: nicht neutropenische kotikadosierungen und Empfehlungsgrade bei
Patienten sollten mindestens für 14 Tage Candidämie und invasiver Candidiasis.
15.7 · Pilzinfektionen
315 15

. Abb. 15.7 Möglicher Algorithmus zur Therapie von Candida-Infektionen. (Adaptiert nach Guery et al. 2009)

Pilzinfektionsprophylaxe 5 bei Patienten mit hämatopoetischer


(gemäß der Leitlinie der ArbeitsGemeinschaft Stammzelltransplantation mit Graft-
der Infektiologen und Hämato-Onkologen versus-Host-Erkrankung unter Hochdosis-
[AGIHO, Grad AI-Empfehlung]) Immunsuppressionstherapie
5 bei Patienten mit akuter myeloischer 5 evtl. bei immun-inkompetenten Intensiv-
Leukämie (AML) und bei Patienten mit patienten nach Darmoperation mit rezidi-
myelodysplastischem Syndrom (MDS) vierenden Insuffizienzen und Perforationen
unter Induktionschemotherapie und zu er- (Eggimann et al. 1999)
wartender persistierender Neutropenie 5 Anmerkung: Zur Prophylaxe kommt meist
5 bei Patienten nach Herz-Lungen-Trans- die Substanz Posaconazol (Noxafil) p.o.
plantation in den ersten 6 Monaten zum Einsatz!

6
316 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.12 Antimykotikadosierungen und Empfehlungsgrade bei Candidämie und der invasiven Candidiasis.
(Nach ESCMID-Empfehlung)

Monotherapie Empfehlungsgrad Dosierung pro Tag

Polyene

AmB (deoxycholat) DI 0,7–1 mg/kg KG i.v.

L-AmB (AmBisome) BI 3 mg/kg KG i.v.

ABLC (Abelcet) CII 5 mg/kg KG i.v.

ABCD DI 3–4 mg/kg KG i.v.

Echinocandine und Azole

Anidulafungin (Ecalta) AI 1×200 mg, dann 1×100 mg/Tag i.v.

Caspofungin (Cancidas) AI 1×70/50 mg/Tag i.v.

Micafungin (Mycamine) AI 1×100 mg/Tag i.v.

Posaconazol (Noxafil) DIII 2×400 mg/4×200 mg/Tag p.o.

Itraconazol (Sempera) DII 2/(1)×200 mg/Tag p.o. Tag 1–2

15.7.4 Aspergillus-Infektion jLetalität


4 Die invasive Aspergillenpneumonie (IPA) hat
jInzidenz auch bei nicht neutropenischen Patienten eine
Insgesamt sicherlich bei chirurgischen und inter- hohe Letalität (50−75 %)
nistischen Intensivpatienten eine sehr seltene Er- 4 Die zerebrale Aspergillose hat eine Letalität
krankung. Bis zu 60 % der Pilzinfektionen bei trans- von 95 %!
plantierten Patienten sind durch Aspergillus species
verursacht. jKlinik
Sehr unterschiedliches klinisches Erscheinungs-
jRisikofaktoren bild wie bei Candida-Infektionen, zusätzlich bei
4 mit Infektionsrisiko >10 % der invasiven Aspergillose durch Penetration in
5 allogene Knochenmarkstransplantation die Lungengefäße können die Symptome wie
5 Akute myeloische Leukämie bei einer Lungenarterienembolie auftreten! Im
15 5 Lebertransplantation Thoraxröntgen ggf. makronodulare (>1 cm) Ver-
5 chronisch granulomatöse Erkrankung schattungen und sog. »halo-sign« im hochauflö-
4 mit Infektionsrisiko 1–10 % senden CT.
5 AIDS
5 Herz- und Pankreas-Transplantation
Inzidenz der Symptome bei Aspergillose
5 Verbrennung >30 %
5 Pleuraschmerz 100 %
5 Lymphom
5 Husten 90 %
5 Immunmangelsyndrom
5 Fieber 70 %
5 Hämoptoe 20 %
jEinteilung
5 Giemen 10 %
4 invasive pulmonale Aspergillose (+ NNH)
5 Pleurareiben 5 %
5 disseminierte Aspergillose (ZNS, Leber,
Niere Herz, …)
15.7 · Pilzinfektionen
317 15

. Tab. 15.13 Therapie der Aspergillose bei hämatologisch-onkologischen Patienten nach der Leitlinie der AGIHO

Primärtherapie Dosierung Empfehlungsgrad

Voriconazol (VFend) 1. Tag 2×6 mg/kg KG/Tag i.v./p.o. AI


Ab 2. Tag 2×4 mg/kg KG/Tag i.v./p.o.

Liposomales Amphotericin B 3–5 mg/kg KG/Tag AII (AI)


(AmBisome)

Bei Therapieversagen: Umsetzen auf alternatives Präparat z. B. Caspofungin oder Kombinationstherapie z. B. Voricona-
zol plus Caspofungin oder plus Amphotericin; evtl. Posaconazol

Zweitlinien-/Salvagetherapie

Caspofungin (CANCIDAS) 1. Tag 70 mg/Tag i.v. AII


2. Tag 50 mg/Tag i.v.
(bei KG <80 kg, sonst 70 mg/Tag Erhaltungsdosis)

Posaconazol (Noxafil) 2×400 mg oder 4×200 mg p.o. AII

Micafungin (Mycamine) 1×100 mg i.v. CIII

Itraconazol (Sempera) 2×200 mg p.o. BIII

jDiagnostik jTherapie
4 Galaktomannan-Nachweis aus dem Serum Die Therapie bei hämatologisch-onkologischen
(. Tab. 15.9; Aspergillus Platelia ELISA mit Patienten ist in . Tab. 15.13 aufgeführt.
einer Sensitivität und Spezifitat >90 %) oder
der BAL. Der Test wird erst sehr spät im ! Frühzeitiger Therapiebeginn bei dringendem
Krankheitsverlauf positiv! Für den Galakto- Verdacht auf invasive Mykose, da die Mortali-
mannantest sind allerdings falsch-positive tät bei verspäteter Behandlung signifikant
Ergebnisse bei zum Zeitpunkt der Probenent- ansteigt!
nahme bestehender Antibiotikatherapie, ins-
besondere mit Piperacillin/Tazobactam, be- 15.7.5 Spezielle Pilzinfektionen
schrieben, Dieses Problem tritt auch unter
Therapie mit anderen β-Laktamantibiotika wie Kryptokokkus-Infektion (Cryptococcus
z. B. Amoxicillin/Clavulansäuresowie unter neoformans, laurentii oder albidus)
enteraler Ernährungstherapie auf. 4 vorwiegend bei immunsupprimierten oder
4 (1,3)-β-D-Glukannachweis aus dem Serum HIV-infizierten Patienten
(. Tab. 15.10) 4 Therapie der primären pulmonalen Krypto-
4 PCR von Pilz-DNA aus Blut oder BAL-Spül- kokkose: Fluconazol (400 mg/Tag Diflucan)
lösung (Sensitivität 100 % und Spezifität ca. für 6–12 Monate
70 %) 4 Therapie bei disseminierter Kryptokokkose
4 positive Blutkulturen (bei Organmykosen mit zerebralen Absiedlungen: liposomales Am-
meist negativ!) photericin B (3–4 mg/kg KG AmBisome) in
4 Nachweis im CT mittels High-resolution- Kombination mit Flucytosin (100 mg/kg KG
Technik Ancotil) für 14 Tage gefolgt von Fluconazol
4 invasive, bronchoskopische oder transthora- (400 mg/Tag Diflucan) für 6–12 Monate
kale Lungenbiopsie
318 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.14 Erreger bei Meningitis nach Lebensalter und Begleiterkrankung

Patientengruppe/ Wahrscheinlicher Erreger Kalkulierte antibakterielle Chemotherapie (2003)


-alter

<3 Monate Streptococcus agalacticae Ampicillin (100 mg/kg KG alle 8 h i.v.) plus Cephalo-
Streptococcus pneumoniae sporin 3a (Ceftriaxon, 50–100 mg/kg KG alle 12 h i.v.)
Echerichia coli
Listeria monocytogenes

3 Monate bis 18 Jahre Neisseria meningitides Cephalosporin 3a (Ceftriaxon 50–100 mg/kg KG alle
Streptococcus pneumonia 12 h i.v. bzw. Cefotaxim 50 mg/kg KG alle 6 h i.v.)
Haemophilus influenzae

18 Jahre bis 50 Jahre Streptococcus pneumoniae Cephalosporin 3a (Ceftriaxon 2 g alle 12 h i.v. bzw.
Neisseria meningitidis Cefotaxim 2 g alle 6 h i. v.)

>50 Jahre Streptococcus pneumoniae Ampicillin (2 g alle 4 h i.v.) plus Cephalosporin 3a


Listeria monocytogenes (Ceftriaxon 2 g alle 12 h i.v., Cefotaxim 2 g alle 6 h i.v.)
Gramnegative Stäbchenbakterien

Patienten mit ge- Listeria monocytogenes Ampicillin plus Cephalosporin 3a (Ceftriaxon,


störter zellulärer Ab- Gramnegative Stäbchenbakterien Cefotaxim)
wehr, Alkoholabusus
Mycobacterium tuberculosis Isoniazid + Rifampicin + Pyrazinamid

Neurochirurgie, Kopf- Staphylokokken spp. Cephalosporin 3b (Ceftriaxon, Cefotaxim, Cefepime)


trauma oder vorhan- Staphylococcus aureus Plus Vancomycin (plus Metronidazol)
dene Shunt-Anlage Gramnegative Stäbchenbakterien
Streptococcus pneumoniae

Zygomyzeten-Infektion Pneumocystis-jirovecii-Infektion
4 ubiquitär vorkommende Fadenpilze: Rhizopus, 4 Therapie: TMP/SMX 20/100 mg/kg KG i.v. in
Mucor, Rhizomucor, spp., Fusarium spp. Sce- 3–4 Einzeldosen; alternativ Primaquin
dosporium spp. Alternaria spp., Absidia spp. 1×30 mg p.o. plus Clindamycin 600 mg i.v.,
4 Eintrittspforten: Nasennebenhöhlen und Lun- Pentamadin 1×4 mg/kg i.v. (max. 300 mg) über
genschleimhaut, selten erfolgt die Infektion 5 Tage, dann 2 mg/kg KG über 21 Tage oder
über die Haut (Zustand nach Verbrennung) 1×600 mg als Aerosol, Atovaquon 3×750 mg
4 Therapie: liposomales Amphotericin B p.o.
15 (≥5 mg/kg KG AmBisome), evtl. mit Posacona- 4 Das Wirkspektrum der verschiedenen Antimy-
zol (2×400 mg bzw. 4×200 mg Noxafil) kotika kann aus der . Tab. 11.24 im 7 Kap. 11
entnommen werden.
Fusarien-Infektion
4 Schimmelpilze, die auf Pflanzen vorkommen.
Als Eintrittspforte kommt in Betracht: die 15.8 Meningitis und Enzephalitis
Nasenebenhöhlen, die Lunge, die Haut- und
Schleimhaut 15.8.1 Bakterielle und mykotische
4 Therapie: Voriconazol (2×6 mg/kg KG bzw. Meningitis
2×4 mg/kg KG, Vfend) oder Posaconazol
(2×400 mg bzw. 4×200 mg, Noxafil) jInzidenz
4 Cave: liposomales Amphotericin B (3–4 mg/ 4 5 Fälle/100.000 Einwohner in Deutschland
kg KG AmBisome) nur schwach wirksam! (2000), davon 20 % durch Meningokokken
15.8 · Meningitis und Enzephalitis
319 15

. Tab. 15.15 Typischer Liquorbefund

Bakterielle Infektion Mykobakterielle Infektion Virale Infektion

Zellzahlen >1000 evtl. bis 20-mal Bis 500/mm Meist bis zu 500/mm³
10³/mm³

Zellarten Granulozyten Lympho-/Monozyten Lymphozyten,


initial Granulozyten

Glukose (60–70 % des Blut- p p (<40 mgdl) Normal (>40 mgdl)


zuckerwerts)

Liquor-Serum-Glukose-Ratio <0,3 <0,3 >0,4


Normwert: >0,4

Laktat (mmol/l) >3,5 >3,5 <3,5


Normwert: bis 2,2

Eiweiß (mg/l) >100 >100 Normal bis <100


Normwert: bis 15–35

jLetalität 4 selten zerebrale Krampfanfälle und fokal-


4 unbehandelt: 60–80 % neurologische Defizite
4 behandelt: 1–25(!) % 4 Hautausschlag, insbesondere bei Meningo-
kokken (bis 75 % der Fälle)
jErregerspektrum
4 . Tab. 15.14 jDiagnostik
4 Blutbild plus CRP (bakteriell meist 115±60 mg/
jInfektionsweg dl, viral meist <20−40 mg/l), Procalcitonin
4 hämatogener Infektionsweg: bei Neisserien, 4 Liquorpunktion mit Zellzahl (. Tab. 15.15),
Haemophilus influenzae und Pneumokokken Laktat, Glukose, Eiweiß, Erregernachweis
nach Eintritt über Lunge oder Schleimhäute (Kultur, PCR)
des Oropharynx 4 Blutkultur
4 per continuitatem: Fortleitung bei Otitis me- 4 CCT
dia oder Mastoiditis (meist Pneumokokken) 4 NMR
4 durch offene Verbindung, z. B. nach Schädelba-
sisfraktur mit Liquorfistel oder offener Ventri- jTherapie
keldrainage 4 Antibiotikaauswahl primär nach Kalkulation
4 durch »aufsteigende« Infektion, z. B. nach neu- und sekundär nach Antibiogramm/Resisto-
rochirurgischer ventrikulo-peritonealer Shunt- gramm (. Tab. 15.16)
Anlage 4 Antimykotikadosierung bei Candidamenin-
gitis (Medikamentendosierung und Empfeh-
jKlinik lungsgrad nach den aktuellen ESCMID-Emp-
4 Kopfschmerzen, Fieber, Vigilanzstörungen fehlungen (2012) (. Tab. 15.17)
(somnolent bis komatös)
4 Meningismus (Kernig- und Brudzinski-
Zeichen sind nur bei 50 % der Patienten mit
Meningitis klinisch nachweisbar)
4 Übelkeit, Erbrechen, Bradykardie und arte-
rieller Hypertonus als Zeichen des Hirndrucks
320 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.16 Therapievorschlage bei bekanntem Erreger

Erreger Primäre antibiotische Therapie Antibiotische Therapie bei Penicillin-Allergie

Streptococcus pneumoniae Penicillin G Rifampicin, Vancomycin

Haemophilus influenzae Cephalosporin 3a Chloramphenicol

Listeria monoctogenes Ampicillin und Gentamicin Trimethoprim-Sulfamethoxazol

Streptococcus agalactica Penicillin G (Erwachsene) oder Rifampicin, Vancomycin


Ampicillin + Gentamicin (Neonaten)

Neisseria meningitidis Penicillin G Chloramphenicol

Pseudomonas aeruginosa Ceftazidim plus Aminoglykosid Ciprofloxacina, evtl. Meronema

a Nach Resistenztestung

. Tab. 15.17 Therapie der Candidameningitis

Maßnahmen Empfehlungsgrad

Liposomales Amphotericin B 3 mg/kg KG/Tag für 4 Wochen plus Fluconazol 6 mg/kg KG/Tag BIII
für 4 Wochen

Liposomales Amphotericin B 3 mg/kg KG/Tag für 10 Wochen plus Flucytosin 150 mg/kg KG/ BIII
Tag für 10 Wochen, anschließend Fluconazol 3 mg/kg KG/Tag für 5 Wochen

Voriconacol 12/6 mg/kg KG/Tag* CIII

Fluconazol 800 mg/Tag CIII

Caspofungin 70/50 mg/Tag für 4 Wochen, gefolgt von 400 mg/Tag für 2 Wochen DIII

Konventionelles Amphotericin B 0,5–1,0 mg/kg KG/Tag für >2 Wochen mit/ohne Flucytosin DII
30–120 mg/kg KG/Tag für <2 Wochen

* Therapeutisches Drug-Monitoring empfohlen!

15 Dosierung . Tab. 15.18 Dauer der Therapie bei bekanntem


Erreger
5 Trimethoprim-Sulfamethoxazol:
2×160 mg TMP + 800 mg Sulfamethoxazol Erreger Dauer
5 Chloramphenicol: 4×25 mg/kg KG (Tage)
5 Rifampicin: 2×600 mg
Streptococcus pneumoniae 10–14
5 Penicillin G: 4×10 Mio. E
Neisseria menigitidis 7

Haemophilus influenzae 7

Listeria monoctogenes, Streptokokken 14–21


der Gruppe B

Andere gramnegative Bakterien 21


15.8 · Meningitis und Enzephalitis
321 15

. Tab. 15.19 Antibiotikaprophylaxe* von Kontaktpersonen bei Erkrankungen/Verdacht auf Meningokokken-


meningitis

Alter Substanz Dosis Dauer

3 Monate bis 1 Jahr Rifampicin 10 mg/kg KG p.o., aufgeteilt in 2 Gaben/Tag 2 Tage

1 Jahr bis 12 Jahre Rifampicin 20 mg/kg KG p.o., aufgeteilt in 2 Gaben/Tag 2 Tage

>12 Jahre Rifampicin 2×600 mg/Tag p.o. 2 Tage

>18 Jahre Ciprobay 1×500 mg p.o. (Einmalig)

Alternativen

<12 Jahre Ceftriaxon 1×125 mg i.v. oder i.m. (Einmalig)

>12 Jahre Ceftriaxon 1×250 mg i.v. oder i.m. (Einmalig)

Rifampicin-Tbl. à 75,150, 300, 450 und 600 mg verfügbar, Saft/Sirup nicht mehr erhältlich
Rifampicin verfärbt Urin, Nasensekret und Tränen orange/rot!
* Nach Empfehlungen von Fr. Prof. Schweitzer-Kranz (Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf )

kTherapiedauer 15.8.2 Enzephalitis


In der Regel noch 5 Tage nach Abklingen der klini-
schen Symptomatik bzw. entsprechend dem spezi- jFormen
ellen Erreger. Bei bekanntem Erreger . Tab. 15.18. 4 Mitreaktion im Rahmen einer bakteriellen
Kurz vor der ersten Antibiotikagabe (15– Meningitis im Sinne einer Meningoenzephalitis
20 min): Beginn einer Glukokortikoidtherapie mit 4 als virale eigenständige Enzephalitis
Dexamethason 4×0,15 mg/kg/Tag (ca. 10 mg alle
6 h) für weitere 4 Tage, Beginn vor der ersten Anti- jErregerspektrum
biotikagabe! o Reduktion von Langzeitkomplika- 4 Herpes simplex Typ 1 (HSV-1) oder Typ 2
tionen wie z. B. Gehörverlust und Reduktion der (HSV-2)
Letalität (nachgewiesen insbesondere für die Pneu- 4 Enteroviren (Coxsackie-, Echo-, Polioviren)
mokokkenmeningitis!).
Kontaktpersonen von Patienten mit Erkran- jTherapie
kung oder Verdacht sollten innerhalb von 10 Tagen Die Therapie erfolgt entsprechend dem Erreger:
nach Erstkontakt eine Antibiotikaprophylaxe erhal- 4 Arboviren (FSME)
ten (. Tab. 15.19). 4 Varizella-zoster-Virus
4 Zytomegalieviren und Epstein-Barr-Virus
! Kein Glukokortikoid bei Vancomycingabe
4 HIV-Infektion
(Dexamethason verändert die Antibiotika-
konzentration im Liquor), beim Vorliegen
jKlinik
eines septischen Schocks, bei eingeleiteter
4 allgemeines Krankheitsgefühl
antibiotischer Therapie. Bei Meningokokken-
4 Fieber
sepsis: sofortige Antibiotikagabe, Substitu-
4 Kopfschmerz
tion mit FFP (zur Therapie der DIC).
4 Hirndrucksymptomatik
4 Bewusstseinsstörung
4 Aphasie
4 Krampfanfall
322 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.20 Therapie der Enzephalitis bei bekanntem Erreger

Erreger Substanz Dosierung Dauer (Tage)

HSV- und VZV-Enzephalitis Aciclovir 3×10–15 mg/kg KG i.v. 14–21


Kinder <12 Jahren: 500 mg/m²

CMV-Enzephalitis Ganciclovir 2×5 mg/kg KG i.v. 14–21

. Tab. 15.21 Kalkulierte Antibiotikatherapie bei Hirnabszess

Angenommener Wahrscheinlicher Erreger Kalkulierte antibakterielle Chemo-


Infektionsherd therapie (2003)

Otitis media oder Streptokokken, Anaerobier, gramnega- Penicillin G + Metronidazol + Cephalo-


Mastoiditis tive Stäbchen sporin 3a (Ceftriaxon, Cefotaxim)

Dentogener Fokus Streptokokken, Anaerobier Penicillin G + Metronidazol

Sinusitis Streptokokken, S. aureus, Anaerobier, Vancomycin + Metronidazol + Cephalo-


gramnegative Stäbchen, Haemophilus sporin 3a (Ceftriaxon, Cefotaxim)
influenzae

Trauma oder nach neuro- Streptokokken, S. aureus, Anaerobier, Vancomycin + Cephalosporin 3a


chirurgischer Intervention gramnegative Stäbchen, Clostridien (Ceftriaxon, Cefotaxim)

Kongenitale Herzerkrankung Streptokokken, Haemophilus influenzae Penicillin + Cephalosporin 3a


(Ceftriaxon, Cefotaxim)

Lungenabszess, Empyem Anaerobier einschließlich Acinetomyces, Penicillin + Metronidazol + Cotrimoxazol


Nocardia, Streptokokkus

Bronchiektasien Wie oben + Pseudomonas aeruginosa Cephalosporin 3b (Ceftazidim) + Metro-


nidazol + Cotrimoxazol

Endokarditis Streptokokken, S. aureus Vancomycin + Gentamicin oder Oxacillin


+ Ampicillin + Gentamicin

jLabor 15.9 Hirnabszess


15 4 nur mäßige Zellerhöhung im Liquor (initial
Neutrophile, später Lymphozyten) Da die Hirnhäute bei den meisten Patienten mit
4 Liquor-Blutzucker normal Hirnabszess nicht entzündlich verändert sind, ist
4 Gramfärbung negativ die Penetration von antimikrobiellen Chemothera-
4 Procalcitonin normal peutika in das ZNS relativ gering (d. h. maximale
Dosierung der Medikamente ist notwendig).
jTherapie
. Tab. 15.20. jKlinik
4 Kopfschmerz
4 Übelkeit, Erbrechen
4 Veränderung der mentalen Funktionen
4 generalisierte Krampfanfälle
4 fokal-neurologische Reiz- und Ausfallerschei-
nungen
15.10 · Peritonitis
323 15

. Tab. 15.22 Antibiotikatherapievorschläge bei Hirnabszess und bekanntem Erreger

Erreger Primäre antibiotische Therapie Antibiotische Therapie bei Penicillinallergie

S. aureus, MSSA, MRSA Oxacillin + Rifampicin Vancomycin + Dalfopristin/Quinopristin (Synercid),


Rifampicin Linezolid (Zyvoxid)

Haemophilus influenzae Cephalosporin 3a (Ceftriaxon, Ciprofloxacin*


Cefotaxim)

Streptococcus spp. Penicillin G Rifampicin, Vancomycin

Pseudomonas aeruginosa Ceftazidim Ciprofloxacin

gramnegatives Stäbchen Cephalosporin 3a (Ceftriaxon, Ciprofloxacin


Cefotaxim)

Listeria monocytogenes Ampicillin und Gentamicin Chloramphenicol

Bacteroides spp. Metronidazol Clindamycin, Moxifloxacin

Actinomyces spp. Penicillin G Clindamycin

Fusobacterium spp. Metronidazol Clindamycin

Nocardia asteroides Cotrimoxazol Imipenem, Minocyclin

* Nach Resistenztestung

jTherapie oder fehlender Pathogenität der isolierten


4 . Tab. 15.21 und . Tab. 15.22 Keime
4 kalkulierte, liquorgängige Antibiotikathera- 4 postoperative Peritonitis bei Anastomosen-
pie, bis mikrobiologisches Ergebnis vorhan- leckage oder Stumpfinsuffizienz
den ist! 4 posttraumatische Peritonitis nach stumpfem
oder penetrierendem Abdominaltrauma

15.10 Peritonitis Nach Schweregrad:


I. ohne Organausfall mit günstiger Prognose
jEinteilung II. Funktionseinschränkung zweier Organsysteme
4 primäre Peritonitis oder spontane Peritonitis, bzw. manifeste Insuffizienz eines Organsys-
z. B. bei Leberzirrhose, bei implantiertem tems
CAPD-Katheter, bei ventrikuloperitonealem III. zwei oder mehrere manifeste Organinsuffi-
Shunt zienzen
4 sekundäre Peritonitis nach Perforation eines
Hohlorgans mit Übertritt von ortsständigen jPrognose und Beurteilung
Bakterien in die Bauchhöhle 4 anhand des Mannheimer Peritonitis-Index
4 tertiäre Peritonitis bei intraabdominellem (MPI), mit einer Spezifität von 79 % und Sensi-
Infektionssyndrom aufgrund einer mangeln- tivität von 84 % (. Tab. 15.23); anhand der be-
den immunologischen Abwehrfunktion, stimmten Punkte kann der Schweregrad und
z. B. nach primär optimaler operativer die anzunehmende Letalitätsrate ermittelt wer-
Peritonitistherapie, bei klinischem Vorliegen den (. Tab. 15.24)
einer Sepsis, bei fehlendem endotoxinprodu- 4 anhand des APACHE-II-Score und der Letalität
zierendem Fokus, bei Nachweis von geringer
324 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.23 Beurteilung der Peritonitis nach dem Mannheimer Peritonitis-Index (MPI)

Risikofaktoren Mögliche Punktzahl Vorhanden

Ja Nein

Alter >50 Jahre 5

Geschlecht weiblich 5

Organversagen 7

Malignom 4

Präoperative Dauer >24 h 4

Peritonitische Ursache: nicht Dickdarm 4

Ausbreitung diffus 6

Exsudat (nur eine der folgenden 3 Möglichkeiten)


– klar 0
– trüb-eitrig 6
– kotig-jauchig 12

Erreichte Punkte Summe der Ja-Antworten

. Tab. 15.24 Auswertung des Mannheimer Peritoni-


4 Anstieg der Infektparameter (Leukozyten,
tis-Indexes CRP, Procalcitonin, IL-6 und LBP, evtl. Throm-
bozytenabfall, Hypophosphatämie)
Schweregrad MPI-Bereich Letalitätsrisiko (%) 4 klinische Zeichen von SIRS und Sepsis mit
HZV n, SVR p, warme Extremitäten, aber auch
I 0–20 0–10
marmorierte Haut
II 21–29 10–30

III >20 30–80 jTherapie


4 . Tab. 15.25
4 chirurgische Fokussanierung und peritoneale
Spülbehandlung (kontinuierlich über
jDiagnostik Spüldrainagen oder Etappenlavage alle 48 h
15 4 Sonographie (mit Taurolin 05–2 %, Chloramin 0,1 % oder
4 CT-Abdomen und evtl. CT-gesteuerte Lavasep 0,1–0,2 %), evtl. bei Anastomosen-
Punktion von auffälligen Strukturen insuffizienz o Anlage eines protektiven Stomas
4 evtl. Aszitespunktion 4 antibiotische Therapie nach Kalkulation in
Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisa-
jKlinik tion des Ausgangspunktes bzw. sekundär nach
4 Zeichen des akuten Abdomens (abdomineller Antibiogramm i.v., z. B. Piperacillin/Tazobac-
Schmerz mit Abwehrspannung, Druck- und tam plus Aminoglykosid (Gentamicin, Netil-
Klopfschmerzhaftigkeit) micin) oder Ceftriaxon plus Metronidazol
4 Appetitlosigkeit und Übelkeit (Cave: Enterokokkenlücke) oder Ciprofloxacin
4 Hypo- oder Hyperthermie plus Metronidazol oder Clindamycin
4 Darmdistension und Darmparalyse 4 moderne Sepsistherapie (7 Kap. 24) und in-
mit Reflux tensivmedizinische Begleitbehandlung
15.11 · Osteomyelitis
325 15

. Tab. 15.25 Therapie der Peritonitis. (Adaptiert nach Heinzmann et al. 2004)

Lokalisation Erreger aerob Erreger anaerob Kalkulierte Therapie (intravenös)

Magen/ Streptokokken (Flora des Insgesamt selten Cefuroxim 3×1,5 g Cefotiam (Spizef )
Duodenum oberen Respirationstrakts) Prevotella spp. aus 3×2 gAmpicillin/Sulbactam (Unacid) 3×3 g
Gramnegative Bakterien dem Oropharynx
(E. coli, Enterokokken,
candida spp.)

Jejunum/ Gramnegative Stäbchen- Bacteroides spp. Acylureidopenicillin/BLI ohne Metronidazol


Ileum bakterien, Enterokokken, Clostridium spp. oder Cefuroxim(Cefotiam in Kombination mit
Streptokokken, Candida Metronidazol 3×0,5 g
spp. (Cave: Enterokokkenlücke der Cephalosporine!)

Appendix/ Enterokokken, Streptokok- Bacteroides spp. Acylureidopenicillin/BLI ohne Metronidazol


Kolon ken, gramnegative Stäb- Clostridium spp. oder Ceftazidim 3×2 g in Kombination mit
chenbakterien, Pseudomo- Peptostreptokok- Metronidazol 3×0,5 g (Cave: Enterokokken-
nas aeruginosa (!) ken, Bilophila wads- lücke der Cephalosporine!) oder Ciprofloxa-
worthia cin 3×400 mg plus 3×600 mg Clindamycin

Peritonitis Staphylococcus epidermitis Gabe von Vancomycin 1,5 g + 1000 I.E. Hepa-
bei chro- (koagulasenegativ), Staphy- rin im ersten Dialysebeutel; evtl. 500 mg
nisch, ambu- lococcus aureus, Enterokok- Levofloxacin p.o. oder i.v. 12-stündlich
lanter Perito- ken, Corynebakterien gram- Später 1,0 g Vancomycin i.p. alle 5–7 Tage
nealdialyse negative Stäbchen, Pseudo- und Levofloxacin 2×250 mg p.o.
(CAPD) monas aer.
Cave: bei Mischkeimbesie-
delung immer an Hohlor-
ganperforation denken!

15.11 Osteomyelitis 5 vaskulär bedingte Osteomyelitis, vorwie-


gend bei Diabetikerpatienten mit Weichteil-
jDefinition infektion der Füße
Osteomyelitis ist ein inflammatorischer Prozess des 5 hämatogene Osteomyelitis, vorwiegend
Knochens, der mit Destruktion kombiniert und bei Kindern oder sehr alten Patienten, die
durch Infektionserreger verursacht ist. sich in der Regel aus einer Bakteriämie ent-
wickelt
jInzidenz
Bei großen rekonstruktiven Eingriffen in der Or- jKlinik
thopädie beträgt die Inzidenz >0,5 %. 4 lokaler Ruhe- und Belastungsschmerz
4 Hautveränderungen (z. B. Rötung)
jEinteilung 4 allgemeines Krankheitsgefühl und Fieber
4 akute Osteomyelitis 4 erhöhte Entzündungsparameter
4 chronische Osteomyelitis (mäßig ausgeprägte
Entzündung bei persistierenden Erregern mit jDiagnostik
Sequester- und Fistelbildung) 4 konventionelles Röntgen
4 Formen der Osteomyelitis: 4 Computertomographie
5 sekundäre Osteomyelitis: lokale Ausbrei- 4 selten MNR
tung von einem angrenzenden infektiösen 4 Knochenszintigraphie
Ausgangsherd z. B. nach Gelenkersatz oder 4 Labor: Leukozytose, BSG, CRP, Procalcitonin
Knochenoperation
326 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

. Tab. 15.26 Kalkulierte Antibiotikatherapie bei Osteomyelitis. (Adaptiert nach Lode 2004)

Bakterien Therapie und Dosisempfehlung Alternative antibakterielle Chemotherapie

Penicillinsensitiver Benzylpenicillin 12–20 Mio. E/Tag Cephazolin (4×1 g/Tag) oder


Staphylococcus aureus Clindamycin (4×600 mg/Tag) oder
Vancomycin (2×1 g/Tag)

Penicillinresistenter Flucloxacillin (3×1 g/Tag) oder Cephalosporine der Gruppe II (z. B. Cefuroxim) oder
Staphylococcus aureus Cephazolin (3×2 g/Tag) Clindamycin (4×600 mg/Tag) oder
Vancomycin (2×1 g/Tag) oder
Ciprofloxacin (2×750 mg/Tag p.o.) oder
Levofloxacin (2×500 mg/Tag) plus Rifampicin
(1×600 mg/Tag)

Methicillinresistenter Linezolid (2×0,6 g/Tag) Vancomycin (2×1,0 g/Tag)


Staphylococcus aureus

Verschiedene Strepto- Benzylpenicillin 12–20 Mio. E/Tag Clindamycin (4×600 mg/Tag) oder
kokken (Gruppe A und Erythromycin (4×500 mg/Tag) oder
B, Pneumokokken) Vancomycin (2×1 g/Tag)

Gramnegative Entero- Fluorochinolone (Ciprofloxacin Cephalosporine der Gruppe III, z. B. Ceftriaxon (1×2 g/
bakterien 2×400 mg i.v. bis 2×750 mg/Tag Tag) oder
p.o.) Cefepim (2×2 g/Tag)

Serratia spp., Pseudo- Piperacillin/Tacobactam (6–mal Cefepim (2×2 g/Tag) oder


monas aeruginosa 4,5 g/Tag) plus Aminoglykosid Fluorchinolon plus Aminoglykosid

Anaerobier Clindamycin (4×600 mg/Tag) Ampicillin/Sulbactam (3×2 g/Tag), evtl. Metronidazol


(3×500 mg/Tag)

Aerobe und anaerobe Ampicillin/Sulbactam (3- bis Imipenem (4×0,5 g/Tag)


Mischinfektionen 4×2–3 g/Tag)

jTherapie 15.12 Clostridium-difficile-Infektion


4 . Tab. 15.26 (CDI) bzw. Clostridium-difficile-
4 hämatoge Osteomyelitis: primär gezielte anti- assoziierte Diarrhö (CDAD)
biotische Therapie (nach 1. Woche deutlicher
Rückgang oder Erreichen der Normalwerte der jInzidenz
15 Entzündungsparameter) 4 0,74 Fälle pro 1000 Patiententage oder in absolu-
4 sekundäre Formen: Kombination aus antibio- ten Zahlen 50–60.000 Fälle pro Jahr in Deutsch-
tischer und chirurgischer Therapie land. Wahrscheinlich hohe Dunkelziffer von
4 meist Monotherapie ausreichend (Ausnahme: nicht diagnostizierten CDI-Fällen (ca. 50 %!)
Infektionen mit prothetischem Material und 4 Rezidivrate innerhalb von 4 Wochen: bis 25 %
bei chronischer Osteomyelitis o meist Kombi- nach Behandlung mit Vancomycin oder Metro-
nation mit Rifampicin) nidazol; nach der ersten Rezidivinfektion liegt
4 Therapiedauer: meist parenteral für 4–6 Wo- die Rezidivrate nochmals höher (45-65 %!)
chen, bei chronischer Osteomyelitis evtl.
Dauertherapie jLetalität
4 in 7 % der Fälle mitverantwortlich, bei Rezi-
diven: 22 % (Bauer et al. 2009)
4 Anmerkung: CDI verlängern den Kranken-
hausaufenthalt um 7–14 Tage!
15.12 · Clostridium-difficile-Infektion (CDI) bzw. Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD)
327 15
jKlinik jPathogenese
4 wässrige Diarrhö 4 Proliferation von Clostridium difficile auf-
4 Magenkrämpfe grund einer Suppression der normalen Darm-
4 Fieber flora und die ein Endotoxin A/B produzieren.
4 Brechreiz und Übelkeit 4 neuer hochinfektiöser und kontagiöser Costri-
4 evtl. ausgedehnte Kolitis bzw. pseudomembra- dium-difficile-Stamm NAP1/UK027 mit einer
nöse Kolitis mit blutigen Diarrhöen Mortalität von 1–2,5 %. Die infizierten Patien-
ten scheiden den Erreger in hohen Konzentra-
jUrsachen tionen aus, der ein spezielles Toxin Typ III bzw.
4 Proliferation von Toxin-A- und -B-bildenden Ribotype 027 produziert. Der Stamm ist erst-
grampositiven Stäbchenbakterien (Clostri- malig 2000 in Pennsylvania (USA) aufgetaucht;
dium difficile), Sporenbildner, meist nach im Juli 2005 erster Nachweis in den Niederlan-
Anwendung von Drittgeneration-Cephalo- den. Erste Fälle mittlerweile auch in Deutsch-
sporinen land vorhanden.
! Sporen sind resistent gegenüber alkohol-
jTherapie
basierten Desinfektionsmitteln! Nur Hände-
4 Metronidazol (wird bei schwerkranken Inten-
waschen mit Seifen vernichten die Sporen!
sivpatienten nicht mehr empfohlen) 6×400 mg
p.o., notfalls 3×500 mg i.v. für 10 Tage bei leich-
jKomplikationen ten Infektionen (Cave: schlechte Wirksamkeit
4 massive Störungen des Wasser- und Elektrolyt- bei NAP-1- und Re-Infektionen; bis zu 9 % Re-
haushaltes sistenzen, z. B. in Spanien) oder
4 Ileus, Darmperforation, Peritonitis, Sepsis 4 Vancomycin 4×125 mg p.o. für 10 Tage oder
4 alternativ: Fidaxomicin (Dificlir) 2×200 mg
jDiagnostik p. o. für 10 Tage insbesondere bei Rezidivinfek-
4 Endoskopie: Nachweis diffuser Schleimhaut- tionen
rötung bis zu schweren pseudomembranös-ul- 4 oder alternativ: Rifaximin (Xifaxan/in Öster-
zerierenden Schleimhautläsionen reich Colidimin) 3×200 mg bzw. 2×400 mg p.o.
4 Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin A/B (nicht-resorbierbares Antibiotikum, Hemmung
im Stuhl (möglichst PCR) oder in einer posi- der Proteinbiosynthese, in Deutschland zurzeit
tiven Kultur von C. difficile aus einer Biopsie für diese Indikation (noch) nicht zugelassen!)
4 Nachweis eines positiven Glutamatdehydro-
genase-Tests Anmerkung: das neue bakterizide Antibiotikum
Fidaxomicin (Dificlir) gehört zur Gruppe der Mak-
Anmerkung: Der Immunstatus des Patienten kor- rozykline und wirkt nur schwach gegenüber gram-
reliert gut mit dem klinischen Erscheinungsbild. So positiven Keimen und nicht gegenüber obligaten,
wurden bei asymptomatischen Trägern höhere An- gramnegativem Anaerobier.
tikörperspiegel von IgA und IgM gegen das Toxin A 4 Wirkmechanismus: Hemmung der Proteinbio-
gefunden als bei Patienten, die deutliche klinische synthese in einem frühen Stadium (DNA-ab-
Symptome aufwiesen! hängigen RNA-Polymerase)
4 Vorteil: Erhaltung der normalen, physiolo-
> Die Sensitivität des Tests für den Toxinnach-
gischen Darmflora, Abtötung der vegetativen
weis liegt nur bei 80 % (!). Bei negativem Test-
Form des Clostridium-difficile-Bakteriums
ergebnis und klinischem Verdacht auf CDI o
und effiziente Unterdrückung der Sporenbil-
Nachweis des Toxins mittels PCR-Test veran-
dung o hierdurch geringere Rezidivrate! Re-
lassen!
duktion der Rezidivrate um ca. 50 %!
4 Nachteil: aktuell noch sehr teuer (ca. 200 €/
Tagtherapiekosten)
328 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

15.13 Haut- und Weichteilinfektionen – Ampicillin/Sulbactam (Unacid) 3×3 g i.v.


bzw. 3×750 mg p.o. oder
Zu den komplizierten Haut- und Weichteilinfektio- – Cefuroxim (Zinacef) 3×1,5 g i.v. oder
nen zählen: Furunkel, Karbunkel, Wundinfektio- – Moxifloxacin 1×400 mg p.o.
nen, postoperative Infektionen, nekrotisierende 5 bei nekrotisierender Fasziitis Typ I:
Fasziitis Typ I (Mischinfektion mit Aerobiern und – Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentan)
Anaerobiern) und Typ II (β-hämolysierende Strep- 3×2,2 g i.v. oder
tokokken der Gruppe A = GAS = Gruppe der A- – Ampicillin/Sulbactam (Unacid) 3×3 g i.v.
Streptokokken = Streptococcus pyogenes mit ca. oder
30 % Letalität). – Piperacillin/Tazobactam (Tazobac)
3×4,5 g i.v. oder
jErregerspektrum – Ciprofloxacin (Ciprobay) 2–3×400 mg i.v.
An erster Stelle des Keimspektrums stehen: oder
4 Staphylococcus aureus (sowohl MSSA als – Ceftriaxon 2×2 g i.v.
MRSA mit 46 %) gefolgt von – jeweils in Kombination mit Clindamycin
4 Pseudomonas aeruginosa (mit 11 %) 4×600 mg i.v.
4 Enterokokken 5 bei nekrotisierender Fasziitis Typ II:
4 Escherichia coli – Penicillin G 30 Mega i.v. in 4–6 Einzel-
4 β-hämolysierende Streptokokken dosen für ≥10 Tage, evtl. in Kombination
4 Staphylococcus epidermidis mit Clindamycin 4×600 mg i.v.
– evtl. zusätzlich bei schweren Infektionen
Meist sind Mischinfektionen nachweisbar (Staphy- Immunglobuline IgG i.v. für 3 Tage (Tag 1:
lokokken, Enterokokken, gramnegative Keime und 1 g/kg KG; Tag 2 und 3: jeweils 0,5 g/kg KG)
Anaerobier (Bacteroides-Arten, Clostridien und
Peptostreptokokken).
15.14 Wundinfektionen
! Risikofaktoren für Mischinfektionen sind Pa-
tienten mit Gefäßinsuffizienz, diabetischem
jInzidenz
Fuß und Druckulzera.
Ungefähr 2–5 % aller operierten Patienten bzw. ca.
20 % aller intraabdominal operierten Patienten sind
jTherapie betroffen.
4 chirurgische Wundversorgung mit Débride-
ment, bei nekrotisierender Fasziitis Typ I evtl. jRisikofaktoren für postoperative
hyperbare Oxygenation, intensivmedizinische Wundinfektionen
15 Therapie 4 Adipositas
4 antibiotische Therapie (außer bei diabe- 4 Diabetes mellitus
tischem Fuß und nekrotisierender Fasziitis 4 Niereninsuffizienz
Typ I und II) 4 pAVK
5 bei schweren Infektionen: 4 Mangelernährung
– Ciprofloxacin (Ciprobay) 2–3×400 mg i.v. 4 Hypalbuminämie
plus Clindamycin 3×600 mg i.v. oder 4 Immunsuppression
– Moxifloxacin 1×400 mg i.v. (evtl. initial 4 Alter >70 Jahre
1×800 mg i.v.) oder 4 Leberzirrhose
– Piperacillin/Tazobactam (Tazobac) 4 Notfalloperation
3×4,5 g i.v.
5 bei leichteren Infektionen: jEinflussfaktoren
– Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentan) 4 Dauer der präoperativen Hospitalisierung
3×2,2 g i.v. oder 3×625 mg p.o. oder 4 Rasur am Vorabend
15.15 · Tetanus
329 15
4 aseptisches Vorgehen jLetalität
4 Operationsdauer 4 ca. 45%
4 Zeitpunkt der Antibiotikagabe
jKlinik
> Gabe des Antibiotikums 30–60 min vor dem 4 Schluckstörungen
Schnitt! 4 Trismus
4 Risus sardonicus
jProphylaxe 4 Opisthotonus
4 zeitgerechte Gabe einer adäquaten Antibiotika- 4 generalisierte Muskeltonuserhöhung
prophylaxe 4 generalisierte Krampfanfälle
4 Berücksichtigung einer laufenden Antibiotika- 4 vegetative Dystonie mit sympathischer Über-
therapie stimulation (labile Hypertension, kardiale
4 adäquate Oxygenierung Rhythmusstörungen, Hyperpyrexie, erhöhter
4 Vermeidung von Hypothermie und Hyper- peripher-vaskulärer Widerstand und plötz-
glykämie licher Herzstillstand)
4 Ausschluss von Kontraindikationen (Oxyge- 4 Kieferöffnungsreflex zeigt eine fehlende »silent
nierungsstörungen, Blutzuckerkontrolle, evtl. period«
Gabe von Insulin) 4 dauernde, vom Patienten nicht unterdrückbare
Aktivität motorischer Einheiten bei der Nadel-
jTherapie myographie des M. masseter
4 Cephalosporine der 1. oder 2. Generation 4 normale motorische und sensible Nervenleit-
(Cephazolin, Cefuroxim) geschwindigkeiten
4 Aminopenicilline plus β-Laktamaseinhibitor
(BLI) jTherapie
4 Isooxazolyl-Penicillin 4 adäquate Atemhilfe (assistierte oder kontrol-
4 Metronidazol lierte Ventilationshilfe)
4 Clindamycin bei Penicillin-Allergie oder 4 chirurgische Wundversorgung
4 Vancomycin bei Oxacillin-Resistenz 4 Tetanusimmunglobulin (Tetagam N) i.m.
(1. Tag 10.000 IE, 2. Tag 3.000 IE)
4 Penicillin G hochdosiert (3-mal 10 Mega i.v.)
15.15 Tetanus 4 Sedierung mit Benzodiazepinen (Midazolam)
und ggf. neuromuskulärer Blockade (Cis-Atra-
jErreger curium, Atracurium)
4 Clostridium tetani: grampositives, anaerobes 4 bei vegetativer Dystonie Magnesium (50 ml
und sporenbildendes Bakterium Magnesiumsulfat 10 %, anschließend kontinu-
4 Bildung von ierliche intravenöse Gabe von 10% Magne-
5 Tetanospasmin, ein Neurotoxin, welches siumsulfatlösung mit 15–20 ml/h) o Magne-
retrograd zu den Axonen der Vorderhörner siumserumspiegel: 2–4 mmol/l
wandert und dort die Freisetzung von inhi- 4 ggf. β-Blocker, Vasodilatatoren, Sedativa, Clo-
bitorischen Neurotransmittern verhindert nidin und die epidurale Sympathikusblockade
5 Tetanolysin, ein Toxin mit hämolytischer 4 ggf. intrathekale Gabe von Baclofen (GABA-
und kardiotoxischer Wirkung Agonist) o Testdosis 25–50 μg intrathekal, an-
schließend nach einer 4stündigen Überwa-
jInzidenz chung kontinuierliche intrathekale Applikation
4 weltweit jährlich 300.000–1.000.000 Tetanus- von 0,3–0,8 mg/Tag
krankheitsfälle 4 ggf. Dantamacrin (Dantrolen)
4 in Deutschland in den letzten 15 Jahren durch- 4 Krankheitsverlauf bis zu 3–6 Wochen!
schnittlich 17 Krankheitsfälle pro Jahr
330 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

15.16 Meldepflicht von speziellen 4 Erregernachweise, die das Labor namentlich


Infektionen im Krankenhaus an das Gesundheitsamt zu melden hat
(§ 6 Abs. 1 IfSG):
Um die Ausbreitung bestimmter Erkrankungen in 5 Adenoviren (nur im Konjunktivalabstrich)
der Bevölkerung zu vermeiden, müssen niederge- 5 Bacillus anthracis
lassene Ärzte, Krankenhausärzte bzw. Laborleiter 5 Borrelia recurrentis
die untenstehenden Erkrankungen/Patienten an die 5 Brucella spp.
Gesundheitsbehörden melden! 5 Campylobacter spp., darmpathogen
4 Erregerbezogene Erkrankungen, die der Arzt 5 Chlamydia psittaci
bei Verdacht, Erkrankung oder Tod nament- 5 Clostridium botulinum oder Toxinnach-
lich an das Gesundheitsamt zu melden hat weis
(§ 6 IfSG): 5 Corynebacterium diphtheriae, Toxin
5 Botulismus bildend
5 Cholera 5 Coxiella burnetii
5 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 5 Cryptosporidium parvum
5 Diphtherie 5 Escherichia coli, darmpathogen
5 Hämorrhagisches Fieber, virusbedingt 5 Francisella tularensis
5 Hepatitis, akute virale 5 FSME-Virus
5 HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom), 5 Giardia lamblia
enteropathisch 5 Haemophilus influenzae
5 Masern 5 Hantaviren
5 Meningokokken-Meningitis/-Sepsis 5 Hepatitis-A-Virus
5 Milzbrand 5 Hepatitis-B-Virus
5 Paratyphus 5 Hepatitis-C-Virus
5 Poliomyelitis 5 Hepatitis-D-Virus
5 Pest 5 Hepatitis-E-Virus
5 Typhus abdominalis 5 Influenzaviren
5 Tollwut 5 Legionella spp.
5 Tuberkulose (nur Erkrankung und Tod) 5 Leptospira interrogans
4 Nicht erregerbezogene Erkrankungen oder 5 Listeria monocytogenes
Zustände, die der Arzt namentlich an das Ge- 5 Masernvirus
sundheitsamt zu melden hat (§ 6 IfSG): 5 Mycobacterium leprae
5 Verdacht und Erkrankung an einer mikro- 5 Mycobacterium tuberculosis
biell bedingten Lebensmittelvergiftung 5 Neisseria meningitidis
15 oder akuten infektiösen Gastroenteritis, bei 5 Norovirus
Personen, die gemäß § 42 IfSG im Lebens- 5 Poliovirus
mittelbereich tätig sind, oder bei Erkran- 5 Rabiesvirus
kungshäufungen mit epidemischem Zusam- 5 Rickettsia prowazekii
menhang 5 Rotavirus
5 Auftreten einer bedrohlichen anderen 5 Salmonella
Krankheit oder mehrerer gleichartiger Er- 5 Shigella spp.
krankungen mit epidemischen Zusammen- 5 Trichinella spiralis
hang, wenn dies auf eine schwerwiegende 5 Vibrio cholerae O 1 und O 139
Gefahr für die Allgemeinheit hinweist 5 Yersinia enterocolitica, darmpathogen
5 Verdacht auf gesundheitliche Schädigung 5 Yersinia pestis
nach Impfung 5 Erreger hämorrhagischer Fieber
Ausgewählte Literatur
331 15
4 Erregernachweise, die das Labor nicht- Daum RS et al. (2001) Evolving antimicrobial chemotherapy
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332 Kapitel 15 · Spezielle Infektionen

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335 III

Spezielle
Krankheitsbilder
Kapitel 16 Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren – 337
W. Zink

Kapitel 17 Lebererkrankungen – 357


W. Zink

Kapitel 18 Pankreatitis – 371


W. Zink

Kapitel 19 Gastrointestinale Probleme – 383


W. Zink

Kapitel 20 Stressulkus – 405


W. Zink

Kapitel 21 Intoxikation – 415


M. Fresenius

Kapitel 22 Akutes Koronarsyndrom (ACS) – 431


W. Zink

Kapitel 23 ARDS (»acute resporatory distress syndrome«) – 443


M. Fresenius

Kapitel 24 SIRS, Sepsis und Multiorganversagen – 453


M. Fresenius

Kapitel 25 Lungenembolie – 483


W. Zink
Kapitel 26 Pulmonale Hypertonie (PAH) und
akute Rechtsherzdekompensation – 497
W. Zink

Kapitel 27 Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder – 507


M. Fresenius

Kapitel 28 Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT) – 517


M. Fresenius

Kapitel 29 Therapie zerebraler Krampfanfälle – 527


M. Fresenius

Kapitel 30 Herzinsuffizienz – 535


W. Zink

Kapitel 31 Hirntoddiagnostik und


Therapie des Organspenders – 551
W. Zink

Kapitel 32 Abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS) – 557


W. Zink

Kapitel 33 Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin – 565


W. Zink

Kapitel 34 Schock – 575


W. Zink
337 16

Nierenerkrankungen
und Nierenersatzverfahren
W. Zink

16.1 Akutes Nierenversagen – 338

16.2 Nierenersatzverfahren – 343

16.3 Nephrotisches Syndrom – 352

16.4 Röntgenkontrastmittel (KM)-induzierte Nephropathie – 353

Ausgewählte Literatur – 355

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
338 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

16.1 Akutes Nierenversagen 5 terminales dialysepflichtiges Nierenversa-


gen (»End-stage renal disease«)
jDefinition
4 plötzliche, anhaltende, jedoch prinzipiell > Ausgangskreatininwert notwendig, auf
reversible Abnahme der Nierenfunktion mit den sich nachfolgende Veränderungen
Oligoanurie (in 50 %), Anstieg der Retentions- beziehen!
werte, Störungen des Säure-Basen-, Elektrolyt-
und Wasserhaushaltes sowie Akkumulation jAKIN-Kriterien (2007)
von Stoffwechselendprodukten 4 AKIN = Acute Kindey Injury Network
4 bislang keine allgemeingültige Definition des 4 Einteilung des ANV in Stadien 1–3 (in Anleh-
ANV (derzeit ca. 35 unterschiedliche Defini- nung an die RIFLE-Kategorien »risk«, »injury«
tionen beschrieben!) und »failure«) (. Tab. 16.2)
4 errechnete glomeruläre Filtrationsrate wird
jRIFLE-Kriterien (2004) nicht in die AKIN-Kriterien aufgenommen
4 RIFLE-Kriterien = Konsens zur Definition und (nicht evaluiert!)
Klassifikation des akuten Nierenversagen 4 Kreatininanstiege innerhalb eines 48-h-
(ANV) Fensters werden auf den niedrigsten Wert
4 2004 vorgestellt von Acute Dialysis Quality bezogen o kein Referenzwert notwendig!
Initiative (ADQI) 4 derzeit gängigste Definition und Einteilung des
4 sehr sensitiv zur Detektion von kleinsten ANV
renalen Funktionseinschränkungen
4 in Abhängigkeit von Serumkreatinin, berech- jEpidemiologie
neter glomerulärer Filtrationsrate und Urin- 4 postoperatives ANV: 2–4 % nach kardiochirur-
ausscheidung Unterscheidung von zunächst gischen Patienten, 1 % bei allgemeinchirurgi-
3 Stadien der Nierenfunktionseinschränkun- schen Patienten, 15–25 % nach notfallmäßigen
gen (. Tab. 16.1): Operationen eines Aortenaneurysmas (Elek-
5 Risiko (»Risk«) tiveingriff 2–5 %)
5 Schädigung (»Injury«) 4 5–10 % aller stationären Patienten erleiden ein
5 Nierenfunktionsverlust (»Failure«) ANV
4 2 weitere Stadien zur Erfassung des renalen 4 20–30 % aller Intensivpatienten erleiden ein
Outcomes: ANV
5 Verlust der Nierenfunktion >4 Wochen 4 40–50 % aller Patienten mit Sepsis/MODS
(»Loss«) erleiden ein ANV

. Tab. 16.1 RIFLE-Kriterien (Aus Lameire 2009)

16 GFR Urinausscheidung

Risk Kreatininanstieg (× 1,5) <0,5 ml/kg/h × 6 h


GFR-Abfall (–25 %)

Injury Kreatininanstieg (× 2) <0,5 ml/kg/h × 12 h


GFR-Abfall (–50 %)

Failure Kreatininanstieg (× 3) <0,3 ml/kg/h × 24 h oder Anurie für 12 h


GFR-Abfall (–75 %)
S-Kreatinin >4 mg/dl

Loss Persistierendes ANV (>4 Wochen Verlust der Nierenfunktion)

End stage renal disease Terminale Niereninsuffizienz (>3 Monate Verlust der Nierenfunktion)
16.1 · Akutes Nierenversagen
339 16

. Tab. 16.2 AKIN-Kriterien. (Nach Lameire 2009)

Stadium S-Kreatinin Urinausscheidung

1 Kreatininanstieg >0,3 mg/dl oder (× 1,5–2 vom Ausgangswert) <0,5 ml/kg/h × 6 h

2 Kreatininanstieg (× 2–3) <0,5 ml/kg/h × 12 h

3 Kreatininanstieg (>3 ×) <0,3 ml/kg/h × 24 h oder Anurie für 12 h


S-Kreatinin >4 mg/dl mit einem akuten Kreatininanstieg von
>0,5 mg/dl

4 extrakorporales Nierenersatzverfahren (RRT) 4 hämodynamische Form (Beeinträchtigung der


bei 40–70 % der Patienten mit ANV notwendig Nierendurchblutung)
o Anstieg der Mortalität auf bis zu 60 % 5 NSAID
(Nierenersatztherapie per se nicht für die hohe 5 Blockade des Renin-Angiotensin-Aldoste-
Mortalität des ANV verantwortlich!) ron-Systems
4 ANV unabhängiger prädiktiver Faktor für
erhöhte Sterblichkeit kIntrarenale Ursachen
4 Mortalität bei ANV 5- bis 10-fach erhöht 4 ursächlich in 30–40 %
4 ANV bei Sepsis: Mortalität bis zu 76 % 4 vaskuläre Ursachen
4 persistierende Dialysepflicht bei 5–30 % 5 Vaskulitis
5 maligne Hypertonie
jPhasen 4 akute Glomerulonephritis
4 Induktionsphase (Nierendurchblutung p beim 4 akute interstitielle Nephritis
prärenalen Nierenversagen, GFR p, Beginn 4 akute Tubulusnekrose
eines Tubulusschadens) 5 exogen (Medikamente)
4 Erhaltungsphase (Oligurie oder primäre 5 endogen (Pigmente, Proteine, Kristalle)
Polyurie)
4 Erholungsphase (bei 95 % der überlebenden kPostrenale Ursachen
Intensivpatienten ist eine Restitutio ad 4 ursächlich in 5 %
integrum zu erwarten!) 4 mechanische Obstruktion der ableitenden
Harnwege
jUrsachen
kPrärenale Ursachen jRisikofaktoren
4 ursächlich in 40–60 % 4 unveränderliche Basisrisiken
4 absolute Abnahme des effektiven Blutvolumens 5 Alter
5 Volumenmangel (z. B. im Rahmen der be- 5 Diabetes mellitus
absichtigten Dehydratation bei pulmonaler 5 vorbestehende chronische Nieren-
Insuffizienz) insuffizienz
5 Blutung 5 vorbestehende Herzinsuffizienz
4 relative Abnahme des Blutvolumens 5 vorbestehende Leberfunktionsstörungen
5 Herzinsuffizienz 5 männliches Geschlecht
5 »cardiac low output« (renaler Perfusions- 5 genetische Einflüsse
druck und renaler Blutfluss p) 5 Hypalbuminämie
5 dekompensierte Leberzirrhose 5 Arteriosklerose
5 septischer Schock/SIRS (maximale syste- 4 zusätzliche Risiken bzw. Akutereignisse
mische Vasodilatation o MAP p o reflek- 5 Sepsis
torische renale Vasokonstriktion) 5 Hypotonie/Schock
340 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

5 Volumenmangel (absolut/relativ) 5 Verlust des Bürstensaums der proximalen


5 Rhabdomyolyse Tubuluszellen
5 Herz- und Gefäßeingriffe 5 tubuläre Obstruktion durch hypoxische
5 Organtransplantation Zellschwellung und Eiweißpräzipitation in
5 abdominelles Kompartmentsyndrom den Sammelrohren
5 Beatmung (eigenständiger Risikofaktor; 4 Aufhebung der renalen Autoregulation beim
Erhöhung des PEEP führt zu Abhnahme ANV (Nierenperfusion ist vom Systemdruck/
des renalen Blutflusses durch Anstieg des HZV abhängig)!
intrarenalen venösen Drucks!)
4 nephrotoxische Substanzen jDiagnostik
5 hochosmolare, ionische Kontrastmittel Durch eine konventionelle Harnuntersuchung
5 antimikrobielle Substanzen(z. B. Glyko- kann meist zwischen prä- oder postrenalen bzw.
peptidantibiotika, Aminoglykoside, renalen Nierenversagen unterschieden werden
Amphotericin B) (. Tab. 16.3).
5 Chemotherapeutika und Immunsuppressiva
(z. B. Ciclosporin, Cisplatin) kKreatinin-Clearance
5 NSAID und COX-2-Hemmer (PGE2-Syn- 4 Normalwert: 90–130 ml/min (altersabhängig)
these p o Nierendurchblutung p o Gabe 4 berechnet aus dem 24-h-Sammelurin:
von NSAID bei Kreatininserumwerten Kreatinin-Clearance Urin-Kreatinin × Urinvolumen
=
>2 mg/dl kontraindiziert!) (ml/min) Serum-Kreatinin × Zeit (min)
> Beim Intensivpatienten ist das ANV meist
4 geschätzt nach der Cockcroft-Gault-Formel
Folge einer Summation verschiedener Risiko-
(1976):
faktoren, die im Verlauf mehrerer Tage zum
manifesten Organversagen führen! Beispiel: Kreatinin-Clearance (140 − Alter) × kgKG
= = ×F
septischer Patient + Beatmung + nephrotoxi- (ml/min) 72 × Serum-Kreatinin
sche Medikamente.
5 F = 1,0 für Männer bzw. 0,85 für Frauen

jPathophysiologie kSerologische Untersuchung


4 gegenwärtig nicht eindeutig geklärt! 4 Elektrolyte (Kalium, Natrium, Kalzium)
4 primäre Abnahme der Nierendurchblutung o 4 Kreatinin
reflektorische Sympathikusaktivierung o 4 Harnstoff
renale Vasokonstriktion mit resultierender
Minderperfusion o Anstieg des präglomeru- kNeue diagnostische Marker
lären Widerstands o Aktivierung des Renin- 4 schnellerer Nachweis einer Nierenschädigung
Angiotensin-Aldosteron-Systems (Erhöhung im Vergleich zu Kreatinin!
16 des renalen O2-Bedarfs durch tubuläre Rück- 4 S-Cystatin C
resorption) o Aktivierung der ADH-Sekre- 5 Proteaseninhibitor
tion o klinische Oligurie 5 konstante Syntheserate in allen kernhaltigen
4 gestörte renale Perfusion o veränderte glome- Zellen
ruläre Permeabilität (p)o tubuläre Obstruk- 5 kleines Molekül, vollständig glomerulär
tion infolge des erhöhten Anteils an rückresor- filtriert, tubultär reabsorbiert und metaboli-
bierten Ultrafiltraten siert; keine tubuläre Sekretion o Plasma-
4 ischämiebedingter Nierenschaden: spiegel ausschließlich von GFR abhängig
5 Abfall der GFR 5 bereits geringe Änderungen der GFR kön-
5 Störung der Reabsorption von Natrium nen über den Cystatin-C-Plasmaspiegel
5 Störung der Exkretion von Kalium erkannt werden (1–2 Tage vor Veränderung
5 Dilatation der Tubuli des Kreatinin-Plasmaspiegels!)
16.1 · Akutes Nierenversagen
341 16

. Tab. 16.3 Harnuntersuchung

Normbereich Prärenales NV Renales NV Postrenales NV

Harnosmolarität (mosmol/kg) 500–900 >500 <350 <450

Urinkreatinin/Serumkreatinin ≈10 >20 <20 <20

Urin-Na+ (mmol/l) 40–80 <20 >30 >40

Fraktionierte Na-Elimination ( %)* 1–3 <1 >3 >3

* Fraktionierte Na-Elimination (FENa) = Urin-Na × Serum-Kreatinin × 100 Serum-Na × Urin-Kreatinin

5 Abschätzung der GFR anhand des Cystatin- 5 Nachweis im Urin


C-Plasmaspiegels 5 bei ARDS-Patienten erhöhte Spiegel im
4 NGAL (»neurophil gelatinase-associated Urin nachweisbar 24–48 h vor Entwicklung
lipocalin«) 5 eines akuten Nierenversagens o erhöhte
5 zur Familie der Lipocaline gehörendes Mortalität!
niedermolekulares Protein 5 erhöhte IL-18-Spiegel auch bei Patienten,
5 Vorkommen in neutrophilen Granulozyten, die nach Nierentransplantationen bzw.
Epithelien (u. a. proximaler Tubulus) kardiochirurgischen Eingriffen ein akutes
5 im Tierexperiment Urinspiegel innerhalb Nierenversagen entwickelten
weniger Stunden nach ischämischer Nieren- 5 derzeit noch keine abschließenden
schädigung erhöht (schnelle Hochregula- Beurteilbarkeit des klinischen Nutzens
tion der Genexpression) möglich
5 NGAL-Spiegel in Urin und Plasma bereits
frühzeitig nach Nierenschädigung und mit kHarnsediment
hohem prädiktiven und prognostischen 4 Nachweis von Erythrozyten:
Wert 5 dysmorphe Erythrozyten: Hinweis auf
5 cave: NGAL im Urin auch durch chro- glomeruläre Schädigung
nische Nierenerkrankung bzw. extrarenale 5 eumorphe Erythrozyten: Hinweis auf
Ursache Blutung aus den ableitenden Harnwegen
5 derzeit noch keine abschließenden Beurteil- 5 Eryhrozytenzylinder: beweisend für glome-
barkeit des klinischen Nutzens möglich ruläre Schädigung
4 KIM-1 (»kidney injury molecule-1«) 4 Leukozytenzylinder
5 Transmembranprotein 5 Hinweis auf Infektion bei interstitieller
5 Synthese im proximalen Tubulus aus- Nephritis (in 30 % der Fälle Nachweis von
schließlich bei ischämisch oder nephroto- eosinophilen Leukozyten im Urin)
xisch bedingtem ANV 5 Proteingehalt: Mikro- oder Makroprotein-
5 Nachweis im Urin bereits nach 2 h urie
5 KIM-1 bei kardiochirurgischen Patienten 4 Nachweis einer Glukosurie
anderen Biomarkern bezüglich der Vorher- 4 Nachweis von tubulären Enzymen im Harn
sage eines ANV überlegen 5 im Bürstensaum befindliche Alaninamino-
5 derzeit noch keine abschließenden Beurteil- peptidasen
barkeit des klinischen Nutzens möglich 5 in der Membran verankerte Glutamyl-
4 IL-18 (Interleukin-18) transpeptidasen
5 proinflammatorisches Zytokin 5 α-Glutathion-S-Transferase o Hinweis für
5 Synthese im Bereich des proximalen Tubulus proximalen Tubulusschaden (selektiv er-
342 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

höhte Werte im Rahmen der Ciclosporin- > Bei Niereninsuffizienz werden Medikamente,
nephrotoxizität) die renal eliminiert werden, primär als »loa-
5 π-Glutathion-S-Transferase o Hinweis für ding dosis« wie gehabt dosiert und anschlie-
distalen Tubulusschaden und selektiv er- ßend entweder nach Wirkspiegel (»drug mo-
höhte Werte im Rahmen der Nierentrans- nitoring«, z. B. bei Glykopeptidantibiotika
plantatabstoßung und Aminoglykosiden) oder dosisreduziert
5 in den tubulären Lysosomen befindliche nach Vorgabe (z. B. sog. »Wiener Liste«,
N-Acetyl-β-D-Glukosaminidasen 7 Kap. 40) appliziert.

kHarnkultur kSchleifendiuretika
4 Nachweis einer Infektion bei einer Keimzahl 4 Furosemid, Etacrynsäure
>106/ml 4 Anstieg der Urinproduktion, Abfall der Urin-
osmolarität, Abnahme des O2-Verbrauchs des
kVirusserologie Nierenmarkbereiches und Verminderung der
4 Nachweis von CMV oder Hantaviren tubulären Obstruktion
4 Furosemid (z. B. Lasix)
jKonservative Therapie 5 Wirkbeginn: 2–5 min
kDurchführung eines »Renal-rescue«- 5 Wirkmaximum: 60–90 min
Programms 5 Wirkdauer: 4–6 h (»...lasts six hours« =
4 Identifikation und Beseitigung der zugrunde- Lasix)
liegenden Ursache (z. B. Korrektur prä- bzw. 5 HWZ: 60 min
postrenaler Ursachen) 5 50 % des Furosemids werden unverändert
4 Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr über die Niere ausgeschieden; 10 % unver-
4 Normovolämie durch Volumengabe (balan- ändert über Fäzes und ca. 40 % werden glu-
cierte Vollelektrolytlösungen!) und evtl. simul- kuronidiert
tane, niedrig dosierte Nitroglycerinapplikation 5 maximale Dosis: 1,5 g/24 h
(bis 2 mg/h) o Auffüllen des venösen Pools
! Primäre Nephro- und Ototoxizität, Verstär-
4 Zielkriterien sind nicht nur das strikte Einhal-
kung der Nebenwirkung anderer nierenschä-
ten des Normbereiches hämodynamischer
digender Substanzen! Vermeide unkontrol-
Größen, sondern auch klinische Aspekte: aus-
lierten und hochdosierten Einsatz von
reichend Urinproduktion (>2 ml/kg/h) und
(Schleifen-)Diuretika o erhöhte Mortalität!
-farbe (konzentriert, hämolytisch etc.), gute
periphere Durchblutung, Herzfrequenz, Ver-
lauf der arteriellen Druckkurve (Vermeiden kOsmodiuretika
des »cardiac cyclings«) 4 Reduktion der tubulären Zellschwellung nach
4 Anstreben eines suffizienten Perfusions- renaler Ischämie
16 drucks (MAP >65 mmHg) o Verbesserung 4 Vermeidung von Tubulusokklusionen durch
der renalen Perfusion Anstieg des tubulären Flusses
4 Optimierung der Herzleistung 4 Anstieg der PGE2-Konzentration
4 Vermeidung/Absetzen von nephrotoxischen 4 vermehrte ANP-Ausschüttung
Substanzen
4 Vermeidung einer hyperkalorischen Ernäh- kMannitol (Osmofundin 15–20 %)
rung in der Akutphase des ANV (Erhöhung 4 Zuckeralkohol, der kaum metabolisiert wird
des O2-Bedarfs der Niere) o 7 Kap. 6 4 HWZ: 120 min; bei urämischen Patienten
11,5 h
! Nicht anwenden bei anurischem Nieren-
versagen!
16.2 · Nierenersatzverfahren
343 16
kKalziumantagonisten jIndikationen
4 Diltiazem-Typ 4 diuretikaresistente Hyperhydratation mit
4 Vasodilatation der afferenten Arteriolen durch kardialer Dekompensation und Lungenödem
Inhibierung des Kalziumeinstroms mit respiratorischen Störungen
4 Anstieg des renalen Blutflusses und GFR 4 konservativ nicht beherrschbare Hyper-
4 positiver Effekt bezüglich der Vermeidung des kaliämie mit Herzrhythmusstörungen
ANV nach Nierentransplantation (Antagoni- 4 urämisches Syndrom (urämische Perikarditis,
sierung der durch Ciclosporin induzierten ar- Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinale Blu-
teriolären Vasokonstriktion mit Hypertonie) tungen, Vigilanzminderung)
und evtl. Nephrotoxin-induziertem ANV 4 Intoxikation mit dialysierbaren Stoffen
(Kontrastmittel und Aminoglykoside) 4 Entfernung von Medikamenten, z. B. periope-
rative Elimination von Hirudin (Refludan) mit
kNatriumbikarbonat 8,4 % geeigneter Filterkartusche
4 protektiver Effekt der Harnalkalisierung bei 4 schwere metabolische Azidose (insbesondere
ANV bedingt durch Hämolyse/Myolyse, Para- bei vergrößerter Anionenlücke)
proteinämie und aminoglykosidinduziertem 4 akute Oligo-Anurie mit Anstieg der harnpflich-
Nierenversagen tigen Substanzen (Kreatinin 600–800 μmol/l
[= 7–9 mg/dl, Umrechnungsfaktor: 88,4])
kTheophyllin 4 Harnstoff 30–35 mmol/l (= 200 mg/dl, Um-
4 unspezifische Phosphodiesterasehemmung rechnungsfaktor: 0,17) unter adäquater Be-
4 soll in einer Dosierung von 0,5–1 mg/kg/h handlung mit Schleifendiuretika, differen-
über eine adenosinantagonistische Wirkung zierter Volumen- und Katecholamintherapie
verhindern, dass Adenosin bei ischämischem 4 »Dialyseschwelle« wird nicht einheitlich
Nierenschaden die Angiotensin-II-Wirkung bewertet (fehlende Studien auf dem Boden von
verstärkt und damit die präglomeruläre Vaso- »evidence-based medicine«)
konstriktion erhöht
kErweiterte Indikationen
4 SIRS bzw. septischer Schock, Pankreatitis o
16.2 Nierenersatzverfahren Elimination von Toxinen (z. B. Streptokokken-
enterotoxin), proinflammatorischen Zytoki-
Historie der Nierenersatzverfahren (»renal replacement nen, »myocard-depressant factor«
therapy«, RRT) 4 Steigerung der immunologischen Abwehr
1977 Erster Einsatz einer arterio-venösen Hämofiltration infolge der Entfernung eines granulozyten-
(CAVHF) durch Kramer in Göttingen
inhibierenden Proteins (GIP)
1981 Einführung der CVVHF durch Bischoff
1985 Einführung der CAVHD durch Geronemus
4 Anmerkung: Eine Beeinflussung der Letalität
1987 Einführung der CVVHD durch Uldall durch den Einsatz von Nierenersatzverfahren
bei Intensivpatienten mit MOV konnte bis
jZiele heute nicht nachgewiesen werden!
4 Elimination von überschüssigem Gesamtkör-
perwasser und harnpflichtigen Substanzen Die Indikation für ein intermittierendes oder kon-
(Urämietoxine wie z. B. Kreatinin, Harnstoff) tinuierliches Nierenersatzverfahren ist aus . Tab.
4 Korrektur von Störungen im Elektrolyt- und 16.4 zu entnehmen.
Säure-Basen-Haushalt (Kalium, Natrium,
Kalzium, Phosphat, pH-Wert, Bikarbonat) jKontraindikationen
4 evtl. Elimination von Mediatoren bei 4 absolut: anderweitig therapierbares prärenales
septischen Patienten oder postrenales ANV
4 evtl. Elimination von toxischen Substanzen 4 relativ: Von-Willebrandt-Jürgens-Syndrom
(7 Kap. 21) und andere Gerinnungsstörungen, frische in-
344 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

4 Katheterkomplikationen:
. Tab. 16.4 Überblick über die Indikationen der bei-
den Nierenersatzverfahren
5 Thrombosen (bis zu 17 % bei A.- und
V.-femoralis-Anlage)
Indikation iRRT cRRT 5 Embolie (2 %)
5 Fistelbildung
Isoliertes ANV + – 5 Kathetersepsis (2–20 %)
ANV im MOV – + 5 Peritonitis bei Peritonealdialyse
Kreislaufinstabilität – + 4 Dialyseflüssigkeitskomplikationen: Verunrei-
nigungen mit Moraxella, Pseudomonas spp.,
Flüssigkeitsentzug – +
Corynebakterien und Mikrokokken
ANV in Rehabilitation + –

ANV und Hirndruck – +


16.2.1 Einteilung der Dialyseverfahren
ANV und Lebererkrankung – +

Elektrolytkorrektur + – 4 intrakorporale Dialyseverfahren, bei denen


Intoxikationen + – das Peritoneum als Austauschdialysemembran
dient (Peritonealdialyse); bei Intensivpatienten
RRT: Nierenersatzverfahren, MOV: Multiorganversa- eher von untergeordneter Bedeutung
gen, ANV: Akutes Nierenversagen
4 extrakorporale Dialyseverfahren mit einem
Blutfluss durch einen Dialysator und Dialysat-
fluss im Gegenstromprinzip (. Tab. 16.5)
trakranielle Blutungen, allgemeine Blutungs-
neigungen
16.2.2 Grundprinzipien der intra-
jBeginn korporalen Eliminations-
4 tendenzielle Reduktion der Mortalität bei verfahren (Peritonealdialyse)
frühzeitigem Beginn des Nierenersatz-
verfahrens 4 Instillation von ca. 1–2 l Dialysatlösung in die
4 »prophylaktische Dialyse« vor Eintritt eines Bauchhöhle über speziellen Katheter für die
manifesten Nierenversagens (z. B. nach Kon- Dauer von ca. 2–6 h (unter absolut sterilen Be-
trastmittelgabe oder bei Crush-Niere) ohne dingungen)
beweisbaren protektiven Effekt 4 der Flüssigkeitsentzug wird über die Osmolari-
tät der Lösung (350–511 mosmol/l), welche
! Blutdruckabfälle mit konsekutiver Reduktion
durch die Glukosezugabe bedingt ist, gesteuert
der intestinalen Perfusion o ANV-Risiko erhöht!
4 neuerdings wird anstelle der Glukose das noch
teure Icodextrin verwendet
jKomplikationen 4 Hauptkomplikationen:
16
4 Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, 5 Peritonitis
Hämolyse, Muskelkrämpfe, Luftembolie 5 lokale Katheterinfektion
4 Dysäquilibriumssyndrom (tritt nicht auf 5 nach jahrelanger Anwendung Nachlassen
bei kontinuierlichen Eliminationsverfahren) der Ultrafiltration infolge sklerosierender
4 Hartwassersyndrom (Hyperkalziämie durch Peritonitis aufgrund der Dickenzunahme
unzureichend enthärtetes Wasser oder sekun- des Peritoneums
därer Hyperparathyreoidismus o heutzutage 5 ungenügende Harnstoffelimination bei
extrem selten) katabolen Zuständen
4 Blutungen, Thrombozytopenien, Bilanzie- 4 Peritonealdialysearten:
rungsfehler, teils erwünschte Hypothermie 5 CAPD (chronisch ambulante Peritoneal-
(Energieverluste bis zu 750 kcal/Tag) dialyse)
16.2 · Nierenersatzverfahren
345 16

. Tab. 16.5 Extrakorporale Dialyseverfahren

Kontinuierliche Verfahren Zwischenstellung Intermittierende Verfahren

Kontinuierliche veno-venöse SLEDD (»slow extented daily dialysis«) mit Intermittierende Hämodialyse
Hämofiltration (CVVHF) niedrigem Heparinbedarf, hoher Harnstoff- (IHD)
Kontinuierliche veno-venöse Clearance, guter Kreislaufstabilität; Anwen-
Hämidiafiltration (CVVHDF) dung des Genius-Systems (Fa. Fresenius) mit
Kontinuierliche arterio-venöse reiner Bikarbonatdialyse und ultrareinem
Hämofiltration (CAVH) Dialysat
Reine Ultrafiltration (SCUF)

5 CCPD (chronisch zyklische Peritoneal- 5 gelöste Substanzen werden durch einen Fil-
dialyse) o nachts übernimmt ein spezi- trationsprozess mit Hilfe eines Druckge-
elles Gerät (Cycler) nach vorgegebenen fälles gemeinsam mit einem Lösungsmittel
Angaben den Wechsel der Spüllösung, als Carrier durch die Membran geschleust
tagsüber dann normaler Beutelwechsel wie o Entfernung von Kalzium, Magnesium
bei CAPD und Bikarbonat, das ersetzt werden sollte
5 IPD (intermittierende Peritonealdialyse in 4 Hämodiafiltration (HDF):
einem Dialysezentrum) 5 Kombination aus Diffusion und Konvektion
über eine hochpermeable Membran

16.2.3 Grundprinzipien der extrakor-


poralen Eliminationsverfahren 16.2.4 Membranmaterialien

4 Gefäßkanülierung: 4 Zellulosemembranen (Cuprophan, Hemopha)


5 Shaldon-Katheter 8–11,5 F bei Erwachsenen 5 biologisch nicht inert o Freisetzung von
und 6,5–7 F für Kinder, bevorzugt in die Mediatoren, Komplementaktivierung,
V. jugularis interna (rechts) bzw. die klinisch teilweise ausgeprägte Leukozytose,
V. femoralis resultierende kardiopulmonale Instabilität
5 die V. subclavia sollte aufgrund der Gefahr 5 werden auch als sog. Low-flux-Membranen
der Thrombosierung mit späterer Beein- bezeichnet:
flussung eines operativ angelegten Dialyse- – Wandstärke: 5–15 μm, symmetrische
shunts nicht bevorzugt werden! Struktur und uniforme Porengröße
5 Tenckhoff-Katheter für Peritonealdialyse – Prinzip: Ultrafiltration, keine Rück-
(PD) bei Kindern resorption
4 Hämodialyse (HD): – Vorteil: kostengünstig, gute Effizienz im
5 Clearance erfolgt durch Diffusion von Stof- kleinmolekularen Bereich
fen mit einer Molekulargröße <1000–1500 4 Polysulfon-, Polyacrynitril- und Polyamid-
5 angestrebt wird der Konzentrationsaus- membranen
gleich von Stoffen beidseits der semiper- 4 biologisch inerte Membran, welche eine
meablen Membran o beim Dialyseprinzip höhere Überlebensrate der Patienten und eine
werden zwei Lösungen mit unterschied- schnellere renale Erholung ermöglicht
lichen Konzentrationen im Gegenstrom- 5 Polyacrylfilter mit längerer Laufzeit und
prinzip aneinander vorbei geleitet geringerem Thrombozytenaktivierungs-
4 Hämofiltration (HF): potenzial als Polyamidfilter
5 Clearance erfolgt durch Konvektion von 5 werden auch als High-flux-Membran be-
Stoffen mit einer Molekulargröße <30.000 zeichnet (o höhere Wasserpermeabilität als
346 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

Low-flux-Membranen, d. h. bei vorgege- liche Hyperkaliämie) und hoher Blutungs-


benen Druckgradienten wird pro Zeitein- gefahr (dann Dialyse »ohne« Heparin!)
heit mehr Plasmawasser filtriert):
! Hyperphosphatämie und Dysäquilibriums-
– Wandstärke: 40–100 μm; dünne innere
syndrom durch stärkere intra-/extrazelluläre
Trennmembran und schwammartige
Harnstoffschwankungen!
äußere Stützschicht, große Membran-
poren und hoher Siebkoeffizient 4 Effektivität der Dialyse wird mittels der Harn-
– Prinzip: proximal überwiegt die Filtration stoff-Clearance ermittelt:
und distal die Rückresorption K×t
– Elimination von Stoffen auch im mittle- Effektivität der Dialyse =
V
ren und großmolekularen Bereich (evtl.
Elimination von Mediatoren) 5 K: Harnstoff-Clearance
5 t: Behandlunszeit (in h)
5 V: Harnstoffverteilungsvolumen (ca. 58 %
16.2.5 Dialyselösungen des Körpergewichts)
4 z. B. bei üblicher Hämodialyse:
4 Bikarbonatlösungen: bessere hämodynami- K = ca. 200 ml/min = 12 l/h; t = 4 h, V = 48 l
sche Stabilität, muss jedoch kurz vor dem Ein-
12l/h × 4
satz hergestellt werden Effektivität der Hämodialyse = = 1,0
48l
4 Azetatlösungen: sollten nicht mehr verwendet
werden o Nachteil: Vasodilatation mit Hypo- 4 Der Quotient sollte nach neueren Erkenntnis-
tonie, Einschränkung der myokardialen sen bei chronischer Dialyse um 1,3 liegen (in-
Kontraktilität, Ausbildung einer Hypokapnie tensivierte Dialyse) o Reduktion des jähr-
aufgrund eines pCO2-Verlustes über die Dialy- lichen Todesrisikos um ca. 7–9 % bei jeder
semembran o alveoläre Hypoventilation mit Steigerung des oben genannten Quotienten um
konsekutiver Hypoxämie 0,1!
4 Laktatlösungen: Zufuhr von großen Laktat-
mengen (bis 2000 mmol/24 h) mit folgenden Kontinuierliche Verfahren (cRRT)
Nebenwirkungen: Einschränkung der myo- CAVHF (kontinuierliche arterio-venöse
kardialen Kontraktilität, Hemmung der endo- Hämofiltration bzw. Spontanfiltration)
genen Laktatverwertung, Verstärkung der 4 MAP sollte >80 mmHg betragen o Blutdruck
Glukoseintoleranz, fragliche Steigerung des = effektiver Filtrationsdruck
Proteinkatabolismus o Kontraindikation: 4 Filter sollte <15 cm Länge aufweisen, um
erhöhte endogene Laktatproduktion (Schock, Hämokonzentration entlang des Filters zu
Sepsis) und Leberinsuffizienz vermeiden
4 Hämatokrit sollte maximal bis 40 % betragen,
16 PTT >50 s
16.2.6 Eliminationsverfahren 4 durchschnittliche tägliche Ultrafiltratmenge:
12–15 l
Intermittierende Verfahren (iRRT) 4 Nachteile:
Hämodialyse 5 Filtrationsrate ist vom Blutfluss (40–200 ml/
4 Blutflussrate von ca. 200–300 ml/min min) bzw. Blutdruck abhängig
4 Dialysatfluss von 500 ml/min bzw. 30 l/h 5 keine Überwachung von Luft und
4 Filtrationsvolumen von jeweils 30–40 l pro Thromben im System
3- bis 6-stündiger »Sitzung« 5 Gefahr des unbemerkten Blutverlustes bei
4 Indikation: akute Intoxikation von bestimmten Diskonnektion
dialysablen, kleinmolekularen Substanzen, bei 5 Notwendigkeit einer arteriellen und
akuter Elektrolytentgleisung (lebensbedroh- venösen Punktion
16.2 · Nierenersatzverfahren
347 16
5 höhere Antikoagulation in Vergleich zu ! Cave:
anderen Verfahren notwendig 5 Glukoseverlust unter kontinuierlichen
5 ständig schwankende Filtrationsrate, Eliminationsverfahren: 40–80 g/Tag
welche die Bilanzierung erschwert 5 AS-Verluste unter kontinuierlichen
(o Filtrationsmenge abhängig vom Eliminationsverfahren ca. 6–15 g/Tag
arteriellen Blutdruck) 5 kein Verlust von Fetten

CVVHF (kontinuierliche veno-venöse > Im intensivmedizinischen Bereich haben sich


Hämofiltration) die kontinuierlichen Nierenersatzverfahren
(CVVHF und CVVHDF) gegenüber der intermit-
4 Blutflussrate von ca. 100–200 ml/min wird
tierenden Hämodialyse (IHD) durchgesetzt.
über eine Rollerpumpe sichergestellt
4 Filtrationsvolumen bis zu 60–70 l/Tag Vorteile der kontinuierlichen Nierenersatzver-
4 Gewährleistung einer besseren hämodyna- fahren:
mischen Stabilität 4 erhöhte hämodynamische Stabilität
4 Sonderform der CVVHF: hochvolumige 4 verbesserte Flüssigkeitskontrolle
Hämofiltration (HVHF) mit Filtratvolumina 4 effektivere Blutreinigung
von 6–34 l/h (!). Fraglich positive Effekte bei 4 stabilerer Metabolismus (pH-Wert, Serum-
Patienten mit septischem Schock und MOV osmolarität)
(Reduktion der zur Kreislaufstabilisierung 4 besserer pulmonaler Gasaustausch
benötigten Noradrenalinmenge, schnellere 4 geringerer Katecholaminbedarf bei kreislaufin-
Kreislaufstabilisierung, Anstieg des Herzindex stabilen Patienten!
und der gemischtvenösen Sättigung sowie
Reduktion der Mortalität bei Respondern) Allerdings findet sich kein signifikanter Unter-
Voraussetzung für dieses Verfahren: Filter- schied zwischen beiden Verfahren hinsichtlich
oberfläche >1,0 m2, Blutfluss >150 ml/h, Mortalität oder renaler Rekompensation. Dennoch
Therapie der Hypothermie zeigt es sich, dass bei kreislaufinstabilen und/oder
4 Nachteile: septischen Patienten die kurzzeitige intermittieren-
5 gerätetechnischer Aufwand und Notwen- de Hämodialyse häufig nicht ausreicht, um z. B. eine
digkeit von ausgebildetem Personal adäquate Volumenbilanzierung zu erreichen.
5 Möglichkeit von exzessiven Flüssigkeits-
schwankungen durch Bilanzierungsfehler o Hybridverfahren (Genius, Fa. Fresenius)
genaue Flüssigkeitsbilanzierung (Zwischen- 4 Hybridsystems aus Hämodialyse und CVVH
bilanzen!) notwendig (SLEDD = slow extended daily dialysis)
5 benötigt zusätzlich eine Luftfalle 4 Kombination der Vorteile von Hämodialyse
5 nur langsame Harnstoff- und Kalium- und CVVH
elimination 4 »Tankniere« in Hybridtechnik
4 »Single-pass-batch«-System
CVVHDF (kontinuierliche veno-venöse 4 Therapiezeit bis zu 18 h
Hämodiafiltration) 4 individuelles Anpassen das Dialysats
4 Kombination von Filtration und Dialyse- möglich
verfahren 4 geringerer Dialysatfluss als IHD
4 Dialysatfluss von 1–2 l/h 4 mit cRRT vergleichbare Harnstoff-Clearance
4 langsamer Flüssigkeitsentzug o größere
CAVHD (kontinuierliche arterio-venöse hämodynamische Stabilität als IHD
Hämodialyse) 4 kostengünstiger als cRRT?
4 bessere Clearance im kleinmolekularen 4 Studienlage SLEDD vs. cRRT:
Bereich 5 keine signifikanten Unterschiede bezüglich
der hämodynamischen Stabilität
348 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

5 ähnlich große Effektivität bzgl. Harnstoff- Dosierung


Clearance und Azidoseausgleich
5 benötigte Heparinmenge zur Antikoagula- 5 Initial 20–50 IE/kg in den zuführenden
tion deutlich niedriger Schenkel
5 geringerer Personalaufwand, geringere 5 Anschließend 5(–10)–30 IE/kg/h (bei Blu-
Kosten (?) tungsgefahr 5–15 IE/kg/h) nach PTT [PTT
5 kürzere Behandlungsdauer mit höherer 50–60 s oder ACT (180)–200–240 s] bzw. im
Mobilität/besserer Mobilisierung der Rahmen der sog. regionalen Heparinisie-
Patienten rung mit Heparin-Gabe vor dem Filter und
5 Unterschiede bzgl. Mortalität und Letalität Antagonisierung mit Protamin nach dem
nach wie vor unklar Filter

16.2.7 Dialysedosis
Argatroban (Argatra)
4 Einfluss von verabreichter Dialysedosis auf
Mortalität von Intensivpatienten mit ANV Dosierung
nach wie vor kontrovers diskutiert und derzeit
5 0,5–2 μg/kg KG/min bei kontinuierlichem
nicht abschließend beurteilbar
Nierenersatzverfahren
4 Ronco et al. 2000: positiver Dosiseffekt der
5 Bei intermittierender Hämodialyse: Bolus
CVVH auf Mortalität (15 Tage) bei Anwen-
von 10 mg (0,1 mg/kg KG)
dung von 35 ml/kg KG/h Substituat
5 Anschließend: 1–2 mg/h
4 Saudan et al. 2006: CVVH (1–2,5 l/h Substi-
5 Nach 2–3 h: erste Kontrolle von aPTT (Ziel:
tuat) vs. (1–2,5 l/h Substituat + 1–1,5 l/h Dialy-
1- bis 3-fache Verlängerung oder ACT 100–
sat) o 28-Tage-Mortalität unter niedrigerer
200 s oder ECT 80–120 s oder direkte Spie-
Dosis signifikant höher (61 % vs. 41 %)
gelmessung)
4 Schiffl et al. 2008: positiver Effekt einer erhöhten
5 Bei Leberinsuffizienz: Dosisreduktion!
Dialysedosis auf Mortalität unter tägliche IHD)
4 Palevsky et al. 2008: IHD vs. CVVHD o The-
rapiedosis ohne Einfluss auf die 60-Tage-Mor-
talität und die renale Rekompensation Trinatriumcitrat
4 Vesconi et al. 2009: kein Dosiseffekt auf das 4 im Rahmen der regionalen/lokalen Antikoagu-
Patientenüberleben, allerdings kürzere Beat- lation mit 4 % Natriumcitrat (Na3C6H5O7,
mungsdauer und Intensivaufenthalt im Hoch- 136 mmol/l), einem Chelatbildner mit Kalzium
dosisregime 4 bei 0,25 mmol/l ionisierter Kalziumkonzentra-
4 nach aktueller Studienlage kein Mortalitätsvor- tion ist keine Gerinnungsneigung mehr vor-
16 teil bei: handen!
5 HD, SLEDD: 6/Woche versus 3/Woche 4 Komplex wird zu 90 % bei Highflux-Membra-
5 CVVHDF: 20 ml/kg/h versus 35 ml/kg/h nen (Siebkoeffizient: 0,9) eliminiert
4 kontinuierliche Infusion von 3–8 % des Filter-
blutflusses (ca. 200 ml ±20 ml/h), nach ACT
16.2.8 Gerinnungshemmung während 4 200–250 s bzw. Kalziumserumkonzentration
extrakorporalen Eliminations- im Postfilterbereich (0,6–0,7 mmol/l Gesamt-
verfahren kalzium bzw. iCa2+ von 0,25–0,35 mmol/l)

Unfraktioniertes Heparin (UFH) jNebenwirkungen


Durchspülen und Benetzen der Filter mit 2500– 4 Hypernatriämie mit Kardiodepression
5000 IE Heparin. (Verwendung natriumarmer Dialysate)
16.2 · Nierenersatzverfahren
349 16

. Tab. 16.6 Zusammensetzung der natrium- und


bikarbonatreduzierten Dialysatflüssigkeit

Substanz Menge (Einheit)

Na+ 133 mmol/l


K+ 2 mmol/l
Mg2+ 0,75 mmol/l
Ca2+ 0 mmol/l
HCO3– 20 mmol/l
Cl– 116 mmol/l
Glukose 1 g/l

. Tab. 16.7 Änderung des Citratflusses

. Abb. 16.1 Filterlaufzeiten (h) unter Heparin- und Citrat- Ionisiertes Kalzium Änderung der Citratdosis
antikoagulanzien. (Adaptiert nach Morgera et al. 2004) (mmol/l) nach dem (Citrat/Blut)
Filter

4 metabolische Alkalose aufgrund der Bikarbo- >0,45 Erhöhung um 0,3 mmol/l und
natproduktion bei der Citratverstoffwechse- Arzt informieren
lung (aus 1 Citratmolekül entstehen 3 Bikar- 0,41–0,45 Erhöhung um 0,2 mm/l
bonatmoleküle o Verwendung von puffer-
0,35–0,40 Erhöhung um 0,1 mm/l
reduzierten Dialysatlösungen)
4 Azidose 0,25–0,34 Keine Änderung

4 Hypo- und Hyperkalziämien bei Fehldosie- 0,20–0,24 Reduktion um 0,1 mm/l


rungen (Kontrolle des ionisierten Kalziums) 0,15–0,19 Reduktion um 0,2 mm/l
<0,15 Reduktion um 0,3 mm/l und
jVorteile der Citratantikoagulation Arzt informieren
4 verlängerte Filterlaufzeit (. Abb. 16.1)
4 geringere Aktivierung von Granulozyten und
Thrombozyten Nach 15–20 min werden die Zielgrößen be-
4 geringe Kosten stimmt und evtl. Veränderungen vorgenommen
4 geringeres postoperatives Blutungsrisiko (. Tab. 16.7):
4 Die regionale Citratantikoagulation gewinnt 4 Änderungen des Citratflusses, wenn die ionisierte
aufgrund geringer Nebenwirkungen und Kos- Kalziumkonzentration im extrakorporalen
ten sowie einer zunehmenden HIT-Inzidenz Kreislauf nach dem Filter nicht im Zielbereich
zunehmend an Bedeutung (CiCa-Modul der von 0,25–0,35 mmol/l liegt (. Tab. 16.7)
Fa. Fresenius)! 4 Änderungen der Kalziumdosis, wenn die ioni-
4 Es muss eine spezielle kalzuimfreie, natrium- sierte, systemische Kalziumkonzentration im
und bikarbonatreduzierte Dialysatflüssigkeit extrakorporalen Kreislauf nach dem Filter
(Ci-Ca-Dialysate K2) verwendet werden. nicht im Zielbereich von 1,12–1,20 mmol/l
. Tab. 16.6 zeigt deren Zusammensetzung. liegt (. Tab. 16.8).
4 Anhand des Blutflusses und/oder des Dia-
. Abb. 16.2 gibt die Startkonfiguration der »Citrat- lysatflusses kann auf die zu erwartende
antikoagulation« während der extrakorporalen Hä- Bikarbonatkonzentration geschlossen werden
modiafiltration wieder. (. Abb. 16.3).
350 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

. Abb. 16.2 Startkonfiguration Citratdialyse

. Tab. 16.8 Änderung des Kalziumflusses

Systemisches Änderung der Kalziumdosis


ionisiertes Kalzium (Kalzium/Filtrat)
(mmol/l)

>1,45 Reduktion um 0,6 mm/l und


Arzt informieren

1,31–1,45 Reduktion um 0,4 mm/l

1,21–1,30 Reduktion um 0,2 mm/l

1,12–1,20 Keine Änderung

16 1,05–1,11 Erhöhung um 0,2 mm/l

0,95–1,04 Erhöhung um 0,4 mm/l

<0,95 Erhöhung um 0,6 mm/l und


. Abb. 16.3 Erwartete Bikarbonatkonzentration im Serum
Arzt informieren
16.2 · Nierenersatzverfahren
351 16
Danaparoid-Natrium (Orgaran)
. Tab. 16.9 Beispiele für medikamentenspezifische
Siebkoeffizienten während CVVH
Dosierung

Substanz Siebkoeffizient Freier Anteil


5 Bolus mit 2000–2500 IE
Ampicillin 0,7 0,8 5 Anschließend 1. bis 4. Stunde 400–60 IE/h
5 Ab 5. Stunde: 100–600 IE/h
Cefotaxim 0,6 0,6
5 Ziel-Anti-Xa-Spiegel: 0,4 U/ ml
Cefoxitin 0,6 0,5

Ceftazidim 0,9 0,9

Ceftriaxon 0,7 0,1 Prostaglandine


Cilastatin 0,8 0,6 4 keine Prostacyclinmonotherapie!
4 systemische Nebenwirkung mit Blutdruck-
Ciprofloxacin 0,8 0,7
abfall und Herzfrequenzanstieg
Diazepam 0,02 0,02 4 Medikamente sind teuer!
Imipenem 1,0 0,9 4 Indikation: bei rezidivierender transfusions-
Lidocain 0,2 0,4
pflichtiger Thrombozytopenie oder ständigem
Filterverschluss unter Heparin (nach Aus-
Mezlozillin 0,7 0,7 schluss einer HIT Typ II)
Oxacillin 0,02 0,05
Dosierung
Phenytoin 0,4 0,2

Theophyllin 0,9 0,85 5 z. B. Prostazyklin (Flolan, Ilomedin):


Tobramycin/ 0,8 0,9 5–10 ng/kg KG/min in Kombination mit
Gentamicin niedrigdosierter Heparintherapie (2–6 IE/
kg KG/h)
Vancomycin 0,8 0,9

16.2.9 Medikamentendosierung unter


Lepirudin (Refludan)
Nierenersatzverfahren
Dosierung
Beurteilung anhand des Siebkoeffizienten (. Tab.
5 Insbesondere bei (Verdacht auf ) heparinin- 16.9):
duzierte Thrombozytopathie (HIT Typ II) in- CFiltrat
termittierende Bolusgaben von 0,05 mg/ Sc =
CPlasma
kg KG i.v. (geringere Blutungskomplikatio-
nen als bei kontinuierlicher Infusion) bzw. Sc = 1,0 bedeutet freie, ungehinderte Filtration bzw.
5 nach Bolus von 0,05 mg/kg KG kontinuierli- vollständige Elimination der Substanz unter RRT
che Infusion von 5–10(–25)μg/kg KG/h Die Medikamentenelimination ist von 3 Fakto-
(0,005–0,025 mg/kg KG/h) mit aPTT um ca. ren abhängig:
60 s oder Ecarinzeit zwischen 80 und 100 s 4 Siebkoeffizient der Substanz
4 Qualität des Nierenersatzverfahrens bzw.
Clearancegröße:
CL = QF × Sc
5 Cl: Clearancerate
5 QF: Blutfluss durch den Filter
5 Sc: Siebkoeffizient
4 Filtermaterial bzw. Cut-off-Wert (in Dalton)
352 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

> Ceftazidim bzw. Imipenem werden sehr gut jPathophysiologie


eliminiert, während Oxacillin, Phenytoin bzw. 4 primär gesteigerte Natriumrückresorption
Diazepam nur zu einem geringen Anteil (vornehmlich im distalen Tubulus) unklarer
durch die kontinuierliche RRT eliminiert wer- Ursache
den können. 4 Albumin p oKOD p o Flüssigkeitsverschie-
bung ins Interstitium o Verminderung des
Plasmavolumens o Aktivierung des Renin-
16.3 Nephrotisches Syndrom Angiotensin-Aldosteron-Systems
4 ADH p o ANP p o Wasser und Salzretention
jDefinition o Ödeme
4 ausgeprägte Proteinurie >3,5 g/24 h/1,73 m2
Körperoberfläche. jDiagnostik
Sicherung der Diagnose durch:
jKlinik 4 Nierenbiopsie
4 primäre Natriumretention mit Ödembildung 4 Sonographie
(Beginn noch vor der Proteinurie und Hypo- 4 Laborkonstellation bzw. Elektrophorese: Albu-
albuminämie) min p und γ-Globuline p, α2- und β-Globuline
4 hypalbuminämische Ödeme (Serumalbumin
<2,5 g/dl) jTherapie
4 Hyperlipoproteinämie (Triglyzeride und Cho- 4 Natriumrestriktion (50 mmol/Tag ca. 3 g NaCl/
lesterin n) Tag)
4 erhöhtes Thromboserisiko infolge AT-III- 4 Schleifendiuretika zur Erreichung einer nega-
Mangel durch renalen Verlust tiven Natriumbilanz (cave: vorsichtige Dosie-
4 Hämokonzentration aufgrund intravasaler rung aufgrund der Gefahr der Hypovolämie
Hypovolämie und Hämokonzentration)
4 Infektneigung aufgrund des IgG-Verlustes 4 Gabe von ACE-Hemmern auch ohne Hyper-
tonie o Reduktion der Proteinurie
jUrsachen 4 proteinbeschränkte Kost (0,6–0,8 g Protein/kg/
4 primäre Glomerulonephritiden (GN) in 80 % Tag); Diät mit Sojabohnenprotein (0,7 kg/kg/
der Fälle: Tag)
5 Minimal-change-GN, vorwiegend bei 4 idiopathisches nephrotisches Syndrom:
Kindern 5 Minimal-change-GN oder fokal-segmentale
5 membranöse bzw. membranoproliferative GN: Steroidtherapie mit Methylprednisolon
GN 1 mg/kg/Tag für mindestens 8 Wochen; bei
5 fokal-segmentale GN Ineffektivität der Steroidtherapie o ggf.
5 diabetische Nephropathie Gabe von Cyclophosphamid 1–2 mg/kg/Tag
16 4 seltener: für 8 Wochen, bei fokal-segmentaler GN
5 paraneoplastisch mit Kombination der oben ggf. Ciclosporin A
genannten GN 5 bei membranöser GN: Ponticelli-Schema
5 Nierenamyloidose (3 alternierende Zyklen von je 4 Wochen
5 Leichtkettenerkrankung Dauer mit Methylprednisolon bzw. Chlo-
5 fibrilläre Glomerulopathie rambucil)
5 Cholesterinembolie 4 Antithrombosestrümpfe und Thrombozyten-
5 Systemerkrankungen (Lupus erythema- aggregationshemmer, ggf. bei hohem Risiko
todes) Antikoagulation mit Marcumar
5 immunologisch (z. B. Goldpräparate) 4 ggf. Therapie mit Lipidsenkern bei Hyper-
5 Erbkrankheiten (M. Alport) lipidämie o Reduktion des kardiovaskulären
Risikos
16.4 · Röntgenkontrastmittel (KM)-induzierte Nephropathie
353 16

. Tab. 16.10 KM-induzierte Nephropathie

KM-Toxizität Athero-(Cholesterin-)Embolie

Pathogenese Medulläre Vasokonstriktion Mikroembolien, Fremdkörperreaktionen, Intimaproliferation


und direkte Tubulustoxizität

Auftreten 1–3 Tage nach KM-Gabe 1–4 Wochen nach KM-Gabe

Begleitsymptome Allergie Digitale Nekrose, zerebrale Symptome (Verwirrtheit bis


Koma), Levido reticularis

Labor Eosinophilie, Komplement

Verlauf Gut reversibel Nur 25 % reversibel

4 Ultima ratio bei exzessiver und therapie- jRisikofaktoren


refraktärer Proteinurie: bilaterale Nephrek- 4 primäre Risikofaktoren:
tomie 5 vorbestehende Niereninsuffizienz
4 bei Hepatitis-B-assoziiertem nephrotischen (Kreatinin >1,4 mg/dl)
Syndrom: α-Interferon 5 Diabetes mellitus mit eingeschränkter
Nierenfunktion
4 sekundäre Risikofaktoren:
16.4 Röntgenkontrastmittel (KM)- 5 erniedrigtes intravasales Volumen
induzierte Nephropathie (Dehydratation, Leberzirrhose)
5 Art und Menge des verwendeten KM (cave:
jDefinition hyperosmolare KM und Volumina >300 ml
Akute renale Funktionsverschlechterung 48–72 h Gesamtmenge sowie wiederholte Gabe in-
nach Kontrastmittelexposition mit: nerhalb von 7 Tagen!)
4 Anstieg des Serumkreatinins um 25 % bzw. um 5 Herzinsuffizienz und Paraproteinämie
0,5 mg/dl (multiples Myelom, nephrotisches Syn-
4 Abnahme der Kreatininclearance um 25 % des drom)
Ausgangswertes 5 begleitende Therapie mit nephrotoxischen
Substanzen (Aminoglykoside, NSAID,
! Die KM-induzierte Nephropathie muss diffe-
Cephalosporine etc.)
renzialdiagnostisch von der atheroembolisch
5 Alter >70 Jahre
ausgelösten akuten Niereninsuffizienz nach
radiologischer Untersuchung unterschieden
jPrognose
werden (. Tab. 16.10)!
Die KM-induzierte Nephropathie ist grundsätzlich
reversibel und hat insgesamt eine relativ gute Pro-
jUrsachen gnose.
4 renale Ausscheidung intravasal applizierter KM
4 konsekutive Vasokonstriktion der Nieren- jProphylaxe/Therapie
gefäße mit Perfusionsminderung (Endothelin Die Prophylaxe richtet sich nach den Risikofaktoren
und Angiotensin-II-vermittelt) (RF), eingeteilt in 3 Bereiche (. Tab. 16.11, . Tab.
4 KM mit zytotoxischen und proapoptotischen 16.12).
Effekten 4 ausreichende Trinkmenge bzw. Infusionsmen-
4 Induktion der Bildung freier Radikale und ge vor und nach KM-Gabe. Eine adäquate
hierüber Schädigung des Nierengewebes Hydratation hat den höchsten wissenschaft-
lichen Evidenzgrad (Kategorie A)! Hierbei
354 Kapitel 16 · Nierenerkrankungen und Nierenersatzverfahren

. Tab. 16.11 Risikofaktoren für KM-induzierte Nephropathie

Normales Risiko (1) Mittleres Risiko (2) Hohes Risiko (3)

Definition Keine RF Patient mit RF, die nicht der Gruppe Diabetes mellitus mit Kreatinin
3 zugehören >2,0 mg/dl oder Kreatinin
>3,0 mg/dl

Maßnahmen Dehydratation vermeiden, Hydratation, Reduktion des KM- Wie Gruppe 2, niedrig osmolares
Vermeidung zusätzlicher Volumens, Vermeidung zusätzlicher KM*, Erwägung einer prophy-
nephrotoxischer Faktoren nephrotoxischer Faktoren laktischen Hämodialyse nach KM

* Nur von Vorteil für leichte Formen ohne Nierenersatzverfahren

. Tab. 16.12 Übersicht über Empfehlungen zur Prophylaxe des KM-induzierten ANV

Gesicherte Maßnahmen Patientenkollektiv

Vermeidung der Dehydratation [C] Alle Patienten

Hydratation [A] 8–12 h vor Exposition Risikopatienten

Niedrig osmolares KM [B] Hochrisikopatienten

Reduktion des Kontrastmittelvolumens [B] Risikopatienten

Zusätzliche ACC-Gabe [B] Hochrisikopatienten

Vermeidung nephrotoxischer Faktoren [C] Alle Patienten

Postexpositionelle Hämodialyse [C] Hochrisikopatienten

Nicht empfohlen:
– Kalziumantagonisten
– Theophyllin als Adenosinantagonist (Nebenwirkungen Tachykardie, Arrhythmie!)
– Diuretika (Nebenwirkungen Dehydratation und Nephrotoxizität)
– Atrial-natriuretisches Peptid (ANP)
– Endothelin-A-Rezeptorantagonisten
Derzeit nicht beurteilbar:
– Fenoldopam (Dopamin-Rezeptor-Agonist)
– In Klammern ist das Evidenzniveau angegeben!

16 scheint die Vollelektrolytinfusion der Halb- 4 Anwendung von N-Acetylcystein 2-mal


elektrolyttherapie überlegen zu sein. Dosis: 600 mg p.o. (jeweils 1 Tag vor und am Tag der
1 ml/kg KG/h 12 h vor KM-Gabe, während der KM-Gabe) o Nutzen fraglich!
KM- und 24 h nach KM-Gabe! Keine Gabe von 4 Vermeidung von nephrotoxischen Substanzen
Diuretika (cave: Dehydratation!) (Aminoglykosiden, Glykopeptiden etc.)
4 Verwendung von nichtionisiertem, niedrig 4 evtl. Entfernung des applizierten Kontrastmit-
osmolarem KM (Osmolarität noch immer tels durch Hämodialyse (keine Peritoneal-
ca. 600 mosm/kg) o Verwendung alternativer dialyse!) bei deutlich eingeschränkter Nieren-
KM (Gadolinium) oder neuerer KM funktion (fraglicher positiver Effekt, da die
(z. B. Iodixanol = isoosmolares, dimeres Dialyse erst 1–2 h nach der KM-Gabe durchge-
Kontrastmittel) führt wird und das KM schon den renalen
4 Beschränkung der KM-Menge auf <300 ml Schaden induziert hat)
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357 17

Lebererkrankungen
W. Zink

17.1 Pathophysiologie von Leberfunktionsstörungen – 358

17.2 Akutes Leberversagen – 361

17.3 Hepatorenales Syndrom – 363

17.4 Leberersatzverfahren – 366

Ausgewählte Literatur – 368

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
358 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

17.1 Pathophysiologie von 17.1.3 Hepatische Perfusion


Leberfunktionsstörungen
4 Perfusion: ca. 25 % des HZV, davon 70–80 %
17.1.1 Physiologische Aufgaben durch die V. portae, 20–30 % durch die A. he-
der Leber patica
4 die hepatische O2-Versorgung erfolgt lediglich
4 hepatische Synthese zu ca. 50 % durch die V. portae, da die O2-Sätti-
5 Plasmaproteine (Albumin, Gerinnungs- gung nur 70 % beträgt (desoxygeniertes Blut)
faktoren, AT III, Cholinesterase, Komple- 4 Sättigung in den Lebervenen (ShvO2) nur ca.
mentfaktoren, Akut-Phase-Proteine, 35 % o mögliche zukünftige Überwachung
Lipoproteine) der gastrointestinalen Perfusion und des hepa-
5 Glykogensynthese und -speicherung tischen O2-Verbrauchs mit Hilfe eines fiber-
5 Glukoneogenese optischen Katheters in der Lebervene o ShvO2
5 Harnstoffsynthese und Gallenproduktion <45 % unter Therapie scheint mit schlechtem
4 hepatischer Stoffwechsel Outcome verbunden zu sein
5 Protein- und Lipoproteinstoffwechsel
5 Fettsäuremetabolismus und Ketogenese Regulation der Leberperfusion
5 Abbau von Häm 4 intrinsische Regulationsmechanismen
5 Bilirubinkonjugation 5 Druck-Fluss-Autoregulation: In Narkose
5 Vitaminstoffwechsel aufgehoben, da die Autoregulation der A.
5 Biotransformation von Pharmaka hepatica vom Grad der Nahrungsaufnahme
(Demethylierung und Glukuronidierung) abhängig ist und im Nüchternzustand außer
4 hepatische Exkretion Kraft tritt o Blutdruckabfall führt zur Ab-
5 Bilirubin nahme der arteriellen Leberdurchblutung
5 Steroide (Hormone, Gallensäuren) 5 Hepatic-arterial-buffer-response-Mecha-
5 Pharmaka wie z. B. Rocuronium, Vecu- nismen: semireziproke Beziehung zwischen
ronium, Ceftriaxon V. portae und A. hepatica: Abfall oder
4 hepatische Klärfunktion für Substanzen Anstieg der Pfortaderperfusion führt zu
5 Endotoxine einer gegensätzlichen Reaktion in der
5 Fibrinogenspaltprodukt (FSP) Leberarterie, jedoch kann der Abfall der Le-
5 Plasminogenaktivatoren berarteriendurchblutung nicht von der
V. portae kompensiert werden o Steuerung
der Leberarteriendurchblutung wahrschein-
17.1.2 Leberhistologie lich durch die Adenosinkonzentration!
5 metabolische Kontrollmechanismen: Re-
Leberläppchen bzw. Leberazinus o zonale Gliede- gelung der Leberperfusion durch:
rung des Leberazinus – pH-Wert (metabolische Azidose führt zu
4 periportal: O2- und nährstoffreiches sinusoi- Vasokonstriktion im präportalen und le-
dales Blut, viele Mitochondrien in den Hepa- berarteriellen Gebiet, Alkalose hat keine
17 tozyten (oxidativer Metabolismus, Glukoneo- Auswirkung hinsichtlich der Leberperfu-
genese) sion)
4 intermediär: Ausdehnung dieser Zone vom – paO2
O2-Angebot abhängig – paCO2: Hypokapnie o hepatischer
4 perizentral: Biotransformation von Pharmaka Blutflussp, Hyperkapnie o hepatischer
(Schädigung dieser Zellen durch toxische Zwi- Blutfluss n)
schenprodukte) – Temperaturabfall: Rückgang der O2-Auf-
nahme
– Hb
17.1 · Pathophysiologie von Leberfunktionsstörungen
359 17
4 extrinsische Regulationsmechanismen Veränderungen des hepatischen
5 humorale Steuermechanismen O2-Angebotes
– Katecholaminspiegel (Konstriktion in 4 Reduktion des hepatischen O2-Angebotes
V. portae; primäre Konstriktion und se- durch
kundäre Dilatation der A. hepatica über 5 anämische Hypoxie (Hb p)
α- und β-Rezeptoren) 5 hypoxische Hypoxie (sO2 p,pO2 p)
– Glukagon (Dilatation der Leberarterie) 5 ischämische Hypoxie (Perfusion p)
– vasoaktives intestinales Peptid (VIP) 4 Steigerung des hepatischen O2-Angebotes
– Angiotensin II (Vasokonstriktion in V. durch:
portae und A. hepatica) 5 Dopamin und Dobutamin
5 Steuerung über vegetatives Nervensystem 5 evtl. Dopexamin (experimentell; klinischer
(Parasymphatikus) Nutzen fraglich!)

Einflussfaktoren auf die Leberperfusion ! Keine Beeinflussung des O2-Angebotes durch


hämodilutive Verfahren (Hämatokrit-Sen-
Beeinflussung des hepatischen O2-Angebots durch
kung bis maximal 30 % vom Ausgangswert)
Anästhetika:
durch kompensatorische Erhöhung
4 volatile Anästhetika: Halothan, Enfluran und
der Lebergesamtdurchblutung und erhöhte
Isofluran erniedrigen den Blutfluss in der
O2-Ausschöpfung
Pfortader, während unter Isofluran ein kom-
pensatorischer Blutflussanstieg in der A. hepa-
tica auftritt o nicht unter Desfluran und Klinik
Sevofluran! 4 Ikterus
4 Lachgas isoliert zeigt nur geringen Effekt auf 4 Palmarerythem, Spider-Nävi, Gynäkomastie,
Leberdurchblutung Caput medusae
4 Injektionsanästhetika: Thiopental, Etomidat, 4 Splenomegalie, Aszites
Propofol reduzieren die Gesamtdurchblutung 4 allgemeine Ödemneigung bei verminderter
der Leber, bei Midazolam erst initialer Anstieg Eiweißsynthese (onkotischer Druck p)
der Pfortaderdurchblutung mit sekundärem 4 klinische und subklinische Zeichen der Enze-
Abfall. Unter Ketamin bleibt die Leberper- phalopathie (o Asterixis, reduzierte Leistung
fusion nahezu unverändert oder steigt ggf. im Number-Connection-Test, veränderte
leicht an Handschrift)
4 Opioide: Reduktion des Blutflusses in der 4 Koagulopathie mit Hämatomen
Leberarterie durch Alfentanil, keine Beein- 4 Kachexie
flussung durch Fentanyl 4 Juckreiz (vorwiegend bei der primär biliären
4 weitere Beeinflussung der Leberperfusion Zirrhose)
(Reduktion des Blutflusses) durch 4 Übelkeit und Erbrechen
5 PEEP-Beatmung 4 erhöhtes HZV (z. B. 8–10 l/min) infolge
5 Art des chirurgischen Eingriffs (Ober- multipler arteriovenöser Shunts und Oxyge-
baucheingriffe reduzieren die Leberper- nierungsstörungen bei intrapulmonalen
fusion am stärksten) Shunts im Rahmen der Leberinsuffizienz
4 keine Beeinflussung der Leberdurchblutung
durch Diagnostik
5 Muskelrelaxanzien wie z. B. Pancuronium jStatische Tests bzw. Laborwerte
und Vecuronium 4 Albumin p (HWZ: 14–21 Tage), Präalbumin p
5 Vasodilatanzien (Nitroglycerin, Nitroprus- (HWZ: 1,5 Tage)
sidnatrium) 4 Quick-Wert p (HWZ: VII 1,5–6 h, Faktor II:
4 Steigerung der Leberperfusion durch Adeno- 2–3 Tage)
singaben (experimentell) 4 Faktor III n
360 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

4 Cholinesterase (CHE) p (HWZ: ≈12 Tage) führung eines Thrombelastogramm (TEG)


5 Glykoprotein, das von der Leber syntheti- zur Beurteilung einer Thrombopathie
siert wird, effektivstes Enzym im mensch-
> Zur Abschätzung der Syntheseleistung sind
lichen Körper, dessen physiologische
die Faktor-VII-, die Protein-C- und die Anti-
Funktion unbekannt ist
thrombinbestimmung am empfindlichsten.
5 Reduktion der klinischen Aktivität der CHE
durch Cyclophosphamid, Thiotepa, Bambu-
terol (Asthmamittel) sowie bei Urämie, 17.1.4 Auswirkungen einer gestörten
Verbrennung, Bronchialkarzinom und Leberfunktion
Finalstadium eines Leberschadens
4 AT III p 4 bedingt durch eingeschränkte Synthese-
4 GOT-, GPT-Veränderungen (gute Korrelation leistung kommt es zu
mit der Schwere des akuten Leberzellschadens) 5 Hypo- und Dysproteinämien o erhöhte
4 Hepatitisserologie (HBsAg, HBC-IgM+IgG, freie, pharmakologisch wirksame Pharma-
HBC-Antikörper) kakonzentrationen von z. B. Thiopental
4 γ-GT-, LDH- sowie meist MCV-Erhöhung bei oder Midazolam infolge geringer Plasma-
Alkoholabusus eiweißbindung
4 Erhöhung von Bilirubin und alkalischer Phos- 5 einem Mangel an Plasmacholinesterase o
phatase (AP) als Hinweis auf Cholestase evtl. Wirkverlängerung von Succinylcholin,
Mivacurium, Lokalanästhetika vom Estertyp
jDynamische Tests 5 verminderte Synthese von Gerinnungs-
4 Beurteilung der Leberfunktion anhand von faktoren o Blutungsgefahr
Funktionstests 4 bedingt durch die eingeschränkte metaboli-
5 MEGX-Test: Mono-Ethyl-Glycin-Xylidid ist sche und exkretorische Funktion kommt es zu
der primäre Metabolit von Lidocain; ent- 5 Störungen des Glukosestoffwechsel infolge
steht durch Deethylierung aus Lidocain, hat einer peripheren Insulinresistenz mit
fast dieselbe pharmakodynamische Potenz Hyperglykämien, selten Hypoglykämien bei
wie Lidocain; MEGX-Bildung ist abhängig eingeschränkter Glukoneogenese (erst bei
von mikrosomaler Cytochrom-P450 3A- massivem Leberparenchymverlust)
Aktivität und Leberdurchblutung. Durch- 5 einer Akkumulation bestimmter Substanzen
führung des Tests: – neurotoxische Substanzen wie z. B.
– Blutentnahme: arterielle Entnahme von Ammoniak, Phenole
5 ml Blut in Serumröhrchen (0-Wert) – Laktat aufgrund einer verminderten
– Testsubstanz: Gabe von 1 mg/kg Lidocain Laktataufnahme und -verwertung
(Xylocain) in ZVK über 2 min (Hyperlaktatämie meist ohne metaboli-
– Blutentnahme 15 min nach Lidocaingabe: sche Azidose)
arterielle Entnahme von 5 ml in Serum- – Plasminogenaktivatoren und aktivierte
röhrchen (Zeitpunkt 1) Gerinnungsfaktoren o FSP n o intrava-
– Blutentnahme 30 min nach Lidocaingabe: sale Gerinnung n infolge einer geringeren
17 arterielle Entnahme von 5 ml in Serum- Elimination
röhrchen (Zeitpunkt 2) – Endotoxine aufgrund einer eingeschränk-
5 Exhalations-[14C-]-Aminopyrin-Test: ten RES-Clearancefunktion
5 Galaktose-Eliminationstest 4 Störung der Arzneimittelbiotransfomation
5 ICG-(Indocyaningrün-)Test o Phase-I-Reaktion p (Hydroxylierungsvor-
5 Blutbildveränderungen bei Hypersplenismus gänge), Phase-II- bzw. Glukuronidierungsvor-
sowie direkte toxische Wirkung auf das Kno- gänge in der Regel weniger betroffen
chenmark bei hepatischer Insuffizienz: Anä-
mie und Thrombozytopenie o ggf. Durch-
17.2 · Akutes Leberversagen
361 17
17.2 Akutes Leberversagen
. Tab. 17.1 Klinische Einteilung der hepatischen
Enzephalopathie nach den West-Haven-Kriterien
jDefinition
4 plötzlich einsetzende, potenziell reversible Grad Klinische Merkmale
Störung der Leberfunktion (ohne vorbestehen-
de Lebererkrankung) I Depression, Euphorie, leichte Verwirrung,
verwaschene Sprache, Konzentrations-
4 eher Symptom als eigenständige Erkrankung schwierigkeiten, Änderung des Schlaf-
4 Prognose abhängig von Ursache Wach-Rhythmus, gesteigerter Muskel-
4 2 klinische Hauptmanifestationen: Koagulo- tonus, Stereotypien
pathie (INR >1,5) und hepatische Enzephalo- II Persönlichkeitsstörung, mittelmäßige
pathie Verwirrung, Lethargie, Apathie, Schläfrig-
keit, Flapping Tremor (Asterixis), Desorien-
jEinteilung tiertheit, Verwirrtheit, Enthemmung und
Distanzlosigkeit
4 3 Formen gemäß der Acute Liver Failure Study
Group: III Soporös aber erweckbar, Ortsverlust,
5 hyperakutes ALV: Manifestation in <7 Tagen Amnesie, verwaschene Sprache, Hyper-
und/oder Hyporeflexie
5 akutes ALV: Manifestation in 7–21 Tagen
5 subakutes ALV: Manifestation in >21 Tagen, IV Koma, Mydriasis, Nackensteife, Streck-
aber weniger als 26 Wochen krämpfe
4 Sonderformen:
5 »Acute-on-chronic«-Leberversagen bei
akuter Verschlechterung einer chronischen 4 Infektionen:
Lebererkrankung 5 septischer Verlauf nicht selten
5 terminales chronisches Leberversagen bei 5 v. a. Lunge und Harnwege
chronischer Leberzirrhose 5 v. a. grampositive Erreger (Staph. aureus,
Streptokokken); Pilzinfektionen in bis zu
jPathophysiologie und Klinik 30 %
4 hepatische Enzephalopathie:
5 Einteilung in 4 Stadien (. Tab. 17.1) jUrsachen
5 Entwicklung eines Hirnödems durch 4 medikamentös-toxische Ursachen:
Schwellung der Astroglia o Gefahr der 5 intrinsische Schädigung durch Toxine mit
Einklemmung des Hirnstamms Dosis-Wirkungskurve o dosisabhängige
5 Ursache: Umwandlung von Glutamat in Leberschädigung (Paracetamol, Knollen-
osmotisch wirksames Glutamin o Wasser- blätterpilz)
einlagerung 5 idiosynkrastische Schädigung durch Hyper-
5 Hirnödem bei 75-80 % aller Patienten mit sensibilisierung bzw. genetische Disposition
hepatischer Enzephalopathie Grad IV o dosisunabhängige Leberschädigung in-
4 Gerinnungsstörungen: nerhalb von 6 Monaten nach Exposition
5 reduzierte Synthese von Gerinnungs- (Phenprocoumon, Exstasy, Tetrazyklin,
faktoren bei gesteigertem Verbrauch Halothan, Anabolika, Phytopharmaka,
5 Thrombozytopenie und Thrombozyten- Lisinopril, ...)
funktionsstörung 4 metabolische Ursachen:
5 Faktor V erniedrigt; Faktor VIII normal 5 Erstmanifestation eines M. Wilson (zumeist
4 akutes Nierenversagen: vor 35. Lebensjahr; bei Frauen früher als bei
5 in bis zu 50 % der Fälle Männern)
5 prognostisch bedeutend 5 alkalische Phosphatase niedrig; (indirektes)
5 Ursachen: Hypovolämie, hepatorenales Syn- Bilirubin stark erhöht
drom (s. u.), Tubulusnekrose, Intoxikationen 5 ggf. Coombs-negative, hämolytische Anämie
362 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

4 immunologische Ursachen: 4 kraniale Bildgebung (CT/MRT):


5 Autoimmunhepatitis 5 bei somnolenten Patienten ab hepatischer
4 vaskuläre Ursachen: Enzephalopathie Grad III
5 Budd-Chiari-Syndrom 5 Ischämie? Blutung? Einklemmung?
5 sinusoidales Obstruktionssyndrom (»veno-
occlusive disease«) infolge einer Ganz- jTherapie
körperbestrahlung/Chemotherapie 4 frühzeitige Kontaktaufnahme mit Transplanta-
4 virale Ursachen: tionszentrum empfohlen o Lebertransplanta-
5 hepatotrope Viren: tion oftmals als Ultima ratio!
– akute Hepatitis B-Infektion o hierzulan- 4 hepatische Enzephalopathie:
de rückläufig (HBV-Impfung seit 1996 als 5 Lactulose 3×20 ml/d o abführende Wir-
Standard für Kinder und Jugendliche) kung; Senkung des pH-Wertes im Darm
– akute Hepatitis C als Ursache eines ALV mit Resorptionshemmung des intestinalen,
sehr selten intraluminalen Ammoniaks
– akute Hepatitis E häufige Ursache eines 5 L-Ornithin-L-Aspartat ohne Vorteil bzgl.
ALV im asiatischen Raum (Schwangere!) einer Verbesserung des Outcomes bzw.
5 nicht-hepatotrope Viren (selten): einer Reduktion des Ammonikakspiegels
– humanes Herpesvirus Typ 6 4 Hirnödem:
– Epstein-Barr-Virus 5 Anhebung des Na+-Spiegels auf 145–
– Dengue-Virus 155 mmol/l o vermindertes Risiko einer
– Zytomegalie-Virus (Immunsuppression) intrakraniellen Druckerhöhung
– Parvovirus B19 (Kinder) 5 Oberkörperhochlagerung (30°)
4 schwangerschaftsassoziierte Ursachen: 5 großzügige Indikation zur Intubation bei
5 HELLP-Syndrom im letzen Trimenon Verdacht auf gesteigerten Hirndruck, ggf.
5 akute Schwangerschaftsfettleber moderate Hyperventilation
5 Volumen- und Vasopressortherapie o
jDiagnostik mittlerer arterieller Druck >70 mmHg
4 ausführliche (Fremd-)Anamnese: Vorerkran- 5 ggf. Gabe von Mannitol 20 % 0,3 g/kg KG über
kungen, zeitlicher Verlauf der Symptomatik, 15 min (Serumosmolarität <320 mosmol/l)
familiäre Vorbelastung, stattgehabtes zere- 5 ggf. milde Hypothermie
brales Ereignis, Alkohol- und Drogenkon- 4 Ernährungstherapie:
sum, Medikamenteneinnahme, Verzehr von 5 ausreichende Kalorienzufuhr (30 kcal/
Pilzgerichten, vorbestehende Blutungsnei- kg KG/d)
gung, ... 5 ausreichende Fettzufuhr als Energieträger
4 Labordiagnostik: Blutgerinnung, Serum- (mit reduziertem Anteil von Omega-6-Fett-
chemie, Blutbild, Blutgasanalyse, Ammonika- säuren)
spiegel, Virusserologie, ggf. toxikologisches 5 tägliche Proteinaufnahme 1,2–1,5 g/kg KG
Screening, ggf. Autoimmundiagnostik 5 bevorzugt verzweigtkettige Aminosäuren
4 Sonographie: (Leucin, Isoleucin, Valin)
17 5 Beurteilung von Lebergröße, Leberform 5 Proteinrestriktion bessert hepatische
und -konsistenz sowie Lebergefäßen Enzephalopathie nicht!
(Doppler!) 5 engmaschige Kontrolle des Blutglukose-
5 Aszites? Gestaute Gallenwege? Auffällige spiegels
Lymphknoten? Raumforderungen? 4 Gerinnungsstörungen:
4 Leberbiopsie: 5 Vitamin K i.v.
5 v. a. bei unklarer Ätiologie 5 großzügige Indikation zur Substitution von
5 zurückhaltende Indikationsstellung bei Gerinnungsfaktoren, v. a. vor anstehenden
manifesten Gerinnungsstörungen invasiven Prozeduren
17.3 · Hepatorenales Syndrom
363 17
5 FFP-Gabe umstritten, da evtl. negativen jKlinik
Einfluss auf Hirnödem 4 progredienter Abfall der glomerulären Filtra-
4 akutes Nierenversagen: tionsrate (Serumkreatinin n), sehr niedrige
5 Ausgleich eines potenziellen intravasalen Natrium-Ausscheidung im Urin, unauffälliges
Volumenmangels Urin-Sediment, Oligurie
5 ggf. »volume challenge« 4 HRS ist grundsätzlich reversibel (z. B. nach
5 frühzeitiger Beginn eines (kontinuierlichen) Lebertransplantation)
Nierenersatzverfahrens
5 Cave: reduzierte Citratmetabolisierung bei jInzidenz
Leberfunktionsstörungen! 4 bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites in
5 Leberersatzverfahren (s. u.) bis zu 18 % der Fälle nach 1 Jahr bzw. in bis zu
4 Paracetamolintoxikation: 39 % der Fälle nach 5 Jahren
5 sofortige Applikation von N-Acetyl-Cystein 4 HRS v. a. Patienten mit schwerer Lebererkran-
150 mg/kg KG in Glucose 5 % über 15–30 kung und erhöhter Aktivität des Renin-Angio-
min; danach 12,5 mg/kg KG über 4 h; tensin-Aldosteron-Systems
danach 6,25 mg/kg KG über 16 h
5 zusätzlich ggf. Aktivkohle 1g/kg KG oral jDiagnosekriterien des International
bzw. per Magensonde Ascites Club
4 Knollenblätterpilzintoxikation: Sibillin 20 mg/ 4 Leberzirrhose mit Aszites
kg KG i.v. pro Tag, verteilt auf 4 Einzeldosen 4 Serumkreatinin über 1,5 mg/dl (133 μmol/l)
4 Hepatitis B: Lamivudin 100 mg/d, wenn PTT 4 HRS Typ 1: Verdopplung des initialen Serum-
verlängert bzw. Quick <50 % kreatinins auf über 2,5 mg/dl (221 μmol/l) in
4 Autoimmunhepatitis: Prednisolon 40-60 mg/d weniger als 2 Wochen
i.v. 4 keine Verbesserung des Serumkreatinins
4 HELLP-Syndrom: ggf. frühzeitige Entbindung (<1,5 mg/dl bzw. 133 μmol/l) unter Diuretika-
nach Lungenreifung Pause sowie Volumenexpansion mit Albumin
(1 g/kg KG/d, maximal 100 g/d) innerhalb von
! Bei akutem Leberversagen und schwerer
48 h
hepatischer Enzephalopathie (Grad 3–4) sollte
4 kein (septischer) Schock (eine bakterielle In-
aufgrund eines zerebralen Ödems eine früh-
fektion darf aber vorliegen, z. B. eine spontane
zeitige kontrollierte Beatmung und zur Ver-
bakterielle Peritonitis)
meidung von psychomotorischen Agitationen
4 keine gegenwärtige oder vorhergehende
(o ICP-Anstieg!) eine adäquate Analgosedie-
Behandlung mit nephrotoxischen Substanzen
rung erfolgen o ggf. Hirndruckmonitoring
4 keine parenchymatöse Nierenerkrankung:
und Gabe von Mannitol bei akutem Hirndruck!
Proteinurie unter 500 mg/d, weniger als 50 Ery-
throzyten in der 400-fachen Vergrößerung
17.3 Hepatorenales Syndrom des Mikroskops und unauffällige Nierensono-
grafie
4 (Erst-)Beschreibung des hepatorenalen Syn-
droms (HRS) durch Frerichs im Jahr 1861 so- jVerlaufsformen und Prognose
wie durch Austin Flint im Jahr 1863 4 Typ I: akute Form des HRS mit spontan auftre-
tender Niereninsuffizienz und rapid-progre-
jDefinition dienter Verschlechterung der Nierenfunktion
4 funktionelles Nierenversagen bei akuter oder (Verdopplung des Serumkreatinins auf
chronischer, meist fortgeschrittener Leber- >2,5 mg/dl in <2 Wochen)
erkrankung (nach Ausschluss anderer Ursa- 5 oftmals Auslösefaktoren: spontane bakte-
chen), meist in Begleitung mit Aszites und rielle Peritonitis, Infektionen, gastrointesti-
Enzephalopathie nale Blutungen, operative Eingriffe, akutes
364 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

Leberversagen, akute Dekompensation jDiagnostik


einer chronischen Leberzirrhose, alkohol- 4 reduzierte GFR (Serumkreatinin >1,5 mg/dl)
toxische Fettleberhepatitis (cave: Muskelmasse p bei Leberzirrhose, dem-
5 sehr schlechte Prognose! Mediane Überle- nach Kreatininfreisetzung p o oftmals nor-
benszeit zwischen 2 Wochen (unbehandelt) males bzw. nur leicht erhöhtes Serumkreatinin
und 6 Wochen (behandelt), <10 % überle- 4 Ausschluss anderer Ursachen für ein akutes
ben das HRS Nierenversagen bei Leberzirrhose (s. unten)
4 Typ II: langsame Progredienz der Nierenfunk- 4 Oligurie
tionsverschlechterung über Wochen mit letzt- 4 Nachweis eines prärenalen Nierenversagens
lich auf niedrigem Niveau stabiler, einge- (unauffälliges Sediment, Urin-Na+ <10 mmol/l,
schränkter Nierenfunktion (genuines Nieren- keine Proteinurie) ohne Reaktion auf Volumen-
versagen im Rahmen einer Leberzirrhose) gabe
5 charakteristisch: refraktärer Aszites ohne 4 arterielle Hypotonie
Ansprechen auf eine adäquate Diruetika- 4 Dilutionshyponatriämie
therapie (Salz- und Wasserretention!) 4 Labor: Elektrolyte, Nierenwerte, Leberwerte,
5 bessere Prognose als HRS Typ I: medianes Infektparameter, Blutbild, Ausschluss Protein-
Überleben ca. 6 Monate (unbehandelt) urie und Hämaturie (renoparenchymatösen
Nierenerkrankung!)
jPathogenese 4 Sonographie: bei HRS Nieren morphologisch
4 hyperdyname Kreislaufsituation: periphere unauffällig, keine Parenchymveränderungen
arterielle Vasodilatation im Bereich der Extre- 4 ggf. diagnostische Aszitespunktion zum Aus-
mitäten und des Splanchnikusgebietes (MAP schluss einer spontanen bakteriellen Peritonitis
p) mit Umverteilung des Blutvolumens o v. a.
bedingt durch eine durch verschiedene Media- jDifferenzialdiagnosen des akuten Nieren-
toren und die portale Hypertension (vaskuläre versagen bei Leberfunktionsstörung
Scherkräfte!) ausgelöste endotheliale NO-Frei- 4 massive Hämolyse (z. B. nach Transfusions-
setzung reaktion, hämolytisch-urämischem Syndrom
4 arterielle Hypotonie: Aktivierung des Renin- oder Malaria) mit ausgeprägtem Ikterus bei
Angiotensin-Aldosteron-Systems o renale normaler Leberfunktion
Vasokonstriktion sowie Wasser- und Natrium- 4 akute Tubulusnekrose bei septischem Schock
retention 4 Glomerulonephritis, renale Vaskulitis
4 renale Hypoperfusion: renale Vasokonstrik- 4 Hypovolämie, z. B. während Aszitesaus-
tion und Umverteilung des renalen Blutstroms schwemmung mit prärenaler Azotämie oder
von kortikal nach medullär als Folge einer Ak- oberer gastrointestinaler Blutung
tivierung von neurohumoralen Mechanismen 4 Einfluss von nephrotoxischen Medikamenten
4 Aktivierung des sympathischen Nerven- 4 IgA-Nephropathie (bei nutritiv-toxischer
systems mit α-Rezeptor-vermittelter GFR- Leberzirrhose)
Verminderung 4 Intoxikation mit Tetrachlorkohlenstoffen
4 Steigerung der Vasopressinausschüttung
17 (nicht über osmotische Stimulation) o Vaso- jTherapie
konstriktion über V1-Rezeptorstimulation kAllgemeine Maßnahmen
4 Vasodilatation durch erhöhte Glukagon- 4 invasives Monitoring (Arterie, HZV-Monito-
Spiegel (Desensibilisierung der mesenterialen ring mit z. B. PiCCO-System und ZVK) und
Strombahn durch Katecholamine und Angio- strenge Bilanzierung mittels Blasenkatheter o
tensin II und intrazelluläre cAMP-Erhöhung) moderate Negativbilanzierung des Patienten
4 reduzierte kardiale Auswurfleistung im (ca. 300–500 ml/Tag)
Verlauf 4 Aszitespunktion und Entlastung: bei ausge-
prägtem Aszites mit Ausbildung eines abdomi-
17.3 · Hepatorenales Syndrom
365 17
nellen Kompartmentsyndroms kann eine Ent- 5 Therapiepause bei Serumalbuminkonzen-
lastung des Aszites zu einer Verbesserung tration >45 g/l, Hypervolämie bzw. Lungen-
der Nierenfunktion beitragen o IAP p o ödem
Nierenvenendruck p o verbesserte renale 4 transjugulärer intrahepatischer portosyste-
Hämodynamik mischer Shunt (TIPS) o portale Hypertonie
4 Vermeidung von nephrotoxischen p, Aszites p, Nierenfunktion n
Substanzen (z. B. Aminoglykoside) oder 5 Verschwinden des HRS nach TIPS-Anlage
Medikamenten, die die renale Perfusion o Überlebenswahrscheinlichkeit n
beeinflussen (nichtsteroidale Antiphlogis- 5 Kontraindikationen für TIPS-Anlage:
tika Analgetika o renale Prostaglandin- Serumbilirubin > 5 mg/dl, ausgeprägte
synthese) und zurückhaltender Einsatz von Enzephalopathie, schwere bakterielle Infek-
Diuretika tionen, ausgeprägte kardiale oder pulmona-
4 bei spontaner bakterieller Peritonitis früh- le Dysfunktionen, Child-Pugh-Score > 11
zeitige Antibiotikagabe o Senkung der 3-Mo-
nats-Letalität und der Inzidenz von Nieren- kHepatorenales Syndrom Typ II
dysfunktionen/Multiorganversagen (MOV) in 4 bisher keine verlässlichen Daten zum Nutzen
Kombination mit Albumin (?) von Vasopressoren
4 Ultima ratio: orthotope Lebertransplantation 4 bisher keine verlässlichen Daten zum Nutzen
(allerdings postoperativ erhöhte Mortalitäts- eines TIPS bezüglich der Überlebensrate,
raten bei Empfängern mit vorbestehendem jedoch fallweise Reduktion des Aszites
hepatorenalem Syndrom) 4 bei Hypervolämie, Urämie bzw. Hyper-
4 Nutzen einer kombinierten Leber-Nieren- kaliämie: Nierenersatzverfahren (CVVHD) als
Transplantation nach wie vor unklar unterstützende Maßnahme bis zur Lebertrans-
plantation bzw. bei zu erwartender Verbesse-
kHepatorenales Syndrom Typ I rung der Leberfunktion o keine laktathaltigen
4 »First line«-Therapie: Kombination aus Substitutionslösungen aufgrund eingeschränk-
Vasokonstriktoren und Albumin ter hepatischer Metabolisierung
4 Terlipressin derzeit Vasopressor der 1. Wahl 4 bisher keine verlässlichen Daten zum Nutzen
5 alternativ: Noradrenalin (vorsichtiger Ein- extrakorporaler Leberersatzverfahren
satz, da potenziell Verschlechterung der
Nierenfunktion möglich) jPrävention
5 erneutes Auftreten eines HRS nach Terli- 4 Volumendepletion vermeiden: kein Gewichts-
pressin/Albumin-Therapie in ca. 20 % der verlust von >1 kg/d auch bei forcierter diureti-
Fälle o Wiederholung oftmals erfolgreich scher Therapie
5 initiale Dosierung von Terlipressin 0,5–1 mg 4 Vermeiden nephrotoxischer Medikamente
alle 4–6 h 4 Volumensubstitution primär mit Albumin
5 Verdopplung der Terlipressindosis bis max. (z. B. 8 g Albumin/l Aszites), da großvolumige
12 mg/d bei Ausbleiben eines frühen Effekts Parazentesen >5–6 l durch Verschlechterung
(Serumkreatinin p um weniger als 25 % der Hämodynamik ebenfalls ein HRS induzie-
nach 2 Tagen) ren können
5 Therapieabbruch, wenn kein Effekt nach 3 4 Albumingabe (1,5 g/kg KG i.v. bei Diagnose-
Tagen bzw. nach 7 Tagen Maximaldosis kein stellung und 1 g/kg KG i.v. 48 h später)
Absinken des Serumkreatinins um mindes- bei Patienten mit Zirrhose und spontaner
tens 50 % bakterieller Peritonitis zusätzlich zur anti-
4 Albumin: biotischen Therapie steigert die arterielle
5 Initialdosis 1 g/kg KG (max. 100 g), dann Vasokonstriktion und senkt sowohl
jeweils 20–40 g/d Albumin o Inzidenz der die Inzidenz des HRS Typ I als auch die
spontanen bakteriellen Peritonitis p Mortalität
366 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

4 Norfloxacin zur Primärprophylaxe einer


spontanen bakteriellen Peritonitis ogeringere
Inzidenz und bessere 3-Monats-Überlebens-
wahrscheinlichkeit

17.4 Leberersatzverfahren

Die Detoxifikation mit bioartifiziellen Systemen


oder maschinellen Systemen scheint in den letzten
Jahren zunehmend, insbesondere als »bridging«
bis zur Lebertransplantation, an Bedeutung zu ge-
winnen.

jEinteilung
4 biologische Systeme
4 künstliche Systeme:
5 SPAD (Single-Pass-Albumin-Dialyse)
5 MARS-System (Molecular-absorbent-recir- . Abb. 17.1 Ausschnitt aus der semipermeablen MARS-
Membran. Nur wasserlösliche und albumingebundene To-
culating-System, Fa. Gambro) xine können die Membran passieren
5 Prometheus-System (Fa. Fresenius)

17.4.1 MARS-System (»molecular Effekte


absorbent recirculating system«) 4 Reduktion der Stickstoffmonoxidproduktion
durch MARS-Therapie im Rahmen des hepa-
Historie des MARS-System torenalen Syndroms (HRS) o Entfernung von
1993 Erster Patient mit Albumindialyse NO (Nitrosothiol) und hierdurch Verbesse-
1999 Erste Behandlung mit dem MARS-System rung des mittleren arteriellen Druckes (MAP)
2000 Mehr als 400 behandelte Patienten
vor allem bei »Acute on chronic liver failure«-
Patienten
> Behandlungsziel: Der Zustand des Patienten 4 Verbesserung der Urinproduktion mit MARS
soll stabilisiert werden, um eine Regenera- bei HRS
tion der Leber oder eine Transplantation zu 4 Besserung des therapieresistenten Pruritus
ermöglichen. (vor allem bei primär biliärer Zirrhose)
4 Besserung des intrakraniellen Druckes und
Funktionsweise (Albumindialyse) verbesserte Synthesefunktion der Leber (nach
Selektive Entfernung von an Albumin gebundenen Mitzner et al. 2000)
Giftstoffen aus der Blutbahn von Patienten mit Le-
17 berinsuffizienz über eine semipermeable Spezial- jIndikationen
membran (. Abb. 17.1), die für Albumin nicht kHauptindikationen (. Abb. 17.3)
durchlässig ist. Anschließend Regeneration des ex- 4 dekompensierte chronische Lebererkran-
trakorporalen (Dialyse-)Albumins nach Durchfluss kungen
durch: 5 »acute-on-chronic liver failure« (AoCLF)
4 einen Adsorber (Aktivkohlefilter) und 5 dekompensierte (end-stage) Zirrhose
4 einen Ionenaustauscher (. Abb. 17.2). 4 akutes Leberversagen/Leberdysfunktion
5 akutes Leberversagen
5 akute intrahepatische Cholestase
17.4 · Leberersatzverfahren
367 17

. Abb. 17.2 Schematische Darstellung des Blutflusses beim Leberersatzverfahren

. Abb. 17.3 Indikationen zum Leberersatzverfahren


368 Kapitel 17 · Lebererkrankungen

4 Transplantatversagen Begriche K, Massart J, Robin MA et al. (2011) Drug-induced


5 »primary graft dysfunction« toxicity on mitochondria and lipid metabolism: mecha-
nistic diversity and deleterious consequences for the
5 »primary graft non-function«
liver. J Hepatol 54:773–794
4 Leberversagen/-dysfunktion nach leberchirur- Bernal W (2003) Intensive care support therapy. Liver Transpl
gischen Eingriffen 9:15–17
4 therapieresistenter Pruritus bei chronisch-cho- Bernal W, Auzinger G, Dhawan A et al. (2010) Acute liver
lestatischen Syndromen failure. Lancet 376: 190 – 201
Biancofiore G, Auzinger G, Mandell S et al. (2012) Liver cirrho-
4 Multiorganversagen
sis in the medical critical care patient. Minerva Anestesiol
78:693–703
kIndikationen anhand von Labor- und Test- Broussard CN, Aggarwal A, Lacey SR et al. (2001) Mushroom
ergebnissen poisoning – from diarrhea to liver transplantation. Am J
4 Bilirubin >8–10 mg/dl Gastroenterol 96:3195–3198
4 ICG-PDR <8–10 % plus Brunnenberg T, Cicinnati VR, Schmidt HHJ (2013) Akutes
Leberversagen. Intensivmedizin up2date 8:145–155
4 hepatische Enzephalopathie > Grad 2 (Somno-
Das V, Boelle PY, Galbois A et al. (2010) Cirrhotic patients in
lenz/Agitiertheit) oder hepatorenales Syndrom the medical intensive care unit: early prognosis and
4 Störung der Gerinnung mit INR >2 long-term survival. Crit Care Med 38:2108–2116
Eefsen M, Dethloff T, Frederiksen HJ et al. (2007) Comparison
2 größere prospektive randomisierte multizentrische of terlipressin and noradrenalin on cerebral perfusion,
intracranial pressure and cerebral extracellular concen-
Studien ergaben, dass weder mit dem MARS- noch
trations of lactate and pyruvate in patients with acute
mit dem Prometheus-Verfahren ein Überlebensvor- liver failure in need of inotropic support. J Hepatol
teil für die mit Leberunterstützungsverfahren be- 47:381–386
handelten Patienten (v. a. mit dekompensierter Le- Fernandez J, Monteagudo J, Bargallo X et al. (2005) A random-
berzirrhose) gegenüber der Kontrollgruppe erreicht ized unblinded pilot study comparing albumin versus
hydroxyethyl starch in spontaneous bacterial peritonitis.
werden konnte. Lediglich in einer Subgruppenana-
Hepatology 42:627–634
lyse für Patienten mit einem MELD-Score >30 ergab Fernandez J, Navasa M, Planas R et al. (2007) Primary prophy-
sich ein signifikanter Vorteil in Bezug auf das Über- laxis of spontaneous bacterial peritonitis delays hepa-
leben. Beide Verfahren waren allerdings sicher in der torenal syndrome and improves survival in cirrhosis.
klinischen Anwendung und zeigten effektive Deto- Gastroenterology 133:818–824
xifikationsergebnisse. Gines P, Torre A, Terra C, Guevara M (2004) Review article:
pharmacological treatment of hepatorenal syndrome.
> Aufgrund der derzeitigen Datenlage kann Aliment Pharmacol Ther 20 Suppl 3:57–62
keine generelle Empfehlung zum Einsatz von Haussinger D, Schliess F (2008) Pathogenetic mechanisms of
hepatic encephalopathy. Gut 57:1156–1165
Leberunterstützungsverfahren bei dekom-
Kjaergard LL et al. (2003) Artificial and bioartificial support
pensierter Leberzirrhose gegeben werden o systems for acute and acute-on-chronic liver failure: A
ggf. »bridging to transplant« bei fehlenden systematic Review. JAMA 289:217–222
Kontraindikationen und MELD-Score >30! Kribben A, Gerken G, Haag S et al. (2012) Effects of fraction-
ated plasma separation and adsorption on survival in
patients with acute-on-chronic liver failure. Gastroenter-
ology 142:782–789 e3
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Kurschat C, Grundmann F Benzing T (2010) Das hepatorenals
17 Syndrom. Intensivmedizin up2date 6:41–50
Alessandria C, Ottobrelli A, Debernardi-Venon W et al. (2007) Lerschmacher O, Koch A et al. (2013) Management der
Noradrenalin vs terlipressin in patients with hepatorenal dekompensierten Leberzirrhose auf der Intensiv-
syndrome: a prospective, randomized, unblinded, pilot station. Med Klin Intensivmed Notfallmed. Epub ahead
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Banares R, Nevens F, Larsen FS et al. (2013) Extracorporeal Mitzner SR, Stange J, Klammt S et al. (2000) Improvement of
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Stange J (2011) Extracorporeal liver support. Organogenesis
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Wauters J, Wilmer A (2011) Albumin dialysis: current practice
and future options. Liver Int 31:039–12
371 18

Pankreatitis
W. Zink

18.1 Akute Pankreatitis – 372

Ausgewählte Literatur – 380

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
372 Kapitel 18 · Pankreatitis

jEinteilung system als kalzifizierende Verbindung aus-


4 akute interstitiell-ödematöse oder hämorrha- fällt, und der erhöhte Sphincter-Oddi-Tonus,
gisch-nekrotisierende Pankreatitis (reversibel) der durch Rückstau von Pankreassekret zu
4 chronische Pankreatitis (irreversibel, struktu- einer intrazellulären Enzymaktivierung
relle Veränderungen wie dilatierter und im führt
Kaliber unregelmäßiger Ductus pancreaticus, 4 idiopathisch (10–20 %) o 2/3 der Patienten
kontinuierliche Entzündungszeichen, einge- besitzen jedoch in der ERCP nachweisbare
schränkte endo- und exokrine Funktion) Mikrogallensteine oder Gallen-Sludge. Thera-
pie: endoskopische Papillotomie oder Chole-
zystektomie
18.1 Akute Pankreatitis 4 hereditär o meist spontane Punktmutation
innerhalb des Trypsinogen-Gens auf Chromo-
jAtlanta-Klassifikation som 7, die zu einer Störung der intrazellulären
Die akute Pankreatitis wird nach der Atlanta-Klas- Trypsin-Inaktivierung führt (Patienten meist
sifikation aus dem Jahr 1992 eingeteilt in: <20 Jahre, hohe Penetranz (>80 %) des auto-
4 leichte akute Pankreatitis (mit interstitiellem somal-dominant vererbten Gendefektes)
Pankreasödem und nur minimaler Organdys- 4 infektiös (Mumps- oder Coxsackie-B-Viren,
funktion ohne Komplikationen) HIV)
4 schwere akute Pankreatitis (mit Organversa- 4 traumatisch
gen und/oder lokalen Komplikationen wie int- 4 medikamentös
ra- und peripankreatische Flüssigkeitsansamm- 5 gesicherter Zusammenhang für Azathio-
lungen, Nekrosen, Abszess oder Pseudozyste) prin, 6-Mercaptopurine, Asparaginase,
bzw. in 7 verschiedene Stadien (. Tab. 18.1). Pentamidine, Didanosine
5 wahrscheinlicher Zusammenhang für Furo-
jInzidenz und Letalität semid, Hydrochlorothiazide, Valproin-
4 Deutschland: 10–46 Neuerkrankungen auf säure, Tetracycline, Sulfonamide, Sulphaza-
100.000 Einwohner/Jahr; 50.673 Neuerkran- lazine, Paracetamol- und Ergotaminüber-
kungen im Jahr 2008 dosierungen und Propofol
4 ca. 75–85 % der Pankreatitiden als ödematöse 4 primärer Hyperparathyreoidismus bzw.
Verlaufsform (Letalität: <1 %) Hyperkalziämie (auch exogen bedingt)
4 ca. 15–25 % der Pankreatitiden als schwere 4 Hyperlipidämie (Typ I, IV,V)
akute Pankreatitis mit Teil- oder Totalnekrose:
(Letalität ohne Infektion 12 % und mit Infek-
tion ca. 17 %, wobei eine frühe Infektion inner-
. Tab. 18.1 7 Stadien der schweren akuten
halb von 4 Wochen nach Beginn der Pankrea-
Pankreatitis
titis eine hohe Letalität von 10–40 % aufweist
und eine Infektion nach >4 Wochen durch eine Stadium Klinik
geringere Letalität von 0–8 % gekennzeichnet
ist) I Akute Pankreatitis

II Milde akute Pankreatitis


jUrsachen
III Akute schwere Pankreatitis
18 4 biliär (Gallensteine; 40–50 %)
4 äthyltoxisch (30–40 %) o jedoch nur 5–10 % IV Akute Flüssigkeitskollektion/Fettge-
websnekrose
der »schweren Trinker« entwickeln eine
Pankreatitis o Ätiologie letztendlich unklar: V Pankreasnekrose
postuliert wird die Stimulation der exokrinen VI Pseudozyste
Sekretion durch Alkohol, die Sezernierung von
VII Pankreasabszess
unlöslichem Pankreaseiweiß, das im Gang-
18.1 · Akute Pankreatitis
373 18
4 Selten:
. Tab. 18.2 Ranson-Score
5 Duodenaldivertikel, penetrierendes Ulcus
duodeni, duodenaler Parasitenbefall (Aska- Bei Aufnahme Risikofaktor
riden), Zustand nach kardiopulmonalem
Bypass, Pancreas divisum (zweigeteilte Alter >55 Jahre 1
Anlage mit Ductus santorini und Ductus Leukozytose >16.000/mm³ 1
Wirsungianus)
Glukose >200 mg/dl (>11 mmol/l) 1
5 atherosklerotisch bedingt
5 Sphincter-Oddi-Dyskinesie (erhöhter LDH >400 U/l 1
basaler Sphinktertonus >40 mmHg) GOT >250 U/l 1

> 80 % aller akuten Pankreatitiden sind biliärer Innerhalb von 48 h nach Kranken-
hausaufnahme
oder alkoholtoxischer Genese, 80 % aller
chronischen Pankreatitiden sind alkohol- Hkt-Abnahme >10 % 1
toxisch bedingt. Anstieg des Serumharnstoffs 1
>11 mg/dl (>1,8 mmol/l)

jPathophysiologie Serumkalzium <2 mmol/l 1


4 vorzeitige, intrazelluläre Aktivierung von paO2 <60 mmHg (<8,0 kPa) 1
Pankreasenzymen in den zytoplasmatischen
Basendefizit >4 mmol/l 1
Vakuolen und konsekutiver Übertritt der akti-
vierten Serinproteasen ins umgebende Gewebe Flüssigkeitsdefizit >6 l 1
mit Autolyse: Vergabe von jeweils einem Punkt bei zutreffendem
5 Lipase o Fettgewebsnekrosen Kriterium:
5 Trypsin + Chymotrypsin o Ödem und
Risikofaktor Mortalitätsrate
Nekrose, Aktivierung weiterer Enzyme
[%]
5 Elastase o Blutungen
5 Kallikrein o Bildung von Kininen o Vaso- 0–2 <1–2
dilatation und Schmerzentstehung, Kapil- 3–4 ≈15
larpermeabilitätserhöhung mit Flüssigkeits-
5–6 ≈40
verschiebung in den 3. Raum
5 Aktivierung von Phospholipase A2 o Lyso- >6 ≈100
lezithinbildung mit zytotoxischem Effekt
Der Ranson-Score ohne die LDH-, BE- und Flüssigkeits-
4 Freisetzung verschiedener vasoaktiver Zyto-
defizit-Bestimmung (8 Kriterien!) wird als Glasgow-
kine und toxischer Substanzen, u. a. als domi- bzw. Imrie-Score bezeichnet.
nantes Zytokin der Plättchen aktivierende Fak-
tor (PAF), daneben Interleukin 1 n, TNF-α n
(HWZ: 14–18 min!) und Interleukin 6 n, wäh-
rend Interleukin 2 p, Interleukin 10 p (die plikationen < schwere Pankreatitis mit
Zytokinspiegel sind im Pankreasgewebe um Organversagen).
ein Vielfaches höher als im Serum) 4 Aktivierung der Komplement-, Kinin-, Gerin-
4 Konzentration des physiologischen, löslichen nungs- und fibrinolytischen Kaskade o Akti-
TNF-Rezeptors (sTNFR) innerhalb der ersten vierung von polymorphnukleären Granulozy-
24 h der Intensivbehandlung einer akuten ten und Endothelzellen
Pankreatitis ist ein prognostischer Marker hin-
sichtlich der Entwicklung eines Multiorgan- jSchweregradeinteilung
versagens! Die Höhe der Serumspiegel korre- 4 nach klinischen und laborchemischen Krite-
liert mit dem Schweregrad (milde Verlaufs- rien bei Aufnahme und nach 48 h anhand des
form < schwere Pankreatitis mit lokalen Kom- Ranson-Scores
374 Kapitel 18 · Pankreatitis

. Tab. 18.3 CT-orientierte Schweregradeinteilung. (Adaptiert nach Ranson et al. 1985)

Radiologischer Befund Punkte

A Normal 0

B Fokale und diffuse Vergrößerung des Pankreas, inhomogenes Parenchym, kleine intrapankrea- 1
tische Flüssigkeitsansammlung

C Veränderungen wie bei A und B, zusätzlich peripankreatisch entzündliche Veränderungen 2


Pankreasnekrosen <30 %

D Veränderungen wie bei A, B und C, zusätzlich einzelne peripankreatische Flüssigkeitsansamm- 3


lungen
Pankreasnekrosen 30–50 %

E Veränderungen wie bei A, B, C und D, zusätzlich ausgedehnte, peripankreatische Flüssigkeits- 4


ansammlungen
Pankreasnekrose >50 %

0–4 Punkte je nach Kriterium A–E plus 2, 4 oder 6 Punkte für das Nekroseausmaß

Gesamtpunkte Letalität

0–13 13 %

4–16 16 %

7–10 20 %

4 nach radiologischen Kriterien (CT-orientierte 5 Patienten mit zweifelhafter Diagnose


Einteilung) anhand von Ranson und Balthazar »Pankreatitis«
4 nach dem APACHE-II-Score (12 physiolo- 5 Patienten mit Hyperamylasämie und schwe-
gisch-biochemische Faktoren, 7 Kap. 39) rer klinischer Pankreatitis, starkem Meteo-
rismus, hohem Fieber oder Leukozytose
kRanson-Score 5 Patienten mit einem Ranson-Score >3 oder
Der Ranson-Score wurde 1974 anhand von 100 Pa- APACHE-Score >8 Punkten (. Tab. 18.3)
tienten mit alkoholinduzierter Pankreatitis evalu- 5 Patienten mit fehlender klinischer Besse-
iert o Verwendung von 11 klinischen Parametern rung nach 72-stündiger konservativer
mit prognostischer Bedeutung (. Tab. 18.2). Therapie
Aktuelle Untersuchungen konnten das Alter, 5 akuter Verschlechterung des klinischen
das Vorliegen einer respiratorischen und/oder rena- Zustands nach anfänglicher Besserung
len Insuffizienz sowie einer Schocksymptomatik als
bessere prädiktive Marker für die Mortalität der
Definition »schwere Pankreatitis«
Pankreatitis identifizieren!
(nach klinischen Kriterien)
5 Ranson-Score >3 oder
kCT-orientierte Schweregradeinteilung
5 APACHE-Score >8 Punkte oder
18 4 »golden standard« für die Diagnose »nekroti-
5 Fehlende klinische Besserung unter konser-
sierende Pankreatitis« (. Abb. 18.1, . Abb.
vativer Therapie bzw. rapide Verschlechte-
18.2)
rung des klinischen Zustands
4 hohe Sensitivität bei einem Pankreasnekrose-
5 Vorhandensein eines der folgenden
anteil >30 %
Kriterien: Schock, renale oder pulmonale
4 Indikationen: eine CT-Untersuchung sollte
Insuffizienz
grundsätzlich durchgeführt werden bei:
18.1 · Akute Pankreatitis
375 18
4 Hämatokrit bei Aufnahme erhöht auf über 44 %
oder kein Abfallen des Hämatokrits in den
ersten 24 h der Therapie
4 Procalcitonin über 3,8 ng/ ml ab dem 3. Tag
nach Beschwerdebeginn
4 Angiopoetin 2 erhöht

jKlinik
4 plötzlich einsetzende, starke, innerhalb von
60 min zunehmende, gürtelförmige Schmerzen
im Oberbauch mit Ausstrahlung in den
Rücken (50 % der Fälle) o meist postprandial!
4 Übelkeit und Erbrechen
. Abb. 18.1 CT-Bild einer schweren akuten nekrotisie-
4 evtl. Fieber, erhöhte Entzündungsparameter
renden Pankreatitis mit Nekrosebildung, besonders im Kopf- (CRP, Leukozytose, Procalcitonin, IL-6)
bereich. Ausgedehnte exsudative Komponente mit sog. 4 Hypovolämie mit gelegentlicher Schocksymp-
»Nekrosestraße« in Richtung auf den unteren Milzpol. tomatik o starkes retroperitoneales Ödem
(Aus Sulkowski et al. 1998) 4 starker Meteorismus
4 spärliche oder fehlende Darmgeräusche bis
paralytischer Ileus (»Totenstille«)
4 respiratorische Insuffizienz infolge meist links-
seitigen Pleuraergusses, Atelektasen oder
schmerzbedingter Hypoventilation, selten
ARDS-Entwicklung
4 Zeichen der Pankreasinsuffizienz (Blutzucker-
entgleisungen)
4 bei 90 %iger Organinsuffizienz: Zeichen der
Maldigestion (Flatulenz, Meteorismus, übel-
riechende, fettreiche Stühle)
4 bei nekrotisierender Pankreatitis:
5 Cullen-Zeichen: bläuliche Verfärbung um
den Nabel
. Abb. 18.2 Akute nekrotisierende Pankreatitis mit Luftein-
schlüssen in der Pankreasloge als Zeichen der bakteriellen 5 Grey-Turner-Zeichen: bläuliche oder grün-
Nekrosenbesiedlung. (Aus Sulkowski et al. 1998) braune Verfärbung der Flanken als Zeichen
von intrapankreatischen und retroperito-
nealen Einblutungen
jPrädiktive Faktoren für einen komplizierten
Verlauf jKomplikationen
4 3 oder mehr Hinweise auf Organkomplikatio- 4 partielle bzw. multifokale Nekrosen, selten
nen im Ranson-Score, bestimmt bei Aufnahme totale Pankreasnekrose
und nach 48 h 4 Infektion von nekrotischen Arealen (bei 40–
4 extrapankreatische Komplikation (z. B. respira- 70 % aller nekrotisierenden Pankreatitiden
torische oder Niereninsuffizienz) kommt es zur bakteriellen Besiedelung von
4 Nachweis von Pankreasnekrosen im kontrast- pankreatischem und peripankreatischem sowie
mittelverstärkten CT retroperitonealem Gewebe innerhalb von 3
4 bis auf 130 mg/dl erhöhter CRP-Wert in den Wochen) o Gefahr der Abszessbildung ab
ersten 48 h nach Schmerzbeginn ohne Anhalt der 4. Woche nach Beginn der Pankreatitis
für einen anderen Infektionsherd (. Abb. 18.3)!
376 Kapitel 18 · Pankreatitis

jDiagnostik
kSerumenzyme
4 Lipase im Serum n über das 3-fache der Norm
(>350–1000 U/l)
4 Amylase im Serum (>350 U/l) und Urin n über
das 3-fache der Norm
> Die simultane Bestimmung dieser Enzyme
besitzt eine Sensitivität und Spezifität von
90–95 %. Beide Enzyme können jedoch bei
Niereninsuffizienz (renale Elimination) um
das 3-fache erhöht sein! Die Höhe der Pank-
reasenzyme korreliert nicht mit dem Schwe-
regrad der Pankreatitis!

4 bei biliärer Pankreatitis


. Abb. 18.3 Darstellung von möglichen Infektionswegen
der infizierten nekrotisierenden Pankreatitis. (Adaptiert nach 5 erhöhte Bilirubin- und GOT-Werte (>80 U/l)
Uhl et al. 1998) 5 Cholestase-Enzyme n (γ-GT, AP, LAP, ggf.
Bilirubin)
4 bei nekrotisierender Pankreatitis:
4 Infektion des nekrotischen Pankreasgewebes 5 CRP n um den 3.–4. Tag nach
erfolgt Erkrankungsbeginn (>12 mg/dl)
5 aufgrund einer transkolischen Migration 5 LDH n (>270 U/l)
von Bakterien auf lympathischem Wege 5 α1-Antitrypsin n (>3,5 g/l) und
5 hämatogen α2-Makroglobulin p (<1,3 g/l)
5 durch aufsteigende Infektion vom Duode- 5 Procalcitonin n (PTC)-Anstieg bei
num via Ductus pancreaticus Infizierung der Pankreasnekrosen!
5 über das Gallengangssystem 4 weitere fakultative Laborveränderungen:
5 von der Portalvene aus 5 Hyperglykämie mit Glukosurie
4 Pseudozystenbildung mit ggf. Kompressions- 5 Hypokalzämie (prognostisch ungünstig)
symptomatik 5 Leukozytose
4 Fistelbildung (hohe Amylasewerte in der 5 Anstieg von Kreatinin und Harnstoff bei
Drainagenflüssigkeit) progredienter Nierenfunktionsverschlechte-
4 SIRS/Sepsis und hypovolämischer Schock rung
infolge massiver Flüssigkeitsverschiebung ins 4 weitere laborchemische Untersuchungen bei
Interstitium chronischer Pankreatitis:
4 akutes Nierenversagen infolge Volumenmangel 5 Chymotrypsin im Stuhl p (<5 U/g Stuhl)
und toxischer Tubulusschädigung (schlechte 5 Nachweis von Steatorrhö (>7 g/24 h) unter
Prognose bezüglich des Outcomes) definierter Diät (100 g Fett/Tag)
4 respiratorische Insuffizienz (ALI, ARDS) 5 Stuhlgewicht >300 g/Tag
4 »remote organ failure«, ggf. Multiorganver-
sagen (MOV) kFunktionstests
18 4 Choledochusstenosen mit Cholestase (Ikterus 4 Sekretin-Pankreozymin-Stimulationstest:
und Stauungsschmerz) »golden standard« o Bestimmung der Bikar-
4 Duodenalstenosen bonatexkretion im Duodenalsekret über 2–3 h
4 Verbrauchskoagulopathie nach Sekretin-i.v. Gabe (pathologisch: <80–
4 Milzvenenthrombose mit portaler Hyper- 90 mval/l ab 60 %igem Organfunktionsverlust)
tension 4 Bentiromide-Test: enzymatische Spaltung die-
ses Stoffes nach oraler Gabe unter Para-Ami-
18.1 · Akute Pankreatitis
377 18
nobenzoesäurebildung, die nach Absorption 4 selten Makroamylasämie (z. B. nach HAES-
vollständig renal eliminiert wird! Gabe)
4 Pankreolauryltest
4 oraler Glukosetoleranztest (im Spätstadium jTherapie
pathologisch) kBasistherapie
4 Bettruhe und ggf. intensivmedizinische
kZusatzuntersuchungen Überwachung
4 Sonographie des Abdomens: meist einge- 4 frühe hämodynamische Stabilisierung zur
schränkte Beurteilbarkeit bei ausgeprägtem Verbesserung der Makro- und Mikrozirkula-
Meteorismus (geschwollenes Pankreas nur in tion mit erhöhtem O2-Angebot durch Aus-
ca. der Hälfte der Fälle nachweisbar) gleich des intravasalen Flüssigkeits- und
4 kontrastmittelverstärkte CT-Untersuchung: Elektrolytverlustes o Rehydratation mittels
Nachweis von ödematösen und nekroti- 5–10 ml/kg KG/h bzw. 3–5 l/24 h balancierter
schen Pankreasbezirken sowie peripankreati- kristalliner Lösung
schem Gewebe und deren Ausmaße durch 4 Überwachung der Gewichtsentwicklung,
kontrastmittelunterstützte computertomo- welche ab dem 12. Tag wieder abnehmen
graphische Untersuchungen bei Hyperamy- sollte
lasämie, ausgeprägtem klinischem Befund 4 frühzeitige enterale Ernährung über eine
und Fieber >39°C Magen bzw. Jejunalsonde o geringere Inzi-
4 ggf. CT-gesteuerte Feinnadelpunktion von denz an katheterassoziierten septischen Kom-
suspekten Pankreasgebieten zum Nachweis plikationen, hyperglykämischen Phasen und
von infiziertem nekrotischem Gewebe (geringe geringere Kosten im Vergleich zur totalen par-
Komplikationsrate, Sensitivität >90 %) enteralen Therapie sowie Reduktion der Mor-
4 Thoraxröntgenaufnahme: ggf. linksseitiger Er- talität in der späten Phase einer akuten Pankre-
guss, Plattenatelektase, Pneumonie, freie Luft atitis o Substitution der parenteralen und en-
unter dem Zwerchfell bei Ulkusperforation mit teralen Therapie mit Glutamin o Stabilisie-
Pankreasbeteiligung rung der Mukosabarriere und Reduktion der
4 Abdomenübersicht: bakteriellen Translokation mit septischen
5 Luft- und Flüssigkeitsspiegel bei Ileus- Komplikationen
symptomatik 4 frühzeitiger oraler Kostaufbau bei schmerz-
5 Nachweis von schattengebenden Gallen- freien Patienten
steinen oder Kalkinseln im Pankreas- 4 ggf. gastrale Sekretabsaugung zur Vermeidung
bereich bei chronisch-kalzifizierender der Pankreasstimulation durch die Magensäure
Pankreatitis (von einigen Autoren wird das Legen einer
5 Pankreasabszess mit gasbildenden Bakte- Magensonde bei Fehlen von Übelkeit, Erbre-
rien (Flüssigkeitsansammlung mit über- chen, Meteorismus und Ileussymptomatik auf-
schichteter Gasanreicherung) grund einer fehlenden nachgewiesenen Effek-
tivität abgelehnt)
jDifferenzialdiagnose 4 Antikoagulation: Low-dose-Heparinisierung
Erhöhte Enzyme bei: 2-mal 5000–7500 I.E. s.c.
4 perforiertem Ulkus 4 ineffektiv: spezifische medikamentöse Thera-
4 Cholezystitis pie (Antiproteasen, Protease-Inhibitoren, Anti-
4 Mesenterialinfarkt oxidanzien oder Antiphlogistika)
4 Ileus 4 obsolet: »Ruhigstellung« des Pankreas durch
4 Aortenaneurysma antisekretorische Substanzen
4 Parotitis
4 Extrauteringravidität
4 Niereninsuffizienz
378 Kapitel 18 · Pankreatitis

kAdäquate Schmerztherapie
. Tab. 18.4 Anreicherung von Antibiotika im
4 PCA mit intravenösen Opioiden o Einfluss auf Pankreasgewebe
die Sphincter-Oddi-Funktion nach aktuellem
Wissensstand nur gering! Antibiotikum Verhältnis von Gewebs-
4 Periduralanästhesie (kontinuierliche Infusion zu Serumspiegel
von 0,2 % Ropivacain (ca. 3–6 ml/h) über Moxifloxacin 1,82
thorakalen Periduralkatheter o Abwägung
Imipenem 0,98
gegenüber dem Risiko der sekundären Infek-
tion des Periduralkatheters Ciprofloxacin 0,86
4 ggf. zusätzlich NSAID: Metamizol (4 g/24 h), Cefotaxim 0,78
Paracetamol (4 g/24 h), Naproxen (2×500 mg) Piperacillin 0,72
4 kontinuierliche 1 %ige Procaingabe ohne Vor-
Mezlocillin 0,71
teil in kontrollierten Studien der vergangenen
Jahre gegenüber Plazebo o daher nicht mehr Tobramycin 0,22

empfohlen! Netilmicin 0,21

kAntibiotische Therapie
> In neueren Studien wurde überzeugend
4 nur bei sekundärer Infektion von Pankreas-
gezeigt, dass eine generelle Antibiotika-
nekrosen (bereits bei Verdacht!)
prophylaxe keine Vorteile bietet und nur zur
4 keine prophylaktische Antibiotikagabe
Selektion resistenter Erreger beiträgt.
4 erwartetes Keimspektrum bei infizierten Pank-
reasnekrosen: Enterobakterien, Enterokokken, 4 bei nachgewiesener Pankreasinfektion: kalku-
Staphylokokken, Anaerobier und Sprosspilze lierte antibiotische Therapie anhand des Anti-
4 Substanzen: biogramms nach CT-gesteuerter Feinnadel-
5 Carbapeneme: Meropenem/Imipenem punktion
3×1,0 g/d: Reduktion der Inzidenz an 4 häufigstes Keimspektrum: gramnegative
Pankreasinfektionen, jedoch ohne signifi- Darmbakterien (Escherichia coli, Klebsiellen-,
kante Beeinflussung der Mortalität bei Pseudomonas- und Proteus-Spezies, Entero-
gleichzeitiger deutlicher Reduktion von kokken), Anaerobier und Staphylokokken
septischen Komplikationen (aureus) sowie Candida
5 oder: Chinolone ± Metronidazol: z. B. Cip-
rofloxacin 2–3×400 mg/d + Metronidazol kWeitere Therapiekonzepte
3×500 mg/d 4 ggf. endoskopisch-retrograde Cholangio-
5 oder: Cefotaxim 3×2,0 g + Metronidazol graphie mit Papillotomie (ERC) bei Verdacht
3×500 mg/d auf obstruktive, biliäre Ursache und gleich-
5 oder: Piperazillin-Tazobactam 3-4×4,5 g/d zeitiger schwerer Pankreatitis o Entlastung
5 oder: Tigecyclin 1×100 mg Loading-Dosis, eines erhöhten intraduktalen Drucks bei
dann 2×50 mg/d Obstruktion durch Papillotomie, ggf. Draina-
geneinlage (cave: Verschlimmerung der
! Bei den Antibiotika wird insbesondere
Pankreatitis durch hohe Drücke beim An-
Moxifloxacin im Pankreasgewebe angerei-
spritzen des Pankreasganges)
chert (. Tab. 18.4).
18 4 interventionelle Drainage der Nekrosen
4 ggf. selektive Darmdekontamination (SDD) 4 Drainageneinlage bei Pseudozysten mit
o konnte in einigen Studien die Letalität redu- Schmerzsymptomatik, gastraler Obstruktion
zieren oder Durchmesser >5–6 cm
4 ggf. zusätzlich antimykotische Therapie 4 ggf. CVVHF oder CVVHD ab dem 10. Tag zur
Mobilisierung der Flüssigkeit im retroperito-
nealen Raum
18.1 · Akute Pankreatitis
379 18

. Abb. 18.4 Algorithmus zur Therapie der akuten Pankreatitis. (Aus Mayerle et al. 2012)
380 Kapitel 18 · Pankreatitis

4 die früher propagierte Gabe von Octreotid 4 Lipidstatus (Ausschluss primärer Hyper-
(100 μg alle 8 h für 14 Tage subkutan) scheint lipidämie)
nicht bzw. allenfalls von geringem Vorteil zu 4 Parathormon im Serum (Ausschluss eines
sein oHemmung der Pankreassekretion und primären Hyperparathyreoidismus)
Vasokonstriktion des Splanchnikusgebietes
4 die früher empfohlene Gabe von Atropin, Cal- . Abb. 18.4 zeigt einen Algorithmus zur Therapie
citonin, Glukagon und Fluorouracil beeinflusst der akuten Pankreatitis.
nach neueren Erkenntnissen den Krankheits-
verlauf in keiner Weise!
Ausgewählte Literatur
kChirurgische Intervention
4 im Gegensatz zur früheren aggressiven chi- Adler G, Woehrle H (2005) Diagnostik und Therapie der aku-
ten Pankreatitis. Internist 46:131–144
rurgischen Therapie heute eher Bevorzugung
Al-Omran M, Albalawi ZH, Tashkandi MF, Al-Ansary LA (2010)
einer zurückhaltenden, späten Nekrosekto- Enteral versus parenteral nutrition for acute pancreatitis.
mie (frühestens ab der 3. Woche nach Cochrane Database Syst Rev CD002837
Krankheitsbeginn) o verbessertes klinisches Bakker OJ, van Santvoort HC, Hagenaars JC et al. (2011)
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18 Nach überstandener Pankreatitis sollte die auslö- Pancreat Sci 17:45–52
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383 19

Gastrointestinale Probleme
W. Zink

19.1 Motilitätsstörungen – 384

19.2 Postoperative Darmatonie – 392

19.3 Prophylaxe und Therapie der Darmischämie – 393

19.4 Ileus – 398

19.5 Diarrhö – 400

Ausgewählte Literatur – 402

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
384 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

4 Komplikationen dieses Organsystems mit 4 intrinsisches Nervensystem


erheblichen Einfluss auf die Mortalität 5 zentrales Regulationssystem der
4 Inzidenz abdomineller Komplikationen (z. B. GI-Motilität
nach herzchirurgischen Eingriffen): 0,3–2,9 % 5 Plexus myentericus (Auerbach) zwischen
4 hohe Mortalität beim Auftreten abdomineller Längs- und Ringmuskulatur
Komplikationen: 11–59 % bei Komplikationen 5 Plexus submucosus (Meissner) in der
vs. 4 % ohne Komplikationen Submukosa
4 bei Mesenterialischämie: Mortalität von 5 Verarbeitung von Signalen aus den über-
60–85 % geordneten Steuersystemen sowie aus den
lokalen Rezeptoren
5 Funktionsfähigkeit beider Plexus ist eine
19.1 Motilitätsstörungen Voraussetzung für die Transport- und
Mischvorgänge
Die einzelnen Magen-Darmabschnitte weisen un- 4 extrinsisches Nervensystem
terschiedliche Entleerungs- und postoperative Nor- 5 übergeordnete nervale Strukturen des
malisierungszeiten auf (. Tab. 19.1) extrinsischen Nervensystems
4 Die Frequenz des Stuhlgangs variiert von – Parasympathikus (N. vagus, Nn. sacrales)
3-mal pro Tag bis 1- (bis 2-)mal pro Woche. – Sympathikus (thorakolumbaler Grenz-
4 Die Angaben über die Normalisierung der strang, Nn. splanchnici)
Darmfunktion nach operativen Eingriffen 5 greifen nur modulierend ein; deren Inner-
sind sehr unterschiedlich. Dies ist umso ver- vation ist jedoch für die Funktionsfähigkeit
ständlicher, da bei Gesunden die Entleerungs- der Erregung nicht erforderlich
zeiten erheblich variieren können. 4 GI-Hormone
4 Spätestens am 3.–4. postoperativen Tag 5 freigesetzt durch Erregung von Mechano-
müssen jedoch Darmgeräusche nachweisbar und Chemorezeptoren in der Magen- und
sein, wenn ein unkomplizierter Verlauf vor- Darmwand (. Tab. 19.2)
liegt; danach sollte die Atonie dringlich dia- 5 wirken stimulierend oder hemmend auf
gnostisch abgeklärt werden, denn der Über- verschiedene Segmente des GI-Trakts
gang von der Atonie zum paralytischen Ileus
ist fließend. Motilität des Magens
4 Unter Obstipation versteht man ein Intervall 4 Autonome Muskelzellen im Korpusbereich
von >3 Tagen zwischen 2 Stuhlentleerungen. des Magens, die – ähnlich wie am Herzen –
rhythmische elektrische Potenziale aussenden
> Die Störung der Magen-Darm-Motilität ist
eines der zentralen Probleme, da sie bei
Intensivpatienten sehr häufig anzutreffen
. Tab. 19.1 Normale Entleerungszeiten und post-
ist. operative Normalisierung

Normale Ent- Postoperative


19.1.1 Physiologie der Peristaltik von leerungszeiten ab Normalisierung
Magen, Dünndarm und Dickdarm Nahrungsaufnahme der Funktion

Steuerung der gastrointestinalen Magen 20 min–3 h 6–48 h


Motilität Dünndarm 7–9 h 6 h bis 3 Tage
4 digestive und interdigestive Peristaltik
19 4 die gastrointestinale (GI) Motilität ist ein kom-
Dickdarm 24–30 h 3–5 Tage oder
länger
plexes Geschehen, an dem das extrinsische
Rektum 30 h bis 5 Tage 3–5 Tage oder
und intrinsische Nervensystem sowie gastro-
länger
intestinale Hormone beteiligt sind
19.1 · Motilitätsstörungen
385 19

. Tab. 19.2 Neuroendokrine Steuerung der gastrointestinalen Motilität

Stimulation (Tonus/Motilität)

Acetylcholin (Parasympathikotonus) Gastrale Säuresekretion n


Gastrin Gastrointestinale Motilität n
Motilin Pepsinogensekretion n
Cholezystokinin (Dünndarm, Dickdarm) Regulation des Mukosawachstums
PP (»pancreatic polypeptide”) Gastrale Motilität n
Thyroxin, Trijodthyronin Tonus des Ösophagussphinkters p
Dünndarm-, Dickdarmmotilität n
Gallenblasenkontraktion n
Pankreassekretion n
Relaxation des Sphincter Oddi
Pankreassekretion p
Gallengangsmotilität p
Gastrale Motilität n

Hemmung (Tonus/Motilität)

Adrenalin, Noradrenalin (Sympathikotonus) Gastrale Säuresekretion p


Sekretin (Magen) Gastrale Motilität p
Pankreassekretion n
Hepatische Gallensekretion n
Regulation des Pankreaswachstums

Glukagon

Cholezystokinin (Magen) Feedback Gastrale Säuresekretion p


GIP (»gastric inhibitory peptide”) Feedback Gastrale Motilität p
Somatostatin Insulinsekretion bei Hyperglykämie n
Dünndarmsekretion n
Gastrale Säuresekretion p
Gastrale Säuresekretion p
Gastrointestinale Motilität p
Gastrinsekretion des Magens p
Pankreassekretion p
Gallenblasenkontraktion p

o spontane Depolarisationen (ECA = »elec- oralen Druckgradienten, peristaltische Wellen


trical control activity«) mit einer Frequenz von von Kardia zu Pylorus (0,5–4 cm/s).
2–3/min. Bei Erreichen eines Schwellenwertes 5 Die meisten peristaltischen Wellen führen
o Aktionspotenzial mit Kontraktionen (ERA zur Durchmischung des Speisebreis und
= »electrical response activity«). Ob und wie kommen im Antrum zum Stillstand.
oft dieser Erregungswelle Kontraktionen fol- 5 Intensive Peristaltik im Antrum führt
gen, hängt von der Summe der neuronalen und zu einer portionsweisen Entleerung
humoralen Einflüsse ab. Gastrin und Chole- des Mageninhalts in das Duodenum.
zystokinin erhöhen die Antworthäufigkeit und Übertritt von Nahrungsbestandteilen
Schrittmacherfrequenz, andere Peptidhormo- (<1 mm) ins Duodenum (Siebfunktion des
ne wie z. B. GIP (»gastro inhibitory peptide«) Pylorus).
hemmen diese Motilität. 4 Die interdigestive Peristaltik vom Magen über
4 Die resultierenden peristaltischen Wellen das Duodenum bis zum Ileum wird als »inter-
laufen mit zunehmender Geschwindigkeit auf digestiver Motorkomplex« (MMC = »migra-
Antrum und Pylorus zu o Aufbau eines ab- ting motility complex«) bezeichnet.
386 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

4 Im Dünndarm nimmt die Frequenz der lang- jPhysikalische Untersuchung


samen Potenzialschwankungen der glatten
! Besonders im Verlauf wichtig; sollte mög-
Muskulatur analwärts ab. Dadurch laufen die
lichst vom selben Untersucher mehrfach täg-
peristaltischen Wellen nur von oral nach anal.
lich erfolgen, um Veränderungen zu erfassen.
4 Passagedauer vom Magen bis Ileum 90–
120 min. 4 abdominelle Schmerzen
5 Art, Lokalisation, Ausstrahlung und Dauer
Motilität des Dünndarms von abdominellen Schmerzen können beim
4 neben den peristaltischen Wellen noch weitere Intensivpatienten nur in Ausnahmefällen
rhythmische Spontandepolarisationen zufriedenstellend beantwortet werden und
4 Kontraktionen bewirken einerseits eine rhyth- einen Hinweis auf die Ursache geben
mische Segmentation und andererseits Pen- 5 Charakter: konstant (peritonitisch);
delbewegungen, die der Durchmischung des rhythmisch (Kolik)
Chymus dienen 5 Beginn: perakut: (Perforation, akuter
4 rhythmische Spontandepolarisationen: Gefäßverschluss)
ca. 3/min im mittleren Drittel des Magen- 5 Ausstrahlung: gürtelförmig (Pankreatitis),
korpus, 11–12/min im Jejunum und 8–9/min ins äußere Genitale (Ureterstein)
im Ileum 4 Darmgeräusche
4 Passagezeit: 90–300 min 5 Auskultation des Abdomens über min-
destens 2–5 min, um Darmgeräusche nach-
Motilität des Dickdarms zuweisen; z. T. extrem erschwert (z. B. bei
4 autonome Erregungen, jedoch nicht durch- intraaortaler Ballonpumpe)
gehend und synchronisiert. 5 »Totenstille« o paralytischer Ileus
4 2- bis 3-mal/d sog. Massenbewegungen von 5 »klingende Geräusche« o mechanischer
Darmabschnitten in Richtung Rektum, häufig Ileus
nach Nahrungsaufnahme o gastrokolischer 4 Palpation
Reflex 5 Abwehrspannung o bretthart bei genera-
4 Wird das obere Rektum zunehmend mit lisierter Peritonitis, bei Pankreatitis eher
Darminhalt gefüllt, werden dort Druckrezep- elastischer Widerstand (»Gummibauch«)
toren erregt. Bei Erreichen eines kritischen 5 Meteorismus (Ileus) o tympanitischer
Füllungsdrucks kommt es zum zentral ausge- Klopfschall
lösten Stuhlgang. 4 Inspektion
4 Passagezeit: 12–72 h 5 Flankenhämatome? (Hinweis auf retroperi-
4 normale Stuhlfrequenz: 3-mal pro Tag bis toneale Blutung, können auch spontan un-
3-mal pro Woche ter Antikoagulation auftreten) o Gefahr
eines paralytischen Ileus

19.1.2 Allgemeine Überwachung/ jZusatzinformationen


Diagnostik 4 über Darmfunktion (Verdauung/Passage-
störung)
jAnamnese 5 Reflux/Erbrechen: Verlust aus Magen-,
4 bekanntes Ulcus ventriculi, Gallensteine, Duodenalsonde und Drainagen (Menge
Angina visceralis, Zustand nach Mesenterial- und Aussehen). Ein Verlust von 1000 ml
arterieninfarkt bei absoluter Arrhythmie Sekret/24 h aus der Magensonde ist bei
19 4 vorausgegangenes Abdominaltrauma (Ver- Oberbauchatonie durchaus normal. Fördert
dacht auf typische Spätkomplikationen wie die Magensonde weniger, so wird ein Teil
gedeckte Perforation oder zweizeitige Milzrup- des Magensekrets über den Dünndarm
tur) etc. weitergefördert. Ist das Magensekret grün-
19.1 · Motilitätsstörungen
387 19
lich gefärbt, so zeigt der Gehalt an Gallen- 4 direkte Darstellung des erkrankten Organs:
flüssigkeit die weiter bestehende Ober- 5 intraparenchymatöse Veränderungen von
bauchatonie an. Bei zunehmender Motilität Leber, Milz, Gallenblase und mit Einschrän-
im Bereich von Magen und Dünndarm wird kung auch des Pankreas
das Sekret hellbräunlich 5 Fettleber, Cholestase (intra-, extrahepatisch,
5 Stuhlgang? (Zeitpunkt, Aussehen) Gallensteine), Stauungsleber, Pforta-
4 Körpertemperatur (o Infektion?) derthrombose, Cholezystitis, Sludge
4 Mikrobiologie (o Infektion?) 5 Pankreatitis
4 Parameter der Perfusion und Oxygenierung 5 zweizeitige Milzruptur
5 Hämodynamik (arterieller Blutdruck, Urin- 4 indirekte Hinweise für intraabdominelle
ausscheidung, HZV) Prozesse:
5 Gewebeoxygenierung (O2-Angebot und 5 freie Flüssigkeit ab ca. 200 ml nachweisbar
-verbrauch) 5 Nachweis von Darmbewegungen
5 metabolische Parameter (arterieller pH- 5 flüssigkeitsgefüllte atonische Darmschlin-
Wert, BE, Laktat) gen mit Wandverdickung (Ileus)
4 Laboruntersuchungen: sind in der Regel nicht 5 retroperitoneales Hämatom (Bauchwand-
spezifisch, jedoch wichtige Bausteine in der hämatom)
Diagnostik
5 Elektrolytverschiebungen (o Atonie) kDuplexsonographie der Mesenterialgefäße
5 Gesamteiweiß (o Darmwandödeme) 4 Die Duplexsonographie erlaubt nur die Dar-
5 Leukozytose (o Infektion?) stellung des Truncus coeliacus und der A. me-
5 Laktat(-azidose) (o Gewebeoxygenie- senterica superior.
rung?) 4 Periphere Durchblutungsstörungen und Steno-
5 metabolische Azidose (o Gewebeoxy- sen im Bereich der A. mesenterica inferior
genierung?) können nicht erkannt werden.
5 Amylase, Lipase, Transaminasen
(o Pankreatitis, Hepatitis, Cholestase?) jCT des Abdomens
5 CK/CKMB (o Differenzialdiagnose: Myo- 4 bessere räumliche Auflösung als Sonographie
kardinfarkt bei abdominellen Schmerzen) unabhängig von überlagernden Strukturen
4 durch Dichtemessung Unterscheidung zwi-
jBildgebende Verfahren schen Hämatom, Serum und Abszess möglich
kRöntgennativaufnahme des Abdomens 4 Nachteil: Transport notwendig (instabile
4 wenn möglich, in Linksseitenlage Patienten)
5 Luft im Abdomen
5 Gas-, Luft-, Flüssigkeitsspiegel jAngiographie
4 Bei dringendem Perforationsverdacht und 4 Zum einen bei Verdacht auf intestinale Ischä-
fehlendem Nachweis von freier Luft kann auch mie (A. mesenterica superior und inferior)
über die Magensonde oder bei einer Endosko- indiziert, um embolische oder thrombotische
pie Luft insuffliert werden (ca. 200 ml), und die Gefäßverschlüsse von einer »non-occlusive
Aufnahme kann dann wiederholt werden. disease« zu unterscheiden. Bei der »non-occlu-
sive disease« sollte der Katheter zur lokalen va-
kAbdomensonographie sodilatorischen Therapie mit Prostaglandinen
> Die Sonographie wird grundsätzlich bei aus- belassen werden.
geprägtem Meteorismus, extrem adipösen 4 Zum anderen bei endoskopisch ungeklärten
Patienten oder durch liegende Drainagen er- Gastrointestinal- oder Retroperitonealblutun-
schwert oder eingeschränkt. Die Aussage- gen und ggf. Embolisierung.
kraft hängt aber auch stark von der Erfah- 4 Nachteil: Transport notwendig (instabile
rung des Untersuchers ab! Patienten) und Dauer der Untersuchung
388 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

jWeitere Untersuchungen 19.1.3 Zusätzliche Überwachung/


kLeukozyten-Scan Diagnostik
4 Der nuklearmedizinische Nachweis eines ent-
zündlichen intraabdominellen Prozesses durch Laktat
mit Indium markierte Leukozyten ist eine jLaktatstoffwechsel
Methode mit hoher diagnostischer Effizienz. 4 Laktat stammt aus dem Stoffwechsel von
4 Wiederholte Transporte in die Diagnoseeinheit Pyruvat, das aus der Verstoffwechselung von
sowie das lange Zeitintervall bis zur Diagnose- Glukose und Aminosäuren (besonders Alanin)
stellung führen dazu, dass dieses Verfahren für entsteht.
den Intensivpatienten in der Regel keine Be- 4 Normalerweise werden pro Tag ca. 115 g pro-
deutung hat. duziert.
4 Die Verwertungskapazität der Leber (durch
kEndoskopie Glukoneogenese) liegt mit bis zu 240 g deutlich
4 Gastroskopie höher als die normale Tagesproduktion, zudem
5 besonders zur Differenzialdiagnostik oberer werden geringe Mengen in den Nieren zu
GI-Blutungen HCO3– + CO2 + H2O umgewandelt
5 auch therapeutisch zur Sklerosierung bei 4 Bestimmung des Serumlaktatspiegels (normal:
Ulcus ventriculi, aber auch 6–20 mg/dl; 0,5–2,2 mmol/l)
5 gezielte Platzierung von Sonden (Duodenal-
sonde, PEG) sowie zum Sekretabsaugen jPathophysiologie
4 Rekto-, Sigmoidoskopie 4 Erhöhte Laktatspiegel können durch erhöhte
5 bis ca. 60 cm ab ano Produktion und/oder verminderte Verwer-
5 nicht ausreichend zu Darmischämiediag- tung bedingt sein. Dies erschwert zusätzlich
nostik, da mit Ischämien insbesondere im die Interpretation erhöhter Laktatwerte beson-
Versorgungsgebiet der A. mesenterica ders im Schockgeschehen und schränkt die
superior gerechnet werden muss Wertigkeit des Serumlaktats als Zielgröße der
4 Koloskopie Therapie ein.
5 eine Koloskopie mit Einschluss des termi- 4 Zum Anstieg des Serumlaktatspiegels kann es
nalen Ileums könnte die diagnostische kommen bei
Treffsicherheit erhöhen, ist jedoch nur zum 5 Laktatazidose Typ A: unter anaeroben
Ausschluss einer ischämischen Kolitis ge- Bedingungen wird in der Peripherie (z. B.
eignet, nicht jedoch bei Dünndarmbeteili- Darm, Muskulatur etc.) vermehrt Laktat
gung gebildet
5 Diagnose einer unteren GI-Blutung 5 sog. Laktatazidose Typ B1: eine schwere
(z. B. Divertikelblutung) Leberfunktionsstörung kann bei Patienten
5 endoskopische Luftabsaugung und ohne Gewebehypoxie zur Laktatämie oder
Darmausräumung des Kolons Laktatazidose führen. Darüber hinaus kann
5 Diagnose einer pseudomembranösen Kolitis sie eine bestehende hypoxische Laktatazi-
dose verstärken
kExplorative Laparatomie/Laparoskopie 5 Laktatazidose Typ B2: außerdem kann die
Sie stellt nach wie vor den sichersten Weg jeder int- Leber im Rahmen schwerer Mikrozirkula-
raabdominellen Diagnostik dar und sollte daher tionsstörungen durch vermehrte eigene En-
großzügig und umso eher durchgeführt werden, je ergiegewinnung vom laktatverwertenden
kritischer der Zustand des Patienten ist o intraope- zum laktatproduzierenden Organ werden
19 rativ evtl. Darmdekompression und Anlage eines
protektiven/entlastenden Stomas. jUrsachen einer Laktatazidose
4 allgemeine Hypoxämie (z. B. kardiogener
Schock, distributiver Schock etc.)
19.1 · Motilitätsstörungen
389 19
4 Kältezittern, generalisierte Krämpfe, körper-
liche Aktivität
4 Leberversagen
4 schwere Hypoxie
4 Kohlenmonoxidvergiftung
4 Darmerkrankungen mit bakterieller Über-
wucherung (D-Laktat)

jVorteile der Laktatbestimmung


4 Marker für anaeroben Stoffwechsel
4 gute Korrelation zwischen Laktatkonzentration . Abb. 19.1 Laktatstoffwechsel
und Outcome
4 einfache laborchemische Bestimmung

jKonstellation bei Laktazidose


4 Laktatkonzentration >5 mmol/l
4 Blut-pH <7,30
4 Anionenlücke >20 mmol/l (Na+ – [Cl– +
HCO3–)] Norm: 5–12 mval/l
4 negativer Base Excess (BE)

jAussagekraft/Fehlermöglichkeiten eines
erhöhten Laktatspiegels
4 kein Beweis für eine Darmischämie (s. oben)
4 keine Berurteilungsmöglichkeit der regionalen
Durchblutung, kann aus anderen ischämischen
Regionen stammen (z. B. A.-femoralis-Ver-
schluss)
4 kann primär trotz Ischämie gering sein
4 kann erst sekundär bei Reperfusion in die
Blutbahn eingeschwemmt werden
4 erhöhte Werte unter extrakorporalen Nieren-
ersatzverfahren (z. B. CVVH) mit Ringer- . Abb. 19.2 Prinzip der pHi-Messung
Laktatpufferung
4 erhöhte Werte bei eingeschränkter hepatischer magensonde mit CO2-durchlässigem Ballon an
Verstoffwechselung der Spitze
4 Messung des intramukosalen pH-Wertes im
> Laktatverlaufskontrollen sind ein wichtiger
Magen oder Sigma (pHi) heutzutage obsolet o
Baustein in der Summe der Darmischämie-
Messung des gastralen pgCO2 (gastrale Tono-
diagnostik (. Abb. 19.1)!
metrie)
4 Verfahren wenigen Sonderindikationen vorbe-
Gastrale Tonometrie und pHi-Messung halten
(. Abb. 19.2)
4 Einführung der Tonometrie durch Fiddian- jGrundlage
Green im Jahre 1982 als Instrumentarium des 4 CO2-Akkumulation bei verminderter Gewebs-
gastrointestinalen Monitoring zur Erkennung perfusion (verminderte Auswaschung des pro-
von Perfusionsstörungen bzw. intestinalen duzierten CO2 sowie erhöhte CO2-Produktion
Hypoxämien unter Einsatz einer Spezial- unter anaeroben Konditionen infolge vermehr-
390 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

ten Anfalls von sauren Valenzen; D-Glukose Beurteilung einer Schleimhautischämie des
o 2 ATP + 2 Laktat– + 2 H+) Magen-Darm-Kanals bei Intensivpatienten
4 niedriger pHi korreliert gut mit der Letalität
jMethode und Durchführung bei großen operativen Eingriffen, Sepsis und
4 korrekte gastrale Positionierung einer speziel- Multiorganversagen
len Magensonde mit zusätzlichem Lumen für 5 erhöhte Mortalität bei Patienten mit pHi
gasdurchlässigen Ballon (Tonometer) <7,32
4 2,5 ml 0,9 %ige NaCl-Lösung wird eingespritzt 5 In einigen Studien konnte gezeigt werden,
4 CO2 diffundiert von der Magenmukosa in den dass ein niedriger pHi besser mit Multi-
mit 0,9 %iger NaCl-Lösung gefüllten Ballon organversagen und Letalität einer Sepsis
4 Äquilibrationszeit mindestens 30 min korreliert als gängige Parameter wie Laktat,
(30–90 min) zentralvenöse O2-Sättigung, APACHE-II-
4 luftfreie Entnahme der instillierten Flüssigkeit Score oder O2-Angebot bzw. -verbrauch.
4 der erste 1 ml wird verworfen, aus dem Rest 5 Ausgangswert sowie Verlauf des pHi-Wertes
dann der gastrale pgCO2 bestimmt (bei Aufnahme und nach 24-stündiger The-
4 Bestimmung des pHi: rapie) sind gute prognostische Parameter
5 simultane Messung des pCO2 aus der tono- bezüglich des Outcome (Sensitivität von
metrischen Flüssigkeit (NaCl-Lösung) und 88 %) und spiegelt die Gewebsoxygenierung
der arteriellen Bikarbonatkonzentration sehr gut wieder
5 Berechnung des pHi-Wertes anhand der 5 Höhere Überlebensraten bei Patienten mit
modifizierten Henderson-Hasselbalch-Glei- normalem Ausgangswert, der über 12–24 h
chung: konstant blieb, oder bei Patienten mit
erniedrigtem Ausgangswert, der jedoch in
art.HCO3− den folgenden Stunden unter Therapie
pHi = 6,1+log
pCO 2Tonom. signifikant anstieg

> Trotz methodologischer Unzulänglichkeiten


4 Normalwerte: pHi = 7,35–7,32 (Fiddian-Green
(s. o.) erwies sich der pHi in älteren Unter-
1994) bzw. pHi >7,35 (Gutierrez et al. 1992)
suchungen als sinnvoller Verlaufs- und Pro-
4 ursprüngliche Annahme: systemisch-arteriel-
gnoseparameter (. Abb. 19.3). Dennoch:
ler Bikarbonatgehalt entspricht dem lokalen
Eindeutige Rückschlüsse auf die Darm-
Bikarbonatgehalt eines Darmabschnitts o
mukosa und das gesamten Splanchnikus-
Berechnung des pHi durch Verknüpfung von
gebiet können aus der lokalen Messung des
lokal gemessenem pCO2 und systemisch-arte-
pHi nicht gezogen werden!
riellem Bikarbonatgehalt
4 Annahme nach aktuellem Wissensstand falsch,
da lokaler Bikarbonatgehalt bei Ischämie un- jFehlermöglichkeiten
terschiedlich zu systemisch-arteriellem Bikar- 4 Luftaspiration bei der Entnahme der Tono-
bonatgehalt o Konzept der pHi-Messung meterflüssigkeit (pCO2 p o pHi n)
heutzutage verlassen zugunsten der pgCO2- 4 Abhängigkeit des pHi vom respiratorischen
Messung Patientenstatus (arterieller pCO2 n bei Hyper-
kapnie o pHiCO2 p)
jAussagekraft 4 zu kurze Äquilibrierungszeit (<30 min)
4 pgCO2 bzw. pHi: Marker für Hypoxie der 4 nicht zuverlässige Rückschlüsse auf die Versor-
Magenmukosa (nur geringe Sensitivität und gung des gesamten Splanchnikusgebietes an-
19 Spezifität!) hand des pHi des Magens
4 arteriell-intramukosaler CO2-Gradient 4 Messung der arteriellen, systemischen Bikarbo-
(pgCO2-paCO2; Normalwert <8 mmHg bzw. natkonzentration und Gleichsetzung zur loka-
1,2 kPa) gilt als zuverlässigster Parameter zur len, intramukosalen Bikarbonatkonzentration
19.1 · Motilitätsstörungen
391 19

. Abb. 19.3 Mortalität in Abhängigkeit vom gastralen pHi. (Adaptiert nach Doglio et al. 1991)

4 Bikarbonatpuffer bei Hämofiltration 4 Low-output-Syndrom


4 bikarbonathaltiger Reflux in den Magen 4 schwere Traumata
puffert Salzsäure und treibt den pCO2 im
Magensaft über den mukosalen piCO2 jKontinuierliche Verfahren
4 Interferenz mit enteraler Ernährung? 4 indirektes Messverfahren
4 H2-Rezeptorenblocker (?), angeblich keine 5 »capnometric recirculating gas tonometry«
Beeinflussung der pHi-Messung durch H2-Blo- (CRGT), bei dem kontinuierlich eine Gas-
cker! Zu vermeiden sind jedoch Kalzium- und probe zur Bestimmung des pgCO2 aus einer
Magnesiumkarbonatverbindungen! konventionellen nasogastralen Tonometer-
4 nur diskontinuierliches, indirektes Messverfah- sonde entnommen und durch Infrarotmes-
ren (Annahme: intraluminales pCO2 = intra- sung bestimmt wird
mukosales pCO2) 5 »balloonless air tonometry«, bei dem eine
aus dem Gastrointestinaltrakt via Magen-
! Unterschiedliche pCO2-Werte in NaCl 0,9 %
sonde entnommene Gasprobe analysiert
bei verschiedenen Blutgasanalysatoren (bei
wird
Verlaufsmessungen muss immer dasselbe
4 direktes Messverfahren
Analysegerät genommen werden)!
5 Bestimmung des piCO2 mit Hilfe eines
fiberoptischen CO2-Sensors (optoche-
jIndikationen mischer Sensor, der grünes Licht durch ein
Verlaufsmessungen bei Erkrankungen, bei denen phenolrotgefärbtes Acylamidgel mit umge-
die O2-Versorgung des Splanchnikusgebietes ge- bender Bikarbonatpufferlösung emittiert
fährdet ist, wie z. B. und dessen Absorptionsveränderung
4 Schock misst)
4 Sepsis, Multiorganversagen
392 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

jZusammenfassung Störung der immunologischen und Barriere-


4 gegenwärtig keine abschließend evaluierten, funktionen des Darms o Darm als Motor des
eindeutigen Parameter zur Detektion von Multiorganversagens
regionalen Perfusionsstörungen im Splanch- 4 Über eine Zunahme der Sequestration von
nikusgebiet verfügbar Wasser, Elektrolyten und Proteinen in das
4 pgCO2, pHi- und Laktatbestimmung nur mit Darmlumen (vorwiegend des Kolons) und die
Einschränkung bei bestimmten Indikationen Darmwand kann auch eine systemische Hypo-
als Verlaufsparameter zu verwertbar volämie verstärkt werden
4 Darmfunktion muss bei Intensivpatienten in
der klinischen Routine weiterhin durch sorg- kDarmischämie
fältige klinische Untersuchung (Auskultation 4 Die Distension der Darmwand führt zu lokalen
des Abdomens, Palpation, Perkussion, Stuhl- Zirkulationsstörungen, die zunächst ein Darm-
frequenz, gastraler Reflux), laborchemische wandödem verursachen, wobei es im weiteren
Erfassung globaler Stoffwechselparameter Verlauf zur ischämischen Hypoxie von Darm-
(Laktat, Leberenzyme, Blutzucker) und durch anteilen kommen kann und so die Permeabili-
Messung der Hämodynamik im Systemkreis- tät der Darmmukosa erhöht wird.
lauf als Surrogat für die Splanchnikusperfusion 4 Im Zusammenhang mit einem septischen
beurteilt werden. Schock, einem ausgeprägten Trauma, Verbren-
nungen oder einem Herzversagen mit Low-
output-Syndrom konnte eine erhöhte Permea-
19.2 Postoperative Darmatonie bilität der Darmschleimhaut nachgewiesen
werden. Vor allem, wenn zur Kreislaufstabili-
Das Risiko der postoperativen Darmatonie ist sierung α-adrenerge Katecholamine eingesetzt
bedingt durch Übelkeit, Erbrechen und Darmdis- werden, kann sich die Hypoxie des Darmes
tension mit Atelektasenbildung und erhöhter noch verstärken.
Aspirationsgefahr mit möglicher sekundärer Pneu- 4 Während einer Ischämie durchwandern Mikro-
monie. organismen in großer Anzahl die Darmwand
(Translokation).
jPathogenese 4 Bereits kleine Endotoxinmengen vergrößern
4 Hyperaktivität des sympathischen Nerven- die Permeabilität der Darmwand und steigern
systems infolge operativer Stressreaktion so die Translokation. Daher kann Endotoxin
4 Infiltration der Darmwand mit entzündungs- einen Teufelskreis starten, beginnend mit einer
assoziierten Zellen, die die Darmmuskulatur erhöhten Darmpermeabilität, Endotoxinab-
direkt beeinträchtigen sorption, einem weiteren Anstieg der Darm-
4 direkte Beeinflussung der Darmmuskulatur permeabilität bis zum nachfolgenden Multi-
durch exogene Opioide oder Katecholamine organversagen.
4 Elektrolytstörungen und Störung der Auto- 4 Der Übertritt von Toxinen (Absorption) und
regulation (Hypokäliämie, Hypomagnesiämie) Bakterien (Translokation) aus dem Darm kann
4 autonome Polyneuropathie somit ein toxisches oder septisches Krank-
heitsbild verursachen oder weiter unterhalten.
jKomplikationen (. Abb. 19.4) 4 Das Vollbild des paralytischen Ileus kann durch
kDistension der Darmwand ein akutes Abdomen mit Peritonitis, durch Sep-
4 Die Darmatonie bewirkt über eine intralumi- sis und Volumenmangel gekennzeichnet sein.
nale Flüssigkeitszunahme und eine Verände-
19 rung der mikrobiellen Flora mit verstärkter jProphylaxe
Gasbildung eine intraluminale Druckerhöhung Die postoperative Darmatonie kann durch einige
und eine Distension der Darmwand o Abnah- Maßnahmen abgeschwächt bzw. verhindert werden
me der Darmperfusion o Darmwandödem o (. Tab. 19.3).
19.3 · Prophylaxe und Therapie der Darmischämie
393 19

. Abb. 19.4 Komplikationen der Darmatonie

jTherapie Darm hemmen, zusätzlichen zu einem Ein-


Die Darmatonie kann durch die in . Tab. 19.4 auf- strom von Wasser, Natrium und Kalium in das
geführten Medikamente therapiert werden. Darmlumen führen und so die Dehnungsre-
zeptoren erregen
> Nach Haug et al. (2004) ist bei postoperativer
4 Nebenwirkungen: abdominelle Schmerzen,
Darmatonie die Gabe von Metoclopramid,
Meteorismus, Flatulenz, bei längerer
Erythromycin, Neostigmin und Dexpanthenol
Anwendung Elektrolytverluste, besonders
unwirksam. Nach Studienlage sind nur
Kalium
Laxanzien und das nicht mehr erhältliche
Cisaprid wirksam!

Bei therapierefraktärer, medikamentöser Therapie 19.3 Prophylaxe und Therapie der


kann evtl. eine Sympathikolyse im Rahmen eines Darmischämie
Regionalverfahrens (z. B. thorakale PDA!) von Vor-
teil sein (. Tab. 19.5). 19.3.1 Perfusionsverbesserung

kBei vorhandener Peristaltik 4 Zielwert-gesteuerte Optimierung des


Durchaus sind mehrere Versuche mit verschiede- Volumenstatus
nen Substanzen notwendig, bis sich der gewünschte 4 Verbesserung des O2-Angebots o Erhöhung
Erfolg einstellt. von Hb, HZV und Perfusionsdruck
4 kritischer Einsatz von α-adrenergen Substan-
kOsmotisch wirksame Laxanzien/Anti- zen (besonders Noradrenalin) und Vasopres-
absorptiva sin (-Analoga)
4 . Tab. 19.6 –19.8
4 schwer resorbierbare Substanzen, die die
Resorption von Natrium und Wasser aus dem
394 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

. Tab. 19.3 Maßnahmen zur Vermeidung der postoperativen Darmatonie und damit von postoperativen Komplika-
tionen

Basismaßnahmen Bemerkungen

Minimal-invasive Chirurgie Verkürzung der Phase postoperativer Darmatonie aufgrund des


geringeren Darmwandtraumas (Zytokinfreisetzung p), der feh-
lenden Austrocknung des Darmes, der geringeren Manipulation am
Peritoneum

Thorakale PDA (für 48 h mit Lokalisation Blockade des Sympathikus und Dilatation der Splanchnikusgefäße
kranial von Th9) sowie Vermeidung von schmerzinduzierten Stressreaktionen

Kurzfristige Anlage einer Magensonde Ableitung von Sekret, Verhinderung einer Überdehnung und pul-
monaler Aspiration

Postoperativer enteraler Kostaufbau über Vorbeugung einer Zottenatrophie und Aufrechterhaltung


– Magensonde der Barrierefunktion der Darmschleimhaut
– Duodenalsonde Anregung der Peristaltik
– PEG

Eine enterale Ernährung sollte nach Operationen im GI-Trakt möglichst früh erfolgen und ist auch dann sinnvoll, wenn
der Reflux über die Magensonde noch relativ hoch ist, da immer ein gewisser Überlauf vom Magen in das Duodenum
stattfindet. Die Ernährung über eine Duodenalsonde oder eine PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) ist dann
sicherlich die elegantere Methode.

Restriktion der Infusionsmenge auf maximal Vermeidung eines Darmwandödems


2 l Kristalloide mit Natriumwerten von maxi-
mal 77 mmol Natrium/l

Medikamente:
– Tegaserod (Zelmac) – Serotoninrezeptoragonist
– Alvimopan, Methylnaltrexone oder Naloxon – spezifischer μ-Rezeptorantagonist

Ausgleich von Elektrolytstörungen und Vermeidung von Hypokaliämie, Hypomagnesiämie etc.


Vermeidung von Hyperglykämien Blutzuckerwerte >250 mg/dl führen zu gastralen myoelektrischen
Aktivitätsstörungen (Dysrhythmien)

Vermeidung von motilitätshemmenden Analgosedierung bevorzugt mit Propopfol, Benzodiazepinen, Keta-


Substanzen (wie z. B. Opioiden) min oder Ketamin S

Vermeidung von Perfusionsproblemen Optimierung des Sauerstoffangebots


aufgrund von Hypovolämie/Anämie

Normalisierung des Eiweißstatus Vermeidung eines Darmwandödems mit konsekutiver Motilitätsstö-


rung
Zielwert: Serumalbumin >2,5 g/dl, kolloidosmotischer Druck (KOD)
>18 mmHg

Therapie von motilitätsbeeinflussenden – Hypothyreose (Thyroxin, Trijodthyronin wirken stimulierend auf die
Erkrankungen Darmmotilität)
– Diabetes mellitus (autonome Polyneuropathie)
– Herzinsuffizienz/Myokardinfarkt
– Hirn- und Rückenmarkläsionen

19
19.3 · Prophylaxe und Therapie der Darmischämie
395 19

. Tab. 19.4 Einsatz von peristaltikfördernden Medikamenten bei nicht vorhandener Peristaltik

Substanz Wirkung Dosis Bemerkungen

Dexpanthenol Gesteigerte Synthese von Acetyl- Prophylaxe mit 2 Amp. i.v.


(Bepanthen) cholin während oder unmittelbar
nach Operation
3–6 Amp. (1,5–3 g) i.v.

Neostigmin Cholinesterasehemmer (Erhöhung 1,5–3 mg (0,03–0,06 mg/kg Bradykardie, AV-Block-


(Prostigmin) der Acetylcholin-Konzentration, Als Kurzinfusion i.v. Wirk- Hypotonie, n Speichel- und
parasympathikomimetisch) eintritt: 30–90 min Bronchialsekretion, Bron-
chospasmus

Pyridostigmin 7 Neostigmin 10–20 mg (0,1–0,2 mg/kg 7 Neostigmin


(Mestinon) Maximal 0,3 mg/kg) als
Kurzinfusion i.v.

Metoclopramid Zentral und peripher: Blockierung 1- bis 3-mal 1 Amp. à 10 mg Extrapyramidale Stö-
(Paspertin) von Dopaminrezeptoren; in hö- rungen, besonders in
heren Dosen: serotoninagonistisch höheren Dosen und bei
(o antiemetisch) Freisetzung von Kindern
Acetylcholin am Plexus myente-
ricus o Kardiatonusn (Reflux p),
Antrummotilität n, Fundusrela-
xation p

Domperidon Peripher dopaminantagonistisch, 3 mal 10–20 mg p.o. Passiert kaum Blut-Hirn-


(Motilium) Kardiatonus n, Fundusrelaxation p (1–2 ml, 1–2 Tbl.) Schranke, kaum NW
und Antrummotilität n

Ceruletid ( Takus) Cholezystokininanalogon, direkte 2 ng/kg/min i.v. bzw. Stimuliert exokrine


Wirkung auf glatte Muskulatur und 1 Amp. auf 50 ml NaCl 0,9 % Pankreasfunktion
erhöhte Acetylcholinfreisetzung o 10–20 ml/h Kontraindikationen:
am Plexus myentericus Pankreatitis, Hypotonie,
Übelkeit, schmerzhafte
Tenesmen

Erythromycin Agonistische Wirkung am Motilin- 2-mal 0,5 g bis 4-mal 0,25 g Bakteriostatisches Antibio-
(Erythrocin) rezeptor am Magen und Dünndarm i.v./p.o. tikum; Indikationen: Gas-
und führt so zu Kontraktionen am troparese; in Entwicklung:
Antrum und einer verbesserten Erythromycin-Analoga
Koordination antroduodenaler ohne antibiotische Wir-
Motilität kung

Tegaserod Serotoninrezeptoragonist Neu, noch nicht beurteilbar


(Zelmac)

Cisaprid Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat im Juni 2000 aufgrund lebens-
(Propulsin) bedrohlicher Herzrhythmusstörungen das Ruhen der Zulassung angeordnet!
396 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

. Tab. 19.5 Sympathikolyse

Therapeutische PDA Carbostesin 0,125 % oder Naropin 0,2 % Initial Bolus von 10 ml, dann Perfusor mit 4–10 ml/h

α- oder β-Blocker DHB (Xomolix) Kommen aufgrund meist sehr eingeschränkter


Urapidil (Ebrantil) Kreislaufverhältnisse nur selten in Betracht, evtl. im
Sedierungsregime

. Tab. 19.6 Osmotisch wirksame Laxanzien/Antiabsorptiva

Substanz Dosis Nebenwirkungen/Bemerkungen

Laktulose (Bifiteral) 1-mal 1–1½ Btl. à 6 g bis 3-mal 5 Btl.


(30 g)

Gastrografin 1-mal 60–100 ml p.o. Überempfindlichkeitsreaktion und vereinzelt


urtikarielle Hautreaktionen, selten Übelkeit,
Erbrechen bei Aspiration, Möglichkeit eines
Lungenödems

Rizinusöl 100 ml warme Milch und 30 ml Rizinusöl


(3–6 Kps. à 2 g)

Sennafrüchte (X- 1–2 Tassen Tee; mindestens 75 ml Sennablätter enthalten Glykoside, aus denen
Prep), Abführtee viel nachtrinken (insgesamt 2–3 l) Anthrachinone gespalten werden, die die Resorp-
tion von Wasser und Natrium hemmen und so die
Darmperistaltik stimulieren, Darmentleerung
erfolgt nach 5–8 h

Bisacodyl (Dulcolax) 2 Dragees (Wirkeintritt nach 5–10 h)

. Tab. 19.7 Rektale Einläufe

Maßnahme Dosis Bemerkungen

Hebe-Schwenkein- Cave: Läsionen von Rektum oder Sigmoid


lauf

Glycerol (Babylax, Säuglinge ½–1 Rektiole, Kleinkinder


Glycilax Miniklistier) 1 Rektiole, Schulkinder 1–2 Rektiole

1-mal Klysma sali- 1–2 Klysmen


nisch, 1-mal Klysma
Sorbit

Bisacodyl (Dulcolax) Supp. (führt kurzfristig zu einer Entlee- Supp.: Wirkstoff quillt im Rektum und führt so zur
rung in 15–30 min) Erregung der Dehnungsrezeptoren

CO2-Laxans 1–2 Supp. Setzt CO2 frei und führt so zur Erregung der Deh-
(Lecicarbon) nungsrezeptoren, sehr schonend!
19
19.3 · Prophylaxe und Therapie der Darmischämie
397 19

. Tab. 19.8 Begleitende Maßnahmen

Maßnahme/Substanz Dosis Bemerkung

Gabe von Quell- und Gleitmitteln, Wirkeintritt nach 10 h Quellen mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr o
Leinsamen, Hemizellulose (Nutrivital) 3-mal 1–2 Kps. verstärkte Peristaltik Ileusgefahr durch Verkleiste-
rung, wenn zu wenig Flüssigkeit

Sphinkterdehnung, endoskopische
Darmdekompression

Kolonmassage, warme Rolle Kann sehr effektiv sein

Antiblähmittel Simethicon 3- bis 6-mal 5–30 ml Bringt die bei Blähungen entstehenden Schaum-
(Sab simplex) Kleinkinder:4- bis bläschen zum Zerfallen, sodass die Darmgase resor-
6-mal 15 Trp. biert werden oder natürlich abgehen können

Akupunktur z. B. Nadelung des Punktes Le 3

! Die bei Intensivpatienten zur Stabilisierung 19.3.2 Erhaltung der gastrointestinalen


des Kreislaufs oft notwendige hoch dosierte Integrität
Katecholamintherapie kann dazu führen,
dass im Splanchnikusgebiet unter Stimula- 4 frühe enterale Ernährung
tion der α-Rezeptoren eine Verschlechterung 5 Hierdurch wird nicht nur die Peristaltik
der Perfusion eintritt. Therapeutische Mög- angeregt, sondern auch die Barrierefunk-
lichkeiten hierbei eingeschränkt. tion der Darmschleimhaut am besten auf-
rechterhalten.
4 Dopamin: in niedriger Dosierung (2–4 μg/kg/ 4 Glutamin
min) soll über eine bevorzugte Stimulation der 5 erforderlich zur Nukleosidsynthese und
Dopaminrezeptoren der Nieren- und damit auch zur Proliferation und der Funk-
Splanchnikusgefäße vasodilatierend wirken o tion von Immunzellen
Therapieansatz mittlerweile obsolet, da u. a. 5 Synthese und Freisetzung v. a. durch die
Gefahr einer Verschlechterung der Leberper- Muskulatur o massive Freisetzung bei
fusion unter Dopamin! Intensivpatienten aus dem Muskel
4 Dopexamin: nach aktuellen Metaanalysen (Katabolie); dennoch häufig erniedrigte
nicht klinisch effektiv zur Verbesserung der Spiegel
intestinalen Perfusion 5 Gabe von Glutamin assoziiert mit einer ver-
4 Phosphodiesterase-III-Hemmer: ob durch minderten Zottenatrophie des Darmes und
deren Einsatz die mesenteriale Vasokonstrik- somit einer verminderten Infektionsrate
tion unter Vasopressortherapie abgeschwächt 5 Proliferationseffekt von Glutamin nur mög-
und eine relevante Senkung des intestinalen lich, wenn auch ausreichend weitere Sub-
Gefäßwiderstandes erreicht werden kann, strate oder Koenzyme vorhanden sind (z. B.
bleibt derzeit fraglich Folsäure)
4 Vasodilatanzien (Ca-Antagonisten, Papaverin 5 Substitution von Glutamin beeinflusst
[0,5–1 mg/kg/h]) erscheinen besonders lokal ebenfalls Arginin-Stoffwechsel und verbes-
appliziert über einen belassenen Angiogra- sert Glutathion-Synthese, (das bei optima-
phiekatheter bei »non-occlusive disease« sinn- len Aktivität der Glutathionperoxidase
voll durch Zufuhr von Selen auch vermehrt
egeneriert wird) o Glutamin indirekt anti-
inflammatorisch wirksam
398 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

5 bei parenteraler Ernährung: 0,2–0,4 g/ Pankreatitis, Verbrennungen) o wahr-


kg KG/d Glutamin (entsprechend 0,3–0,6 g/ scheinlich Umverteilungsphänomen
kg KG/d Glutamindipeptid) 5 Substitution mit Selen normalisiert SelP
5 klinische Wirksamkeit der Substitution 5 In wieweit eine Normalisierung des Selen-
durch aktuelle Studienlage nicht eindeutig spiegels zu einem Rückgang von Morbidität
gesichert o Trend zu reduzierter Mortalität und Mortalität beiträgt, ist derzeit noch
o derzeit keine absolut sichere Schluss- nicht abschließend geklärt: Nach aktuellem
folgerung möglich Wissensstand gilt:
4 Immunnutrition – Je kränker der Patient ist, desto eher pro-
5 ω-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Ei- fitiert er von einer pharmakologischen
kosapentaensäure): antiinflammatorisch Substitution von Selen (500–1000 μg/d)
(verringerte Synthese von IL-1 und TNF), o aber: Wirksamkeit von Selen in phar-
Synthese von Leukotrienen der 5er-Reihe p makologischen Dosierungen umstritten1
und Prostaglandinen der 3er-Reihe p bei – Therapiedauer mit Natriumselenit auf <4
gleichzeitiger Hemmung der Eikosanoid- Tage begrenzen
synthese (Leukotriene der 4er-Reihe, Pros- – Für eine optimale Aktivität von Gluta-
taglandine der 2er-Reihe) o Einsatz v. a. zu thionperoxidasen sind 50–75 μg/d aus
Beginn der Erkrankung sinnvoll reichend, für eine optimale Versorgung
5 Perfusionsverbesserung im Leber- und mit Selenoprotein P etwa 100–125 μg/d
Splanchnikusgebiet, da vermehrt vasodilatie-
! Bei Gabe von Selen und Vitamin C zeitlicher
rende Metabolite wie PGI3 gebildet werden
Abstand von >2 h o Gefahr der Interaktion!
5 α-Linolensäure: Präkursor der ω-3-Fettsäuren
5 Linolsäure: Vorstufe für Prostaglandin- und 4 Operation: Bei (Verdacht auf) embolischem/
Prostazyklinstoffwechsel: Arachidonsäure, thrombotischem Mesenterialarterienverschluss
aus der die Leukotriene der 4er-Reihe (Che- explorative Laparotomie und Dünn- bzw.
motaxis und endotheliale Permeabilitäts- Dickdarmteilresektion
erhöhung!) und die Prostaglandine der 2er-
Reihe metabolisiert werden
5 evtl. Verkürzung der Liegezeit durch mit 19.4 Ileus
Fischöl angereicherte Emulsionen und
Modulation der Entzündungsantwort mit jEinteilung
Zytokinspiegel durch ω-3-Fettsäuren, klarer 4 mechanischer Ileus
klinischer Beleg für die Effektivität hinsicht- 5 Okklusionsileus
lich einer Mortalitätsreduktion steht bislang 5 Strangulationsileus
aus 4 funktioneller Ileus
4 Spurenelemente (Selen) 5 spastischer Ileus
5 Se-Cystein in mindestens 25 verschiedenen 4 Dickdarm- (20–25 %) oder Dünndarmileus
Proteinen mit zum Teil bisher unbekannter (75–80 % aller Passagestörungen)
Funktion im katalytischen Zentrum aktiv
5 antioxidative Wirkung (Glutathionperoxi- jDefinition
dasen, Thioredoxinreduktase) 4 mechanischer Ileus: Verlegung des Darm-
5 Serumkonzentration von Selen spiegelt v. a. lumens und Blockade der Darmpassage mit
Selenoprotein P (SelP) wieder, das hepatisch Aufstau des Speisebreis und der Verdauungs-
synthetisiert wird und die Oberfläche des säfte oral des Hindernisses
19 Endothels auskleidet 4 funktioneller Ileus: Behinderung der Darm-
5 Selenkonzentration im Blut p bereits zu Be- passage, ohne dass ein mechanisches Hinder-
ginn einer schweren Erkrankung (Sepsis, nis vorhanden ist
Polytrauma, herzchirurgische Eingriffe,
19.4 · Ileus
399 19
jUrsachen sigkeits- und Elektrolythaushalt aufgrund des
kMechanischer Ileus hohen Refluxes von Magen- und Darmsekre-
4 meist Okklusionsileus aufgrund von entzünd- ten und dem ständigen Erbrechen.
lichen oder tumorösen Stenosen, Gallenstei- 4 Beim tiefen Dünndarmileus kommt es zu ei-
nen, Kotballen, Würmern, die die Lumenlichte ner qualitativ und quantitativ veränderten bak-
einengen oder Kompressionen von außen teriellen Besiedlung o starker Anstieg von
durch Briden oder extramurale Tumoren bakteriellen Zerfalls- und Stoffwechselproduk-
4 seltener Strangulationsileus, bei dem es zu ten, mit direkter Wirkung auf die Mukosazel-
Durchblutungsstörungen der Mesenterial- len und verstärkter Mediatorfreisetzung o Al-
gefäße kommt, z. B. durch Inkarzeration, Inva- teration der Mukosabarriere mit Translokation
gination oder Volvulus von Lipopolysacchariden und für Bakterien o
Gefahr des septischen Multiorganversagens.
kFunktioneller Ileus
4 meist paralytischer Ileus bei intraabdominel- kDickdarmileus
len Entzündungen wie z. B. bei Pankreatitis, 4 Durch eine zunehmende Darmdistension bei
Cholezystitis, Appendizitis oder Peritonitis Passagestörung kommt es aufgrund einer
4 bei metabolischen (z. B. diabetischer Azidose, intraluminären Druckerhöhung zu einer
Urämie, Hypokaliämie) oder hormonellen Mikrozirkulationsstörung der Darmwand mit
(z. B. Schwangerschaft) Veränderungen konsekutivem hypoxischem Gewebeschaden
4 reflektorisch im Rahmen anderer Erkrankun- o Hypovolämie und Schock aufgrund einer
gen (z. B. Nieren- oder Gallenkoliken, stärkere passiven Flüssigkeitssequestration ins intra-
Blutverluste, Blasenüberdehnungen, Wirbel- murale Gewebe und in das Dar mlumen.
körperfrakturen) 4 »Bakterielle Dysbalancen« scheinen eher eine
4 bei vaskulär bedingten Veränderungen (Ver- sekundäre Rolle zu spielen.
schluss von Mesenterialgefäßen, z. B. Claudica-
tio abdominalis) jSymptome
4 medikamentös bedingt (z. B. durch Opioide, 4 klinische Symptome:
Antidepressiva, Parkinson-Medikamente). 5 Schmerzen (bis 93 % der Patienten)
4 selten aufgrund einer spastischen Parese der 5 Erbrechen (bis 71 %)
Darmmuskulatur o Verlust der geregelten 5 Meteorismus (bis 54 %)
Propulsivmotorik, z. B. durch Bleiintoxikatio- 5 Stuhlverhalt (ca. 29 %)
nen, Porphyrie oder eine Askariasis 5 Miserere (ca. 4 %)
4 Auskultation: spärliche Darmgeräusche, nur
jPathophysiologie gering hochgestellte oder typisch metallisch
Hier unterscheiden sich der Dünndarm, und der klingende Darmgeräusche (mechanischer
Dickdarmileus voneinander. Ileus) bzw. auskultatorische »Totenstille«
(paralytischer Ileus oder mechanischer Ileus
kMechanischer Dünndarmileus im Stadium der Paralyse)
4 Beim mechanischen Dünndarmileus kommt
es zu einer starken Vermehrung fäkulenter jDiagnostik
Keime, besonders von E.coli o Zunahme der 4 Anamneseerhebung (Voroperationen o post-
Bakterienzahl mit konsekutiver Hypersekre- operative Adhäsionen stellen die häufigste
tion der Schleimhaut und gleichzeitiger ver- Ursache dar)
mehrter Durchblutung der Dünndarmwand. 4 radiologische Untersuchung:
4 Beim hohen Dünndarmileus (jejunale Passa- 5 Röntgenleeraufnahme des Abdomens (Dif-
gestörung) dominieren klinisch nicht so sehr ferenzierung zwischen Dick- und Dünn-
die geblähten Darmschlingen, sondern viel- darmileus, Nachweis eines Gallensteinileus,
mehr der entgleiste und vital bedrohliche Flüs- Volvulus oder Nachweis von freier intra-
400 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

abdomineller Luft als Zeichen einer Perfo- 19.5 Diarrhö


ration)
5 Kontrastmittelpassage (Differenzierung jDefinition
zwischen mechanischem und paralytischem 4 >3 Stuhlentleerungen am Tag mit einem
Ileus und evtl. Indikationsstellung zur Ope- Gewicht >250 g Fäzes und
ration) 4 verminderte Stuhlkonsistenz (Wassergehalt
4 Kolonkontrasteinlauf oder -doppelkontrast- >75 %)
darstellung
4 Sonographie (Nachweis von Gallensteinen, Elektrolytgehalt des normalen Stuhls
einer Cholezystitis, Pankreatitis oder tumorö- 5 K+: ca. 90 mmol/l
ser Veränderungen im kleinen Becken) 5 Na+: ca. 40 mmol/l
4 Computertomographie, ggf. mit Kontrastmit- 5 HCO3–:ca. 30 mmol/l
telfüllung des Darms bzw. i.v. (bei Dickdarm- 5 Cl–: ca. 15 mmol/l
ileus und tiefem Dünndarmileus zum Aus- 5 Osmolalität des normalen Stuhls:
schluss von obstruierenden Tumoren, beson- ca. 290 mosm/kg
ders im Ileozäkalbereich)
4 Koloskopie
jUrsachen
jTherapie Eine Diarrhö kann sowohl durch einen osmotisch
kKonservativ (beim rein paralytischen Ileus) wirksamen Darminhalt als auch durch eine Imba-
4 Dekompressionsbehandlung des gestauten lance zwischen Motilität, Sekretion und Resorption
Gastrointestinaltrakts mittels Magensonde, ausgelöst werden:
gastrointestinaler Dekompressionssonde oder 4 osmotische Ursachen:
koloskopisches Absaugen von Darmsekret und 5 hyperosmolare Sondenkost, Laktose bei
Gasen Laktoseintoleranz, sekretorische Diarrhö
4 bilanzierte Flüssigkeits- und Volumensub- mit Nettowasser- und Elekrolytsekretion bei
stitution bakteriellen Toxinen, Gallensäuren, ent-
4 Absetzen/Umsetzen motilitätshemmender zündlichen Prozessen wie M. Crohn, Tbc
Medikamente (z. B. Antidepressiva) sowie Proteinsekretion (großes Adenom)
4 evtl. Antibiotikagabe 4 funktionelle Ursachen:
4 Behandlung der Grund- oder Begleiterkran- 5 Imbalance zwischen Motilität, Sekretions-
kungen (z. B. M. Crohn, Colitis ulcerosa, und Resorptionsleistung
holezystitis, Divertikulitis) 4 mikrobiologische/infektiologische Ursachen:
4 medikamentöse Induktion von Peristaltik o 5 kontaminierte Nahrungsbestandteile, bak-
Wirksamkeit nicht in klinischen Studien terielle Infektionen (Salmonellen, Shigellen,
bewiesen! Staphylokokken, Campylobacter jejuni, Vi-
5 Bethanechol (Cholinergikum) brio choleri und am häufigsten enterotoxin-
5 Metoclopramid, Domperidon (Dopamin- bildende E. coli [ETEC]), Clostridium-dif-
agonisten) ficile-Toxin o pseudomembranöse Kolitis
5 Erythromycin (Motilinagonist) 5 Viren: Norwalkvirus, Rotavirus u. a.
5 Neostigmin (indirektes Parasympathomi- 5 selten Protozoen wie z. B. Entamoeba histo-
metika), evtl. in Kombination mit Dexpan- lytica, Giardia lamblia u. a.
thenol 4 Maldigestion/Malabsorption
5 mangelhafte Enzym- und/oder Gallen-
19 kOperativ (vorwiegend beim Okklusionsileus) sekretion
4 Adhäsiolyse der Briden 5 Störung der Hydrolyse von Kohlenhydraten,
4 Stenose beseitigende Operationen Eiweiß und Fett in niedermolekulare Spalt-
produkte bzw. der Emulgierung der Fette
19.5 · Diarrhö
401 19
5 Hauptursachen: gastrisch (z. B. nach 5 Endoskopisch variiert das Bild entspre-
Magenresektion), hepatobiliär (z. B. Chole- chend von diffuser Schleimhautrötung bis
stase), Gallensäureverlustsyndrom (z. B. zu schweren pseudomembranös-ulzerie-
Ileumerkrankungen), pankreatisch (z. B. renden Läsionen.
chronische Pankreatitis) 5 Diagnose: Nachweis von Clostridium-diffi-
5 Mukosaatrophie (nach längerer enteraler cile-Toxin im Stuhl oder die Kultur von C.
Nahrungskarenz) difficile aus einer Biopsie.
4 alimentäre Ursachen:
5 Sondenkost (zu hohe Osmolarität, zu rasch jDifferenzialdiagnose
große Mengen) C.-difficile-Enterokolitis vs. osmotische Diarrhö o
5 Laktoseintoleranz mittels Berechnung der osmotischen Lücke des
4 intestinale Infektionen: Stuhls:
5 Shigellen, Campylobacter, enteritische 4 gemessene Osmolalität des Stuhls – 2 × (Stuhl
Salmonellen, E. coli, Clostridium difficile, [Na+]–Stuhl [K+])
Viren, Pilze oder Parasiten 4 o Werte >160 mosm/kg H2O sprechen für
eine osmotische Diarrhö
! Eine kontaminierte Sondenkost ist auszu-
schließen!
jTherapie
4 endokrine Ursachen: 4 Behandlung der zugrunde liegenden Erkran-
5 Hyperthyreose kung, z. B. bei pseudomembranöse Kolitis
5 häufig schwerer insulinpflichtiger Diabetes (Metronidazol 4-mal 250 mg/d p.o. (bzw.
mellitus (diabetische Neuropathie des auto- Metronidazol i.v., falls p.o. vom Patienten
nomen Nervensystems), gelegentlich im nicht toleriert) oder Vancomycin 4-mal
Wechsel mit Obstipation 125 mg/d p.o. (die zur intravenösen Applika-
5 Nebenniereninsuffizienz (M. Addison), tion zugelassene Infusion kann auch oral
sehr selten gegeben werden)
4 medikamentöse Ursachen: 4 Änderung der Sondenkostauswahl
5 Mg-haltige Antazida 5 niedrigere Osmolarität (<200 mosmol/l),
5 Antibiotika kein erhöhter Fettgehalt
4 pseudomembranöse Kolitis 5 langsame Steigerung des Kostaufbaus
5 Häufigkeit: 5–21 % der Intensivpatienten 4 symptomatisch
5 Die Hälfte aller Diarrhöen bei Intensiv- 5 Stabilisierung der Homöostase
patienten unter Antibiotikatherapie (beson- 5 Wasser- und Elektrolythaushalt ausgleichen
ders Clindamycin) soll durch Clostridium 5 Antidiarrhoika (Loperamid 2- bis 4-mal
difficile-Endotoxin ausgelöst sein (bedingt 2 mg/d)
durch Endotoxin A+B von Clostridium
difficile, das bei Suppression der normalen kAntidiarrhoika
Darmflora proliferiert). 4 Indikationen: zurückhaltend, da bei einer zu
5 Klinik: variiert von unkomplizierter starken Motilitätshemmung mit nachfolgender
Diarrhö bis zur schweren Kolitis mit blu- Atonie und Obstipation zu rechnen ist.
tigen Durchfällen
5 Immunstatus des Patienten korreliert gut
mit dem klinischen Erscheinungsbild: bei
asymptomatischen Trägern höhere Anti-
körperspiegel von IgA und IgM gegen das
Toxin A gefunden als bei symptomatischen
Patienten.
402 Kapitel 19 · Gastrointestinale Probleme

Dosierung 4 Perenterol
5 50 mg Kps. oder forte 250 bzw. Pulver
5 Loperamid 5 1 Kps. enthält Saccharomyces boulardii
– 1 Kps. = 2 mg, 1 ml Lsg. = 0,2 mg, 50 mg/250 mg
1 Tbl. = 2 mg 5 Indikationen:
– 2- bis 4-mal 1 Kps. oder 2-mal 20 ml – symptomatische Behandlung akuter
5 Akute Diarrhö Diarrhöen
– Erwachsene: Anfangsdosis: 2 Kps., da- – Vorbeugung und symptomatische
nach 1 Kps. nach jedem ungeformten Behandlung von Reisediarrhöen
Stuhl. Tageshöchstdosis: 12 mg – Diarrhöen unter Sondenernährung.
– Kinder ab 8 Jahren: 1 Kps., danach 1 Kps. 5 Dosierung: 3-mal 2–4 Kps. (50 mg) oder 1-
nach jedem ungeformten Stuhl. Tages- bis 2-mal 1 Kps. (250 mg)
höchstdosis: 8 mg
– Kinder von 2–8 Jahren: 0,2 ml Lsg./kg
nach jedem ungeformten Stuhl. Tages- Ausgewählte Literatur
höchstdosis: maximal 4-mal
Angstwurm MW, Gaertner R (2006) Practicalities of selenium
supplementation in critically ill patients. Curr Opin Clin
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Decurtins M, Goti F (1998) Postoperativer Ileus – Früh, spät
Keime) oder gar nicht operieren? Zentralbl Chir 123:1355
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Wilhelm W (2013) Praxis der Intensivmedizin, 2. Auflage.
Springer, Berlin Heidelberg New York
405 20

Stressulkus
W. Zink

20.1 Grundlagen – 406

20.2 Ulkusprophylaxe – 407

20.3 Ulkustherapie – 411

Ausgewählte Literatur – 412

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
406 Kapitel 20 · Stressulkus

20.1 Grundlagen 4 Ulkusblutung:


5 Inzidenz einer Stressulkusblutung in der
jPhysiologische Grundlagen Intensivmedizin variiert zwischen 0–39 %
4 verschiedene Zelltypen in der Magenmukosa 5 die Inzidenz ist abhängig von der zugrunde
5 Nebenzellen: hauptsächlich im Fundus und liegenden Definition (positiver Hämoccult-
Korpus; Schleimproduktion Test, geringe Mengen Blut aus Magensonde
5 Hauptzellen: Produktion von Pepsinogen bis hin zur Kreislaufinstabilität mit Transfu-
5 Belegzellen (= Parietalzellen): Produktion sionsbedarf)
von Salzsäure (HCl) 5 Stressulkus und Dieulafoy-Läsion (dila-
5 G-Zellen: hauptsächlich im Antrum; tiertes submukosales, arterielles Gefäß) sind
Produktion von Gastrin o HCl n, Pepsino- die Hauptursachen einer signifikanten Blu-
gen n tung des oberen Gastrointestinaltrakts bei
4 Schleimproduktion kontinuierlich und unab- Intensivpatienten
hängig von Nahrungsaufnahme 5 Zunahme gastrointestinaler, akuter Blu-
4 Bildung und Freisetzung von HCl bei tungen um das 4-Fache in den 1960-er Jah-
Nahrungsaufnahme o Aktivierung von ren unter intensivmedizinischen Bedin-
»Protonenpumpen« gungen
4 Pepsinogene: Umwandlung durch HCl in Pep-
> Trotz der Einführung der Ulkusprophylaxe
sine mit Wirkmaximum bei pH 2–3,5
mit H2-Blockern (potente antisekretorische
4 Stimulation der Säureproduktion über
Medikamente) bleibt das Stressulkus in der
5 Histaminrezeptoren (H2-Rezeptoren an
Intensivmedizin ein ernsthaftes Problem.
Belegzellen)
5 muskarinerge Cholinrezeptoren Subtyps
M1 o vagale Aktivierung jUrsachen von Blutungen im oberen
5 Gastrinrezeptoren Gastrointestinaltrakt
4 Ulkuskrankheit (10–15 % der Bevölkerung),
jPathogenese meist Duodenalulzera (singulär)
4 Imbalance zwischen
5 aggressiven Faktoren (Salzsäure, Pepsin, jDifferenzialdiagnose
Gallensäure) und 4 Stressblutung
5 protektiven Faktoren (Mukosa, Bikarbonat, 4 Magenkarzinom
mukosaler Blutfluss, Gefäßschäden, Prosta- 4 Läsion durch Magensonde
glandin, Epithelzellenregeneration, Neuro- 4 Zustand nach Magenresektion o Anastomo-
peptide) senblutung
4 Eine Verminderung der schützenden Faktoren 4 medikamentös bedingte Läsionen (NSAID,
spielt bei der Entstehung des Stressulkus eine Glukokortikoide, Zytostatika)
größere Rolle als eine Zunahme der aggres-
siven Faktoren (vermehrte Säureproduktion). jRisikofaktoren
4 Vermehrte Säureproduktion ist jedoch beim 4 Beatmung über >48 h
Schädel-Hirn-Trauma oder bei der Sepsis als 4 Gerinnungsstörung (Koagulopathie und/oder
Ursache eines Stressulkus vorrangig. Thrombozytopenie)
4 Hypotension
jInzidenz 4 Neurochirurgische Patienten und Schädel-
4 Gastritis, Erosionen, Ulcus ventriculi/duo- Hirn-Verletzte (Cushing-Ulzera): Stimulierung
deni: Bei 52–100 % aller Patienten lassen sich zentraler Vaguskerne
nach 18–24 h Intensivaufenthalt endoskopisch 4 akute Querschnittsverletzte o Inzidenz: 20–
20 Mukosaschäden (oberflächliche Erosionen bis 30 % unter Prophylaxe o Vagusstimulation,
tiefe Ulzerationen) nachweisen. psychischer Stress, respiratorische Insuffizienz,
20.2 · Ulkusprophylaxe
407 20
Immobilisation, Störung der autoregulato- 20.2 Ulkusprophylaxe
rischen Mechanismen
4 akute Niereninsuffizienz oder Zustand nach 20.2.1 Basismaßnahmen
Nierentransplantation: erhöhte Mukosaperme-
abilität und H+-Ionenrückdiffusion 4 adäquate Sedierung und Analgesie (Ausschal-
4 Brandverletzte (>35 % KOF): Volumenver- tung von Stress und Schmerz)
schiebungen und Mediatorenfreisetzung führt 4 frühzeitige enterale Ernährung als Prophylaxe
zu Perfusionsproblemen für stressinduzierte gastrale Läsionen/Blu-
4 leberzirrhotische Patienten o portale hyper- tungen o Stärkung der mukosale Integrität?
tensive Gastropathie (unklare Datenlage!)
4 Patienten mit verminderter gastrointestinaler 4 frühzeitige Verbesserung und Wiederherstel-
Perfusion (kardiochirurgische Patienten, lung einer adäquaten intestinalen Perfusion
Patienten im Schock) o eingeschränkte (Volumensubstitution, Optimierung von Oyx-
Mukosadurchblutung führt zu Gewebeazi- genierung und Kreislauffunktion, Sedierung)
dose und -hypoxie mit konsekutivem 4 medikamentöse Ulkusprophylaxe bei Risiko-
ATP-Abfall: ATP o AMP o Adenosin o patienten
Hypoxanthin o Xanthin (durch Xanthinoxi- 4 . Tab. 20.1 gibt einen Überblick über gastrale
dase) mit Bildung von O2- und Hydroxylradi- Veränderungen unter Stress und verschie-
kalen o Zerstörung der Mukosa denen Medikamenten
4 septische Patienten: Störung der Mikrozirkula-
tion durch Freisetzung verschiedener Media-
toren 20.2.2 Medikamentöse Ulkusprophylaxe
4 großer operativer Eingriff
4 Kortikoidtherapie Zur medikamentösen Ulkusprophylaxe werden
derzeit im Wesentliche folgende Substanzklassen
> Sämtliche Risikofaktoren sind gleichzeitig
eingesetzt:
Indikationen für eine Stressblutungs-
4 Sucralfat
prophylaxe!
4 Histaminrezeptor-2-Antagonisten
4 Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
jKlinik
4 Blut über Magensonde Antazida, Anticholinergika und Prostaglandine ha-
4 Hämatemesis und Meläna beim spontan ben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung
atmenden Patienten verloren.
4 Teerstuhl
4 unklarer Hb-Abfall und Hypotension Sucralfat (Ulcogant)
4 Hb-Abfall >2 g/dl und Persistenz der Blutungs- 4 wasserunlösliches, basisches Aluminium-
zeichen >12 h o therapeutische Gastroskopie sucrosesalz
mit Urease-Test zum Nachweis eines Helico- 4 1 Tbl., 5 ml (1 Btl./1 Messb.)  1 g
bacter pylori
jWirkmechanismus
jDiagnostik 4 bedeckt die Magenmukosa und besonders den
4 »golden standard«: Endoskopie. Ulkusboden
4 Erhöhung der Durchblutung durch Prosta-
glandin- und wahrscheinlich durch NO-Frei-
setzung
4 Bindung von Pepsin und Gallensäuren, prosta-
glandinunabhängige Bikarbonat- und Mukus-
sekretion
408 Kapitel 20 · Stressulkus

. Tab. 20.1 Auswirkungen von Stress und verschiedenen Medikamenten zur Ulkusprophylaxe

Stress Piren- Antazida Histamin- Sucral- Omeprazol Prostag-


zepin antagonisten fat landine

Intragastraler pH-Wert l–n l–n nn l – nn l n – nnnn l–n

Pepsin l–p l–p p l–p p p – ppp l–p

Gallensäuren n l p l p l l

Prostaglandinproduktion p l n l n l n

Mukus p n n p nt l n

Bikarbonatproduktion p n n l n l n

Zellerneuerung p l n l n l l

Mukosaperfusion p p n l–p n l n

4 wirkt außerdem bakterizid durch Al2+-Freiset- Antihistaminika (H2-Rezeptor-


zung, scheint die Mortalität im Vergleich zu antagonisten)
Antazida oder Histaminblockern zu senken jWirkmechanismus
4 kompetitiver Antagonismus an H2-
Dosierung Rezeptoren
4 Säuresuppression und intragastrale pH-Anhe-
5 Oral: 4- bis 6-mal 1 Btl.
bung (pH >4)
4 kein Einfluss auf die Magenentleerungszeit,
den unteren Ösophagussphinkter oder die
jKontraindikationen Pankreassekretion
4 bei Niereninsuffizienz mit Erhöhung des
Plasmaaluminiumspiegels jNebenwirkungen
4 negativ chronotrop und inotrop wirksam bei
jNebenwirkungen schneller Gabe
4 gelegentlich Obstipation, erhöhte Aluminium- 4 koronare Vasokonstriktion
spiegel 4 Enzyminduktion (Cytochrom P450), vorwie-
gend bei Cimetidin
jWechselwirkungen 4 Verwirrtheit und Halluzinationen, da die Blut-
4 verminderte Resorption verschiedener Medi- Hirn-Schranke überwunden wird
kamente vermeidbar durch um 1–2 h versetzte 4 teilweise lebertoxisch (Hepatitis)
Einnahme 4 Exanthem
4 Leuko-, Thrombopenie
> Sucralfat hebt den pH-Wert des Magens nicht
4 Gynäkomastie
entscheidend an und führt somit auch nicht
4 bakterielle Magenbesiedelung bei pH >3,5
zur bakteriellen Kolonisation im Magen mit
mit Pneumonierisiko n (durch »stille Aspira-
erhöhtem Pneumonierisiko. Außerdem weist
tionen«)
es die geringsten Kosten auf.
jWechselwirkungen
4 mögliche Verringerung der Resorption durch
20 Antazida oder Sucralfat.
20.2 · Ulkusprophylaxe
409 20
4 bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kreati- Dosierung
nin-Clearance <30 ml/min) sollte die Dosis der
H2-Blocker um 50 % reduziert werden! 5 Oral: 2-mal 75 mg

Ranitidin (Zantic, Sostril)


4 1 Tbl. = 150/300 mg Nizatidin (Gastrax, Nizax Lilly)
4 1 Amp. à 5 ml  50 mg jPharmakologie
4 5- bis 8-mal stärker wirksam als Cimetidin
jPharmakologie 4 Proteinbindung: 35 %
4 5- bis 8-mal stärker wirksam als Cimetidin 4 Plasma-HWZ: 4 h
4 Proteinbindung: 15–20 % 4 95 % unverändert renal eliminiert
4 Plasma-HWZ: 2–3 h
4 Wirkdauer 8–12 h Dosierung
4 70 % unverändert renal eliminiert
5 Oral: 1-mal 1–2 Kps. (150–300 mg) p.o.
Dosierung

5 Intravenös: 2-mal 50 mg, maximal 4-mal Protonenpumpen-Inhibitoren:


5 mg; bei Niereninsuffizienz Dosisreduktion Omeprazol (Antra)
um 50 %
4 1 Amp. à 10 ml  40 mg
5 Oral:
4 1 Tbl.  20 (40) mg
– Ranitidin 1-mal 300 mg abends oder
– Ranitidin 2-mal 150 mg jWirkmechanismus
4 Hemmung der histamin- und vagusinduzier-
ten Säuresekretion (irreversible Protonenpum-
Cimetidin (Tagamet) penhemmung: H+/K+-ATP-ase)
4 1 Tbl.  200/400/800 mg 4 sehr potente Säurehemmung.
4 1 Amp. à 2 (4) ml  200 (400) mg
jPharmakologie
Dosierung 4 Gabe als Prodrug, welche in den Belegzellen
durch säurekatalysierte Zyklisierung in die
5 Ulkusrezidivprophylaxe: 2-mal 200–
aktive Form umgewandelt wird und die Zelle
400 mg i.v./p.o.
nicht wieder verlassen kann (»cell-trapping«)
5 Akutbehandlung: 800 mgTag i.v.
o Wirkdauer > HWZ von 40 min
4 hepatische Elimination
4 geringgradige Beeinflussung von Cytochrom
Famotidin (Pepdul) P450

Dosierung jIndikationen
4 therapierefraktäre Ulzera
5 Intravenös: 1-mal 20 mg i.v.
4 obere GI-Blutung
5 Oral: 1- bis 4-mal 20 mg p.o.

Roxatidin (Roxit)
jPharmakologie
4 Gabe als Prodrug Roxatidinacetat
4 nahezu vollständige renale Elimination
410 Kapitel 20 · Stressulkus

Dosierung jNebenwirkungen
4 gelegentlich Tachykardie
5 Intravenös: initial 1–2 Amp à 40 mg, dann 4 anticholinerge Nebenwirkungen (Mund-
½–1 Amp. tgl. trockenheit, Akkommodationsstörungen)
5 Oral: 2-mal 1 Tbl. à 20/40 mg am 1. Tag,
! Bei Tachyarrhythmie oder Niereninsuffizienz
dann 1-mal 1 Tbl.
Dosisreduktion (z. B. 3-mal ½ Amp.)!

! Nur als Kurzinfusion über mindestens 30 min; Antazida


keine i.v. Bolusgabe wegen möglicher Seh- jWirkmechanismus
störungen (durch kurzfristig hohe Blutspie- 4 Neutralisierung der intraluminalen Säure und
gel)! Bei Niereninsuffizienz: Reduktion auf ¼ direkte Bindung von Pepsin und Gallensäuren
der täglichen Dosis, nicht länger als 8 Wo- 4 Stimulation der Epithelerneuerungsrate (Alu-
chen. miniumhydroxid)??

jNebenwirkungen Magaldrat (Riopan)


4 selten Kopfschmerzen, endogene Depressio- 4 1 Btl.  10 ml  800 mg, 1 Tbl.  400/800 mg
nen, Blutbildveränderungen
4 irreversible Sehstörungen und Gesichtsfeldaus- Dosierung
fälle o Erblindung (Papillenveränderungen
5 Oral: 4- bis 6-mal 1 Btl. (10 ml)
und Cotton-Wool-Herde)
4 Hörstörungen bis Hörverlust

Anticholinergika: Pirenzepin jKontraindikationen


(Gastrozepin) 4 Fruktose-Sorbitol-Intoleranz
4 1 Tbl. = 25 mg/50 mg 4 bei Niereninsuffizienz hochdosierte Dauer-
4 1 Amp. à 2 ml = 10 mg anwendung vermeiden

jWirkmechanismus jNebenwirkungen
4 wirkt auf Muskarin-1-Rezeptoren: Reduzie- 4 breiige Stühle und erhöhte Stuhlfrequenz bei
rung der Gesamtproduktion des Magensaftes, hoher Dosierung
jedoch nicht der Magensaftazidität
4 tierexperimentell nachgewiesene Erhöhung jWechselwirkungen
der Mukosadurchblutung, der Bikarbonat-, 4 Resorption von gleichzeitig verabreichtem Ei-
Prostaglandin- und Mukussekretion sen, Tetracyclinen, Natriumfluorid, Cheno-
4 besonders geeignet bei SHT und neurochirur- deoxycholsäure, Digoxin, Benzodiazepinen,
gischen Patienten! Dicumarol, Indometacin und Cimetidin kann
beeinflusst werden o Einnahme dieser Arz-
Dosierung neimittel im Abstand von >1 h!

5 Intravenös: 3-mal 10 mg Aluminiumhydroxid (Aludrox)


5 Oral: 2-mal 25 mg oder 1- bis 2-mal 50 mg
4 1 Tbl.  320 mg
(maximal 150 mg)
Dosierung

5 Oral: 4- bis 6-mal 1–2 Tbl.


20
20.3 · Ulkustherapie
411 20
jKontraindikationen jWirkmechanismus
4 Ileus 4 Verbesserung der Perfusion sowie der Bikarbo-
nat- und Schleimbildung
jNebenwirkungen 4 Säuresekretionshemmung in hoher Dosierung
4 Obstipation
4 Aluminiumeinlagerungen, v. a. in Nerven- und Dosierung
Knochengewebe
5 Oral: 2- bis 4-mal 1 Tbl. p.o.
4 Phosphatverarmung

Aluminiumhydroxid, Magnesiumhydroxid
(Maalox 70) jKontraindikationen
4 10 ml (1 Btl.)  9 g Aluminiumhydroxid-Gel 4 Überempfindlichkeit gegen Prostaglandine
4 600 mg Magnesiumhydroxid) 4 entzündliche Darmerkrankungen
4 Schwangerschaft
Dosierung
jNebenwirkungen
5 Erwachsene 4-mal 10 ml:
4 Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen
– Initial 20 ml per Magensonde; weitere
4 Schwindel, Benommenheit und Kopfschmerzen
Dosierung vom Erreichen des pH-Grenz-
4 Veränderungen des Menstruationszyklus oder
wertes (nicht <pH 3,5), der möglichst
Zwischenblutungen
stündlich im Magenaspirat mittels
pH-Papier gemessen werden sollte, ab- Ulkusprophylaxe und Pneumonierisiko
hängig
4 unter medikamentöser Ulkusprophylaxe ggf.
– In der Regel 10–20 ml in 2- bis 4-stündli-
bakterielle Überwucherung des Magens mit
chen Intervallen
nachfolgender Mikroaspiration von infizier-
tem Magensekret und potentiellem Risiko für
sekundäre Pneumonie
jKontraindikationen 4 nach derzeitiger Studienlage führen Protonen-
4 Hypophosphatämie pumpeninhibitoren und H2-Rezeptorantago-
4 bei Niereninsuffizienz Kumulationsgefahr von nisten nicht zu einer höheren Rate nosokomi-
Magnesium. aler Pneumonien im Vergleich zu Sucralfat!

jNebenwirkungen
4 beatmete Patienten in der Intensivmedizin: 20.3 Ulkustherapie
u.U. Pneumonie
4 Obstipation 20.3.1 Ulkusblutung
4 Hypermagnesiämie besonders bei Nieren-
insuffizienz und hoher Dosierung 4 Kreislaufstabilisierung und ggf. Transfusion
4 Aluminiumeinlagerungen, v. a. in Nerven- und 4 Endoskopie (diagnostisch und therapeutisch
Knochengewebe o z. B. Sklerosierung: Unterspritzung mit
4 Phosphatverarmung Aethoxysklerol) und medikamentöse Säure-
sekretionshemmung
Prostaglandine 4 Operation, ggf. im symptomfreien Intervall
Misoprostol (Cytotec) (geringere Mortalität)
4 1 Tbl.  200 μg
412 Kapitel 20 · Stressulkus

20.3.2 Hämorrhagische Ösophagitis jTherapie


k1-wöchige Tripletherapie
4 Entfernung der Magensonde (auch bei beatme-
Dosierung
ten Patienten)
4 Instillation von 15 ml Sucralfatsuspension ins
5 Omeprazol 2-mal 20 mg p.o.
obere Ösophagusdrittel und medikamentöse
5 + Clarithromycin 2-mal 250–500 mg p.o.
Säuresekretionshemmung
5 + Metronidazol 2-mal 400 mg p.o.
5 o Eradikationsrate: 90–95 %

20.3.3 Hämorrhagische Gastritis


oder
5 Omeprazol 2-mal 20 mg p.o.
4 Legen von 2 Magensonden kardianah und
5 + Clarithromycin 2-mal 250–500 mg p.o.
distal
5 + Amoxicillin 2-mal 1000 mg p.o.
4 Spülung mit eiskalter Lösung (10–20 l) für
5 o Eradikationsrate: 84–96 %
1–2 h über proximale Magensonde
4 Entfernung der freigespülten Koagel über
distale Magensonde
4 Gabe von Pantoprazol oder Omeprazol 40 mg kBei Keimpersistenz nach Tripletherapie
als Kurzinfusion i.v.
4 60 ml Sucralfat proximal applizieren und für Dosierung
2 h abklemmen
5 Schema A
5 1. Tag: Repetition im 2-stündlichen Abstand
– Tage 1–10
5 2./3. Tag: nur noch 20 ml/2 h
– Omeprazol 2-mal 40 mg p.o.
5 4./5. Tag: 20 ml alle 6 h
– Tage 4–10
4 ggf. angiographische Embolisation
– Wismutsalz 4-mal täglich
4 bei Versagen: operative Therapie o Umste-
– + Tetrazyklin 4-mal 500 mg p.o.
chung der Blutung (Forrest Ib), selektive Vago-
– + Metronidazol 3-mal 400 mg p.o.
tomie, magenreserzierende Verfahren

Bei infektiöser Genese (Helicobacter- oder


pylori-positiv) 5 Schema B
– Tage 1–14
4 Erstbeschreibung des Cambylobacter bzw.
– Omeprazol 3-mal 40 mg p.o.
Helicobacter pylori durch Robin Warren und
– + Amoxicillin 3-mal 750 mg p.o.
Barry Marshall 1984
4 Inzidenz: 95 % der Duodenalulzera und 70 %
der Magenulzera
Ausgewählte Literatur
jDiagnostik
Elke G, Schädler D, Zick G et al. (2008) Stressulkusprophylaxe
4 Urease-Schnelltest: bioptisches Material aus
bei septischen Intensivpatienten. Ein evidenzbasierter
dem Antrum bzw. bei Vorbehandlung mindes- Überblick. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerz-
tens zwei weitere Biopsien aus dem proximalen ther 5:336–343
Magenabschnitt Fischbach P, Malfertheimer P, Hoffmann J et al. (2009) S3-
4 13C-Harnstoff-Atemtest: radioaktiv markierter Leitlinie »Helicobacter pylori und gastroduodenale
Harnstoff wird oral appliziert, anschließend gas- Ulkuskrankheit« der Deutschen Gesellschaft für Ver-
dauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) Z Gastro-
tral durch Helicobacter-Urease in CO2 gespalten,
enterol 47:68–102
das in der Exspirationsluft gemessen wird Herold G (2010) Innere Medizin 2010. Eine vorlesungsorien-
20 4 Helicobacter-pylori-Antigennachweis im Stuhl tierte Darstellung. Eigenverlag, Köln
Ausgewählte Literatur
413 20
Lin PC, Chang CH, Hsu PI, Tseng PL, Huang YB (2010) The
efficacy and safety of proton pump inhibitors vs hista-
mine-2-receptor antagonists for stress ulcer bleeding
prophylaxis among critical care patients: A meta-analysis.
Crit Care Med 38: 1197–1205
Marik PE, Vasu T, Hirani A et al. (2010) Stress ulcer prophylaxis
in the new millennium: A systematic review and meta-
analysis. Crit Care Med 38: 2222–2228
Pilkington KB, Wagstaff MJ, Greenwood JE (2012) Prevention
of gastrointestinal bleeding due to stress ulceration: a
review of current literature. Anesth Int Care 40: 253–259
Quenot JP, Thiery N, Barbar S et al. (2009) When should stress
ulcer prophylaxis be used in the ICU? Curr Opin Crit Care
15: 139–143
Wilhelm W (2013) Praxis der Intensivtherapie. 2. Auflage.
Springer, Berlin Heidelberg New York
415 21

Intoxikationen
M. Fresenius

21.1 Allgemeine Therapiemaßnahmen – 416

21.2 Spezielle Intoxikationen – 417

21.3 Wichtige Kontaktdaten von Informationszentralen


für Vergiftungsfälle – 429

Ausgewählte Literatur – 429

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
416 Kapitel 21 · Intoxikationen

jEinteilung jKontraindikationen
21 4 exogene Intoxikationen: zu 80 % orale Intoxi- 4 ätzende Substanzen (zum Beispiel anorga-
kation, meist mit Medikamenten und Ethanol nische Säuren), Tensiden oder flüssigen Koh-
bei den akuten Vergiftungen und Suiziden. lenwasserstoffen, nicht intubierter Patient
Ursachen für tödlich verlaufende Vergiftungen
> Die Applikation von Kohle wird in den letzten
sind Rauchgas und Drogen
Jahren gegenüber der Magenspülung zuneh-
4 endogene Intoxikationen
mend im klinischen Alltag bevorzugt.
jInzidenz
Etwa 10 % aller Krankenhauseinweisungen bzw. ca. Magenspülung
20 % aller Aufnahmen auf die Intensivstation sind jIndikationen
durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Nur bei Aufnahme lebensbedrohlicher Substanz-
Intoxikationen bedingt. Im Jahr 2011 wurden ca. mengen und innerhalb von 60 min nach Ingestion,
205.000 Behandlungen aufgrund akuter Vergiftun- z. B. bei Benzodiazepinen, Paracetamol, Theophyl-
gen durchgeführt! lin, β-Blockern, Amphetaminen etc. durch einen
erfahrenen Untersucher

21.1 Allgemeine Therapiemaßnahmen jKontraindikationen


4 Bewusstseinsgetrübter, nicht intubierter Patient
4 sorgfältige Eigen- und Fremdanamnese sowie 4 nach Ingestion mit Säuren und Laugen
die Asservierung von Medikamenten (-verpa- 4 nach Aufnahme von Kohlenwasserstoffen
ckungen), Lebensmittelresten, Erbrochenem (z. B. Benzin) mit hohem Aspirationsrisiko
sowie Produkten, die für die Vergiftung 4 bei bekannten Magen- oder Ösophagus-
höchstwahrscheinlich verantwortlich sind läsionen
4 Sicherung der Vitalfunktionen 4 alle Patienten mit Verlust der Schutzreflexe
4 primäre und sekundäre Giftelimination: Verhin-
derung der weiteren Resorption (Gabe von jVorgehen
medizinischer Kohle, Magenspülung, Erbre- Spülung mit Wasser oder bei Kindern mit 37°C war-
chen) und Entfernung der Substanz aus dem mer physiologischer Kochsalzlösung; Einzelmenge
Körper o wird aktuell nur noch selten gestellt! ca. 3 ml/kg KG bzw. eine Gesamtmenge von 10–20 l
4 symptombezogene Intensivtherapie, Gabe von bis Spüllösung klar oder tablettenrestefrei ist.
Antidota
jKomplikationen
4 bis zu 3 % Aspirationen/Pneumonien
21.1.1 Primäre Giftelimination
Induziertes Erbrechen
Medizinischer Kohle (Carbo medicinalis) 4 ausgelöst durch 30 ml Ipecacuanha-Sirup bei
Gabe von ca. 0,5–1,0 g/kg KG medizinischer Kohle Erwachsenen oder Kindern >5 Jahren
(Carbo medicinalis in Puderform mit hoher Absorp- 4 ggf. Induktion einer Diarrhö
tionsoberfläche) in ausreichender Flüssigkeit zum
Vermeiden eines Ileus (200 ml), anschließend 20– jKontraindikationen
25 g alle 4–6 h 4 Intoxikation mit Schaumbildnern
4 organische Lösungsmittel
jIndikationen 4 Säuren und Laugen
4 Intoxikationen mit Carbamazepin, Pheny- 4 bewusstseinsgetrübter Patient
toin, Theophyllin, Dapson, Phenobarbital, 4 Patient mit Krampfneigung
Chinin, Vitamin-K-Antagonisten (Marcu- 4 kardiozirkulatorische Störungen
mar), Phenobarbital
21.2 · Spezielle Intoxikationen
417 21
! Induziertes Erbrechen verursacht z. T. gravie-
. Tab. 21.1 Eingrenzung der Stoffgruppe anhand
rende Elektrolytimbalancen und sollte daher der Art des Komas
nicht routinemäßig angewandt werden!
Komaform Substanzklasse
21.1.2 Sekundäre Giftelimination
Ruhiges Koma (»sleeplike«) Schlafmittel oder
Drogen
4 Hämodialyse bei schwerer Vergiftung mit
kurzkettigen Alkoholen (z. B. Methanol, Agitiertes Koma Psychopharmaka oder
Drogen
Ethylenglycol), Salicylate, Valproat, Lithium,
Carbamazepin, Phenytoin, Metformin, Krampfendes Koma Antiepileptika
Dabigatran etc. Antimalariamittel
Antihistamika
4 Hämoperfusion, z. B. bei Meprobamat-,
Antiasthmatika
Phenobarbital- und Theophyllinintoxikation Insektizide u. a. m.
4 Magen-Darm-Spülung bei Substanzen mit
enterohepatischem Kreislauf oder schweren
Vergiftungen mit Paraquat oder Arsen mittels
Golytely-Lsg. 1–2 l/h . Tab. 21.2 Ruhiges Koma

4 forcierte Ventilation bei Ingestion von chlo-


Ruhiges Koma, In Frage kommende
rierten Kohlenwasserstoffen (Dichlorethan, charakterisiert durch Substanz
Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethan, Tetra-
chlorethylen etc.) Abgeschwächte Reflexe Ethanol (schwer)
4 forcierte Diurese, sinnvoll bei Barbituraten, Hypoventilation Barbiturate
Hypotonie Glutethimid
Lithium, Knollenblätterpilz, Vergiftungen mit Meprobamat
begleitender Rhabdomyolyse (CO-Vergiftung) Methaqualon
Chloralhydrat

Stecknadelkopfgroße Opioide
21.1.3 Analyse der Intoxikation Pupillen Opiate
Hypoventilation
Anhand der vorliegenden Art des Komas kann im Erhaltene Reflexe (!) Benzodiazepine
klinischen Alltag die zur Intoxikation führende Geringe Beeinflussung
Stoffgruppe eingegrenzt werden (. Tab. 21.1, . Tab. der vitalen Funktionen
21.2, . Tab. 21.3, . Tab. 21.4). Der Schweregrad der
Intoxikation kann klinisch in verschiedene Grade
eingeteilt werden (. Tab. 21.5). 4 über die Nasenschleimhaut: Schnupfen (bei
chronischer Anwendung Nasenseptumdefekte)
4 intravenös, als wasserlösliches Kokainhydro-
21.2 Spezielle Intoxikationen chlorid
4 oral: meist perorale, akzidentelle Intoxikation
In . Tab. 21.6 sind die Intoxikation und ihre spe- eines Drogenkuriers nach Läsion des intesti-
ziellen Antidota zusammengestellt. nalen Transport-/Kondompäckchens

jKlinik
21.2.1 Kokain Typische Trias mit
4 weiten, ggf. »lichtstarren« Pupillen
jAufnahme 4 neurologischen Störungen (Angstzustände,
4 inhalativ als hitzestabiles »Crack« (schwarzes Agitiertheit, paranoide Psychosen, Epilepsien,
Sputum, Thoraxschmerzen aufgrund von fokale neurologische Symptome, Bewusstlosig-
Tracheairritationen) keit sowie Aggressivität)
418 Kapitel 21 · Intoxikationen

. Tab. 21.3 Agitiertes Koma . Tab. 21.5 Schweregradeinteilung der Vergif-


21 tungen mit ZNS-Beteiligung
Agitiertes Koma, In Frage kommende
charakterisiert durch Substanz Grad Klinisches Bild

Mydriasis Antihistamika 0 Vergiftung ohne Bewusstseinsstörung


Hyperreflexie Anticholinergika
I Vergiftung mit somnolenter Bewusstseins-
Trockene Haut und TCA*
störung
Schleimhaut
Tachykardie II Vergiftung mit stupuröser Bewusstseins-
Rhythmusstörungen störung
QRS-Verbreiterung
Krampfanfälle III Vergiftung mit motorisch reaktivem Koma

Mydriasis Neuroleptika IV Vergiftung mit areaktivem Koma plus respi-


Hyperreflexie ratorischer Insuffizienz
Tachykardie V Vergiftung mit areaktivem Koma plus respi-
Hypotonie ratorischer Insuffizienz plus instabilen Kreis-
Krampfanfälle laufverhältnissen
Mydriasis Amphetamine
Hyperreflexie Kokain
Tachykardie
Hypertonie 4 kardiovaskulären Störungen:
Krampfanfälle 5 Steigerung des Sympathikotonus (Hem-
* TCA: trizyklische Antidepressiva mung des Re-uptakes von Noradrenalin,
Serotonin, Dopamin) mit Tachykardie,
Koronarspasmen, Arrhythmien (Re-entry-
Arrhythmien, supraventrikuläre Arrhyth-
. Tab. 21.4 Krampfendes Koma mien, AV-Dissoziationen)
5 exzessive Hypertonie (Kopfschmerzen,
Krampfendes Koma, In Frage kommende intrazerebrale Einblutungen, Hirnödem)
charakterisiert durch Substanz
5 Blockade der Natriumkanäle (wirkt wie
Metabolische Entgleisung Theophylline Antiarrhythmikum der Klasse I): negative
Kardiovaskulärer Störung Inotropie (überwiegt die sympathomimeti-
Erbrechen sche Nebenwirkung), Blockbilder und vent-
Kopfschmerz Chloroquin rikuläre Rhythmusstörungen (VES, VT, KF)
Photophobie 4 weiterhin Steigerung der Thrombozyten-
Athetosen aggregation, Hyperthermie, generalisierte
Arrhythmie Vasokonstriktion mit Organminderperfusion
Nystagmus Phenytoin (Darmischämien, Nierenversagen, Angina-
Arrhythmie pectoris-Symptomatik, Laktatzidose mit
Opisthotonus
Hyperkaliämie)
Azidose Salizylate 4 bei chronischem Abusus ST-Streckenverände-
Gerinnungsstörungen rungen als Folge der linksventrikulären Hyper-
Durchfall Organophosphate trophie und Wandbewegungsstörungen in der
Hypersekretion Alkylphosphate Echokardiographie sowie kokaininduzierte
Bradykardie dilatative Kardiomyopathie (DCM) und bakte-
Muskelfaszikulationen
rielle Endokarditiden infolge Verunreinigung
CHE-Erniedrigung
Stecknadelkopfgroße Pupillen der Droge (im Gegensatz zu Heroin findet vor
der Kokaininjektion kein Erhitzen der Droge
statt)
21.2 · Spezielle Intoxikationen
419 21

. Tab. 21.6 Spezielle Antidotbehandlung

Intoxikation durch Antidot Dosis Bemerkung

Benzodiazepine Flumazenil (Anexate) 0,2–0,5 mg fraktioniert i.v.

β-Rezeptorenblocker Glukagon (GlucaGen) 3 mg s.c., i.m. oder langsam i.v.

Kalziumantagonisten Kalziumglukonat Bei Kindern: 0,2–0,3 ml/kg i.v.


10 % Bei Erwachsenen: 10–20 ml
10 %ige Lösung

Opioide/Opiate Naloxon (Narcanti) 1–2 μg/kg fraktioniert i.v. Antagonismus am


Opioidrezeptor

Phosphorsäureester (z. B. Atropin (1 Amp. à Initial 2–5 mg i.v. (bis zu 100 mg!) Antagonismus am
605), Carbamate, Cholin- 10 ml = 100 mg) Anschließend nach Klinik Rezeptor
ergika

Zyanid-, Schwefelwasser- 4-DMAP (Dimethylamino- 2–3 mg/kg i.v. Nicht bei simultaner
stoff und Nitril phenol) Anschließend Natriumthiosulfat CO-Intoxikation
(50–100 mg/kg)

Methanol- oder Glykol Ethanol >100 ml Blutalkoholkonzen-


tration von 1–2 (mg/
ml) anstreben

Thallium Berlinerblau 3 g Eisen(III)-hexacyanoferrat Verminderung der


per Magensonde auf einmal bei Toxinabsorption
schwerer 3 g/d in 6 Einzeldosen
p.o.

Digitalis Digoxinspezifische Anti- 80 mg Antidigoxin-Fab binden 1 Bildung von ato-


körper-(Fab)-Fragmente mg Digoxin oder Digoxinderivate xischen Antigen-
Digitalisantidot bzw. Digitoxin Antikörper-Komple-
Bindemittel xen
Trockensubstanz in Injek-
tionsflaschen

Neuroleptika Biperiden (Akineton) 0,04 mg/kg in 5 % Glukoselösung


langsam i.v.

Knollenblätterpilze Silibinin (Legalon SIL) 5 mg/kg über 1 h Verhinderung des


Anschließend 20 mg/kg/24 h, intrazellulären Ein-
verteilt auf 4 Infusionen von dringens des Toxins
jeweils 2 h
Dauer unter Beachtung der
Flüssigkeitsbilanz

Paracetamol N-Acetylcystein Nach aufgenommener Menge Förderung des Toxin-


(Fluimucil, ACC) metabolismus durch
Gabe von Präkur-
soren

Eisenverbindungen Desferoxamin (Desferal) 15 mg/kg/h über 4–6 h (maximal Serum-Fe2+ > totale
80 mg/kg/24 h) Eisenbindungs-
kapazität

Schwermetalle wie Blei, DMPS (Dimercaptopro- 1 Tag: 250 mg i.v. 3- bis 4-stünd- Insgesamt wenige
Quecksilber, Zink, Chrom, pansulfonat) lich NW
Kupfer, Gold, Arsen, 2. Tag: 4- bis 6-stündlich
Kobalt, Nickel 3. Tag: 6- bis 8-stündlich etc.
420 Kapitel 21 · Intoxikationen

. Tab. 21.6 (Fortsetzung)


21
Intoxikation durch Antidot Dosis Bemerkung

Methämoglobinbildner Methylenblau (Methylen- 1–2 mg/kg der 1 %igen Lsg.


wie Nitrat-, Nitrit-, Anilin-, blau Vitis i.v. 1 % Injekti-
Nitrobenzol- und Phenol- onslösung
verbindungen

Methämoglobinbildner Toloniumchlorid 3–4 mg/kg (1 Amp. (10 ml) Blaufärbung der


wie Nitrat-, Nitrit-, Anilin-, Toluidinblau Injektions- enthält: 300 mg) Haut
Nitrobenzol- und Phenol- lösung
verbindungen

jTherapie 21.2.2 Amphetamine


4 Magenspülung und Gabe von Aktivkohle bei
Verdacht auf perorale Intoxikation (Verhinde- jAufnahme
rung der weiteren Resorption) 4 oral, intravenös oder subkutan
4 Natriumbikarbonat bei breiten Kammerkom- 4 Metamphetamin und die freie Base des
plexen und Rhythmusstörungen (Erhöhung Amphetamins (»speed«) auch inhalativ
der Proteinbindung von Kokain)
4 Verapamil (Isoptin) bei supraventrikulären jWirkung
Arrhythmien und Tachykardien Erhöhte Ausschüttung von Katecholaminen, Ver-
4 zur Senkung des Blutdrucks: Phentolamin; bei minderung der neuronalen Wiederaufnahme und
simultaner Myokardischämie: Kalziumantago- Hemmung der Monoaminooxidase (MAO).
nisten und/oder Nitrate
4 beim Lungenödem: Gabe von Schleifen- jKlinik
diuretika 4 Amphetaminpsychose
4 bei Hyperthermie: physikalische Kühlung 4 zerebrale Blutungen im Rahmen des arteriellen
4 bei Rhabdomyolyse (auch direkte Wirkung von Hypertonus und toxischer zerebraler Vaskulitis
Kokain): Alkalisierung des Urins und forcierte 4 Herzrhythmusstörungen, Hyperthermien
Diurese 4 Rhabdomyolyse mit DIC und Nierenversagen
4 bei Agitation: Gabe von Benzodiazepinen, z. B.
Diazepam (kein Haldol oder Chlorpromazin jTherapie
o Erniedrigung der Epilepsieschwelle, der ar- 4 leichte Sedierung mit Benzodiazepinen
rhythmogenen Wirkung und der Gefahr der 4 Vitamin-C-Gabe (cave: nicht bei Myoglobinu-
Induktion der neuroleptischen Hyperthermie) rie (Nierentubulusschädigung durch Präzipita-
tion)
Kokain
5 HWZ der psychischen Wirkung: 1 h, HWZ Amphetamine
der somatischen Nebenwirkungen: 5–6 h 5 HWZ: 7–30 h (anhängig vom Urin-pH o
5 Nachweis der 2 Hauptmetaboliten des Ko- Ansäuern des Blutes mit 1–5 g Vita-
kains bis zu 48 h nach Konsum im Urin (Ben- min C/24 h p.o. oder i.v. verkürzt die HWZ)
zylecgonin, Methylecgoninester) oder nach 5 Wirkung hält 5–6 h an
langfristiger Einnahme durch Harnanalyse 5 Nachweis bis zu 4 Tagen im Urin
21.2 · Spezielle Intoxikationen
421 21
21.2.3 MDMA-Ecstasy 4 γ-Butyrolacton und das chemische Zwischen-
produkt 1,4-Butandiol werden im Körper zu
jAufnahme GHB metabolisiert
4 orale Zufuhr in Tablettenform 4 Nachweises einer GHB-Einnahme in Blut oder
Urin (Nachweis auf 6–12 h nach Einnahme
jWirkung begrenzt!)
4 exzessive neuronale Serotoninfreisetzung und 4 symptomatische Therapie
Hemmung der Serotoninwiederaufnahme
4 diskrete dopaminerge Wirkung
4 zentrale Aktivierung des Sympathikus 21.2.5 Heroin

jKlinik jAufnahme
4 psychische Stimulation (gesteigerter Antrieb, 4 intravenös
erhöhte Kommunikationsbereitschaft, erhöhtes
Selbstvertrauen) jKlinik
Trias mit
jSomatische Nebenwirkungen 4 eingeschränktem Bewusstsein bis Bewusst-
4 Tachykardie, Trismus, Bruxismus (unmotivier- losigkeit
te Kaubewegungen), milde Hyperthermie 4 stecknadelkopfgroßen Pupillen
(meist nach repetitiven Einnahmen infolge 4 Hypoventilation bis Apnoe
erhöhter Umgebungstemperatur und mangeln- 4 weiterhin Bradykardie und Hypotension,
der Flüssigkeitszufuhr während sog. Rave- Rhabdomyolyse und Nervenschädigung
Partys), ggf. begleitet von Epilepsie, DIC und infolge anhaltender Hypoxie sowie durch
Nierenversagen Lagerungsschäden
4 Synkopen infolge kardialer Überbelastung
jTherapie
4 mechanische Beatmung bei Zeichen der
MDMA-Ecstasy
Hypoxämie
5 Wirkung nach 100 mg MDMA klingt nach
4 ggf. Antagonisierung einer Teilwirkung des
1–2 h wieder ab, Nebenwirkungen können
Opiats durch Naloxon (cave: HWZ von
noch 5 h anhalten
Naloxon ca. 70 min)
5 Nachweis bis zu 48 h im Urin

Heroin
5 Metabolisierung des Heroins (Diacylmor-
21.2.4 γ-Hydroxybuttersäure (GHB),
phin mit HWZ 3–20 min) zu 6-Mono-Acetyl-
γ-Butyrolacton (gebräuchliches
morphin und Morphin (HWZ: 3–6 h)
Lösungsmittel) oder 1,4-Butandiol
5 Nachweis der Metaboliten bis zu 40 h nach
Einnahme im Urin
4 γ-Butyrolacton gebräuchliches Lösungsmittel
4 als Liquid Ecstasy oder »k.o.-Tropfen« in den
letzten Jahren bekannt geworden
4 stimmungshebend, geschmacksneutral, Gefahr 21.2.6 Benzodiazepin
des plötzlichen Bewusstseinsverlustes mit
Amnesie jAufnahme
4 Einsatz als intravenöses Sedativum im 4 meist oral
Intensivbereich und zur symptomatischen
Behandlung
4 der Narkolepsie mit Kataplexie
422 Kapitel 21 · Intoxikationen

jKlinik 21.2.8 Kalziumantagonisten


21 4 Sprachstörungen
4 tiefe Sedierung (Somnolenz bis Koma) jAufnahme
4 Ataxie und Nystagmus 4 meist orale Aufnahme von Verapamil,
4 muskuläre Hypotonie Diltiazem oder Nifedipin
4 Kreislaufdepression mit Hypotonie und
Tachykardie jKlinik
4 Atemdepression bei schweren Intoxikationen 4 bei Verapamil meist Hypotonie infolge
Abnahme des HZV (negative Inotropie) und
jTherapie verlängerte AV-Zeit
4 Gabe von Flumazenil (Anexate) 0,2–1,0 mg 4 bei Nifedipin Hypotonie bedingt durch
als Bolus; anschließend ggf. Perfusor mit 0,3– Vasodilatation und Reflextachykardie
0,4 mg/h, da die Wirkung nur ca. 1 h anhält 4 Lethargie, Bewusstseinsstörungen
(10 Amp. Anexate à 0,5 mg auf 50 ml 4 Unruhe, Somnolenz bis Koma, generalisierte
(= 0,1 mg/ml) Krampfanfälle
4 Hyperglykämie (Blockade der kalzium-
jNebenwirkungen von Flumazenil abhängigen Insulinfreisetzung)
4 Krampfanfälle bei Patienten unter antiepilep- 4 Übelkeit, Erbrechen
tischer Therapie oder bei Mischintoxikation 4 akutes Nierenversagen aufgrund einer
mit trizyklischen Antidepressiva, Entzugssyn- Rhabdomyolyse
drom bei chronischem Abusus
jTherapie
! Häufigste und selten tödlich verlaufende
4 Gabe von 10–20 ml Kalziumglukonat 10 %,
Intoxikation.
anschließend kontinuierlich 3–20 ml/h
4 Glukagon wie bei β-Blockern
21.2.7 β-Rezeptorenblocker 4 Katecholamine: Dopamin (ca. 5 μg/kg/min)
oder Adrenalin hochdosiert (bis 1 μg/kg/min)
jAufnahme bzw. PDE-III-Hemmer
4 meist oral

jKlinik 21.2.9 Digitalis


4 kardial: Bradykardie, arterielle Hypotonie
(periphere Vasodilatation durch Renin- jAufnahme
blockade und HZV-Abfall durch β1-Blockade, 4 meist oral
ggf. Blockbilder durch direkte AV-Überlei-
tungsstörung (z. B. Propranolol) jKlinik
4 zerebral: Lethargie, Vigilanzstörungen, 4 Müdigkeit, Schwäche, Kopfschmerz, Unruhe,
Krampfanfälle (vorwiegend bei den lipophilen Schlaflosigkeit
β-Blockern aufgrund zerebraler Akkumulation) 4 Rhythmusstörungen wie z. B. Sinusbradykar-
die, Extrasystolen, Kammerflimmern,-flattern,
jTherapie AV-Blockierungen, AV-Knotentachykardien,
4 Atropin, Orciprenalin (Alupent) atriale Tachykardien etc.
4 Glukagon (GlucaGen) bei kardialer Haupt- 4 Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, abdominelle
symptomatik: 3 mg initialer Bolus ( 0,05 mg/ Schmerzen
kg KG); bei positivem Effekt kontinuierlich 4 Sehstörungen
Gabe von 5 mg/h (0,07 mg/kg KG/h)
Nebenwirkungen: Übelkeit und Erbrechen bei
>5 mg/h
21.2 · Spezielle Intoxikationen
423 21
jTherapie jTherapie
4 Gabe von Aktivkohle (1 g/kg alle 4 h) 4 möglichst frühzeitige Magenspülung oder ein-
4 Gabe von spezifischen Digitalisantikörpern maligen Gabe von Aktivkohle innerhalb der
(Fab-Fragmente) bei lebensbedrohlicher Into- ersten Stunde
xikation (Hyperkaliämie bei schwerer Digita- 4 Natriumsubstitution (initial 100–160 mval i.v.
lisintoxikation, komplexen ventrikulären bzw. bei Bedarf 1- bis 2-mal 0,5–2 mmol/kg)
Arrhythmien, hochgradigem AV-Block) 4 Alkalisierung des Blut-pH mit 8,4 % Natrium-
bikarbonat bei schweren Rhythmusstörungen
Dosierung (Ziel-pH: 7,5–7,55)
4 ggf. Magnesiumsulfat
5 160–240 mg als Infusion innerhalb von
4 ggf. bei therapierefraktärem Kammerflimmern
20 min
Sotalol (Sotalex)
5 Anschließend 30 mg/h für 7–8 h (vorab
Intrakutantest)
5 o Meist 6 Päckchen (= 480 mg) zur
21.2.11 Neuroleptika
Entgiftung notwendig o sehr teuer!
jAufnahme
4 meist oral
4 80 mg Digitalisantidotbindemittel binden ca.
1 mg Digitalis (Digoxin und Digitoxin) jKlinik
4 Gabe von Magnesium insbesondere bei Hy- 4 extrapyramidale Nebenwirkungen
pokaliämie (nicht bei digitalisbedingter Bra- 4 Unruhe, Somnolenz bis Koma, zerebrale
dykardie und AV-Überleitungsstörungen) Krampfanfälle
4 Gabe von Phenytoin (125–250 mg langsam i.v.) 4 Hypotension, Tachykardie, QT-Verlängerung
oder Lidocain bei ventrikulärer Arrhythmie
4 ggf. Atropin bei Bradykardie jTherapie
4 ggf. passagere Schrittmacherstimulaiton bei 4 möglichst frühzeitige Magenspülung oder
therapierefraktärer Bradykardie einmaligen Gabe von Aktivkohle innerhalb
4 ggf. Hämoperfusion der ersten Stunde
4 Alkalisierung des Blutes mit Natriumhydro-
gencarbonat bis pH 7,5 o Reduktion der
21.2.10 Trizyklische Antidepressiva freien Wirkstoffkonzentration bei gleichzei-
tiger Anhebung des Serum-Natrium-Spiegels
jAufnahme o Reduktion von kardialen Arrhythmien
4 meist oral 4 Lidocain 2 % bei arrhythmogenen Störungen
4 Biperiden (Akineton) bei extrapyramidalen
jKlinik Nebenwirkungen
4 durch anticholinerges Syndrom gekennzeich-
net
4 ZNS: Fieber, Agitiertheit, Mydriasis, später 21.2.12 Paracetamol
Delir, Koma, generalisierte Krampfanfälle
4 kardial: Tachykardie, arterielle Hyper- oder jAufnahme
Hypotonie, später auch Hypotonie und ortho- 4 meist oral oder rektal
statische Dysregulation, Reizleitungsstörungen
mit Arrhythmien bis Kammerflimmern (QRS- jKlinik
Komplexverbreiterung als Diagnostikum) 4 initial symptomlos, verzögerter Ikterus
4 Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
4 Oligo- bis Anurie
424 Kapitel 21 · Intoxikationen

4 Hämaturie, Proteinurie
21 4 Somnolenz bis Koma

jTherapie
4 Gabe von Aktivkohle (1 g/kg) in den ersten 4 h
nach Ingestion
4 Gabe von N-Acetylcystein als Glutathionersatz
bei hoher Paracetamolintoxikation und gleich-
zeitig präexistentem Leberschaden infolge ei-
nes chronischen Alkoholabusus sowie unter
Medikation mit Substanzen, die den Zyto-
chromstoffwechsel induzieren (Barbiturate,
Phenytoin, Rifampicin)

Dosierung

5 Initial 100–150 mg/kg in 200 ml Glucose 5 %


über 15 min . Abb. 21.1 Einschätzung des Leberschädigungsrisikos an-
hand der Serumkonzentration von Paracetamol
5 Anschließend 50 mg/kg über 4 h
5 Danach 100 mg/kg in 1000 ml G 5 % über
16 h (gesamt 300 mg/kg über 20 h)
thion (intrazelluläres Antioxidans) und Bil-
dung einer Zysteinverbindung neutralisiert.
> In den USA die zweithäufigste Intoxikations-
4 ggf. innerhalb von 48 h nach Ingestation se-
form bei Erwachsenen!
kundäre Eliminationsverfahren wie Hämoper-
fusion oder High-flux-Hämodialysebehand-
lung über mindestens 5 Tage 21.2.13 Salicylate
4 Auftreten einer Hepatotoxizität abhängig von
5 der aufgenommen Menge: jAufnahme
– >250 mg/kg: Leberschädigung wahr- 4 oral oder rektal
scheinlich
– >140 mg/kg: Leberschädigung möglich jKlinik
– >70 mg/kg: Leberschädigung möglich bei 4 Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
vorbestehendem Risikofaktor (Malnutri- 4 Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre
tion, chronischer Alkoholabusus, HIV- Tachykardie, Kammerflimmern, Asystolie)
Infektion, Enzyminduktion) 4 Unruhe, Agitation, Somnolenz bis Koma,
5 der Serumkonzentration: zerebrale Krampfanfälle
– Risikoeinschätzung anhand des Normo- 4 Tachypnoe, Lungenödem
gramms (. Abb. 21.1)
– Errechnung des zu erwartenden Parace- jTherapie
tamolspiegels nach dem Rumack- 4 Alkalisierung des Urins mittels Natriumhydro-
Matthews-Normogramm als Entschei- gencarbonat i.v. auf einen pH >7,5
dungshilfe zur Therapiedurchführung 4 ggf. Gabe von Glycin (30–70 g p.o.) o höhere
4 Akkumulation von lebertoxischen Substanzen, Metabolisierungsrate der Salicylsäure
welche aufgrund der Paracetamolverstoffwech- 4 Ultima ratio: Hämodialyse
selung über das Cytochrom-P450 gebildet wer-
den. Die toxischen Metaboliten werden nor-
malerweise durch die Konjugation mit Glutha-
21.2 · Spezielle Intoxikationen
425 21
21.2.14 Theophyllin 15 mg/kg KG über 30–45 min alle 12 h und
normaler Nierenfunktion
jAufnahme 4 Hämodialyse insbesondere bei Methanolvolu-
4 meist oral men >30 ml, ausgeprägter Azidose, Blutmetha-
nolspiegel >1‰ und beginnender Sehstörung
jKlinik 4 ggf. Lidocain bei ventrikulärer Arrhythmie
4 Hypokaliämie 4 Diazepam 10–20 mg bei zerebralen Krämpfen
4 Hyperglykämie 4 Gabe von Folsäure zur Steigerung des Amei-
4 Azidose sensäuremetabolismus (Koenzym bei der
4 Rhabdomyolyse Oxidation von Formiat zu CO2 und H2O)
4 Unruhe, Agitiertheit, Krampfanfälle 4 Ausgleich der metabolischen Azidose mit
4 tachykarde Herzrhythmusstörungen 8,4 %igem Natriumbikarbonat und gleich-
zeitige verstärkte Ausscheidung von Formiat
jTherapie 4 HWZ des Methanols ca. 12 h, Elimination des
4 Magenspülung (auch noch lange nach Methanols zu 20 % pulmonal/renal und zu 80 %
Ingestion sinnvoll) durch langsame hepatische Metabolisierung
4 orale Kohlegabe 20 g alle 2 h + 75 ml 70 %iges
Sorbit bei jeder 2. Gabe
4 ggf. kardioselektive β-Blocker Esmolol 21.2.16 Ethylenglycol
(Brevibloc)
4 Hämoperfusion oder alternativ Hämodialyse jAufnahme
bei schwerer Intoxikation (>100 mg/l Serum- 4 oral
spiegel, ernste Arrhythmien, Krampfanfälle)
jKlinik
4 Benommenheit bis Koma und Krampfanfälle
21.2.15 Methanol 4 Niereninsuffizienz
4 metabolische Azidosen
jAufnahme
4 meist oral jTherapie
4 Gabe von Fomepizol (Fomepizol OPi) bei
jWirkung akuter Ethylengkycolvergiftung mit Plasma-
4 Methanol selbst nicht toxisch, aber die Abbau- konzentrationen >0,2 g/l (3,2 mmol/l) oder bei
produkte Formaldehyd und Formiat positiver Anamnese bzw. bei Verdacht mit
metabolischer Azidose und Anionenlücke
jKlinik (>16 mmol/l)
Nach einer Latenzzeit von 12–24 h Kopfschmerzen, 4 Wirkung: Hemmung der Alkoholdehydro-
Schwindel, Übelkeit, abdominelle Schmerzen, genase
Agitiertheit, Sehstörungen, Krämpfe, weite und re-
aktionslose Pupillen, Kußmaul-Atmung, Zyanose, Dosierung
klinische Zeichen wie bei der Pankreatitis, Flanken-
und Rückenschmerz, akutes Nierenversagen. 5 Bei normaler Nierenfunktion: 15 mg/kg KG
über 30–45 min alle 12 h, bis Plasmaspiegel
jTherapie <0,2 g/l
4 ggf. Magenspülung in den ersten 6 h nach 5 Bei Patienten mit schwerer vorbestehen-
Ingestion der Nierenstörung: Bolus von 15 mg/
4 Gabe von Ethanol wird nicht mehr empfohlen! kg KG über 30 min und parallel zur Hämo-
Stattdessen frühzeitige Gabe von Fomepizol dialyse 1 mg/kg KG/h kontinuierlich
(Fomepizol OPi) in einer Dosierung von
426 Kapitel 21 · Intoxikationen

21.2.18 Laugen- und Säureintoxikation


. Tab. 21.7 Serumkonzentrationen von Lithium und
21 Klinik
jKlinik
Serumkonzen- Symptome 4 Verätzungsspuren im ororpharyngealen
tration (mmol/l) Bereich
4 Dysphagie, Erbrechen Hämatemesis,
0,6–1,2 Durst, Polyurie, Übelkeit, Müdig-
keit, feinschlägiger Tremor
Salivation, starke Schmerzen, akutes Abdomen
4 Dysphonie, Heiserkeit, Husten, Stridor, Tac-
>1,5 Durchfall, Erbrechen, Verwirrtheit,
hypnoe, Aspiration, Lungenödem
Vigilanzstörungen, Hyperreflexie,
grobschlägiger Tremor, Muskel-
4 Hypotension, Schock, Tachykardie, QT-
faszikulationen Verlängerung, Kammerflimmern
4 Tetanie, Krämpfe
>2,0 Zerebelläre Symptome (Ataxie),
extrapyramidale Störungen
jTherapie
>2,5 Myoklonien, Athetosen, Stupor
4 rasche Spülung der Schleimhaut, evtl. Verdün-
>3,0 Zusätzlich zerebrale Krampf- nung mit lauwarmem Wasser oder Fruchtsaft
anfälle (bei Kindern) o Effektivität dieser Maßnahme
>3,5 Nierenversagen, Hypotension, wird heutzutage kontrovers diskutiert
Koma, Schock, Atemregulations- 4 Gabe von Milch (nur in wenigen Fällen sinn-
und Herzrhythmusstörungen
voll) oder Kalziumglukonat 10 % bei Fluor-
wasserstoffsäure-Intoxikation
4 Gabe von Antazida (auch bei Laugenvergiftung)
21.2.17 Lithium 4 Methylprednisolon 40 mg 8-stündlich i.v. zur
Vermeidung von Ösophagusstrikturen ist
jAufnahme allenfalls nach Laugeningestion indiziert!
4 meist oral
! Kein blindes Legen einer Magensonde!
jWirkung 4 Laugen induzieren eine Kolliquationsnekrose,
4 Antagonismus der synaptischen Transmission führen im Vergleich zu Säuren 3-mal häufiger
bzw. Hemmung der Freisetzung oder eine ver- zu Läsionen im Ösophagus, sie dringen schnell
minderte Retention zentraler Neurotransmitter in tiefe Gewebsschichten ein und verursachen
ausgiebigere Läsionen!
jKlinik 4 Säuren induzieren eine Koagulationsnekrose
Die klinischen Symptome korrelieren gut mit den (oberflächliche Nekrosen)!
Lithium-Serumkonzentrationen (. Tab. 21.7).

jTherapie 21.2.19 Kohlenmonoxidintoxikation


4 Magenspülung ohne anschließende Instillation
von Aktivkohle (Lithium wird nicht adsorbiert Akzidentelle Aufnahme (im Rahmen von Rauch-
und wirkt selbst laxierend) vergiftungen) oder meist in suizidaler Absicht mit
4 hochnormale Natriumserumspiegel durch inhalierten CO-Konzentrationen >0,02 %.
Kochsalzinfusion (150–300 ml/h 0,9 %ige
NaCl-Lösung) jWirkung
4 Gabe von Aminophyllin oder Azetazolamid o 4 hohe Affinität des CO zu Hämoglobin (ca.
Steigerung der Lithiumausscheidung 200- bis 250-fach höher als O2) und hierdurch
4 Hämodialyse bei Serumwerten >4 mmol/l Verdrängung des Sauerstoffs aus der Hämo-
globinbindung mit Gefahr der Hypoxie und
Organminderversorgung
21.2 · Spezielle Intoxikationen
427 21
4 Störung der mitochondrialen Atmungskette jSymptome
(Blockade der Cytochromoxidase); Steigerung Leichte Konjunktivitis, geringer Hustenreiz, toxi-
der Lipidoxidation durch freie Radikalenbil- sches Lungenödem nach 3–24 h
dung bei Reperfusion der Organe
4 Verschiebung der O2-Bindungskurve nach jTherapie
links Entfernen aus dem Gefahrenbereich, Sauerstoff, In-
halation von Glukokortikoiden, β2-Sympatho-
jKlinik mimetika, Antitussiva, strenge Bettruhe; bei Lun-
4 Kopfschmerz, Schwäche, Schwindel, Konzent- genödem Glukokortikoide i.v., Intubation und Be-
rationsstörungen, Sehstörungen, Stupor, atmung.
Koma, Krampfanfälle
4 Hypotension (Vasodilatation) und kardiale
Depression, Angina-pectoris-Symptomatik 21.2.21 Pflanzliche Intoxikationen
4 Dyspnoe, Lungenödem oder Drogen
4 Übelkeit, Erbrechen, Ikterus hepatorenales
Syndrom und hepatische Enzephalopathie 4 über das Internet können legale pflanzliche
4 akutes Nierenversagen infolge von Drogen, die häufig auch als »legal highs« ange-
Rhabdomyolyse boten werden, bezogen werden:
4 Aztekensalbei (Salvia divinorum, Salvino-
jTherapie rin A)
4 O2-Gabe 4 halluzinogene Pilze (Ibutensäure, Muscimol)
4 bei Bewusstseinsstörung mechanische 4 Kratom (Mitragyna speciosa, Mitragynin), ist
Ventilation eine Pflanzendroge mit Opiatrezeptor-agonis-
4 bei mittelschweren und schweren Symptomen tischer Wirkung
und bei einer verfügbaren Druckkammer 4 Hawaiian Baby Woodrose (Argyreia nervosa,
Durchführung einer hyperbaren O2-Therapie syn. Argyreia speciosa o Lysergsäureamid)
(HBO-Therapie) gemäß der Deutschen Gesell- 4 ausschließlich symptomatische Behandlung
schaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin der halluzinogenen Wirkung, sofern erforder-
e.V. (DGAUM) von 2011 lich

21.2.20 Reizgase 21.2.22 Knollenblätterpilzvergiftung

Reizgaze vom Soforttyp jAufnahme


Hierzu gehören: HCl, NH3, Cl2, SO2, HF, Acrolein 4 oral

jSymptome jWirkung
Hustenreiz, Dyspnoe, Bronchospastik, Lungen- 4 Aufnahme von zytotoxischen Amatoxinen
ödem, retrosternaler Druck, Augenbrennen, Kon- (Amantidin), welche die Transkription bzw.
junktivitis, Tränenfluss. die Bildung von mRNA in der Zelle vollständig
blockieren (Hemmung der Eiweißsynthese,
jTherapie z. B. Albumin und Gerinnungsfaktoren etc.)
Entfernen aus dem Gefahrenbereich, Sauerstoff,
Inhalation von β2-Sympathominemtika. jKlinik
Nach einer durchschnittlichen Latenzzeit von 12½ h
Reizgaze vom Latenztyp Auftreten von
Hierzu gehören: Nitrose Gase, Phosgen, Cadmium- 4 »cholera-like period« mit Übelkeit, Erbrechen,
oxid profusen, wässrigen, choleraartigen Durchfäl-
428 Kapitel 21 · Intoxikationen

. Tab. 21.8 Antidote im Überblick (sortiert nach Giften)


21
Gifte Antidot Handelsname Dosierung

Supportive Antidote – auf dem NAW

Anticholinergika, Physostigmin Anticholium 2–4 mg als Kurzinfusion


Antihistaminika i.v.

Benzodiazepine Flumazenil Anexate 0,5–1,0 mg i.v.

Neuroleptika Biperiden Akineton 5 mg i.v.

Organophosphate Obidoxin Toxogonin 250 mg i.v.

Opioide/Opiate Naloxon Narcanti 0,4 mg fraktioniert i.v.

Reizgase (Latenztyp) BeclometasonPrednisolon Ventolair-Spray 1 Fl. inhalativ 500 mg i.v.


Solu-Decortin H

Zyanidgase Natriumthiosulfat 10 % S-Hydril 7 g i.v.

Supportive Antidote – in der Klinik

β-Rezeptorenblocker Glukagon Glucagen 7 mg i.v.

Flusssäure Kalziumglukonat z. B. Calcium Braun 10 % 1–2 g i.v.

Heparin Protamin Protamin CN 10 mg i.v. für 1000 IE


Heparin

Isoniazid Pyridoxin Pyridoxal 5 g i.v.

Knollenblätterpilz Silibinin Legalon-Sil 20 mg/kg KG/Tag i.v.

Kumarin Phytomenadion Konakion 25 mg/Tag oral

Thallium Eisenhexacyanoferrat Antidotum Thallii Heyl 3 g/Tag oral

Lebensrettende Antidote – auf dem NAW

Chloroquin Diazepam Valium 1 mg/kg KG i.v.

Ethylenglykol Ethanol 4-MP Schnaps p.o. 0,6 g/kg KG

Methanol Antizol 15 mg/kg KG

Insulin + SH Glukose 25 g i.v.

CO O2 100 %

Methämoglobinbildner Toloniumchlorid Toluidinblau 2–4 mg i.v.

Organophosphat Atropin 1 % Atropin 5–50 mg i.v.

TCA Na-Bicarbonat 1–2 mval/kg KG i.v.

Zyanide 4-DMAP/Hydroxocobala- 250 mg i.v.


min

Lebensrettende Antidote – in der Klinik

Digitalis Digitalis-Antitoxin Digitalis Antidot 160 mg i.v.

Eisenverbindungen Desferoxamin Desferal 15 mg/kg KG/h

Paracetamol N-Acetylcystein i.v. Flumucil Antidot 150 mg/kg KG

Schwermetalle DMPS Dimaval 250 mg i.v. alle 3 h


Ausgewählte Literatur
429 21
len mit ggf. Blutbeimengungen, abdominelle 4 37075 Göttingen: Giftinformationszentrum-
Krämpfe Nord der Länder Bremen, Hamburg, Nieder-
4 hypovolämischer Schock sachsen und Schleswig-Holstein (GIZ-Nord),
4 Hyponatriämie, Hypokaliämie, metabolische Zentrum Pharmakologie und Toxikologie der
Entgleisung, Leukozytose, Leukurie, Protein- Universitätsmedizin Göttingen, Robert-Koch-
und Glukosurie Str. 40; Tel.: 0551-19240
4 später Ikterus, Hepatomegalie, paralytischer
Ileus, akutes Nierenversagen, Hypotension,
Schock, Coma hepaticum, Enzephalopathie Ausgewählte Literatur

jTherapie Albrecht K (1997) Intensivtherapie akuter Vergiftungen.


Ullstein Mosby, Berlin Wiesbaden (oder CD, Urban &
4 Versuch der primären Giftelimination mittels
Fischer, München 2002)
Magenspülung (rasche Resorption des Aman- Desel H: Antidote – umfassende Liste unter www.giz-nord.de
tidins) einsehbar!
4 25 g Aktivkohle (alle 3 h) und 10–20 g Glauber- Ludewig R, Köppel K, Poelchen W (1999) Akute Vergiftungen,
salz 9. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
4 forcierte Diurese durch Infusiontherapie und Mühlendahl von KE, Oberdisse U, Bunjes R (2003) Vergiftun-
gen im Kindesalter 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
Schleifendiuretika für 24–48 h
Müller D, Desel H (2013) Ursachen und Diagnostik und Thera-
4 3-mal 15 g Laktulose nach Sistieren der Durch- pie häufiger Vergiftungen Dtsch Ärztebl Int 110(41):
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4 Anlage einer Duodenalsonde mit Sekret-
Schaper A, Bandemer G, Callies, et al. (2012) Vorhaltung von
absaugung zur Unterbrechung des entero- Antidota im Notarztdienst. Der Notarzt 28: 114–8
hepatischen Kreislaufs Weilemann LS, Reinecke HJ (1996) Notfallmanual Vergiftun-
4 Silibinin-Infusion (Dosierung: 20 mg/kg KG/ gen. Thieme, Stuttgart
Tag, 4 Infusionen à 2 h) auch schon beim Ver- Zilker T (2006) Intoxikationen. Vortrag im Evangelischen
Krankenhaus Düsseldorf 15. April 2006
dacht!
Zilker T, Sefrin P, Scherer G, et al. (2010) Rauchgasinhala-
4 ggf. Hämoperfusion oder -filtration in der tions-Intoxikation. Der Notarzt 26: 95–102
Frühphase der Intoxikation

. Tab. 21.8 listet die gängigsten Antidote auf.

21.3 Wichtige Kontaktdaten von


Informationszentralen für
Vergiftungsfälle

4 53113 Bonn: Informationszentrale gegen


Vergiftungen der Rhein. Friedr.-Wilhelm
Universität, Zentrum für Kinderheilkunde,
Adenaueralle 119; Tel.: 0228-19-240
4 81675 München: Giftnotruf München, Tox.
Abt. der II-Med. Klinik Rechts der Isar der TU
München, Ismaningerstr. 22; Tel.: 089-19240
4 90419 Nürnberg: Toxikol. Intensivstation der
II. Med. Klinik im Städt. Klinikum, Flurstr. 1;
Tel.: 0911-398-2451
431 22

Akutes Koronarsyndrom (ACS)


W. Zink

22.1 Grundlagen – 432

22.2 Therapie – 436

Ausgewählte Literatur – 441

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
432 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

22.1 Grundlagen jPathophysiologie


4 Ruptur eines atherosklerosebedingten Plaques
jEinteilung bzw. Auftreten von Plaquefissuren o vollstän-
22 4 instabile Angina pectoris (»unstable angina«, diger oder partieller thrombotischer Verschluss
Präinfarktsyndrom, 20 %) des Koronargefäßes (häufigste Ursache)
5 EKG: ST-Streckensenkungen (>0,1 mV) 4 nicht-atherosklerotische Ursachen:
oder T-Negativierungen, evtl. Normalbe- 5 Mikroembolien
fund 5 In-situ-Koronarthrombosen (z. B. bei Poly-
5 Labor: keine Troponinerhöhung cythaemia vera)
5 Klinik: jede Erstangina, zunehmende 5 Koronarspasmen (z. B. Prinzmetal-Angina,
Schwere, Dauer, Häufigkeit der Schmerz- Zustand nach Kokain-Konsum)
anfälle, ggf. Ruheangina 5 Vaskulitis (z. B. Panarteriitis nodosa,
5 Pathologie: temporäre Myokardischämie in- Kawasaki- oder Takayasu-Arteriitis)
folge relativer Koronarinsuffizienz 5 Koronardissektionen (spontan, postpartal,
4 akutes Koronarsyndrom (ACS) mit typischem Trauma, iatrogen, LAD häufig betroffen)
Brustschmerz ohne anhaltende ST-Strecken- 5 Koronaranomalien (z. B. Bland-White-
hebung (NSTEMI, »non ST-segment elevation Garland-Syndrom)
myocardial infarction«, 40 %) o Myokard-
infarkt ohne anhaltende STStreckenhebung jKomplikationen
5 EKG evtl. unauffällig kFrühkomplikationen (<48 h)
5 Labor: positives Troponin 4 Reinfarkt
5 Pathologie: inkompletter Gefäßverschluss, 4 maligne Rhythmusstörungen (meist Kammer-
5 spontane Reperfusion flimmern)
4 ACS mit typischem Brustschmerz und mit an- 4 akute Linksherzinsuffizienz bzw. Linksherz-
haltender ST-Streckenhebung über 10–20 dekompensation ± Lungenödem
min (STEMI, »ST-segment elevation myocar- 4 kardiogener Schock
dial infarction« oder Q-wave-Infarkt, 40 %) o 4 Ventrikelseptumruptur oder sog. Infarkt-VSD
klassischer transmuraler Myokardinfarkt 4 Papillarmuskel- oder Sehnenfadenabriss o
5 EKG: anhaltende ST-Streckenhebung akute Mitralinsuffizienz
≥0,1 mV in ≥2 Extremitätenableitungen
und/oder ≥0,2 mV in ≥2 Brustwandablei- kSpätkomplikationen
tungen oder neu aufgetretenem Linksschen- 4 Remyokardinfarkt
kelblock mit infarkttypischen Symptomen 4 Myokardruptur (hohe Letalität: 98 %)
5 Labor: positives Troponin 4 Herzwandaneurysma/intrakavitäre Thromben
5 Pathologie: kompletter Gefäßverschluss mit in akinetischen Regionen
absolut anhaltender Myokardischämie 4 Frühperikarditis (Pericarditis epistenocardica)
4 Postmyokardinfarktsyndrom (Dressler-Syn-
jEpidemiologie Myokardinfarkt drom)
4 Inzidenz (Deutschland): ca. 280.000 Myokard- 4 chronisch ischämische Kardiomyopathie
infarkte/Jahr 4 Arrhythmien
4 Mortalität (präklinisch): 25 % nach 1–4 h, 30 %
nach 24 h jKlinik
4 Mortalität (klinisch): 58 % 30-Tage-Mortalität 4 retrosternale (60 %), präkardiale (20 %), epiga-
4 Langzeitmortalität (STEMI): 15 % nach 7 Jah- strische Schmerzen, ggf. Rückenschmerzen im
ren bei idealer initialer Therapie, bis zu 30 % BWS-Bereich, ggf. mit Ausstrahlung o links-
bei verzögert eingeleiteter Therapie seitige, ulnare Armschmerzen
4 erhöhte Mortalität insbesondere bei Frauen 4 Unruhe und Todesangst
und Patienten ≥75 Jahren 4 Übelkeit, Erbrechen
22.1 · Grundlagen
433 22

. Tab. 22.1 Infarktlokalisation und EKG-Veränderungen. (Aus Michels u. Kochanek 2011)

Versorgungsregion Koronararterienverschluss EKG-Ableitung

Vorderwandinfarkt LAD: proximal I, aVL, V2–6

Vorderwandspitzeninfarkt: apikal LAD: mittlerer oder distaler Teil I, aVL, V3–4

Vorderer Septuminfarkt: supraapikal LAD: mittlerer Teil/R. septalis der LAD I, aVL, V1–4
oder anteroseptal

Vorderer Lateralinfarkt: anterolateral LAD-Ast: R. diagonalis (RD) I, aVL, V4–6

Hinterer Lateralinfarkt: posterolateral RCX-Ast: R. marginalis (PLA) II, III, aVF, B5–7

Hinterwandinfarkt: inferior oder RCA oder RCX o falls die RCX den RIVP II, III, aVF, ggf. V1–3
diaphragmal abgibt

Strikt posteriorer Infarkt: basal RCX: distaler Teil III, aVF, V7–8

Rechtsventrikulärer Infarkt RCA: proximal VR3–R4, Nehb-Ableitung

Bezeichnungen der Koronararterien LAD = R. interventricularis anterior (»left anterior descending«); RCX = R. circum-
flexus; RCA = rechte Koronararterie (»right coronary artery«); RIVP = R. interventricularis posterior

. Tab. 22.2 Laborparameter bei ACS. (Aus Michels u. Kochanek 2011)

Enzym Normwerte Beginn der Aktivi- Maximum Rückbildung


tätsänderung (h) (Tage) (Tage)

CK <170 U/l 4–8 1–2 2–4

CK-MB (%-Anteil) <25 U/l (<6% der Gesamt-CK) 4–8 1–2 2–4

GOT (AST) <35 U/l 4–8 2 3–6

LDH (α-HBDH) <250 U/l (<180 U/l) 8–12 2–3 9–18

Myoglobin <60 ng/ml 1–3 12 h 1–2

h-FABP <19 ng/ml 0,5 10 h 1–2

Troponin T oder hs-Troponin <0,1 μg/l 1–4 1 9–18

Die Cut-off-Werte der Troponine (T, I, hs [hochsensitiv]) sind test- und damit laborabhängig!

4 Schwitzen Herztransplantierten, älteren Patienten


4 Dyspnoe (>75 Jahre) und Patienten mit Niereninsuffi-
4 evtl. feuchte Rasselgeräusche (RG) zienz und/oder Demenz
4 evtl. Zyanose
4 Trias des Rechtsherzinfarktes: Hypotension/ jDiagnostik (. Abb. 22.1)
Bradykardie, fehlendes Lungenödem und 4 Anamnese
Halsvenenstauung 5 kurz und prägnant o »time is muscle«
4 Bild des akuten Abdomens mit Nausea/Emesis 4 körperliche Untersuchung
bei Hinterwandinfarkt 5 Zeichen der akuten kardialen Dekompensa-
4 ggf. atypische bzw. fehlende Symptomatik bei tion?
Diabetikern (stummer Myokardinfarkt!),
434 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

22

. Abb. 22.1 Diagnostischer Ablauf bei ACS. (Adaptiert nach ESC Pocket Guidelines 2012)

4 EKG (12-Kanal innerhalb der ersten 10 Minu- 5 ggf. Detektion von Infarktkomplikationen
ten und im Verlauf; . Tab. 22.1) (VSD, Perikarderguss etc.)
5 Beurteilung von Herzfrequenz, Rhythmus
und evtl. Infarktlokalisation jDifferenzialdiagosen
4 Labordiagnostik 4 akuter Thoraxschmerz (nicht auf ACS beru-
5 Troponin T und I mit hoher Sensitivität und hend):
Spezifität zur Diagnostik bzw. zum Aus- 5 kardial: hypertensive Krise/Entgleisung,
schluss eines Herzmuskelschadens Perimyokarditis, Tachykardien, Aorten-
(. Tab. 22.2) vitien, Aortendissektion, akute Linksherz-
5 hsTroponin: negativer prädiktiver Wert insuffizienz, Kardiomyopathie, Mitralklap-
95 % bei Blutabnahme zum Aufnahmezeit- penprolaps, Koronaranomalien, Vaskulitis,
punkt; nahe 100 % bei Kontrolle nach 3 h Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
5 falls Troponintest negativ und weiterhin 5 pulmonal: Lungenembolie, Pneumothorax,
bestehendem Verdacht bzw. Klinik o Test- Pleuritis, Pneumonie
wiederholung in 6–12 h 5 gastrointestinal: Ösophagitis, Ösophagus-
5 BNP/NTproBNP, D-Dimere, kleines Blut- ruptur, akute Pankreatitis, Ulcera, Gallen-/
bild, Retentionswerte, Schilddrüsenhor- Nierenkolik, Mesenterialvenenthrombose
mone, Gerinnung 5 vertebragen: Interkostalneuralgie, HWS/
5 zukünftig evtl. h-FABP (»heart-type fatty BWS-Syndrom, zervikale Diskopathie,
acid binding protein«) in Kombination mit Rippenfraktur/Prellungen, Herpes Zoster,
Troponin zur Frühdiagnostik des Myokard- Myopathien, thorakales Schmerzsyndrom/
infarkts (. Abb. 22.2) Chondropathie im Bereich der oberen ster-
4 Echokardiographie nokostalen Übergänge
5 Beurteilung der linksventrikulären 5 endokrinologisch: Thyreotoxikose
Ejektionsfraktion (LVEF) 5 psychosomatisch: funktionelles Syndrom
5 Detektion neu aufgetretener regionaler (Da-Costa-Syndrom)
Wandbewegungsstörung (häufig falsch-posi- 4 ST-Strecken-Elevation (nicht auf ACS beru-
tive Befunde, da oftmals keine Referenzauf- hend):
nahmen vor Infarkt!); wenn nicht vorhanden 5 Perikarditis (ST-Hebung aus dem »S«
o zu >90 % keine akute kardiale Ischämie! heraus), ggf. Perimyokarditis
22.1 · Grundlagen
435 22

. Abb. 22.2 Risikostratifizierung mit Hilfe des hochsensitiven Troponintests. Tn = Troponin, hsTn = hochsensitives Troponin,
ULN = oberer Normalwert; Δ* Veränderung abhängig von Testmethode. Der GRACE Risk Score erlaubt die genaueste Risiko-
stratifizierung sowohl bei Aufnahme als auch bei Entlassung. (Adaptiert nach ESC Pocket Guidelines 2012)

5Koronarspasmus 5 akute oder chronische Herzinsuffizienz


5Ventrikelaneurysma 5 hypertrophe Kardiomyopathie
5Aortenaneurysma, Aortendissektion 5 Vaskulitis der Koronararterien (z. B. SLE,
5Schenkelblockierungen Kawasaki-Syndrom)
5inksventrikuläre Hypertrophie 5 endotheliale Dysfunktion der Koronar-
5benigne frühe Repolarisationen (»early arterien ohne signifikante Stenosen (z. B.
repolarization syndrome«: Normvariante, Kokainabusus)
erhöhter 5 Lungenembolie
5 ST-Abgang, linkspräkordial in V2–4) 5 schwere pulmonale Hypertonie
5 Brugada-Syndrom (Ionenkanalerkrankung) 5 Lungenödem
5 Subarachnoidalblutung (SAB) 5 akutes respiratorisches Versagen
5 Lungenembolie (ST-Streckenhebung in 5 Myokarditis, Perimyokarditis
Ableitung III) o wichtigste DD des Rechts- 5 Contusio cordis
herzinfarkts 5 Zustand nach kardiochirurgischem Eingriff
5 Osborn-(J-)-Welle: Anhebung des J-Punk- 5 Zustand nach Radiofrequenz- oder Kryo-
tes bei Hypothermie, Hyperkalzämie oder ablationstherapie
SAB wie ein 5 Zustand nach Kardioversion/Defibrillation
5 Kamelhöcker 5 Zustand nach Myokardbiopsie
5 Tako-Tsubo-Syndrom (»apical balloning 5 Zustand nach CPR
syndrome«) 5 toxische Myokardschädigung (z. B. Adria-
4 Tropinonerhöhungen (nicht auf ACS- mycin, 5-FU, Herceptin)
beruhend): 5 Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
5 Tachy-/Bradyarrhythmien 5 peripartale Kardiomyopathie
5 Aortendissektion 5 Sepsis, septische Kardiomyopathie
5 schwere Aortenklappenstenose 5 Infiltrative Kardiomyopathien (z. B. Amy-
5 hypertensives Notfallgeschehen loidose, Sarkoidose)
436 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

22

. Abb. 22.3 Angriffspunkte der antithrombotischen Therapie. AT = Antithrombin; NMH = niedermolekulares Heparin.
(Adaptiert nach ESC Pocket Guidelines 2012)

5 schwere neurologische Erkrankungen: 4 Analgesie mit Morphin initial 2–5 mg i.v.


Schlaganfall, Subarachnoidalblutung, SHT alle 5 min bis Schmerzfreiheit (cave: Übel-
5 extreme körperliche Anstrengung keit!) o Vor- und Nachlastsenkung durch
5 schwere Verbrennungen (>30 % verbrannte Blockade der Sympathikusafferenzen im ZNS
KÖF) sowie Reduktion der zirkulierenden Katecho-
5 Niereninsuffizienz (Kreatinin >2,5 mg/dl) lamine
5 Neoplasie 4 Sedierung, z. B. mit Midazolam 1–5 mg i.v.;
nach Wirkung titrieren
4 nasales CPAP oder NIPPV bei kardialem Lun-
22.2 Therapie genödem zur Reduktion der Atemarbeit
(7 Kap. 8) o Reduktion des O2-Verbrauchs der
22.2.1 Allgemeine Prinzipien Atemmuskulatur
4 Nitrate bei RRsyst >100 mmHg
4 Oberkörperhochlagerung bei Zeichen der 5 1–2 Hübe Nitro-Spray à 0,4 mg, ggf. alle
Herzinsuffizienz, strikte Bettruhe 5 min wiederholen
4 O2-Applikation über Nasensonde oder Maske 5 Glyceroltrinitrat über Perfusor
(2–4 l/min) zur Verbesserung der Oxygenierung 2–5 mg/h
22.2 · Therapie
437 22
22.2.2 Antikoagulanzien
[%]
» « 4 unfraktioniertes Heparin (UFH)
5 HWZ 6 h
5 indirekte Thrombininhibition
5 60–100 U/kg KG i.v. Bolus, dann Perfusor
(PTT 50–60 s)
4 Fondaparinux (Arixtra)
5 HWZ 17–24 h
5 indirekte Faktor Xa-Inhibition
5 1-mal 2,5 mg s.c. bis max. 8 Tage
[%] 5 zusatzliche Gabe von UFH erforderlich (!)
5 derzeit günstigstes Nutzen-Risiko-Profil
4 Enoxaparin (Clexane)
. Abb. 22.4 Eine möglichst frühzeitige und vollständige
Wiedereröffnung des Infarktgefäßes rettet Myokardgewebe
5 HWZ 7–24 h
und erhält die Pumpfunktion (Verschiebung von Punkt A 5 indirekte Thrombin- und Faktor-Xa-Inhibi-
nach B). Die hierdurch erzielte Senkung der Sterblichkeit er- tion
fährt eine weitere Verbesserung (senkrechte Pfeile) durch 5 initial 30 mg i.v. Bolus, dann 2-mal 1 mg/
die »bindende« Kraft des pulsatilen Blutflusses in einem wie-
kg KG s.c.
der eröffneten Infarktgefäß
5 Dosisanpassung bei stark eingeschränkter
Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance
<30 ml/min) o 1-mal 1 mg/kg KG s.c.
4 Betablocker bei ausgeprägter Tachykardie 4 Bivalirudin (Angiox)
und/oder Hypertonie, nicht routinemäßig o 5 HWZ 30 min
Zielfrequenz ca. 50–60 Schläge/min (z. B. Me- 5 direkte Thrombininhibition
toprolol 2,5–5 mg i.v., nach HF titrieren); Be- 5 STEMI und »Very-high-risk«-NSTE:
achte: Reduktion der HF um 15 Schläge/min 0,75 mg/kg KG i.v. Bolus, dann 1,75 mg/
o Verringerung der Infarktgröße um ca. 30 %! kg KG/h
4 ggf. Kalziumkanalblocker (Verapamil-Typ) bei 5 »High/intermediate-risk«-NSTEMI:
symptomatischen Patienten mit Kontraindika- 0,10 mg/kg KG i.v. Bolus, dann 0,25 mg/
tionen zur Betablockertherapie kg KG/h
4 ggf. Therapie des kardiogenen Schocks
> Die Antikoagulation ist in Kombination mit
(7 Kap. 35)
der Thrombozytenaggregationshemmung
4 Antikoagulation und Thrombozytenaggrega-
erwiesenermaßen effektiv o kombinierte
tionshemmung (s. u., . Abb. 22.3)
Applikation bei jedem ACS!
4 Reperfusionstherapie durch Wiedereröffnung
der Koronararterien (Akutherzkatheter (PCI)
bzw. Lysetherapie; . Abb. 22.4); Dinglichkeit 22.2.3 Thrombozytenaggegations-
nach Risikoprofil (s. u.) hemmer
> Bei Rechtsherzinfarkt initial RV-Vorlaststeige-
4 ASS
rung (Ziel-ZVD >15–20 mmHg) durch Volu-
5 Cyclooxygenase-Inhibitor
mengabe, keine Vorlastsenkung! Wenn Beat-
5 initial 500 mg i.v. (unabhängig von der Vor-
mung erforderlich, dann PEEP ≤5 mbar (RV-
medikation), dann 1-mal 100 mg p.o.
Nachlastsenkung!)
5 lebenslang für alle Patienten
4 Clopidogrel (Iscover)
5 Thienopyridin, P2Y12-Inhibitor (Prodrug)
5 Wirkbeginn 2–4 h
438 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

5 Wirkdauer 3–10 Tage > Thrombozytenaktivierung und Plättchen-


5 initial 600 mg p.o. mindestens 2 h vor PCI aggregation essenziell für die Entstehung
(ACS) bzw. 300 mg mindestens 6 h vor elek- einer (koronar-)arteriellen Thrombose o
22 tiver PCI, dann 1-mal 75 mg/d p.o. zentraler therapeutischer Angriffspunkt beim
4 Prasugrel (Efient) ACS mit frühestmöglichem Beginn!
5 Thienopyridin, P2Y12-Inhibitor (Prodrug)
5 Wirkbeginn 30 min Bei »dualer Plättchenhemmung« mit orale Throm-
5 Wirkdauer 5–10 Tage bozytenaggregationshemmer ggf. zusätzlich Proto-
5 initial 60 mg p.o., dann 1-mal 5–10 mg/d nenpumpenhemmer (nicht Omeprazol!) bei Risi-
p.o. kopatienten (Zustand nach gastrointestinaler Blu-
5 bei STEMI und Diabetes mellitus oder PCI tung, Ulkus, H.-pylori-Infektion, Alter ≥65 Jahre,
am Hauptstamm Steroidtherapie)
5 Kontraindikationen: Zustand nach Schlag-
anfall oder TIA
4 Ticagrelor (Brilique) 22.2.4 GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
5 Thienopyridin, P2Y12-Inhibitor (aktive
Substanz) 4 NSTEMI: bei primärer PCI zusätzlich zu
5 Wirkbeginn 30 min oralen Thrombozytenaggregationshemmern
5 Wirkdauer 3–4 Tage nur noch bei Hochrisikopatienten; keine An-
5 initial 180 mg p.o., dann 2-mal 90 mg/d p.o. wendung bei Patienten mit niedrigem Risiko
5 bei allen ACS-Patienten indiziert 4 STEMI: keine routinemäßige Applikation
4 Abciximab (RheoPro)
5 GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonist
5 Antikörper Fab-Fragment 22.2.5 Perkutane Koronarintervention
5 irreversible Rezeptorblockade (PCI)
5 Wirkdauer 24–48 h
5 initial 0,25 mg/kg KG i.v. Bolus, dann 4 PCI mit höhere Offenheitsrate und besserem
125 μg/kg KG/min über 12 h »Koronarfluss« als Lyse!
5 nicht dialysierbar 4 Therapie der Wahl, wenn
4 Tirofiban (Aggrastat) 5 Zeit bis zur Intervention (»contact to
5 GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonist balloon«) <90–120 min
5 nicht-peptidisches Tyrosinderivat 5 Zeit bis zur Intervention minus Zeit bis zur
5 reversible Rezeptorblockade Lyse (»time to needle«) <60 min
5 Wirkdauer 2-4 h 4 primäre PCI:
5 initial 0,4 μg/kg KG/min über 30 min, dann 5 bevorzugte Therapie beim NSTEMI
0,1 μg/kg KG/min über 48–72 h 5 Intervention primär des Infarktgefäßes,
5 Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz Versorgung weiterer Stenosen im Verlauf
erforderlich 5 direktes Stenting bzw. Vordilatation mit
5 dialysierbar Stenting (PTCA + additives Stenting)
4 Eptifibatid (Integrillin) 5 Verwendung von »bare metal stents« (BMS)
5 GP IIb/IIIa-Rezeptorantagonist oder ggf. »drug eluting stents« (DES) beim
5 zyklisches Heptapeptid STEMI
5 reversible Rezeptorblockade 4 Objektivierung von Koronargefäßstenosie-
5 Wirkdauer 4 h rungen möglich
5 initial 180 μg/kg KG i.v. Bolus, dann 2 μg/ 4 ggf. intrakoronare Thrombektomie mittels
kg KG/min bis zu 72 h manueller Thrombusaspiration
22.2 · Therapie
439 22
PCI bei NSTEMI 4 Lysetherapie innerhalb der ersten 2 Stunden
4 sehr hohes Risiko o PCI dringlich-invasiv nach Symptombeginn am effektivsten (max.
5 instabile Hämodynamik, lebensbedrohliche Zeitlimit ca. 12 h)
Arrhythmien, therapierefraktäre Angina 4 wenn möglich prästationäre Einleitung der
pectoris Fibrinolyse
5 schnellstmögliche Intervention (<2 h) 4 keine routinemäßige Lyse bei Patienten mit
4 hohes/intermediäres Risiko o PCI früh- Herz-Kreislaufstillstand (Ausnahme: Lungen-
invasiv embolie)
5 positives Troponin, EKG-Veränderungen,
Diabetes mellitus, eingeschränkte Pump- jKontraindikationen
funktion, Niereninsuffizienz, Zustand nach kAbsolute Kontraindikationen
Myokardinfarkt, Intervention oder Bypass- 4 hämorrhagische Diathesen
Operation 4 4 Wochen nach GI-Blutung
5 Interventionszeitraum <72 h 4 3 Wochen nach Operationen, Traumata,
4 niedriges Risiko o konservatives Vorgehen Organbiopsien, ...
5 keine neuerliche Angina, keine Zeichen der 4 2 Monate nach Operationen und Traumata an
Herzinsuffizienz, keine EKG-Verände- Hirn und Rückenmark
rungen, keine Troponinerhöhung 4 6 Monate nach Schlaganfall
5 ggf. elektive Koronarangiographie 4 Zustand nach intrakranieller Blutung
4 Aortendissektion
PCI bei STEMI 4 Ablehnung durch den Patienten
4 dringliche Indikation (bereits bei typischer
Klinik und charakteristischen EKG-Verände- kRelative Kontraindikationen
rungen) 4 TIA in den letzten 6 Monaten
4 Zeitlimits: 4 orale Antikoagulanzientherapie
5 »door to balloon time« (Zeitdifferenz zwi- 4 Gravidität bis zur 10. Woche und ab der
schen Eintreffen im Krankenhaus und PCI) 40. Woche sowie 10 Tage post partum
<90 min 4 nicht komprimierbare Gefäßpunktionen
5 »contact to balloon time« (Erstkontakt bis 4 fixierte, therapierefraktäre Hypertension
zur PCI) <120 min bzw. <90 min (Patienten >180–200 mmHg systolisch und 100–
<75 Jahre mit großem Vorderwandinfarkt 110 mmHg diastolisch
und kurzer Symptomdauer) 4 aktives Ulkusleiden
5 »door to needle time« (Erstkontakt bis zum 4 floride Endokarditis
Lysebeginn) <30 min 4 schwere Nieren- und Leberinsuffizienz
4 Missbildungen und Aneurysmen intra-
! Beim STEMI sollte der maximale Zeitverlust kranieller Gefäße
zur Durchführung einer PCI im Vergleich zum 4 viszerale und intrakranielle Tumoren
Beginn der Lysetherapie 90 min nicht über- 4 Lungenabszesse und Kavernen
schreiten! 4 intrakardiale Thromben (Echokardiographie!)
4 diabetische Retinopathie

22.2.6 Lysetherapie jKomplikationen


4 intrazerebrale Blutung in 0,5–1 % (höher bei
jIndikationen Alteplase)
4 voraussichtliches Überschreiten des Zeit- 4 extrakranielle Blutungen 5–15 % (unabhängig
fensters zur primären PCI von >120 min von lokaler oder systemischer Lyse)
bzw. >90 min bei großem Vorderwand- 4 bei Streptokinaselyse: Fieber (20–40 %), aller-
infarkt gische Reaktionen (5 %), Exanthem
440 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

! PCI nach erfolgreicher Lyse frühestens 3 h im Vergleich zur Streptokinaselyse bei Patien-
nach Beginn (»facilitated PCI«); bei nicht ten, die jünger als 75 Jahre sind, ein geringes
erfolgreicher Lyse umgehend Notfall-PCI Blutungsrisiko sowie einen Vorderwandinfarkt
22 (»rescue PCI«)! haben und sehr früh zur Lysetherapie kommen!
4 Nachteil: sehr teuer
Substanzen zur Lysetherapie 4 Nebenwirkungen: intrakranielle Hämorrhagie
Fibrinolytika sind Substanzen, die eine Plasminä- (0,7 %), Blutungen
mie induzieren o Plasminogen p, Antiplasmin p,
Fibrin(ogen)-Spaltprodukte (FSP) n o Verlänge- Reteplase (r-PA, Rapilysin)
rung der Thrombinzeit, Spaltung von Fibrin und 4 gentechnisch von Escherichia coli produzierte
anderen Gerinnungsfaktoren (Faktor V und VIII). r-PA mit 2 Aminoteilsequenzen der ursprüng-
lichen t-PA o Clot-Selektivität und ca. 5-fach
Streptokinase (Streptase) höherer Lysepotenz als Alteplase
4 von β-hämolysierenden Streptokokken der 4 direkte Plasminogenaktivierung
Gruppe A sezerniertes Protein 4 10 IE als i.v. Doppelbolus im Abstand von 30 min
4 Bildung eines stabilen Komplexes mit Plasmi- 4 HWZ von ca. 11–14 min
nogen o indirekte Aktivierung von Plasmino-
gen zu Plasmin (1 Mol Aktivator aktiviert 9 Tenecteplase (TNK-tPA, Metalyse)
Mol Plasminogen zu Plasmin) 4 direkte Plasminogenaktivierung
4 1,5 Mio. IE über 30–60 min i.v. 4 1000 U/10 kg KG bzw. 5 mg/10 kg KG als i.v.
4 HWZ 15–25 min Bolus über 5–15 s
4 fibrinolytischer Effekt bis zu 6 h nachweisbar 4 HWZ 17–20 min
4 renale Elimination
> Fibrinolytika stets mit Thrombozytenaggre-
4 Beginn einer i.v. Heparinisierung ca. 2–6 h
gationshemmern (ASS plus Clopidogrel) und
nach Lyse, wenn sich die Thrombinzeit bei
Thrombininhibitoren kombinieren!
abfallendem FSP normalisiert
4 Nebenwirkungen: anaphylaktische Reaktion
(0,1 % der Fälle) nach vorausgegangenem Dosierung
Streptokokkeninfekt, Fieber, Flush bzw. Exan-
them, Blutungen, intrakranielle Hämorrhagie 5 ASS: 500 mg i.v. oder alternativ 150–325 mg
(0,2–0,5 %) p.o.
5 Clopidogrel: 300 mg p.o.
Alteplase (rt-PA, Actilyse) 5 Zusätzlich bei Therapie mit Alteplase,
4 natürlich vorkommende Substanz, die vom Reteplase oder Tenecteplase:
Endothel synthetisiert wird – Enoxaparin: 30 mg i.v., dann erste Dosis
4 direkte Plasminogenaktivierung; enzymatische s.c. (kein Bolus und Dosisreduktion bei
Aktivität wird durch Fibrin erhöht o relative >75 Jahren; ggf. UFH) oder
Clot-Selektivität bzw. fibrinselektives Throm- – unfraktioniertes Heparin: initial 60 IE/kg
bolytikum KG, dann kontinuierlich o Ziel-PTT 50–70 s
4 initial 15 mg rt-PA über 2 min, dann 50 mg 5 Zusätzlich bei Therapie mit Streptokinase:
(0,75 mg/kg KG) über 30 min, dann 35 mg – Fondaparinux: initial 2,5 mg i.v., dann
(0,5 mg/kg KG) über 60 min 1-mal 2,5 mg/d s.c. oder
4 HWZ 4–7 min – Enoxaparin: 30 mg i.v., dann erste Dosis
4 hepatische Elimination s.c. (kein Bolus und Dosisreduktion bei
4 schneller Wirkbeginn (z. B. von Vorteil bei >75 Jahren; ggf. UFH) oder
lebensbedrohlichem Vorderwandinfarkt und – unfraktioniertes Heparin: initial 60 IE/kg
früher Lyse <2 h nach Symptomatikbeginn) o KG, dann kontinuierlich o Ziel-PTT 50–70 s
signifikantere Reduktion der Infarktmortalität
Ausgewählte Literatur
441 22
22.2.7 Operative Myokard- Ausgewählte Literatur
revaskularisation
Publikationen
4 Auswahl des Verfahrens zur Myokardrevasku- Achenbach S, Szardien S, Zeymer U et al. (2012) Kommentar
larisation (PCI vs. ACB-Operation) hängt von zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kar-
mehreren Faktoren wie dem klinischen Zu- diologie (ESC) zur Diagnostik und Therapie des akuten
stand des Patienten, dem Vorliegen von Risiko- Koronarsyndroms ohne persistierende ST-Streckenhe-
bung. Kardiologe 6:283–301
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und Schweregrad koronarer Läsionen in der Myokardinfarkt. Intensivmedizin und Notfallmedizin
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tion entsprechend lokal festgelegter Protokolle (2003) Kardiologische Intensivmedizin. Wissenschaftl.
Verlagsgesellschaft, Stuttgart
durch das »Herz-Team«.
DIVI (2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
4 bei sehr komplexer Koronaranatomie oder zu- Empfehlung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Schock
sätzlicher Mehrgefäßerkrankung o Bypass- der DIVI – Teil III. Kardialer Schock. Anästh Intensivmed
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4 Stenting und Bypass-Operation gleichwertig ESC Guidelines (2011) for the Management of Acute Coronary
hinsichtlich Letalität und Infarktrate, jedoch Syndromes in Patients Presenting Without Persistent
ST-segment Evaluation. Eur Heart J 32:2999–3054
erhöhte Re-Interventionsraten nach Stenting ESC Pocket Guidelines (2010) Akutes Koronarsyndrom mit
4 isolierte Hauptstammstenose o I-A-Empfeh- persistierender ST-Streckenhebung (STEMI). Deutsche
lung für ACB-Operation; II-A-B-Empfehlung Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislauffor-
für PCI schung e.V.
4 Haupstammstenose plus zusätzliche Zwei- ESC Pocket Guidelines (2012) Akutes Koronarsyndrom ohne
ST-Hebung (NSTE-ACS). Deutsche Gesellschaft für Kardio-
oder Dreigefäßerkrankung o I-A-Empfehlung
logie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.
für ACB-Operation; III-B-Nicht-Empfehlung Hamm CW, Möllmann H, Bassand JP et al. (2009) Acute coro-
für PCI nary syndromes. In: Camm AJ, Lüscher TJ et al. (eds) The
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Michels G, Kochanek M (2011) Repetitorium Internistische
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Neumann FJ (2002) Medikamentöse Therapie der instabilen
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faktoren und Veränderungen des Lebensstils Nordt TK, Bode C (2001) Thrombolysetherapie des akuten
4 ASS o lebenslange Einnahme Herzinfarktes. Internist 42:659–664
Rupprecht HJ, Meyer J (2002) Modernes Reperfusionsma-
4 P2Y12-Inhibitor o Einnahme für 12 Monate, nagement bei akutem Myokardinfarkt. Internist 43 (Suppl
sofern kein erhöhtes Blutungsrisiko besteht 1):S90–S95
4 Betablocker o bei reduzierter LVEF Strauer BE, Motz W (1994) Akuter Myokardinfarkt. Pathophy-
4 ACE-Hemmer/ARB o bei reduzierter LVEF, siologie, Diagnostik, Therapie. Anaesthesist 43:469–483
ggf. auch bei erhaltener LVEF Thygesen K, Mair J, Katus H et al. (2010) Recommendations for
the use of cardiac troponin measurement in acute car-
4 Aldosteron-Antagonist o bei reduzierter
diac care. Eur Heart J 31:2197–2204
LVEF (≤35 %) und entweder Diabetes mellitus Van de Werf F, Bax J, Betriu A et al. (2008) Management of
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ohne signifikante Niereninsuffizienz persistent ST-segment elevation: the Task Force on the
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Infarction of the European Society of Cardiology. Eur
4 Lebensstil o Beratung hinsichtlich Risikofak-
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tionsprogramm/Programm zur Sekundärprä- Stellenwert in der Diagnostik akuter koronarer Syndro-
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442 Kapitel 22 · Akutes Koronarsyndrom (ACS)

Wijns W, Kolh P, Danchin N et al. (2010) Guidelines on myocar-


dial revascularization: The Task Force on Myocardial
Revascularization of the European Society of Cardiology
(ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic
22 Surgery (EACTS) Eur Heart J 31:2501–2555

Internetadressen
http://leitlinien.dgk.org/
http://www.escardio.org/guidelines
http://www.crusadebleedingscore.org/
http://www.outcomes-umassmed.org/grace/
443 23

ARDS (»acute respiratory


distress syndrome«)
M. Fresenius

23.1 Grundlagen – 444

23.2 Therapie – 446

Ausgewählte Literatur – 451

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
444 Kapitel 23 · ARDS (»acute respiratory distress syndrome«)

23.1 Grundlagen Sonstige Kriterien sind:


4 Zeitraum: innerhalb 1 Woche nach einem aus-
jHistorie lösenden Krankheitsereignis oder nach dem
Das früher als »adult«, heute besser als »acute« be- ersten Auftreten neuer Atembeschwerden
zeichnete »respiratory distress syndrome« (ARDS) 4 Bildgebung: bilaterale Verschattung in den
wurde 1967 erstmals von Ashbaugh und Petty bei Röntgenaufnahmen oder CT-Thorax, die sich
23 Patienten mit Dyspnoe, Tachypnoe und Zyanose im nicht vollständig durch Pleuraergüsse, Atelek-
Lancet beschrieben. tasen oder Lungenherde erklären lassen!
Im Jahr 1992 wurde im Rahmen zweier ameri- 4 Ursache des Ödems: respiratorische Insuffi-
kanisch-europäischer Consensus-Konferenzen zienz, die sich nicht vollständig durch Herz-
(AECC) das ARDS erstmals anhand bestimmter insuffizienz oder Hypervolämie erklären lässt;
Kriterien definiert (akutes Auftreten der Erkran- bei fehlenden direkten und indirekten Risiko-
kung, paO2/FIO2 (Horovitz)-Quotient <200 mmHg faktoren für ein ARDS wird zum Ausschluss
unabhängig vom verwendeten PEEP, bilaterale In- eines hydrostatischen Lungenödems eine
filtrate im a.p. Thoraxröntgenbild, pulmonalkapil- Echokardiographie empfohlen!
lärer Verschlussdruck (PCWP) <18 mmHg).
Im Jahr 2013 wurde des ARDS neu definiert Anmerkung: der Begriff »acute lung injury« (ALI)
(s. u.) entfällt in Zukunft! Zum Ausschluss eines kardialen
Lungenödems wird die Messung des Wedge-Dru-
jKlinik ckes mittels Pulmonalarterienkatheter nicht mehr
4 Trotz hoher FIO2 ausgeprägte Hypoxie infolge empfohlen! Stattdessen soll eine Echokardiographie
eines intrapulmonalen Rechts-links-Shunts durchgeführt werden!
und Störung des Ventilations-/Perfusionsver-
hältnisses jUrsachen
4 Erniedrigte pulmonale Compliance infolge der 4 indirekte Lungenschädigungen: die häufigsten
Entstehung einer »wet lung« durch Zunahme Ursachen eines ARDS nach Hudson et al. sind:
des extravaskulären Lungenwassers (normal: 5 SIRS/Sepsis (ca. 41 % der SIRS-Fälle) und
≈5 ml/kg; ARDS: >15 ml/kg) die
4 erhöhter Atemwegsdruck 5 Massivtransfusion (TRALI = »tranfusion-
4 im Röntgenbild des Thorax (. Abb. 23.1) sind related acute lung injury«), definiert als
die für dieses Krankheitsbild typischen bilate- >15 EK in 24 h (ca. 36 %) sowie seltener
ralen, diffusen Lungeninfiltrate infolge eines
nichtkardialen Lungenödems zu sehen o Voll-
bild ist die »weiße Lunge« (Herzgröße unver-
ändert, keine Pleuraergüsse!).

jDefinition
Die neue ARDS-Definition (Berlin-Definition) aus
dem Jahr 2013 nach Ranieri et al. unterscheidet u. a.
3 Schweregrade anhand des Ausmaßes der Hypox-
ämie bei einem PEEP ≥5 cmH2O:
4 schweres ARDS: PaO2/FiO2 ≤100 mmHg bei
PEEP ≥5 cmH2O
4 moderates ARDS: PaO2/FiO2 = 101–
200 mmHg bei PEEP ≥5 cmH2O
4 mildes ARDS: PaO2/FiO2 = 201–300 mmHg
bei PEEP ≥5 cmH2O . Abb. 23.1 Röntgenthoraxaufnahme eines Patienten mit
ARDS
23.1 · Grundlagen
445 23
5 Polytraumata > Die Letalität des ARDS ist von Faktoren wie
– Pankreatitis Patientenalter, Grunderkrankung, Anzahl der
– verschiedene Schockformen Organdysfunktionen, sowie von einer beglei-
– ausgedehnte Verbrennungen tenden Sepsis abhängig; jüngere trauma-
– Verbrauchskoagulopathie induzierte ARDS-Patienten haben z. B. eine
– Operationen mit langer extrakorporale bessere Prognose als ältere Sepsispatienten
Zirkulation mit ARDS!
– Fruchtwasser- oder Fettembolie
– Intoxikationen (organische Phosphate, jDifferenzialdiagnose
Kokain, Heroin) 4 kardiales Lungenödem
– Medikamente (Paraquat, Cordarex, 4 primär bakterielle oder virale Pneumonien
Bleomycin) 4 hypersensitive oder eosinophile Pneumonien
4 direkte Lungenschädigungen: 4 idiopathische fibrosierende Alveolitiden
5 diffuse pulmonale Infektionen (Bakterien, 4 medikamenteninduzierte Lungenverände-
Viren, Pilze, Protozoen) o »parapneumo- rungen (Amiodaron-Lunge)
nisches« ARDS 4 akute Lungenembolie (LE)
5 Lungenkontusion (ca. 22 %) und seltener:
5 Säure-, Salz- und Süßwasseraspiration jPathophysiologie
5 Beinahe-Ertrinken kMediatorenaktivierung
5 toxisches Inhalationstrauma (NO2, Ozon, Im Rahmen des ARDS kommt es zu einer unkon-
Rauchgase) trollierten Aktivierung verschiedener Kaskaden-
5 Höhenödem und hypoxisches Lungenödem systeme:
4 Mediatoren: IL-1, TNF, IL-6, IL-8
jVerlauf 4 Aktivierung der Phospholipase A2 mit konse-
Die Erkrankung beginnt relativ rasch; die meisten kutiver Freisetzung von Arachidonsäure, die
Fälle entwickeln sich innerhalb von 24 h nach der durch die Cyclo- und Lipooxygenase vermehrt
initialen Schädigung. Das klinische Bild besteht aus Thromboxan A2, LTB4 und PAF entstehen
Tachypnoe, angestrengtem Atmen, Zyanose und lässt o starke Aktivierung von neutrophilen
zunehmender Hypoxämie und Beatmungspflich- Granulozyten mit konsekutiver Freisetzung
tigkeit. von O2-Radikalen und Proteasen sowie Sub-
stanzen mit vasokonstringierendem Effekt
jInzidenz (TxA2)
4 ARDS-Inzidenz in den USA nach Rubenfeld et 4 Kallikreinsystem
al. 2005: 58,7 Fälle pro 100.000 Einwohner und 4 Komplementsystem: C3b,C5b
Jahr 4 neutrophile Granulozyten o konsekutive
4 in Deutschland (Berlin): 1,5–3,0 Fälle pro Elastasefreisetzung
100.000 Einwohner 4 Erhöhte Zytokinkonzentrationen (IL-1, IL-6,
TNF-α, γ-INF) und Kollagenasenaktivität
jLetalität (Mitursache für die Permeabilitätserhöhung
4 sehr unterschiedliche Zahlenangaben bezüg- der pulmonalen Gefäße) konnten in der BAL-
lich der Letalität (22–80 %) Flüssigkeit nachgewiesen werden.
4 durchschnittliche Letalität nach Rubenfeld
2005: 41,1 % kPathophysiologische Charakteristika
4 bei schwerem Verlauf, höherem Lebensalter 4 anfänglicher Epithelschaden mit Erhöhung
und Patienten mit Begleiterkrankungen liegt der pulmonalen Kapillarpermeabilität o
die Letalität über 80 % schweres, proteinhaltiges alveoläres Ödem mit
entzündlichen Infiltraten (hauptsächlich
neutrophile Granulozyten)
446 Kapitel 23 · ARDS (»acute respiratory distress syndrome«)

4 Denaturierung des Surfactant durch Protein-


verlust in die Alveolen o Ausbildung von
Atelektasen, Reduktion der funktionellen Resi-
dualkapazität (FRC)
4 im späteren ARDS-Verlauf pulmonale Fibro-
blasteninfiltration und Kollagenproliferation
23 o Entstehung einer fibrosierenden Alveolitis
und Ausbildung einer mikrovaskulären
Obstruktion o Lungencompliance p, pulmo-
nalarterieller Druck n, intrapulmonaler
Rechts-links-Shunt n, AaDO2 n

jMorphologie der ARDS-Lunge


Der erstmalige Nachweis von bilateralen dorsobasal . Abb. 23.2 Computertomographische Aufnahme einer
gelegenen Atelektasen bei 22 ARDS-Patienten wur- ARDS-Lunge
de durch Gattinoni aus Mailand mit Hilfe einer tho-
rakalen computertomographischen Untersuchung
im Jahr 1988 erbracht o durch Anwendung eines 23.2 Therapie
hohen PEEP-Niveaus von 15 cmH2O konnten diese
atelektatischen Lungenbezirke zum größten Teil 4 primär Therapie der auslösenden Ursache/
wieder eröffnet werden. Erkrankung!
Die Lungen der ARDS-Patienten zeigen eine 4 Bei zunehmender Oxygenierungsstörung früh-
morphologische Dreiteilung (. Abb. 23.2): zeitige CPAP-Therapie, nicht invasive Beat-
4 dorsal gelegene atelektatische Bezirke, in denen mung bzw. invasive Beatmung mit PEEP
aufgrund alveolärer und vaskulärer Okklusion (>10 mmHg) und andere additive Maßnahmen.
kein pulmonaler Gasaustausch stattfindet und
die somit die wesentlichen Komponenten des
intrapulmonalen Shunts darstellen o als 23.2.1 Behandlungsziele beim ARDS
Zone D (»diseased«) bezeichnet
4 im mittleren Bereich befindet sich eine Über- 4 Aufrechterhaltung einer adäquaten Gewebs-
gangszone mit potenziell für den pulmonalen oxygenierung z. B. durch invasive, lungenpro-
Gasaustausch rekrutierbarem Lungengewebe tektive und druckkontrollierte Beatmung mit
o Zone R (»recruitable«) evtl. verlängerter Inspirationszeit (IRV), Best-
4 ventral gelegen befindet sich im Volumen PEEP-Beatmung, evtl. intermittierendes aveo-
stark reduziertes gesundes Lungengewebe mit läres Recruitmentmanöver (»open the lung
normaler Compliance und nichtpathologi- and keep the lung open« nach Lachmann)
schem Ventilations-Perfusions-Verhältnis o 4 Vermeidung einer weiteren, iatrogen, beat-
Zone H (»healthy«) mungsassoziierten Lungenschädigung
(VILI = »ventilation induced lung injury« oder
! Das gesunde, am Gasaustausch teilneh-
VALI = »ventilation associated lung injury«)
mende Lungengewebe ist im Rahmen des
durch:
ARDS auf etwa 20–30 % seines Ausgangs-
5 Reduktion des Atemzugvolumens (VT)
volumens reduziert. Gattinoni prägte für
nach den Empfehlungen des American Col-
diese Lungenmorphologie den Begriff der
lege of Chest Physicians (ACCP) aus dem
»baby lung«.
Jahre 1993 bei ARDS auf 5–6 ml/kg Ideal-
bzw. Standardkörpergewicht o Beachtung
des »Baby-lung-Konzept«. Neuerdings zeigt
im Tiermodell die weitere Reduktion des
23.2 · Therapie
447 23
Atemzugsvolumens auf 3 ml/kg KG (ultrap-
rotektive Beatmung) im Vergleich zu 6 ml/
kg KG eine zusätzliche Reduktion der Mor-
talität! Das Standardkörpergewicht kann
anhand folgender Formel errechnet werden:
für Männer = 50 + 0,91 × Körpergröße [cm]
– 152,4)
für Frauen = 45,5 + 0,91 × (Körpergröße
[cm] – 152,4)
5 Reduktion des Beatmungsplateaudrucks auf
<30 cmH2O
5 Aufrechterhaltung einer partiellen Sauer-
stoffsättigung >90 % (geringstmögliche
FiO2-Anwendung)
5 Tolerierung einer Hyperkapnie (permissive
Hyperkapnie (PHC) mit pCO2–Werten
. Abb. 23.3 Mortalitätsreduktion des ARDS
>60 mmHg und einem pH-Wert >7,20 ohne
Pufferung)

Die im Jahr 2000 veröffentlichten Ergebnisse der Kinetische Therapie


ARDS-Network-Studie konnten erstmals eine sig- Lagerungs- bzw. kinetische Therapie (Bauchlage-
nifikante Reduktion der Letalität des ARDS bei rung, 130°-Lagerung) o eine der ersten Prone-Po-
Ventilation der Patienten mit reduziertem Zugvolu- sition-Studien (Gattinoni et al. 2001) zeigte eine
men aufzeigen (. Abb. 23.3)! Die mechanische Verbesserung der Oxygenierung, jedoch keine Re-
Stressreaktion der Lunge während der Beatmung duktion der Gesamtmortalität. Eine Subgruppe
mit großen Volumenschwankungen (VT) und ho- profitierte allerdings von der Bauchlage: Patienten
hen Beatmungsdrücken (pAW) führt über die sog. mit einem paO2/FIO2 <88 mmHg und einem SAPS
Mechanotransduktion zur Produktion von O2-Ra- II >40 Punkte und einem VT >12 ml/kg KG! Sud et
dikalen in der Lunge und initiiert die Freisetzung al. konnte 2010 anhand einer Metaanalyse aus 10
von proinflammatorischen Zytokinen o epitheliale High-quality-Studien (n=1867) eine signifikante
Nekrosen, Permeabilitätssteigerung der alveoloka- Mortalitätsreduktion bei den Patienten nachweisen,
pillären Membran zu interstitiellen Ödemen und die nach der neuen Definition von 2013 ein schwe-
pulmonalem Emphysem sowie zur Ausbildung von res ARDS aufwiesen (PaO2/FiO2 <100 mmHg)! Im
hyalinen Membranen. Jahr 2013 konnte die französische PROSEVA-Studie
(n=466) erstmals eine signifikante Reduktion der
28-Tage-Mortalität (16 % vs. 32,8 %) bei Patienten
23.2.2 Zusätzliche Maßnahmen mit schwerem ARDS (PaO2/FiO2 <150 mmHg bei
einer FiO2 ≥0,6) nachweisen. Dieser Effekt wird
Reduktion des extravaskulären nach 90 Tagen noch deutlicher (23,6 % vs. 41 % in
Lungenwassers der Rückenlagegruppe). Dabei ist anzumerken, dass
Eine Reduktion des extravaskulären Lungenwassers die Dauer der Bauchlagerung ≥16 h (!) betrug! Die
bzw. eine Dehydrierung des Patienten nach dem Bauchlagerung wurde sehr rasch nach Studienein-
Motto »keep the lung dry and avoid hypovo- schluss und Randomisierung (<1 h) durchgeführt.
laemia« (Diuretikatherapie wird erreicht durch
kontinuierliche extrakorporale Nierenersatzverfah- ! Die Bauchlage eignet sich aber nicht für alle
ren (CVVHF oder Hämodialyse) bei simultaner Patienten mit respiratorischer Störung und
Nierenfunktionsstörung. sollte nur von einem erfahrenen Team durch-
geführt werden!
448 Kapitel 23 · ARDS (»acute respiratory distress syndrome«)

ECMO
Kann keine adäquate Oxygenierung mit der kon-
ventionellen, invasiver Beatmung erreicht werden
und liegt eine ausgeprägte Lungenfunktions-/Oxy-
genierungsstörung vor, muss die Oxygenierung
durch ein extrakorporales Membranoxygenie-
23 rungsverfahren (ECMO) sichergestellt werden! Die
aktuelle Überlebensrate beträgt unter ECMO 63 %
vs. 47 % ohne ECMO, die Überlebensrate bei H1N1-
induzierter Pneumonie mit ARDS lag in den letzten
Jahren in den großen Zentren sogar bei 71 %!
Die Oxygenierung des Patienten ist abhängig
vom vorhandenen Blutfluss. An der High-flow-ILA
erfolgt ab 2,5 l/min Blutfluss eine gute Oxygenie-
rung. Die CO2-Elimination ist unabhängig vom
vorhandenen Blutfluss. Der eingestellte Gasfluss
durch den Filter ist hierbei die entscheidende Grö-
ße. Nebenwirkungen der ECMO sind Gefäßverlet-
zungen bei Kanülenanlage, venöse Thrombosen im
kanülierten Gefäß, stärkere Blutungen und Throm-
bozytenabfall.

Reduktion des Atemzugvolumens


Um bei reduzierten Atemzugvolumen zur Stabili-
sierung einer respiratorischen Azidose den pH-
Wert >7,20 zuhalten und das anfallende pCO2 zu
eliminieren, kann nach Müller et al. ein arterio- . Abb. 23.4 Schematische Darstellung des Blutflusses
venöse Lung Assist (iLA bzw. ECLA, Fa. Novalung) durch das Novalung-System

installiert werden (7 Kap. 7). Gegenwärtige extra-


korporale CO2-Eliminatoren sind:
4 Novalung-Systeme als 12 l O2/min insuffliert werden (. Abb. 23.4).
5 arterio-venöse Systeme mit niedrigem, Der klinische Nutzen der iLA liegt in einer
Blutdruck-anhängigen Blutfluss (<2,0 l/ Verhinderung einer akuten Hypoxie und
min) und isolierter CO2-Elimination (ILA) Hyperkapnie sowie in der Vermeidung einer
5 veno-venöses Zentrifugalpumpen-Systeme weiteren Lungenschädigung (VALI)!. Durch
mit höherem Blutfluss (>2,5 l/min) mit den Einsatz von CO2-Systeme ist eine
Übernahme der (vollständigen) Oxygenie- Reduktion des VT <6 ml/kg KG möglich
rung und CO2-Elimination (iLA active- 4 DeCap-System (kontinuierliche veno-venöse
Systeme, PAPL CARDIOHELP-Systeme). Hämofiltration mit in Serie geschalteten
Die iLA kann nur eingesetzt werden, wenn »Device« o nur CO2-Elimination!
keine lebensbedrohliche Hypoxämie be- 4 Hemolung-System o Blutfluss <0,5 l/min und
steht, d. h. paO2/FiO2 >70 mmHg! Kontrain- hierdurch reine CO2-Elimination
dikationen: low cardiac output, MAP
<70 mmHg, pAVK bzw. schwere Athero- Permissive Hyperkapnie (PHC)
sklerose der Femoralarterien. Das Blut fließt o Tolerierung erhöhter pCO2-Werte (>60 mmHg)
bei der iLA aufgrund der arteriovenösen 1990 veröffentlichte Hickling aus Neuseeland
Druckdifferenz (ca. 1/min) pumpenlos die Ergebnisse einer retrospektiven Studie von 50
durch den »Oxygenator«, über den ca. beatmungspflichtigen ARDS-Patienten, die mit ge-
23.2 · Therapie
449 23
ringen Atemzugvolumina und einem angestrebten jKontraindikationen
Beatmungspitzendruck von maximal 30 cmH2O 4 pulmonale Hypertonie (PVR und MPAP nn)
beatmet wurden. Die historische Studie konnte erst- (cave: Rechtsherzversagen unter PHC!)
mals zeigen, dass durch dieses Beatmungskonzept 4 katecholaminpflichtige Herzinsuffizienz
die Mortalität mit 16 % signifikant geringer war als (systemische Vasodilatation und verminderte
die über den APACHE-II-Score prognostizierte Myokardkontraktilität)
Mortalität von 39,6 %! Infolge der geringen Atem- 4 Hirnödem mit erhöhtem intrakraniellem
zugvolumina und der daraus resultierenden alveo- Druck
lären Hypoventilation kam es zu einem klinisch 4 zerebrales Krampfleiden o hyperkapnische
nicht nachteiligen Anstieg des paCO2 auf durch- Krampfanfälle bei hohen pCO2-Werten (>150–
schnittlich 62 mmHg, mit einzelnen Höchstwerten 200 mmHg), auch ohne Krampfanamnese!
von 129 mmHg.
> Während der Durchführung der PHC sollte
der Patient tief analgosediert werden; erhöh-
jAuswirkungen
te Körpertemperaturen sollten rasch physika-
4 zentrale Sympathikusstimulation und erhöhte
lisch und/oder medikamentös therapiert
Katecholaminspiegel o HZV n, SVR n und
werden, und die Ernährung sollte kohlenhyd-
Neigung zu kardialen Arrhythmien
ratarm sein (sonst CO2-Produktion n).
4 Verschlechterung der Oxygenierung aufgrund
einer Zunahme des intrapulmonalen Shunts
durch alveoläres De-Recruitment infolge ge- Hochfrequenz-Oszillationsventilation
ringem VT (HFOV)
4 Abschwächung der pulmonalen Vasokonstrik- Indiziert bei Erwachsenen mit moderaten bis
tion o Verschlechterung des Ventilations-Per- schwerem ARDS. Zwei große multizentrische, ran-
fusions-Verhältnisses vorwiegend bei septi- domisierte HFOV-Studien (OSCAR-Studie, n=795
schen ARDS-Patienten und OSCILLATE-Studie, n=548) konnten keinen
4 Abnahme der alveolären Ventilation o paO2 p Vorteil der HFOV hinsichtlich der Mortalitätsver-
4 Abnahme der pulmonalen Perfusion und An- besserung im Vergleich zur lungenprotektiven Be-
stieg des pulmonalen Drucks (MPAP n) atmung bei ARDS zeigen! Letztere Studie musste
4 respiratorische Azidose nach einer Interims-Analyse bei 548 von 1200 ge-
planten Patienten abgebrochen werden, da die Mor-
! Hyperkaliämie, Rechtsverschiebung der
talität in der HFOV-Gruppe deutlich höher war
O2-Bindungskurve in der Lunge, reduzierte
(47 % vs. 35 %)!
Katecholaminwirkung!

4 Zunahme des O2-Angebotes (HZV) bei gleich- Ultraprotektive Beatmung


bleibendem O2-Verbrauch o pvO2 n und Ge- (V T = 3 ml/kg KG)
webeoxygenierung n Eine große prospektive, randomisierte Multizenter-
4 Zunahme der Splanchnikusdurchblutung studie von T. Bein (XTRAVENT-Studie) aus dem
4 Koronardilatation (fragliches Coronary-steal- Jahr 2013 konnte keinen klinischen Vorteil einer ul-
Phänomen) traprotektiven Beatmung mit extrakorporaler CO2-
Elimination gegenüber einer konventionellen lun-
jIndikationen genprotektiven Beatmung (VT = 6 ml/kg KG) bei Pa-
4 Beatmung von ARDS-Patienten mit redu- tienten mit »schwerem« ARDS (PaO2/FiO2 <150
zierter Lungencompliance und erhöhtem Beat- mmHg) aufzeigen: Intensiv- und Krankenhausver-
mungsdruck >30 cmH2O weildauer war nicht signifikant different! Mortalität
4 Patienten mit Status asthmaticus in beiden Kollektiven sehr niedrig und gleich (ca.
4 bei chronischen Lungenerkrankungen 16,5 %) ! Nur bei schwerer Hypoxämie war die Beat-
mungsdauer in der Patientengruppe, die mit der
ILA-behandelt wurde, kürzer (40,9 vs. 28,2)!
450 Kapitel 23 · ARDS (»acute respiratory distress syndrome«)

PEEP-Beatmung
4 Die eingeschränkte Oxygenierung kann zu-
sätzlich durch PEEP verbessert werden o
Erhöhung der FRC
4 die Höhe des einzustellenden PEEP-Niveaus
richtet sich nach dem Best-PEEP von Suter
23 (. Abb. 23.5): PEEP-Niveau, bei dem die besten
kardiopulmonalen Funktionen vorhanden sind:
5 maximaler O2-Transport (HZV × caO2)
5 kleinstmögliche Totraumfraktion
5 größtmögliche totale statische Compliance
4 oder nach den Best-PEEP-Kriterien nach Gal-
lagher:
5 PEEP, der den Shunt-Anteil auf 15 % redu-
ziert oder einen Anstieg des paO2/FIO2-
Quotienten auf >300 mmHg bewirkt o
PEEP sollte jedoch zur Vermeidung eines
Barotraumas <15 mmHg betragen
4 oder nach den Best-PEEP-Kriterien nach
Murray:
5 PEEP, der zur maximalen Rekrutierung der
Alveolarbezirke führt und somit den kleins-
ten paCO2-petCO2 Gradienten erzeugt o
bei PEEP induzierter Hyperinflation steigt
. Abb. 23.5 Best-PEEP nach Suter (QS/QT = pulmonaler
der oben genannte Gradient als Ausdruck Shunt)
einer zunehmenden Totraumventilation
wieder an.
trien B4 o (LTB4) und Reduktion der Throm-
boxan-B2-Synthese (TxB2) aufgrund einer
23.2.3 Additive und experimentelle Hemmung der Thromboxansynthetase o pro-
Maßnahmen koagulatorische Aktivität p und Vasokonstrik-
tion p o Verbesserung der pulmonalen Perfu-
Viele additive Maßnahmen wurden in den letzten sion, Reduktion der Mikrothrombenbildung
20 Jahren bei ARDS getestet: und Suppression der Zytokinproduktion
4 Inhalation von NO oder Prostazyklinen
! Die Ergebnisse des ARDS-Network (2000)
(7 Kap. 7) o schnelle Therapie einer lebens-
zeigten keinen Vorteil in der pharmakologi-
bedrohlichen Hypoxämie o keine Reduktion
schen Therapie des manifesten ARDS mit
der Mortalität!
Ketoconazol (n=234; Letalität 34–35 %).
4 intrapulmonale Surfactantapplikation
4 partielle Flüssigkeitsbeatmung (»liquid 4 Gabe von Glukokortkoidtherapie während
ventilation«) mit Perfluorocarbonen oder die der Spätphase des ARDS zur Vermeidung von
Inhalation von Perfluorocarbon. Spätkomplikationen wie z. B. dem fibroprolife-
4 intratracheale Gasinsufflation (TGI) o Ver- rativen Umbau der Lunge
besserung der CO2-Elimination, z. B. auch 4 Inhalation von β-Sympathomimetika o Akti-
während der PHC (7 Kap. 7) vierung der alveolären Pneumozyten mit ge-
4 Gabe Ketoconazol (Nizoral 200–400 mg p.o.) steigerter Surfactantbildung
o Wirkung auf die Alveolarmakrophagen o 4 die Blockade des Komplementsystems mittels
Beeinflussung der 5-Lipooxygenase o Leuko- C1-Esterase-Inhibitor führte in einigen Kasuis-
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451 23
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452 Kapitel 23 · ARDS (»acute respiratory distress syndrome«)

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453 24

SIRS, Sepsis und


Multiorganversagen
M. Fresenius

24.1 SIRS und Sepsis – 454

24.2 Fieber – 473

24.3 Multiorganversagen (MOV) – 474

24.4 Erworbene Muskelschwäche des Intensivpatienten im Rahmen


von Sepsis/MOV – 479

Ausgewählte Literatur – 481

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
454 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

Historie 4 respiratorische Insuffizienz (eines der fol-


1909 Beschreibung einer E.-coli-Sepsis durch Jakob genden 4 Kriterien)
1914 Erstbeschreibung durch Schottmüller: die Sepsis als 5 Tachypnoe mit Atemfrequenz ≥20/min
ein Herd innerhalb des Körpers, von dem kontinuier-
5 Hyperventilation paCO2 ≤33 mmHg
lich oder periodisch pathogene Bakterien in den
Blutkreislauf ausgeschüttet werden! (bei Spontanatmung)
1992 Erstmalige Definition von SIRS, Sepsis und schwe- 5 paO2 <75 mmHg (bei Spontanatmung) oder
rer Sepsis durch eine internationale Konsensus- 5 paO2/FIO2 ≤250 (bei maschineller Beatmung
konferenz und fehlender pulmonaler Vorerkrankung)
24 2000 Schuster und Müller-Werden definieren Sepsis neu:
Gesamtheit der lebensbedrohlichen, klinischen
4 Leukozyten ≥12.000/μl oder <4000/μl oder
Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen
>10 % unreife neutrophile Granulozyten
Veränderungen als Reaktion auf die Aktion pathoge-
> Neben der Veränderung der Leukozytenzahl
ner Keime und ihrer Produkte, die aus einem Infek-
tionsherd in den Blutstrom eindringen, die große
findet man bei der Sepsis oft einen Abfall der
biologische Kaskadensysteme und spezielle Zell- Thrombozytenzahl (DD: HIT II) und der Anti-
systeme aktivieren und die Bildung und Freisetzung thrombin-Konzentration (AT III). Sobald eine
humoraler und zellulärer Mediatoren auslösen septische Dysfunktion der Leber eintritt,
2001 Erstmaliger Nachweis einer Mortalitätsreduktion kommt es zu einer Gerinnungssynthese-
durch eine medikamentöse Sepsistherapie (Protein C)
störung mit Abfall des Quick-Wertes!
in einer großen internationalen Studie (PROWESS-
Studie von Bernard et al. 1997) Anmerkung: Bei immunsupprimierten Patienten,
2003 Levy et al. (2003) stellen das PIRO-Konzept vor (PIRO
z. B. nach Organtransplantation sind die Kriterien
= Predisposition, Insult Infection, Response und
Organ Dysfunction). Danach wird »Sepsis« anhand »Temperaturerhöhung« und »Leukozytose/Leuko-
von vier Kriterien klassifiziert: penie« nicht verwertbar. Gleiches gilt für das Krite-
– nach Prädispositionsbedingungen rium »Temperaturerhöhung« bei Hämofiltration. In
– Natur der Erkrankung besonderen Fällen wird die Diagnose »Sepsis« mit-
– Schwere der Wirtsreaktion
tels invasiven Monitorings gestellt bzw. erhärtet
– Grad der gleichzeitigen Organdysfunktion
2004 erste Leitlinien-Veröffentlichung der »Surviving
(HZV n und SVR p).
Sepsis Campaign Guidelines (SSC) for Management
of Severe Sepsis and Septic Shock«. Update der Sepsis
Leitlinie in den Jahren 2007 und 2012 Unter Sepsis versteht man die systemische in-
flammatorische Antwort (SIRS) auf eine vermutete
oder nachgewiesene Infektionsquelle bzw. eine
24.1 SIRS und Sepsis überschießende Aktivierung von primär protekti-
ven Defensivsystemen des septischen Patienten im
24.1.1 Definitionen Sinne einer »host defence failure disease«.

SIRS ! Die Begriffe Sepsis-Syndrom und Septikämie


sind verlassen worden!
Nach der Konsensuskonferenz des American Col-
lege of Chest Physicians/Society of Critical Care
Medicine (ACCP/SCCM) im Jahr 1992 handelt es Schwere Sepsis
sich bei der SIRS um eine systemische inflammato- »Schweren Sepsis« = Sepsiskriterien und Zeichen
rische Antwort auf verschiedene Schädigungen der Organdysfunktion, Hypoperfusion oder die
(Pankreatitis, schweres Trauma, Ischämie, große septisch induzierte Hypotension. Verminderte Or-
Weichteilverletzung etc.), die durch folgende Krite- ganperfusion o Laktatazidose (gestörte hepatische
rien gekennzeichnet sind (mindestens 2 der nach- Laktat-Clearance), Oligurie, Störungen der Be-
folgenden 4 Kriterien müssen für SIRS-Definition wusstseinslage:
erfüllt sein): 4 metabolische Azidose: Laktat >20 mg/dl
4 Temperatur ≥38°C oder <36°C 4 Oligurie: Urinausscheidung <30 ml/h oder
4 Tachykardie ≥90 Schläge/min <0,5 ml/kg/h länger als 2 h persistierend
24.1 · SIRS und Sepsis
455 24
4 Enzephalopathie: akute Verwirrtheit und Be-
. Tab. 24.1 Mortalitätsraten von SIRS, Sepsis und
wusstseinsstörungen septischen Schock
4 Thrombozyten <100.000/μl oder Thrombozy-
tensturz (>30 % Abfall innerhalb 24 h)¸ Diagnose DRG-Kodierung Mortalität (%)
DD: HIT II, die jedoch auch bei septischen
Patienten während einer längeren intensiv- SIRS R65.0 9,8

medizinischen Behandlung sekundär auftreten Schwere Sepsis R65.1 41,4


kann. Septischer R57.2 60,4
Schock
Septischer Schock
Alle Diagnosen 27,7
Beim septischen Schock bestehen Zeichen von
Sepsis und arterieller Hypotension (systolischer
Blutdruck <90 mmHg oder Blutdruckabfall 4 schwere Haut- und Weichteilinfektionen
>40 mmHg vom Ausgangswert und Dauer >1 h) 4 postoperative Wundinfektionen
trotz ausreichender Volumensubstitution, begleitet 4 Sinusitis etc.
von verminderter Organperfusion oder Organdys-
funktion.
24.1.4 Mortalität

24.1.2 Prävalenz Die Mortalität der Sepsis ist variabel und hängt von
der Ursache und dem Ausmaß der Entzündung ab
4 Die Prävalenz der Sepsis beträgt nach Daten (Levy et al. 2012). Dies findet im DRG-System Be-
der SepNet-Vereinigung ca. 12,4 % bei allen rücksichtigung. . Tab. 24.1 zeigt die Mortalitätsra-
Intensivpatienten (16 % an Unikliniken und ten in Abhängigkeit vom Entzündungsausmaß.
8 % in kleineren Häusern). Anmerkung: Die Mortalität bei Kindern liegt
4 Die Prävalenz der schweren Sepsis und des bei 2–10 % (Krankenhaus-Mortalität bei schwerer
septischen Schocks gemeinsam betrug auf Sepsis bei vorher gesunden Kindern bei 2 % und 8 %
deutschen Intensivstationen 11 %. bei chronisch kranken Kindern)
4 Etwa 6 % der Patienten mit SIRS erleiden einen
septischen Schock mit sehr hoher Letalität
(>80 %). 24.1.5 Fulminante Verlaufsformen
4 Nach einer Erhebung des Kompetenzzentrums
Sepsis muss in Deutschland pro Jahr mit 4 Meningokokkensepsis, ggf. mit bilateralen
154.000 Fällen gerechnet werden. Ca. Nebennierenblutungen (Waterhouse-Fride-
60.000 Tode/Jahr in Deutschland durch Sepsis. richsen-Syndrom) und Verbrauchskoagulo-
Damit steht die Sepsis an 3. Stelle der häu- pathie (DIC)
figsten Todesursachen. Die direkten Behand- 4 Sepsis nach Splenektomie »overwhelming
lungskosten belaufen sich auf ca. 1,8 Mio. Euro. postsplenectomy infection syndrome« = OPSI-
Syndrom) aufgrund Störung der Phagozytose
des RES (Störung der lienalen Synthese eines
24.1.3 Sepsisursachen Tetrapeptids namens Tuftsin)
4 toxisches Schocksyndrom (»toxic shock syn-
4 intraabdominelle Infektionen z. B. nach Ma- drome«, TSS):
genperforation, perforierte Sigmadivertikulitis, 5 toxisches Schocksyndromtoxin 1 (TSST-1)
Cholezystitis, postoperativ, … durch Invasion von Staphylococcus aureus
4 Pneumonie (nosokomial, ventilatorassoziiert) aus dem vaginalen Bereich bei menstruie-
4 katheter- oder »device«-assoziierte Infektion renden Frauen (Tampon) oder Wundinfek-
4 Urosepsis tion o Bildung von Enterotoxin F; zurzeit
456 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

die einzige Indikation für die Gabe von Im- 24.1.7 Pathophysiologie
munglobulinen bei Sepsis o Immunsup-
pression auf die Makrophagen und Down- Sepsis ist die Auswirkung einer komplexen Interak-
regulation der gesteigerten SIRS-Reaktion; tion zwischen den die Infektion hervorrufenden
kein direkter Effekt des Immunglobulins auf Mikroorganismen auf der einen Seite und dem Im-
den verursachenden Erreger! munsystem, der resultierenden Entzündungsreak-
5 Streptokokken-assoziiertes toxisches tion sowie der Gerinnung des Patienten auf der
Schocksyndrom durch Enterotoxine von anderen Seite.
24 Bakterien der Gruppe-A-Streptokokken Es kommt zu Beginn der Sepsis zu einer Akti-
(GAS) bei nekrotisierender Fasziitis oder vierung körpereigener plasmatischer (Mediatoren,
Myositis (in 60 % der Fälle) Gerinnung) und zellulärer (Endothel, Makropha-
gen, Granulozyten, Thrombozyten) Systeme mit
überschießender Reaktion. Initiiert wird die Reak-
24.1.6 Klinik tion durch Bindung von grampositiven (Proteogly-
kane) und gramnegativen (Lipopolysaccharide)
4 arterielle Hypotonie bei intravasaler Hypo- Bakterienbestandteilen an sog. Toll-like-Rezepto-
volämie mit ausgeprägten generalisierten Öde- ren (TLR-2 und -4). Daraus resultiert die Bildung
men und eingeschränkter Urinproduktion o von proinflammatorischen Zytokinen wie Tumor-
positive Flüssigkeitsbilanz (>20 ml/kg KG) nekrosefaktor (TNF-α) und Interleukin-1β sowie
4 Tachykardie mit und ohne Fieber, evtl. Hypo- von antiinflammatorischen Zytokinen wie z. B. In-
thermie terleukin-4 und -10.
4 periphere Durchblutungsstörungen mit ver- Die Syntheserate des Mediators TNF-α ist von
langsamter kapillarer Füllung und marmo- der genetischen Disposition des Patienten (TNF-
riertem Hautstatus Polymorphismus) abhängig o diese Tatsache
4 Zeichen der Organdysfunktionen: könnte eine Erklärung für die unterschiedliche Aus-
5 veränderter mentaler Status prägung der Sepsis sein.
5 Oligurie bis Anurie und Azotämie Die proinflammatorischen Zytokine aktivieren
5 Hyperglykämie >140 mg/dl bei fehlendem die neutrophilen Granulozyten und das Endothel
Diabetes mellitus o Up-Regulation der Adhäsionsmoleküle (leuko-
5 Hyperbilirubinämie (Gesamtbilirubinämie zytäre Integrine CD 11/CD 18 und endotheliale Ad-
>4 mg/dl) häsionsmoleküle wie z. B. E-, P-Selektine sowie
5 Ileus mit fehlenden Darmgeräuschen ICAM-1 und -2 auf der Endothelzelle und L-Selek-
4 Laborveränderungen: tine auf Granulozyten sowie VCAM-1 auf Lympho-
5 Leukozytose/Leukopenie mit reaktiver zyten) o verstärkte Interaktion von Endothel und
Linksverschiebung aktivierten Leukozyten mit Leukozytenadhäsion,
5 CRP- und Procalcitonin-Erhöhung (mehr Leukozytenrolling, Leukozytensticking und an-
als 2 Standardabweichungen vom Normal- schließender Penetration der Leukozyten ins Gewe-
wert!) be entlang der ansteigenden Interleukinkonzentra-
5 Hyperlaktatämie und Hypophosphatämie tion bzw. abfallenden pO2-Gewebskonzentrationen
5 Thrombozytensturz o letztlich resultiert hieraus eine systemische Vas-
5 Antithrombinabfall, sekundärer Quick- kulitis/Endothelitis.
Abfall Die Störung der endothelialen Integrität und
Funktion führt zu einer vaskulären Permeabilitäts-
> Die frühzeitige Diagnosestellung »Sepsis« und änderung mit kapillarem »Leak« o proteinrei-
der sofortige Therapiebeginn sind bezüglich ches interstitielles Ödem und intravasale Hypo-
der Mortalitätsrate als günstig anzusehen! volämie.
Die überschießende NO-Produktion (Aktivie-
rung der induzierbaren NO-Synthetase (iNOS)
24.1 · SIRS und Sepsis
457 24

. Abb. 24.1 Pathogenese der Sepsis: Beeinflussung des zellulären und humoralen Immunsystems

. Abb. 24.2 Pathogenese der Sepsis: Beeinflussung der Gerinnung

durch IL-1 und -6, Endotoxin und TNF-α) führt zur Neben Veränderungen des Immunsystems
systemischen Vasodilatation mit Abfall des Perfu- kommt es zu einer Imbalance von prokoagulatori-
sionsdrucks und Gewebshypoperfusion. schen und antikoagulatorischen Faktoren. Durch
. Abb. 24.1 und . Abb. 24.2 zeigen die Pathoge- Lipopolysaccharidstimulation bilden die Endothel-
nese der Sepsis im Hinblick auf die Beeinflussung zellen vermehrt »tissue factor«, wodurch die Ge-
des zellulären und humoralen Immunsystems rinnung aktiviert wird o Störung der Mikrozirku-
(. Abb. 24.1) und auf die Gerinnung (. Abb. 24.2). lation durch Bildung von Mikrothromben mit Ge-
458 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

fahr der/des MODS/MOV und Störung der Makro-


zirkulation aufgrund einer reduzierten kardialen
Pumpfunktion, eines erniedrigten systemvaskulä-
ren Widerstandes und einer ausgeprägten Hypo-
volämie infolge »capillary leak syndrome«. In der
Sepsis kommt es zu einer Reduktion des Protein-C-
Spiegels o Störung der Fibrinolyse und Thromben-
bildung aufgrund einer fehlenden Thrombin-
24 Thrombomodulin-Stimulation (fehlender Abbau . Abb. 24.3 Wechselnder Ablauf von SIRS und CARS = MARS
von Faktor V und VIII; . Abb. 24.2).

24.1.9 Funktionsstörungen
24.1.8 Gegenspieler des SIRS
4 hyperdynamer Kreislauf (»cardiac index« CI
Nach einer initialen proinflammatorischen Phase >4,0 l/min/m²) mit Tachykardie bei normalem
kommt es zu in einer Gegenreaktion mit einer kom- oder niedrigem Blutdruck (HZV steigt jedoch
pensatorischen antiinflammatorischen Antwort dem SVR entsprechend nicht adäquat an)
(CARS). Diese Antwort kann überschießend sein 4 reduzierter peripherer Systemwiderstand
und zur Immunsuppression bzw. Anergie führen. (SVR <800 dyn × s × cm–5) o periphere
Der Immunstatus kann anhand folgender Fak- Mikrozirkulationsstörungen: Vasodilatation
toren bestimmt werden: bei Fehlregulation und Dichteabnahme der
4 Interleukin-6-Spiegel α-Adrenorezeptoren bei simultan erhöhter
4 Ausmaß der HLA-DR-Expression (Immun- NO-Freisetzung
stimulation durch GM-CSF-Gabe zur Steige- 4 Störungen der Kontraktilität (septische Kar-
rung der Immunantwort oder Gabe von APC diomyopathie) mit links- und rechtsventriku-
im Rahmen der Hyperfibrinolyse) lären Dyskinesien und erhöhten enddiastoli-
4 ex vivo TNF-Anstieg nach LPS-Gabe schen und endsystolischen Volumina, LVEF p,
LWSI p infolge »myocardial depressant fac-
CARS (»compensatory antiinflammatory tor« (MDF, Molekulargewicht 10–30 × 106 o
response syndrome«) Elimination durch Hämofiltration)
4 von Bone eingeführter Begriff, gekennzeichnet 4 Der PCWP liegt trotz eingeschränkter Pump-
durch antiinflammatorische Mediatoren wie funktion bei septischen Patienten meist
z. B. Interleukin-4, IL-10, IL-13, IL-Rezepto- <8 mmHg.
rantagonisten oder durch Mediatoren, die so- 4 Der »myocardial depressant factor« scheint
wohl proinflammatorisch als auch antiin- mit dem TNF-α identisch zu sein, da die Gabe
flammatorisch wirken, wie z. B. IL-6 und IL-8 eines Anti-TNF-Antikörpers die Myokard-
4 klinische Manifestation als Anergie und er- kontraktilität fast vollständig wiederherstellt.
höhte Empfindlichkeit gegenüber Infektionen. 4 Eine weitere myokarddepressive Wirkung wird
Die Immunparalyse ist laborchemisch gekenn- durch Toxine (z. B. Endotoxin), Downregula-
zeichnet durch: tion der β-Rezeptoren sowie einen fraglichen
5 monozytäre HLA-DR-Expression <30 % metabolischen Defekt der Myozyten ange-
5 reduzierte endotoxininduzierte TNF-α- und nommen.
IL-6-Sekretion (ex vivo) 4 Störung der Gewebsoxygenierung bzw. der O2-
Extraktion o gemischtvenöse Sättigung n ver-
MARS (»mixed antagonistic response mehrte Diffusionsstrecke durch interstitielle
syndrome«) Flüssigkeitsvermehrung, zellulärem Defekt der
Der wechselnde Ablauf von SIRS und CARS wird Aufnahme und der mitochondrialen Verwer-
als MARS bezeichnet (. Abb. 24.3). tung des Sauerstoffs infolge Entkoppelung der
24.1 · SIRS und Sepsis
459 24
oxidativen Phosporylierung (»zytopathische 4 ggf. Messung der Leberperfusion mit LiMON-
Hypoxie«), Ausfall der Perfusionssteuerung System zur frühzeitigen Erfassung einer hepa-
nach metabolischen Erfordernissen o lineare tischen Dysfunktion
Abhängigkeit der O2-Aufnahme vom O2-An- 4 infektiologisches Monitoring: Abstriche, Blut-
gebot bei septischen Patienten mit deutlich kulturen (3-mal 2 Blutkulturpaare)
reduziertem O2-Angebot 4 laborchemisches Monitoring:
4 Störung der Gefäßpermeabilität o intrava- 5 Blutbild (Leukopenie oder Leukozytose
sale Hypovolämie und generalisierte Ödem- und Linksverschiebung im Differenzial-
bildung blutbild, toxische Granulationen der Neu-
4 Steigerung der Darmpermeabilität mit bakte- trophilen)
rieller Translokation 5 frühzeitiger Abfall der Thrombozyten (DD:
4 Nierenfunktionsstörung: prärenales ANV, HIT II) und des Antithrombins
bedingt durch Hypovolämie oder tubuläre 5 CRP- (HWZ: 24 h) und Procalcitonin-An-
Nekrosen, Verminderung des renalen Blut- stieg (PCT) (Grad-2C-Empfehlung): HWZ
flusses bzw. der glomerulären Filtration von 24 h, Sensitivität: 89–96 % und Spezifi-
4 Störungen der Hämostase: Störung der plas- tät: 78–94 % (nach Brunkhorst 2004), unab-
matischen Gerinnung und Thrombozytope- hängig von therapeutischen Interventionen
nie, evtl. DIC (Thrombozyten p, Fibrinogen p) wie z. B. Hydrokortisontherapie (im Gegen-
mit reaktiver Fibrinolyse (AT III p, TZ n, D- satz zu Zytokinen). Durch die regelmäßige
Dimere n) PTC-Bestimmung kann die eingeleitete
4 Neurologische Störungen: Antibiotikatherapie frühzeitiger beendet
5 Septische Enzephalopathie mit Wahrneh- werden (ca. 3,5 Tage früher; Nobre et al.
mungs- und Konzentrationsstörungen, In- 2008) o Reduktion der Antibiotikakosten
zidenz: ca. 23 % der septischen Patienten, und Vermeidung von Resistenzen. Die Be-
Ursache u. a. wahrscheinlich erhöhte Spiegel wertung der PCT-Konzentrationen kann
an Cholinsäure mit exzitatorischer Wirkung aus . Tab. 24.2 entnommen werden. Cave:
auf N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezep- PCT-Konzentrationen können auch ohne
toren (von aktivierten Makrophagen im Infektion erhöht sein:
Rahmen des Tryptophanmetabolismus syn- – bei schwerem kardiogenem Schock
thetisiert). Daneben spielen eine gestörte – bei schweren Störungen der Organdurch-
Blut-Hirn-Schranke, Aminosäurenimbalan- blutung
zen, arterielle Hypotonie mit reduziertem – bei Bronchialkarzinom oder C-Zell-
CPP sowie direkte Effekte der inflammato- Karzinom der Schilddrüse
rischen Mediatoren eine Rolle – nach schwerem Trauma oder großer
4 »critical illness polyneuropathy« (axonale Operation
Degeneration) im Spätstadium der Sepsis – nach schweren Verbrennungen
5 Bestimmung des Serumlaktats: Eine pro-
gnostisch relevante Hyperlaktatämie kann
24.1.10 Monitoring bedingt sein durch eine(n):
– erniedrigte hepatische Laktat-Clearance
4 arterielle Druckmessung über PiCCO- oder – metabolischen zellulären Defekt (»cyto-
separates Arteriensystem pathic hypoxia«) und
4 erweitertes Kreislaufmonitoring (HZV, SVR, – allgemeine Gewebshypoxie durch Mikro-
intrathorakales Blutvolumen [ITBV] und ex- zirkulationsstörungen
travaskuläres Lungenwasser [EVLW]) mit 5 Serum-Phosphat oHypophosphatämie
PiCCO-System der Fa. Pulsion oder EV1.000- 5 Blutzucker oHyperglykämie
System von Fa. Edwards 5 Bestimmung von IL-6 und Lipopolysaccha-
4 evtl. intramukosale pHi-Messung rid-bindendem Protein (LBP) mittels
460 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.2 Procalcitoninwerte und Sepsis

PCT-Konzentration (ng/ml) Bewertung

<0,5 Sepsis unwahrscheinlich (Normalbereich), Virusinfektion, Lokal- oder chronische


Infektion jedoch möglich

0,5–2 Sepsis möglich, schwere Sepsis unwahrscheinlich

2–10 Bakterielle Sepsis wahrscheinlich


24 >10 Schwere bakterielle Infektion wahrscheinlich

. Tab. 24.3 Infektions- und Entzündungsparameter. (Adaptiert nach Brunkhorst 2005)

Marker Sensitivität für Spezifität für Anwendungshäufigkeit in Deutschland


Entzündung Infektion

Temperatur +++ + 100 % Routine

Leukozyten +++ + >90 % Routine

CRP ++ ++ >90 % Routine

PCT + +++ ca. 20 % Routine


ca. 25 % manchmal
ca. 50 % nie

LBP ++ ++ ca. 5 % Routine


ca. 8 % manchmal
ca. 85 % nie

IL-6 +++ + ca. 5 % Routine/ca. 8 % manchmal ca. 75 % nie

Der klinische breite Einsatz der oben genannten Parameter nimmt von oben nach unten ab!

IMMULITE-System (beide in der Sepsis 24.1.11 Quantifizierung des


und auch bei Lokalinfektionen frühzeitig Ausmaßes der Sepsis
erhöht); HWZ: 30–60 min
5 in Zukunft evtl. Bestimmung mittels PCR- Anhand von
Echtzeittechnik von 2 Mikro-RNA-Moleküle 4 APACHE-II-Score
(miR-150 und miR-4772-5p-iso), die im 4 Sepsis-Score nach Elebute und Stoner (Beur-
Zellkern bestimmen, welche Gene in Pro- teilung von 4 Gruppen: Infektzeichen, Pyrexie,
teine umgesetzt werden sollen oder genauer Organversagen und Laborparameter)
gesagt welche nicht. Mit deren Hilfe kann 4 SAPS II
eine Sepsis von einer SIRS unterschieden 4 SOFA-Score (7 Kap. 40)
werden. Die Spezifität liegt bei 90,5 %und
> Zur Verlaufsbeurteilung sollte täglich min-
die Sensitivität bei 81,8 %!
destens einmal eine Score-Erfassung durch-
geführt werden.
. Tab. 24.3 gibt einen Überblick über aktuelle Ent-
zündungsmarker und deren klinische Verbreitung.
24.1 · SIRS und Sepsis
461 24
24.1.12 Therapie

In den neuesten Sepsis-Leitlinien 2012 der Sepsis


Surviving Campaign wurden folgende Themen be-
handelt:
4 initiale »Resuscitation«
4 Screening auf Sepsis und Verbesserung der
Therapiekonzepte im Krankenhaus
4 Diagnostik
4 antimikrobielle Therapie
4 Beseitigung der Sepsisursache
4 Infektionsprävention
4 Flüssigkeitstherapie
4 Vasopressoren
4 Inotropika-Therapie
4 Kortikosteroide
4 Blutprodukte
4 Immunglobuline
4 Selen-Applikation
4 Protein C-Applikation
4 mechanische Beatmung bei sepsisinduziertem . Abb. 24.4 »Goal directed therapy« nach Rivers
ARDS
4 Sedierung, Analgesie und neuromuskuläre
Blockade in Sepsis 5ZVD ≥8–12 cmH2O
4 Blutzuckerkontrolle 5MAP ≥65 mmHg
4 Nierenersatzverfahren 5zentralvenöse SvO2 ≥70 %
4 Bikarbonat-Applikation 5Laktatwerte <1,5 mmol/l bzw. Abfall des
4 Thromboseprophylaxe Laktats nach Therapiebeginn
4 Stressulkusprophylaxe 5 Urinvolumen ≥0,5 mg/kg KG/h
4 Ernährung 4 Anmerkung: Immer noch Beurteilung des
4 Behandlungsziele formulieren! Volumenstatus mit Hilfe des ZVD-Wertes.
4 keine Berücksichtigung von modernen
In der neuen Leitlinie 2012 wurden 10 Empfehlun- Parametern des Füllungszustandes und der
gen im Evidenzgrad erhöht (upgrade), 13 wurden Vorlast z. B. PiCCO-Werte wie ITBV, SVV, …
zurückgestuft (downgrade) und 27 Maßnahmen etc.
wurden neu bewertet. 4 frühzeitige Normalisierung eines erhöhten
Blutlaktatspiegels (2C-Empfehlung) o die
»Initiale Resuscitation« Laktat-Clearance ist ein guter Prädiktor für die
4 frühzeitige Stabilisierung des Kreislaufs (1C- Letalität der Sepsis (Nguyen 2011)
Empfehlung) innerhalb von 6 h (»time is tis-
sue!«) nach Sepsisbeginn bei septischen Pati- Screening auf Sepsis im Krankenhaus
enten mit Gewebshypoperfusion und Blutlak- 4 frühzeitige Identifizierung von septischen
tatwerten ≥4 mmol/l (= 36 mg/dl) o signifi- Patienten in der Ambulanz, Aufnahmestation
kante Reduktion der Mortalität um 16 % (46,5 und im stationären Bereich (1C-Empfehlung)
vs. 30,5 %!). Ziel einer modernen Sepsisthera- mit dem Ziel des frühen Therapiebeginns o
pie sollte eine parametergerichtete Therapie Mortalitätsreduktion
nach den Kriterien von Rivers et al. (2001) sein
(. Abb. 24.4):
462 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

Diagnostik des Patienten, des potenziellen Ausgangs-


4 Bestimmung von Mannan und Anti-Mannan- herdes, der stationsspezifischen Erreger-
Antikörper bei Verdacht auf invasive Candi- epidemiologie und Resistenzlage (kalkulierte
diasis (2C-Empfehlung) Breitbandantibiotika mit β-Laktamanti-
4 Bestimmung von 1,3-β-D-Glukan bei Verdacht biotikum nach Tarragona-Prinzip, 7 Kap. 11).
auf invasive Candidiasis (2B-Empfehlung) Bei Sepsis führt eine verzögerte Initiierung
4 Abnahme von Blutkulturen vor Antibiotika- der antibiotischen Therapie zu einem Anstieg
gabe (1C-Empfehlung); 2×2–3 Blutkultur- der Mortalität um ca. 8 % pro Stunde (»golden
24 flaschen (perkutan und via liegende Gefäßzu- hour of septic shock«). Selbst innerhalb der
gänge, insbesondere zentralvenöse Katheter). ersten Stunde ist die Mortalität nach Kumar
Hierdurch sollte der antibakterielle Therapie- et al. (2010) geringer, wenn innerhalb von
beginn (<45 min) nicht verzögert werden. Un- 30 min mit einer suffizienten Antibiotika-
ter laufender antimikrobieller Therapie sollten therapie begonnen wird (Überlebensrate
Blutkulturen unmittelbar vor der nächsten An- 82,7 % vs.77,2 % innerhalb der ersten Stunde).
tibiotikagabe abgenommen werden (E-Emp- Das Outcome des Patienten ist außerdem
fehlung). Bei Verdacht auf eine Pilzinfektion schlecht, wenn die verursachenden Erreger
sollten zusätzlich spezielle Pilzkulturflaschen auf die primäre antibiotische Therapie nicht
verwendet werden (z. B. BD Bactec Mycosis sensibel sind. Ein nachträglicher Antibiotika-
mit schnellerem Pilznachweis). wechsel führt zu keiner Reduktion der Mor-
Folgende singuläre Keimnachweise aus einer talität!
einzelnen Blutkultur sind Hinweise auf eine 4 Aktuelle Antibiotika-Empfehlung der Paul-
Kontamination: Ehrlich-Gesellschaft (PEG) bei Sepsis:
5 koagulasenegative Staphylokokken z. B. 5 Piperacillin/Tazobactam (Tazobac) oder
Staph. epidermidis 5 Cefepim (Maxipime) oder
5 Corynebakterien 5 ein Carbapenem wie z. B. Meropenem
5 Bacillus spp. (Meronem), Doripenem (Doribax), Imi-
5 Streptokokken der Viridans-Gruppe penem/Cilastatin (Zienam)
4 Folgende Keimnachweise aus einer oder meh- 5 plus Ciprofloxacin bzw. Levofloxacin
reren Blutkulturen sollten ernst genommen (Tavanic) oder Fosfomycin (Infectofos) bei
werden: schwerer Sepsis
5 Staphylococcus aureus 4 Bei katheterassoziierter Sepsis wird die Gabe
5 Klebsiella spp. von Daptomycin oder einem Glykopeptid-An-
5 Pseudomonas spp tibiotikum plus Piperacillin/BLI oder Cefota-
5 Candida spp. xim empfohlen!
4 Anmerkung: die sofortige Durchführung von 4 Bei Verdacht auf Sepsis mit MRSA oder En-
bildgebenden Verfahren zum Nachweis einer terococcus faecium Gabe von Linezolid 2-mal
Sepsisquelle wird aktuell nicht empfohlen! 600 mg i.v./d.
Sind die nachgewiesenen Keime am Katheter 4 Bei Verdacht auf MRSA-Sepsis mit Pro-
und in der ZVK- und peripheren Blutkultur theseninfektion: Daptomycin (Cubicin)
identisch, ist von einer gesicherten »Katheter- 8–10–(12) mg/kg KG/Tag plus Rifampicin
sepsis« auszugehen. 2×450 mg i.v./d.
4 Bei Verdacht auf MRSA-Sepsis mit Endokardi-
Antimikrobielle Therapie tis: Vancomycin im Kombination mit Genta-
4 Begleitende hochdosierte und intravenöse micin i.v.
Antibiotikatherapie innerhalb von 1 h nach 4 Bei Verdacht auf Sepsis mit Streptococcus
Diagnosestellung einer schweren Sepsis oder pneumoniae Gabe eines
septischen Schocks (1C/1B-Empfehlung) β-Laktamantibiotikums in Kombination mit
unter Berücksichtigung der Grunderkrankung einem Makrolid wie z. B. Clarithromycin
24.1 · SIRS und Sepsis
463 24
(Klacid) 2×500 mg i.v. oder Roxithromycin Beseitigung der Sepsisursache
(Rulid) 1×300 mg p.o. Nachweis des Sepsisherdes und dessen Sanierung
4 Anmerkung: keine Empfehlung für Aminogly- innerhalb von 12 h (1C-Empfehlung), z. B. durch
koside oder Ceftazidim (schlechte gramposi- 4 chirurgische oder radiologisch-interventio-
tive Wirksamkeit und schlechte Penetrations- nelle (meist CT-gesteuert) Abszessdrainage
fähigkeit in die Lunge) oder Vancomycin 4 programmierte Lavage/Etappenlavage
4 Die Kombination von einem Carbapenem plus 4 Behandlung von Peritonitis, Ileus, Anastomo-
Moxifloxazin (MaxSep-Studie) bringt keinen seninsuffizienz durch Peritoneallavage, Drai-
Mortalitätsvorteil! nage und Enterostomien
4 In den amerikanischen Leitlinien wird eine 4 sofortige Entfernung von infizierten intravas-
kombinierte empirische Antibiotikatherapie kulären Katheter und Fremdmaterialen
empfohlen bei (Gefäßprothesen, Osteosynthesematerial,
5 Patienten mit Neutropenie Gelenkersatz, Schrittmacher und Defibrilla-
5 schwer zu therapierende Patienten (?) toren etc.)
5 Verdacht auf Sepsis mit MDR-Erregern wie 4 Nekrosektomien, Wunderöffnungen, Amputa-
Acinetobacter spp. oder Pseudomonas spp. tionen, Fasziotomien etc.)
(2B-Empfehlung) 4 bei infizierten, peripankreatischen Nekrosen
4 Die Dauer der Antibiotikatherapie sollte typi- wird ein verzögertes Vorgehen empfohlen o
scherweise 7–10 Tage betragen. Nach ca. Demarkierung von Gewebe abwarten (1B-
3–5 Tagen sollte nach Antibiogramm deeska- Empfehlung)!
liert werden (2B-Empfehlung)!
4 die Anwendung von Low-level-Procalcitonin Infektionsprävention
oder ähnliche Biomarker zur Entscheidung der 4 Durch die Anwendung der selektiven, oralen
Beendigung der Antibiotikatherapie kann Dekontamination (SOD) bzw. durch die se-
sinnvoll sein o Reduktion der Antibiotika- lektive Darmdekontamination (SDD, 7 Kap.
kosten und Vermeidung von Resistenzen (2C- 11) kann die Infektionsrate an ventilatorasso-
Empfehlung)! ziierten Pneumonien gesenkt werden!
4 eine tägliche Reevaluierung der laufenden An- 4 Auch die Anwendung von Chlorhexidin-
tibiotikatherapie mit dem Ziel der Deeskala- (gluconat) führt zur Reduktion von Pneumo-
tion sollte durchgeführt werden (1B-Empfeh- nien (»B-Empfehlung)! Aktuell ist die Her-
lung) o Antibiotika absetzen bei fehlender stellung der SOD/SDD-Lösung bzw. Paste
Infektion! durch die Apotheke in Deutschland nicht mehr
4 bei Verdacht auf viraler Ursache der Sepsis zulässig!
Gabe von Virostatika wie z. B. Oseltamivir
(Tamiflu 2×75 mg/d p.o.) oder Zanamivir (Re- Flüssigkeitstherapie
lenza zur Inhalation 2× Inhalationen à 10 mg = 4 vor Einsatz von Katecholaminen soll der hä-
2 Blisterkammern) owirkt bei H1N1-Virus, modynamisch instabile septische Patient aus-
Influenza A und Influenza B. Bei Cytomega- reichend Kristalloide (>30 ml/kg KG) erhalten
lievirus-Infektion (CMV) Gabe von Aciclovir (»fluid resuscitation«; 1B-Empfehlung), Wird
3×(5)–10 mg/kg KG nach Gabe größerer Kristalloidmengen und
4 bei Verdacht auf Sprosspilzinfektion Gabe Katecholaminen keine ausreichende hämody-
eines Echinocandins z. B. Caspofungin oder namische Stabilität erreicht, kann Humanalbu-
Anidulafungin (Ecalta) (7 Kap. 15) min gegeben werden! (2C-Empfehlung)
4 bei Verdacht auf Schimmelpilzinfektion Gabe 4 auf künstliche Kolloide in Form von Hydroxy-
von Voriconazol (VFend) (7 Kap. 15) ethylstärken sollte verzichtet werden (1B-
Empfehlung)! Allerdings muss an dieser Stelle
kritisch angemerkt werden, dass viele der
bewerteten Studien (VISEP-, CRYSTMAS-,
464 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

6S-Trial-, CHEST-Studie) den klinischen All- umstritten (z. T. höhere Mortalitätsraten in der
tagsbedingungen nicht entsprechen und zum Studiengruppe).
Teil die Höchstmengen nicht berücksichtig
wurden. Kortikosteroide
4 restriktive Flüssigkeitstherapie bei septischen 4 Nur bei aufbleibender hämodynamischer
ARDS-Patienten und fehlender Gewebshypo- Stabilisierung trotz Volumenapplikation und
perfusion (1C-Empfehlung) Vasopressorentherapie sollte Hydrokortison
(100 mg Bolus (?), anschließend kontinuierlich
24 Vasopressoren und Inotropika 200 mg/d) eingesetzt werden (2C-Empfeh-
4 Bei instabilen Kreislaufverhältnissen trotz lung)! Keine aktuelle Empfehlung bzgl. der
Volumentherapie und bei Vorliegen eines re- Therapiedauer (bis hämodynamische Stabili-
duzierten systemvaskulären Widerstands ist sierung, max. 7 Tage?)
das Katecholamin Noradrenalin das Mittel der 4 Mögliche Effekte von Hydrokortison:
Wahl (1B-Empfehlung). Evtl. zur Aufrechter- 5 Hemmung der induzierbaren NO-Syntheta-
haltung eines adäquaten Blutdrucks zusätzliche se sowie der Cyclooxygenase-2 o Sensibili-
Applikation von Adrenalin. sierung der Gefäßmuskelzelle gegenüber
4 Ziel der Katecholamintherapie ist ein adäqua- Katecholaminen.
ter Perfusionsdrucks o MAP ≥65 mmHg (1C- 5 Bildung von Lipocortinen, die die Phospho-
Empfehlung). lipase-A2-Aktivität hemmen. Phospholipa-
4 Gabe von Dobutamin (<20 μg/kg KG/min) bei se A2 führt zur Synthese von vasoaktiven
myokardialer Dysfunktion mit erhöhten Fül- Eikosanoiden (TXB2, 6-Keto-PGF-1α o
lungsdrücken und Low-output-Syndrom bzw. Vasodilatation, Thrombozytenaggregation)
Zeichen der Minderfusion trotz ausrei- sowie verminderte Expression von in-
chendem intravasalem Volumen und adäqua- flammatorischen Prozessen, z. B. TNF-α,
tem mittlerem Blutdruck (1C-Empfehlung) IL-6 und -8
4 Die Gabe von Dopamin zur hämodyna- 4 Auf einen ACTH-Test vor geplanter Hydrokor-
mischen Therapie oder Nierenprotektion wird tisongabe kann verzichtet werden (2B-Emp-
nicht mehr empfohlen (2C/1AB-Empfehlung). fehlung)
4 Die Gabe von Levosimendan bei Sepsis wird
aktuell nicht empfohlen (Gefahr des weiteren . Tab. 24.4 gibt einen vergleichenden Überblick zwei-
Blutdruckabfalls). er wichtiger Studien bezüglich der Hydrokortisonga-
4 Der routinemäßige Einsatz bzw. die Monothe- be bei Sepsis (CORTICUS- und »Annane«-Studie)
rapie von Vasopressin (0,03 IE/min) wird nicht
empfohlen, da es nach Vasopressingabe zwar zu Blutprodukte, Immunglobuline, Selen,
einem Anstieg des Blutdruckes kommt, das Protein C
HZV allerdings abnimmt und sich die intesti- 4 Erst bei Hb-Werten <7,0 g/dl (bei fehlender
nale und myokardiale Perfusion verschlechtert Myokardischämie, akuter Blutung, schwerer
bzw. Ischämien auftreten können! Die Gabe Hypoxämie, KHK etc.) und erhöhter Sauer-
von Vasopressin zeigte in einer klinischen Stu- stoffausschöpfung (SvO2 <70 %, Rivers-Krite-
die von Russell aus den Jahr 2008 (VASST-Trial) rien) sollten Bluttransfusionen durchgeführt
nur Vorteile bei Patienten mit nur leicht einge- werden (1B-Empfehlung). Keine Bluttrans-
schränkten Kreislaufverhältnissen (Noradrena- fusion bei Hb-Wert von 7–9 g/dl und fehlender
lintherapie <15 mg/h). Als Ultima-ratio-Thera- Gewebshypoperfusion sowie bei KHK ohne
pie im Rahmen des therapierefraktären sep- akute Blutung. Erythropoetin zur Behandlung
tischen Schock zeigt sie keine Vorteile! der Anämie bei septischen Patienten sollte
4 Die Anhebung des O2-Angebots, z. B. mittels nicht angewendet werden. Bei der Gabe von
hochdosierten Katecholaminen, ist nach Stu- Erytrozytenkonzentraten wurde füher die
dien von Hayes (1993) und Gattinoni (2003) Transfusion von »frischen« Erythrozytenkon-
24.1 · SIRS und Sepsis
465 24

. Tab. 24.4 Vergleich von CORTICUS- und »Annane«-Studie bei Sepsis

CORTICUS-Studie (n=499) Annane-Studie (n=299)

Patientenkollektiv 67 % chirurgische Patienten 40 % chirurgische Patienten

Dauer des Schockzustandes <1 h >1 h


(<90 mmHg systolisch)

28-Tage-Letalität 31,5 % 53 %

Plazebogruppe 34,3 % 63 %

Effekte Keine Reduktion der Letalität Verkürzung der Schockdauer und


Keine erhöhte Rate an CIM/CIP Verlängerung der Überlebenszeit

Einschlussfenster <72 h <8 h

Kortisondosis 200 mg Hydrokortison kontinuierlich über 200 mg (4×50 mg Hydrokortison plus


5 Tage und anschließend 2-mal 50 mg über Fludrokortison) für 7 Tage
3 Tage und dann 1-mal 50 mg über 3 Tage

Dauer 11 Tage 7 Tage

Dosisreduktion Ja, ab dem 5. Tag Nein

zentraten (<15 Tage) empfohlen o die Gabe eine höhere 28-Tage-Mortalität (26,4 vs.
von älteren Blutkonserven führte in einer 24,2 %). Zuvor hatte bereits die ADRESS-Stu-
Studie von Marik zu keinem Anstieg des O2- die (Abraham 2005), die zur Überprüfung der
Verbrauchs, jedoch zu einem Abfall des Effektivität von aktiviertem Protein C in der
Magenwand-pH-Werts. frühen Sepsis bei chirurgischen Patienten mit
4 Zur Korrektur von Gerinnungsanomalien bei singulärem Organversagen und daraus resul-
fehlender Blutung oder vor geplanten Opera- tierendem geringem Letalitätsrisiko durchge-
tionen sollte kein FFP gegeben werden (2D- führt worden war, eine Erhöhung der 28-Tage-
Empfehlung). Mortalität (20,7 % vs. 14,1 %; p=0,03) gezeigt.
4 Gabe von Thrombozytenkonzentraten nur 4 Die Gabe von Immunglobulinen z. B. IGM-
(2D-Empfehlung): angereicherte Immunglobuline (Pentaglobin)
5 bei Thrombozyten <10.000/μl (ohne bei Sepsis wird aktuell nicht mehr empfohlen
Blutung, prophylaktisch) (2B-Empfehlung). Ausnahme: Toxic-shock-
5 bei Thrombozyten <20.000/μl bei signifi- Syndrom!
kanten Blutungsrisiko 4 Auch die hochdosierte Gabe des antioxidativ
5 bei Thrombozyten <50.000/μl und kli- wirkenden Natriumselenits (Selen) wird in
nischer Blutung, Operation und invasiven den amerikanischen Leitlinien 2012 nicht
Maßnahmen mehr empfohlen (2C-Empfehlung)!
4 Die Antithrombinsubstitution bei schwerer Anmerkung: Selen ist Bestandteil von 35 Se-
Sepsis und septischen Schock (1B-Empfeh- lenoproteinen, die zu einem Großteil an anti-
lung) sowie die Gabe von aktivierten Protein oxidativen Prozessen (Radikalenfänger) betei-
C (rhAPC) werden nicht empfohlen bzw. ist ligt sind, z. B. Gluthathionreduktase und Thio-
nicht mehr möglich! redoxinreduktase. In Europa wird das lösliche
Anmerkung: Im Oktober 2011 hat der Herstel- Natriumselenit bevorzugt. Im asiatischen
ler aktiviertes Protein C (Xigris) vom Markt Raum gibt man Ebselen, eine fettlösliche, Selen
genommen! Die Ergebnisse der PROWESS- enthaltene organische Verbindung, die die Li-
Schock-Studie zeigten in der Xigris-Gruppe pidperoxidation durch eine Gluthathionper-
466 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

oxidase ähnlichen Effekt verhindert. Die erste Spontanatemversuchen bei Erfüllung der Extu-
größere Studie von Gärtner et al. (SIC-Studie bationskriterien (ansprechbar, hämodyna-
mit 238 Patienten, die 14 Tage lang 1000 μg mische Stabilität, geringe Invasivität der Beat-
Selen/d erhielten) erbrachte eine signifikante mung [FiO2 p, PEEP p, ASB bzw. PV p, …])
Reduktion der 28-Tage-Mortalität von 10,3 % 4 Verzicht auf β2-Agonisten beim septisch in-
(7 Kap. 6). Zwei weitere multizentrische Stu- duzierten ARDS mit Ausnahme von Patienten
dien aus dem Jahr 2007 zeigten unterschied- mit Bronchospasmus o die getesteten Wirk-
liche Ergebnisse: stoffe waren das aerolisierte Albuterol oder das
24 5 Studie von Angstwurm (2007) mit Reduk- intravenöses Salbutamol. Die »BALTI-2-Stu-
tion der Mortalität durch 14-tägige Selen- die« zeigte jedoch geringere beatmungsfreie
gabe (1000 μg/Tag; initial ebenfalls 1000 μg Tage und/oder eine Zunahme der Mortalität
über 30 min) von 56,7 %auf 42,4 % (p=0,109) unter β2-Agonisten.
5 Studie von Forceville (2007) ohne Beein-
flussung der Mortalität durch Selengabe Sedierung, Analgesie und neuro-
(4000 μg Natriumselenit am 1. Tag, an- muskuläre Blockade
schließend 1000 μg/Tag für 10 Tage). 4 adäquate Sedierung und Analgesie anhand des
(Anmerkung: n=60; Ausschluss von RAAS. Vermeidung hoher Dosen von Sedativ
Trauma- und Verbrennungspatienten in (1B-Empfehlung)
dieser Studie) 4 Verzicht auf neuromuskuläre Blockaden bei
Patienten ohne ARDS (1C-Empfehlung), evtl.
Mechanische Beatmung bei sepsis- kurzfristige NMB (<48 h) bei septischen
induziertem ARDS ARDS-Patienten mit einem Horowitz-Quoti-
4 Die frühzeitige lungenprotektive Beatmung ent <150 mmHg (2C-Empfehlung)
mit reduziertem Tidalvolumen (VT): 6 ml/
kg KG vs. 12 ml/kg KG (1A-Empfehlung) und Blutzuckerkontrolle
reduziertem inspiratorischen Plateaudruck 4 Sobald 2 aufeinanderfolgende Blutzuckerwer-
(≤30 cmH2O; 1B-Empfehlung) und »hohen« te ≥180 mg/dl sind, sollte ein Blutglukose-Ma-
PEEP zur Vermeidung eines endexspiratori- nagement mit Insulin erfolgen; dabei sollte der
schen Kollaps (2C-Empfehlung). Der empfoh- BZ nicht unter 110 mg/dl abfallen (1A-Emfeh-
lene PEEP richtet sich nach der benötigten lung)!
FiO2 (. Tab. 24.5). 4 Am Anfang sollten alle 1–2 h BZ-Kontrollen
4 Durch die mechanische Ventilation können die erfolgen; sobald die BZ-Werte »stabil« sind,
Atemarbeit und der O2-Verbrauch bei sep- können die Intervalle auf 4 h verlängert werden
tischen Patienten um bis zu 25 % reduziert (1C-Empfehlung).
werden. Eine längerfristige Hyperoxie unter 4 Die Blutglukose sollte im Labor aus arteriellem
Beatmung sollte jedoch aufgrund der Gefahr Patientenblut oder Plasma bestimmt werden!
der Radikalenbildung mit Aktivierung der
alveolaren Makrophagen vermieden werden. Anmerkung: die anfänglich positiven Ergebnisse
4 Bei schwerer, therapierefraktärer Hypoxämie einer intensivierten Insulintherapie mit Zielgluko-
im Rahmen des ARDS Durchführung von Rec- sewerten von 80–110 mg/dl (van Berghe 2001)
ruitment-Manövern (2C-Empfehlung) und konnten in nachfolge Studien bezüglich der Reduk-
Bauchlagerung bei Patienten mit einem Horo- tion der 30-/90-Tage-Mortalität nicht bestätigt wer-
witz-Quotient <100 mmHg (2B-Empfehlung) den! So zeigte die NICE-Sugar-Studie (Finfer 2009)
durch ein erfahrenes Behandlungsteam in der Verum-Gruppe eine erhöhte Mortalität
4 30°- bis 45°-Oberkörperhochlagerung (27,5 % vs. 24,9 %) und höhere Raten an Hypoglyk-
(1B-Empfehlung) ämien (6,8 % vs. 0,5 %). Die Blutzuckerspiegel soll-
4 Anwendung eines Weaning- und Sedierungs- ten ca. 150 mg/dl betragen!
protokoll (1A-Empfehlung) mit täglichen
24.1 · SIRS und Sepsis
467 24

. Tab. 24.5 Empfohlene und in multizentrischen, randomisiert-kontrollierten ARDS-Studien angewandte PEEP-Wer-


te unter Berücksichtigung der eingestellten FIO2

FiO2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

ARDS-Network 2000 5 5–8 8–10 10 10–14 14 14–18 18–24

Brower et al. 2004 (Alveoli-Trial) 12–14 14–16 16–20 20 20 20–22 22 22–24

Meade et al. 2008 5–10 10–18 18–20 20 20 20–22 22 22–24

Nierenersatzverfahren schwerer Sepsis oder septischen Schock und


4 Bei beginnender Niereninsuffizienz mit Urin- Blutungsrisiko (1B-Empfehlung). Patienten
ausscheidung <30 ml/h länger als 3 h trotz ma- ohne Blutungsrisiko sollten keine Ulkuspro-
ximaler Stimulation und/oder pulmonaler phylaxe erhalten (2B-Empfehlung)!
Überwässerung (radiologische Stauungs- und
Lungenödemzeichen sowie FIO2 >0,6) sollte Ernährung
frühzeitig ein Nierenersatzverfahren durchge- 4 Frühzeitige orale oder enterale Ernährung
führt werden. Dabei sind kontinuierliche und (2C-Empfehlung) innerhalb der ersten 48 h an-
intermittierende Verfahren (CVVH, Zitratdia- statt komplettem Fasten oder intravenöse Glu-
lyse vs. intermittierende Dialyse) gleichwertig kosezufuhr o Vermeidung einer Zottenatro-
anzusehen (2B-Empfehlung). Bei septischen phie und Steigerung der IGA-Sekretion
Patienten mit hämodynamischer Instabilität (Reduktion der bakteriellen Translokation und
sollte ein kontinuierliches Verfahren bevorzugt Steigerung der Immunabwehr).
werden! 4 Vermeidung einer kalorischer Hyperalimen-
4 Die frühere Vorstellung der Mediatorenelimi- tation (2B-Empfehlung) in der ersten Thera-
nation infolge Ultrafiltration und Adsorption piewoche (ca. 500 kcal/d, anschl. adaptierter
an der Filtermembran steht aktuell nicht mehr enteraler Aufbau)
im Vordergrund der Behandlung. 4 Kombination von enteraler Ernährung mit
4 Keine Elimination von TNF (MG zwar supplementierender parenteraler Ernährung
17 × 106, liegt jedoch als Trimer (MG 51.000) o Messung des Energiebedarfes ab dem 3. In-
oder Pentamer vor und kann daher nicht eli- tensivtag (indirekte Kalorimetrie) unter ente-
miniert werden. Auch antiinflammatorische raler Therapie und notfalls Ergänzung des
Interleukinen, z. B. IL-10 (MG 18.000) werden noch benötigten Energiebedarfes durch eine
eliminiert o daher nur kurzzeitiger Einsatz bis parenterale Ernährung. Eine total- parenterale
zur Erholung der Nierenfunktion! Ernährungstherapie sollte möglichst vermie-
den werden (2C-Empfehlungen).
Thromboseprophylaxe 4 Immunmodulierende Ernährungslösungen
4 pharmakologische Thromboseprophylaxe werden bei Patienten mit schwerer Sepsis
(1B-Empfehlung) mit NMH oder UFH (bei aktuell nicht empfohlen (2C-Empfehlung)
CrCL <30 ml/min Bevorzugung von Daltepa- 4 Kalorienbedarf: 25–30 kcal/kg KG
rin [1A-Empfehlung] oder anderem NMH das 4 Zusammensetzung: 50–60 % KH, AS 15–20 %
weniger über die Niere ausgeschieden wird und 15–30 % Fette
[2C-Empfehlung])
. Tab. 24.6 zeigt im Überblick die empfohlenen
Stressulkusprophylaxe Therapiemaßnahmen mit den entsprechenden
4 Stressulkusprophylaxe mit H2-Blockern oder Empfehlungsgraden.
Protonenpumpenblockern bei Patienten mit
468 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.6 Überblick der Therapiemaßnahmen bei Sepsis schwerer Sepsis und septischen Schock sowie deren Emp-
fehlungsgrade gemäß den internationalen Empfehlungen der Sepsis Surviving Campaign. (Adaptiert nach Dellinger
et al. 2013)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Initiale »Resuscitation«

24 Protokollierte, quantitative »resuscitation« bei septi-


schen Patienten mit Gewebshypoperfusion und
1C Anwendung der sog. Rivers-Kriterien!
Anmerkung: Immer noch Beurteilung des
Blutlaktatwerten ≥4 mmol/l (= 36 mg/dl). Maßnahmen Volumenstatus mit Hilfe des ZVD
innerhalb der ersten 6 h: Keine Berücksichtigung von PiCCO-Werten
– ZVD >8–12 mmHg wie ITBV, SVV etc.
– MAP ≥65 mmHg
– Urinproduktion ≥ 0,5 ml/kg KG
– Zentralvenöse oder gemischtvenöse Sauerstoff-
sättigung >70 % bzw. 65 %

Normalisierung eines erhöhten Blutlaktatspiegels so 2C die Laktat-Clearance ist ein guter Prädiktor für
schnell wie möglich! die Letalität der Sepsis (Nguyen 2011)

Screening auf Sepsis und Verbesserung der Therapie-


konzepte im Krankenhaus

Routine-Screening auf septische Patienten in der 1C Ziel ist der frühe Therapiebeginn mit Reduk-
Aufnahmestation sowie allen stationären Stationen tion der Letalität!

Diagnostik

Abnahme von Blutkulturen vor Antibiotikagabe 1C Keine Verzögerung des antibakteriellen Thera-
2×2 Blutkulturflaschen (perkutan und via liegende piebeginns (<45 min)
Gefäßzugänge, insbesondere zentralvenösen Kathe-
ter)

Bestimmung von Mannan und Anti-Mannan-Antikör- 2C


per bei Verdacht auf invasive Candidiasis

Bestimmung von 1,3-β-D-Glukan bei Verdacht auf 2B


invasive Candidiasis

Sofortige Bildgebende Verfahren zum Nachweis einer 0


Sepsisquelle

Antimikrobielle Therapie

Intravenöse Antibiotikagabe innerhalb von 1 h nach 1C/1B


Diagnosestellung einer schweren Sepsis oder septi-
schen Schocks

Initiale Anwendung von Breitbandantibiotika 1B β-Laktamantibiotika nach Tarragona-Konzept;


(kalkulierte Antibiotikatherapie) evtl. Kombination mit einem Fluorochinolon

Kombinierte empirische Antibiotikatherapie bei 2B


– Patienten mit Neutropenie
– schwer zu therapierende Patienten (?)
– bei Verdacht auf Sepsis mit MDR-Erregern wie Acine-
tobacter spp. oder Pseudomonas spp.

Empirische Antibiotikatherapie für maximal 3–5 Tage, 2B Ziel: gezielte Antibiotikatherapie ab dem
dann Deeskalation 3 Tag!
24.1 · SIRS und Sepsis
469 24

. Tab. 24.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Dauer der Antibiotikatherapie typischerweise 2C Längere Therapiedauer bei Patienten mit


7–10 Tage langsamer klinischer Besserung, undrainierten
Focus, Bakteriämie mit Staphylococcus aure-
us, virale Infektionen, Pilzinfektionen, Neutro-
penie

Tägliche Reevaluierung der laufenden Antibiotika- 1B Antibiotika absetzen bei fehlender Infektion!
therapie mit dem Ziel der Deeskalation

Bei Verdacht auf virale Ursache der Sepsis Gabe von 2C z. B. Oseltamivir (Tamiflu) oder Zanamivir
Virostatika (Relenza)

Einsatz von Low-level-Procalcitonin oder ähnliche 2C Schnellere Beendigung der Antibiotikathera-


Biomarker zur Entscheidung der Unterbrechung der pie bei fallendem PCT o Reduktion der
Antibiotikatherapie Antibiotikakosten und Vermeidung von Resis-
tenzen

Beseitigung der Sepsisursache

Bei infizierter peripankreatischer Nekrosen wird ein 1B


verzögertes Vorgehen empfohlen! Demarkierung von
Gewebe abwarten!

Infizierte intravaskuläre Katheter oder Fremdmateria- 0


len sofort entfernen!

Beseitigung der Sepsisquelle innerhalb von 12 h 1C

Infektionsprävention

SOD oder SDD zur Vermeidung der VAP 2B

Chlorhexidin(gluconat) 2B

Flüssigkeitstherapie

»Fluid resuscitation« mit Kristalloiden 1B


(>30 ml/kg KG)

Gabe von Humanalbumin bei hämodynamischer 2C


Instabilität und hohem Flüssigkeitsbedarf mit Kristal-
loiden

Vermeidung von Hydroxyethylstärke-Lösungen 1B Beschluss auf der Grundlage folgender


Studien: VISEP, CRYSTMAS, 6S-Trial, CHEST

Vasopressoren

Einsatz von Vasopressoren zum Erreichen eines ad- 1C


äquaten Perfusionsdrucks von MAP ≥65 mmHg

Applikation von Noradrenalin 1B

zusätzlich Adrenalin zur Aufrechterhaltung eines 2B


adäquaten Blutdrucks
470 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Vasopressin (0,03 IE/min) zusätzlich zu Noradrenalin 0 Empfehlungsgrad nicht beurteilt! Keine Vaso-
als Salvage-Therapie beim septischen Schock pressin-Monotherapie!
VASST-Trial* zeigte keine Vorteile! Hohe Dosen
von Vasopressin führen zur kardialen und
24 Splanchnicus-Ischämie!

Vermeidung von Dopamin zur hämodynamischen 2C Evtl. nur in speziellen Patientenkollektiven (?)
Therapie

Verzicht auf Dopamin zur Nierenprotektion 1A

Inotropika-Therapie

Dobutamin (<20 μg/kg KG/min) bei myokardialer 1C


Dysfunktion mit erhöhten Füllungsdrücken und low
output oder Zeichen der Minderfusion trotz ausrei-
chendem intravasalem Volumen und adäquatem
mittlerem Blutdruck

Keine hochnormalen Kreislaufparameter (CI) 1B


anstreben!

Kortikosteroide

Gabe von Hydrokortison nur bei aufbleibender hämo- 2C Intravenöse, kontinuierliche Applikation von
dynamischer Stabilisierung durch Volumenapplikation 200 mg/Tag
und Vasopressoren Dauer: ? (bis hämodynamische Stabilisie-
rung?)

Verzicht auf einen ACTH-Test vor geplanter Hydrokor- 2B


tisongabe

Blutprodukte

Bluttransfusionen erst bei Hb-Werten <7,0 g/dl (bei 1B


fehlender Myokardischämie, akuter Blutung, schwerer
Hypoxämie, KHK, etc.)

Verzicht auf Erythropoetin zur Behandlung der Anämie 1B

Keine Bluttransfusion bei Hb-Wert von 7–9 g/dl und 2C


fehlender Gewebshypoperfusion sowie bei KHK ohne
akute Blutung

Verzicht auf die Gabe von FFP zur Korrektur von Ge- 2D
rinnungsanomalien bei fehlender Blutung oder vor
geplanten Operationen

Verzicht auf Antithrombinsubstitution bei schwerer 1B


Sepsis und septischen Schock

Gabe von Thrombozytenkonzentraten 2D


– bei Thrombozyten <10.000/μl (ohne Blutung, pro-
phylaktisch)
– bei Thrombozyten <20.000/μl bei signifikanten
Blutungsrisiko
– bei Thrombozyten <50.000/μl und klinischer Blu-
tung, Operation und invasiven Maßnahmen
24.1 · SIRS und Sepsis
471 24

. Tab. 24.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Immunglobuline

Verzicht auf IgG-Applikation 2B Ausnahme: Toxic-Shock-Syndrom!

Selen-Applikation

Verzicht auf intravenöse Selen-Gabe 2C

Protein-C-Applikation

Verzicht auf die Gabe von aktivierten Protein C 0 Präparat ist nicht mehr verfügbar!
(rhAPC)

Mechanische Beatmung bei sepsisinduziertem ARDS

Lungenprotektive Beatmung mit reduziertem Tidalvo- 1A vs. VT 12 ml/kg KG


lumen (VT): 6 ml/kg KG

Lungenprotektive Beatmung bei ARDS mit reduzier- 1B


tem inspiratorischen Plateaudruck (≤30 cmH2O)

Anwendung von PEEP zur Vermeidung eines endex- 1B Vermeidung eines »Atelektotraumas«
spiratorischen Kollaps

Anwendung eines »hohen PEEP« bei Patienten mit 2C 7 Empfehlung von PEEP-Einstellungen
sepsisinduzierten, moderaten bis schwerem ARDS

Recruitment-Manöver bei ARDS mit schwerer refraktä- 2C


rer Hypoxämie

Bauchlagerung bei septischen ARDS-Patienten mit 2B Verbesserung der Oxygenierung!


Horowitz-Quotient <100 mmHg Keine Verbesserung des Outcomes in den
einzelnen Studien! Behandlungsteam sollte
Erfahrung mit der kinetischen Therapie haben!

Oberkörperhochlagerung 1B 30- bis 45°-Oberkörperhochlagerung!


Enterale Ernährung nur in dieser Position!
Limitierung des Aspirationsrisikos und Ver-
meidung der VAP

Evtl. nicht invasive Beatmung (NIV) bei ausgewählten 2B


Sepsispatienten

Anwendung eines Weaning- und Sedierungsprotokoll; 1A Extubationskriterien: ansprechbar, hämody-


tägliche Spontanatemversuche bei Erfüllung der namische Stabilität, geringe Invasivität der
Extubationskriterien Beatmung (FiO2 p, PEEP p, ASB bzw. PV p, …)

Keine routinemäßige Anwendung des Pulmonalis- 1A


katheter

Restriktive Flüssigkeitstherapie bei septischen ARDS- 1C


Patienten und fehlender Gewebshypoperfusion

Verzicht auf β2-Agonisten beim septisch induzierten 1B Getestete Wirkstoffe: aerolisiertes Albuterol
ARDS oder intravenöses Salbutamol (BALTI-2-Stu-
Ausnahme: Bronchospasmus die) o geringere beatmungsfreie Tage oder
Zunahme der Mortalität unter β2-Agonisten in
den Studien
472 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Sedierung, Analgesie und neuromuskuläre Blockade

Vermeidung hoher Dosen von Sedativa 1B

Keine neuromuskuläre Blokade bei Patienten ohne 1C


24 ARDS

Notfalls bei septischen ARDS-Patienten (Frühstadium) 2C


kurzfristige NMB (<48 h) bei Horowitz-Quotient
<150 mmHg

Blutzuckerkontrolle

Blutglukose-Management mit Insulin (wenn 2 konse- 1A BZ-Spiegel ≤110 mg/dl vermeiden!


kutive BZ-Bestimmung ≥180 mg/dl sind)

BZ-Messung alle 1–2 h bis BZ und Insulinraten stabil 1C


sind (anschließend alle 4 h)

BZ-Messung mit POC-Geräten aus kapillärem Blut nur Besser BZ-Messung im Labor aus arteriellem
eingeschränkt verwertbar! Blut oder Plasma

Nierenersatzverfahren

Kontinuierliche Nierenersatzverfahren wie z. B. CVVH 2B


oder intermittierende Hämodialyse sind gleichwertig
einzusetzen!

Bevorzugung von kontinuierlichen Ersatzverfahren 2D


bei septischen Patienten mit hämodynamischer
Instabilität

Bikarbonat-Applikation

Keine Bikarbonat-Applikation zum Zwecke der hämo- 2B


dynamischen Verbesserung oder Reduktion des
Vasopressorenbedarfs in septischen Patienten mit
Azidose-induzierter Hypoperfusion (pH ≥7,15)

Thromboseprophylaxe

Pharmakologische Thromboseprophylaxe 1B 1×/Tag niedermolekulares Heparin (NMH) s.c.


vs. 2×/Tag unfraktioniertes Heparin (UFH) (1B);
bei CrCL <30 ml/min Bevorzugung von Dalte-
parin (1A) oder anderem NMH das weniger
über die Niere ausgeschieden wird

Mechanische Thromboseprophylaxe mittels pneuma- 2C In Kombination mit NMH oder UFH bei schwe-
tische Kompression z. B. Venaflow rer Sepsis bzw. als Monotherapie bei KI von
Heparinen

Stressulkusprophylaxe

Stressulkusprophylaxe mit H2-Blockern oder Proto- 1B Patienten ohne Blutungsrisiko sollten keine
nenpumpenblockern bei Patienten mit schwerer Prophylaxe erhalten (2B)!
Sepsis oder septischen Schock und Blutungsrisiko
24.2 · Fieber
473 24

. Tab. 24.6 (Fortsetzung)

Maßnahme Empfeh- Kommentar/Besonderheit


lungsgrad

Ernährung

Bevorzugung einer frühzeitigen oralen bzw. enteralen 2C anstatt komplettes Fasten oder intravenöse
Ernährung, wenn möglich Glukosezufuhr innerhalb der ersten 48 h

Vermeidung von kalorischer Hyperalimentation in der 2B Ziel: ca. 500 kcal/Tag, anschließend adaptier-
ersten Woche ter enteraler Aufbau wenn möglich

Kombination von enteraler Ernährung mit supple- 2C Am besten Messung des Ernergiebedarfs ab
mentierender parenteraler Ernährung, wenn nötig dem 3. Intensivtag (indirekte Kaloriemetrie);
Vermeidung einer totalen parenteralen Ernäh-
rungstherapie

Ernährung mit Lösungen ohne immunmodulierende 2C


Zusatzkomponente bei Patienten mit schwerer Sepsis

Behandlungsziele formulieren!

Erläuterung von Behandlungszielen und Prognose mit 1B


dem Patienten und/oder der Familie bzw. Betreuern

Frühzeitige Definition von Behandlungszielen (<72 h 2C


nach Aufnahme auf die Intensivstation)

Anwendung von palliativmedizinischen Aspekten bei 1B


präfinalen bzw. nicht zu stabilisierenden Patienten

* Russell et al. 2008

Experimentelle Sepsistherapie 24.2 Fieber


der vergangenen Jahre
Da der Sepsis eine überschießende Immunantwort 4 Die gemessene Temperatur ist am höchsten bei
zugrunde liegt, wurde in den letzten Jahren ver- rektaler Messung und Messung im Ohr (bis
sucht, die Immunkaskade durch einzelne Faktoren 37,6°C); am geringsten bei axillärer Messung
wie z. B. monoklonale Antikörper gegen Endotoxin, (bis 37,0°C)
PAF-Rezeptorantagonist, Interleukin-1-Rezeptor- 4 Fieber ist definiert als eine Temperaturerhö-
antagonist, Anti-TNF-Antikörper oder löslichen hung auf >38,5°C.
TNF-Rezeptor zu blockieren. Auch der Versuch die 4 Der Fieberverlauf wird eingeteilt in
ausgeprägte Vasodilatation durch NO-Synthese- 5 kontinuierliches Fieber (Tagesschwankun-
Inhibitoren (L-MMLA oder NAME) wieder zu nor- gen bis 1,0°C)
malisieren, führte zu keinem anhaltenden Erfolg. 5 remittierendes Fieber (Tagesschwankungen
Keine der bis heute durchgeführten, groß ange- von 1–2°C)
legten Studien (>100 Patienten) mit Ausnahme der 5 intermittierendes Fieber (Tagesschwankun-
PROWESS-Studie mit aktivierten Protein C konnte gen >2°C)
für ein spezielles Patientenkollektiv eine eindeutige 5 septisches Fieber (intermittierende Fieber-
Verbesserung des Outcomes erzielen. schübe mit/ohne Schüttelfrost)
474 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

jUrsachen 24.3 Multiorganversagen (MOV)


Fieber auf der Intensivstation kann infektiös oder
auch nicht infektiös bedingt sein (Marik 2000): jDefinition
4 infektiöse Gründe von Fieber: 4 simultanes oder sequenzielles Versagen von
5 Pneumonie (insbesondere VAP) zwei oder mehreren vitalen Organsystemen
5 Harnwegsinfektion (meist mit Sepsis verbunden)
5 SIRS und Sepsis (abdominelle oder pulmo- 4 Die Schwierigkeit der Definition hat in den
nale Sepsis, katheter-assoziierte Sepsis, …) letzten Jahren zu zahlreichen neuen Namen
24 5 Wundinfektion geführt, wie »multiple progressive or sequen-
5 Sinusitis tial system organ failure« oder »multiple sys-
5 Clostridium-difficile-Infektionen (wässrige tem organ failure«.
Durchfälle, pseudomembranöse Kolitis, …) 4 Der Begriff »multiple organ dysfunction syn-
4 nicht-infektiöse Gründe von Fieber: drome« (MODS), der in letzter Zeit häufiger
4 Myokardinfarkt verwendet wird, soll zum Ausdruck bringen,
4 Lungenembolie dass es sich beim MOV nicht um ein statisches
4 thyreotoxische Krise Syndrom, sondern um dynamische Verände-
4 Non-Hodgkin-Tumoren und Tumoren des rungen der einzelnen Organfunktionen han-
Magendarmtraktes delt.
4 Alkoholentzug 4 MOV-Kriterien werden zum gegenwärtigen
4 Hirnblutung, Apoplex Zeitpunkt von der European Society of Inten-
4 Postoperativ/postraumatisch sive Care Medicine noch erarbeitet!
4 drug fever (geht meist nach 24–36 h nach Ab-
setzen des auslösenden Medikamentes zurück) jEinteilung
4 Pankreatitis 4 Primäres MODS entsteht unmittelbar als Folge
4 steinlose Cholezystitis einer direkten Organschädigung infolge Trau-
ma und/oder Hypoxie, z. B. ARDS nach Lun-
jFiebersenkung genkontusion.
Eine »aggressive« Fiebersenkung sollte nur erfolgen 4 Sekundäres MODS entwickelt sich nach einer
bei Patienten mit zeitlichen Verzögerung von 4–14 Tagen nach
4 Neurotrauma/ICB/Schlaganfall dem primären Ereignis als Folge eines SIRS,
4 Zustand nach Reanimation (bei primären z. B. nach schwerer Infektion, Sepsis, Polytrau-
Kammerflimmern und fehlender Aufwachpha- ma mit Schock oder schwerer Verbrennung.
se nach ROSC o milde Hypothermiebehand- 4 Neuere Einteilung . Tab. 24.7
lung für 12–24 h)
4 sehr hohem Fieber (>40°C) (?) jMortalität
4 schwerer Hypoxämie oder schwerer Herzinsuf- Die Mortalität steigt mit der Anzahl der betroffe-
fizienz (?) nen Organsysteme, der Zeitdauer des Organversa-
gens und dem Alter der Patienten deutlich an:
Anmerkung: Die Höhe des Fiebers korreliert mit 4 In den ersten 24 h liegt die Mortalität bei 22 %,
der Überlebenswahrscheinlichkeit. Eine medika- in den folgenden Tagen steigt sie bis zum 7. Tag
mentöse Fiebersenkung hat meist keinen positiven auf 41 % an.
Effekte auf das Outcome des Patienten. 4 Bei Versagen von einem Organsystem liegt die
Mortalität zwischen 20 und 40 %, bei zwei
! Eine physikalische Fiebersenkung sollte
Organsystemen steigt sie auf 60 % und bei drei
i. d. R. aufgrund des Kältereflexes und der
und mehr Organsystemen auf 80–100 %.
Gefahr der Myokardischämie unterlassen
4 Bei Patienten über 65 Jahren steigt die Mortali-
werden.
tät um weitere 20 % in jeder Gruppe.
24.3 · Multiorganversagen (MOV)
475 24

. Tab. 24.7 Neuere Einteilung des MOV

Stadium Proinflammatorisch Antiresponse Bemerkung

Local response + + Haemostasis-restored

Systemic spillover + + Haemostasis-restored

SIRS ++ + Proinflammatory

CARS + ++ Antiinflammatory

Immunulatory dissonance ++ ++ Both types

jPathophysiologie jBeurteilung der Schwere des MOV


4 Die Aktivierung verschiedener Mediatorsy- Beurteilung des Schweregrades des Multiorganver-
steme führt zu Perfusionsstörungen und einem sagens nach folgenden Punktesystemen:
»capillary leak« in verschiedenen Organsyste- 4 allgemein mittels MOF-Score nach Goris
men infolge einer generalisierten Endothelzell- (. Tab. 24.8)
schädigung o Permeabilitätszunahme mit 4 bei sepsisinduziertem Multiorganversagen
Entwicklung eines perivaskulären und später mittels SOFA-Score (»Sepsis-Related Organ
eines interstitiellen Ödems. Failure Assessment Score«)
4 Dabei scheint dem Gastrointestinaltrakt eine 4 MOD-Score (»Multiple Organ Dysfunction
entscheidende Rolle in der Entstehung oder Score«) nach Marshall
Aufrechterhaltung des Multiorganversagens 4 Logistic Organ Dysfunction System (LOD)
zuzukommen o intestinale Minderperfusion nach der ICU Scoring Group
als auch die nachfolgende Reperfusion mit ver-
mehrter Radikalenbildung führen zu einer kMOD-Score nach Marschall
Mukosaschädigung o erhöhte Permeabilität 4 anhand von 692 Patienten einer chirurgischen
der Darmschleimhaut o Verlust der Barriere- Intensivstation ermittelt (. Tab. 24.9)
funktion der Darmwand o Translokation von 4 im Gegensatz zum APACHE-Score tägliche
Bakterien und Endotoxinen o weitere Akti- Bestimmung des Score-Wertes zur Verlaufs-
vierung verschiedener Mediatorsysteme o kontrolle möglich!
Ausbildung eines toxischen oder septischen 4 anhand . Tab. 24.10 Bestimmung der Mortali-
Krankheitsbildes. tätsrate möglich
! Der Gastrointestinaltrakt wird als »undrai-
kSOFA
nierter Abszess« oder als »Motor« des Multi-
4 1996 durch eine Konsensuskonferenz erarbei-
organversagens angesehen (Marshall u.
teter Score
Meakins 1986)!
4 beurteilt die Organdysfunktion oder das
4 Um Störungen der O2-Versorgung der Magen- Organversagen bei Patienten mit Sepsis (6 Or-
bzw. Darmmukosa aufzudecken, hat sich in gansysteme mit der Vergabe von 1–4 Punkten;
letzter Zeit zunehmend die Messung des pH- Cut-off-Wert: 12 Punkte) (. Tab. 24.11)
Wertes der Magenmukosa (pHi) etabliert. In ei- 4 initialer Score korreliert sehr gut mit der
nigen Studien konnte gezeigt werden, dass ein Prognose des Patienten
pHi <7,35 besser mit der Letalität bei großen
operativen Eingriffen, Sepsis und Multiorgan- jKlinik
versagen korreliert als gängige Parameter wie kPulmonale Dysfunktion
Laktat, zentralvenöse O2-Sättigung, APACHE- 4 Hypoxämie bzw. »acute lung injury« (ALI):
II-Score oder O2-Angebot bzw. -verbrauch. paO2/FIO2-Quotient <300 mmHg und PCWP
476 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.8 MOF-Score nach Goris

Punkte 0 1 2
Nicht nachweisbar Mittelschwer Schwer

Lungenversagen Keine Beatmung Beatmung mit PEEP = 10 cmH2O Beatmung mit PEEP >10 cmH2O
und FIO2 = 0,4 und/oder FIO2 >0,4

Herz-Kreislauf- Normaler Blutdruck Therapie erforderlich, um systoli- Phasen arterieller Hypotension


24 Versagen ohne vasoaktive
Substanzen
schen RR >100 mmHg zu halten:
Volumensubstitution oder
mit Blutdruck unter 100 mmHg
und/oder Dopamin >10 μg/kg/
Dopamin = 10 μg/kg/min oder min und/oder Nitroglyzerin
Nitroglyzerin = 20 μg/kg/min >20 μg/kg/min

Nierenversagen Serumkreatinin Serumkreatinin = 2 mg/dl Hämodialyse/Hämofiltration


<2 mg/dl

Leberversagen SGOT <25 U/l SGOT >25 U/l oder SGOT >50 U/l
Bilirubin <2 mg/dl Bilirubin >2 mg/dl, <6 mg/dl Bilirubin >6 mg/dl

Blutgerinnungs- Thrombozyten normal Thrombozyten <50.000 und/oder Hämorrhagische Diathese oder


störung Leukozyten normal Leukozyten >3000 und <6000 Leukozyten <2000 oder >6000

ZNS-Versagen Normale Funktion Eindeutig eingeschränktes Reak- Schwer gestörtes Reaktionsver-


tionsvermögen mögen

Gastrointestinales Normale Funktion Cholezystitis und Stressulkus Stressblutung und Transfusion


Versagen mit >2 EK/24 h und/oder nekroti-
sierender Enterokolitis und/oder
Pankreatitis, und/oder Gallenbla-
senperforation

Punkte 0–2 je nach Schwere der Organeinschränkung von 7 Organen (maximal 14 Punkte)

. Tab. 24.9 MOD-Score nach Marshall

Parameter Punkte

0 1 2 3 4

paO2/FIO2 >300 226–300 151–225 76–150 –75

Serumkreatinin (μmol/l) –100 101–200 201–350 351–500 >500

Serumbilirubin (μmol/l) –20 21–60 61–120 121–240 >240

Puls-Druck-Produkt* –10 10,1–15 15,1–20 20,1–30 >30

Thrombozyten (1000/μl) >120 81–120 51–80 21–50 <20

Glascow Coma Scale 15 13–14 10–12 7–9 <6

* Puls-Druck-Produkt = HF × (ZVD/MAP); HF Herzfrequenz, ZVD zentralvenöser Druck, MAP mittlerer arterieller Druck
24.3 · Multiorganversagen (MOV)
477 24
hender Niereninsuffizienz o Ausschluss prä-
. Tab. 24.10 Mortalitätsrate anhand der Score-
Punkte
renaler (Dehydratation, Blutung) und postre-
naler (obstruktiver) Ursachen
MOD-Score Mortalität (%) 4 Zugrunde liegende Ursache scheint eine intra-
renale Umverteilung des Blutflusses zuunguns-
0 0 ten der äußeren Rindenanteile zu sein: letztlich
1–4 1 RBF p und GFR p. Beteiligte Mediatoren:
5–8 3
TNF-α, Endothelin-1, Thromboxan A2, Leuko-
triene, NO.
9–12 25

13–16 50 kKardiale Dysfunktion


17–20 75 4 Eingeschränkte Kontraktilität und Herzfre-
quenzvariabilität, die als Ausdruck einer Dys-
>20 100
balance der sympathischen und parasympathi-
schen Aktivität interpretiert wird
<18 mmHg; Inzidenz: 25–42 % aller septischen 4 Ursache scheinen verschiedene von Leukozy-
Patienten ten, Bakterien und Endothelzellen synthetisier-
4 radiologischer Befund mit bilateralen pulmo- te Mediatoren wie TNF-α, PAF, IL-1, -2 und -6
nalen Infiltraten und Lungenödemzeichen zu sein, wodurch unmittelbar eine negative
Inotropie vermittelt wird.
kRenale Dysfunktion 4 Sekundär sind die kardiale Proteinbiosynthese
4 Anstieg des Plasmakreatinins >1,4 mg/dl oder und der Energiestoffwechsel des Kardiomyozy-
erneuter Anstieg um 2,0 mg/dl bei vorbeste- ten gestört.

. Tab. 24.11 SOFA-Score

Organdysfunktion Schweregrad

1 2 3 4

Respiratorische Insuffizienz <400 <300 <200 <100


paO2/FIO2 (mmHg)

Störung der Hämostase <150 <100 <50 <20


Thrombozytenzahl (×103/μl)

Leberfunktion 1,2–1,9 2,0–5,9 6,0–11,9 ≥12


Bilirubin (mg/dl)

Kreislaufinsuffizienz MAP <70 Dopamin ≤5 μg/kg/ Dopamin Dopamin


Hypotension (mmHg) min oder Dobuta- >5 μg/kg/min >15 μg/kg/min
min jede Dosis oder Adrenalin oder Adrenalin
≤0,1 μg/kg/min >0,1 μg/kg/
oder Noradre- min oder
nalin ≤0,1 mg/ Noradrenalin
kg/min >0,1 mg/kg/
min

Störung des ZNS: Glasgow Coma 13–14 10–12 6–9 <6


Scale

Niereninsuffizienz
Serumkreatinin (mg/dl) 1,2–1,9 2,0–3,4 3,5–4,9 >5
Urinproduktion (ml/Tag) <500 <200
478 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

kHepatische Dysfunktion kLaborchemische, noch experimentelle


4 Plasmabilirubin >2,0 mg/dl in Verbindung mit Parameter
AP-, γ-GT-, GOT, GPT-Erhöhung über den 4 Anstieg der Leukozytenelastase (>500 ng/ml
doppelten Normwert bei Ausschluss einer am 3. Tag)
zugrundeliegenden spezifischen hepatischen 4 Neopterinfreisetzung ins Plasma der Makro-
Ursache phagen
4 Exprimierung von LAF und LECAM auf
kHämostatische Dysfunktion Granulozyten und Gewebefaktoren auf
24 4 disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) Monozyten
mit Verbrauch von antikoagulatorischen und
antiinflammatorischen Faktoren wie Anti- jTherapie
thrombin (AT III) und Protein C und hieraus 4 Die Intensivtherapie basiert primär auf der
resultierender Thrombenbildung mit Störung Behandlung der Symptome, die aus dem Aus-
der Makro- und Mikrozirkulation. fall der betroffenen Organsysteme resultieren:
4 Hinweise FDP >1:40 oder D-Dimere >2,0 μg dl bei Nierenversagen CVVHF bzw. CVVDHF,
in Verbindung mit Thrombozytopenie bei Lungenversagen lungenprotektive, invasive
<50.000–80.000/μl oder Abfall der Throm- Beatmung (PAW <30 cmH2O, VT <6 ml/kg Ide-
bozyten um mehr als 30 % des Ausgangs- algewicht), kinetische Therapie
wertes. Zusätzlich entweder Quick <60 % oder 4 Verbesserung der Perfusion der betroffenen
PTT >45 s oder klinischer Nachweis einer Organe und Optimierung des O2-Angebots
abnormen Blutungsneigung. Ausschluss gleich- 4 Optimierung
zeitiger hepatischer Funktionstörungen, exis- 5 der Oxygenierung (paO2)
tenter großer Hämatome oder Antikoagulan- 5 des Volumenstatus durch Gabe von Kristal-
zientherapie loiden und Kolloiden wie z. B. Humanalbu-
min 20 % (ZVD >4 cmH2O)
kZerebrale Dysfunktion 5 des O2-Gehaltes des Blutes (O2-Sättigung,
4 Glasgow Coma Scale <15 Punkte bei Patienten Hämoglobingehalt) durch Gabe von Eryth-
mit normaler Ausgangsfunktion des ZNS oder rozytenkonzentraten (Hb >10 g/dl)
zumindest Absenkung um einen Punkt bei 5 des O2-Angebots (HZV und regionale Per-
Patienten mit primär eingeschränkter ZNS- fusion) durch differenzierte Katecholamin-
Funktion therapie
Cave: die bei Intensivpatienten zur Stabili-
kKlinische Parameter sierung des Kreislaufs oft notwendige Kate-
4 respiratorische Insuffizienz (Partialinsuffizienz cholamintherapie kann jedoch auch dazu
mit paO2 p und paCO2 p) führen, dass im Splanchnikusgebiet unter
4 kardiale Instabilität mit erhöhtem Volumen- der Stimulation der α-Rezeptoren eine Ver-
und Katecholaminbedarf schlechterung der Perfusion eintritt! Ob
4 Hinweis auf Mikrozirkulationsstörungen durch die Kombination von Vasopressoren
(pHi p, Laktat n, SvO2 p) mit dem Katecholamin Dopexamin oder
4 Leukozytose bei 60–70 % der Patienten, in 10 % mit Phosphodiesterase-III-Hemmern die
der Fälle Leukopenie, Akut-Phase-Proteine n vasopressorbedingte mesenteriale Vasokon-
4 Fieber in 60–80 % der Fälle, jeder 3. bis 4. Pa- striktion abgeschwächt und eine relevante
tient mit Schüttelfrost, in 10 % Hypothermie Senkung des intestinalen Gefäßwiderstan-
4 Hypermetabolismus: BZ n bei peripherer Insu- des erreicht werden kann, ist derzeit noch
linresistenz, negative Stickstoffbilanz nicht sicher geklärt.
4 Reduktion des O2-Verbrauchs des betroffenen
Organs, z. B. Furosemidgabe bei Niereninsuffi-
zienz
24.4 · Erworbene Muskelschwäche des Intensivpatienten im Rahmen von Sepsis/MOV
479 24
4 adjuvante Therapiemaßnahmen wie z. B. die jRisikofaktoren
frühe enterale Ernährung (auch nach vielen 4 Sepsis und septischer Schock
abdominellen chirurgischen Eingriffen) o 4 Störungen im Glukosestoffwechsel
Immunnutrition 4 Immobilisierungen des Intensivpatienten
4 Glukokortikoidgaben
4 Gabe von Muskelrelaxanzien (insbesondere bei
24.4 Erworbene Muskelschwäche des ständiger Repetition oder kontinuierlicher Ap-
Intensivpatienten im Rahmen plikation
von Sepsis/MOV
jUrsachen
Bei einem hohen Prozentsatz der Patienten mit Die Ursache dieser Erkrankung ist gegenwärtig
schwerer Sepsis und/oder Multiorganversagen ist nicht vollständig aufgeklärt: Vermutet werden:
eine erworbene Muskelschwäche zu beobachten. 4 Entzündungsphänomene (Interleukinbildung,
Bereits 1892 hat Osler von diesem Phänomen bei insbesondere TNF-α und Bildung eines nie-
septischen Patienten berichtet, das er als »rapid loss dermolekularen, aktuell noch unbekannten
of flesh« beschrieb. Heute spricht man eher von er- neurotoxischen Faktors o direkte Nerven-
worbener Muskelschwäche des Intensivpatienten schädigung bei der CIP o schädigt in vitro
(ICU-acquired weakness = ICUAW). Myelin und Oligodendrozyten, induziert Ske-
lettmuskelproteolyse)
jEinteilung 4 Störungen der Mikrozirkulation z. B. des En-
4 Critical-illness-Polyneuropathie (erstmals doneuriums bei der CIP
1984 von Bolten berichtet o metabolische und 4 energetische bzw. metabolische Verände-
ischämische Läsionen periphere Nerven ange- rungen o Verdacht auf Störungen des Kohlen-
nommen) hydratstoffwechsels bei parenteraler und ente-
4 Critical-illness-Myopathie (CIM) o tritt häu- raler Hyperalimentation mit intrazellulärer
figer und früher auf als die CIP Glukose- und Phosphatanreicherung (Akku-
4 Mischform im Sinne einer Critical-illness- mulation von phosphorylierten Zwischenpro-
Neuromyopathie (CINM) dukten der Glykolyse) o Hemmung der neu-
ronalen Energiekaskade
jFolgen 4 Abbau von Muskelproteinen insbesondere
4 verlängerte Entwöhnung vom Respirator dicke Myosinfilamente bei der CIM
4 verzögerte Mobilisierung o erhöhte intrahos- 4 Funktionsbeeinträchtigung der Natriumkanäle
pitale Komplikationen der Muskelmembran (bei der CIM)
4 verlängerter Aufenthalt auf der Intensivstation 4 Störung der NO-Bildung und damit der
und im Krankenhaus Mikrozirkulation im Skelettmuskulatur durch
4 verzögerte Wiedereingliederung in den Alltag Hemmung der Stickstoffmonoxid-(NO-)
Synthase
jInzidenz 4 Störung der Exzitations-Kontraktionskoppe-
4 >25 % der länger als 7 Tage beatmeten Inten- lung der Muskulatur bei der CIM o vermin-
sivpatienten weisen eine klinisch relevante derte Kalziumfreisetzung aus den sarkoplas-
Muskelschwäche auf! matischen Retikulum (SR).
4 Leijten et al. konnten elektrophysiologisch eine 4 länger andauernde Phasen von intrazellulärer
CIP und/oder CIM bei ca. 58 % der Intensiv- Hyperosmolarität, die über ein Zellödem eine
patienten nachweisen. neuronale Schädigung induzieren
4 Störung der Acetylcholinrezeptorfunktion
jMortalität durch kontinuierliche oder intermittierende
4 durchschnittlich 35 % (0–73 % in der gegen- Gabe von nichtdepolarisierenden Muskelrela-
wärtigen Literatur) xanzien
480 Kapitel 24 · SIRS, Sepsis und Multiorganversagen

. Tab. 24.12 Differenzialdiagnose 4rworbene Muskelschwäche bei kritisch Kranken

M Medikation Steroide, Muskelrelaxanzien, Zidovudin (in Retrovir und Combivir)

U Undiagnosed neuro- Myasthenie, Lambert-Eaton-Syndrom, infektiöse bzw. inflammatorische


muscular disorders Myopathien, mitochondriale Myopathien

S Spinal cord disorders Ischämie, Kompression, Trauma, Vaskulitis, Demyelinisierung

L Loss of muscle mass Kachektische Myopathie, Rhabdomyolyse (Daptomycin, Statine, …), sepsis-
24 assoziierter Muskelschwund

E Electrolyte disorders Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie etc.

S Systemic illness Porphyrie, AIDS, Vaskulitis, Malignom, paraneoplastisches Syndrom, Vergiftungen

! Von der CIP müssen Myopathien nach Korti- 4 Vermeidung von BZ-Entgleisungen und Glu-
son- und längeren Muskelrelaxanziengaben kokortikoidgaben
(Steroidderivate) unterschieden werden! 4 Frühzeitige Mobilisierung und Vermeidung
vom Immobilisationen, intensive Physiothera-
jKlinik pie
4 Muskelatrophien (bei der CIM auch proximale 4 evtl. elektrische Muskelstimulation
Muskelgruppen betroffen) 4 Therapie anderer Erkrankungen o Differen-
4 bei der CIP distal betonte, schlaffe Paresen und zialdiagnose/Ausschluss von MUSCLES
Paraplegien aller 4 Extremitäten bei erhaltener (. Tab. 24.12)
Sensibilität o fehlende Muskeleigenreflexe 5 reine Myopathien, z. B. unter hoch dosierter
(MER) oder Hyporeflexie; selten Beteiligung Steroidtherapie (proximale Paresen, Atro-
der Hirnnerven (Fazialisparese oder inkom- phie der Muskelfasern vom Typ II)
plette Ophthalmoplegie) o dann schlechte 5 Polymyositiden (selten respiratorische In-
Prognose, meist Residuen suffizienz, Entzündungsparameter n, CK n)
4 Paresen der Thoraxmuskulatur und des Dia- 5 Myasthenia gravis (typisches Dekrement im
phragmas o respiratorische Insuffizienz und EMG-Muster und positiver Tensilon-Test)
prolongierte Weaningphase oder Lambert-Eaton-Syndrom (typisches
4 Denervierungszeichen von motorischen und Inkrement im Stimulations-EMG)
sensiblen Nervenfasern im distalen Bereich 5 Polyradikulitis Guillian-Barré (tritt vor der
(Fibrillationen und scharfe positive Wellen im respiratorischen Insuffizienz auf, NLG o
Nadel-Elektromyogramm) aufgrund axonaler Nachweis von F-Wellen, typischer Liquor-
Degenerationen bei der CIP o Nervenleitge- befund, Nachweis von IgG-AK gegen GM1-
schwindigkeit ist intakt, die Amplituden der Gangliosid)
evozierten Muskelpotenziale und sensorischen 5 spinale Ursachen (Hämatom, Abszess)
Nervenaktionspoteniale sind häufig erniedrigt; 5 zerebrale Ursachen (Intoxikation, zentrales
ggf. Normalbefund zu Beginn der CIP anticholinerges Syndrom = ZAS, Insulte,
Enzephalitiden etc.)
> Der beste Diagnosezeitpunkt für CIP ist 3 Wo-
5 Störung des Elektrolyt- und Spurenelement-
chen nach Beginn der Beatmungspflichtig-
haushalts (Hypophosphatämie, Hyper- und
keit bzw. nach Beginn der Intensivbehand-
Hypomagnesiämie, Hypokalzämie)
lung.
5 akute intermittierende Porphyrie (Kombi-
nation mit kolikartigen abdominellen
jTherapie Schmerzen)
4 symptomatisch: invasive Beatmung, (Früh-)
Tracheotomie, ggf. Vitamingabe der B-Reihe
Ausgewählte Literatur
481 24
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483 25

Lungenembolie
W. Zink

25.1 Thromboembolie – 484

25.2 Luftembolie – 492

25.3 Fettembolie – 494

Ausgewählte Literatur – 494

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


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484 Kapitel 25 · Lungenembolie

25.1 Thromboembolie ! Nicht die Therapie, sondern die rasche


klinische Diagnose »Lungenembolie« ist die
jDefinition Lungenembolie Schwierigkeit!
4 Eine Lungenembolie ist die partielle oder kom-
plette Verlegung der pulmonalarteriellen jRisikofaktoren
Strombahn durch thrombotisches Material, 4 zahlreiche patienten- oder situationsbezogene
Fett, Luft/Gas, Fremdkörper (Katheter) oder Faktoren können zur Entstehung einer VTE
Fruchtwasser, die zu einer Störung des Gasaus- beitragen (. Tab. 25.1).
tauschs und der Hämodynamik führt. 4 Die Kenntnis der Risikofaktoren ist für die
4 Die Lungenembolie ist einen kardiovaskulä- Durchführung einer patienten- und risiko-
25 ren Notfall mit hoher Morbidität und Letali- adaptierter Prophylaxemaßnahmen essenziell.
tät! Sie beruht meist auf eine venöse Thromb- Allerdings sind in bis zu 20 % der Thrombem-
embolie. boliefälle keine Risikofaktoren zu eruieren!
4 . Tab. 25.1 führt die schwach, moderat und
jInzidenz stark disponierenden Risikofaktoren im Ein-
4 einer der häufigsten kardiovaskulären Notfälle zelnen auf.
4 jährliche Inzidenz diagnostizierter VTE ca.
150–200 Fälle/100.000 Einwohner jUrsachen
4 hohe Dunkelziffer, da in nur ca. 30 % der 4 Phlebothrombose der tiefen Bein- oder Be-
autoptisch gesicherten Fälle zu Lebzeiten eine ckenvenen nach z. T. längerer Immobilisation
Lungenembolie diagnostiziert worden ist mit Thrombembolie in die Pulmonalarterie bei
4 Deutschland: >350.000 Fälle jährlich. erster Mobilisation oder Pressen (ca. 70 % der
4 während der Schwangerschaft: 0,01–0,3 % bei Fälle)
einer Mortalität von 1 zu 100.000 Schwanger- 4 Risikofaktoren für eine Thrombose:
schaften 5 Adipositas
5 Operation
jLetalität 5 Schwangerschaft (Gerinnungsfaktoren n
4 Letalität abhängig vom Ausmaß der Embolie und venöser Blutfluss p)
und der vor bestehenden kardiopulmonalen 5 orale Antikonzeption (besonders in Kom-
Erkrankung bination mit Rauchen)
4 bei manifester rechtsventrikulärer Dilatation 5 Dehydratation bei Diabetes mellitus oder
und Pumpschwäche: ca. 22 % unter Diuretikatherapie
4 bei kreislaufstabilen Patienten: 2,5–8 % 5 maligne Tumoren (z. B. Pankreaskarzinom)
4 Durchschnittswert liegt bei 11 % in den ersten 5 lange Flug- oder Busreisen
2 Wochen und 17,4 % innerhalb der ersten 5 AT-III-Mangel
3 Monate 5 Protein-C- oder -S-Mangel
4 Deutschland: ca. 40.000 Todesfälle aufgrund 5 Antiphospholipidsyndrom
LE/Jahr 5 Thrombozytosen (z. B. nach Splenektomie
oder bei essenzieller Thrombozytämie)
> Die hohe Frühmortalität zwingt zum raschen
5 heparininduzierte Thrombozytopenie
Handeln (innerhalb von 1–2 h ereignen sich
(HIT)
50–90 % aller durch eine LE induzierten To-
5 Faktor-V-Leiden
desfälle)! Die Mehrzahl der letalen Embolien
verläuft in Schüben mit Schwindelanfällen,
jPathophysiologie
kurzfristigen Synkopen, unklarem Fieber und
4 primär: mechanischen Obstruktion der Lun-
Tachykardie.
genstrombahn.
4 sekundär (wahrscheinlich bedeutsamer be-
züglich der klinischen Symptomatik): reflekto-
25.1 · Thromboembolie
485 25

. Tab. 25.1 Risikofaktoren für eine Thrombembolie

Stark prädisponiernde Faktoren Moderat prädisponiernde Faktoren Schwach prädisponiernde Faktoren

Frakturen (Hüfte, untere Extremi- Arthroskopische Knieoperationen Bettlägrigkeit >3 Tage


tät) Chemotherapie Immobilisation im Sitzen (z. B. lange
Hüft- und Kniegelenksersatz Chronische Herzinsuffizienz, respirato- Auto- oder Flugreise)
Große allgemeinchirurgische rische Insuffizienz Laparoskopopische Chirurgie
Eingriffe Postmenopausale Hormonersatztherapie (z. B. Cholezytektomie)
Größeres Trauma Zentralvenöse Zugänge Hohes Alter
Rückenmarksverletzungen Maligne Erkrankungen Chronisch-venöse Insuffizienz,
Orale Antikonzeptiva Varikosis
Immobilisation nach Schlaganfall Adipositas
Schwangerschaft (peripartal) und Stillzeit Schwangerschaft (antepartum)
Frühere venöse Thrombembolie
Thrombophilie

rische und durch Mediatoren (Serotonin, 4 auskultatorisch: ggf. permanent gespaltener 2.


TXA2, Histamin und Zytokine) ausgelöste pul- Herzton mit akzentuiertem Pulmonalis-Ton,
monale Vaso- und Bronchokonstriktion mit ggf. 4. Herzton
akuter Rechtsherzbelastung o pulmonaler 4 Hypoxämie in der BGA (paO2 p und meist
Gefäßwiderstand n o akute rechtsventrikuläre paCO2 n, pH p) (cave: anschließende Lyse
Dysfunktion und Verschiebung des inter- nach arterieller Punktion!)
ventrikulären Septums nach links mit Abfall 4 meist nur flüchtige EKG-Veränderungen
der linksventrikulären Vorlast o Koronarper- (engmaschige EKG-Kontrollen und Vergleich
fusion p und HZV p o kardiogener Schock mit dem Vor-EKG!) im Sinne von Rechtsherz-
und Myokardischämie (. Abb. 25.1) belastungszeichen
5 Änderung des Lagetyps nach rechts oder
jKlinik SIQIII-Typ (Mc-Ginn-White-Syndrom)
4 plötzlich auftretende Dyspnoe, Tachypnoe 5 ST n in V1-V2, terminal negatives T in III, I
(≈85 %) 5 Rechtsschenkelblock: kompletter/inkom-
4 Zyanose pletter (oberer Umschlagspunkt [OUP]
4 Husten (evtl. mit Hämoptoe) >0,03 s und QRS-Dauer >0,12 s)
4 Thoraxschmerzen (≈85 %), besonders inspira- 5 evtl. spitzes P (P pulmonale): p >0,25 mV in
torisch mit infradiaphragmaler Schmerzpro- II, III, oder aVF bzw. p >0,15 mV in V1, V12)
jektion 5 Verschiebung der Übergangszone nach
4 Todesangst (≈60 %) links (S überwiegt bis in V5/6)
4 Schwitzen (≈30 %), Fieber 4 im Thoraxröntgen nur in 40 % der Fälle für die
4 hämodynamische Instabilität mit Hypotension, Lungenembolie typisch positive Befunde o
gestauten Halsvenen (hoher ZVD) Vergleich mit Voraufnahmen (. Abb. 25.2)!
4 Rhythmusstörungen (z. B. Sinustachykardie, 5 Zwerchfellhochstand auf der Embolieseite
Vorhofflimmern, Extrasystolie) und verminderte Exkursion des Zwerchfells
4 evtl. abgeschwächtes Atemgeräusch 5 basale Verschattung, kleine Pleuraergüsse
4 Pleurareiben bei Pleuritis oder abgeschwächtes 5 Zeichen des Lungeninfarkts bei simultaner
Atemgeräusch bei Atelektasenbildung (infolge Linksherzinsuffizienz (Inzidenz: ≤10 %) o
Surfactantverlust, nach 3–4 h beginnend) und segmentale Verschattungen, selten die oft
Pleuraerguss beschriebene dreieckförmige Lungenver-
4 Bewusstseinsstörung/Synkopen (10–15 %) dichtung
486 Kapitel 25 · Lungenembolie

25

. Abb. 25.1 Pathophysiologie der Lungenembolie. (Adaptiert nach Lorentz 1997)

5 Kalibersprung der Gefäße oder »Hilus- 25.1.1 Initiale Risikostratifizierung


amputation« in 30 % der Fälle, evtl. »Gefäß- und daraus resultierende dia-
lücken« oder periphere Aufhellung nach gnostische Strategie
dem Gefäßverschluss (Westermark-Zeichen)
5 Hyperämie der kontralateralen Seite Bereits bei klinischem Verdacht auf akute LE soll
5 Herzschattenverbreiterung (Dilatation des initial Vorliegen eines (kardiogenen) Schocks oder
rechten Ventrikels) einer persistierenden arteriellen Hypotension be-
5 Dilatation der V. azygos und der V. cava stätigt oder ausgeschlossen werden o Basis für eine
superior an die Dringlichkeit angepasste diagnostische Stra-
tegie!
! Die klinische Symptomatik variiert sehr stark
Einteilung der Patienten in der Akutphase in
(von völliger Beschwerdefreiheit bis zur
2 Risikogruppen:
Schocksymtomatik)! Bei entsprechenden
4 hämodynamisch stabiler Patient
Risikofaktoren und/oder Zeichen der Phle-
4 Patient mit Schocksymptomatik oder persis-
bothrombose immer an eine Lungenembolie
tierender Hypotension (systolischen Blut-
denken!
druck <90 mmHg oder systolischen Blut-
druckabfall >40 mmHg vom Ausgangswert für
jeweils >15 min)

Anmerkung:
4 Einteilung orientiert sich am voraussichtlichen
Risiko, dass der Patient während der Akut-
25.1 · Thromboembolie
487 25
5 abnorme Wandbewegung des rechten
Ventrikels
5 rechtsventrikuläre Dilatation
5 paradoxe Septumbeweglichkeit
5 Trikuspidalklappeninsuffizienz
5 erhöhter pulmonalarterieller Druck
5 Stauung der V. cava inferior
5 dilatierte Pulmonalarterie
5 evtl. direkter Nachweis von Thromben im
rechten Herzen oder bei transösophagealer
echokardiographie Darstellung von Throm-
ben in den Pulmonalarterien

> Bei negativem MDSCT- oder Echokardiogra-


. Abb. 25.2 Radiologische Zeichen bei Lungenembolie. (Aus phiebefund muss nach anderen Ursachen der
Lorentz 1997) hämodynamischen Instabilität gesucht werden!

phase im Krankenhaus oder innerhalb von 25.1.3 Verdacht auf Nicht-Hochrisiko-


30 Tagen an der LE verstirbt! Lungenembolie
4 Keine invasive, zeitraubende Diagnostik
(primär)! 4 diagnostische Sicherheit besitzt höchste
4 Frühere Klassifizierungssysteme (z. B. Schwe- Priorität!
regradeinteilung I–IV nach Grosser) sollten 4 klinische Symptome und Routineunter-
keine Verwendung mehr finden! suchungen (EKG, Thorax-Röntgen, Labor-
4 Die aktuellen ESC-Leitlinien schlagen ein risi- chemie, arterielle Blutgasanalyse) mit nied-
koadaptiertes Management vor (Evidenzgrad rigem diagnostischen Wert o weder Bestäti-
C) und empfehlen daher zwei unterschiedliche gung noch Ausschluss einer LE möglich!
diagnostische Algorithmen für Patienten mit 4 weitere Eingrenzung der Verdachtsdiagnose
vermuteter Hochrisiko- vs. Nicht-Hochrisiko- durch Bestimmung der klinischen Wahr-
Lungenembolie. scheinlichkeit für das Vorliegen einer LE mit-
tels standardisierter Scores o Wells-Score bzw.
Genfer Score (. Tab. 25.2)
25.1.2 Verdacht auf Hochrisiko- 4 ab einen Wert von >4 Punkten ist von einer
Lungenembolie Lungenembolie auszugehen; bei Werten ≤4 ist
eine Lungenembolie unwahrscheinlich (Wells-
4 Notfallsituation; Mortalität >15 % Score)!
4 Zum Nachweis einer LE Durchführung einer 4 Einteilung der Patienten mit Verdacht auf LE
MDS-Computertomographie (Multidetector- in 2 Risikogruppen:
Spiral-Computertomographie) (. Abb. 25.3) 5 niedrig/mittel
mit einer Sensitivität von 83 % und einer Spezi- 5 hoch
fität von 96 %! 4 o einheitlicher diagnostischer Algorithmus
4 Bei erheblicher hämodynamischer Instabilität auf der Basis der hochsensitiven D-Dimerbe-
(Transport ins CT nicht möglich!) Durchfüh- stimmung mittels ELISA (»enzyme linked im-
rung einer bettseitigen, (transösophagealen) munosorbent assay«) und der MDSCT (. Abb.
Notfallechokardiographie (evtl. auch transtho- 25.4)
rakal).
4 echokardiographische Parameter bei Eine Lungenembolie ist sehr unwahrscheinlich,
Lungenembolie: wenn der D-Dimer-Antigen-Spiegel unterhalb ei-
488 Kapitel 25 · Lungenembolie

25

. Abb. 25.3 Diagnostischer Algorithmus für Hochrisikopatienten. (Aus Walther et al. 2009). MDSCT Multidetector-Spiral-
Computertomographie mit Darstellung der Pulmonalarterien, RV rechtsventrikuläre, CT Computertomographie. *1 Bei hoch-
gradig instabilen Patienten ist die Entscheidung zur Therapie allein durch echokardiographische indirekte Zeichen einer LE
(LV-Dilatation, RV-Hypokinesie, RV-Druckbelastung, paradoxe Septumbeweglichkeit, flottierende Thromben) möglich

. Abb. 25.4 Diagnostischer Algorithmus für Nicht-Hochrisiko-Patienten. (Aus Walther et al. 2009)
25.1 · Thromboembolie
489 25

. Tab. 25.2 Validierte Scores zur Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer LE

Revidierter Genfer Score Wells-Core

Variable Punkte Variable Punkte

Prädisponierende Faktoren

Alter >65 Jahre +1

Frühere TVT oder LE +3 Frühere TVT oder LE +1,5

Operation oder Knochenfraktur innerhalb +2 Frische Operation oder Immobilisation +1,5


des letzten Monats

Aktive Krebserkrankung +2 Krebserkrankung +1

Symptome

Einseitiger Beinschmerz +3

Hämoptyse Hämoptyse +1

Klinische Zeichen

Herzfrequenz 75–94 Schläge/min +3 Herzfrequenz >100 Schläge/min +1,5

Herzfrequenz ≥95 Schläge/min +5

Schmerz bei Palpation entlang einer tiefen +4 Klinische Zeichen einer TVT +3
Beinvene, einseitiges Ödem

Klinische Einschätzung

Alternative Diagnose ist unwahrscheinlicher +3


als LE

Klinische Wahrscheinlichkeit

Niedrig 0–3 Niedrig 0–1

Mittel 4–10 Mittel 2–6

Hoch ≥11 Hoch ≥7

Klinische Wahrscheinlichkeit (dichotomisiert)

LE unwahrscheinlich ≤4

LE wahrscheinlich >4

nes testspezifischen Grenzwertes liegt. Moderne einer D-Dimer-Erhöhung führen (z. B. Alter, DIC,
ELISA-Testkits haben eine Sensitivität von >95 % Infektionen, Sepsis, Karzinom, postoperativ in den
und eine Spezifität von ca. 40 %. Cut-off-Wert liegt ersten 4 Wochen, nach Trauma, Herzversagen, Nie-
bei 500 μg/l. Unter gerinnungshemmender Thera- renversagen, akutem Koronarsyndrom (nur leicht
pie ist eine D-Dimer-Bestimmung nach >24 h nicht erhöht), Vorhofflimmern (nicht Vorhofflattern),
mehr sinnvoll (meist schon wieder normale D-Di- Aortenaneurysma/-dissektion (deutlich erhöht),
mer-Spiegel)! Apoplex sowie bei Schwangerschaft und Sichelzell-
Bei positiven Testergebnis sollte zum Ausschluss krise)
einer Lungenembolie eine weiterführende, (bild- Die MDS-CT-Untersuchung hat die Ventila-
gebende) Diagnostik durchgeführt werden, da tionsperfusionsszintigraphie (Sensitivität nur ca.
eine Vielzahl von Erkrankungen und Faktoren zu 10 %) und die Pulmonalisangiographie als Gold-
490 Kapitel 25 · Lungenembolie

standard der Routinediagnostik abgelöst! Sie hat jAllgemeinmaßnahmen


eine Sensitivität von 83 % und eine Spezifität von 4 Hochlagerung des Oberkörpers, Immobilisie-
96 %. rung mit absoluter Bettruhe, intensivmedizi-
Zum Ausschluss einer Becken-Bein-Venen- nische Überwachung, vorsichtige Lagerung bei
thrombose und zur Erhöhung der diagnostischen operativer Intervention
Sicherheit kann eine komplette Kompressions- 4 O2-Sonde (6–10 l/min) bei Spontanatmung,
sonographie der unteren Extremitäten durchge- bei respiratorischer Insuffizienz maschinelle
führt werden. Beatmung mit 100 % O2
Weitere Risikostratifizierung bei nachgewiese- 4 Volumengabe (bis 500 ml) zur Erhöhung der
ner Nicht-Hochrisiko-Lungenembolie (Empfeh- rechtsventrikulären Vorlast nur bei niedrigem
25 lung mit Evidenzgrad B) anhand verschiedener Se- ZVD und moderater Hypotension
rumparameter und mit Hilfe der transthorakalen 4 Marcumarisierung, sobald keine invasive Dia-
Echokardiographie. Hieraus resultiert anhand der gnostik mehr ansteht
Echokardiographie die Unterteilung in:
4 Patienten mit rechtsventrikulärer (RV)-Dys- jSpezielle Therapiemaßnahmen bei Hoch-
funktion und/oder Myokardschädigung risiko-Lungenembolie
(Frühletalitätsrate 3–15 %) 4 sofortige Heparinisierung mit unfraktio-
4 Patienten ohne RV-Dysfunktion oder Myo- niertem Heparin i.v.: initial 5.000–10.000 IE
kardschädigung mit bester Prognose (Letali- als Bolus, dann 800–1200 IE/h über Perfusor;
tätsrate <1 %) PTT ≈1,5- bis 2-facher Normalwert o
Senkung der Letalität um 25 % (cave: HIT
Anhand bestimmter Laborparameter erfolgt die Typ II!)
Unterteilung in: 4 Rekanalisierungsmaßnahmen: sofortige
4 Patienten mit oder ohne Erhöhung der Herz- Thrombolyse bei kardiogenem Schock bzw.
troponine I oder T und des zytoplasmatischen persistierender Hypotonie (Evidenzgrad A)
Proteins h-FABP (»heart-type fatty acid binding mit den in . Tab. 25.3 zusammengefassten
protein«) o Zeichen der Myokardischämie Wirkstoffen
4 Patienten mit oder ohne Erhöhung von natriu- Anmerkung: Gabe eines Thrombolytikums
retischem Peptid BNP (»B-type natriuretic auch unter kardiopulmonaler Reanimation!
peptide«) und NT-proBNP (»N-terminal frag- Die Reanimation sollte dann – wenn keine Sta-
ment of BNP«) mit einem Cutt-off-Wert von bilisierung eintritt – für 60–90 min weiterge-
300 pmol/l o Zeichen der rechtsventrikulären führt werden.
Dysfunktion 4 rt-PA-Lyse ist aufgrund eines schnelleren
Wirkbeginns und doppelter Lyserate bei der
fulminanten LE gegenüber der Urokinase oder
25.1.4 Therapie SK-Lyse von Vorteil.
4 vor Lysetherapie Kreuzblut abnehmen und EK
jTherapieziel im Falle von Blutungskomplikationen bereit-
stellen; engmaschige Hb-Kontrolle
> Nur durch einen schnellen, unverzüglichen
4 bei absoluter Kontraindikation gegen die
Therapiebeginn ist die Letalität zu reduzieren!
Thrombolyse oder Versagen der Lysetherapie
4 schnelle hämodynamische Stabilisierung und können je nach Logistik und Expertise vor Ort
Beseitigung der Hypoxämie operative oder interventionelle Rekanalisa-
4 Verhinderung eines weiteren appositionellen tionsmaßnahmen angewendet werden (Evi-
Thrombuswachstums denzgrad C):
4 Rekanalisierung der pulmonalen Strombahn 5 kathetergesteuerte Thrombusfrag-
4 Verhinderung von Re-Embolien mentation durch interventionellen Radio-
logen
25.1 · Thromboembolie
491 25

. Tab. 25.3 Aktuell verwendete Thrombolytika

Substanz Dosierung für Kurzlyse Boluslyse unter Reanimation

Alteplase (rtPA) 10 mg i.v. Bolus über 1–2 min, gefolgt von 90 mg über 0,6 mg/kg KG in 2 min i.v. (75 kg:
(Actilyse) 2 h (bei Gewicht <65 kg maximal 1,5 mg/kg) i.v. 45 mg Actilyse i.v.)

Urokinase 3 Mio. IE über 2 h i.v.


Urokinase HS medac)

Streptokinase 1,5 Mio. IE über 2 h i.v.


(Streptase)

5 notfallmäßige chirurgische Embolektomie 4 unfraktioniertes Heparin bei Patienten mit ho-


unter Einsatz der extrakorporalen Zirkula- hem Blutungsrisiko mit 1,5- bis 2,5-facher Ver-
tion (EKZ); die Embolektomie ohne EKZ längerung der PTT
(Trendelenburg-Operation) ist durch eine 4 Kompressionsstrümpfe (keine ATS)
hohe Letalitätsrate gekennzeichnet!
4 bei arterieller Hypotension Gabe von Norad- jZusätzliche therapeutische Maßnahmen
renalin als Katecholamin der ersten Wahl o 4 bei Patienten mit normalem arteriellem Blut-
Verbesserung der rechtsventrikulären Perfu- druck und Nachweis einer RV-Dysfunktion
sion (= MAP-RVEDP) und/oder myokardialer Schädigung (mittle-
4 aggressive Volumentherapie nicht sinnvoll res Risiko):
4 bei normotensiven Patienten mit niedrigem 5 stationäre Aufnahme und Intensivüberwa-
Herzzeitvolumen kann Dobutamin, bei hypo- chung aufgrund erhöhter Frühletalität
tensiven Patienten im kardiogenen Schock 5 evtl. Thrombolyse bei Lungenemboliepati-
Adrenalin verwendet werden! enten mit mittlerem Risiko
4 selektive Senkung des pulmonalarteriellen 4 bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne
Druckes mittels inhalativem Stickstoffmono- Hinweis auf RV-Dysfunktion oder Myokard-
xid oder Prostazyklinaerosol (Verbesserung schädigung (niedriges Risiko):
des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses mit 5 effektive Antikoagulation
Verbesserung der Oxygenierung, Abfall des 5 keine Indikation zur Thrombolyse oder me-
pulmonalarteriellen Druckes und Anstieg des chanischer Rekanalisation (Evidenzgrad B)
Herzzeitvolumens) im Sinne eines indivi-
duellen Heilversuchs
25.1.5 Prävention der Lungenembolie
jSpezielle Therapiemaßnahmen bei Nicht- bzw. der Thrombembolie
Hochrisiko-Lungenembolie
4 sofortige Heparinisierung mit niedermoleku- 4 subkutane Gabe von niedermolekularem He-
laren Heparin 2-mal 1 mg/kg KG s.c. oder parin, unfraktioniertem Heparin oder moder-
alternativ Fondaparinux 7,5 mg s.c. für 5 Tage, ne oralen Antikoagulationen (Fondaparinux,
dann überlappendes Umsetzen auf Vitamin-K- Rivaroxaban etc.) bei Immobilisation
Antagonisten 4 frühzeitige postoperative Mobilisierung
4 bei den NMH sind Enoxaparin (2×1,0 mg/ 4 Kompressionsstrümpfe
kg KG/d), Dalteparin (1×200 IE/kg KG/d) und 4 Normovolämie
Tinzaparin (1×175 IE/kg KG/d) zugelassen 4 mechanische Maßnahmen der Blutflussförde-
4 angestrebte Anti-Xa-Spiegel 4 h nach Gabe rung an der unteren Extremität mittels »Luft-
zwischen 0,6–1,0 IE/ml manschetten« (z. B. Venaflow)
492 Kapitel 25 · Lungenembolie

25.1.6 Rezidivprophylaxe und Langzeit- 5 aktuell dennoch kein routinemäßiges


antikoagulation Tumorscreening bei Patienten mit unprovo-
zierter LE empfohlen
4 mögliches Rezidivrisiko für eine LE bis zu 30 % 5 Therapie mit niedermolekularen Heparinen
innerhalb von 8–10 Jahren für die ersten 3–6 Monaten (Evidenzgrad
4 ab dem ersten oder zweiten Tag Einnahme von B); anschließend lebenslange Antikoagula-
Vitamin-K-Antagonisten bei hämodynamisch tion mit Vitamin-K-Antagonisten oder nie-
stabilen Patienten dermolekularen Heparinen (beziehungs-
4 überlappende Heparin- oder Fondaparinux- weise bis die Krebserkrankung »geheilt« ist)
therapie für mindestens 5 Tage (Evidenzgrad (Evidenzgrad C)
25 A) und Absetzen, wenn INR an zwei aufeinan- 4 flottierende Thromben in den rechten Herz-
der folgenden Tagen im therapeutischen Be- höhlen
reich (2,0–3,0) liegt (Evidenzgrad C) 5 seltener Befund (<4 %) bei normotensiven
4 bei sekundärer Lungenembolie aufgrund re- Patienten mit akuter LE, jedoch relativ häu-
versibler Risikofaktoren Einnahme von Vita- fig (7–18 %) bei instabilen Patienten
min-K-Antagonisten für 3 Monate (Evidenz- 5 hohe frühe Letalität
grad A) 5 bei offenem Foramen ovale Gefahr para-
4 nach dem Erstereignis einer »idiopathischen« doxer Embolien
(unprovozierten) Lungenembolie Antikoaglua- 5 prognostischer Wert dieses Befundes um-
tion unter Berücksichtigung des dauerhaft er- stritten
höhten Rezidivrisikos für mindestens 3 Mona- 5 sofortige Thrombolyse bzw. chirurgische
ten (Evidenzgrad A). Bei stabiler Antikoagula- Embolektomie gleichermaßen effektiv
tion und niedrigem Blutungsrisiko unbefristete 5 alleinige Heparinantikoagulation nicht aus-
Weiterführung der Antikoagulation (Evidenz- reichend
grad B) 4 chronisch-thromboembolische pulmonale
4 Implantation eines Cava-Schirms nur aus- Hypertonie (CTEPH)
nahmsweise bei absoluter Kontraindikation für 5 CTEPH als schwere Komplikation rezidivie-
eine therapeutische Antikoagulation oder Lun- render LE
genembolierezidive trotz suffizienter Antikoa- 5 Inzidenz nach Erstereignis 1–3,8 % im
gulation. Ansonsten wird die routinemäßige 2-Jahres-Follow-up
Verwendung von Cavafiltern zur Rezidivpro- 5 routinemäßiges Screening nach LE derzeit
phylaxe wird nicht empfohlen! nicht in Leitlinien empfohlen
5 Therapie der Wahl: chirurgische Throm-
bendarterektomie
25.1.7 Spezifische Aspekte 5 postoperative 3-Jahres-Überlebensrate bis
zu 80 %
4 Schwangerschaft
5 stets diagnostische Abklärung bei Schwan-
geren mit Verdacht auf LE, da evtl. mehr- 25.2 Luftembolie
monatige Antikoagulation erforderlich
5 niedermolekulare Heparine zur Sekundär- jDefinition
prophylaxe nach LE in der Schwangerschaft; 4 meist perlschnurartiges Eindringen von
Gabe für >3 Monate postpartal Luftblasen ins venöse System nach Eröffnung
5 Vitamin-K-Antagonisten sind kontraindi- von nichtkollabierten Venen (Vv. epiploicae,
ziert (vor allem im 1. und 3. Trimenon) Vv. diploicae, Vv. emissariae und Sinus durae
4 Krebserkrankung matris, Halsvenen und Strumagefäße) bei
5 maligne Tumoren zählen zu den wichtigsten vorhandenem Druckgradienten zum rechten
Risikofaktoren für TVT und/oder LE Herzen
25.2 · Luftembolie
493 25
4 die dabei aufgenommene Gas-/Luftmenge
. Tab. 25.4 Einteilung des Schweregrades einer ve-
hängt ab von: nösen Luftembolie. (Adaptiert nach Matjasko 1985)
5 Druckgradienten zwischen rechtem Herzen
und Lufteintrittspforte bzw. Volumenstatus Grad Veränderung
des Patienten
5 Blutflussgeschwindigkeit und Luftblasen- 1 Nur Dopplergeräuschänderung

größe 2 Dopplergeräuschveränderung + zentral-


5 Gefäßquerschnitt venöse Luftaspiration
5 Reibungskräften der Luftblasen an der 3 Symptome wie bei Grad 2 + Abfall des
Gefäßwand endexspiratorischen CO2-Anteils

4 Symptome wie bei Grad 3 + Hypotension


jOperationsarten und/oder Arrhythmien
4 vorwiegend in der Neurochirurgie bei Opera-
5 Schocksymptomatik und Reanimations-
tionen in sitzender Position, vereinzelt bei pflichtigkeit
Hals- und Strumaoperationen, bei extrakorpo-
raler Zirkulation und während der Gasinsuf-
flation bei laparoskopischen Eingriffen.
4 Grad der venösen Luftembolie wird in 5 Stufen jTherapie
angegeben (. Tab. 25.4) 4 manuelle Beatmung mit 100 % Sauerstoff mit
Valsalva-Manöver
jDiagnostik 4 chirurgisches Abdecken oder Spülen (»(Flu-
4 dopplersonographischer Nachweis von einge- ten)« des Operationsgebietes mit 0,9 % NaCl
drungener Luft im rechten Herzen durch Ver- o Vermeidung eines weiteren Eindringens
änderung des Dopplertones (Platzierung der von Luft
Dopplersonde im 2./3. ICR rechts) o neben 4 ggf. Jugularvenenkompression durch Chi-
der Echokardiographie sensitivste Methode rurgen/Anästhesisten
zum Nachweis einer Luftembolie (ab 0,01 ml 4 Flachlagerung des Patienten bzw. Kopftief- und
Luft/kg) Linksseitenlagerung
4 transösophageale Echokardiographie mit Vier- 4 Luftaspiration bei liegendem zentralem
kammerblick (Nachweis auch von paradoxen Katheter
Embolien; jedoch personal- und kosteninten- 4 ggf. hyperbare Sauerstofftherapie o Verkleine-
sives Monitoring) rung der Gasblasen und Verbesserung der
4 Stethoskopgeräusch (raues systolisches Ge- Herzleistung infolge gesteigerter Oxygenierung
räusch bis zum Mühlradgeräusch bei größerer (paO2 >2000 mmHg)
Luftembolie steigernd), Zunahme der Herz- 4 medikamentöse Rechtsherzunterstützung
frequenz und paukende Herztöne (7 Abschn. 25.1; Abschn. 26)
4 deutliche ZVD-Erhöhung bei kontinuierlicher 4 evtl. kardiopulmonale Reanimation
Messung und ggf. Aspiration von Luft über
den Katheter o sollte unter Alpha-Kard-Mo- jProphylaxe
nitoring im Atrium oder an der Übergangszo- 4 vorsichtige Lagerungsmaßnahmen des Patien-
ne Atrium/V. cava superior liegen! ten, bei denen sich das Operationsgebiet ober-
4 Abfall des endexspiratorischen CO2 (>0,4 Vol.- halb des Herzniveaus befindet
%) und hahnenkammartige CO2-Kurve in der 4 ggf. Beatmung mit hohem PEEP
Kapnometrie (unterschiedlicher CO2-Anteil 4 ausreichender Hydratationszustand o ZVD
der aus den verschiedenen Lungenabschnitten von 5–10 mmHg anstreben o Reduktion des
stammenden Exspirationsluft). Druckgradienten
4 Blutgasanalyse (7 Abschn. 25.1) 4 keine Druckinfusion bei Plastikflaschen
494 Kapitel 25 · Lungenembolie

25.3 Fettembolie 4 Prävention der Fettembolie: Frühosteosyn-


these, insbesondere bei Frakturen der langen
jInzidenz Röhrenknochen!
Die Fettembolie ist sehr selten, vorwiegend bei Po-
lytrauma oder bei jungen Patienten mit Frakturen jTherapie
der langen Röhrenknochen, nach chirurgischer 4 7 Allgemeinmaßnahmen bei Thrombembolie
Aushöhlung der Markhöhle, nach kardiopulmo- (7 Abschn. 25.1)
naler Reanimation, hoher externer Fettzufuhr sowie
selten bei operativer Absaugung von Fettgewebe.
Ausgewählte Literatur
jKlinik
25
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Pulmonale Hypertonie
(PAH) und akute Rechtsherz-
dekompensation
W. Zink

26.1 Pulmonale Hypertonie – 498

26.2 Akute Rechtsherzdekompensation – 501

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498 Kapitel 26 · Pulmonale Hypertonie (PAH) und akute Rechtsherzdekompensation

26.1 Pulmonale Hypertonie 4 pulmonale Hypertonie bei Erkrankungen des


linken Herzens
jDefinition 5 systolische Dysfunktion
4 mittlerer pulmonalerterieller Druck (mPAP) 5 diastolische Dysfunktion
>25 mmHg in Ruhe bzw. >30 mmHg unter 5 Herzklappenerkrankungen (Mitral- oder
Belastung (Normalwert <20 mmHg) Aortenklappenfehler)
4 erste klinische Symptome bei mPAP >30– 4 pulmonale Hypertonie bei Lungenerkran-
40 mmHg kung und/oder Hypoxie
4 Folge: chronische Rechtsherzbelastung mit 5 chronisch obstruktive Lungenerkrankung
konsekutiver Rechtsherzhypertrophie bzw. 5 interstitielle Lungenerkrankung
Rechtsherzinsuffizienz 5 andere restriktiv und obstruktiv gemischte
pulmonale Erkrankungen
jPathophysiologie 5 Schlafapnoesyndrom
26 Der Druck in der A. pulmonalis bleibt normaler- 5 alveolärer Hypoventilation
weise weitgehend konstant o Umverteilung eines 5 chronische Höhenkrankheit
vermehrten basalen Blutflusses in gering perfun- 5 anlagebedingte Fehlbildungen
dierte apikale Lungenbezirke und aktive Gefäß- 4 pulmonale Hypertonie aufgrund chronischer
erweiterung der pulmonalen Strombahn o Regula- Thrombembolien (CTEPH)
tion wahrscheinlich über Stickstoffmonoxid (NO) 4 pulmonale Hypertonie mit unklaren multi-
und Prostazyklin (PGI2), die vom Endothel produ- faktoriellen Mechanismen
ziert und sezerniert werden. 5 hämatologische Erkrankungen:
Myeloproliferative Erkrankungen,
jKlassifikation (Dana Point 2008) Splenektomie
4 pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) 5 systemische Erkrankungen: Sarkoidose,
5 idiopathische pulmonalarterielle Hyper- pulmonare Langerhans-Zellenhistiozytose,
tonie (IPAH) Lymphangioleiomyomatose, Neurofibroma-
5 familiäre pulmonalarterielle Hypertonie tose, Vaskulitis
(FPAH) 5 metabolische Erkrankungen: Glykogenspei-
– BMPR2 cherkrankheit, Morbus Gaucher, Schilddrü-
– ALK1, Endoglin (mit oder ohne hereditä- senerkrankungen
rer hämorrhagischer Teleangiektasie) 5 andere Erkrankungen: Obstruktion durch
– unbekannt Tumore, fibrosierende Mediastinitis, chro-
5 drogen- und toxininduziert nischer Nierenausfall mit Dialyse
5 assoziierte Pulmonalarterielle Hypertonie
(APAH); bei: jPathophysiologie
– Kollagenosen 4 heterogenes Geschehen, bislang nicht vollstän-
– HIV-Infektion dig aufgeklärt
– portale Hypertension 4 initial Endothelschädigung (z. B. durch erhöhte
– angeborene systemisch-pulmonalen Wandspannung und Scherkräfte bei patholo-
Shunts (u. a. Herzfehler) gischem Blutfluss bzw. -druck)
– Bilharziose 4 als Folge des Endothelschadens Dysfunktion
– chronisch hämolytische Anämie des Lungengefäßbettes mit Imbalance zwi-
5 persistierende pulmonalarterielle Hyper- schen den endothelialen Relaxationsfaktoren
tonie des Neugeborenen (PPHN) (PGI2, NO) einerseits und den Kontraktions-
4 pulmonale venookklusive Erkrankung faktoren (TxA2, Endothelin, Angiotensin II
(PVOD) und/oder pulmonal kapilläre Häman- und ein endothelabhängiger Kontraktionsfak-
giomatose (PCH) tor) andererseits
26.1 · Pulmonale Hypertonie
499 26
4 Proliferation von glatter Muskulatur und En- kElektrokardiogramm
dothel sowie vermehrte Kollagenbildung im 4 Steil- oder Rechtslagetyp
Bereich der Pulmonalgefäße o steigender 4 Zeichen der Rechtshypertrophie
Strömungswiderstand 5 hohe spitze P-Zacken in II, aVF, III und V1
4 zusätzliche Faktoren (die sowohl die Umbau- (P-dextroatriale)
vorgänge forcieren als auch selbst zu Endothel- 5 SI/SII/SIII-Typ
schäden führen können): 5 positiver Sokolow-Index (RV1 + SV5
5 Hypoxie ≥1,05 mV)
5 Hyperkapnie 5 Rechtsschenkelblock (QRS ≥0,11, oberer
5 Hypothermie Umschlagspunkt >0,03 s in V1–V2)
5 Azidose 5 konvexbogige ST-Streckensenkung
5 Überdruckbeatmung mit PEEP 5 biphasisches bis präterminal negatives T
4 im Endstadium sind massive, irreversible Um- (V1–V3)
bauvorgänge der kleinen präkapillären Lun- 4 evtl. periphere Niedervoltage (bei Emphysem)
genarterien zu finden o fixierter pulmonaler
Hypertonus kRöntgenuntersuchung des Thorax
4 Erweiterung der Pulmonalarterie und der
jDiagnostik Hauptäste mit Kalibersprung zur Peripherie
kAnamnese 4 obstruktive Lungenkrankheit: Erweiterung des
4 Belastungsdyspnoe, belastungsabhängige Syn- rechten deszendierenden Pulmonalarterien-
kopen, Beinödeme? (Rechtsherzinsuffizienz!) astes (>16 mm) o Hinweis auf PAH
4 Angina pectoris? (sekundär) 4 Einengung des Retrosternalraumes bei Dilata-
4 nächtliche Dyspnoe? (diastolische Funktions- tion des rechten Ventrikels
störung des LV)
4 Husten, Auswurf, Asthma? (Lungen- kTransthorakale/transösophageale
erkrankung) Echokardiographie
4 Beinvenenthrombose, Pleuraschmerz mit 4 rechtskardiale Dilatation
Fieber? (Lungenembolie) 4 Verdickung der rechtsventrikulären Vorder-
4 Schlaf-Apnoe-Phasen? wand (>5 mm)
4 Einnahme von Appetitzüglern? 4 vermehrte intraventrikuläre Trabekelzeich-
4 angeborene Herzfehler? HIV-Infektion? Rheu- nung
matische Systemkrankheiten? Leberkrankheit 4 Linksverlagerung des interatrialen Spetums
mit Aszites? 4 evtl. dilatationsbedingte Trikuspidalregurgi-
tation
kKörperlicher Befund 4 evtl. paradoxe Septumbewegung
4 rasche Ermüdbarkeit, Belastungsdyspnoe 4 evtl. hyperkinetischer rechter Ventrikel
4 Tachykardie 4 ggf. dopplersonographische Abschätzung der
4 Ejektionsklick, systolisches Strömungsgeräusch rechtskardialen Drücke bei relativer Trikus-
und enge Spaltung des 2. Herztones pidalisinsuffizienz
4 Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (Hepato-
megalie, Stauungshepatitis, Ödeme etc.) kLungenfunktionsprüfung
4 evtl. epigastrische Pulsationen durch hypertro- 4 ggf. Nachweis obstruktiver und restriktiver
phierten rechten Ventrikel Ventilationsstörungen
4 evtl. 2. ICR links systolische Pulsation der dila- 4 ggf. Veränderungen der Blutgase
tierten A. pulmonalis
kLungenszintigraphie
4 Perfusionsszintigramm zum Nachweis/Aus-
schluss rezidivierender Lungenembolien
500 Kapitel 26 · Pulmonale Hypertonie (PAH) und akute Rechtsherzdekompensation

kMagnetresonanztomographie 4 frühzeitige antibiotische Therapie bei pulmo-


4 Goldstandard zur Größenbestimmung des rech- nalen Infektionen
ten Ventrikels und dessen Ejektionsfraktion 4 Gabe von Vasodilatatoren
5 Prostazyklinanaloga: Iloprost (stabiles
kSpiral-CT Prostazyklinanalogon; 6-mal/d Vernebe-
4 subtile Lungendiagnostik lung oder i.v. Gabe; v. a. bei IPAH mit
NYHA III–IV und sklerodermieassoziierter
kDiagnostischer Pulmonaliskatheter PAH; max. 75–200 μg/d), Beraprost, Epo-
4 direkte Druckmessungen im kleinen Kreislauf prostenol, Treprostinil (s.c.!)
4 Ausschluss einer Linksherzinsuffizienz 5 Phosphodiesterase-5-Hemmer: Sildenafil,
4 Testung der Effektivität von Vasodilatoren Vardenafil, Tadalafil (vasodilatatorische
4 Bestimmung des Herzminutenvolumens in Wirkung durch Erhöhung der intrazellulä-
Ruhe und unter Ergometerbelastung ren cGMP-Spiegel)
26 4 genaue Bestimmung des Schweregrads der 5 Endothelinrezeptorantagonisten: Bosen-
pulmonalen Hypertonie tan (v. a. bei Rechtsherzinsuffizienz mit
5 Stadium I: Ruhedrücke normal, Anstieg des NYHA III-IV; Initialdosis 2-mal 62,5 mg/d,
PAP unter leichter Belastung ohne Erhö- nach 4 Wochen möglichst verdoppeln
hung des PAOP (Druckgradient im kleinen (cave: Hepatotoxizität), Sitaxsentan,
Kreislauf steigt). Vorhofmitteldruck und Ambrisentan)
enddiastolischer rechtsventrikulärer Druck 5 Kalziumantagonisten: Amlodipin,
normal. Adäquate Zunahme des HZV Nifedipin (170 mg/d) bzw. Diltiazem
5 Stadium II: Erhöhter PAP in Ruhe ohne we- (720 mg/d) bei einigen Patienten hilfreich
sentlichen Anstieg des rechtsventrikulären (s. u.) (cave: hämodynamische
enddiastolischen und des mittleren Vorhof- Nebenwirkungen!
drucks, starker Druckanstieg in der Pulmo- 5 Stickstoffmonoxid NO: selektiver pulmona-
nalarterie und inadäquate Förderleistung ler Vasodilatator; hilfreich bei akuter De-
unter Belastung kompensation; Dosierung 5–40 ppm)
5 Stadium III: Erhöhter PAP in Ruhe, end- 4 Diuretika zur Verminderung der RV-Vorlast
diastolischer Druck im rechten Ventrikel und zum Ausschwemmen von Ödemen
und mittlerer Vorhofdruck >8 mmHg. HZV 4 Digitalispräparate zur Steigerung des HZV
an unterer Grenze der Norm und nicht bei Rechtsherzinsuffizienz, v. a. bei Vorhofflim-
mehr steigerungsfähig (dekompensierte mern
Rechtsinsuffizienz) 4 Antikoagulation zur Vermeidung von throm-
boembolischen Komplikationen (Vitamin K-
jTherapie Antagomisten p.o. oder präoperative i.v. Hepa-
4 Vermeidung von hypoxischen Bedingungen rinisierung)
(Höhenlage, Flugreisen etc.) o hypoxische 4 ggf. zur Druckreduktion invasive Ballon-
pulmonale Vasokonstriktion mit Gefahr der arterioseptostomie
akuten Rechtsherzdekompensation 4 weitere therapeutische Optionen (z. T. experi-
4 körperliche Schonung mentell):
4 Langzeitsauerstoffgabe (24 h) o Senkung der 5 Citrullingabe (NO-Vorläufer; 150 mg/kg
Letalität; Cave: Möglicher Anstieg des paCO2 Bolus, dann 9 mg/kg/h o experimentell!)
unter O2-Gabe (Haldane-Effekt!!) 5 inhalative Applikation von Nitroglyzerin
4 Vermeidung von Substanzen, die zu einer und Na-Nitroprussid inhalativ
pulmonalen Vasokonstriktion führen (z. B. 5 inhalative/intravenöse Applikation von Mil-
Noradrenalin) rinon (Phosphodiesterase-3-Hemmer)
4 Optimierung der Vorlast des rechten Ventri- 5 Nesiritide (rekombinantes B-Typ natriureti-
kels (Vermeidung von Hypovolämien) sches Peptid; verstärkte Umwandlung von
26.2 · Akute Rechtsherzdekompensation
501 26
GTP zu cGMP; 2 μg/kg Bolus, dann 0,01 μg/
kg/min)
4 nicht empfohlen werden:
5 Betablocker
5 ACE-Hemmer
5 Nitrate und Angiotensinantagonisten
5 generelle Behandlung mit Kalziumanta-
gonisten (Langzeiteffekt fraglich, vorher
unter Monitoring positiven Effekt nachwei-
sen; z. T. fatale Wirkungen bei »Non-Respon-
dern«)
> Kombinationstherapie der PAH: Basisthera-
pie (Langzeitsauerstoff, Antikoagulation
und Diuretika) kombiniert mit Prostazyklin-
analoga und/oder Kalziumantagonisten,
Endothelinrezeptorantagonisten sowie PDE
. Abb. 26.1 Kompensationsmechanismen der akuten
5-Hemmern! Rechtsherzbelastung durch Septumkontraktion

26.2 Akute Rechtsherz-


dekompensation

jDefinition
4 Rechtsherzdysfunktion: Zunahme der end-
diastolischen Füllung und Abnahme der Aus-
wurffraktion bei unverändertem Schlagvolu-
men (SV = EF × EDV)
4 Rechtsherzinsuffizienz: Zunahme der end-
diastolischen Füllung und Abnahme der . Abb. 26.2 Rechtsventrikuläre Ischämie aufgrund akuter
Auswurffraktion; zusätzlich Abfall des Schlag- Nachlasterhöhung
volumens.
4 Die akute Kompensationsfähigkeit des nicht-
adaptierten rechten Ventrikels des Menschen des rechten Ventrikels und Pumpversagen
endet bei einem pulmonalarteriellen Mittel- (. Abb. 26.2).
druck von 35–40 mmHg! 4 Eine intrapulmonale Widerstanderhöhung mit
Anstieg der rechtskardialen Nachlast kann
jZeitpunkt des Auftretens durch verschiedene Mechanismen ausgelöst
4 Auftreten einer Rechtsherzdekompensation sein (. Abb. 26.3).
zumeist postoperativen oder auf Intensivsta-
tion durch akute Rechtsherzbelastung (z. B.
Lungenembolie) bzw. Myokardischämie/ jDiagnostik
-infarkt. kKörperliche Untersuchung
4 Akutes Rechtsherzversagen kann nach Infarkt- 4 Belastungsdyspnoe
geschehen durch gute septale Kontraktion 4 Tachykardie
(teil-)kompensiert oder aber bei dessen Fehlen 4 rasche Ermüdbarkeit
ausgelöst werden (. Abb. 26.1). 4 Ejektionsklick, systolisches Strömungsgeräusch
4 Initiierung eines Circulus vitiosus bei akuter und enge Spaltung des 2. Herztons
Nachlasterhöhung mit konsekutiver Ischämie 4 evtl. Hepatomegalie und Stauungshepatitis
502 Kapitel 26 · Pulmonale Hypertonie (PAH) und akute Rechtsherzdekompensation

. Abb. 26.4 ZVD-Kurve bei Rechtsherzdekompensation

. Abb. 26.3 Ursachen der Nachlasterhöhung des rechten


26 Herzens
4 ggf. dopplersonographische Abschätzung der
rechtskardialen Drücke bei relativer Trikuspi-
4 Ödeme dalisinsuffizienz
4 evtl. epigastrische Pulsationen durch hypertro- 4 evtl. Verdickung der rechtsventrikulären Vor-
phierten rechten Ventrikel derwand (>5 mm) und vermehrte intraventri-
kuläre Trabekelzeichnung bei vorbestehender
kElektrokardiogramm chronischer Rechtsbelastung
4 Nachweis eines rechtsventrikulären Infarkts
bei ST-Hebung (>0,1 mV) mit R-Verlust in den kPulmonalarterielle Katheterisierung
Ableitungen V3R und V4R (Sensitivität 83 % 4 erhöhte pulmonalarterielle Drücke
und Spezifität 77 %) 4 erhöhter pulmonalarterieller Strömungswider-
4 Steil- oder Rechtslagetyp stand
4 Zeichen der Rechtshypertrophie 4 erniedrigtes HZV
5 hohe spitze P-Zacken in II, aVF, III und V1 4 ZVD-Kurven mit hoher v-Welle auf (bedingt
(P-dextroatriale) durch funktionelle Trikuspidalinsuffizienz;
5 SI/SII/SIII-Typ . Abb. 26.4)
5 positiver Sokolow-Index (RV1 + SV5
≥1,05 mV) kLabor/Enzyme
5 Rechtsschenkelblock (QRS ≥0,11, oberer 4 Nachweis einer Ischämie bzw. eines rechtsvent-
Umschlagspunkt >0,03 s in V1–V2) rikulären Infarkts (Troponin T und I, CK/CK-
5 konvexbogige ST-Streckensenkung MB etc.)
5 biphasisches bis präterminal negatives T 4 brain natriuretic peptide (BNP): sensibler
(V1–V3) Parameter für den Nachweis einer chronisch
4 evtl. SIQIII-Typ bei Lungenembolie isolierten Rechtsherzinsuffizienz bzw. auch
einer Linksherzinsuffizienz mit einem
kEchokardiographie Cut-off-Wert von 90 pg/ml. Korreliert
4 rechtskardiale Dilatation sehr gut mit dem enddiastolischen Durch-
4 großer, akinetischer rechter Ventrikel bei messer des rechten Ventrikels. Keine Korre-
kleinem, gut kontrahierendem linken lation mit der Mortalität und der Komplika-
Ventrikel tionsrate
4 Septumdeviation nach links, evtl. paradoxe
Septumbewegung jTherapie
4 Linksverlagerung des interatrialen Spetums kTherapie der Grunderkrankung
4 evtl. dilatationsbedingte Trikuspidalregurgitation 4 z. B. Reperfusionstherapie bei akutem
4 evtl. hyperkinetischer rechter Ventrikel Myokardinfarkt
26.2 · Akute Rechtsherzdekompensation
503 26
4 z. B. Lyse bzw. Operation bei akuter Lungen-
embolie etc.

kOptimierung der rechtsventrikulären Vorlast


4 Nur Patienten mit niedrigem, nicht jedoch sol-
che mit hohem rechtsventrikulärem Füllungs-
volumen können auf Volumengabe ihr Schlag-
volumen steigern!
4 Vorsichtige Testung der Volumenreagibilität
unter engmaschigem Monitoring der Füllungs-
drücke bzw. des HZV bzw. mittels TEE (»volu-
me challenge«). . Abb. 26.5 Medikamentöse Therapie bei akuter Rechts-
4 ggf. Flüssigkeitsentzug mittels Diuretika bzw. herzdekompensation
Nierenersatzverfahren
4 zurückhaltende Indikation für Erythrozyten-
konzentrate, insbesondere bei Patienten mit kAntikoagulation
Sepsis und/oder ARDS o passagere Erhöhung 4 ggf. Antikoagulation mit Heparin i.v. oder
des pulmonalarteriellen Drucks und damit des Marcumar p.o.
rechtsventrikulären O2-Verbrauchs nach
Transfusion von 2–4 Erythrozytenkonzentra- kMedikamente bei akutem Rechtsherz-
ten! versagen
In . Tab. 26.1 sind Medikamente zur Therapie des
kOptimierung der rechtsventrikulären Rechtsherzversagens bzw. zur Rechtsherzentlastung
Nachlast aufgeführt.
4 Senkung des pulmonalarteriellen Drucks (s. o.)
= zentrales Therapieprinzip! kChirurgische Therapieoptionen
4 Sauerstoffgabe 4 pulmonale Thrombendarteriektomie (an spe-
4 leichte Alkalisierung und evtl. Hypokapnie zialisierten Zentren bei ausgesuchten Patienten
durch moderate Hyperventilation mit chronisch-rezidivierenden Lungen-
4 niedrigst mögliche Beatmungsdrücke zur embolien als Ursache des PAH)
Sicherung einer adäquaten Oxygenierung an- 4 Ballonatrioseptostomie zur akuten Entlastung
streben des RV (iatrogener Rechts-Links-Shunt auf
Vorhofebene n, Oxygenierung p, jedoch HZV
kOptimierung der rechtsventrikulären n und peripheres Sauerstoffangebot n)
Kontraktilität 4 mechanische Rechtsherzunterstützung
4 Inotropiesteigerung bei gleichzeitiger Optimie- (7 Kap. 3)
rung von Vor- und Nachlast (unter HZV-Kon- 4 Herz-, Lungen oder kombinierte Herz-Lun-
trolle) gen-Transplantation
4 ggf. Steigerung des rechtskoronaren Perfu-
! Chirurgische Therapieoptionen bei akutem
sionsdrucks durch Vasopressoren
Rechtsherzversagen nach sorgfältiger, indivi-
4 wenn möglich, Aufrechterhaltung/Wiederher-
dueller Nutzen-Risiko-Abwägung im Sinne
stellung eines (normofrequenten) Sinus-
einer Ultima-ratio-Maßnahme!
rhythmus, ggf. antiarrhythmische Therapie
4 . Abb. 26.5 gibt einen Überblick über die The-
rapieoptionen
504 Kapitel 26 · Pulmonale Hypertonie (PAH) und akute Rechtsherzdekompensation

. Tab. 26.1 Medikamente bei Rechtsherzversagen

Medikamente Dosierung Bemerkungen

(Pulmonale) Vasodilatatoren i.v.

Nitroprussid-Natrium 0,5–0,8 μg/kg/min Cave: Cyanidbildung bei Langzeitapplikation

Nitroglycerin 0,5–8 μg/kg/min

Epoprostenol 1,0–500 ng/kg/min Beginn mit 1–2 ng/kg/min, Dosissteigerung


nach Effekt

Iloprost 0,5–5 ng/kg/min HWZ 30 min

Milrinon Ggf. Bolus 50 μg/kg über 10 min, dann »Inodilatator«: Vasodilatation und Inotropie-
0,375–0,75 μg/kg/min steigerung
26
Enoximone Ggf. 0,5 mg/kg über 10 min, dann 5–20 »Inodilatator«: Vasodilatation und Inotropie-
μg/kg/min steigerung

Citrullin Ggf. Bolus 150 mg/kg (an HLM), dann Experimentell!


9 mg/kg/h (für 48 h)

(Pulmonale) Vasodilatatoren inhalativ (z. T. nicht zugelassen)

Epoprostenol Verdünnen auf 10–20 μg/ml, dann


vernebeln

Iloprost 2,5–5,0 μg 6- bis 9-mal/d

Milrinon 60–90 μg/kg Experimentell!

NO 5–80 ppm

Nitroglycerin 2,5 μg/kg über 10 min

Treprostinil 15–30 μg

(Pulmonale) Vasodilatatoren subkutan

Treprostinil 1,25 ng/kg/min kontinuierlich

(Pulmonale) Vasodilatatoren oral

Bosentan 62,5–125 mg in 2 Dosen

Sildenafil 0,25–0,75 mg/kg alle 4–6 h

Vardenafil 5 mg/d Nach 4 Wochen auf 2×5 mg/d steigern

Inotropika und Vasopressoren

Isoproterenol 0,01–0,2 μg/kg/min

Dobutamin 2–5–20 μg/kg/min Low-Dose-Gabe anstreben (Tachykardie!)

Adrenalin 0,03–0,15 μg/kg/min

Levosimendan Ggf. Bolus 6–24 μg/kg, dann 0,1–0,2 μg/


kg/min

Noradrenalin 0,03–0,4 μg/kg/min


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507 27

Neurointensivmedizinische
Krankheitsbilder
M. Fresenius

27.1 Subarachnoidalblutung (SAB) – 508

27.2 Akuter Schlaganfall – 511

27.3 Neuromuskuläre Erkrankungen – 513

Ausgewählte Literatur – 515

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_27, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
508 Kapitel 27 · Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder

27.1 Subarachnoidalblutung (SAB) jPrognose


4 abhängig von der Bewusstlosigkeit (<1 h bzw.
jDefinition >1 h mit deutlich schlechterer Prognose)
4 Blutung in den kraniellen und/oder spinalen 4 Todesursache: früher die Rezidivblutung,
Liquorraum heute der Vasospasmus oder die medizinischen
Komplikationen
jInzidenz
4 jährliche Inzidenz: 6–9 Fälle auf 100.000 Ein- jKlinik
wohner bzw. 5 % aller »Apoplexe« in Mittel- 4 Akut einsetzende heftigste Kopfschmerzen
europa und den USA (»Vernichtungskopfschmerzes«), der sein
Maximum innerhalb von Sekunden erreicht
! Etwa 0,5–1 % der gesunden Bevölkerung
4 fakultativ: neurologische Ausfälle wie Aphasie,
weist ein Hirnarterienaneurysma auf.
Hemiparese
Prädilektionsstelle ist der vordere Abschnitt
4 Bewusstseinsstörungen in 2/3 aller SAB-
des Circulus arteriosus cerebri (Willisi).
Patienten (sekunden- bis stundenlanges Koma)
27 4 Meningismus
jEinteilung 4 Krampfanfälle bei 10–20 % aller Patienten in
Folgende Formen werden unterschieden: den ersten 24 h o Erhöhung des zerebralen
4 aneurysmale SAB (durch Ruptur eines intra- Blutflusses mit Gefahr einer Rezidivblutung
kraniellen Aneurysmas) 4 Übelkeit, Erbrechen, Aspiration
4 perimesenzephale SAB 4 EKG-Veränderungen durch myokardialen
4 nicht perimesenzephale basale SAB ohne Schaden nach SAB
Nachweis einer Blutungsquelle 4 arterielle Hypertonie (ca. 36 %)
4 SAB anderer nicht traumatischer Ursache (z. B. 4 Herzrhythmusstörungen (ca. 35 %)
arteriovenöse Malformation, Arteriitis, intra- 4 Elektrolytstörungen: Hypokaliämie, Hypo-
kranielle arterielle Dissektion, venöse Throm- natriämie aufgrund einer vermehrten ADH-
bose, zerebrale Amyloidangiopathie, zerebrales und Brain-natriuretic-peptide-Sekretion
Vasokonstriktionssyndrom, Kokain) (BNP) sowie Hypomagnesiämie (ca. 33 %)
4 Leberfunktionsstörung (ca. 24 %)
jMortalität 4 neurogenes Lungenödem (ca. 23 %)
4 30-Tage-Letalität: ca. 35 % 4 Aspirationspneumonie (ca. 23 %)
4 intrahospitale Mortalität von 19 % innerhalb 4 Hyperglykämie (ca. 21 %)
der ersten 3 Monate
! Etwa 5–10 % aller SAB werden ärztlich überse-
4 Letalität der SAB aufgrund von Vasospasmen
hen, insbesondere dann wenn die Kopfschmer-
(23 %), medizinischen Komplikationen (23 %),
zen weniger schwer sind, neurologische Fokal-
Rezidivblutung (22 %), direkten Folgen der
zeichen oder Meningismus-Zeichen fehlen!
Erstblutung (19 %) und präklinischem Tod
(10 %) Der Schweregrad der subarachnoidalen Blutung
wird nach Hunt und Hess (1968) in 5 Stadien einge-
jRisikofaktoren (relatives Risiko) teilt (. Tab. 27.1).
4 weibliches Geschlecht (66 %)
4 Verwandte mit SAB (6,6 %) jDiagnostik
4 Alkoholabusus (4,7 %) 4 Notfall-CCT (mit einer Sensitivität von 95 % in
4 arterieller Hypertonus (2,8 %) den ersten 24 h)
4 Nikotinkonsum (1,9 %) 4 MRT (in den ersten Tagen ähnliche Sensitivität
wie CCT)
4 bei unauffälligem CCT/MRT und weiterbeste-
henden Verdacht auf SAB sollte eine Lumbal-
27.1 · Subarachnoidalblutung (SAB)
509 27
– evtl. ICP-Messung (evtl. Außenableitung
. Tab. 27.1 Klinische SAB-Schweregradeinteilung.
(Adaptiert nach Hunt u. Hess 1968)
bei erhöhten ICP-Werten)
– evtl. Kernspin-Angiographie (MRA auch
Grad I Nur leichte Kopfschmerzen und leichte im Verlauf, besser als Perfusionsangiogra-
Nackensteifigkeit phie)
Grad II Mäßige bis schwere Kopfschmerzen, 5 zur Registrierung der Hämodynamik (ins-
Nackensteifigkeit, Hirnnervenlähmung besondere bei kardialer Dekompensation
im Rahmen der SAB bzw. bei Patienten mit
Grad III Leichte Bewusstseinstrübung, Verwirrt-
heit oder leichte Herdsymptome kardialen Vorerkrankungen oder bei Triple-
H-Therapie): ZVD-Messung, PiCCO, LiD-
Grad IV Tiefere Bewusstseinsstörung, mäßige bis
schwere Hemiparese, vegetative
COplus
Störungen, auch frühe Dezerebrations-
zeichen jKomplikationen
Grad V Tiefes Koma, Enthirnungsstarre
4 akuter posthämorrhagischer Okklusionshyd-
rozephalus (20–25 %) o Ventrikeldrainage
zur Entlastung
4 Gefäßspasmen zwischen dem 4 und 14. Tag
punktion erfolgen (z. B. nach einer Wartezeit nach einer aneurysmalen SAB o Hypoxie im
von 8–12 h ab Kopfschmerzbeginn) nachfolgenden Gebiet (in 20–40 % der Fälle)
4 bei Xanthochromie Durchführung einer zere- 4 epileptische Anfälle (»spreading depolariza-
bralen Panangiographie zum Nachweis eines tions«)
Aneurysmas 4 raumfordernde intrazerebrale Hämatome o
neurochirurgische Entlastung
jMonitoring 4 hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS)
4 Standardmonitoring: 4 letale Hirndruckkrise
5 EKG, kontinuierliche arterielle Druckmes-
sung (Bezugspunkt: Druckaufnehmer auf jTherapie
Höhe des äußeren Gehörganges) kTherapieziele
5 Flüssigkeitsbilanz 4 Vermeidung einer Aneurysma-Rezidivblu-
5 Blutglukose, Elektrolyte tung mit Verschlechterung der Prognose (Inzi-
5 BGA, Temperatur denz der Rezidivblutung ohne Intervention: ca.
5 Pupillenreaktionen, Vigilanzstatus bei nicht 4 % am ersten Tag und danach ca. 1–2 % pro
intubiertem Patient, Glasgow Coma Scale Tag im ersten Monat)
(GCS) 4 Sicherstellung einer adäquaten zerebralen Per-
4 erweitertes Monitoring: fusion (CPP >70 mmHg, keine Hypovolämie)
5 zur Überwachung der Neurologie: 4 Reduktion/Vermeidung einer sekundären
– tägliche transkranielle Dopplersonogra- Hirnschwellung mit Hirndruck
phie (TCD) o Flussgeschwindigkeit soll- 4 Vermeidung bzw. Therapie eines zerebralen
te <100 cm/s liegen; mittlere Strömungs- Vasospasmus
geschwindigkeiten der A. cerebri media 4 Prävention und Therapie medizinischer Kom-
>200 cm/s zeigen einen angiographischen plikationen (Aspiration, VAP, …)
Spasmus dieses Gefäßes zuverlässig an!
Das Gleiche gilt für Anstiege der mittle- kTherapeutische Maßnahmen
ren Strömungsgeschwindigkeit der A. ce- 4 Ursachenbeseitigung bei nachgewiesenen
rebri media um >50 cm/s in 24 h oder ein Aneurysma (innerhalb der ersten 72 h)
»hemispheric index« (>3) als ein Ver- 5 Aneurysma-Coiling durch Neuroradiologen
gleichmaß extra- und in trakranieller Ge- 5 Aneurysma-Clipping durch Neurochi-
schwindigkeiten! rurgen
510 Kapitel 27 · Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder

5 Anmerkung: der Langzeitverlauf der ISAT- 4 Vermeidung von verzögerten, ischämischen


Studie zeigte Vorteile des Coilings (5-Jah- neurologischen Defiziten (DIND = »delayed
res-Überleben, neurologischem und kogni- ischemic neurological deficit«) infolge
tivem Zustand) gegenüber dem Clipping bei 4 Prophylaxe/Therapie zerebraler Vasospas-
Patienten, bei denen beide Verfahren ange- mus; in 30–40 % klinisch symptomatischer
wendet werden können! Aneurysma-Clip- Vasospasmus, 7 unten!
ping bei Aneurymen der A. cerebri media 4 Therapie von Hypovolämien und Ausgleich
oder A. pericallosa und Abgang von Arte- der Hypokaliämie, Hyponatriämie (nach Rea-
rien aus dem Aneuryma. nimation und bedingt durch SIADH mit über-
4 Intensivtherapie: schießender ADH-Sekretion sowie aufgrund
4 Bettruhe und heftige pressorische Akte ver- des »cerebral salt wasting syndrome«) o hä-
meiden (prophylaktische Laxanzien- und Anti- modynamisch-augmentierend Therapie beim
emetika-Gabe) DIND (»Triple-H-Therapie«= Hypertension,
4 nach der Aneursmaausschaltung subkutane Hypervolämie, Hämodilution).
Thromboseprophylaxe mit NMH 4 Analgosedierung nach den S3-Leitlinien der
27 5 Vermeidung einer Hypo- und Hyper- DGAI
glykämie (Blutzucker 110–150 mg/dl) 4 Therapie von zerebralen Krampfanfällen mit
4 Aufrechterhaltung einer ausreichenden zere- Midazolam und Phenytoin
bralen Perfusion 4 notfalls Lagerungsbehandlung (Abwägung
5 mit dem Ziel der Therapie des Volumen- zwischen Hirndruckanstieg (ICP n) mit leich-
mangels (plus 3–4 l Kristalloiden o ca. 1/3 tem Abfall des zerebralen Perfusionsdrucks
der Patienten zeigen einen Plasmavolumen- (CPP p) und deutlicher Verbesserung der
abfall >10 %) Oxygenierung (PtiO2 nn)
5 mit dem Ziel, einen adäquaten zerebralen 4 frühe enterale Ernährung
Perfusionsdruck >70 mmHg bzw. MAP 60– 4 Vermeidung bzw. schnelle Therapie einer
90 mmHg aufrecht zu erhalten: bei arteriel- Hyperthermie (>38,5°C)
ler Hypotonie mit MAP <60 mmHg o Ap- 4 bei klinisch symptomatischen akuten Hydro-
plikation von Noradrenalin, bei arterieller zephalus zügige Anlage einer externen Li-
Hypertonie mit MAP >90 mmHg o Gabe quorableitung
von α- Blockern oder β-Blockern (CPP = 4 bei einem symptomatischen chronischen
MAP – ICP = >70 mmHg; Verzicht auf Ni- Hydrozephalus Anlage eines ventrikulo-perito-
trate und Nifedipin) nealen oder ventrikulo-atrialen Shunts
4 keine prophylaktische Gabe von Glukokorti-
> Früher orientierte sich die Therapie am ZVD,
koiden oder Antifibrinolytika
heute sollte bei der intensivmedizinischen
Therapie frühzeitig ein PiCCO-System gelegt
kProphylaxe von Vasospasmen
und das ITBV gemessen werden!
4 Nimodipin (Nimotop) p.o. (60 mg alle 4 h,
4 bei arterielle Hypertonie systolische Blut- für 3 Wochen). Ist eine orale Verabreichung
drucksenkung auf <180 mmHg nicht möglich, kann eine intravenöse Gabe
4 Sicherstellung einer adäquaten Oxygenation erfolgen 2 mg/h über 7–10 Tage (Thrombozy-
(paO2 >100 mmHg) durch frühzeitige Intuba- tenaggregation p, CBF um ca. 18 % n, zell-
tion und mechanischer, lungenprotektiver protektive Wirkung (intrazelluläres Ca²+ p),
Ventilation (VT 6–8 ml/kg KG und evtl. PEEP Nebenwirkungen pulmonale Shunts mit psO2-
bis 15 mmHg!) bei Bewusstseinsstörungen Abfall, hoher Alkoholgehalt, Blickrichtungs-
und/oder GCS <8 (Gefahr der Aspiration und nystagmus)
des neurogenen Lungenödems), Normoventi-
lation bis diskrete Hyperventilation (pCO2:
34–36 mmHg)
27.2 · Akuter Schlaganfall
511 27
kTherapie des Vasospasmus Vergleich mit einer nicht spezialisierten Station o
4 endovaskuläre Therapie: Mortalitätsreduktion relativ um 18–46 % (absolut
5 transluminale Ballondilatation mittels Ka- 3 %).
theter (effektiv, Besserung bei 55–70 % der Formen des Schlaganfalls:
Patienten, der Prozedur anhaftende Morta- 4 Als ischämischer Schlaganfall (85 %) wird ein
lität: 2–5 %) akutes fokales neurologisches Defizit aufgrund
5 intraarterielle, superselektive Gabe vasodi- einer umschriebenen Durchblutungsstörung
latatorischer Substanzen (Kalziumantago- des Gehirns bezeichnet.
nisten oder Papaverin) 4 Beim hämorrhagischen Schlaganfall (15 %)
mit höherer Mortalität (bis 50 %) ist es zur Ein-
! Eine endovaskuläre Therapie vasospasmus-
blutung intrazerebral oder in den Liquorraum
bedingter ischämischer Defizite kann gene-
gekommen.
rell aufgrund fehlender kontrollierter Studien
nicht empfohlen werden!
jTherapie
4 keinen Effekt bezüglich Verhinderung/Auf- Die Therapie gliedert sich in 5 Punkte:
hebung des Vasospasmus zeigten: 4 allgemeine Behandlung/Basistherapie
5 der Endothelin-Antagonist Clazosentan 4 spezifische Behandlung, z. B. rekanalisierende
5 intravenöses Magnesiumsulfat Therapie
5 Thrombozytenfunktionshemmer (zeigten 4 frühe Sekundärprophylaxe
nur Trend zur Besserung) 4 Erkennung, Vorbeugung und Behandlung von
Komplikationen
kWeitere Therapieansätze der SAB 4 frühe rehabilitative Therapien
4 kein Einsatz für Antifibrinolytika zur Prophy-
laxe der frühen Aneurysma-Nachblutung o kAllgemeine Behandlung/Basistherapie
Zunahme ischämischer Komplikationen (Roos 4 kurze klinisch-neurologische Untersuchung
et al. 2003) (innerhalb von 10 min nach Eintreffen in der
4 keine Kortikosteroid-Gabe (Feigin et al. 2005a) Klinik)
4 kein Effekt von Tirilazad (Zhang et al. 2010) 4 keine Traumatisierung vorrangig betroffener
4 keine Empfehlung aktuell für die Gabe von Seite (i.v. Zugang, Lagerung). keine Heparin-,
Statinen (Kramer u. Fletcher 2010) ASS- oder Steroid-Gabe, keine intramusku-
4 evtl. primärprophylaktische Gabe von Anti- lären Injektionen!
konvulsiva (kurzfristig) 4 bei Patienten mit schweren Schlaganfällen bzw.
ausgeprägten neurologischen Symptomen
sollten die Atemwege freigehalten werden
27.2 Akuter Schlaganfall und eine zusätzliche Oxygenierung (Gabe
von Sauerstoff (2–4 l/O2/min) über eine
> Der Schlaganfall ist einer der häufigsten Nasensonde) angestrebt werden!
Erkrankungen in Deutschland! Er ist wie der 4 frühe endotracheale Intubation bei patholo-
Herzinfarkt oder die Lungenembolie als gischen Atemmuster, z. B. infolge von Hirn-
medizinischer Notfall zu behandeln. stamm- und Hemisphäreninfarkten oder bei
hohem Risiko für die Entwicklung einer Aspi-
Beim Verdacht auf Schlaganfall jeden Schweregra- rationspneumonie
des soll der Rettungsdienst, bei schwerem Schlagan- 4 Blutdruckkontrolle beim ischämischen Hirn-
fall mit Bewusstseinsstörung oder bei Patienten mit infarkt:
kardiorespiratorischen Störungen der Notarzt geru- 5 Vermeidung von arterieller Hypertoniepha-
fen werden (Kessler et al. 2011) o »time is brain« sen (>220 mmHg systolisch und diastoli-
Die Behandlung sollte auf einer Schlaganfallsta- sche >120 mmHg) o Zielwerte bei vorbe-
tion (Stroke Unit) erfolgen o höhere Effektivität im stehendem arteriellen Hypertonus
512 Kapitel 27 · Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder

180 mmHg systolisch und 100–105 mmHg der Gesamtdosis als Bolus, die restlichen 90 %
diastolisch, sonst 160–180 systolisch und im Anschluss als Infusion über 60 min o si-
90–100 mmHg diastolisch. Keine schnelle gnifikant verbessertes klinisches Ergebnis nach
Blutdrucksenkung bei hypertensiver Ent- einem ischämischen Schlaganfall!
gleisung, Blutdruck in den ersten Tagen 5 je früher die Lysetherapie nach den ersten
nach Schlaganfall im hypertensiven Bereich Symptomen begonnen wird, desto geringer
halten! – die Krankenhaussterblichkeit (4 % relative
5 geeignete Medikamente Risikosenkung/15 min früherer Therapie),
– parenteral: Clonidin (0,15 mg s.c. oder – die Inzidenz symptomatischer, intrakra-
i.v.) oder Urapidil (5–25 mg i.v.) sowie zur nieller Blutungen (4 % relative Risikosen-
Langzeittherapie Urapidil, Dihydralazin kung/pro 15 min) und desto höher die
und Metoprolol Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten
– oral: Ramipril (5 mg p.o.) oder Kalzium- ohne schwere Behinderungen überleben
antagonisten wie Nitrendipin (5 mg p.o.) und nach Hause entlassen werden (3 %
5 zu vermeiden: Nifedipin, Nimodipin und/ höhere Wahrscheinlichkeit/pro 15 min).
27 oder alle Maßnahmen, die zu einem drasti- 5 Kontraindikation für Lyse: Thrombozyten
schen Blutdruckabfall führen! <100.000/μl, BZ <50 oder >400 mg/dl, vor
4 Blutdruckkontrolle beim hämorrhagischen kurzem gastrointestinale Blutung, chirur-
Hirninfarkt: gischer Eingriff, Schlaganfall oder Hirntrau-
5 rasche Senkung auf Zielwerte: <140– ma, nicht gut einstellbarer Hypertonus (RR
160 mmHg systolisch (gemäß INTERACT- >185/110 mmHg) sowie Patienten mit sehr
2-Studie) schweren Infarkten (NIH Stroke Scale Score
5 EKG-Registrierung >25) und mit ausgedehnten Infarktfrühzei-
5 Monitoring der Körpertemperatur o anti- chen o Gefahr der sekundären Einblutung
pyretische Behandlung (Paracetamol oder 5 Nebenwirkungen: intrazerebrale Blutungen
Metamizol) bei Temperaturrhöhungen (Stammganglienblutung und Lobärblutung)
>37,5°C mit einer Letalität von 50 %
5 Monitoring des Blutzucker und der Elektro- 5 Für Krankenhäuser ohne die Möglichkeit
lyte o bei BZ >200 mg/dl Gabe von Insu- einer endovaskulären Therapie empfiehlt
lin i.v. sich ein sog. Bridging-Konzept. Nach
5 CCT innerhalb von 25 min nach Eintreffen Beginn einer i.v. Lysetherapie (evtl. in re-
zum Ausschluss einer intrazerebralen Blu- duzierter Dosis, z. B. 0,6 mg/kg KG rtPA)
tung, evtl. MRT mit Gradienten-Echo-Se- erfolgt eine sofortige Verlegung in ein
quenz bei rascher Verfügbarkeit und bei Zentrum zur Intervention (Pfefferkorn
Prozessen der hinteren Zirkulation. Bei kli- et al. 2010).
nischem Verdacht auf einen proximalen in- 4 mechanische Rekanalisierung durch Thromb-
trakraniellen Gefäßverschluss (NIHSS ≥10) ektomie bzw. endovaskuläre Rekanalisations-
evtl. CT- oder eine MR-Angiographie o verfahren, insbesondere bei proximalen intra-
dann mechanische Thrombektomie kraniellen Gefäßverschlüssen (proximale A.
cerebri media und Carotis-T) durch verschie-
kSpezifische Behandlung dene Systeme (Merci- und die neueren Trevo-
Beseitigung des Gefäßverschlusses beim ischämi- und Solitaire-Systeme) o Rate der frühen Re-
schen Schlaganfall (innerhalb von 60 min nach Ein- kanalisation n
treffen, »Door-to-Needle«-Zeit): Anmerkung: 3 Studien im Jahr 1013 konnten
4 systemische, intravenöse Lyse mit Alteplase keine Überlegenheit der Thrombektomie
(rtPA) seit 10/2011 im Zeitintervall bis 4,5 h gegenüber der systemischen Lyse aufzeigen
(ECASS-3-Studie) in einer Dosierung von (MR-RESCUE-, IMS-III- und SYNTHESIS-
0,9 mg/kg KG, maximal 90 mg insgesamt, 10 % Studie)!
27.3 · Neuromuskuläre Erkrankungen
513 27
4 offene Hämatomausräumung beim hämor- keit (von 80 auf 30 %) zeigen (DESTINY-,
rhagischen Hirninfarkt DECIMAL- und HAMLET-Studie).
5 Anhand der STICH-Studie konnte gezeigt 5 evtl. Osmotherapie bei Patienten mit Hirn-
werden, dass von einer Ausräumung des druck- und Herniationszeichen o 4×125–
Hämatoms nur solche Patienten profitieren, 250 ml Glycerol 10 % über 30–60 min oder
die eine oberflächlich gelegenen Hirnblu- 25–50 g Mannitol alle 3–6 h
tung aufweisen! Ansonsten wird ein kon- 5 evtl. externe Ventrikeldrainage und eine
servatives Vorgehen empfohlen. subokzipitale Dekompressionsbehand-
5 In den nächsten Jahren könnte die minimal- lung bei raumfordernden zerebellären
invasive Hämatomabsaugung bei Patienten Infarkten mit drohender Hirnstammkom-
>30 Jahre mit einer GCS ≥9 und einem in- pression
trazerebralen Blutvolumen von 25–40 ml an 5 allgemeine Maßnahmen bei Hirndruck:
Bedeutung gewinnen. Oberkörperhochlagerung (30°), ausrei-
chende Schmerzbehandlung, Normalisie-
kBehandlung nach akuten Schlaganfall/ rung der Körpertemperatur
Sekundärprophylaxe 4 kardiale Arrhythmien (VHF, VES, …) o Elek-
Komplikationen und zu ergreifende, prophylakti- trolytausgleich, Gabe von Antiarrhythmika
sche Maßnahmen sind: 4 Herzinsuffizienz
4 Dysphagie, Aspiration und Aspirationspneu- 4 Hyperglykämien Gabe von Insulin nach BZ
monie o Ernährung über transnasale Magen- 4 keine Empfehlung für eine moderate Hypo-
sonde (PEG hat keinen Vorteil! Evtl. PEG-An- thermie (32–33°C) bei raumfordernden supra-
lage bei Ernährungsdauer von >1 Monat), ge- tentoriellen Infarkten!
zielte und frühzeitige AB-Gabe bei Pneumo- 4 kein positiver Effekt von Kortikosteroiden in
nie. Die bakterielle Pneumonie ist eine der der Behandlung bei Patienten mit akutem
häufigsten Komplikationen bei Schlaganfall- ischämischem Schlaganfall!
patienten!
4 tiefe Venenthrombose und Lungenembolie
(bis zu 25 % der Patienten o Flüssigkeitsga- 27.3 Neuromuskuläre Erkrankungen
ben, Frühmobilisation und medikamentöse
Thromboseprophylaxe mit NMH s.c. jKlinik und Diagnostik
4 epileptischer Krampfanfall in 2–6,5 % der Fälle Klinik und Diagnostik neuromuskulärer Erkran-
o Gabe von Antiepileptika zur Vermeidung kungen sind in . Tab. 27.2 dargestellt.
wiederholter Anfälle für 3–6 Monaten (Lamot-
rigin und Levetiracetam als Medikamente der
ersten Wahl), keine prophylaktische Gabe von
Antiepileptika! (s. Kapitel 30)
4 Harnwegsinfekt(e) bei ca. 10 % der Patienten
o Antibiotikagabe für 3 Tage
4 Hirndruck bei raumfordernden Mediainfark-
ten (ca. 10 % aller supratentoriellen Infarkte)
o Durchführung folgender Maßnahmen:
5 frühzeitige Hemikraniektomie innerhalb
von 48 h nach Symptombeginn bei sich ent-
wickelnden malignen Mediainfarkten und
Patienten <60 Jahren durchgeführt werden
o Überlebenswahrscheinlichkeit n und
funktionelles Outcome n. 3 Studien bis
2013 konnten eine Reduktion der Sterblich-
514 Kapitel 27 · Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder

. Tab. 27.2 Klinik und Diagnostik ausgewählter neuromuskulärer Erkrankungen. (Adaptiert nach Münster 2006)

Ort der Schädigung Erkrankung Klinik und Diagnostik

Präjunktional Amyotrophe Lateralsklerose Muskelschwäche und Schwund, Faszikulationen, sakrale


(Degeneration der Motoneu- parasympathische Innervation (Blasen- und Darmsphinkter)
rone, Sensorik intakt!) und Sensorik intakt, ebenso extraokuläre Augenmuskeln, im
Spätstadium Hirnnervenbefall und Bulbärparalyse

Diagnostik: klinische Untersuchung, EMG, Lungenfunktions-


tests

Cave: kein Succinylcholin!

Spinale Muskelatrophie Befall der proximalen Muskulatur (zu 90 %), Schluckstö-


rungen bei Mitbeteiligung des Hirnstamms

Diagnostik: Klinische Untersuchung, EMG, Lungenfunktions-


tests
27 Cave: kein Succinylcholin!

Charcot-Marie-Tooth-Erkran- Atrophie der Peroneusmuskulatur, später auch Befall der


kung (hereditäre motorisch- Unterarmmuskulatur, Steppergang und Storchenbeine
sensorische Neuropathie) Verlust des Sensibilitäts- und Vibrationsempfinden

Diagnostik: EKG, EMG, …

Cave: erhöhte Sensibilität auf Thiopental

Friedreich-Ataxie (Degenera- Ataxie, Atrophie sowie Schwäche und Spastik der Muskulatur,
tion der langen auf- und Dysarthrie, Nystagmus, hypertrophe Kardiomyopathie, Dia-
absteigenden Rückenmarks- betes mellitus und Herzrhythmusstörungen, Hohlfuß und
bahnen) Skoliose

Diagnostik: Echo, EKG, EMG etc.

Junktional Myasthenia gravis (Antikör- Im Laufe des Tages zunehmende Muskelschwäche, Doppel-
per gegen ACh-Rezeptoren, bilder, Ptosis
Ausschluss Thymone)
Positiver Tensilon-Test

Diagnostik: Lungenfunktionstests, Serumelektrolyte

Cave: erhöhte Sensitivität auf ndMR o Dosisreduktion um


den Faktor 2- bis 3-fach, Vermeidung der Antagonisierung
(Gefahr der cholinergen Krise!)

Lambert-Eaton-Syndrom Schwäche der proximalen Extremitätenmuskulatur (Beine >


(Auto-Antikörper gegen Arme), selten Augenmuskulatur- und Bulbärsymptomatik,
spannungsabhängige Kalzi- häufig Befall des autonomen Nervensystems (Mundtrocken-
umkanäle, vorwiegend heit, Obstipation, Harnverhalt, orthostatische Dysregulation)
paraneoplastisch bei klein-
Cave: erhöhte Sensitivität sowohl auf Succinylcholin als auch
zelligen Bronchialkarzinom)
auf ndMR o fehlende Antagonisierung der Blockade mit
CHEI! Möglichst Verzicht auf ndMR oder Verabreichung von
nur 5–10 % der normalen Dosis unter NM-Monitoring!
Ausgewählte Literatur
515 27

. Tab. 27.2 (Fortsetzung)

Ort der Schädigung Erkrankung Klinik und Diagnostik

Postjunktional Muskeldystrophie Duchenne Pseudohypertrophie der Skelettmuskulatur, schnelle Er-


(DMD) (Fehlen von Dystro- schöpfung, Kardiomyopathie, evtl. zunehmende Kontrak-
phin in der Muskelzelle o turen und Atemmuskelschwäche, evtl. geistige Retardierung
vermehrter Kalziumeinstrom
in die Zelle Zunahme extra- Diagnostik: Anamnese, EMG, Echokardiographie zur Beurtei-
junktionaler und fetaler lung der Pumpfunktion
ACh-Rezeptoren) Cave: kein Succinylcholin! Notfalls Anwendung von nicht-
depolarisierenden Muskelrelaxanzien (ndMR) mit verlänger-
ter Wirkdauer! Thrombozytenfunktion eingeschränkt (er-
höhter Blutverlust), Gefahr der Hypothermie (Muskelmasse p)

Myotonia dystrophica Myotonien sowie distal betonte Muskelschwäche, Atrophie


und Schwäche der Schluck- und Kiefermuskulatur, einschließ-
lich M. sternocleidomastoideus und Ptosis, Herzrhythmus-
störungen

Aspirations- und sekundäre Pneumonien, evtl. Diabetes


mellitus

Diagnostik: Lungenfunktion (VC und TLC p), EKG und evtl.


Langzeit-EKG, evtl. Röntgen-Thorax

Cave: Kein Succinylcholin, Aufrechterhaltung einer Normo-


thermie

Ausgewählte Literatur Feigin VL, Anderson N, Rinkel GJE et al. (2005) Corticosteroids
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516 Kapitel 27 · Neurointensivmedizinische Krankheitsbilder

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517 28

Intensivtherapie bei Schädel-


Hirn-Trauma (SHT)
M. Fresenius

28.1 Grundlagen – 518

28.2 Neuromonitoring – 519

28.3 Therapie – 521

28.4 Sonderfall: offenes Schädel-Hirn-Trauma – 523

Ausgewählte Literatur – 525

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_28, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
518 Kapitel 28 · Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

28.1 Grundlagen timierung der Akutbehandlung in der Prähospital-


phase (»golden hour of shock«) mit der Prävention
jDefinition von Hypoxämie und arterieller Hypotonie, aber
Das Schädel-Hirn-Trauma ist Folge einer Gewalt- auch in einem verbesserten intrahospitalen Trau-
einwirkung, die zu einer Funktionsstörung und/ ma-Management.
oder Verletzung des Gehirns geführt hat und mit
einer Prellung oder Verletzung der Kopfschwarte, jPathophysiologie
des knöchernen Schädels, der Gefäße und/oder der Es liegt eine Störung der zerebralen Gefäßautoregu-
Dura verbunden sein kann. lation und/oder eine Zunahme der intrazerebralen
Volumen (Volumenzunahme des Hirnparenchyms
jEinteilung infolge Schwellung/Blutung oder des intrazerebra-
4 offenes SHT (mit Duraeröffnung und Gefahr len Blutvolumens) zugrunde.
der sekundären Meningitis 7 Kap. 15):
5 direkt offenes SHT: durchgehende Verlet- jKlinik
zung von Kopfschwarte, Schädelknochen 4 Kopfschmerzen, Benommenheitsgefühl, Übel-
und Dura, d. h. direkte Kommunikation des keit oder Schwindel, Doppelbilder und
intrakraniellen mit dem extrakraniellen Schwerhörigkeit
Raum 4 Amnesie, Wachheitsstörungen, Orientierungs-
28 5 indirekt offenes SHT: Kommunikation des störungen, Erbrechen, Lähmungen, Sprach-
intra- mit dem extrakraniellen Raum über und/oder Koordinationsstörungen, Hirnner-
Eröffnung von Nebenhöhlen (z. B. bei fron- venstörungen, Krampfanfälle, Streckkrämpfe,
tobasaler Fraktur) vegetative Störungen
4 geschlossenes SHT (Dura intakt)
jDiagnostik
Des Weiteren wird eine primäre von einer sekun- 4 Anamnese des Unfallhergangs und der Dauer
dären Hirnschädigung unterschieden. der Bewusstlosigkeit sowie der primären Neu-
Der Schweregrad des Schädelhirntraumas wird rologie sind für die Einschätzung des Traumas
anhand der Glasgow Coma Scale in 3 Grade einge- von primärer Bedeutung.
teilt (. Tab. 28.1). Die Hirnschädigung wird wiede- 4 Erhebung des neurologischen Status (außerkli-
rum anhand . Tab. 28.2 unterteilt. nisch und bei Aufnahme)
4 Suche nach Begleitverletzungen (ca. 15 % aller
jInzidenz SHT-Patienten haben begleitende Verletzun-
4 SHT ist die Erkrankung des Jugendlichen und gen der Wirbelsäule bzw. des kraniozervikalen
jungen Erwachsenen (10–24 Jahre) und des Überganges. Bis zum radiologischen Beweis
geriatrischen Patienten (70–74 Jahre)! des Gegenteils sollte daher bei bewusstlosen
4 Inzidenz 330/100.000 Einwohner bezüglich Patienten von einer instabilen Wirbelsäulen-
aller Schweregrade; ca. 5–10 % dieser Fälle sind verletzung ausgegangen werden (Immobilisie-
schwere Verletzung rung mit fester Halskrawatte – »stiff neck«,
4 häufigste Todesursache unter 40. Lebensjahren Lagerung en bloc, Vakuummatratze).
in den westlichen Industrienationen (ca. 15 % 4 Andere Ursachen, die zum Unfall mit SHT ge-
der Sterbefälle im Alter von 15–25 Jahren) führt haben, ausschließen: Neben endokrino-
4 Kosten der Akutversorgung 700 Mio. €/Jahr logischen und metabolischen Ursachen ist
auch an kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre
jPrognose Erkrankungen (Herzinfarkt, Lungenembolie,
Nach schwerem SHT resultieren in ca. 40 % der Fäl- Schlaganfall, Subarachnoidalblutung) sowie
le bleibende schwerste Behinderungen. Insgesamt andere Gründe wie Intoxikation und Hypo-
hat sich in den letzten 10 Jahren die Prognose des thermie zu denken!
SHT deutlich verbessert. Dies liegt u. a. an einer Op-
28.2 · Neuromonitoring
519 28

. Tab. 28.1 Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas nach Glasgow Coma Scale

Einteilung Glasgow Coma Scale (GCS)

Leichtes SHT GCS >13–15 Punkte Bewusstlosigkeit und Bewusstseinseintrübung bis zu 1 h,


(80–90 %) völlige Wiederherstellung

Mittelschweres SHT GCS 9–12 Punkte Bewusstlosigkeit und Bewusstseinseintrübung bis zu 24 h


(9–12 %)

Schweres SHT GCS 3–8 Punkte Bewusstlosigkeit und Bewusstseinseintrübung >24 h oder
(3–8 %) >6 h mit Hirnstammläsion

GCS: Glasgow Coma Scale von Teasdale und Jennett (1974), 7 Serviceteil

. Tab. 28.2 Schweregradeinteilung des SHT

Grad I Keine Substanzschäden des Gehirns, kurze Bewusstlosigkeit, neurologische Ausfälle


(Commotio cerebri) können vorhanden sein, klingen jedoch innerhalb von 4 Tagen ab

Grad II Substanzschäden des Gehirns, Bewusstlosigkeit bis zu 1 h, neurologische Ausfälle kön-


(leichte Contusio cerebri) nen bis zu 3 Wochen nachweisbar sein

Grad III Substanzschäden des Gehirns, Bewusstlosigkeit meist Tage bis Wochen, neurologische
(schwere Contusio cerebri) Ausfälle länger als 3 Wochen und bilden sich nur langsam, teilweise oder nicht zurück

kErweiterte Diagnostik
. Tab. 28.3 ICP-Einteilung
4 Röntgen des Schädels in 2 Ebenen
4 initiale, kranielle Computertomographie ICP [mmHg] Einteilung
(CCT); evtl. Verlaufs-CCT innerhalb von 8 h
bei bewusstlosen Patienten und/oder Verlet- 15–19 Leicht erhöhter Hirndruck
zungszeichen in der initialen CCT-Untersu- 20–29 Deutlich erhöhter Hirndruck
chung
30–39 Hochgradig erhöhter Hirndruck
4 Überprüfung einer primären Operations-
indikation: intrazerebrale Hämatome >30 ml,
Mittellinienverlagerung >5 mm, extrazerebrale
Hämatome >10 mm Schichtdicke 28.2 Neuromonitoring
4 Indikationsstellung zur Anlage einer Hirn-
drucksonde s. unten 28.2.1 ICP-Messung (. Tab. 28.3)
4 Kernspintomographie (MRT) o höhere Sen-
sitivität für umschriebene Gewebsläsionen und 4 normaler ICP: 5–15 mmHg, ‡ ca. 10 mmHg
wird bei Patienten mit neurologischen Stö- 4 kurzfristig kann der ICP bei Husten, Pressen
rungen ohne pathologischen CT-Befund emp- usw. auf Spitzenwerte von 50–80 mmHg an-
fohlen! steigen
4 biochemische Marker: Protein S-100 (Werte 4 die normale ICP-Kurve zeigt langsame respira-
>2,5 μg/l korrelieren mit einem schlechten torische und schnelle kardiale Schwankungen
Outcome (Tod, schwere Behinderung)
> Bei SHT sollte ein ICP <20 mmHg angestrebt
werden (Grad-E-Empfehlung).
520 Kapitel 28 · Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

4 Indikationen zur ICP-Messung 28.2.3 Jugularvenöse Sättigung (SvjO2)


5 schweres SHT mit pathologischem CCT-
Befund (intrakraniellen Hämatoms, einer Bestimmung des intrakraniellen Sauerstoffver-
Kontusion, eines Hirnödems bzw. von kom- brauchs und zerebralen Blutflusses. Messung im Bul-
primierten basalen Zisternen) und/oder mit bus der Vena jugularis nach dem Fick’schen Prinzip:
einer Glasgow Coma Scale von 3–8 (Brain
Trauma Foundation 2007) CMRO2 = CBF x avjDO2
5 Patienten mit schwerem SHT und norma-
lem CCT-Befund, wenn mindestens 2 der 3 CMRO2
1. avj DO2 = = ca O2  c vjO2
folgenden Kriterien zutreffen: CBF
– uni- oder bilaterale Beuge- und/oder Ref.: 5  9 ml/100 ml
Strecktendenzen am Unfallort
– Therapierefraktäre arterielle Hypotonie CBF
2.SvjO 2 = Ref.:55 − 75%
(RRsyst.<90 mmHg) CMRO 2
– Alter >40 Jahre
5 Patienten, bei denen ein erhöhtes Risiko 4 >15 min unter 50 % o Desaturationsepisode,
eines ICP-Anstiegs besteht und die längere schlechtes neurologisches Outcome!
Zeit im Koma sind (>6 h) oder längere Zeit 4 >75 % o hoher zerebraler Blutfluss (CBF)
28 nicht beurteilbar sind, z. B. wegen längere nach Trauma, akute Infarzierung und
Operation ubstanzverlust, Kontamination mit extra-
kraniellem Blut
Anmerkung: bei sedierten und beatmeten Patien- 4 die Spitze der Messsonde sollte in Höhe des 2.
ten ist die Indikation eher großzügig zu stellen, da Halswirbels (C2) liegen! (Röntgenkontrolle)
die klinische Beurteilung des neurologischen Status 4 primär Sonde in die rechte Jugularvene legen
erschwert ist. (besserer Flow), sonst die Verletzungsseite be-
ICP-Messung führt nach Stein et al. (2009) zur vorzugen!
Senkung der Mortalität um 12 % sowie zu einer Ver- 4 Technik: 4-F-Doppellumenkatheter, retrograde
besserung des neurologischen Outcomes um 6 %! Punktion 5-F-Schleuse, Oximetrix (Abbott),
Die ICP-Sonde sollte intraventrikulär (»Goldstan- Edslab (Baxter)
dard«) platziert werden o Ablassen von Liquor bei 4 unter Annahme eines konstanten VO2 reflek-
ICP-Krise. Alternativer Messort ist das Hirnparen- tiert der SvjO2 die zerebrale Perfusion o gerin-
chym (Druckmessung mittels »Tip-Transducer«), ge Korrelation! Verbesserung der Korrelation
in Ausnahmefallen kann die Messung im Epidural- durch Kombination mit jugularvenöser Laktat-
raum (sehr artefaktanfällig) erfolgen. bestimmung o r = 0,74
! Die jugularvenöse Sättigung ist nur ein glo-
baler (Trend-)Parameter, hohe Artefaktanfäl-
28.2.2 Transkranielle Doppler-
ligkeit!
sonographie (TCD)

4 Nachweis einer zerebralen Hyperämie und 28.2.4 Intraparenchymatöse ptiO2


eines Vasospasmus
4 Messung des Blutflusses in den basalen Hirn- 4 Messung des Gewebesauerstoffpartialdruck
arterien (A. cerebri media) mittels Clark-Miniaturelektroden z. B. Licox
4 V mean = 50–80 cm/s o dient eher als Verlaufs- (Normwert: ptiO2: 25–30 mmHg)
parameter, nicht als Absolutwert! 4 Werte <15 mmHg signalisieren schwere Hypo-
4 ein Abfall auf 15 % bedeutet schwere Ischämie xie/Ischämie
28.3 · Therapie
521 28
28.3 Therapie

28.3.1 Allgemeine Therapieziele

4 Aufrechterhaltung eines adäquaten zerebra-


len Perfusionsdrucks (CPP) bzw. eines zereb-
ralen Blutflusses (CBF)
CPP = MAP-ICP und CBF = CPP/CVR
. Abb. 28.1 Zusammenhang der Parameter ICP und CPP
! Deshalb soll eine arterielle Hypotension
(MAP p) mit konsekutiver zerebraler Ischämie
und/oder gesteigertem Hirndruck vermieden
dung einer Hypoxie mit paO2 <60 mmHg bzw.
werden!
Sättigung <90 %)

> Die Aufrechterhaltung eines adäquaten CPP


Anmerkung: Bedeutender als der ICP ist der CPP,
>50 mmHg sollte eingehalten werden (Grad-
der stets >50 mmHg betragen soll! Keine aggressive
E-Empfehlung).
Blutdruckanhebung und keine Steigerung des CPP
4 Zurzeit existieren zwei differente »Therapie- >70 mmHg!
philosophien«:
5 CPP-Konzept nach Rosner mit der Annah-
me einer intakten zerebralen Autoregula- 28.3.2 Spezielle Therapiemaßnahmen
tion. Ziel ist eine Erhöhung des MAP, ggf.
mittels Katecholaminen (Noradrenalin und Präklinische Maßnahmen
ggf. Dobutamin) und gezielter Flüssigkeits- 4 frühzeitige Intubation und Sicherstellung
therapie, sodass der CPP über 70 mmHg be- einer adäquaten Oxygenierung. Die Oxyge-
trägt o bei intakter Autoregulation kommt nierung wird pulsoxymetrisch überwacht; Ziel-
es zu einem Abfall des ICP und somit zur parameter: O2-Sättigung >95 % bzw. paO2
weiteren Verbesserung des CPP (. Abb. >80 mmHg und pCO2: 35 (–40) mmHg; »lun-
28.1)! genprotektive« druckkontrollierte Beatmung
5 Das sog. Lund-Konzept mit der Annahme mit – falls notwendig – moderaten PEEP
einer gestörten Blut-Hirn-Schranke. Ziel ist 4 Vor allem Patienten mit einer GCS <8 bzw.
es, das posttraumatische vasogene Hirn- Patienten mit Mittelgesichtsverletzung oder
ödem durch eine Reduktion des mittleren hohem Querschnitt sollten frühzeitig intu-
arteriellen Blutdrucks als treibende Kraft biert (Aspirationsschutz) und beatmet wer-
zu limitieren durch: den (adäquate Oxygenierung). Nur diskrete
– Reduktion des kapillären hydrostatischen Reklination bei der Intubation!
Drucks durch Gabe von α2-Agonisten,
! 10% der Patienten haben begleitende HWS-Ver-
z. B. Clonidin, oder/und β1-
letzungen! Vor Intubation Sicherung der HWS!
Rezeptorenblocker, z. B. Metoprolol –
Reduktion des zerebralen Blutflusses 4 Normo- oder allenfalls mäßige Hyperventila-
durch Applikation von Dehydroergota- tion; wünschenswerte kontinuierliche exspira-
min (DHE) torische PCO2-Überwachung mittels Kapno-
– Stabilisierung des kolloidosmotischen graphie
Druckes (Albumin >4 g/dl)
5 Das Lund-Konzept ist in Mitteleuropa sehr Schockbekämpfung (ausreichend venöse Zugänge
umstritten! legen, adäquate Volumen- und ggf. Katecholaminthe-
4 Vermeidung von Vasospasmen rapie) (cave: keine Überwässerung des Patienten!)
4 Aufrechterhaltung einer adäquaten Oxyge- 4 Beurteilung der Bewusstseinslage und des Ver-
nierung (Normoxie, Normokapnie, Vermei- letzungsmusters und deren Dokumentation
522 Kapitel 28 · Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

Intensivmedizinische Therapieansätze 5 Bolusgabe von hochdosiertem Mannitol


4 Basismaßnahmen (Osmofundin 20 %) 0,5–1,4 g/kg KG, solan-
5 invasives hämodynamisches Monitoring ge Serumosmolarität <320 mmol/l
(Arterie, PiCCO etc.) – Effekt: Anstiegs der Plasmaosmolarität o
5 erweitertes Neuromonitoring (ICP, evtl. Volumenverschiebung von extra- nach
Bulbusoxymetrie, PtiO2-Messung, zerebrale intravaskulär, Verbesserung der rheologi-
Mikrodialyse, Thermodiffusionsmessung) schen Bluteigenschaften mit Steigerung
5 zerebrale Drainage optimieren: Kopf in des hirnvenösen Abflusses sowie auto-
Neutralstellung, +30°-Oberkörperhochlage- regulatorische Vasokonstriktion von zere-
rung bei stabiler Hämodynamik brovaskulären Widerstandsgefäßen,
5 Normothermie (aggressive Therapie von Entzug von Flüssigkeit und Abnahme des
Hyperthermien, >38°C); physikalisch und zerebralen Blutvolumens
medikamentös: Paracetamol 1 g i.v. bis zu – Nebenwirkungen: Hypovolämie auf-
4-mal tgl., Metamizol 1 g i.v. bis zu 4-mal tgl. grund der osmotischen Diurese mit der
Pethidin 50–100 mg i.v. bis zu 3-mal tgl. Gefahr der arteriellen Hypovolämie und
oder Diclofenac 75 mg i.v. bis zu 2-mal tgl. CPP p, Rebound-Phänomen bei gestörter
(alternativ rektale Applikation von 50 mg Blut-Hirn-Schranke (Zunahme des Hirn-
bis zu 3-mal tgl.) ödems!), nephrotoxische Wirkung (Tubu-
28 5 Normoglykämie (BZ <150 mg/dl) lusschaden!)
5 frühzeitige enterale Ernährung ab dem 4 adäquate Analgesie und Sedierung mit Pro-
2. Tag nach Trauma sowie Kost- und Ener- pofol (für <7 Tage und in einer Dosierungen
gieaufbau bis zum 7. Tag nach Trauma. von maximal 4 mg/kg KG/h); Vermeidung von
Patienten mit einem schweren SHT haben Ketamin (Beeinflussung der Pupillenmotorik),
einen hohen Kalorienbedarf, binnen der Vermeiden von Pressen und Husten o evtl.
ersten 72 h post Trauma (20–50 % über dem Muskelrelaxierung o CMRO2 p
Standardgrundumsatz) 4 Reduktion des zerebralen Stoffwechsels und
5 Thromboseprophylaxe mit mechanischer damit der zerebralen Perfusion durch Barbitu-
Unterschenkelpumpe (z. B. Venaflow) ratgabe bei vorausgegangenem therapierefrak-
oder medikamentös mit Heparin (2-mal tären ICP-Anstieg und hämodynamischer Sta-
5000–7500 I.E. s.c. oder NMH (Clexane bilität
20/40 mg s.c.) 5 Dosierung: 6–10 mg/kg KG, anschließend
5 Infektionsprophylaxe (zur Intubation, 3–5 mg/kg KG/h
Frühtracheotomie) 5 Effekte: primär Reduktion der neuronalen
5 Anmerkung: Keine Anfallsprophylaxe mit metabolischen Aktivität o reaktive Vaso-
Phenytoin oder Valproinsäure bei SHT-Pa- konstriktion bei direkter Koppelung des
tienten. Eine antikonvulsive Therapie ver- CBF an den CMRO2, Reduktion der Lipid-
hindert das Auftreten epileptischer Anfälle peroxidasen, Verbesserung der regionalen
in der ersten Woche nach Trauma. Das Auf- Sauerstoffbilanz
treten eines Anfalls in der Frühphase führt 5 Nebenwirkungen: MAP p, Risiko nosoko-
jedoch nicht zu einem schlechteren klini- mialer Infektionen n, kein prophylaktisches
schen Ergebnis. Barbituratkoma!
4 erweitere Maßnahmen 4 Hyperventilation nur in der Hirndruckkrise
5 ICP-Kontrolle und Therapie bei ICP-Wer- (pCO2 <30 mmHg). Keine prophylaktische
ten >20 mmHg für >5 min: Hyperventilation (pCO2 = 30–35 mmHg);
5 intermittierendes oder kontinuierliches Ab- möglichst keine Hyperventilation innerhalb
lassen von Liquor über eine ventrikulären von 24 h nach Trauma aufgrund der Gefahr des
Liquordrainage, kein routinemäßiger ausgeprägten CBF-Abfalls bei sensiblen vasku-
Wechsel der Liquordrainage lären Systems!
28.4 · Sonderfall: offenes Schädel-Hirn-Trauma
523 28
5 Effekt: Reduktion des Blutflusses bzw. des > Patienten mit SHT und Hypotension haben
intrakraniellen Blutvolumens durch zereb- nach »small volume resuscitation« eine dop-
rale Vasokonstriktion bei Hypokapnie pelt so hohe Überlebenschance.
5 Cave: ausgeprägte Vasokonstriktion mit ei-
ner zerebrale Minderperfusion o möglichst kNeurochirurgische Therapieansätze
Monitoring der zerebralen Oxygenierung 4 Anlage einer Hirndrucksonde zum invasiven
(z. B. durch kontinuierliche Messung von Monitoring bzw. Anlage einer Liquordrainage
SjvO2 bzw. PtiO2) zur Kontrolle und Therapie des akuten Hirn-
4 Stabilisierung des Kreislaufes mit systoli- drucks (schrittweises Ablassen von 10–20 ml
schem Blutdruck >120 mmHg bzw. MAP Liquor)
>80 mmHg o Applikation von Dobutamin 4 intrazerebrale Hämatomausräumung (Häma-
und Noradrenalin bei Hypotension; adäquaten tomvolumen >30 ml, Mittellinienverlagerung
Volumenstatus herstellen o Flüssigkeitsthera- >5 mm) oder kranielle Dekompressionskranio-
pie mit isotonen Lösungen (z. B. Sterofundin tomie
ISO, Ringerlösung etc.) 4 operatives Vorgehen bei
4 evtl. Antibiotikaprophylaxe bei frontobasa- 5 epiduralem Hämatom (Volumen >30 ml
len Frakturen mit Liquorrhö unabhängig vom GCS. Abwartendes Proze-
dere bei Volumen <30 ml, Hämatomdicke
<15 mm, Mittellinienverlagerung <5 mm
28.4 Sonderfall: und GCS >8) und
offenes Schädel-Hirn-Trauma 5 beim subduralem Hämatom (Hämatomdi-
cke >10 mm oder Mittellinienverlagerung
jDiagnostik >5 mm unabhängig vom GCS. Abwartendes
4 Im CCT intrakranielle Lufteinschlüsse nach- Procedere bei SDH mit nur geringem raum-
weisbar forderndem Effekt und GCS ≥9)
4 Nachweis von Rhino- und/oder Otoliquorrhö
(positiver Test auf »Betatrace«-Protein oder β2- . Abb. 28.2 zeigt den von der AWMF empfohlenen
Transferrin in Nasen- und/oder Ohrsekret) Therapiealgorithmus bei erhöhtem Hirndruck. Die
evidenzbasierte Bewertung einiger empfohlener
jTherapie Therapiemaßnahmen bei Hirndruck kann aus
4 Infektionsprophylaxe mit intravenösem, li- . Tab. 28.4 entnommen werden. Nachfolgende
quorgängigen Breitbandantibiotikum (z. B. Ce- Therapiemaßnahmen werden bei Hirndruck nicht
fotaxim 2-mal 1–2 g i.v. bzw. Cefotiam 2-bis mehr empfohlen (. Tab. 28.5).
3-mal 1–2 g i.v.).
4 evtl. operativer Duraverschluss bei großem kWeitere Therapieoptionen
Defekt oder Fortbestehen der Liquorrhö/Li- Diese zeigten bis jetzt bezüglich einer Outcome-
quorfistel (bei kleinen Defekten in ca. 70 % Verbesserung keinen Vorteil! Hierzu zählt die Gabe
spontanes Sistieren innerhalb von 7 Tagen). von:
4 Ausschluss einer vaskulären Verletzung bei ei- 4 Tirilazad (21-Aminosteroid)
nem offenen SHT mit intrakraniellen Hämato- 4 Seltorel (Glutamatrezeptorantagonist)
men und/oder pterionalen bzw. orbitofazialen 4 Bradycor (Bradykininantagonist)
Verletzungen CCT oder CT-Angiographie 4 Nimodipin (Kalziumantagonist)
4 hyperbare Sauerstofftherapie
! Hypotone kristalloide Lösungen wie z. B. 4 therapeutische, milde Hypothermie von
Glukose 5 %- und Ringer-Laktat-Lösung soll- 34–36°C
ten aufgrund der Gefahr eines Hirnödems 4 TRIS-Puffer
vermieden werden. 4 Glukokortikoide
524 Kapitel 28 · Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

28

. Abb. 28.2 Klinischer Algorithmus der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF)
zur Hirndrucktherapie
Ausgewählte Literatur
525 28

. Tab. 28.4 Evidenzbasierte Bewertung einiger empfohlener Therapiemaßnahmen bei Hirndruck

Therapieempfehlungen bei schweren SHT Stufe der Empfehlung

Zerebraler Perfusionsdruck

CPP = 50–70 mmHg A

Beatmung

Kontrollierte Beatmung nach Intubation und Sedierung von Patienten mit einem A
schweren SHT

Kreislaufstabilisierung

Vermeidung von Hypotension (systolischer Blutdruck <90 mmHg) und Hypoxie (PaO2 A
<60 mmHg bzw. SaO2 <90 %)

ICP-Kontrolle

Liquordrainage bei Vorhandensein einer Ventrikelsonde B

Applikation von hyperosmolaren Substanzen wie z. B. Mannitol 20 % (1,2–1,4 g/kg KG) B

Moderate Hyperventilation (PaCO2 30–35 mmHg) B

Bei therapierefraktärer intrakranieller Hypertension: forcierte Hyperventilation (PaCO2 C


<30 mmHg)

Hochdosisbarbiturattherapie C

Dekompressive Entlastungskraniotomie C

. Tab. 28.5 Evidenzbasierte nicht empfohlene Therapiemaßnahmen bei schweren SHT

Therapieempfehlungen bei schweren SHT Stufe der Empfehlung

Kortikosteroide

Keine Anwendung von Kortikosteroiden und Magnesiumsalzen (weder für die Therapie A
noch für die Prophylaxe)

Antiepileptika

Keine prophylaktische Applikation von Antiepileptika zur Vermeidung von posttrauma- B


tischen epileptischen Anfallen

Ausgewählte Literatur (2007) Guidelines for the management of severe


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526 Kapitel 28 · Intensivtherapie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

Firsching R, Woischneck D, Reissberg S, Döhring W, Peters B


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http://www.esmerel.org/specific/tbi.htm
http://www.trauma.org/neuro/
http://www2.braintrauma.org/
http://www.btf.org (Brain Trauma Foundation)
http://homepages.ed.ac.uk/gdm/ebic/
527 29

Therapie zerebraler
Krampfanfälle
M. Fresenius

29.1 Epilepsie des Erwachsenen – 528

29.2 Status epilepticus (SE) – 530

Ausgewählte Literatur – 533

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_29, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
528 Kapitel 29 · Therapie zerebraler Krampfanfälle

jPrävalenz deren Phänomenologie auf abnormen neuronalen


4 0,7–0,8 % in der Bevölkerung Entladungen der Hirnrinde basiert. Es kommt da-
4 Die Neuerkrankungsrate liegt bei 46/100.000 bei zu hochsynchronen und hochfrequenten patho-
Einwohner pro Jahr, wobei etwa ein Drittel der logischen zeitlich begrenzten Entladungsfolgen to-
Epilepsien erstmals jenseits des 60. Lebensjah- pologisch variabler und unterschiedlich großer
res (mit zunehmendem Lebensalter steigend) Gruppen von Nervenzellen. Gemäß der Kommis-
auftreten. Ein Drittel beginnt im Kindesalter sion der Internationalen Liga gegen Epilepsie
mit absteigender Wahrscheinlichkeit bis zum (ILAE) ist die Diagnose einer Epilepsie dann bereits
18. Lebensjahr. gerechtfertigt, wenn mindestens ein epileptischer
4 Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an Anfall aufgetreten ist und Befunde vorliegen, die auf
einer Epilepsie zu erkranken, liegt mit zuneh- die Prädisposition für weitere epileptische Anfälle
mender Tendenz aufgrund der epidemiologi- hinweisen.
schen Altersentwicklung bei >5 %. Die Wahr-
scheinlichkeit eines einmaligen epileptischen jEinteilung
Anfalls im Laufe des Lebens liegt bei >10 %. 4 lokalisationsbezogene und generalisierte
Anfälle
jHäufige Ursachen 4 Epilepsien
4 bei Kindern 4 Syndrome
5 Fieberkrampf
5 Hypoglykämie oder Elektrolytstörung Aus pragmatischen Gründen teilt man die Epilep-
29 (Na+, Ca2+) sien differenzial-ätiologisch in
5 Meningitis, Enzephalitis (viral-bakteriell), 4 symptomatische (mit identifizierbaren,
Hirnabszess strukturellen Veränderung bzw. mit einer
5 Schädel-Hirn-Trauma Grunderkrankung im Zentralnervensystem)
5 genuine Epilepsie 4 idiopathische (mit nachgewiesenen oder ver-
5 Intoxikation muteten genetischen Veränderungen an Ionen-
5 »battered child« kanälen und Transmitterrezeptoren)
5 Hirnblutung (Vitamin-K-Prophylaxe, AV- 4 kryptogene (keine Ursachen mit den heutigen
Malformation) Untersuchungsmethoden nachweisbar)
4 bei Erwachsenen
5 primäre bzw. genuine Epilepsie jKlassifikation
5 posttraumatische Epilepsie kLokalisationsbezogene (fokale, partielle)
5 Alkoholentzug Anfälle
5 Intoxikation Sie entstehen in definierten Regionen des Gehirns,
5 medikamentös, z. B. unter Imipenem- die klinisch durch die Phänomenologie des Anfalls
Therapie und/oder apparative Zusatzuntersuchungen wie
EEG und MRT bestimmt werden können.
jKomplikationen Gehen sie mit Bewusstseinsstörungen einher,
4 postiktale Parese (Todd-Parese) werden sie als komplex-fokale oder komplex-par-
4 Hirnödem infolge Hypoxie, Hypoklykämie etc. tielle Anfällen bezeichnet.
4 Kreislaufstillstand infolge Apnoe Anmerkung: Isolierte Zuckungen von Extremi-
täten weisen auf eine Störung der Zentralregion hin.
Orale Automatismen finden sich bei Temporallap-
29.1 Epilepsie des Erwachsenen penanfällen, höchst »komplexe« Bewegungsabläufe
bei frontalen Anfällen.
jDefinition
Epileptische Anfälle sind vorübergehende plötzli-
che Dysfunktionen des zentralen Nervensystems,
29.1 · Epilepsie des Erwachsenen
529 29
kSekundär-generalisierte (fokal eingeleitete) dären Nierenversagens); evtl. Lipase, Schilddrü-
Anfälle senhormonen, Kreatinin, fakultativ Vitamin B1,
Sie entstehen durch die Ausbreitung fokal eingelei- Vitamin B6, B12, Folsäure, NH3, Harnstoff, Blut-
teter Anfälle. Sie sind nicht identisch mit primär gasen; Toxikologie-Screening inkl. Drogen-,
generalisierten Anfällen. Die Wirksamkeit eines Psychopharmaka- und Ethanol-Bestimmung
Therapieverfahrens gegen sekundär tonisch-kloni- 4 CCT bzw. so bald wie möglich ein Schädel-
sche Anfälle bedeutet daher nicht, dass hiermit auch MRT zum Ausschluss akuter symptomatischer
primär generalisierte Anfälle (Epilepsien) erfolg- Ursachen
reich behandelt werden können. 4 EEG, insbesondere bei Therapieversagen
Primär generalisierte Anfälle erfassen von An- 4 Blutgasanalyse zur Detektion einer syste-
fang an die Hirnrinde beider Großhirnhemisphä- mischen Azidose infolge wiederholter moto-
ren. Trotzdem kann ihre Phänomenologie stark rischer Krämpfe
variieren. Typische Absencen sind ebenso wie viele
tonische, klonische, myoklonische Anfälle oder to- j(Akut-)Therapie
nisch-klonische Anfälle primär generalisiert. 4 allgemeine Maßnahmen:
5 Schutz vor Selbstgefährdung und Freihalten
jKlassifikation der Atemwege (wenn möglich sofortige
4 idiopathische generalisierte Epilepsien oder Entfernung von Zahnersatz)
Epilepsiesyndrome 5 Überwachung von Sauerstoffsättigung,
4 fokale Epilepsien oder fokale Epilepsie- Herzaktion und Atmung (Pulsoxymetrie,
syndromen Blutdruck-Überwachung) → O2-Insufflation
(via Maske, ggf. Intubation und Beatmung)
jUrsachen 5 Legen mindestens eines stabilen, anfallsun-
Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle ha- gefährdeten (d. h. außerhalb der Ellenbeuge
ben eine Vielzahl von Ursachen: lokalisierten) i.v. Zugangs
4 genetischen Dispositionen (z. B. Ionenkanal- 5 Gabe von Thiamin 100 mg i.v. bei Verdacht
oder Transmitterrezeptormutation) auf ethanolassoziierten Krampfanfalls
4 verschiedene Stoffwechseldefekte 5 Gabe von Glukose 40 % 60 ml i.v. bei
4 angeborene und perinatal erworbene Verdacht auf oder nachgewiesener Hypo-
Hirnmissbildungen/-schäden glykämie
4 Entzündungs- und Traumafolgen 5 symptomatische Temperatursenkung bei
4 Hirntumoren, vaskuläre Läsionen oder seltene Körpertemperatur über 37,5°C
Erkrankungen wie die tuberöse Hirnsklerose, 4 medikamentöse Maßnahmen:
etc.
! Der Krampfanfall sollte, wenn er länger als
15 min anhält, medikamentös beendet wer-
jDiagnostik
den. Ein längeres Krampfen (>30 min) sollte
Bei bekannter Epilepsie und Krampfanfall:
zur Vermeidung einer Langzeitschädigung
4 vor der medikamentösen Therapie Bestim-
nicht auftreten!
mung des Serumspiegels von anamnestischen
bekannten Antiepileptika 5 Lorazepam (Tavor pro injectione = 2-mg-
4 Fremdanamnese des Krampfanfalls (generali- Amp.) intravenös 2–4 mg bzw. 0,05 mg/
siert, tonisch klonisch, fokale oder Absence- kg KG oder bukkal (Tavor expidet) als 1-
Anfälle, …) oder 2,5-mg-Plättchen
4 Blutentnahme zur Routine-Labordiagnostik 5 Clonazepam (Rivotril, 1-mg-Amp.) intra-
(sofortiger Glukose-Schnelltest, Blutbild, Diffe- venös 1–2 mg bzw. 0,015 mg/kg KG, ggf.
renzialblutbild, Bestimmung von BSG, CRP, einmal wiederholen
Elektrolyten, Leberenzymen, CK (Nachweis ei- 5 Midazolam (Dormicum) 3–5 mg intravenös
ner Rhabdomyolyse mit Gefahr eines sekun- bzw. intranasale oder bukkale Gabe von
530 Kapitel 29 · Therapie zerebraler Krampfanfälle

5–10 mg, ggf. wiederholen, max. ca. 20 mg kLangzeittherapie


oder notfalls 10 mg i.m. Mittel der ersten Wahl bei fokalen Anfällen bzw.
5 bei fehlenden intravenösen Zugang: Diaze- sekundär generalisierten Epilepsien:
pam (Valium) 10–20 mg rektal, ggf. wieder- 4 Lamotrigin (Lamictal)
holen, max. ca. 30 mg für Erwachsene bzw. 4 Levetiracetam (Keppra) p.o. und i.v.
0,5 mg/kg KG rektal als 5- oder 10-mg-Rek- 4 Topiramat (TOPAMAX)
tiole für Kleinkinder 4 Valproinsäure (Ergenyl/Convulex)
4 Gabapentin (Neurontin)
4 Carbamazepin (Tegretal, etc.)
29.2 Status epilepticus (SE) 4 Oxacarbacepin (Apydan, etc.)

jStadien/Formen Mittel der ersten Wahl bei generalisierten oder


Unterschieden werden: initialer, etablierter und re- idiopathischen Epilepsien:
fraktärer SE. 4 Valproinsäure (Ergenyl/Convulex)
4 Topiramat (TOPAMAX)
jTherapie 4 Lamotrigin (Lamictal)
4 Stufe 1:
5 Benzodiazepine wie Akutherapie intra- Anmerkung:
venös, alternativ intranasal und evtl. bukkal 4 Bei fokalen Epilepsien haben alle oben ge-
oder nannten Medikamente – mit Ausnahme von
29 5 an zweiter Stelle Levetiracetam (Keppra; Gabapentin – eine vergleichbare Wirksamkeit
100 mg/ml bzw. 300-ml-Infusion) 30– auf die Anfallskontrolle.
60 mg/kg KG i.v. bzw. max. 500 mg/min; ggf. 4 Bei generalisierten oder unklassifizierbaren
nach 10 min wiederholen Epilepsien sind Valproat und Topiramat wirk-
4 Stufe 2 (keine Reaktion auf die initiale Gabe samer als Lamotrigin.
von Benzodiazepinen):
5 Phenytoin (Phenhydan, 750-mg-Ampulle) . Tab. 29.1 gibt einen Überblick über Dosierung
100–200 mg i.v. oder und Darreichungsform der meisten Antiepileptika.
5 Valproat 20–30 mg/kg KG max. 10 mg/kg/
min; ggf. nach 10 min mit max. 10 mg/
kg KG wiederholen → Valproatspiegel 100–
120 μg/ml (cave: Kontraindikation bekann-
te Mitochondropathie!) oder
5 Phenobarbital 20 mg/kg KG i.v.; max.
100 mg/min → Phenobarbitalspiegel von
30–50 μg/ml oder
5 Lacosamid 5 mg/kg KG i.v. bzw. 200–400 mg
über >15 min i.v.
4 Stufe 3 (keine Unterbrechung des Status epi-
lepticus durch die Initial- oder Sekundärthera-
pie innerhalb von 30 min):
5 Einleitung einer Narkose mit Intubation
mittels Propofol, Thiopental, Midazolam
! Notfalls kann Diazepam oder Lorazepam
auch intraossär injiziert werden!
. Tab. 29.1 Antiepileptisch wirksame Medikamente

Substanzname Handelsname Erste Maximal- Darreichungsform bzw. Titrationsge- Interak- Zulassung


Zieldosis dosis* Dosis/Tag schwindigkeit tionspo-
tenzial

Häufige einge- Carbamazepin* Tegretal 600 mg/d 1600 mg/d 200-mg-Tbl. m + MT, FE
setzte Medika- Timonil 2–3 ED
29.2 · Status epilepticus (SE)

mente zur Lang-


Gabapentin (+) Neurontin 900 mg/d 3.600 mg/d 100/300/400-mg-Hartkaps. s MT, FE
zeittherapie
Gabax 3 ED

Lamotrigin** Lamictal 200 mg/d 600 mg/d (2/5)/25/50/100/200-mg-Tbl. l (–) MT, FE, IGE
Lamo TAD Initial 1-mal
Später 2-mal

Levetiracetam*** Keppra 1.000 mg/d 3.000 mg/d 250/500/750/1000-mg-Filmtbl. s – MT, FE, IGE
100-mg/ml-Lösung (Add-on)
2 ED

Oxcarbazepin + Apydan extent 900 mg/d 2.400 mg/d 150/300/600-mg-Tbl. m (+) MT, FE
Timox 2 ED
Trileptal

Phenobarbital*** Luminal 100 mg/d 300 mg/d 100-mg-Tbl. l + MT, FE, IGE
200-mg-Amp.
2 ED

Phenytoin***+ Phenhydan 200 mg/d 400 mg/d 100-mg-Tbl. s-m + MT, FE


Zentropil 250-mg/5-ml-Amp.
1–2 ED

Pregabalin Lyrica 300 mg/d 600 mg/d 25/50/75/100/200/225/300 mg- s – Add-on, FE


Tbl.
2 ED
531

Topiramat TOPAMAX 100 mg/d 400 mg/d 25/50/100/200-mg-Tbl. m-l (–) MT, FE. IGE
Topiragamma 2 ED
29
29
532

. Tab. 29.1 (Fortsetzung)

Substanzname Handelsname Erste Maximal- Darreichungsform bzw. Titrationsge- Interak- Zulassung


Zieldosis dosis* Dosis/Tag schwindigkeit tionspo-
tenzial

Häufige einge- Valproinsäure*** Ergenyl 750 mg/d 2.000 mg/d 400-mg-Amp. m + MT, FE, IGE
setzte Medika- Convulex 150/300/500-mg-Tbl.
mente zur Lang- Orfiril 2–4 ED
zeittherapie
Zonisamid1 Zonegran 200 mg/d 500 mg/d 25/50/100-mg-Hartkaps. l – Add-on-FE
(Fortsetzung)
2 ED

Zur Akutthera- Clobazam# Frisium 15 mg/d 80 mg/d 10/20-mg-Tabs s – FE, IGE


pie eingesetzte Tabletten
Medikamente
Clonazepam*** Rivotril 2 mg/d 6 mg/d 0,5/2-mg-Tbl. s – FE, IGE
1-mg/ml-Amp.
Kapitel 29 · Therapie zerebraler Krampfanfälle

Lorazepam*** Tavor 1 mg Bis 5 mg Tbl. 2-mg-Amp. s Akut-


(pro injektione 2–3 ED 0,5/1/2,5-Tbl. therapie
2 mg oder Expidet 1/2,5 mg
Tavor Expidet
1,0/2,5 mg)

Selten Bromid 1000 mg/d 4000 mg/d l (–) MT, IGE

Ethosuximid Petnidan 1000 mg/d 2000 mg/d 250-mg-Kaps. m (–) MT (nur


Suxilep 5–10 mg/kg 30 mg/kg/d Absencen)

Felbamat TALOXA 1200 mg/d 3600 mg/d 400/600-mg-Tbl. l + MT, nur LGS

Fosphenytoin*** Derzeit noch 1200 mg/d Angepasst – + Status


nicht erhältlich epilepticus

Mesuximid Petinutin 600 mg/d 1200 mg/d 150/300-mg-Hartkapseln l + MT, IGE, FE


(Add-on)

Primidon Mylepsinum 750 mg/d 1500 mg/d 250-mg-Tbl. l + MT, FE, IGE
2–3 ED

Rufinamid2 Inovelon 1000 mg/d 3200 mg/d 200/400-mg-Kps. m + Add-on, LGS


2 ED
Selten Sultiam ST Ospolot 200 mg/d 400 mg/d 50/200-mg-Tbl. s + Add-on, FE
(Fortsetzung)

Tiagabin Gabitril 15 mg/d 30 mg/d 5/10/15 mg-Tbl. 1–2 ED l – Add-on, FE

Vigabatrin(+) Sabril 2000 mg/d 4000 mg/d 500-mg-Tbl. l + Add-on, FE


1–2 ED
Ausgewählte Literatur

MT: Monotherapie, Add-on: Zusatztherapie (Stand 01.01.08), FE: fokale Epilepsie, IGE: idiopathisch generalisierte Epilepsie, LGS: Lennox-Gastaut-Syndrom, ED: Einzeldosis
Titration: l: = langsame Titrationsgeschwindigkeit, m: mittlere Titrationsgeschwindigkeit, s: sehr rasche Titration möglich
** Kombination mit VPA (Enzymhemmer): besondere Vorsicht; Kombination mit Enzyminduktoren: Dosisverdoppelung möglich
*** Intravenöse Applikationsform möglich (Fosphenytoin ist in Deutschland und in der Schweiz zugelassen, aber – noch? – nicht im Handel)
+ Kann Anfälle bei IGE provozieren
# Anfallsprophylaxe während der Geburt: 10 mg Clobazam in 10- bis 12-stündigen Abständen
1 Zonisamid ist zur Zusatztherapie von Epilepsien mit fokalen und sekundär generalisierten Anfällen zugelassen
2 Rufinamid ist zur Therapie von Anfällen bei Lennox-Gastaut-Syndrom zugelassen
Ausgewählte Literatur

Update 2013. Köln/Gürzenich


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Herausgegeben von der Kommission «Leitlinien« der

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Vortrag von Erbguth F (2013) Neurointensivmedizin. Intensiv


Hamer HM, Rosenow F (2008) Intravenous levetiracetam
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Deutschen Gesellschaft für Neurologie Thieme, Stuttgart
diazepam, and placebo for the treatment of outof-hospi-
29
535 30

Herzinsuffizienz
W. Zink

30.1 Grundlagen – 536

30.2 Therapie – 540

Ausgewählte Literatur – 548

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_30, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
536 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

30.1 Grundlagen jMortalität


4 Intrahospitalmortalität: 7 %
jDefinition 4 3-Monats-Mortalität: 14 %
4 komplexes klinisches Syndrom, bei dem ein Pa- 4 5-Jahres-Mortalität: 50 %
tient typische Symptome (z. B. Dyspnoe, Mü- 4 Die Mortalität bei Herzinsuffizienz im Rahmen
digkeit, Schwäche) und Zeichen (z. B. Tachy- eines Myokardinfarktes liegt bei 30 % in den er-
kardie, pulmonale Rasselgeräusche, Ödeme, Ju- sten 12 Monaten nach Infarkt, und die Mortali-
gularvenenstauung) aufweist, denen ursächlich tät des kardiogenen Schocks beträgt 50–70 %.
eine kardiale Funktionsstörung zugrunde liegt
4 meistens in Ruhe oder unter Belastung Anhalt jPrognose
für eine systolische und diastolische Dysfunk- Prognoseparameter sind:
tion 4 »brain natriuretic peptide« (BNP)
4 Patienten mit diastolischer Herzinsuffizienz 5 biologisch aktiv
haben Symptome und Zeichen der Herzinsuf- 5 HWZ 20 min
fizienz bei einer erhaltenen linksventrikulären 5 32 Aminosäuren
Ejektionsfraktion (LVEF) über 45–50 % 4 NT-proBNP
4 Unterscheide: 5 biologisch inaktiv
5 Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektions- 5 HWZ 120 min
fraktion (HF-REF) 5 76 Aminosäuren
5 Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektions- 5 gut geeignet zur Differenzierung der Ursa-
fraktion (HF-PEF) che bei akuter Dyspnoe o keine kardiale
5 akute Herzinsuffizienz Ursache bei geringen proBNP-Werten!
30 5 proBNP-Werte von <1000 pg/ml gehen mit
jEpidemiologie einer geringeren Letalität und weniger kar-
4 eine der häufigsten internistischen Erkrankun- dialen Ereignissen einher (. Tab. 30.1)!
gen weltweit mit einer deutlichen altersabhän- 5 proBNP-Wert ist altersabhängig:
gigen Prävalenz und Inzidenz – <50. Lebensjahre: >450 pg/ml
4 ca. 1 % der westlichen Bevölkerung leidet an – 50–70. Lebensjahre: >900 pg/ml
chronischer Herzinsuffizienz – >70 Lebensjahre: >1800 pg/ml
4 Neuerkrankungen: ca. 2–12/1000 und Jahr 4 Troponin I
4 Prävalenz 2–3 % 4 renale Dysfunktion mit Kreatininwerten
4 deutliche Altersabhängigkeit: >2,15 mg/dl
5 45- bis 55-Jährige: >1 % 4 linksventrikuläre Pumpfunktion
5 65- bis 75-Jährige: 2–5 % 4 Cardiac-power-(Index)
5 über 80-Jährige: ca. 10–20 % 5 CP = MAP × HZV/451
4 5 % der gesamten Krankenhausaufnahmen und 5 CPI = (MAP × HZV/m2)/451
der Bettenbelegung erfolgen wegen Herzinsuf-
fizienz; 2 % des gesamten Krankenhausbudgets
Prädiktoren für ungünstige Prognose
werden zur Behandlung des herzinsuffizienten
5 Anamnese
Patienten aufgebracht.
– Hohes Alter
4 Bei Patienten >65 Jahren ist die Herzinsuffi-
– Koronare Herzerkrankung
zienz der häufigste Grund für eine Kranken-
– Niereninsuffizienz, Diabetes, Anämie,
hausaufnahme. Die Rate der stationären
COPD, Depression
Wiederaufnahme in den ersten 12 Monaten
– Zustand nach Reanimation
nach primärer Behandlung liegt bei 25–50 %!
– Schlechte Compliance
4 Prognose bei Herzinsuffizienz u. a. abhängig
von der Ätiologie, dem Alter, den Komorbidi- 6
täten und der individuellen Progression
30.1 · Grundlagen
537 30

. Tab. 30.1 Prognoseparameter bei Herzinsuffizienz

BNP-Wert NT-proBNP Bemerkung

>500 >950 Akute Herzinsuffizienz wahrscheinlich

100–500 300–950 Akute Herzinsuffizienz wahrscheinlich nach Ausschluss von Lungenembolie,


Cor pulmonale bzw. pulmonaler Hypertonus, Niereninsuffizienz

<100 <300 Akute Herzinsuffizienz unwahrscheinlich

jPathophysiologie
5 Klinische Parameter
4 primäre Einschränkung der kardialen Pump-
– Hohe Herzfrequenz
leistung
– Niedriger Blutdruck
4 konsekutive neurohumorale Anpassungs-
– NYHA-Stadium III-IV
vorgänge
– Aortenstenose
4 Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldoste-
– Untergewicht
ron-Systems, des sympathischen Nervensy-
– Schlafbezogene Atemstörungen
stems, verschiedener Zytokine, vasoaktiver
5 Elektrophysiologie
Substanzen o periphere Vasokonstriktion,
– Breiter QRS-Komplex
erhöhte myokardiale Inotropie und Chrono-
– LV-Hypertrophie
tropie sowie Zunahme des extrazellulären
– Komplexe ventrikuläre Arrhythmien
Flüssigkeitsvolumens mit erhöhter enddiasto-
– Niedrige Herzfrequenzvariabilität
lischer Vordehnung des Herzens (Frank-Star-
5 Belastbarkeit
ling-Mechanismus)
– Kurze 6-min-Gehstrecke
4 ansteigende Kapillardrücke mit der Konsequenz
– Verminderter Blutdruckanstieg unter
pulmonaler Stauung und peripherer Ödeme
Belastung
4 zunehmende Herzbelastung (»afterload«)
– Niedrige maximale O2-Aufnahme
durch erhöhten peripheren Widerstand
– Hohe VE/VCO2-Ratio
4 Arrhythmieneigung
5 Labor
4 Verschlechterung der koronaren Ischämie
– Hohes BNP und NT-proBNP
durch Katecholamineffekte auf Kontraktilität
– Hohes Noradrenalin
und Herzfrequenz
– Hyponatriämie
4 Förderung des Zelltodes von Myozyten durch
– Kreatinin, Harnsäure und Bilirubin erhöht
Angiotensin II und Katecholamine sowie pa-
– Anämie
thologischen Umbau (»remodeling«) des Myo-
5 Hämodynamik
kards
– Niedrige LVEF
4 Kompensationsmechanismen in der Initial-
– Erhöhtes LV-Volumen
phase . Abb. 30.1
– Hoher LV-Füllungsdruck
– Niedriges Herzzeitvolumen
jFormen
– Restriktiver Mitralfluss
4 im Hinblick auf die Lokalisation
– Eingeschränkte RV-Funktion
5 Linksherzinsuffizienz
5 Rechtsherzinsuffizienz
5 Globalinsuffizienz
4 im Hinblick auf den Blutfluss
5 Vorwärtsversagen
5 Rückwärtsversagen
538 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

. Abb. 30.1 Kompensationsmechanismen bei Herzinsuffizienz

4 im Hinblick auf die ventrikuläre Funktion 4 infiltrativ (Sarkoidose, Amyloidose, Hämo-


5 systolische Herzinsuffizienz (LVEF p) chromatose, Bindegewebserkrankungen)
30 5 diastolische Herzinsuffizienz (LVEF l, 4 sonstige Ursachen (HIV-Infektion, peripartale
LVEDP n, LV-Compliance p) Kardiomyopathie, terminale Niereninsuffi-
5 kombinierte systolisch-diastolische Herz- zienz, Chagas-Krankheit)
insuffizienz
jEinteilung (. Tab. 30.2)
jUrsachen 4 funktionelle Klassifikation in NYHA-Stadien
4 koronare Herzerkrankung (vielfältige Mani- I. Herzerkrankung ohne Symptomatik
festation, z. B. Myokardinfarkt, ischämische II. Herzerkrankung mit Beschwerden bei
Kardiomyopathie) stärkerer Alltagsbelastung
4 arterielle Hypertonie (oft assoziiert mit LV- III. Herzerkrankung mit Beschwerden bei
Hypertrophie und erhaltener systolischer leichter Alltagsbelastung
Pumpfunktion) IV. Herzerkrankung mit Beschwerden bereits
4 Kardiomyopathie (dilatativ, hypertroph, in Ruhe
restriktiv, arrhythmogen, rechtsventrikulär, 4 Stadieneinteilung nach der ACC/AHA
unklassifiziert) in 4 Stadien A–D
4 medikamentös (Überdosierung von β-Blocker, A. Patienten mit Risikokonstellation für späte-
Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika, re Herzinsuffizienz; keine erkennbaren
Chemotherapeutika) strukturellen oder funktionellen Abnorma-
4 Toxine (Alkohol, Kokain, Spurenelemente wie litäten; keine Herzinsuffizienzzeichen. Bei-
Kobalt, Arsen) spiele: arterielle Hypertonie, koronare Herz-
4 endokrinologisch (Diabetes mellitus, Hypo-/ erkrankung, Diabetes mellitus, kardiotoxi-
Hyperthyreose, Cushing-Syndrom, Neben- sche Substanzen oder Alkoholabusus, rheu-
niereninsuffizienz, Akromegalie, Phäochromo- matisches Fieber, familiäre Disposition
zytom) B. Patienten mit struktureller Herzerkrankung,
4 alimentär/metabolisch (Thiaminmangel, Selen- aber ohne Herzinsuffizienzsymptomatik.
mangel, Carnitinmangel, Adipositas, Kachexie) Beispiele: linksventrikuläre Hypertrophie
30.1 · Grundlagen
539 30

. Tab. 30.2 Einteilung der Herzinsuffizienz

NYHA AHA/ACC

Klasse Beschreibung Stadium Beschreibung

I Keine Einschränkung der normalen kör- A Risikopatienten, keine funktionellen oder struk-
perlichen Arbeit turellen Schäden objektivierbar
o kein erhöhtes Anästhesierisiko

II Leichte Einschränkung der körperlichen B Patienten mit strukturellen Veränderungen,


Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätig- asymptomatisch
keit, keine Beschwerden in Ruhe o präoperative Optimierung empfohlen

III Höhergradige Einschränkung der körper- C Symptomatische Herzinsuffizienz und struktu-


lichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter relle Veränderungen des Herzens
Tätigkeit, keine Beschwerden in Ruhe o Risiko n für kardiale Dekompensation

IV Beschwerden bei allen körperlichen D Symptomatische Herzinsuffizienz trotz maxima-


Tätigkeiten in Ruhe ler Therapie
o sehr hohes Risiko

oder -fibrose, linksventrikuläre Dilatation jKlinik


oder Hypokontraktibilität, asymptomati- . Tab. 30.3 zeigt die klinischen Unterschiede zwi-
scher Herzklappenfehler, früherer Myo- schen akuter und akut dekompensierter chroni-
kardinfarkt scher Herzinsuffizienz. Weitere Symptome sind:
C. Patienten mit aktueller oder früherer Herz- 4 Müdigkeit und Schwäche
insuffizienzsymptomatik mit struktureller 4 lateralisierter Herzspitzenstoß
Herzerkrankung. Beispiele: Dyspnoe, Er- 4 Jugularvenenstauung (in 80 % der Fälle)
schöpfung bei systolischer Dysfunktion; 4 arterielle Hypotonie
asymptomatischer Patient unter Herzinsuf- 4 Stauungsgastritis und Appetitlosigkeit (insbe-
fizienztherapie sondere bei Rechtsherzinsuffizienz)
D. Patienten mit fortgeschrittener struktureller 4 Leberstauung mit Oberbauchschmerzen und
Herzerkrankung und mit deutlicher Herz- Transaminasenanstieg, Aszites und Anasarka
insuffizienzsymptomatik in Ruhe trotz ma- 4 Herzton (ca. 150 ms nach dem 2. Herzton links
ximaler medikamentöser Therapie. Beispie- apikal in Linksseitenlage)
le: gehäufte Hospitalisierung, Indikation zur 4 Harzer-Zeichen = rechter Ventrikel im Epiga-
Herztransplantation, »bridging« bzw. »assist strium sowie links parasternal tastbar
devices«; präfinale Konstellation
4 weitere klinische Einteilungsmöglichkeiten jDiagnostik
nach Killip (1967), nach Forrest (1977) oder 4 Anamnese: Belastbarkeit, Nykturie, Dys- bzw.
nach Nohria (2003) Orthopnoe, Leistungsabnahme
5 Nohria-Einteilung in 4 Stadien 4 körperlicher Untersuchungsbefund: Ödeme,
– warm und trocken (normal) pulmonale Stauung, Hepatomegalie, Aszites,
– warm und feucht (Lungenödem) Tachykardie
– kalt und trocken (hypovolämischer 4 Laboruntersuchung (Blutbild, Kreatinin, Elek-
Schock) trolyte, Troponin T bzw. I, D-Dimere, Laktat,
– kalt und feucht (kardiogener Schock) Blutzucker, BNP, NT-proBNP, CRP, BGA)
4 12-Kanal-EKG (Infarktdiagnostik, Rhythmus-
störungen)
4 CT-Thorax
540 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

. Tab. 30.3 Klinisches Bild der Herzinsuffizienz. (Adaptiert nach Pötzl 2003)

Akute Herzinsuffizienz Akut dekompensierte


chronische Herzinsuffizienz

Symptome Schwer Schwer

Lungenödem mit Dyspnoe und evtl. Tachypnoe Häufig Häufig


(>20/min)

Periphere (Unterschenkel-)Ödeme Selten Häufig

Gewichtszunahme Keine bis gering Häufig

Gesamtkörperwasser Keine bis geringe Zunahme; Deutliche Zunahme; üblich


selten

Kardiomegalie Selten Üblich

Systolische linksventrikuläre Funktion Hypo-, normo-, hyperkon- Reduziert


traktil

Wandspannung Erhöht Deutlich erhöht

Aktivierung des sympathikoadrenalen Systems (SAS) Deutlich Deutlich

Aktivierung des Renin-Aldosteron-Angiotensin- Häufig erhöht Deutlich


Systems (RAAS)

Korrigierbare Ursache Häufig Gelegentlich


30

4 Thoraxröntgenaufnahme 30.2 Therapie


4 transthorakale Echokardiographie: Einschät-
zung der LVF, Nachweis von systolischen jTherapieziele
Pumpfunktionsstörungen, diastolischen 4 Verbesserung der Symptome mit dem Ziel
Relaxations- oder Compliancestörungen oder eines asymptomatischen Patienten
hämodynamisch relevanten Vitien 4 Reduktion der Morbidität (am besten definiert
4 Koronarangiographie bei Verdacht auf koro- durch Hospitalisierungsrate)
nare Herzerkrankung 4 Reduktion der Mortalität bzw. Aufhalten des
Krankheitsprogress
> Voraussetzung einer kausalen Behandlung
der Herzinsuffizienz ist die exakte Diagnose
jAllgemeine Therapiemaßnahmen
der zugrunde liegenden Herzkrankheit und
4 tägliche Gewichtskontrolle (Selbstkontrolle
die anschließende gezielte Therapie!
und Behandlung)
Grundsätzlich beruht die Diagnose auf: 4 Gewichtsreduktion bei BMI >30, bei modera-
4 Symptomen der Herzinsuffizienz ter bis schwerer Herzinsuffizienz keine routi-
4 Zeichen der Herzinsuffizienz nemäßige Gewichtsreduktion
4 Beurteilung der linksventrikulären Ejektions- 4 flexible Diuretikaeinnahme entsprechend
fraktion Symptomen und Flüssigkeitsbilanz
4 begrenzte Kochsalzzufuhr (<3 g/d), kein Nach-
salzen
4 Limitierung der Flüssigkeitszufuhr auf 1,5–2 l/
Tag (bei schwerer Herzinsuffizienz)
30.2 · Therapie
541 30

. Tab. 30.4 ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz

ACE-Hemmer Initialdosis Zieldosis Wirkein- Maximaler Wirk- Zeit zwischen Opera-


(mg/d) (mg/d) tritt (min) Wirkzeit- dauer tion und letzter Medi-
punkt (h) (h) kamenteneinnahme

Captopril 3-mal 6,25 3-mal 50,0 15–30 1–2 6–10 >12

Lisinopril 1-mal 2,5 1-mal 20,0–35,0 60 2–4 18–30 >24

Enalapril 2-mal 2,5 2-mal 10,0–20,0 60–120 4–8 18–30 >24

Ramipril 1-mal 2,5 2-mal 5,0 30–60 3–8 24–60 >24

Trandolapril 1-mal 0,5 1-mal 4,0

Perindopril 1-mal 2,0 1-mal 8,0

4 Begrenzung des Alkoholkonsums (etwa ! Nach einer aktuellen Umfrage erhalten nur
1–2 Glas Wein/d), Alkoholabstinenz bei Ver- 17 % aller Patienten mit Herzinsuffizienz eine
dacht auf alkoholinduzierte Kardiomyopathie adäquate medikamentöse Therapie!
4 Nikotinkarenz
4 Pneumokokken- und jährliche Grippeimpfung > Die Anwendung der Angiotensin-Converting-
4 bei Schlafapnoe Nikotin- und Alkoholkarenz, Enzyme (ACE-Hemmer) führt zu einer Reduk-
bei zusätzlich deutlicher Adipositas Gewichts- tion der Mortalität in allen NYHA-Klassen!
reduktion
4 CPAP-Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe
4 Beachtung depressiver Symptome, ggf. ent- 30.2.1 Einzelne Substanzgruppen
sprechende Therapieeinleitung
4 Bewegungstraining bei allen Patienten mit ACE-Hemmer (. Tab. 30.4)
stabiler chronischer Herzinsuffizienz 4 bei LVEF ≤40 % unabhängig von der Sympto-
4 regelmäßige moderate tägliche Aktivität bei matik
allen Patienten mit Herzinsuffizienz 4 verbessern die Symptomatik, Pumpfunktion
4 PDE5-Inhibitoren nie in Kombination mit und Prognose
Nitraten 4 Therapieeinleitung mit ACE-Hemmern:
4 keine Reisen in große Höhe (>2000 m), heißes 5 Nierenfunktion und Elektrolyte kontrollie-
oder feuchtes Klima ren (Kreatinin <2,5 mg/dl, K+ <5 mmol/l)
4 kurze Flüge günstiger als längere Reisen mit 5 Dosissteigerung nach 2–4 Wochen erwägen
anderen Transportmitteln; bei schwerer Herz- 5 keine Dosissteigerung bei Verschlechterung
insuffizienz können lange Flüge zu Dehydrata- der Nierenfunktion (Kreatininanstieg um
tion, peripheren Ödemen oder tiefen Venen- 50 % oder ≥3 mg/dl) bzw. Hyperkaliämie
thrombosen führen (5,0–5,5 mmol/l)
4 Nebenwirkungen:
jMedikamentöse Therapie 5 Hypotonie
Die medikamentöse Stufentherapie bei Herzinsuffi- 5 ansteigende Nierenretentionswerte und
zienz erfolgt unter der Berücksichtigung der Hyperkaliämie
NYHA-Klassifikation sowie der linksventrikulären 5 Reizhusten
Ejektionsfraktion (gemäß den Leitlinien der Euro-
pean Society of Cardiology 2012).
542 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

. Tab. 30.5 Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB) bei . Tab. 30.6 β-Blocker bei Herzinsuffizienz
Herzinsuffizienz
β-Blocker Initialdosis Zieldosis (mg/d)
ARB Initialdosis Zieldosis (mg/d) (mg/d)
(mg/d)
Metoprolol 1-mal 12,5–25 1-mal 200
Valsartan 2-mal 40 2-mal 160
Bisoprolol 1-mal 1,25 1-mal 10
Candesartan 1-mal 4,0 1-mal 32
Nebivolol 1-mal 1,25 1-mal 10
Losartan 1-mal 12 1-mal 50
Carvedilol 2-mal 3,125 2-mal 25–50

Angiotensinrezeptor-Blocker channel« (Kontrolle der spontane diastolische


(ARB, »Sartane«) Depolarisation im Sinusknoten)
4 bei symptomatischer systolischer Herzinsuffi- 4 kardiale Wirkungen spezifisch für Sinusknoten
zienz (LVEF ≤40 %, NYHA II-IV) und ACE- 4 keine Beeinflussung der intraatriale, atriovent-
Hemmer-Unverträglichkeit rikuläre oder intraventrikuläre Erregungsfort-
4 bei systolischer Herzinsuffizienz (LVEF ≤40 %) leitung bzw. der Repolarisation
und persistierenden Symptomen trotz optima- 4 keine Beeinflussung der myokardiale Kontrak-
ler ACE-Hemmer- und β-Blockertherapie tilität
(NYHA II–IV), wenn kein Aldosteronantago- 4 Reduktion der HF o ggf. bei symptoma-
nist gegeben werden kann tischen Patienten mit einer Herzfrequenz ≥ 70/
30 4 Candesartan mit klarem Vorteil gegenüber min (Sinusrhythmus) trotz β-Blocker, ACE-
Plazebo für symptomatische Patienten (NYHA Hemmer und Aldosteronantagonist bzw. bei
II-III) und für Patienten mit ACE-Hemmer- Unverträglichkeit von β-Blocker (s. u.)
Unverträglichkeit 4 Nebenwirkungen: dosisabhängiges, reversi-
4 Dosierungsempfehlungen der einzelnen ARB: bles Auftreten von Phosphenen (Lichtwahr-
. Tab. 30.5 nehmungen im Sinne isolierter Aufhellungen
im Gesichtsfeld)
β-Blocker
4 Bestandteil der medikamentösen Basistherapie Diuretika und Aldosteronantagonisten
in Kombination mit ACE-Hemmer bei symp- 4 Diuretika bei Herzinsuffizienz mit Zeichen
tomatischer stabiler systolischer Herzinsuffi- einer Flüssigkeitsretention (z. B. periphere
zienz (LVEF ≤40 %, NYHA-Stadium II–IV) Ödeme, Lungenstauung)
4 Verbesserung von Symptomatik, Pumpfunk- 4 keine Thiazide bei einer GFR <30 ml/min (au-
tion und Prognose ßer bei Kombination mit Schleifendiuretikum)
4 Therapiebeginn vorsichtig bei kürzlich dekom- 4 Aldosteronantagonisten neuerdings bereits bei
pensierten Patienten milder systolischer Herzinsuffizienz (NYHA
4 langsame Dosissteigerung II) empfohlen (s. u.); reduzieren die Hospitali-
4 keine Dosiserhöhung bei Verschlechterung der sationsrate wegen fortschreitender Herzinsuffi-
Herzinsuffizienz, symptomatischer Hypoten- zienz und die Sterblichkeit
sion, ausgeprägter Bradykardie (<50/min) 4 Aldosteronantagonisten vor anderen kalium-
4 Dosierungsempfehlungen der einzelnen sparenden Diuretika
β-Blocker: . Tab. 30.6 4 Kalium >5,5 mmol/l: Aldosteronantagonisten-
dosis halbieren; Kalium >6,0 mmol/l: Aldoste-
Ivabradin ronantagonist absetzen
4 selektiver und spezifischer Hemmer des Ionen- 4 Spironolacton zeigte in der RALES-Studie
stroms (If ) über den so genannten »funny eine Reduktion der 2-Jahres-Mortalität von
30.2 · Therapie
543 30
46 % auf 35 % bei Patienten mit aktueller oder
. Tab. 30.7 Diuretika
früherer NYHA-Klasse IV (bei gleichzeitiger
Behandlung mit einem ACE-Hemmer und Diuretikum Initialdosis Zieldosis
einem Schleifendiuretikum). (mg/d) (mg/d)
4 Eplerenon, das einen selektiveren mineralo-
kortikoiden Effekt besitzt, zeigte in der EPHE- Thiaziddiuretika

SUS-Studie eine Mortalitätsabnahme von Hydrochlorothiazid 12,5–25 12,5–100


16,7 % auf 14,4 % nach 16 Monaten für Patien- Indapamid 2,5 2,5–5,0
ten, die innerhalb von zwei Wochen nach
Xipamid 10 10–80
Myokardinfarkt behandelt worden waren und
eine EF <40 %, Herzinsuffizienzsymptomatik Schleifendiuretika

und/oder Diabetes mellitus aufwiesen. Furosemid 20–40 40–240


4 EMPHASIS HF-Studie (2011): Studienab- Torasemid 5–10 10–120
bruch, da bei Patienten mit systolischer Herz-
Bumetanid 0,5–1,0 1–6
insuffizienz und milden Symptomen unter
Eplerenon-Therapie sowohl Letalität als auch Kaliumsparende Diuretika/Aldosteronantagonisten*

das Risiko für eine stationäre Aufnahme signi- Spironolacton/ 12,5–25 50


fikant reduziert war Eplerenon*
4 Dosierungsempfehlungen der Einzelsubstan- Triamteren 25 100
zen: . Tab. 30.7 Amilorid 2,5 20

> Spironolacton scheint bei Dosierungen von


25–50 mg/Tag zusätzlich eine Hemmung der ! Die Serumdigoxinkonzentration sollte nied-
Fibroblasten und damit der Kollagensynthe- rig sein und Werte zwischen 0,5 und 0,8 ng/
se zu induzieren! Eplerenon ist bei Herzinsuf- ml annehmen!
fizienz nach Myokardinfarkt bezüglich der
Mortalität von Vorteil! Kombinationsbehandlung mit Hyd-
ralazin und Isosorbiddinitrat (H-ISDN)
Herzglykoside 4 Hydralazin-Zieldosis 300 mg/d; Isosorbiddinit-
4 Bei tachyarrhythmischem Vorhofflimmern rat-Zieldosis 160 mg/d
>80/min (Ruhe) bzw. >110–120/min (Belas- 4 ggf. bei symptomatischen Patienten mit einer
tung) LVEF ≤40 % und Intoleranz gegen ACE-Hem-
4 vermindern bei Sinusrhythmus und sympto- mer und ARB (sehr seltene Konstellation!)
matischer systolischer Herzinsuffizienz (LVEF 4 ggf. zusätzlich bei persistierenden Symptomen
≤40 %) die Beschwerden und Häufigkeit der trotz ACE-Hemmer und β-Blocker, wenn ARB
Krankenhausaufnahmen ohne Effekt auf die oder Aldosteronantagonisten nicht toleriert
Sterblichkeit (zusätzlich zum ACE-Hemmer) werden
4 Kontraindikationen:
5 höhergradige AV-Blockierungen, Brady- Ausblick – neue Substanzen in Erprobung
kardie 4 Endothelinantagonisten: aufgrund eines
5 Hypo-/Hyperkaliämie, Hyperkalzämie Endothelin-Rezeptor-Antagonismus oder über
5 Präexzitationssyndrome die Inhibition des Endothelin-Converting-
5 höhergradige Aortenstenose Enzymes oder auch indirekt via Angiotensin-
5 hypertrophisch-obstruktive Kardiomyo- II-Inhibition o periphere Gefäßdilatation,
pathie Anstieg von Herzrate und Schlagindex
5 Carotis-Sinus-Syndrom 4 Moxonidin: Imidazolin-Rezeptor-Agonist o
zentrale Sympathikolyse (clonidinähnlicher
Effekt)
544 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

4 Tedisamil: dosisabhängige Blockierung span- > Derzeit keine Evidenz, dass eine Thrombozy-
nungsabhängiger Kaliumkanäle (Kaliumkanal- tenaggregationshemmung/Antikoagulation
blocker) und damit Senkung der Herzfrequenz Sterblichkeit oder Inzidenz kardiovaskulärer
über eine Verlängerung der Aktionspotenzial- Ereignisse bei chronischer Herzinsuffizienz
dauer o MVO2-Reduktion via Senkung der und Sinusrhythmus vermindert!
Herzrate und Verlängerung der koronarwirk-
samen Diastolendauer Warnhinweise
4 Tolvapatan: ein Vasopressin-2-Antagonist zur Bei Herzinsuffizienz sind folgende Substanzen
oralen Therapie (4-mal 30 mg p.o./Tag) o zu vermeiden:
starke diuretische Wirkung, Natriumnormali- 5 Antiarrhythmika der Klasse I und III mit
sierung bei Hyponatriämie, allerdings derzeit Ausnahme von Amiodaron
keine Beeinflussung der Mortalität 5 nichtsteroidale Antiphlogistika
4 Nesiritide: humanes B-Typ-natriuretisches 5 Kalziumantagonisten (bekannte negativ-
Peptid o Vasodilatation im arteriellen und inotrope Wirkung kann zu einer Verstär-
venösen Gefäßsystem ohne inotropen Effekt, kung der Herzinsuffizienz und zu einer Zu-
Aldosteron p und Endothelin p, Diurese und nahme der Mortalität von Patienten mit
Natriurese n, Wirkbeginn: 15 min, HWZ: eingeschränkter systolischer Ventrikelfunk-
18 min; Dosis: 2 μg/kg KG Bolus, anschließend tion führen); Ausnahme: tachyarrhythmi-
0,01 μg/kg KG/min sches Vorhofflimmern
4 Ularitide: natürliches natriuretisches Peptid 5 Thiazolidinedione
5 Metformin
5 Cilostazol
30 30.2.2 Antikoagulation

4 bei Patienten mit Vorhofflimmern ≥48 h Dauer


oder falls Dauer des Vorhofflimmerns nicht 30.2.3 Medikamentöse Therapie-
bekannt o orale Antikoagulation in therapeu- konzepte bei bestimmten
tischer Dosis für ≥3 Wochen vor elektrischer Konstellationen
oder pharmakologischer
4 Kardioversion Therapie bei symptomatischer systoli-
4 unfraktioniertes oder niedermolekulares He- scher Herzinsuffizienz (LVEF reduziert)
parin bei Patienten, die bisher nicht mit einem 4 ACE-Hemmer bei allen symptomatischen
Antikoagulanz behandelt waren und dringend Patienten (NYHA II–IV)
eine elektrische oder pharmakologische 4 Angiotensinogenrezeptor-Blocker (ARB),
Kardioversion benötigen falls ACE-Hemmer nicht toleriert wird
4 Alternative zur Heparintherapie: Thrombenaus- (z. B. Husten)
schluss mittels Echokardiographie, dann elek- 4 Betablocker in fixer Kombination mit ACE-
trische oder pharmakologische Kardioversion Hemmer
4 Kombination aus oraler Antikoagulation und 4 Aldosteronantagonisten zusätzlich zu o. g.
Thrombozytenaggregationshemmung bei Therapie bei persistierenden Symptomen und
KHK (>12 Monate nach akutem kardialen Er- systolischer Herzinsuffizienz
eignis) oder anderen arteriellen Gefäßerkran- 4 Aldosteronantagonisten ggf. bereits ab NYHA
kungen nicht empfohlen (Blutungsrisiko!) o II bei EF ≤35 % liegt (25 mg als Startdosis von
Monotherapie mit oralem Antikoagulanz nach Eplerenon und Spironolacton; Dosiserhöhung
12 Monaten empfohlen. nach 4–8 Wochen)
4 bei frischen intrakardialen Thromben für 3 4 Ivabradin ggf. bei Patienten mit einer Herz-
Monate frequenz ≥70/min (Sinusrhythmus), EF ≤35 %
sowie persistierenden Symptomen trotz Beta-
30.2 · Therapie
545 30
blocker, ACE-Hemmer und Aldosteron- 4 ARB bei ACE-Hemmer-Intoleranz nach
antagonist bzw. bei Unverträglichkeit von Myokardinfarkt mit symptomatischer Herz-
Betablockern insuffizienz oder eingeschränkter LVEF
4 Digitalis ggf. zusätzlich zur Basistherapie bei 4 β-Blocker bei KHK und symptomatischer Herz-
Patienten mit Sinusrhythmus und EF ≤45 %, insuffizienz oder eingeschränkter LVEF ≤40 %
die keinen Betablocker vertragen sowie nach Myokardinfarkt mit erhaltener LVEF
4 Diuretika ggf. zur Symptomenkontrolle (Luft- 4 Aldosteronantagonisten (Eplerenon) nach
not, Ödembildung) o Senkung von Morbidi- Myokardinfarkt mit eingeschränkter LVEF und
tät und Mortalität nicht bewiesen! Zeichen einer Herzinsuffizienz
4 Hydralazin-Isosorbitdinitrat (H-ISDN) 4 Nitrate bzw. Kalziumantagonisten ggf. ergän-
ggf. alternativ zu ACE-Hemmer bzw. ARB, zend bei Angina pectoris oder Hypertonie (Am-
falls beide nicht toleriert werden o Kombi- lodipin oder Felodipin bei reduzierter LVEF)
nation mit Betablocker und Aldosteron- 4 Statine bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz
antagonist und KHK erwägbar (bei Herzinsuffizienz keine
4 H-ISDN ggf. zusätzlich zu Betablocker, ACE- Prognoseverbesserung, allerdings Reduktion
Hemmer (oder ARB) und Aldosteronantago- der Hospitalisierungsrate bei älteren Patienten)
nisten bei persistierenden Symptomen
4 Behandlung von Begleiterkrankungen (arte- Therapie der akuten Herzinsuffizienz
rieller Hypertonus, Diabetes mellitus, eisen- 4 allgemeine Therapiemaßnahmen
mangelbedingte Anämie, ...) 5 Sauerstoffgabe
5 nichtinvasive Beatmung mit PEEP frühzei-
Therapie bei symptomatischer diastoli- tig bei akutem kardialen Lungenödem/aku-
scher Herzinsuffizienz (LVEF erhalten) ter hypertensiver Herzinsuffizienz (nicht
4 derzeit keine medikamentöse Therapie, die bei bei Rechtsherzversagen bzw. kardiogenem
diastolischer Herzinsuffizienz Morbidität und Schock!)
Mortalität verbessert 5 ggf. Intubation und Beatmung
4 Diuretika zur Symptomenkontrolle bei Luft- 4 medikamentöse Therapie
not, Überwässerung und kardialer Stauung 5 Morphin in der frühen Behandlungsphase,
4 Behandlung von Begleiterkrankungen, z. B. ad- v. a. bei Agitiertheit und Luftnot (cave:
äquate Einstellung einer arteriellen Hypertonie Übelkeit und Erbrechen
(β-Blocker, ACE-Hemmer und/oder ARB) 5 Vasodilatatoren zur Nachlastsenkung bei
4 Erhalt des Sinusrhythmus alle Patienten ohne symptomatische Hypo-
4 primär Betablocker zur medikamentösen Fre- tonie (RRsyst >90 mmHg)
quenzkontrolle bei Vorhofflimmern o Verlän- – aktuelle Daten zu Folge profitieren v. a.
gerung der diastolischen Füllung des linken Patienten mit niedrigen RRsyst von Nach-
Ventrikels lastsenkung o engmaschige Blutdruck-
4 Digitalis zusätzlich bei nicht adäquater kontrolle
Frequenzkontrolle – Titration der Nitratgabe bis zur maxima-
4 ggf. Kalziumantagonist (Verapamil, Diltiazem) len hämodynamisch tolerablen Dosis
anstelle des Digitalispräparats bei inadäquater (RRsyst >90 mmHg)
Frequenzkontrolle (Cave: strenge Indikations- – Natrium-Nitroprussid 0,3–5 μg/kg KG/
abwägung (s. o.). Kombination aus Betablo- min bei schwerer akuter Herzinsuffizienz
ckern und frequenzsenkenden Kalziumantago- und erhöhter Nachlast (z. B. bei hyper-
nisten sehr umstritten!) tensiver Krise) o invasive hämodynami-
sche Überwachung!
Therapie der Herzinsuffizienz bei KHK – Zielgröße: SVR ca. 800–1000 dyn × s × cm–5
4 ACE-Hemmer bei KHK mit Herzinsuffizienz – keine Kalziumantagonisten, ACE-Hem-
bei erhaltener Pumpfunktion mer bzw. ARB zur Akuttherapie!
546 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

5 Diuretikagabe (z. B. Furosemid, Torase- Basis o nach aktueller Datenlage keine ge-
mid) v. a. bei Volumenüberladung nerelle Empfehlung zum Einsatz dieser Sys-
– intermittierende Bolusgabe und kontinu- teme möglich (wenn Einsatz, dann mög-
ierlichen Infusion gleichermaßen effektiv lichst früh vor Ausbildung eines MOV!)
– hohe Initialdosis o schnelle Symptom-
> Bei der Behandlung der akuten Herzinsuffi-
besserung ohne negative Langzeiteffekte
zienz Diagnostik und Therapie parallel durch-
– Kombination von Schleifendiuretika mit
führen!
Nitraten bzw. Inotropika (7 Kap. 3) be-
sonders effektiv
5 zurückhaltender Einsatz von Βetablockern 30.2.4 Interventionelle Therapie
(evtl. bei Myokardischämie)
– Betablocker bei akuter Dekompensation Koronarrevaskularisation
einer chronischen Herzinsuffizienz erst 4 Bypassoperation empfohlen bei Patienten mit
nach Stabilisierung (nach ca. 4 Tagen) Angina pectoris und signifikanter Haupt-
5 Digitalisglykoside indiziert bei tachykar- stammstenose (Lebenserwartung von >1 Jahr,
diebedingter akuter Herzinsuffizienz, wenn guter funktioneller Status) o Reduktion der
anderweitig keine Frequenzkontrolle mög- Mortalität
lich ist 4 Bypassoperation empfohlen bei Patienten
5 Inotropika erst dann, wenn nach Vor- und mit Angina pectoris und Zwei- oder Drei-
Nachlastoptimierung (Volumen-/Diuretika- gefäßerkrankung inkl. proximaler LAD-
gabe bzw. Vasodilatatoren) noch periphere Stenose (Lebenserwartung >1 Jahr, guter
Hypoperfusion und/oder Lungenstauung funktionellen Status) o Reduktion der
30 bestehen (cave: Steigerung des myokardia- Hospitalisierungsrate sowie der kardiovasku-
len Sauerstoffverbrauchs!) lären Mortalität
– positiver Einfluss von Inotropika auf Mor- 4 alternativ: perkutane Koronarintervention bei
bidität und Mortalität bei akuter Herzin- Patienten, die für ein chirurgisches Vorgehen
suffizienz bislang nicht nachgewiesen nicht geeignet sind
– ESC-Leitlinie 2012: vorrangiger Einsatz 4 Bypassoperation und PCI nicht empfohlen bei
von Dobutamin bzw. Levosimendan; kein Patienten ohne Angina pectoris UND ohne
routinemäßiger Einsatz von Milrinon vitales Myokard
und Enoximon (7 Kap. 3) 4 Beachte: individuelle Indikationsstellung für
5 Einsatz von Vasopressoren nur in Ausnah- Bypassoperation oder Koronarintervention
mefällen (z. B. kardiogener Schock), wenn durch kardiologisch-kardiochirurgisches Ärz-
anderweitig keine hämodynamische Stabili- teteam (»Heart Team«)!
sierung möglich
– Noradrenalin als Mittel der Wahl Herzklappenoperation
4 nichtmedikamentöse Therapie 4 bei hochgradiger Aortenklappeninsuffizienz
5 frühzeitige Ultrafiltration o effektiver als 4 ggf. bei asymptomatischer hochgradiger
Diuretika bei Ödembekämpfung Aorteninsuffizienz und LVEF ≤50 %
5 intraaortale Ballonpumpe o Einsatz nach 4 bei hochgradiger (symptomatischer) Aorten-
gegenwärtiger Datenlage kontrovers disku- klappenstenose (mittlerer Gradient >40 mmHg)
tiert, da großen aktuellen Untersuchungen 4 bei asymptomatischer hochgradiger Aorten-
zu Folge ohne positive Auswirkungen auf stenose und LVEF <50 %
Outcome bei hoher Nebenwirkungsrate 4 ggf. Indikation zur TAVI (»transcatheter aortic
(Schlaganfälle, Blutungen) valve implantation«)
5 perkutan implantierbare ventrikuläre Unter- 4 in Einzelfällen bei symptomatischer, schwerer
stützungssysteme (7 Kap. 3), z. B. axiale funktioneller oder struktureller Mitralinsuffi-
Schraubenpumpen bzw. Systeme auf ECMO- zienz und deutlich reduzierter LVEF
30.2 · Therapie
547 30
4 bei hochgradiger Mitralinsuffizienz und LVEF fizienz (NYHA II-III) und EF ≤35 % trotz opti-
>30 % im Rahmen einer Bypassoperation maler Pharmakotherapie ≥3 Monate o Sen-
(möglichst Mitralklappenrekonstruktion) kung des Risikos für plötzlichen Herztod (bei
4 ggf. Indikation zur interventionellen Implanta- Lebenserwartung >1 Jahr)
tion eines Mitral-Clips 4 Sekundärprävention: Patienten nach hämody-
namisch relevanter ventrikulärer Rhythmuss-
Kardiale Resynchronisationstherapie törung o Senkung des Risikos für plötzlichen
4 Resynchronisierung des asynchronen Kontrak- Herztod
tionsablaufs der Ventrikel mittels mikroprozes-
sorgesteuerter Schrittmacher und spezieller Kardiale Unterstützungssysteme
Führungskathetersysteme, über die eine trans- 4 intraaortale Ballongegenpulsation (7 Kap. 3) o
venöse Sondierung des Koronarsinus und Einsatz nach gegenwärtiger Studienlage höchst
Positionierung der linksventrikulären Stimula- umstritten!
tionselektrode in einer lateralen oder postero- 4 linksventrikuläres (LVAD) oder biventrikuläres
lateralen Koronarvene und ein koordinierter (BIVAD) Unterstützungssystem bei ausgewähl-
Stimulationsprozess möglich sind ten Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz
4 kardiale Resynchronisationstherapie indiziert trotz optimaler Pharmako- und Aggregatthera-
zur Verbesserung der Symptome, zur Sen- pie (7 Kap. 3) o Symptomverbesserung, Re-
kung der Hospitalisierungsrate und zur Verbes- duktion des Hospitalisierungsrisikos sowie der
serung der Überlebensrate bei Patienten mit Mortalität auf der Transplantations-Warteliste
Sinusrhythmus mit verbreitertem QRS-Kom- 4 Kurzzeitsysteme mit dem Ziel der (partiellen)
plex und persistierenden Symptomen (in der Myokarderholung (»bridge to recovery«),
Regel NYHA-Klasse II-IV) und einer redu- Langzeitsysteme als überbrückende Maß-
zierten EF trotz optimaler Pharmakotherapie nahme bis zur Transplantation (»bridge to
4 in aktuellen Studien z. T. signifikante Verbesse- transplant«)
rung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit 4 in Frage kommende Patienten:
4 bei systolischer Herzinsuffizienz (NYHA II–IV, 5 persistierende schwere Symptomen >2 Mo-
LVEF ≤35 %) und Indikation für eine perma- nate trotz optimaler Medikamenten- und
nente Stimulation Aggregattherapie, und mehr als einem der
4 bei LVEF ≤35 %, breitem QRS-Komplex folgenden Kriterien:
(≥120 ms) und Sinusrhythmus und NYHA III– 5 LVEF <25 % und Peak-VO2 <12 ml/kg/min
IV unter optimaler Therapie o Reduktion von 5 ≥ 3 Hospitalisierungen innerhalb von 12
Morbidität und Mortalität Monaten ohne klare beseitigbare Ursache
4 Der Nutzen ist am deutlichsten bei Patienten 5 Abhängigkeit von einer i.v. Therapie mit
mit Linksschenkelblock-Morphologie und Inotropika
nimmt mit zunehmender QRS-Breite zu 5 progrediente Niereninsuffizienz und/oder
4 Unsicherer Nutzen bei bei Patienten mit eingeschränkte Leberfunktion aufgrund des
Rechtsschenkelblock-Morphologie bzw. Vor- reduzierten Perfusionsdrucks
hofflimmern 5 abnehmende rechtsventrikuläre Funktion

Implantierbare Kardioverter/Defibrilla- Herztransplantation


toren (ICD) 4 Indikationen:
4 implantierbarer Kardioverter/Defibrillator 5 Patienten im Endstadium der Herzinsuffi-
(ICD) indiziert für die Sekundär- und Primär- zienz mit schweren Symptomen, schlechter
prävention des plötzlichen Herztods (bei aus- Prognose und ohne alternative Optionen
gewählten Patienten) 5 motivierte, gut informierte und emotional
4 Primärprävention: Patienten (guter funktio- stabile Patienten
neller Status) mit symptomatischer Herzinsuf- 5 Compliance postoperativ gegeben
548 Kapitel 30 · Herzinsuffizienz

4 Kontraindikationen: Chen ZM, Pan HC, Chen YP et al. (2005) Early intravenous then
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551 31

Hirntoddiagnostik und
Therapie des Organspenders
W. Zink

31.1 Hirntoddiagnostik bei Erwachsenen – 552

31.2 Therapie des Organspenders – 553

Ausgewählte Literatur – 555

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_31, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
552 Kapitel 31 · Hirntoddiagnostik und Therapie des Organspenders

Morallet und Gaulon beschrieben erstmals beatme- 5 Ausfall des okulozephalen Reflexes
te Patienten, die nach persistierendem tiefem Koma (»Puppenkopfphänomen«)
einen Verlust aller neurologischen Funktionen und 5 des Kornealreflexes
der Spontanatmung hatten. Sie bezeichneten diesen 5 fehlende Reaktion von starken Schmerzrei-
Zustand als »coma depassé« um hervorzuheben, zen im Gesichtsbereich (Nervus trigeminus)
dass die zugrunde liegende neurologische Schädi- → bei tief komatösen (aber nicht hirntoten)
gung über den Zustand des Komas hinausgeht. Patienten führen solche Schmerzreize zu
erkennbaren Muskelzuckungen und unspe-
jDefinition Hirntod zifischen Reaktionen
4 Der Hirntod wird definiert als »Zustand der 5 Ausbleiben des Würge- und Hustenreflexes,
irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des z. B. unter endotrachealem Absaugen
Großhirns, des Kleinhirns und des Hirn- 5 pathologischer »Apnoetest«
stammes«. Dabei wird die Herz- und Kreislauf- 4 Apnoetest: primär Beatmung mit reinem
funktion durch kontrollierte Beatmung und Sauerstoff, anschließend Reduktion der
entsprechende Kreislauftherapie noch künst- maschinellen Beatmung (Senkung von Atem-
lich aufrechterhalten. frequenz und/oder Tidalvolumen) und Induk-
4 Voraussetzung zur Feststellung des Hirntodes: tion einer Hyperkapnie infolge Hypoventila-
Nachweis einer schweren primären (Trauma, tion. Nachweis eines Anstiegs des arteriellen
Blutung) oder sekundären Hirnschädigung Kohlendioxidpartialdruckes auf mehr als
(Sauerstoffmangel des Gehirns als Folge von 60 mmHg durch arterielle BGA; Dokumenta-
Intoxikation, Reanimation nach Herzinfarkt). tion eines fehlenden Atemantriebs (sowohl
4 Durchführendes Team: zwei unabhängige klinisch anhand fehlender Thoraxbewegungen
Ärzte, die nicht dem Transplantationsteam an- als auch beatmungstechnisch anhand feh-
gehören dürfen und die gemäß den »Richtli- lender Triggerung von Atembemühungen am
nien zum Inhalt der Weiterbildung« über eine Respirator)
31 mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehand- 4 Wiederholung der klinischen Untersuchung
lung von Patienten mit schweren Hirnschädi- zum Nachweis der Irreversibilität der Hirn-
gungen verfügen müssen bzw. aus den Be- schädigung nach 12 h bei primärer Hirnschä-
reichen Neurochirurgie, Anästhesie oder Neu- digung und nach mindestens 3 Tagen nach
rologie kommen. sekundärer Hirnschädigung
4 Alternativ kann die 2. Untersuchung durch
apparative Zusatzuntersuchung ersetzt werden:
31.1 Hirntoddiagnostik 5 Feststellung nicht vorhandener hirnelektri-
bei Erwachsenen scher Aktivität mittels »Nulllinien-EEG«
5 Verlust von evoziertem Potenzal, z. B. erlo-
4 Nachweis erloschener Hirnfunktionen (Koma, schene akustisch evozierte Potenziale (AEP)
Areflexie, fehlender Atemantrieb). 5 Hirnperfusionsszintigraphie oder transkra-
4 Ausschluss folgender Faktoren: nielle Dopplersonographie zum Nachweis
5 Schockzustand des zerebralen Zirkulationsstillstandes
5 Unterkühlung
! Eine zerebrale Angiographie wird nicht mehr
5 Intoxikation
empfohlen! Für Kinder unter 2 Jahren gelten
5 Medikamentenüberhang oder Muskelrela-
besondere Algorithmen für die Hirntoddia-
xation
gnostik!
5 Stoffwechselentgleisungen
4 spezieller Nachweis von neurologischen Defi-
ziten:
5 fehlende Reaktion der Pupillen auf Licht-
einfall
31.2 · Therapie des Organspenders
553 31
31.2 Therapie des Organspenders

4 70–80 % aller Hirntoten versterben innerhalb


von 3–5 Tagen an Multiorganversagen und
Herz-Kreislauf-Stillstand.
4 Die Therapie des Organspenders beginnt zum
Zeitpunkt der Annahme eines vorliegenden
Hirntodes und nicht erst nach abgeschlossener
Hirntoddiagnostik, da eine frühzeitige hämo-
dynamische Stabilisierung und Korrektur von
Imbalancen im Elektrolyt-, Glukose- oder Säu-
re-Basen-Stoffwechsel die spätere Transplan-
tatfunktion des Empfängers erheblich beein-
flusst!

jOrganerhaltende Maßnahmen
4 bei Kreislaufinstabilität, Hypotension oder Hy-
povolämie:
5 großzügige Infusion kristalloider Lösungen,
z. B. 2500–4000 ml Vollelektrolytlösung
über 24 h
5 kontinuierliche Katecholamintherapie, z. B.
Noradrenalin 0,1–1 μg/kg/min
5 Desmopressin 2–4 μg alle 4–8 h
5 Hydrocortison 10 mg/h
4 bei Hyperglykämie: Insulinperfusor, nach
Blutzuckerwert 2–6 IE Insulin/h
4 bei Hypokaliämie: Substitution mittels KCl-In-
fusion nach Serumwert
4 bei Hypernatriämie: Furosemid (20 mg) +
Substitution mittels Glukose-5 %-Lösungen
. Abb. 31.1 Algorithmus zur Hirntodbestimmung 4 bei Hypothermie: externe Wärmung mittels
Gebläse oder Wärmedecken
> Als Todeszeitpunkt wird in Deutschland und 4 Ziel dieser Maßnahmen:
in der Schweiz der Zeitpunkt registriert, zu 5 Einhaltung eines mittleren arteriellen
dem Diagnose und Dokumentation des Hirn- Drucks von 70–110 mmHg, ZVD
todes abgeschlossen sind. Das Protokoll zur 7±2 mmHg, PCWP 10±2 mmHg, SVR 700–
Hirntoddiagnose gilt auch als Todesbeschei- 1000 dyn×s/cm5, CI 3,5–5 l/min×m² sowie
nigung. In Österreich gilt dagegen der Ein- einer ausreichenden Nierenfunktion (>1 ml/
tritt des Herz-Kreislauf-Stillstands als Todes- kg KG/h bzw. 100 ml/h)
zeitpunkt (. Abb. 31.1, . Abb. 31.2). 5 Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen
Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes
5 pulmonale Infektionsprophylaxe mit einem
Antibiotikum, z. B. Cephalosporine der
dritten Generation
554 Kapitel 31 · Hirntoddiagnostik und Therapie des Organspenders

31

. Abb. 31.2 Hirntodprotokoll


Ausgewählte Literatur
555 31
Ausgewählte Literatur

Publikationen
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Internetadressen
www.bmgesundheit.de/rechts/organ/organ/ubersich.htm
www.dso.de
557 32

Abdominelles Kompartment-
syndrom (AKS)
W. Zink

32.1 Grundlagen – 558

Ausgewählte Literatur – 562

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_32, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
558 Kapitel 32 · Abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS)

32.1 Grundlagen 4 Veränderung des Flüssigkeitshaushalts


5 Azidose (pH<7,2)
4 Eine progrediente unphysiologische Erhöhung 5 Hypothermie (<33°C)
des intraabdominellen Drucks führt zu 5 Hypotonie
Dysfunktionen lebenswichtiger Organen. 5 Massentransfusionen (mehr als 10 Erythro-
4 Der Ausdruck »abdominelles Kompartment- zytenkonzentrate/d)
syndrom« (AKS) wurde erstmals Anfang 5 Koagulopathie (Thrombozyten <55.000/ml;
1980er Jahre von Kron eingeführt. INR >1,5)
4 Der normale abdominelle Druck (IAP) beträgt 5 Volumensubstitution (mehr als 5 l/d)
ca. 0–5 mmHg. 5 Pankreatitis
5 Sepsis
jDefinition 5 Oligurie
Ein AKS ist definiert durch einen 4 veränderte Compliance der Bauchwand
4 anhaltenden intraabdominellen Druck (IAP) 5 morbide Adipositas
von >20 mmHg sowie 5 Polytrauma
4 einen abdominellen Perfusionsdruck (APP = 5 Verbrennung
MAP – IAP) <60 mmHg (3-mal gemessen in- 5 »Damage-control«-Laparotomie mit
nerhalb von 6 h) plus Faszienverschluss unter Spannung
4 ein neu aufgetretenes Ein- oder Multiorganver- 5 ARDS
sagen (MOV). 5 mechanische Beatmung mit hohen Drücken
(PEEP über 10 cmH2O)
Ein kurzfristige intraabdominelle Drucksteigerung
(≥12 mmHg oder APP ≤60 mmHg) wird als intra- jPathophysiologie
adominelle Hypertension, abgestuft in 4 Grade, 4 Dem AKS liegt primär eine Abnahme des
bezeichnet (. Tab. 32.1). venösen Abflusses zugrunde. Später treten eine
Abnahme der arteriellen Perfusion und eine
jEpidemiologie Funktionsstörung aller intraabdominellen
32 4 derzeit keine gesicherten Angaben zur Organe hinzu o »Teufelskreis« (. Abb. 32.1)
Inzidenz des abdominellen Kompartment- 4 Sekundär werden auch extraabdominelle
syndroms verfügbar Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt
4 nach viszeralchirurgischen Eingriffen bis zu (. Tab. 32.2; . Abb. 32.2).
40 % aller Patienten mit intraabdomineller
Hypertonie jEinteilung (. Tab. 32.3)
4 nach Polytrauma bis zu 75 % aller Patienten 4 primäres AKS (intraabdominell)
mit intraabdomineller Hypertonie, in >30 % 5 Peritonitis
Entwicklung eines AKS 5 Darmwandödem, z. B. nach Ischämie
4 bei Intensivpatienten häufiges und meist uner- 5 Pankreatitis
kanntes Krankheitsbild mit einer Prävalenz
von bis zu 59 %
4 AKS mit hoher Mortalität von bis zu 60 % . Tab. 32.1 Intraadominelle Hypertension

jRisikofaktoren Grad Intraadominelle Hypertension


4 erhöhtes intraabdominelles Volumen
I 12–15 mm Hg
5 Gastroparese, Ileus, intestinale Pseudo-
obstruktion II 16–20 mm Hg

5 Hämato-, Pneumoperitoneum III 21–25 mm Hg


5 Leberfunktionsstörung, Aszites IV >25 mm Hg
5 Tumor
32.1 · Grundlagen
559 32

. Tab. 32.2 Pathophysiologie beim abdominellen Kompartmentsyndrom

Organ Veränderungen Folge

Lunge Zwerchfellhochstand mit basaler Kompressionsatelek- Respiratorische Insuffizienz mit arterieller


tasenbildung Hypoxämie + Hyperkapnie

Lungencompliance p Gefahr des Barotraumas, Zunahme des »ca-


pillary leak« und des extravaskulären Lun-
genwassers (EVLW) infolge IL-1 und IL-6 p

Funktionelle Residualkapazität p, Residualvolumen p Anmerkung: eine intraabdominelle Drucker-


o Erhöhung des Beatmungsdrucks mit begleitender höhung auf 15 mmHg führt zu einem Anstieg
Inflammation des Beatmungsdrucks um 50 % und vermin-
dert die Lungencompliance um 25–50 %!

Herz Kompression der V. cava inferior o verminderter ve- Signifikante Reduktion des Herzzeitvolumens
nöser Rückfluss mit Senkung der kardialen Vorlast und Linksherzinsuffizienz o Ursache der
(»preload«), erhöhter intrathorakaler Druck mit Anstieg hohen Letalität des AKS!
der kardialen Nachlast (»afterload«) o SVR p

Der nach intrathorakal weitergeleitete intraabdomi-


nelle Druck führt zu einem ZVD- und evtl. Anstieg des
pulmonalkapillären Verschlussdrucks (PAOP) und weist
auf einen intravasalen Volumenmangel hin!

Niere Venöser Abstrom p mit arterieller Perfusion p Oligourie bei IAP 15–25 mmHg

Renaler Widerstand p Anurie bei IAP >25 mmHg

GFR p

Tubuläre Natrium- und Wasserretention n

Intestinal- Portovenöse Stase und Reduktion des mesenterialen, Anaerober Stoffwechsel, Azidose, Freiset-
trakt hepatischen und mukosalen Blutflusses zung von toxischen Metaboliten und proin-
flammatorischen Zytokinen IL-1, IL-6, IL-8
und TNF-α o Erhöhung der Darmwandper-
meabilität
o Übertritt von Mikroorganismen in den
Pfortaderkreislauf (»bakterielle Transloka-
tion«)

Gehirn Zerebralvenöser Abfluss p Intrakranieller Druckanstieg

Zerebraler Perfusionsdruck p

5Ileus jKlinik
5Aszites 4 Zunahme des Bauchumfangs
5Tumoren 4 prall-elastisch gespannte Bauchwand
5Blutungen, Hämatome 4 (reaktive) Darmatonie
4 sekundäres AKS (extraabdominell) 4 hoher Blasendruck (bei Blasendruck-
5 erzwungener Bauchdeckenverschluss messung)
5 Aorteneingriffe (abdominal) 4 Oligurie oder Anurie (in der Spätphase)
5 Bauchtucheinlage bei Blutung/Tamponade 4 kardiales Low-output-Syndrom
5 Kapnoperitoneum 4 Erhöhung des Beatmungsdrucks (in der Früh-
4 tertiäres AKS (chronisch) phase) und respiratorische Insuffizienz
560 Kapitel 32 · Abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS)

. Abb. 32.1 Schematische Darstellung der pathophysiologischen Vorgänge bei AKS (beachte die gegenseitige Beeinflus-
sung im Sinne eines »Teufelskreises«). (Nach Ukegjini et al. 2013)

32

. Abb. 32.2 Auswirkungen des AKS auf die Organsysteme. (Nach Ukegjini et al. 2013)
32.1 · Grundlagen
561 32

. Tab. 32.3 Einteilung des abdominellen Kompartmentsyndroms

Primäres AKS (intraabdominell) Sekundäres AKS (extraabdominell) Tertiäres AKS (chronisch)

Stumpfe oder penetrierende Bauchverletzungen Sepsis mit »capillary leak« Nach Bauchdeckenver-
Peritonitis Reperfusionsschaden mit Ödem schluss
Abdominelle Tamponade (Packing), Verbrennung Aus primärem und sekun-
Pneumoperitoneum Reanimation bei Polytrauma und därem AKS
Rupturiertes Bauchaortenaneurysma (BAA) Massivtransfusion Nach dekomprimierender
Beckentrauma Laparotomie
Retroperitoneales Hämatom
Forcierter Faszienverschluss
Massiver Aszites
Intraabdomnineller Tumor

. Abb. 32.3 Indirekte Messung des IAP mittels Blasenkatheter. (Nach Ukegjini et al. 2013)

4 bei SHT-Patienten Anstieg des intrakraniellen 4 indirekte Messung endexspiratorisch in


Drucks (ICP) und Abnahme des zerebralen Flachlagerung durch Bestimmung des
Perfusionsdrucks Blasendrucks o gute Korrelation bis ca.
30 mmHg intraabdominelles Druckniveau
jDruckmessung (. Abb. 32.3)
4 direkte Messung mittels intraabdomineller 4 Kalibrierung des Druckaufnehmers bezieht
(Verres)-Nadel/Katheter sich auf die mittlere Axillarlinie
562 Kapitel 32 · Abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS)

4 Nach kompletter Blasenentleerung wird diese Desie N, Willems A, De Laet I et al. (2012) Intra-abdominal
wieder mit 25 ml steriler Kochsalzlösung auf- pressure measurement using the FoleyManometer does
not increase the risk for urinary tract infection in critically
gefüllt und die Messung vorgenommen
ill patients. Ann Intensive Care 2:1–10
4 ggf. intragastrale Druckmessung über spezi- Diaz JJ Jr, Cullinane DC, Dutton WD et al. (2010) The manage-
ellen Ballonkatheter ment of the open abdomen in trauma and emergency
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Hedenstierna G, Larsson A (2012) Influence of abdominal
4 Entlastung des Gastrointestinaltrakts durch
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Magensonde und/oder Darmrohr Curr Opin Crit Care 18:80–85
4 Prokinetika bei paralytischem Ileus Holodinski JK, Roberts DJ, Ball CG et al. (2013) Risk factors for
4 ggf. Aszitesdrainage (Parazentese) intra-abdominal hypertension and abdominal compart-
4 Stabilisierung des Kreislaufs mit Volumen und ment syndrome among adult intensive care unit patients:
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Iberti TJ, Lieber CE, Benjamin E (1989) Determination of in-
4 Optimierung der Beatmung (BIPAP mit
traabdominal pressure using a thransurethral bladder
kleinen Tidalvolumen und permissiver Hyper- catheter: clinical validation of the technique. Anesthesio-
kapnie) logy 70: 47–50
4 ggf. Applikation von Glukokortikoiden (»capil- Kaplan M, Banwell P, Orgill DP et al. (2005) Guidelines for the
lary leak«) und Diuretika management of the open abdomen. Recommendations
from a multidisciplinary expert advisory panel. Wounds
4 frühzeitige dekompressive Laparotomie bei
17:1–24
hohem IAP (>25 mmHg) bzw. niedrigem IAP Kirkpatrick AW, Brenneman FD, McLean RF et al. (2000) Is
(<50 mmHg) und mindestens einer Organdys- clinical examination an accurate indicator of raised
funktion intra-abdominal pressure in critically injured patients?
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Netzeinlage bzw. Vakuumverband
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4 abschließend frühelektive (innerhalb von 14 re-exploration. Ann Surg 199:28–30
Tagen) bzw. späte Rekonstruktion der Bauch- Kubiak BD, Albert SP, Gatto LA et al. (2010) Peritoneal negative
wand pressure therapy prevents multiple organ injury in a
32 chronic porcine sepsis and ischemia/reperfusion model.
! Ein sekundärer Bauchwandverschluss sollte Shock 34:525–534
erst durchgeführt werden, wenn der Blasen- Lui F, Sangosanya A, Kaplan LJ. (2007) Abdominal compart-
druck <10 mmHg beträgt! ment syndrome: clinical aspects and monitoring. Crit
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Internetadressen
World society of Abdominal Compartment Syndrome: www.
wsacs.org
565 33

Herzrhythmusstörungen
in der Intensivmedizin
W. Zink

33.1 Bradykarde Rhythmusstörungen – 566

33.2 Tachykarde Rhythmusstörungen – 568

33.3 Ventrikuläre Tachyarrhythmien bei primär elektrischen


Erkrankungen des Herzens – 572

Ausgewählte Literatur – 572

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_33, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
566 Kapitel 33 · Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin

jUrsachen gradige AV-Blockierungen sowie um eine reanima-


Herzrhythmusstörungen (HRST) können bei Inten- tionspflichtige Asystolie.
sivpatienten jederzeit als
4 Komplikation einer kardialen oder extra-
kardialen Erkrankung oder als 33.1.1 Sinusknotensyndrom
4 eigenständige primäre Manifestationen vor- bzw. Sick-Sinus-Syndrom
kommen.
Mögliche Erscheinungsformen:
> Die Analyse bzw. Diagnose einer Rhythmus-
4 Sinusbradykardie und unzureichender
störung und die daraus abgeleitete kausale
Frequenzanstieg unter Belastung (zerebrale
oder differenzierte medikamentöse oder
Minderperfusion und Leistungseinschrän-
elektrische Therapie ist in der Akutphase oft
kung)
schwierig!
4 sinuatrialer Block (SA-Block) mit klinischer
4 Vor der Therapie sollte möglichst zur Doku- Synkope
mentation und Diagnosesicherung ein 12-Ka- 4 Sinusknotenstillstand (zusätzlich atriale
nal-EKG geschrieben werden! Tachyarrhythmien, meist paroxysmales Vor-
hofflimmern)
> Das Erkennen der Ursache ist Voraussetzung
für eine effektive kausale Therapie und be-
jTherapie
einflusst somit die Prognose des Patienten!
Bei eindeutigem Zusammenhang mit der klini-
schen Symptomatik Schrittmacherimplantation.
Einteilung der Herzrhythmusstörungen
5 Bradykarde Herzrhythmusstörungen
(Herzfrequenz <60/min):
33.1.2 Bradykardes Vorhofflimmern
– Sinusbradykardie
4 zu 80 % Patienten mit Myokardschädigung
– Bradyarrhythmia absoluta
4 bei Vorhofflimmern mit erhaltender AV-Über-
– AV-Ersatzrhythmus bei supraventri-
leitung sind die R-R-Abstände unregelmäßig,
kulären Blockaden
und vor den QRS-Komplexen fehlen koordi-
5 tachykarde Herzrhythmusstörungen
33 (Herzfrequenz >100/min):
nierte P-Wellen
4 ein langsamer, regelmäßiger Kammerrhythmus
– supraventrikuläre Tachykardien (SVT)
legt den Verdacht auf einen zusätzlichen kom-
– ventrikuläre Tachykardien (VT)
pletten AV-Block nahe
4 je breiter die QRS- Komplexe sind, desto eher
Am häufigsten sind mit ca. 90 % die tachykarden besteht der Verdacht auf infrahisäre Ersatz-
HRST! Bei jüngeren Patienten ohne anamnestisch rhythmen
bekannte strukturelle Herzerkrankung ist eine sup-
raventrikuläre Tachykardie wahrscheinlich; bei Pa- jKlinik
tienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung 4 Schwindel oder Synkopen
und/oder altem Herzinfarkt überwiegen ventrikulä- 4 kardiale Dekompensation bei länger anhalten-
re Tachykardien! den Bradykardien

jUrsachen
33.1 Bradykarde Rhythmusstörungen 4 . Tab. 33.1

Hämodynamisch intolerable Bradykardien sind im


Vergleich zu Tachykardien bei Intensivpatienten
eher selten. Im Regelfall handelt es sich um höher-
33.1 · Bradykarde Rhythmusstörungen
567 33
33.1.3 AV-Blockierungen
. Tab. 33.1 Ursachen bradykarder Rhythmus-
störungen
jEinteilung
Ursache Anmerkung 4 . Tab. 33.2

Vegetative Gründe Erhöhter Vagotonus jKlinik


Angeborene AV- Fibrosierung des Reiz- Hämodynamisch relevante AV-Blockierungen
Blockierung leitungssystems äußern sich je nach Überleitungsverhältnis und
Primär degenerative Ersatzrhythmus mit Schwindel, Synkopen und
Ursachen Adam-Stokes-Anfällen. In schweren Fällen ist auch
Kardiale Ischämie Akutes Koronar- eine Herzinsuffizienz bis zur Asystolie mit
syndrom Todesfolge möglich.
Zustand nach kardiochi-
rurgischem Eingriff jTherapie
4 medikamentöse Therapie
Endstadium der Herzinsuf-
fizienz oder kardiales 5 bei postoperativer Bradykardie zunächst zu-
Pumpversagen warten und konservativ behandeln
5 bei postoperativer Bradykardie >1 Woche
Dilatative Kardio-
myopathie Versorgung mit einem permanenten
Schrittmacher
Hypertensive Herz-
erkrankung
5 zur Notfalltherapie: medikamentöse Thera-
pie mit Atropin (0,5–1 mg; die Maximal-
Myokarditis, Endokarditis
dosis beträgt 0,04 mg/kg KG bzw. 3 mg bei
Medikamentös/toxisch β-Blockade 75 kg KG) oder Adrenalin (10–50 μg Bolus
Elektrolytentgleisung Hyperkaliämie, Hyper- i.v. oder 0,1–0,2 μg/kg KG/min) und/oder
kalziämie, Hypermag- passagerem Schrittmacher (transkutan
nesiämie oder transvenös)
Endokrine Erkrankungen Hypothyreose, Hypo- 5 zur definitiven Therapie permanente
adrenalismus, Hyper- Schrittmacherimplantation
parathyreoidismus
! Orciprenalin (Alupent) sollte aufgrund viel-
Neurologische oder
fältiger Nebenwirkungen (z. B. Senkung des
neuromuskuläre Erkran-
kungen
diastolischen Blutdrucks mit Steigerung der
Ischämie sowie proarrhythmische Effekte)
Reflexvermittelte
nur ausnahmsweise im intensivmedizini-
Ursachen
schen Bereich eingesetzt werden.
Bakterielle Infektionen
(z. B. Borreliose), virale und 4 transkutane Stimulation
mykotische Infektionen 5 Stimulationselektroden anlegen (Sternum –
Kollagenosen und rheu- Primär rheumatoide Apex oder anterior – posterior)
matologische Erkran- Arthritis (früher: »pcP«), 5 Stimulation mit einer Stromstärke von
kungen systemischer Lupus 50–100 mA und einer Impulsdauer von
erythemathodes 20–40 ms
5 Analgosedierung des Patienten (Stimulation
ist schmerzhaft!)
5 als festfrequente Stimulation oder als De-
mand-Stimulation bei Unterschreiten einer
unteren Grenzfrequenz
568 Kapitel 33 · Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin

. Tab. 33.2 Einteilung der AV-Blockierungen

AV-Blockierung Grad Beschreibung

Grad I Konstante Verlängerung der PQ-Intervalls (>200 ms)

Grad II (Typ Wenckebach) Zunahme des PQ-Intervalls, bis eine atrioventrikuläre Überleitung ausfällt, die Pause
bei der blockierten Überleitung ist kürzer als die doppelte PP-Zykluslänge

Grad II (Typ Mobitz) Einzelne Vorhofaktionen werden nicht auf die Kammer übergeleitet bei konstanten
PQ-Intervallen

Grad III Vorhöfe und Kammern schlagen unabhängig voneinander

4 transvenöser passagerer Schrittmacher zum Beweis des Gegenteils als ventrikuläre Tachy-
5 Vorschieben einer Stimulationselektrode kardie anzusehen ist.
über eine zentrale Vene (z. B. V. jugularis, EKG-Kriterien für das Vorliegen einer ventriku-
V. subclavia, V. femoralis) mittels Schleuse lären Tachykardie (VT) bei breitem QRS-Komplex:
in den rechtsventrikulären Apex (idealer- 4 QRS-Breite >140 ms (Rechtsschenkelblock,
weise unter Durchleuchtung, im Notfall RSB) bzw. >160 ms (Linksschenkelblock;
aber auch bettseitig möglich) LSB)
5 die Wahrnehmungsschwelle wird durch 4 RS-Intervall >100 ms in einer Brustwand-
eine schrittweise Erhöhung der Empfind- ableitung
lichkeitsschwelle mit einer eingestellten Fre- 4 negativer QRS in allen Brustwandableitungen
quenz unterhalb der Eigenfrequenz über- (negative Konkordanz)
prüft (z. B. 4–6–8–10 mV), bis der Schritt- 4 ventrikuläre Fusionsschläge oder Nachweis
macher die Eigensignale nicht mehr wahr- einer ventrikuloatrialen Dissoziation
nimmt und die Stimulation einsetzt. Eine
gute Empfindlichkeit liegen >8 mV
Einteilung der Tachykardien
5 Reizschwellentestung: mit absteigender
5 Supraventrikuläre Tachykardien (SVT)
33 Stromstärke wird mit einer Frequenz stimu-
– Sinusknoten-Reentry-Tachykardie
liert, die über der Eigenfrequenz liegt, bis
– AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT)
eine effektive Antwort des Ventrikels aus-
– Junktionale ektope Tachykardie
fällt
– Atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie bei
5 Aggregateinstellung: der Schrittmacher
akzessorischer Leitungsbahn (AVRT)
wird jetzt auf die Wunschfrequenz im starr-
– Fokale atriale Tachykardie
frequenten oder im Demand-Modus (z. B.
– Sinustachykardie
70/min) eingestellt
– Atriale Makro-Reentry-Tachykardie
5 Elektrodenfixierung: die Elektrode ist auf-
– Vorhofflattern oder Vorhofflimmern
grund der mangelnden intramyokardialen
5 Ventrikuläre Tachykardien (VT)
Verankerung instabil → die Elektrode muss
– Monomorphe VT
deshalb in der Schleuse fixiert werden!
– Polymorphe VT
– »Torsade de pointes«
– Kammerflattern
33.2 Tachykarde Rhythmusstörungen
– Kammerflimmern

Elektrokardiographisch unterscheidet man in der


Akutsituation zwischen Schmalkomplex- und
Breitkomplextachykardien, wobei Letztere bis
33.2 · Tachykarde Rhythmusstörungen
569 33

. Tab. 33.3 Die wichtigsten Antiarrhythmika

Wirkstoff Handelsname Dosierung (i.v.) HWZ Nebenwirkungen

Verapamil Isoptin 5 mg 4–5 h Negativ inotrop, Negativ chronotrop

Diltiazem Dilzem 0,3 mg/kg KG 4–5 h Negativ inotrop, negativ chronotrop

Metoprolol Beloc 5 mg 3–4 h Negativ inotrop, negativ chronotrop

Esmolol Brevibloc 50 mg 5–15 min Negativ inotrop, negativ chronotrop

Ajmalin Gilurytmal 50 mg 10–20 min Negativ inotrop, Hitzegefühl

Adenosin Adrekar 6/9/12/15 mg 5–10 s AV-Block, Flush, Asthmaanfall

Digoxin Lanicor 0,25 mg 35 h Vegetative Symptome, Bradykardien

Amiodaron Cordarex 150–300 mg 50 Tage Proarrhythmien, Schilddrüsenprobleme,


ARDS

Vernakalant Brinavess 3 mg/kg KG 3-5h Verlängerung der atrialen Refraktärzeit und


über 10 min KI Verzögerung der Überleitungszeit

Atropinsulfat Atropin 0,5–3 mg 2h Vagolytisch, Temperaturanstieg, Mund-


trockenheit

Adrenalin Suprarenin 0,01–1 mg 2 min Ischämien, Proarrhythmien

jUrsachen . Tab. 33.3 zeigt einen Überblick über die wichtigs-


Ursache ventrikulärer Tachyarrhythmien ist meist ten antiarrhythmischen Medikamente.
eine strukturelle Herzerkrankung:
! Es sollten nur Antiarrhythmika verbreicht
4 kardiale Ischämie, z. B. im Rahmen eines
werden, deren pharmakologische Eigen-
akuten Koronarsyndroms (STEMI, NSTEMI,
schaften dem behandelnden ärztlichen
instabile AP)
Personal bekannt sind. Eine Polypragmasie
4 koronare Herzerkrankung
und die Verabreichung von »Antiarhythmika-
4 dilatative Kardiomyopathie (DCM)
cocktails« sind zu vermeiden!
4 Herzinsuffizienz oder kardiales Pumpversagen
4 hypertensive Herzerkrankung
4 Klappenvitien 33.2.1 Supraventrikuläre Tachykardien
4 Elektrolytentgleisungen, z. B. Hyper-, (SVT)
Hypokaliämie
4 primäre elektrische Erkrankungen, z. B. Ionen- SVT haben ihren Ursprung oberhalb des AV-Kno-
kanalerkrankungen wie dem Brugada-Syn- tens und imponieren als Schmalkomplextachykar-
drom oder dem Long-QT-Syndrom (LQTS) dien. Wichtige supraventrikuläre Tachykardien
etc. sind:
4 Vorhofflimmern und Vorhofflattern
jTherapie 4 AV-Knoten-Reentry-Tachykardien
4 Notfallsituation je nach hämodynamischer 4 selten Tachykardien bei Präexitationssyndro-
Einschränkung Kardioversion bzw. Defibrilla- men oder atriale Tachykardien
tion oder medikamentöse Intervention
4 Intervall: implantierbarer Kardioverterdefibril- Vorhofflimmern
lator (ICD) die Patienten haben eine ausge- Das Vorhofflimmern ist eine supraventrikuläre Ta-
prägte Komorbidität chyarrhythmie mit unkoordinierter atrialer Erre-
570 Kapitel 33 · Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin

5 Fiebersenkung
. Tab. 33.4 Zeitliche Klassifikation des Vorhofflim-
mern
5 Reduktion endogener und exogener Kate-
cholaminspiegel
Klassifikation Klinik 5 Kontrolle der Schilddrüsenhormone
4 elektrische Kardioversion bei therapierefrak-
Paroxysmales Vorhof- Episodisches Auftreten, tärem tachykardem Vorhofflimmern und dro-
flimmern Dauer <7 Tage
hendem Kreislaufversagen. Unter Kurznarkose
Persistierendes Vorhof- Anhaltend, Dauer >7 wird eine R-Zacken-getriggerte Kardioversion
flimmern Tage, elektrische oder mit einer Energie von 50–200 J durchgeführt
medikamentöse Kardio-
version möglich
4 vor Kardioversion möglichst echokardiogra-
phischer Ausschluss von Vorhofthromben
Permanentes Vorhof- Anhaltend, keine Kardio-
oder 3-wöchige Antikoagulation bei länger
flimmern version möglich
bestehendem Vorhofflimmern (>48 h)
4 medikamentöse Kardioversion mit
5 Amiodaron (Cordarex) beim kritisch Kran-
gung und daraus resultierender mechanischer Dys- ken (Konversionsrate >80 %, HWZ: 18–
funktion beider Vorhöfe. Elektrokardiographisch 28 Tage, Dosis: 5 mg/kg KG i.v., anschlie-
sind die P-Wellen durch Flimmerwellen ersetzt, die ßend 900 mg/Tag kontinuierlich i.v.) oder
in Amplitude, Morphologie und Frequenz stark va- alternativ Dronedarone (Multaq = deio-
riieren (Vorhoffrequenz >350/min, Ventrikelfre- diertes Amiodaron 2×400 mg Filmtbl./Tag)
quenz durchschnittlich 130–150/min, vorwiegend 5 Ibutilide (neues Klasse-III-Antiarrhythmi-
in der V1-Ableitung). Die RR-Abstände sind unre- kum; Konversionsraten von 50–70 %, Dosis:
gelmäßig. Das Vorhofflimmern wird anhand er zeit- 1 mg über 10 min als Kurzinfusion, evtl. Re-
lichen Dauer in 3 Gruppen eingeteilt (. Tab. 33.4). petition nach 20 min bei Nichtansprechen);
Ibutilide zurzeit in Deutschland noch nicht
jKlinik erhältlich!
4 Palpitationen oder Schwindel bis hin zur aku- 5 Vernakalant (Brinavess) bei kurz bestehen-
ten kardialen Dekompensation bei fehlender den VHF, das ≤3 Tage nach kardiochirur-
Kammerfüllung gischen Eingriff bzw. ≤7 Tage bei chirur-
33 gischen Patienten besteht. Dosierung: 3 mg/
jTherapie kg KG über 10 min Kurzinfusion, evtl. Re-
4 entweder Herstellung eines Sinusrhythmus petition mit 2 mg/kg KG als Kurzinfusion
durch elektrische oder medikamentöse Kar- (500 mg Infusionslösung mit 4 mg/ml)
dioversion (cave: erhöhtes thrombemboli- – Kontraindikationen für Vernakalant: ACS
sches Risiko bei Vorhof(ohr)thromben bzw. bzw. Infarkt innerhalb der letzten 30 Tage,
Vorhofflimmern >48 h) oder schwere Aortenklappenstenose, syst. RR
4 Frequenzkontrolle mittels folgender Substan- < 100 mmHg, Herzinsuffizienz NYHA III
zen: bzw. IV, schwere Bradykardie oder AV-
5 β-Blocker (z. B. Metoprolol) oder Block höheren Grades bzw. QT-Verlänge-
5 Kalziumantagonisten (Verapamil, Diltia- rung
zem) oder – Wechselwirkungen von Vernakalant: Ver-
5 Digitalis → nur zur Akuttherapie! Bei per- längerung der atrialen Refraktärzeit und
manenten VHF kein Digoxinapplikation in Verzögerung der Überleitungszeit
der Langzeitherapie aufgrund höherer Mor-
talität! (Whitbeck et al. 2012) ! Die Klasse-1-Antiarrhythmika wie Propafe-
4 »Harmonisierung« des Patienten: non oder Flecainid sollten nur nach Aus-
5 Elektrolyt- und Volumenausgleich schluss einer strukturellen Herzerkrankung
(Kalium-/Magnesiumsubstitution) eingesetzt werden!
33.2 · Tachykarde Rhythmusstörungen
571 33
Die Nebenwirkungen aller Antiarrhythmika sind: jKlinik
proarrhythmogener Effekt mit Auftreten polymor- 4 abhängig von Herzfrequenz und kardialer
pher ventrikulärer Tachykardien oder Torsaden. Komorbidität: Schwindel, Palpitationen, Syn-
kopen und kardiale Ischämie und Dekompen-
Vorhofflattern sation
Definitionsgemäß ist Vorhofflattern eine durch 4 im EKG findet sich eine schmale Komplexta-
anatomische oder funktionelle Barrieren fixierte chykardie mit einer durchschnittlichen Herz-
Kreiserregung in den Vorhöfen mit regelmäßiger frequenz zwischen 150 und 220/min, oft ohne
oder unregelmäßiger Überleitung auf die Ventrikel. eindeutig erkennbare P-Welle.
Im EKG finden sich typische sägezahnartige ne-
gative Flatterwellen mit einer Frequenz von 250– jTherapie
300/min in den Ableitungen II, III, aVF sowie posi- 4 Akuttherapie mit Vagusmanöver, Karotis-
tive Flatterwellen in V1. Durch vagale Manöver oder druck (Ib-Empfehlung), Adenosinbolus
Adenosin-Bolusapplikation (Adrekar 6–27 mg) in (6 mg, bei ausbleibendem Erfolg 12 und
eine große Vene können die P-Wellen demaskiert 18 mg, ggf. auch noch höher dosiert) bei or-
und so die Diagnose gesichert werden. thodromer Überleitung oder bei antidromer
Die Überleitung auf die Kammer erfolgt in der Überleitung Ajmalin oder Flecainid oder Pro-
Regel in einem fixen Verhältnis (2:1-Überleitung pafenon
mit starrer effektiver Kammerfrequenz um 75/ 4 notfalls bei therapierefraktärer Tachykardie
min). Gefährlich ist eine 1:1-Überleitung mit ent- und hämodynamischer Intoleranz elektrische
sprechend hoher Kammerfrequenz. Kardioversion

jTherapie Ventrikuläre Tachykardien


4 Die Akuttherapie besteht in der Behandlung Ventrikuläre Tachykardien treten meist bei organi-
der Grunderkrankung und entspricht sonst scher Herzerkrankung auf:
derjenigen des Vorhofflimmerns: 4 koronare Herzerkrankung (KHK)
5 elektrische Kardioversion bei hämodynami- 4 dilatative Kardiomyopathie (DCM) mit hoch-
scher Instabilität gradig reduzierter Pumpfunktion
5 Frequenzkontrolle mit β-Blocker oder 4 rechtsventrikuläre arrhythmogene Dysplasie
Kalziumantagonist, ggf. Digitalis 4 hypertrophe Kardiomyopathie (HOCM)
5 atriale Überstimulation mit einem geeigne- 4 idiopathische Kammertachykardie
ten passageren Schrittmacher oder im 4 Ionenkanalerkrankungen (Brugada-Syndrom,
Katheterlabor erworbenes Long-QT-Syndrom)
5 medikamentöse Rezidivprophylaxe bei wie-
dererlangtem Sinusrhythmus: β-Blocker jDiagnostik
und/oder Klasse-III-Antiarrhythmika Im 12-Kanal-EKG finden sich bei VT:
4 kurativer Therapieansatz: Radiofrequenz- 4 eine VA-Dissoziation (mehr QRS-Komplexe
ablation als P-Wellen)
4 QRS-Breite >140 ms bei Rechtsschenkelblock-
AV-Knoten-Reentry-Tachykardie tachykardie bzw. >160 ms bei Linksschenkel-
Die AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT) ist blocktachykardie
eine regelmäßige, plötzlich beginnende und abrupt 4 Fusionsschläge (d. h. Hybridschläge, die aus
endende Reentry-Tachykardie supraventrikulären einer Mischung aus supraventrikulärer und
Ursprungs über einen langsamen und schnellen ventrikulärer Aktivierung entstehen)
Leitungsweg im AV-Knoten. 4 atypische Herzachse (z. B. überdrehter Rechts-
typ oder überdrehter Linkstyp)
4 Konkordanz, d. h. gleiche Ausrichtung der
QRS-Komplexe in den Brustwandableitungen
572 Kapitel 33 · Herzrhythmusstörungen in der Intensivmedizin

jTherapie jEinteilung
Bei hämodynamisch stabilen Patienten Therapie- 4 genetisch determiniertes LQTS (selten)
versuch mit Amiodaron (Cordarex) 150–300 mg 4 erworbenes, medikamenteninduziertes LQTS
langsam i.v., alternativ Ajmalin (Gilurytmal) 50 mg aufgrund einer Polypharmakologie und der
langsam i.v. über 10–15 min bei fehlendem akutem Kumulation vieler Pharmaka bei eingeschränk-
Koronarsyndrom oder kardialer Dekompensation. ter Nierenfunktion

Eine Liste möglicher verursachender Medikamente


33.3 Ventrikuläre Tachyarrhythmien ist im Internet abrufbar (http: //www.qtdrugs.org).
bei primär elektrischen Erkran-
kungen des Herzens jKlinik
4 Synkopen aufgrund von Tachykardien vom
33.3.1 Brugada-Syndrom Typ »torsades de pointes«

Das Brugada-Syndrom, welches 1990 erstmals be- jTherapie


schrieben wurde, ist eine primär elektrische Erkran- 4 erworbenes LQTS: hochdosierte β-Blockergabe
kung des Herzens, die für ca. 50 % der plötzlichen und Absetzen des vermutlich verantwortlichen
Herztode bei strukturell herzgesunden Patienten Medikaments
verantwortlich ist. Männer sind häufiger betroffen 4 zur Akutbehandlung der »torsades de pointes«:
als Frauen Magnesium 2 g i.v. (initial 2 g = 8 mmol als
Bolus, dann ggf. Wiederholung oder als Dauer-
jUrsachen infusion)
4 Mutation des Natriumkanals (SCN5A-Gen) 4 bei Degeneration der »torsades« in ein
bei ca. 20 % der Patienten Kammerflimmern: Defibrillation
4 β-Blocker und implantierbarer Defibrillator
jDiagnostik zur Langzeittherapie
Im EKG fallen spontan oder nach Provokation mit
einem Klasse-I-Antiarrhythmikum (Ajmalin, Flecai-
nid) eine charakteristische Anhebung der ST-Stre- Ausgewählte Literatur

33 cke in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1– Publikationen


V2/V3) sowie ein Rechtsschenkelblock (RSB) auf. ACC/AHA/ESC 2006 Guidelines for ventricular arrhythmen.
Eur Heart J 27: 2099–2140
jTherapie Blomstrom-Lundquist C, Scheinmann MM, Aliot EM et al.
4 bei dokumentiertem Kammerflimmern sofor- (2003) for the European Society of Cardiology Comitee
and the NASPE-Heart Rhythm Society). ACC/AHA/ESC
tige Defibrillation guidelines for the management of patients with supra-
4 bei symptomatischen Patienten ist ein implan- ventricular arrhythmias – executive summary. J Am Coll
tierbarer Kardioverterdefibrillator die Therapie Cardiol 42: 1493–1531
der Wahl Brugada P, Brugada J, Mont L, Smeets J, Andries EW (1991) A
4 kontraindiziert sind β-Blocker, Amiodaron ist new approach to differential diagnosis of a regular tachy-
cardia with a wide QRS complex. Circulation 83: 1649–1659
ineffektiv, Chinidin hat möglicherweise einen
Cicco A, Schmidt-Schweda S, Gabelmann M, Holubarsch C
protektiven Effekt (2003) Kardiologische Intensivmedizin. Wissenschaftliche
Verlagsgesellschaft, Stuttgart
Gamm AJ et al. (2010) Guidelines for the management of
33.3.2 Long-QT-Syndrom atrial fibrillation. Eur Heart J 31: 2369–2429
Gamm AJ et al. (2012) 2012 focused update of the ESC Guide-
lines for the management of atrial fibrillation. Eur Heart J
Das Long-QT-Syndrom (LQTS) ist charakterisiert 33: 2719–2747
durch eine Verlängerung der QT-Zeit im EKG (OT Herold (2005) Innere Medizin 2005 – eine Vorlesungsorien-
>440 ms). tierte Darstellung. Eigenverlag, Köln
Ausgewählte Literatur
573 33
Schimpf R, Kuschyk J, Veltamm C, Borggrefe M, Wolpert C
(2005) Primär elektrische Herzerkrankungen im Erwach-
senenalter. Elektrophysiologische Befunde und Therapie.
Herzschr Elektrophys 16: 250–259
Stellbrink C (2005) Therapie bedrohlicher Herzrhythmusstö-
rungen. Internist 46: 275–284
S2k-Leitlinie: Bradykarde Herzrhythmusstörungen. 8/2013;
www.awmf.de
Trappe HJ, Rodriguez LM, Smeets JL, Weismüller P (2000)
Diagnostik und Therapie von Tachykardien mit schmalem
QRS-Komplex. Intensivmedizin 37: 631–643
Trappe HJ (2001) Bedrohliche Rhythmusstörungen des Inten-
siv-und Notfallpatienten. Intensivmed 38: 287–298
Weismüller P, Heinroth KM, Werdan K et al. (2001) Die Notfall-
therapie bradykarder Rhythmusstörungen. Intensivmedi-
zin 38: 53–63
Whitbeck MG et al. (2013) Increased mortality among patients
taking digoxin – analysis from the AFFIRM study. Eur
Heart J 34 (20): 1481–1488

Internetadressen
Medikamenteninteraktionen: www.qtdrugs.org
575 34

Schock
W. Zink

34.1 Hypovolämischer Schock – 576

34.2 Kardiogener Schock – 579

34.3 Septischer Schock – 584

34.4 Anaphylaktischer Schock – 584

34.5 Neurogener Schock – 587

Ausgewählte Literatur – 589

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_34, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
576 Kapitel 34 · Schock

jDefinition 4 äußere Blutung nach Trauma bzw. der Ein-


Beim Schock handelt es sich um eine Gruppe poten- wirkung von physikalischen oder chemischen
ziell lebensbedrohlicher Krankheitsbilder, die alle- Noxen
samt durch eine unzureichende Perfusion vitaler 4 innere Blutung, z. B. gastrointestinal, gynäko-
Organsysteme, durch Störungen der Mikrozirkula- logisch, urologisch sowie nach nichttrauma-
tion sowie durch ein Missverhältnis zwischen tischer Gefäßruptur
Sauerstoffangebot und -verbrauch mit konsekutiver 4 Flüssigkeitsverluste nach außen, z. B. bei Fie-
Gewebshypoxie charakterisiert sind. ber, Hyperthermie, profusen Durchfällen,
chronischem Erbrechen, anhaltenden renalen
jSchockformen Verlusten sowie großflächigen Verbrennungen
Je nach Ursache unterscheidet man klassischerwei- und Abschürfungen
se folgende Formen des Kreislaufschocks: 4 Flüssigkeitsverluste nach innen durch Seque-
4 hypovolämischer Schock stration, z. B. bei Ileus, akuter Pankreatitis so-
4 kardiogener Schock wie Peritonitis
4 septischer Schock
4 anaphylaktischer Schock Pathophysiologisch beruht beim hypovolämischen
4 neurogener Schock Schock das Missverhältnis zwischen Sauerstoff-
angebot und -bedarf auf der kritischen Abnahme
des zirkulierenden Blutvolumens, wobei zumeist
34.1 Hypovolämischer Schock eine Verminderung der arteriellen Sauerstoffkon-
zentration (z. B. infolge eines Erythrozytenverlus-
jDefinition tes) zur Gewebshypoxie führt. Darüber hinaus
Der hypovolämische Schock ist durch eine vermin- kann im Falle eines reinen Flüssigkeitsverlustes ein
derter Organperfusion infolge eines intravasalen erhöhter Hämatokrit die rheologischen Eigen-
Volumenmangels mit kritischer Verminderung der schaften des Blutes verschlechtern und Mikrozir-
kardialen Vorlast und konsekutivem Missverhältnis kulationsstörungen aggravieren.
zwischen peripherem Sauerstoffangebot und -ver- Die Abnahme des intravasalen Volumens akti-
brauch charakterisiert. viert unterschiedliche Kompensationsmechanis-
Unterteilung in men, die der Hypotonie sowie der Verminderung
4 hämorrhagischen Schock (akute Blutung des HZV entgegenwirken und zumindest vorüber-
ohne Gewebsschädigung) gehend die Durchblutung von Herz und ZNS si-
4 traumatisch-hämorrhagischen Schock (akute cherstellen sollen:
34 Blutung mit ausgedehnter Gewebsverletzung 4 rasche Aktivierung des sympathoadrenergen
und Mediatorenfreisetzung) Systems o periphere Vasokonstriktion,
4 hypovolämischen Schock im engeren Sinne Anstieg des systemischen Gefäßwiderstands
(kritische Abnahme des zirkulierenden Plas- (SVR) sowie Steigerung der Herzfrequenz und
mavolumens ohne akute Blutung) sowie der kardialen Kontraktilität
4 traumatisch-hypovolämischen Schock (kri- 4 rasche Ausschüttung von »Stresshormone«
tische Abnahme des zirkulierenden Plasmavo- (ACTH, ADH, Cortisol): ADH verhindert zu-
lumens ohne akute Blutung mit ausgedehnter sätzliche renale Flüssigkeitsverluste und trägt
Gewebsschädigung und Mediatorenfreiset- zur Vasokonstriktion bei
zung) 4 Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldoste-
ron-System o Erhöhung der kardialen Vorlast
jPathogenese und Pathophysiologie über Flüssigkeitsretention und Tonussteige-
Als Ursachen des hypovolämischen Schocks kom- rung im venösen Kapazitätssystem
men in erster Linie akute bzw. chronische Blut- und 4 o Zentralisation des Kreislaufs mit konseku-
Flüssigkeitsverluste nach innen und/oder außen in tiver Minderdurchblutung von Haut, Musku-
Betracht: latur, Splanchnikusgebiet und Nieren
34.1 · Hypovolämischer Schock
577 34
Versagen diese Kompensationsmechanismen, so 5 Bestimmung der Kapillarfüllungszeit
zieht die Mikrozirkulationsstörung eine Aktivierung 5 »body check« von Kopf bis Fuß zur orien-
des Gerinnungs-, Fibrinolyse-, Komplement- und tierenden Erfassung des Verletzungsmusters
Kallikrein-Kinin-Systems nach sich, und Zytokine (Verletzungen, Frakturen, Prellmarken etc.)
(Leukotriene, Thromboxan, TNF-α, IL-1, IL-6, IL-8) 5 Auskultation und Perkussion von Thorax
werden freigesetzt. Direkte Folgen dieser Mediator- und Lunge
freisetzung sind wiederum Schäden am Kapillaren- 5 Palpation von Thorax und Abdomen
dothel sowie inflammatorische Reaktionen bis hin (Hautemphysem? Instabilitäten? Abwehr-
zur Organdysfunktion (SIRS). Ist eine ausgedehnte spannung? Prellmarken?)
Gewebsschädigung Ursache des Schockgeschehens, 4 engmaschige, primär nichtinvasive Blutdruck-
so trifft die Mediatorfreisetzung von Anfang an mit messung und Pulskontrolle
der hypovolämiebedingten Beeinträchtigung von 4 kontinuierliche EKG-Ableitung
Makro- und Mikrozirkulation zusammen. 4 Pulsoxymetrie
4 Kapnographie bei beatmeten Patienten
jKlinik
4 Hypotonie, Tachykardie (»fadenförmiger« Puls) kErweiterte diagnostische Maßnahmen
4 Hautblässe, Kaltschweißigkeit, ggf. akrale 4 erweiterte hämodynamische Diagnostik
Zyanose 5 invasive Blutdruckmessung
4 Agitiertheit, ggf. Bewusstseinsstörungen 5 ggf. HZV-Monitoring, z. B. mittels PiCCO
4 Tachypnoe, Hyperventilation bzw. PAK (bei protrahiertem hypovolämi-
4 Oligurie schem Schock und Katecholaminbedarf)
4 ggf. Exsikkosezeichen (trockene Schleimhäute, 5 Messung des ZVD und der SvO2 über
stehende Hautfalten, eingefallene Bulbi), Elek- großlumigen ZVK (gleichzeitig Zugang für
trolytstörungen (Hypokaliämie, Hypernatriä- Volumengabe!)
mie) und Fieber beim hypovolämischen 4 Bildgebung
Schock im engeren Sinne 5 Röntgenübersichtsaufnahme (Thoraxorga-
4 ggf. Begleittrauma mit funktionellen Ausfällen ne, Wirbelsäule, Becken, ggf. Extremitäten)
und Schmerzen beim traumatisch-hämorrha- 5 Sonographie (Abdomen), (Spiral-)CT-Un-
gischen Schock tersuchungen (Thorax, Abdomen, ggf.
4 ggf. großflächige Verbrennungen, ausgedehnte Schädel)
Abschürfungen oder Verätzungen beim trau- 5 Notfallendoskopie
matisch-hypovolämischen Schock 5 ggf. Angiographie
5 ggf. Abschätzung des Volumenstatus mittels
> Grundsätzlich ist bei jedem Patienten mit
TTE bzw. TEE
Verdacht auf (traumatisch-)hämorrhagischen
4 allgemeine Laboruntersuchungen
Schock nach relevanten Blutungsquellen zu
5 arterielle/zentralvenöse Blutgasanalyse
suchen. Dies gilt sowohl für die klinische als
5 Hb (cave: bei akuter Blutung kann der Hb-
auch für die präklinische Situation.
Wert initial unauffällig normal sein!), Hkt
5 Gerinnungsstatus (INR- bzw. Quick-Wert,
jDiagnostik PTT, Antithrombin, Fibrinogen),
kInitiale Basisdiagnostik 5 kleines Blutbild (Thrombozytenzahl)
4 Anamnese sowie Rekonstruktion des Unfall- 5 Elektrolyte im Serum, Retentionsparameter
mechanismus bzw. -hergangs (Kreatinin, Harnstoff), Glukose sowie Laktat
4 Beurteilung des Allgemeinzustands mit 5 Thrombelastogramm
besonderem Augenmerk auf Pulsqualität, 4 Flüssigkeitsbilanzierung durch Anlage eines
Atemmuster, Bewusstseinslage (nach Glasgow Blasenkatheters (Zielwert: Urinproduktion
Coma Scale; GCS) und Hautkolorit ≥0,5 ml/kg KG/h)
5 Inspektion der Konjunktiven 4 Körper(kern)temperatur
578 Kapitel 34 · Schock

jTherapie rendem Trauma, um einen weiteren Volumen-


4 Therapieziel beim hypovolämischen Schock verlust sowie jeden Zeitverzug bis zur chirur-
ist die Wiederherstellung einer adäquaten gischen Versorgung zu vermeiden (cave: Schä-
Kreislauffunktion durch bedarfsgerechte del-Hirn-Trauma mit erhöhtem ICP!)
Applikation kolloidaler und kristalloider 4 Substitution des interstitiellen Flüssigkeits-
Lösungen, an die sich erforderlichenfalls die defizits mit isotonen Vollelektrolytlösungen
gezielte Substitution mit Blutkomponenten bei reinen Flüssigkeitsverlusten; dabei sind
anschließt. protrahiert entstandene Volumendefizite lang-
4 Normovolämische Hämodilution zur Wieder- sam und nicht schlagartig unter engmaschiger
herstellung eines suffizienten Perfusionsdrucks Elektrolytkontrolle zu ersetzen.
lebenswichtiger Organe initial ausreichend.
4 Beim Erwachsenen können Verluste bis 30 % kKolloidale und kristalloide Infusions-
des Blutvolumens durch alleinige Zufuhr kol- lösungen
loidaler und kristalloider Lösungen ersetzt Grundsätzlich stehen für die initiale Volumenthera-
werden. pie sowohl kristalline als auch kolloidale Lösungen
4 Wahl des Volumenersatzes ist vermutlich nicht zur Verfügung. Welche Lösung initial zum Einsatz
entscheidend, solange die Menge angemessen kommen sollte, wird jedoch nach wie vor kontro-
ist und eine übermäßige Kumulation von Flüs- vers diskutiert:
sigkeit im Interstitium vermieden wird. 4 primärer Volumenersatz mit Kristalloiden:
gute Verträglichkeit und weitgehend fehlende
kTherapeutisches Vorgehen Nebenwirkungen auf Niere und Gerinnungs-
Neben einer zeitgerechten und adäquaten Volu- system
mensubstitution (s. unten) sowie blutstillenden 4 Kolloide: effizientere intravasale Volumenwir-
Maßnahmen bis hin zur definitiven chirurgischen kung durch Infusion von Makromolekülen
Versorgung umfasst das therapeutische Vorgehen 4 klinische Wirksamkeit beider Ansätze ist aus-
folgende Maßnahmen: reichend belegt
4 Anlage großlumiger Gefäßzugänge (zentral- 4 klinisch hat es sich bewährt, nach initialem
und periphervenös) zur Sicherstellung einer Auffüllen des intravasalen Volumendefizits mit
adäquaten Volumensubstitution kolloidalen Lösungen einen Teil des weiteren
4 Sauerstoffgabe sowie großzügige Indikation Volumens mit kristalloiden Lösungen (etwa im
zur Intubation und Beatmung mit erhöhter Verhältnis 1:1) zu ersetzen, da beim hypovolä-
FiO2 mischen Schock neben dem intravasalen
34 4 Erhöhung der FiO2 von 0,21 auf 1,0 o Anstieg grundsätzlich auch von einem interstitiellen
des physikalisch gelösten O2 von 0,3 auf 2,3 ml/ Volumenmangel auszugehen ist.
dl (entspricht einem Hb-Anstieg um 1,5 g/dl
bzw. der Gabe von etwa 2 EK bei normalge- kHyperosmolare bzw. hyperosmolar-hyperon-
wichtigen Erwachsenen!) kotische Lösungen
4 Verhinderung der Auskühlung bzw. aktives 4 Rasche Mobilisierung von Flüssigkeit aus dem
Wiedererwärmen Interstitium und den Erythrozyten durch Auf-
4 Katecholamingabe nur zur Überbrückung ei- bau eines osmotisch (-onkotischen) Gradien-
ner durch Volumenersatz nicht beherrschbaren ten. Dies setzt primär »mobilisierbares« Volu-
schweren Hypotonie! Vorteile eines bestimm- men voraus, welches im weiteren Verlauf wie-
ten Katecholamins nicht bekannt o Noradre- derum substituiert werden muss.
nalin und ggf. Adrenalin einsetzbar (7 Kap. 3) 4 Hyperosmolare (hyperonkotische) Lösungen
4 ggf. zurückhaltende Volumenzufuhr mit per- zur Initialtherapie des schwersten hämorrha-
missiver Hypotonie (MAP ≥50 mmHg) bei gischen bzw. traumatisch-hämorrhagischen
unstillbarer Massenblutung in große Körper- Schocks bei Patienten mit suffizient mobilisier-
höhlen nach perforierendem oder penetrie- barem Volumen, jedoch nicht zur Therapie des
34.2 · Kardiogener Schock
579 34
hypovolämischen Schocks im engeren Sinne kThrombozytenkonzentrate (TK)
und des traumatisch-hypovolämischen Schocks. 4 Bei manifester Blutung oder Gerinnungs-
störung ist bei einer Thrombozytenzahl von
kErythrozytenkonzentrate (EK) <50.000/μl die Gabe von Thrombozytenkon-
4 Indikation zur Gabe von Erythrozytenkonzen- zentrat indiziert, während bei Konzentrationen
trat primär abhängig vom Alter und den Vor- >100.000/μl regelmäßig keine Substitution er-
erkrankungen sowie der aktuellen klinischen forderlich ist.
Situation, wobei strikte Normovolämie durch 4 Allerdings kann die klinische Gesamtsituation
Zufuhr kolloidaler oder kristalloider Lösungen (unversorgte Blutungsquelle, absehbare Blut-
vorausgesetzt wird. verluste während des Eingriffs) sowie die vo-
4 Bei alten Patienten geringere Anämietoleranz rausgehende Einnahme von Thrombozytenag-
des Myokards und des ZNS (cave: Stenosen gregationshemmern eine frühere Transfusion
der koronaren und zerebralen Gefäße bzw. erforderlich machen.
COPD)
4 Empfohlene Hb-Grenzwerte zur Erythrozyten- kEinzelkomponenten der plasmatischen
substitution: Gerinnung
5 Hb-Wert ≥7 g/dl in der Regel keine Transfu- 4 Bei persistierenden Blutungen und klinisch
sionsindikation beim kardial bzw. zerebral manifester Blutungsneigung kann die Gabe
nicht vorgeschädigten, klinisch stabilen Pa- von Einzelkomponenten der plasmatischen
tienten mit Normovolämie, Normoxie und Gerinnung (PPSB, ggf. AT III, Fibrinogen,
Normothermie Faktor XIII) nach vorheriger Gerinnungskon-
5 bei Hypoxiezeichen (persistierende Tachy- trolle bzw. der Durchführung eines Thrombe-
kardie, ST-Streckensenkung, Anstieg der lastogramms indiziert sein.
Laktatkonzentration, negativer BE, vermin- 4 Rekombinanter Faktor VIIa ist v. a. bei der
derte SvO2) oder persistierendem Blutver- Hemmkörperhämophilie gegen F VIII und IX
lust ist die Transfusion von Erythrozyten- indiziert, kann jedoch in Einzelfällen als Ulti-
konzentraten allerdings auch bei einem Hb- ma ratio bei vital bedrohlicher diffuser Blutung
Wert ≥7 g/dl indiziert benutzt werden, da die Wirkung bevorzugt am
Ort der Gewebsläsion einsetzt.
kGefrorenes Frischplasma (FFP)
4 Bis zu einer Restkonzentration der Gerin-
nungsfaktoren von ca. 20–30 % bleibt die plas- 34.2 Kardiogener Schock
matische Gerinnung weitgehend erhalten.
Theoretisch wäre somit erst ab Verlusten von jDefinition
etwa 70 % des Blutvolumens eine Substitution Der kardiogene Schock ist durch eine primäre kriti-
der plasmatischen Gerinnungsfunktion mit sche Verminderung der kardialen Pumpleistung
FFP erforderlich. Dies ist jedoch in der Praxis mit resultierender inadäquater Sauerstoffversor-
nur schwierig zu erfassen, weshalb insbeson- gung des Organismus charakterisiert und kann Fol-
dere bei massivem Blutverlust (Verdünnungs- ge sämtlicher kardialen und extrakardialen Erkran-
koagulopathie!), vorbestehender Antikoagula- kungen sein, die zu einer unmittelbaren Funktions-
tion sowie manifester Blutungsneigung früh- störung des Herzens mit nachfolgender Kreislauf-
zeitig mit der Substitution begonnen werden insuffizienz führen (7 Kap. 31).
sollte.
4 Klinisch wird initial häufig nach 3–4 Erythro-
zytenkonzentraten 1 FFP transfundiert, wobei
das Verhältnis auf 1:1 bei persistierenden Blut-
verlusten gesteigert werden kann.
580 Kapitel 34 · Schock

jPathogenese und Pathophysiologie vitiosus aus myokardialer Ischämie und sinkender


Kontraktilität. Die daraus resultierende zelluläre
Hypoxie führt wiederum zur anaeroben Glykolyse
Hauptursachen des kardiogenen Schocks
der Kardiomyozyten mit Verlust von zellulären
Myokardial
Energiereserven, wobei Laktat akkumuliert und die
5 Links- bzw. Rechtsherzinfarkt
intrazelluläre Azidose weiter verstärkt. Durch Ver-
5 Ischämische, dilatative oder restriktive
sagen ATP-abhängiger Ionenpumpen der Zell-
Kardiomyopathie
membran nimmt das Membranpotenzial ab, und
5 Myokarditis
Na+ und Ca2+ akkumulieren intrazellulär. All diese
5 Akute Dekompensation einer chronischen
Vorgänge aktivieren intrazelluläre Proteasen, wel-
Herzinsuffizienz
che Herzmuskelzellen bei schwerer, anhaltender
5 Pharmakokardiotoxizität (Zytostatika (An-
Ischämie irreversibel schädigen (Myokardnekro-
thrazykline!), Kalziumantagonisten, β-Blocker,
se). Vor allem beim Myokardinfarkt trägt der pro-
Antiarrhythmika, Digitalis, trizyklische Anti-
grammierte Zelltod (Apoptose) noch zum myokar-
depressiva, Neuroleptika, Drogen etc.)
dialer Funktionsverlust bei.
5 Ventrikuläre Hypertrophie
Um den Rückgang des HZV sowie der Gewebs-
5 Stumpfes Herz-Thorax-Trauma
perfusion in der Peripherie zu kompensieren, ste-
hen auch beim kardiogenen Schock (in Analogie
Mechanisch
zum hypovolämischen Schock) eine Aktivierung
5 Akute/chronische Erkrankungen der Herz-
von sympathischen Nervensystem sowie von neu-
klappen (Stenose, Insuffizienz, kombinierte
rohumoralen, renalen und lokalen vasoregulatori-
Formen)
schen Mechanismen im Vordergrund.
5 Funktionsstörungen nach Klappenersatz
5 Mechanische Komplikationen nach Myo-
jKlinik
kardinfarkt (Papillarmuskeldysfunktion, Pa-
4 systolischer arterieller Druck (RRsyst)
pillarmuskelabriss mit konsekutiver Mitral-
<90 mmHg
klappeninsuffizienz, Ventrikelseptumruptur,
4 Herzindex (CI) <2,2 l/min/m2
Ruptur der freien Wand des linken Ventrikels)
4 PCWP >18 mmHg (beim Rechtsherzinfarkt
5 Intrakavitäre Flussbehinderung (Thromben im
evtl. unverändert)
Vorhof oder im Ventrikel, kardiale Tumoren)
4 evtl. Halsvenenstauung (im Sitzen!)
5 Extrakardiale Flussbehinderung (akute Ver-
4 Agitiertheit, Bewusstseinstrübung
legung der pulmonalen Strombahn bei
4 blasse, kühle, schweißige Haut
34 Lungenarterienembolie mit konsekutivem
4 Zyanose
Pumpversagen)
4 Oligurie
5 (Extra-)kardiale Füllungsbehinderung
4 evtl. thorakale Schmerzen mit Ausstrahlung
(akute Perikardtamponade, Spannungs-
4 evtl. Palpitationen, Todesangst
pneumothorax)
jDiagnostik
Rhythmogen
5 (Supra-)ventrikuläre Tachykardien > Hämodynamische Basisparameter (RRsyst,
5 Bradykarde Rhythmusstörungen (beide in MAP, HF) sowie klinisches Bild ermöglichen
Abhängigkeit von Kammerfrequenz, Dauer eine orientierende Beurteilung bei kardialem
der Rhythmusstörung sowie evtl. vorbeste- Schock. Darüber hinaus ist aus diagnosti-
hender Einschränkung der Pumpfunktion) schen und therapeutischen Gründen grund-
sätzlich eine weitergehende invasive Über-
wachung notwendig.
Unabhängig vom auslösenden Mechanismus
kommt es zu einer Abnahme des koronaren Blut-
flusses und damit zur Ausbildung eines Circulus
34.2 · Kardiogener Schock
581 34
kInitiale Basisdiagnostik 5 Elektrolyte im Serum, Retentionsparameter
4 Anamnese (Art, Beginn und Dauer der (Kreatinin, Harnstoff), Glukose sowie
Symptome, aktuelle Medikation) Laktat
4 Beurteilung von Allgemeinzustand und 5 spezielle Laboruntersuchungen (Marker des
Bewusstsein Myokardschadens): Troponine T bzw. I
4 Beurteilung klinischer Zeichen der Hypoper- (Anstieg ca. 2–4 h nach Eintritt des Myo-
fusion (Hautperfusion und -kolorit) sowie des kardschadens), CK-MB (normal bis 10 % der
Rückwärtsversagens (gestaute Halsvenen im gesamten CK; Anstieg nach ca. 4–6 h), ggf.
Sitzen, periphere Ödeme, Hepatomegalie, D-Dimere bei Verdacht auf Lungenembolie
Aszites) (ein negativer Wert schließt eine akute
4 initial nichtinvasive Blutdruckmessung Thromboembolie weitgehend aus!)
4 Erfassung von Pulsqualität und Herzrhythmus 4 Herzkatheteruntersuchung mit Möglichkeit
4 Auskultation des Herzens (Extratöne bei zur interventionellen Myokardrevaskularisa-
schwerer Herzinsuffizienz und Gallopp- tion mittels PTCA und Stent (v. a. bei akutem
rhythmus; Herzgeräusche) Myokardinfarkt, myokardialer Ischämie und
4 Auskultation und Perkussion der Lunge kardialem Schock)
4 Pulsoxymetrie
4 kontinuierliche EKG-Ableitung jTherapie
4 ggf. Kapnographie bei beatmeten Patienten kTherapieziele
4 Beseitigung der Ursachen der progredienten
kErweiterte diagnostische Maßnahmen myokardialen Dysfunktion
4 Thoraxröntgenaufnahme (Stauungszeichen, 4 rasche Stabilisierung der Hämodynamik
Kardiomegalie) (Optimierung von Vorlast, Inotropie und
4 TEE bzw. TTE Nachlast sowie von Herzfrequenz und Schlag-
4 Flüssigkeitsbilanzierung durch Anlage eines volumen)
Blasenkatheters (Zielwert: Urinproduktion 4 Wiederherstellung einer adäquaten Gewebeper-
≥0,5 ml/kg KG/h) fusion mit ausreichendem Sauerstoffangebot
4 Körperkerntemperatur 4 Wiedereröffnung der Koronargefäße (beim
4 12-Kanal-EKG (evtl. kontinuierliche Arrhyth- akuten Myokardinfarkt)
mie- und ST-Streckenanalyse)
4 Messung von ZVD und SvO2 (ZVK!) kTherapeutisches Vorgehen
4 invasive Blutdruckmessung 4 Anlage eines mehrlumigen zentralvenösen
4 erweitertes hämodynamisches Monitoring Gefäßzugangs für die differenzierte Katecho-
(PAK, PiCCO, Vigileo etc.) bei kompliziert amin- und ggf. Volumentherapie
verlaufendem Linksherzinfarkt, Rechtsherzin- 4 Sauerstoffgabe sowie großzügige Indikations-
farkt, Vorwärtsversagen mit Hypotonie und stellung zur Intubation und Beatmung mit er-
Oligurie, Rückwärtsversagen mit Dyspnoe, höhter FiO2
Hypoxämie und Lungenödem sowie zur Un- 4 Analgesie (Senkung der überschießenden
terscheidung zwischen kardialem und nicht- sympathischen Aktivität und damit des Sauer-
kardialem Schock stoffverbrauchs o Verminderung der kar-
4 allgemeine Laboruntersuchungen: dialen Vor- und Nachlast), z. B. mit Morphin
5 arterielle/zentralvenöse Blutgasanalyse bei wachen Patienten (Dosierung nach Wir-
5 Hb (cave: bei akuter Blutung kann kung; initial 0,05–0,1 mg/kg KG entsprechend
der Hb-Wert initial unauffällig normal 4–8 mg i.v.) unter engmaschiger Atmungs- und
sein!), Hkt Kreislaufüberwachung
5 Gerinnungsstatus (INR- bzw. Quick-Wert, 4 Sedierung und Anxiolyse, z. B. titrierend mit
PTT, Antithrombin, Fibrinogen) Midazolam (Boli von 1–2 mg; Gesamtdosis je
5 kleines Blutbild (Thrombozytenzahl) nach Allgemeinzustand 0,025–0,05 mg/kg KG
582 Kapitel 34 · Schock

entsprechend 2–4 mg i.v.) unter engmaschiger – AV-Block II. Grades Typ Mobitz
Atmungs- und Kreislaufüberwachung – AV-Block III. Grades
4 vorsichtige Analgosedierung bei intubierten – bifaszikulärer Schenkelblock mit alter-
und beatmeten Patienten nierendem Blockbild
4 Korrektur von Elektrolytstörungen (K+, Mg2+) – medikamentös therapierefraktärer rezidi-
4 Azidosekorrektur (Na-Bikarbonat 1 mmol/ vierender Sinusarrest >3 s
kg KG bei »base excess ≤10 mmol/l und pH 5 Die transvenöse Stimulation ist vorzuzie-
<7,25 unter der Voraussetzung von Normoxie hen, da die transkutane Stimulation
und Normokapnie; ersatzweise Trometamol schmerzhaft ist und ggf. Analgosedierung
[THAM, TRIS]) erfordert.
4 ggf. vorsichtige Erhöhung der Vorlast bei 4 Tachykardie:
Hypovolämie (ZVD <10 mmHg; PCWP 5 Supraventrikuläre Tachykardien können
<15 mmHg) durch Gabe von Kristalloiden. Da sowohl schmale als auch (bei intraventriku-
kein Richtwert für einen optimalen ZVD oder lärem Leitungsblock) breite QRS-Komplexe
PCWP bei Patienten mit eingeschränkter aufweisen, während ventrikuläre Tachykar-
linksventrikulärer Pumpfunktion existiert, ist dien stets durch breite QRS-Komplexe ge-
unter Volumengabe ein engmaschiges hämo- kennzeichnet sind.
dynamisches Monitoring erforderlich! 5 Diese Rhythmusstörungen sind im kar-
4 Absetzen einer vorbestehenden Medikation dialen Schock allesamt zu therapieren, wo-
mit Nitraten, β-Blockern, Ca-Antagonisten, bei die R-Zacken-getriggerte Kardioversion
ACE-Hemmern und Angiotensinrezeptor-Blo- (7 Kap. 34) vor einem medikamentösen
cker für die Dauer des Schockzustandes, um Therapieversuch mit Amiodaron (150–
eine Verstärkung der bestehenden arteriellen 300 mg langsam i.v. beim Erwachsenen)
Hypotonie zu vermeiden durchgeführt werden sollte.
4 ggf. ultraschallgesteuerte Drainage von Peri- 4 (Supra-)ventrikuläre Extrasystolie: 7 Kap. 34.
kardtamponaden und -ergüssen
4 ggf. unverzügliche Entlastung eines klinisch kInotropiesteigerung
(hypersonorer Klopfschall bei fehlendem 4 Der Einsatz positiv-inotroper Substanzen dient
Atemgeräusch) oder radiologisch gesicher- primär der überbrückenden hämodyna-
ten Spannungspneumothorax mit hämo- mischen Stabilisierung, wobei die Effizienz ei-
dynamischer Instabilität und Schock mittels ner Kombination aus mehreren Katecholami-
Thoraxdrainage in Bülau- oder Monaldi- nen bislang nicht belegt ist (7 Kap. 3, 7 Kap. 30).
34 Position 4 Positiv-inotrope bzw. vasokonstriktorische
4 Therapie des Myokardinfarkts (7 Kap. 23), Substanzen sollten erst bei einem persistie-
Therapie der Lungenembolie (7 Kap. 26). renden MAP von <60 mmHg trotz allgemeiner
Optimierung von Vor- und Nachlast sowie
kAntiarrhythmische Therapie Herzfrequenz zur Anwendung kommen.
> Grundsätzlich ist bei der Therapie des > Als Therapiegrundsatz gilt, dass positiv-ino-
kardialen Schocks eine Frequenzkontrolle trope Substanzen so gering dosiert und so
mit Sinusrhythmus anzustreben. kurz wie möglich angewendet werden sollen.

4 Bradykardie: 4 Der Stellenwert einiger Substanzen im Rah-


5 Bei pharmakologisch nicht beherrschbarer men der Therapie des kardialen Schocks kann
Bradykardie (z. B. durch 0,5–1,0 mg Atropin nach gegenwärtiger Studienlage nicht abschlie-
i.v.) ist eine passagere Schrittmachersti- ßend beurteilt werden.
mulation erforderlich. Indikationen für die 4 »Kalzium-Sensitizer« stellen einen neuen
passagere Schrittmacheranlage sind insbe- Ansatzpunkt zur Steigerung der Inotropie dar,
sondere: zumal für Levosimendan (7 Kap. 3) eine Re-
34.2 · Kardiogener Schock
583 34
duktion der Letalität nach Myokardinfarkt mit grund der erhöhten kardialen Nebenwir-
schwerer Herzinsuffizienz gezeigt werden kungsrate (Arrhythmien!)
konnte. 4 Phosphodiesterasehemmer
4 Dobutamin 5 Die PDE-III-Hemmer wirken – adreno-
5 Bei moderater Hypotonie (RRsyst rezeptorunabhängig und mit langer HWZ –
>90 mmHg) ist Dobutamin das Katechola- sowohl positiv inotrop als auch vasodilatie-
min der 1. Wahl. rend (»Inodilatatoren«).
5 Bei Dosen von 2,5–15 μg/kg KG/min steht 5 Im Vergleich zu Katecholaminen sind PDE-
eine Steigerung der Inotropie im Vorder- III-Hemmer bei fehlender Tachyphylaxie
grund, während Herzfrequenz und syste- weniger positiv chronotrop und arrhythmo-
mischer Gefäßwiderstand weitgehend un- gen.
beeinflusst bleiben. Folglich kommt es zu 5 Ein Versuch ist insbesondere bei Patienten
einer Zunahme des Herzzeitvolumens und mit dekompensierter chronischer Herzin-
der Koronarperfusion, und trotz der erhöh- suffizienz sowie ausgeprägter β-Blockade
ten Kontraktilität bleibt der myokardiale gerechtfertigt.
Sauerstoffverbrauch durch Abnahme des 4 Vasodilatatoren (Nachlastsenkung)
linksventrikulären Volumens und der 5 Grundsätzlich sollten nachlastsenkende
Wandspannung weitgehend unverändert. Medikamente im manifesten kardialen
5 Höhere Dosierungen (>15 μg/kg KG/min) Schock nur zurückhaltend eingesetzt wer-
sind wegen einer überschießenden Zunah- den, da sie die arterielle Hypotonie verstär-
me des myokardialen Sauerstoffverbrauchs ken können.
obsolet (Cave: Verstärkung der Hypovolä- 5 In bestimmten Situationen (z. B. bei dekom-
mie bei latentem Volumenmangel!). pensierter Mitral- bzw. Aortenklappenin-
4 Adrenalin suffizienz) kann allerdings eine Nachlast-
5 Adrenalin interagiert dosisabhängig mit β1-, senkung das HZV erhöhen.
β2- und α1-Adrenozeptoren und ist im kar- 5 Aufgrund der guten Steuerbarkeit (HWZ
dialen Schock bei anderweitig nicht zu stei- ca. 1 min) und der hohen Potenz scheint
gernder Inotropie indiziert. hierfür Na-Nitroprussid besonders
5 In einer Dosis von 0,03–0,1 μg/kg KG/min geeignet.
(β-Stimulation) wird die kardiale Kontrakti-
lität und folglich das HZV gesteigert, wäh- kMechanische Kreislaufunterstützung
rend Dosierungen von 0,1–0,2 μg/kg KG/ 4 Die Anwendung von »cardiac assist devices«
min (α- und β-Stimulation) gleichzeitig ist v. a. bei therapierefraktärem kardialem
Nachlast und Inotropie erhöhen. Schock indiziert, wobei die Unterstützungssy-
5 Bei Dosierungen >0,2 μg/kg KG/min steme je nach Typ uni- bzw. biventrikulär im-
(α-Stimulation) überwiegen dagegen vaso- plantiert werden können (7 Kap. 3, 7 Kap. 30).
konstriktorische, nachlaststeigernde Effekte. 4 Zur kurzfristigen Kreislaufunterstützung (bis
4 Noradrenalin zu 2 Wochen) bei therapierefraktärem kardi-
5 Im kardialen Schock ist Noradrenalin ledig- alem Schock wird in aller Regel ein System mit
lich bei therapierefraktärer Hypotonie indi- Zentrifugalpumpe mit einer Pumpleistung von
ziert. bis zu 6 l/min eingesetzt. Bei rechtsventriku-
5 Initiale Dosierung von 0,05 μg/kg KG/min lärer Unterstützung erfolgt die venöse Draina-
o Steigerung der koronaren und zere- ge über eine Kanüle im rechten Vorhof; das
bralen Perfusion durch Erhöhung des MAP entnommene Volumen wird dann über eine
(7 Kap. 30). Turbinenpumpe in den Truncus pulmonalis
4 Dopamin zurückgeführt. Bei linksventrikulärer Unter-
5 Nach gegenwärtiger Datenlage kein Einsatz stützung erfolgt die Drainage aus dem linken
von Dopamin mehr empfohlen, u. a. auf- Vorhof oder aus der Spitze des linken Ventri-
584 Kapitel 34 · Schock

kels mit Rückfuhr in die Aorta ascendens oder dingte, IgE-unabhängige anaphylaktoide Über-
abdominalis. empfindlichkeitsreaktionen ausgelöst werden
4 Neuerdings stehen auch endovaskuläre Turbi- kann (sog. distributiver Schock).
nenpumpen zur Verfügung, die entweder per- 4 Klinisch ist es oftmals nicht möglich, beide
kutan (über ein Femoralgefäß) oder offen-chi- Formen voneinander zu unterscheiden.
rurgisch in den rechten oder linken Ventrikel
eingebracht werden. jPathogenese und Pathophysiologie
4 Mittel- bis langfristig nutzbare Systeme da- kIgE-abhängige Anaphylaxie
gegen sind implantierbar oder extrakorporal 4 Nach Erstkontakt durch Plasmazellen syntheti-
gelegen, biventrikulär einsetzbar und können sierte, allergenspezifische IgE-Antikörper bin-
bis zu 1 Jahr lang verwendet werden. den reversibel über ihren Fc-Anteil an Rezep-
4 Intraaortale Ballongegenpulsationspumpe toren von Mastzellen und Basophilen, wobei
(IABP) die Antigenbindungsstelle in den Extrazellu-
5 Der Einsatz der IABP führt bei Myokard- lärraum weist.
ischämie zu einer Steigerung der Koronar- 4 Bivalente spezifische Antigene können nun 2
perfusion (diastolische Augmentation!) bei zellständige IgE-Moleküle überbrücken und
gleichzeitiger linksventrikulärer Nachlast- dadurch die Freisetzung von Histamin, Leuko-
reduktion, was in einer Zunahme des HZV trienen und weiteren sog. primären Media-
ohne Anstieg des myokardialen Sauerstoff- toren triggern, die das klinische Bild einer ana-
verbrauchs resultiert. phylaktischen Reaktionen verursachen.
5 Einsatz der IABP nach gegenwärtiger Stu- 4 Die Klinik ist gekennzeichnet durch eine gene-
dienlage beim kardiogenen Schock bzw. pe- ralisierte Ödembildung durch erhöhte Gefäß-
riinterventionell höchst umstritten (keine permeabilität, ausgeprägte Vasodilatation und
Ourcomeverbesserung bei nicht unerheb- Bronchospasmus.
licher Komplikationsrate). 4 Sekundäre Mediatoren werden dagegen z. B.
4 Extrakorporale Membranoxygenierung von Eosinophilen, Neutrophilen sowie Throm-
(ECMO) bozyten ausgeschüttet und sollen im weiteren
5 Die ECMO vereint mechanische Kreislauf- Verlauf modulierend auf das Entzündungs-
unterstützung durch ein Pumpensystem mit geschehen einwirken bzw. für sog. Spätreak-
Oxygenierung des geförderten Blutes über tionen (6–12 h nach dem initialen Ereignis)
einen integrierten Membranoxygenator und verantwortlich sein.
kann daher beim kardialen Schock mit 4 Neben diesem klassischen Reaktionsmuster
34 schwerer Lungenfunktionsstörung einge- werden gelegentlich auch Immunreaktionen
setzt werden (7 Kap. 7). vom Typ III nach Coombs u. Gell beobachtet,
die charakteristischerweise bei Patienten mit
hereditärem IgA-Mangel z. B. im Rahmen von
34.3 Septischer Schock Bluttransfusionen auftreten.
> Der IgE-abhängigen anaphylaktischen Reak-
7 Kap. 25.
tion liegt eine immunologische Sofortreak-
tion vom Typ I nach Coombs u. Gell zugrun-
de, die bei bereits auf das Allergen (in der
34.4 Anaphylaktischer Schock
Regel bivalente Proteine; MG 10–70 kD)
sensibilierten Personen nach erneuter Expo-
jDefinition
sition auftreten kann.
4 Akute Verteilungsstörung des Blutvolumens,
die entweder durch IgE-abhängige, allergische,
klassisch-anaphylaktische oder aber durch
physikalisch, chemisch oder osmotisch be-
34.4 · Anaphylaktischer Schock
585 34
kIgE-unabhängige anaphylaktoide Reaktionen jDiagnostik
4 Bei IgE-unabhängigen anaphylaktoiden Reak- Die Diagnose ergibt sich aus den typischen klini-
tionen erfolgt die Mediatorfreisetzung aus schen Befunden im Zusammenhang mit einer vor-
Mastzellen und Basophilen antikörperunab- hergehenden Exposition gegenüber einem Antigen
hängig ohne vorausgehende Sensibilisierung, oder einem anderen Auslöser.
z. B. nach physikalischen (z. B. Kältereiz), os-
> Da in 20–30 % der Fälle keine eindeutige
motischen (z. B. Kontrastmittel) oder che-
Ursache erkennbar ist und Hauterscheinun-
mischen Reizen (z. B. Opiate) mit vergleich-
gen sowie Atemwegsobstruktionen fehlen
barem klinischem Bild.
können, sollte die Möglichkeit eines anaphy-
4 Neueren Erkenntnissen zufolge wird inzwi-
laktischen Schocks immer in die diagnosti-
schen auch die Fruchtwasserembolie als »ana-
schen Überlegungen mit einbezogen werden.
phylaktoides Syndrom der Schwangerschaft«
zu diesem Formenkreis gerechnet.
kInitiale Basisdiagnostik
jKlinik 4 Anamnese (Beginn und Dauer der Symptome,
4 klinisches Bild äußerst variabel und abhängig aktuelle Medikation, bekannte Allergien,
u. a. vom Eintrittsort des Antigens, der Ab- typische Auslösesituation)
sorptionsrate und dem individuellen Sensibili- 4 Beurteilung von Allgemeinzustand und
sierungsgrad Bewusstsein
4 Hauterscheinungen (>90 %) wie Pruritus, 4 Beurteilung von Hautveränderungen und
Flush und Erythem; in schweren Fällen auch Hautkolorit
Urtikaria und Angioödem (Synonym: 4 Inspektion der Mundhöhle (Ödeme!)
Quincke-Ödem; subkutanes Ödem) 4 Auskultation und Perkussion der Lunge
4 Blutdruckabfall, Tachykardie (bei fulmi- 4 initial nichtinvasive Blutdruckmessung
nantem Verlauf initial auch reflektorische 4 Erfassung von Pulsqualität und Herzrhythmus
Bradykardie) 4 Auskultation des Herzens
4 Atemwegsobstruktion sowohl extrathorakal 4 Pulsoxymetrie
(Ödeme im Larynx- und Pharynxbereich) als 4 kontinuierliche EKG-Ableitung
auch intrathorakal (Bronchialobstruktion) mit
Stridor und Heiserkeit kErweiterte diagnostische Maßnahmen
4 gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, 4 invasive Blutdruckmessung
Erbrechen, Durchfall, kolikartige Beschwer- 4 Messung von ZVD und SvO2 (ZVK!)
den, Harn- und Stuhldrang bzw. -abgang sowie 4 evtl. erweitertes hämodynamisches
(selten) Darmblutungen Monitoring
4 zerebrale Symptome wie Schwindel, Ver- 4 Flüssigkeitsbilanzierung durch Anlage eines
wirrtheit, Synkope, Krampfanfall und Bewusst- Blasenkatheters (Zielwert: Urinproduktion
seinsstörung ≥0,5 ml/kg KG/h)
4 allgemeine Laboruntersuchungen
> Das laryngeale Ödem ist die häufigste Todes-
5 arterielle/zentralvenöse Blutgasanalyse
ursache bei anaphylaktoiden Reaktionen und
5 Hb (cave: bei akuter Blutung kann
kann, ebenso wie die akute Schocksymptoma-
der Hb-Wert initial unauffällig normal
tik, einziges Symptom der Anaphylaxie sein!
sein!), Hkt
Das Intervall zwischen der Antigenexposition und 5 Gerinnungsstatus (INR- bzw. Quick-Wert,
dem Auftreten von Symptomen kann Minuten bis PTT, Antithrombin, Fibrinogen)
Stunden betragen. In schweren Fällen jedoch 5 kleines Blutbild (Thrombozytenzahl)
kommt es gelegentlich auch ohne Hauterscheinun- 5 Elektrolyte im Serum, Retentionsparameter
gen und Atembeschwerden unmittelbar zum (Kreatinin, Harnstoff), Glukose sowie Laktat
Schock (z. B. nach i.v. Applikation des Antigens). 5 ggf. Thrombelastogramm
586 Kapitel 34 · Schock

4 Bestimmung von Histaminspiegeln und lative Applikation ist lediglich ergänzend


Nachweis von Mastzelltryptase im Plasma zur bei drohendem Larynxödem bzw. ausge-
Diagnose einer akuten anaphylaktischen oder prägter Bronchialobstruktion angezeigt,
anaphylaktoiden Reaktion (bis zu 60 min nach wobei fraglich bleibt, ob systemische Wirk-
dem Initialereignis aussagekräftig) spiegel erreicht werden können.
5 Bei manifestem Schock wird Adrenalin
jTherapie langsam (ca. 100 μg/min) unter engma-
4 forcierte Volumentherapie über großlumigen schiger Puls- und Blutdruckkontrolle inji-
venösen Zugang (initial kristalloide Lösungen ziert, bis eine Besserung der Symptomatik
zur Vermeidung einer potenziellen weiteren eintritt. Vor allem bei vorbestehender Me-
Unverträglichkeitsreaktion!) unter engma- dikation mit β-Blockern, trizyklischen Anti-
schiger Blutdruckkontrolle depressiva und ACE-Hemmern sind er-
4 Sauerstoffgabe über Maske oder Nasensonde höhte Adrenalindosen zur Behandlung des
(>5 l/min) anaphylaktischen Schocks notwendig!
4 großzügige Indikation zur endotrachealen In- 5 Bei Schocksymptomatik kann es notwendig
tubation und Beatmung (bei ausgeprägter werden, zusätzlich 50–100 μg Noradrenalin
Schocksymptomatik, Hypoxie, Zyanose, Dys- unter engmaschiger Puls- und Blutdruck-
pnoe mit zunehmender Obstruktion der obe- kontrolle zu applizieren.
ren Atemwege oder des Bronchialsystems) 5 Versagen auch diese Maßnahmen und per-
4 ggf. Sicherung des Atemwegs durch Konioto- sistieren hypotone Kreislaufverhältnisse, so
mie (»cannot ventilate – cannot intubate« – kann im Sinne einer Ultima ratio ein Thera-
Situation bei Ödem der oberen Atemwege, ins- pieversuch mit Vasopressin (einmaliger i.v.
besondere bei Larynxödem) Bolus) unternommen werden.
4 stationäre Aufnahme und Überwachung 4 Glukokortikoide
(Spätreaktionen mit Arrhythmie, myokar- 5 Glukortikoide wirken über eine Verände-
dialer Ischämie oder respiratorischer Insuffi- rung der Genexpression u. a. antiinflamma-
zienz bis 12 h nach Initialereignis möglich!) torisch (Wirkmaximum etwa 1–2 h nach In-
4 grundsätzlich zeitnahe allergologische Dia- jektion) und sind insbesondere bei schwe-
gnostik nach stattgehabter anaphylaktischer rem Bronchospasmus bzw. bei progredient
Reaktion (Ergebnisdokumentation im Allergie- verlaufender Schocksymptomatik indiziert.
pass, ggf. Ausgabe eines Notfallsets zur initialen 5 Darüber hinaus wird noch eine »membran-
Selbstbehandlung, z. B. nach Insektenstich) stabilisierende Wirkung« postuliert, die
34 etwa 10–30 min nach Zufuhr hoher Dosen
> Wichtigste Erstmaßnahme im Rahmen der
eintreten soll.
Therapie des anaphylaktischen Schocks ist
5 Bei anaphylaktischem Schock werden 500–
die Entfernung des auslösenden Agens von
1000 mg Prednisolon einmalig i.v. injiziert.
der Eintrittspforte bzw. die Beendigung der
5 Zur Prophylaxe von Rezidivreaktionen bzw.
Zufuhr!
bei Spätreaktionen (biphasischer Verlauf!)
dagegen können Glukokortikoide über ei-
kPharmakotherapie nen längeren Zeitraum appliziert werden
4 Katecholamine und Vasopressin (3-mal 125 mg Prednisolon/Tag i.v.).
5 Adrenalin wirkt konzentrationsabhängig 4 Histaminantagonisten
bronchodilatierend (β2), positiv inotrop 5 Histaminantagonisten können ergänzend
und chronotrop (β1) sowie vasokonstrikro- zur Volumen- und Katecholamintherapie
risch und antiödematös (α1) und wird intra- als fixe Kombination aus H1- und H2-Anta-
venös bzw. im Notfall intramuskulär, sub- gonisten (z. B. 2 mg Clemastin und 50 mg
lingual oder endotracheal (in 3-fach hö- Ranitidin i.v.) sowohl in der Akutphase als
herer Dosis) verabreicht werden. Eine inha- auch zur Prophylaxe eingesetzt werden.
34.5 · Neurogener Schock
587 34
5 Theoretischen Überlegungen zufolge sollte und assoziierte Neuronenpopulationen des
dabei zuerst der H1- und erst danach der Nucleus tractus solitarii) einhergehen:
H2-Blocker verabreicht werden, um even- 5 Hirnstammischämie, z. B. durch Basila-
tuelle kardiodepressive Effekte einer iso- risthrombose oder Vasospasmus (v. a. bei
lierten H2-Blockade zu vermeiden. Subarachnoidalblutung)
5 infratentorielle Erhöhung des ICP durch
! Histaminantagonisten sind keine Medika-
Hirnödem bei zerebraler Ischämie, Schädel-
mente der 1. Wahl beim anaphylaktischen
Hirn-Trauma oder dekompensierten
Schock!
Tumoren
4 Theophyllin 5 entzündliche Hirnstammprozesse
5 Theophyllin (initial 5 mg/kg KG) kann bei 5 schwere Intoxikation mit zentral wirksamen
schwerem Bronchospasmus ergänzend ein- Substanzen
gesetzt werden, sofern dieser nicht auf
> Beachte: Bei langsamer Entwicklung der
Adrenalin und Glukokortikoide anspricht.
Schocksymptomatik (z. B. bei progredientem
Hirnödem) sind Cushing-Reflex sowie Kate-
cholamin- und ADH-Anstieg vorgeschaltet,
34.5 Neurogener Schock
während beim akuten neurogenen Schock
(z. B. bei Basilaristhrombose) diese Kompen-
jDefinition
sationsmechanismen entfallen können.
4 generalisierte Vasodilatation infolge einer
Imbalance zwischen sympathischer und para- 4 De-Efferenzierung
sympathischer Regulation der glatten Gefäß- 5 Unterbrechung der Verbindung vom retiku-
muskulatur (sog. distributiver Schock) lären Ventrolateralkern zur spinalen Inter-
4 Bei unverändertem Gesamtblutvolumen steigt mediolateralsäule bei spinalem Trauma
in dieser Situation die Kapazität des venösen (insbesondere bei funktioneller Transektion
Systems an, während der systemische Venen- oberhalb Th6) mit Ausfall der sympathi-
druck abfällt (relative Hypovolämie). schen Vasomotorensteuerung im Splanch-
4 Beachte: der sog. spinale Schock wird nicht zu nikusgebiet bzw. tieferer Anteile des Grenz-
den hier dargestellten Formen des Kreislauf- strangs (skelettmuskuläre Vasomotorik).
schocks gezählt, sondern stellt einen besonde- 5 Charakteristische reflektorische Katechola-
ren (z. B. posttraumatischen) Funktionszu- minfreisetzung, zumal afferente Informa-
stand des Rückenmarks mit Areflexie, Sensibi- tionen über Barorezeptoren und deren zen-
litätsverlust und schlaffen Paresen dar. trale Verarbeitung im retikulären Ventro-
lateralkern intakt bleiben.
jPathogenese und Pathophysiologie 5 Folgende Krankheitsbilder können zur
funktionellen De-Efferenzierung vasomot-
> Der neurogene Schock tritt bei schweren
rischer Zentren führen:
neurologischen/neurochirurgischen Krank-
– spinale Traumen, evtl. mit Begleitverlet-
heitsbildern auf, die zu einer plötzlich einset-
zungen der Wirbelsäule im Bereich At-
zenden arteriellen Hypotonie bis hin zum
lantookzipitalgelenks, der HWS, der obe-
Kreislaufzusammenbruch führen können.
ren BWS (bis Th6) bzw. (selten) der LWS
Die Hauptursachen des neurogenen Schocks lassen – akute spinale Ischämien oder Einblu-
sich wie folgt zusammenfassen: tungen
4 Schädigung zentralnervöser vasomotori- – schweres Guillain-Barré-Syndrom
scher Zentren: Folgende Krankheitsbilder – totale Spinalanästhesie
können mit einer direkten Schädigung zentral- 4 Alteration der Informationsfolge oder -verar-
nervöser vasomotorischer Zentren (retikulärer beitung: Angst, Stress sowie Vagusirritationen
Ventrolateralkern, transsegmentaler Traktus können infolge einer Aktivierung des ante-
588 Kapitel 34 · Schock

rioren Hypothalamus bzw. des limbischen Sys- 4 kontinuierliche EKG-Ableitung


tems über dissoziierende Afferenzen zu einer 4 Pulsoxymetrie
funktionellen Alteration von medullären Zen- 4 ggf. Kapnographie bei beatmeten Patienten
tren der Kreislaufsteuerung mit nachfolgender
Schocksymptomatik führen (rascher Wechsel kErweiterte diagnostische Maßnahmen
von sympathischer und parasympathischer 4 erweiterte hämodynamische Diagnostik:
Stimulation): Messung des ZVD und der SvO2 über großlu-
5 Vagusirritationen (okulo-, trigemino- und migen ZVK (gleichzeitig Zugang für Volumen-
spinovagale Reflexe) gabe!), invasive Blutdruckmessung, ggf. Anlage
5 neurokardiale Synkopen und Carotis-Sinus- eines PiCCO bzw. PAK zur Bestimmung des
Syndrom HZV
5 Schmerz-, Stress- und Angstreaktionen 4 Bildgebung: CT-bzw. ggf. MRT-Untersu-
5 Epilepsie chungen (bei Verdacht auf Hirninfarkt, Basila-
risthrombose, Subarachnoidalblutung, Menin-
jKlinik gitis, Enzephalitis, (Poly-) Trauma, Schädel-
4 plötzlicher Blutdruckabfall Hirn-Trauma, spinales Trauma etc.), ggf.
4 Bradykardie Angiographie (DSA: digitale Subtraktions-
4 langsamer, »springender« Puls angiographie), Doppleruntersuchung der su-
4 blasse, warme und trockene Haut praaortalen intra- und extrakraniellen Gefäße,
4 Bewusstseintrübung bis Bewusstseinsverlust Übersichtsröntgenaufnahme (Thoraxorgane,
(schlagartig bei bulbären Schädigungen) Wirbelsäule, Becken, ggf. Extremitäten)
4 Verlust von spinalen Reflexen und Sensibilität 4 ggf. neurophysiologische Untersuchungen
(bei hoher medullärer Läsion) (EEG, evozierte Potenziale)
4 ggf. Liquordiagnostik (bei Verdacht auf ent-
jDiagnostik zündliche Erkrankungen des ZNS/PNS; kon-
kBasisdiagnostik traindiziert bei erhöhtem ICP und Verdacht
4 Erhebung der neurologischen Anamnese auf spinale Raumforderung)
(Vorerkrankungen wie Epilepsie, Bewegungs- 4 ggf. mikrobiologische Diagnostik (Blutkul-
störungen, frühere Traumen oder Entzün- turen, Abstriche, Liquor etc.)
dungen, aktuelle Symptomentwicklung, mög- 4 allgemeine Laboruntersuchungen:
liche Suizidalität (Intoxikation!), Dauer einer 5 arterielle/zentralvenöse Blutgasanalyse
Vigilanzminderung) 5 Hb-Wert, Hkt
34 4 Beurteilung des Allgemeinzustands mit be- 5 Gerinnungsstatus (INR- bzw. Quick-Wert,
sonderem Augenmerk auf Pulsqualität, Atem- PTT, Antithrombin, Fibrinogen)
muster, Vigilanz (nach GCS), Hautkolorit und 5 kleines Blutbild (Thrombozytenzahl)
Volumenstatus 5 Elektrolyte im Serum, Retentionsparameter
4 neurologische Untersuchung (Prüfung von (Kreatinin, Harnstoff), Glukose sowie
Meningismus, Pupillomotorik, Okulozephal- Laktat
reflex, Hustenreflex, Pyramidenbahnzeichen, 5 ggf. Thrombelastogramm
Spontan- und Abwehrbewegungen, Streck- 4 Drogen-Screening (Serum, Urin) bei Verdacht
und Beugesynergismen, spontanen und indu- auf Intoxikation
zierbaren Myoklonien sowie ggf. segmentale 4 Erfassung der Flüssigkeitsbilanz durch Anlage
Prüfung der motorischen und sensiblen Funk- eines Blasenkatheters (Zielwert: Urinproduk-
tionen) tion ≥0,5 ml/kg KG/h)
4 Auskultation und Perkussion von Thorax, 4 Körperkerntemperatur
Herz und Lunge
4 initial nichtinvasive Blutdruckmessung und
Pulskontrolle
Ausgewählte Literatur
589 34
jTherapie Ausgewählte Literatur
kBasistherapie
4 Anlage großlumiger Gefäßzugänge sowohl Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
(2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
zentral- als auch periphervenös zur Sicherstel- Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
lung einer adäquaten Volumensubstitution Schock der DIVI – Teil I. Anästh Intensivmed 46: 63–69
4 Sauerstoffgabe sowie großzügige Indikations- Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
stellung zur Intubation und Beatmung mit er- (2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
höhter FiO2 Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
Schock der DIVI – Teil II. Anästh Intensivmed 46:111–124
4 Volumensubstitution mit kolloidalen und
Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
kristalloiden Lösungen bis zur Stabiliserung (2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
der Kreislaufsituation Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
4 Bei Persistenz der Schocksymptomatik trotz Schock der DIVI – Teil III. Anästh Intensivmed 46:161–176
adäquater Volumengabe o Therapieversuch Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
(2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
mit Noradrenalin (initial 0,05 μg/kg KG/min,
Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
ggf. steigern) unter engmaschiger Kreislauf- Schock der DIVI – Teil IV. Anästh Intensivmed 46: 226–231
kontrolle Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
4 Inotropiesteigerung durch Dobutamin oder (2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
Adrenalin bei drohender kardialer Dekompen- Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
sation bzw. vorbestehender Herzinsuffizienz Schock der DIVI – Teil V. Anästh Intensivmed 46:285–295
Adams HA, Cascorbi I, Ebener C et al. und die IAG Schock
(2005) Zur Diagnostik und Therapie der Schockformen.
kSpezielle therapeutische Maßnahmen Empfehlungen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe
4 Applikation osmotisch wirksamer Substan- Schock der DIVI – Teil VI. Anästh Intensivmed 46:353–357
zen (z. B. 250 ml Mannitol 20 %) bei akuter in- Bein B, Scholz J, Tonner PH (2005) Hämodynamisches Moni-
fratentorieller Druckerhöhung bis zur chirur- toring: Standards und Fehlerquellen. Anästh Intensivmed
46:179–186
gischen Dekompression (passagere Erzeugung
De Luca L, Colucci WS, Nieminen MS, Massie BM, Gheorghiade
eines osmotischen Gradienten zwischen Blut M (2006) Evidence-based use of levosimendan in differ-
und Gewebskompartimenten mit nachfol- ent clinical settings. Eur Heart J 27: 1908–1920
gendem Flüssigkeitseinstrom nach intravasal) Thiele H (2013) Therapie des kardiogenen Schocks: Was ist
4 chirurgische Dekompression des Hirnstamms belegt? Dtsch Med Wochenschr 138:1960–1965
bei Einblutungen in das Kleinhirn und raum-
fordernden Infarkten
4 Anlage einer externen Ventrikeldrainage oder
Liquorableitung über eine endoskopische
Ventrikulostomie bei Hydrocephalus occlusus
4 intraarterielle Thrombolyse bei Basila-
risthrombose (möglich innerhalb eines Zeit-
fensters von 6 h nach Symptombeginn!)
4 ggf. Gabe von Methylprednisolon (30 mg/
kg KG Methylprednisolon über 15 min; dann
Dauerinfusion mit 5,4 mg/kg KG/h über 23 h;
Therapiebeginn so früh wie möglich und nicht
später als 6 h nach dem Trauma) o kontrover-
se Diskussion über Sinnhaftigkeit dieser Maß-
nahme!
4 Desmopressin bei zentral vermittelter Polyurie
unter engmaschiger Elektrolyt- und Bilanzkon-
trolle
591 IV

Physiologie
Kapitel 35 Physiologie der Atmung – 593
W. Zink

Kapitel 36 Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt – 611


M. Fresenius

Kapitel 37 Blutgerinnung – 629


M. Fresenius

Kapitel 38 Nachschlageteil – 667


M. Fresenius, W. Zink
593 35

Physiologie der Atmung


W. Zink

35.1 Topographie der Lunge – 594

35.2 Muskeln der Ventilation – 594

35.3 Äußere und innere Atmung – 594

35.4 Lungenvolumina und Lungenkapazitäten – 597

35.5 Ventilationsstörungen – 601

35.6 Berechnungen – 603

35.7 O2-Bindungskurve – 607

35.8 Apnoische Oxygenierung – 608

Ausgewählte Literatur – 610

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_35, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
594 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

35.1 Topographie der Lunge 5 Elektrolytstörungen


5 tumoröse Infiltration des N. phrenicus
4 . Abb. 35.1 5 »critical illness polyneuropathy«
4 rechte Lunge: 3 Lappen und 10 Segmente 4 Zur Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit ist
4 linke Lunge: 2 Lappen und 9 Segmente eine Röntgendurchleuchtung am sinnvollsten.
(Segment 7 fehlt!) 4 Weitere Atemmuskeln:
4 linker Hauptbronchus: 4–5 cm lang, 5 inspiratorisch: Mm. intercostales externi
‡ 12,2 mm, Abgangswinkel: >35° 5 exspiratorisch: Mm. intercostales interni
4 rechter Hauptbronchus: 1–2,5 cm lang, und die Bauchmuskeln bei Obstruktion der
‡ 14 mm, Abgangswinkel: ≈ 22°, Abgang des Atemwege
rechten Oberlappenbronchus relativ kurz nach 5 Atemhilfsmuskeln: Mm. scaleni, Mm.
der Carina (extrapulmonal) sternocleidomastoidei, Mm. pectorales
4 Lungenoberfläche von ca. 150 m² und ca. (major et minor)
300 Millionen Alveolen mit einem Durch-
> Normalerweise erfolgt die Exspiration auf-
messer von durchschnittlich 0,1 mm
grund der elastischen Retraktionseigenschaft
der Lunge passiv!
Einteilung der oberen und unteren Luftwege
5 Obere Luftwege: Nasopharynx und Larynx
35.3 Äußere und innere Atmung
5 Untere Luftwege:
– Trachea (Generation: 0)
35.3.1 Äußere Atmung (Gasaustausch
– Haupt-, Lappen- und Segmentbronchien
in der Lunge)
(Generation: 1–4)
– kleine Bronchien (Generation: 5–11)
Die äußere Atmung ist abhängig von:
– Bronchiolen (Generation: 12–16)
4 Ventilation (Belüftung der Alveole mit Frisch-
– respiratorische Bronchiolen
gas)
(Generation: 17–19)
4 alveolokapillärem Gasaustausch (Diffusion der
– Ductus alveolaris bis Alveolen
Aleolargase ins Blut und umgekehrt) aufgrund
(Generation: 20–23)
einer Partialdruckdifferenz o die Diffusions-
geschwindigkeit wird durch das Fick‘sche Ge-
setz beschrieben:
35.2 Muskeln der Ventilation
VGas =
(p1 − p2 ) × k × F
Das Diaphragma leistet mit 75 % den Hauptanteil an D
35 der Gesamtventilation o die Höhenveränderung
zwischen In- und Exspiration beträgt ca. 10–12 cm. 5 VGas: Austauschrate
4 Innervation des Diaphragma: N. phrenicus 5 F: Austauschfläche
(C3-4-5-Innervation) 5 k: Diffusionkonstante
4 Innervationsstörung durch: 5 D: Diffusionstrecke bzw. Dicke der alveolo-
5 Regionalanästhesieverfahren wie z. B. inter- kapillären Membran
skalenäre Plexusblockade nach Winnie o 5 (p1–p2): Partialdruckdifferenz
nie beidseitige Punktion! 4 Lungenperfusion (o von besonderer Bedeu-
5 »frost bitten phrenicus« durch Hypother- tung für die Lungenfunktion ist das Ventila-
mieschaden nach extrakorporaler Zirkula- tions-Perfusions-Verhältnis)
tion (EKZ)
5 Zustand nach Aneurysmaoperation mit
linksseitiger Störung o N.-phrenicus-Ver-
lauf um den Aortenbogen
35.3 · Äußere und innere Atmung
595 35

. Abb. 35.1 Trachea, Haupt-, Lappen-, Segmentbronchien. (Angabe der Segmentnummern sowie Längen- und Durchmes-
serangaben in Millimeter)

35.3.2 Innere Atmung Alveoläre Ventilation


Als alveoläre Ventilation wird das eingeatmete Vo-
Verwertung des Sauerstoffs in der Atmungskette lumen bezeichnet, das am intrapulmonalen Gasaus-
innerhalb des Mitochondriums mit ATP- und CO2- tausch teilnimmt:
Bildung.
AMValv = f × (VT – VD)

35.3.3 Ventilation 4 f: Atemfrequenz


4 VT: Atemzugvolumen
4 Die Steuerung der Ventilation erfolgt größ- 4 VD: Totraumvolumen
tenteils über den paCO2 (daneben auch pH-
und O2-abhängig) o Zunahme der Ventila- o AMValv p bei sinkendem VT oder zunehmender
tion um 2–3 l/min/mmHg CO2-Anstieg (bis Atemfrequenz (AMVex konstant)
60–70 mmHg besteht eine lineare Beziehung)
4 Ausnahme: z. B. der COPD-Patient mit chro- Totraumventilation
nischer Hypoxämie o der Atemantrieb erfolgt Die Totraumventilation ist das eingeatmete Volu-
dann größtenteils über den paO2 o O2-Gabe men, das nicht am intrapulmonalen Gasaustausch
kann bei COPD zu Brady- oder Apnoe mit teilnimmt:
Hyperkapnie führen (obligates Monitoring der
Respiration o angestrebter paO2 von 60– Totraumventilation = Totraumvolumen
70 mmHg). (VD) × Atemfrequenz (f)

VD ≈ 2–3 ml/kg KG oder 30 % des Atemzugvolu-


mens
596 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

4 Bestimmung des Totraumanteils


(VD/VT) nach der Bohr-Gleichung (modifi-
ziert nach Enghoff) unter der Annahme, dass
der paCO2 gleich dem pACO2 ist:
pa CO 2 − pex CO 2
VD / VT =
pa CO 2
5 paCO2: arterieller
5 pexCO2: gemischt-exspiratorischer CO2-
Partialdruck
4 pexCO2 = (pB – pH2O) × FexCO2
5 Fex: gemischt-exspiratorische CO2-Konzen-
tration
5 pB: Barometerdruck
5 pH2O: Wasserdampfdruck
4 Rechenbeispiel:
(60mmHg −14,3mmHg) ≈ 0,76
60mmHg
5
pB = 760 mmHg
5
FexCO2 = 2 Vol % = 0,02
5
paCO2 = 60 mmHg
5
pexCO2 = (760–47) × 0,02 = 14,26 mmHg
4 funktioneller Totraum (Tfunkt) = anatomischer
Totraum und alveolärer Totraum o Bestim-
mung des funktionellen Totraums: . Abb. 35.2 Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q)
Tfunkt = VT × (1 – pexCO2/paCO2)

von 1,6–3,0 und basal von 0,4–0,6 (durch-


35.3.4 Lungenperfusion schnittliches V/Q-Verhältnis von 0,8).
4 Der pulmonale Perfusionsdruck ergibt sich
4 Die Lungenperfusion (Q) ist beim stehenden aus der Differenz von MPAP-LAP (normal:
Menschen nicht gleichmäßig über die Lunge ≈10 mmHg) o der pulmonale Gefäßwider-
verteilt, sondern nimmt, wie aus . Abb. 35.2 stand ist äußerst gering und beträgt nur 1/10
35 entnommen werden kann, von apikal (+30 cm) des systemvaskulären Widerstandes o um
nach basal (± 0 cm) zu. 500 ml Blut durch die pulmonale Gefäßbahn
4 Dasselbe gilt für die Ventilation, die ebenfalls, zu treiben, ist nur ein Druckgefälle von
jedoch in einem etwas geringerem Ausmaß 1 mmHg notwendig.
als die Perfusion (Q), von apikal nach basal 4 Bei Steigerung des HZV (z. B. unter Bela-
ansteigt (Grund: Alveolen sind apikal in stung) bleibt normalerweise trotz erhöhtem
größerem Ausmaß vorgedehnt o geringe transpulmonalem Blutstrom der pulmonale
Volumenänderung während der Inspiration Widerstand infolge der Eröffnung von weite-
in den oberen Lungenbezirken, während ren, bis dahin nicht durchbluteten Kapillaren
die basalen Alveolen im Durchmesser klei- konstant.
ner sind und leichter gedehnt werden 4 Akute Druckerhöhung in der Pulmonalarterie
können. (z. B. unter Hypoxie, erniedrigtem pH-Wert,
4 Hieraus ergibt sich ein Ventilations-Perfu- Hypoventilation mit Hyperkapnie oder
sions-Verhältnis (VA/Q) an der Lungenspitze thrombembolischer Verschluss der Gefäß-
35.4 · Lungenvolumina und Lungenkapazitäten
597 35
strombahn) wird vom rechten Ventrikel nur Die Atemarbeit ist u. a. von der Art der Ernäh-
schlecht toleriert. rung abhängig:
4 Der Pulmonalarteriendruck nimmt beim ste- 4 1 g Kohlenhydrate (KH) (4 kcal/g) erzeugt
henden Menschen von der Lungenspitze bis 0,829 l CO2
zur Basis zu (MPAP apikal ≈6 mmHg und ba- 4 1 g Fett (9,3 kcal/g) erzeugt 1,427 l CO2
sal ≈24 mmHg). 4 1000 kcal in Form von 250 g Kohlenhydrate er-
zeugen über 8 h 207 l CO2; 1000 kcal in Form
von 107 g Fett jedoch nur 153 l CO2! o dies ist
35.3.5 Atemarbeit bei der Spontanisierung des beatmeten Patien-
ten von Bedeutung!
Arbeit der Atemmuskulatur zur Überwindung fol-
gender Widerstände:
4 elastische Widerstände von Lunge und Thorax 35.3.6 Wirkungsgrad der Ventilation
4 viskose Widerstände infolge der Luftströmung
4 Gewebewiderstände Atemarbeit
Wirkungsgrad (%) = ×100
T
Energieverbrauch
W = ∫ (p AW − pOes ) × V × dt
0 Normalwert: 5–10 % (d. h. für die mechanische Ar-
beit der Atemmuskulatur wird 10- bis 20-mal mehr
4 (pAW – pOes): transpulmonaler Druck o Regis- Sauerstoff verbraucht als zur Produktion einer glei-
trierung des pOes mit einer speziellen Sonde am chen Menge von Wärmeenergie).
sitzenden Patienten, dessen Spitze im unteren
Ösophagusdrittel platziert sein muss!
4 V: Volumenänderung, die der transpulmonale 35.4 Lungenvolumina und
Druck erzeugt Lungenkapazitäten
4 Normalwert: 0,25 J pro Atemzug bzw.
2,5–4,0 J/min bzw. 0,5 J/l (kritische Grenze: = Summe mehrerer spirometrisch abgrenzbarer
10–15 J/min) Teilvolumina (. Abb. 35.3).
. Tab. 35.1 zeigt die Normalwerte der einzelnen
75 % der Atemarbeit entfällt auf die Überwindung Lungenvolumina und Lungenkapazitäten.
der elastischen Widerstände und 25 % auf die Strö- Mit den nachfolgenden Lungenkapazitäten
mungswiderstände o AMV n o elastische Wider- können obstruktive Lungenerkrankungen erkannt
stände n werden (. Tab. 35.2).

. Tab. 35.1 Lungenvolumina und Lungenkapazitäten

Lungenvolumina/Lungenkapazitäten Durchschnittliche Normalwerte für Erwachsenen

Atemzug-(Tidal)-volumen (V T ) 500 ml (≈7 ml/kg)


Inspiratorisches Reservevolumen (IRV) 3,0–4,5 l (≈45–50 % der TLC)
Exspiratorisches Reservevolumen (ERV) 1,0–1,2 l (≈15–20 % der TLC)
Residualvolumen (RV) 1,2–1,8 l (≈20–25 % der TLC)
Inspirationskapazität (IC) ≈3,5 l
Funktionelle Residualkapazität (FRC) ≈2,4–3,0 l
Vitalkapazität (VC) ≈5,1–4,4 l (≈75 % der TLC) (60–70 ml/kg oder 7 × [Körpergröße (m)–1] in l)
Totalkapazität (TLC) ≈5,8–6,7 l
598 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

a
Volumen [l]

35 . Abb. 35.3a,b a Lungenvolumina, b Altersabhängigkeit der Vitalkapazität

35.4.1 Closing volume und 5 Adipositas (FRC meist <CC, da bei Über-
Closing capacity gewicht ERV p)
5 Rauchen
4 Als Verschlussvolumen (»closing volume« = 4 Normalwerte für CV:
CV) wird das Lungenvolumen bezeichnet, bei 5 gesunder Jugendlicher: ≈10 % der Vital-
dem ein Kollaps der kleinen Luftwege beginnt. kapazität
4 Das CV ist abhängig von 5 65-jährige, gesunde Person: ≈40 % der
5 Lebensalter (mit zunehmendem Lebensalter Vitalkapazität
o CV n) 4 Die Verschlusskapazität (»closing capacity«,
5 Körperlage (Wechsel vom Stehen zum CC) ist die Summe aus »closing volume« (CV)
Liegen: CV n) und Residualvolumen (RV).
35.4 · Lungenvolumina und Lungenkapazitäten
599 35

. Tab. 35.2 Lungenkapazitäten und Atemgrenzwert

1-Sekunden-Kapazität: Forciertes exspiratorisches Volu- FEV1 Altersabhängig absolute Volumina


men, das in der 1. Sekunde nach maximaler Inspiration (mindestens >2,5 l)
ausgeatmet werden kann

Relative 1-Sekundenkapazität FEV1/FVC Normal: 80 % der VC bzw. FVC

Atemgrenzwert: Atemzeitvolumen nach maximaler for- AGW Normal: 100–170 l


cierter willkürlicher Hyperventilation für die Dauer von 10 s
mit einer Frequenz von 60–70 Atemzüge pro min

. Abb. 35.4 »Closing volume« (CV) und »closing capacity« (CC)

4 Aus . Abb. 35.4 ist zu entnehmen, dass das (>1) besteht die Gefahr des Air trapping o
»closing volume« und das Residualvolumen Folge: intrapulmonale Shuntzunahme, Venti-
(Summe  CC) im Laufe des Lebens konti- lations-/Perfusionsstörungen, Resorptionsat-
nuierlich an Größe zunehmen; während die elektasen.
totale Lungenkapazität (TLC) abnimmt!
4 Die CC liegt beim Lungengesunden oberhalb Bestimmung des »closing volume«
des Residualvolumens (RV) und ist in der ers- (. Abb. 35.5)
ten Lebenshälfte normalerweise kleiner als die 4 Fremd-Gas-Bolus-Test (FGB) o der Patient
funktionelle Residualkapazität (FRC) o atmet ein Inertgas (He, Ar, Xe) als Bolus ein
Grenzschwelle: 45.–50. Lebensjahr. 4 Single-breath-O2-Methode (SBM) o hier
4 Von Bedeutung ist das Verhältnis CC/FRC atmet der Patient 100 % O2 ein
o bei immer größer werdenden Quotienten
600 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

. Tab. 35.3 Postoperative Veränderungen

Abnahme gegenüber präoperativem


Befund (in % vom Ausgangswert)

IRV ≈60

ERV ≈60

VC ≈50

TLC ≈40

FRC ≈30

35.4.2 Veränderungen unter Anästhe-


sie bzw. Analgosedierung
. Abb. 35.5 Bestimmung des Closing volume anhand der
N2-Auswaschkurve. a Gesunder junger Mann: Phase I = Unter Beatmung kommt es auch beim Lungenge-
Totraum 190 ml, Phase II = Mischluftanteil 250 ml, Phase III =
sunden intraoperativ:
Alveolarplateau 3,0 l, Phase IV = Verschlussvolumen 0,6 l; VC =
4,0 l, CV/VC = 15 %. b 50-jähriger Mann mit COPD: Phase I = 4 zu einer Abnahme der FRC um ca. 450 ml
Totraum 300 ml, Phase II = Mischluftanteil 350 ml, Phase III = (≈ 20 %), unabhängig von der Anwendung
Alveolarplateau 1,1 l, Phase IV = Verschlussvolumen 0,75 l; nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien
VC = 2,5 l, CV/VC = 30 % Je steiler die Phase III verläuft, desto 4 zu einer Zunahme des intrapulmonalen
wahrscheinlicher ist eine obstruktive Ventilationsstörung
Rechts-links-Shunts o Vermeidung durch
PEEP-Beatmung; ggf. intermittierendes Blähen
der Lunge
Beide Methoden beruhen darauf, dass nach maxi- 4 zu einer Abnahme der Compliance (normale
maler Ausatmung (= Residualvolumenniveau) der Compliance: 100 ml/cmH2O)
Patient bei der anschließenden Inspiration reinen 4 zum Anstieg von VD/VT und AaDO2
O2 oder ein Inertgas einatmet, das sich aufgrund des
größeren Ventilationsanteils basaler Lungenbezir- Postoperative Veränderungen
ke zuerst dort anreichert und im weiteren Verlauf in Postoperativ kommt es gerade bei Oberbauchein-
die apikalen Alveolen gelangt o Aufbau eines api- griffen, bei Patienten mit Adipositas oder höherem
kobasalen Konzentrationsgradienten mit höheren Lebensalter zwischen dem 2. und 5. postoperativen
35 O2-Konzentrationen in den unteren Lungenantei- Tag zu einem deutlichen Abfall der FRC und folgen-
len. Bei der unmittelbar folgenden langsamen Aus- den Lungenvolumina (o Gefahr der respiratori-
atmung wird zuerst der anatomische Totraum (Pha- schen Dekompensation und Reintubation bei Pa-
se I), dann ein Mischluftanteil (Phase II) und an- tienten mit präoperativ grenzwertiger Lungenfunk-
schließend das Alveolarvolumen (Phase III) ent- tion!) (. Tab. 35.3).
leert. Die exhalierte Luft wird ständig aus den 4 FRC p: bei Adipositas und Schwangerschaft,
apikalen und basalen Lungenpartien zusammenge- im Liegen < als im Stehen, infolge Alveolarkol-
mischt. Kollabieren die basalen Alveolen, wird die laps, Atelektasenbildung, bei Pneumonie,
exhalierte Luft bei der SBM nicht mehr durch den durch Zunahme des Lungenwassers
erhöhten O2-Gehalt der basalen Alveolen verdünnt, 4 FRC n: bei COPD und Lungenemphysem
und die exhalierte Luft enthält einen größeren N2-
Anteil.
35.5 · Ventilationsstörungen
601 35
35.4.3 Messung der Atemmechanik

Pleuradruck
4 Der intrapleurale Druck nimmt in Ruhelage von
oben nach unten im Stehen zu (–10 cmH2O auf
–2 cmH2O o Mittelwert von ≈–6 cmH2O).
4 Im Durchschnitt liegt der intrapleurale Druck
am Ende der Exspiration bei etwa 5 cmH2O
subatmosphärisch und am Ende der Inspira-
tion bei 8 cmH2O unterhalb des Atmosphären-
drucks.
4 Unter Spontanatmung ist normalerweise der
intrapleurale Druck während des kompletten
Atemzyklus negativ! Unter kontrollierter
Überdruckbeatmung kann der intrapleurale . Abb. 35.6 Statisches Druck-Volumen-Diagramm
Druck positiv werden.

Compliance Resistance bzw. Atemwegswiderstand


4 Die Compliance ist ein Maß für die Dehnbar- (. Abb. 35.7)
keit (Lunge, Thorax). 4 Bei laminarer Strömung wird der Widerstand
4 Die Bestimmung erfolgt mit Hilfe der Ruhe- vom Hagen-Poiseuille-Gesetz modifiziert:
dehnungskurve:
8× L
ΔV C = Viskosität (M )
CThorax = r4
Δp pleu
5 r: Radius der Röhre
ΔV 5 L: Länge der Röhre
CLunge =
Δ(p pul − p pleu ) 4 Der Großteil des Atemwegswiderstandes
(≈80 %) ist in den oberen Luftwegen und den
ΔV ersten 6 Generationen des Tracheobronchial-
CTh+L = baumes bzw. in den Atemwegen mit einem
Δp pul
Durchmesser >2 mm lokalisiert; bei Nasen-
5 Δppul: intrapulmonaler Druck atmung entfällt wiederum der größte Anteil
5 Δppleu: intrapleuraler Druck auf den Nasen-/Epipharynxbereich.
5 ΔV: Lungenvolumenänderung 4 Der Atemwegswiderstand ist auch vom Lun-
5 CL: Compliance der Lunge genvolumen abhängig!
5 CTh: Compliance des Thorax
5 CTh+L: Compliance von Thorax und Lunge
4 Wie . Abb. 35.6 verdeutlicht, ist die statische 35.5 Ventilationsstörungen
Compliance vom intrapulmonalen Volumen
abhängig. 35.5.1 Flow-Volumen-Kurven

Elastance Die Durchführung eines vollständigen Atemmanö-


4 reziproker Wert der Compliance vers umfasst vollständige Exspiration, anschließen-
4 Gesamtelastance = Lungenelastance + Thorax- de Inspiration und Beginn des Messmanövers nach
elastance maximaler Inspiration (auf dem Niveau der TLC)
(. Abb. 35.8–35.11).
1 1 1
= +
CTh+L CL CTH
602 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

. Abb.35.7 Atemwegswiderstand in Abhängigkeit vom . Abb.35.9 Flow-Volumen-Kurve bei Obstruktion


Lungenvolumen

35
. Abb. 35.8 Normale Flow-Volumen-Kurve . Abb. 35.10 Flow-Volumen-Kurve bei Tracheakompression

Beispiele für Kurvenverläufe bei bestimmten Venti- 4 sensibler Parameter für den Nachweis einer
lationsstörungen Mit Hilfe der Flow-Volumen- »small airway disease«, v. a. bei symptomfreien
Kurven lassen sich: Rauchern bei noch normaler FEV1!
4 die verschiedenen Ventilationsstörungen 4 ist der Quotient PEF/MEF50 >2, besteht eine
unterscheiden obstruktive Ventilationsstörung mit Verdacht
4 obstruktive Atemwegveränderungen durch auf exspiratorischen Bronchiolenkollaps
Bestimmung des mittleren exspiratorischen 4 ähnliche Ventilationsstörungen noch weiter
Flusses frühzeitig erkennen (MEF50 = Fluss differenzieren o der inspiratorische Spitzen-
nach Ausatmung von 50 % der FVC; Normal- fluss (MIF) dient zur Differenzierung zwischen
wert: 4,5–5,5 l/s) Lungenemphysem (MIF normal) und Asthma
35.6 · Berechnungen
603 35
35.6 Berechnungen

35.6.1 O2-Status

Der O2-Status des Blutes ist gekennzeichnet durch


den paO2, SaO2, Hb-Gehalt und caO2.

jDefinitionen
4 Hypoxie: paO2 p
4 Hypooxygenation: SaO2 p
4 Hypoxämie: caO2 p (= O2-Gehalt des Blutes p)
5 hypoxische Hypoxämie: paO2 p und SaO2 p,
normaler Hb-Wert o Störung der Lungen-
funktion oder Ventilation
5 anämische Hypoxämie: tHb p, normaler
paO2 und normale SaO2 o Blutung o
Anämie
. Abb. 35.11 Flow-Volumen-Kurve bei Restriktion 5 toxische Hypoxämie: fraktionierte SaO2 p o
COHb n oder MetHb n
bronchiale bzw. chronisch-obstruktiver Bron- 4 Ischämie: HZV oder Perfusion p, normaler
chitis (MIF vermindert) caO2
4 Die verschiedenen Formen der Hypoxämien
Veränderungen der Lungenvolumina, Lungenkapa- werden unterschiedlich toleriert: anämische
zitäten und Tests bei obstruktiven und restriktiven besser als hypoxämische, und diese wiederum
Lungenerkrankungen zeigt . Tab. 35.4. besser als toxische Hypoxämien.

. Tab. 35.4 Obstruktive und restriktive Ventilationsstörung

Obstruktive VS Restriktive VS

Atemwegswiderstand (R) n bis nn (R >3,5 cmH2O/l/s) Normal

Statische Compliance (C) p (CST. <0,1 l/cmH2O)

Vitalkapazität (o unspezifischer Lungen- p pp (<80 % Soll)


parameter)

1-Sekundenkapazität (FEV1) pp p

relative 1-Sekundenkapazität (FEV1/FVC) pp (<70 %) Meist n (>85 %)

Totale Lungenkapazität (TLC) n Asthma p bis pp


nn Lungenemphysen Leicht: <80–65 % der Norm
Mittel: 65–50 % der Norm
Schwer: <50 % der Norm

Residualvolumen (RV) n p

Maximaler exspiratorischer Flow (PEF) p bis pp Normal


(normal: 8–10 l/s)

Maximaler mittlerer exspiratorischer Flow p Früherfassung einer Obstruktion Normal


(MMEF) [normal: 4,5–5,5 l/s] peripherer Atemwege (koopera-
tionsunabhängiger Parameter!)
604 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

4 Die diagnostische Aussagekraft nimmt in fol- 4 Die fraktionelle Sättigung (SO2) gibt den An-
gender Reihenfolge zu: teil des oxygenierten Hämoglobins (HbO2) am
paO2 (Sauerstoffpartialdruck) < psO2 (Sauer- Gesamthämoglobin (einschließlich Dyshämo-
stoffsättigung) < caO2 (Sauerstoffgehalt) globin) an.
4 Der prozentuale Anteil des oxygenierten Hä-
moglobins (HbO2) am Oxy- und Desoxyhä-
35.6.2 O2-Bindungskapazität moglobin wird als partielle oder funktionelle
Sättigung (psO2) bezeichnet.
Die Hüfner-Zahl bezeichnet die Menge O2, die the-
oretisch maximal an 1 g Hb gebunden werden kann:
1,39 ml O2 pro 1 g Hb. 35.6.4 Arteriovenöse Sauerstoff-
Der Wert wird in den Lehrbüchern nicht ein- gehaltsdifferenz (avDO2)
heitlich angegeben o bei neueren Bestimmungen
mittels Blutgasanalyse wurden Werte von 1,34–1,36 4 avDO2 = caO2 – cvO2
ermittelt, da neben Desoxy-/Oxyhämoglobin auch 4 Normalwert: 5 ml/100 ml Blut
Met- und Carboxyhämoglobin existieren, die kaum 4 Eine avDO2-Veränderung >6 % weist bei kon-
Sauerstoff binden. Somit spiegelt die geringere Hüf- stantem Hb, konstantem Shunt-Volumen und
ner-Zahl das Verhalten des zirkulierenden Hämo- konstantem VO2 auf ein vermindertes HZV
globins exakter wieder. hin!

35.6.3 Sauerstoffgehalt (cO2) 35.6.5 O2-Ausschöpfung (%)

Die O2-Konzentration des Blutes (cO2) ergibt sich 4 O2-Ratio = (ca-vDO2/caO2) × 100
aus der Summe des an Hämoglobin chemisch ge- 4 Normalwert: 20–25 %
bundenen O2 und dem in den wässrigen Blutbe-
standteilen physikalisch gelösten O2.
4 chemisch gebundener O2 (ml/dl) = SO2 ( %) × 35.6.6 O2-Partialdruck (pO2)
cHb (g/dl) × 1,39 (ml/g)
4 physikalisch gelöster O2 (ml/dl) = pO2 Arterieller O2-Partialdruck: paO2
(mmHg) × O2-Löslichkeit (0,0031) in mmHg
4 Der paO2 bestimmt über die sog. O2-Bindungs-
Nach dem Henry-Gesetz ist das im Plasma gelöste kurve die zugehörige Sättigung des Hämoglo-
Gasvolumen direkt proportional dem Partialdruck bins (SaO2 in %).
35 des Gases 4 Der paO2-Wert unterliegt einer Altersabhän-
4 o 100 ml Blutplasma enthalten bei einem pO2 gigkeit und kann nach folgenden Formeln
von 100 mmHg 0,3 ml Sauerstoff in physika- berechnet werden:
lischer Lösung 5 Formel von Murray:
4 caO2 = SaO2 (%) × cHb (g/dl) × 1,39 (ml/g Hb) paO2 = 100,1 – (0,323 × Alter [Jahre])
+paO2 (mmHg) × 0,0031 (ml/mmHg/dl) 5 Formel von Reichel und Ulmer:
– für Männer: paO2 = 109,4 – 0,26 × Alter –
0,098 × IB; unterster Grenzwert: berech-
Normalwerte des cO2
neter Wert minus 14,1 mmHg
5 caO2 = 20,4 ml/dl (männlich) und 18,6 ml/dl
– für Frauen: paO2 = 108,86 – 0,26 × Alter –
(weiblich)
0,073 × IB; unterster Grenzwert: berech-
5 cvO2 = 15 ml/dl
neter Wert minus 15,1 mmHg, wobei IB
5 avDO2 = ca. 5 ml/dl
dem Broca-Index entspricht: IB = Ge-
wicht × 100/Länge – 100
35.6 · Berechnungen
605 35
4 ggf. von Konzentrationseffekten (N2O!)
. Tab. 35.5 paO2 und FIO2 bei lungengesunden Per-
sonen mittleren Alters pa CO 2
p A O 2 = (p B − pH 2O) × FO
l 2−
VCO 2
F IO 2 ≈paO2 in mmHg  2
VO
0,21 100 4 vereinfacht: pAO2 = pIO2 – (1,25 × paCO2)
0,4 235 4 bei Raumluft: pAO2 = (760 – 47 mmHg) × 0,21
0,6 378
– (40 mmHg/0,85) = ≈104 mmHg
4 pGas = pB × Gasanteil, z. B. O2 (trocken):
0,8 520
Barometerdruck von 760 mmHg × 0,21 =
1,0 663 159,6 mmHg
4 fraktionierter Gasanteil FAGas = Gaspartial-
druck/pB – pH2O × Vol.-%
4 zu erwartender paO2 bei Lungengesunden
(AaDO2 = 10 mmHg) mittleren Alters unter Die Partialdrücke der einzelnen Gase gibt . Tab.
verschiedenen FIO2-Größen 35.6 wieder.
4 Die Abhängigkeit des paO2 von der inspirato-
rischen Sauerstoffkonzentration (FiO2) zeigt
. Tab. 35.5. 35.6.7 Beurteilung des trans-
4 Der paO2 des Neugeborenen beträgt unter pulmonalen O2-Austauschs
Raumluft ≈40–60 mmHg.
Oxygenierungsindex (Horovitz)
Alveolärer O2-Partialdruck (pAO2)
pa O 2 (mmHg)
Der alveoläre Sauerstoffpartialdruck (pAO2) wird Oxygenierungsindex =
FO
i 2
von folgenden Faktoren beeinflusst:
4 Barometerdruck 4 wobei eine FiO2 von 100 % O2 = 1,0
4 inspiratorische O2-Konzentration o eine Er- 4 Normwerte: >450 mmHg
höhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzen- 4 bei ALI: <300 mmHg
tration um 10 % führt bei Konstanz aller ande- 4 bei ARDS: <200 mmHg
ren Parameter zu einer Steigerung des pAO2
um ≈ 64 mmHg Alveoloarterielle Sauerstoff-
4 Sauerstoffverbrauch partialdruckdifferenz (AaDO2)
4 Herzzeitminutenvolumen o plötzlicher
AaDO2 (mmHg) = pAO2 – paO2
Abfall der Lungendurchblutung o primär
geringere pulmonale Sauerstoffaufnahme o 4 Bei der Beurteilung der AaDO2 muss die inspi-
pAO2 n ratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) be-
rücksichtigt werden!

. Tab. 35.6 Partialdrücke der Atemgase auf Meereshöhe (pB: 760 mmHg)

Atemgas Einatemluft (mmHg) Alveolarluft (mmHg) Ausatemluft (mmHg)

Sauerstoff (O2) 159 (149 im Nasopharynx) 104 (≈13,3 Vol.-%) 120

CO2 0,3 40 (≈5,5 Vol.-%) 27

Stickstoff (N2) 597 569 (≈75 Vol.-%) 566

H 2O 3,7 47 (≈6,2 Vol.-%) 47


606 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

4 Normalwert: 10–20 mmHg bei Raumluft, 25– 4 paO2 <150 mmHg, dann
65 mmHg bei 100 % O2 (ccO2 − ca O2 )
QT = (ccO 2 − c vO 2 ) (Formel nach Berggren)
Qs
4 Neuere Untersuchungen geben auch unter rei-
nen Sauerstoffbedingungen einen korrigierten
AaDO2-Normalwert von 10–13 mmHg an wobei cvO2 der O2-Gehalt der Pulmonalarterie
(Korrektur der Liegezeit der Blutgasanalyse, (gemischtvenös) und ccO2 der O2-Gehalt der
des Spritzentypus und der Punktionstechnik Pulmonalkapillare (Abnahme bei geblocktem
[Aspiration von Luftblasen]). Ballon) ist.

Vereinfachte Formel für die AaDO2 bei Lungen- Schätzung der pulmonalen Shuntfraktion
gesunden unter Raumluftbedingungen: 4 nach Hessel: bei FiO2 = 1,0 und paO2
>150 mmHg
AaDO2 = 145 – (paO2 + paCO2)
AaDO 2 (mmHg)
4 Zunahme der AaDO2 infolge alveolokapillärer Shunt (%) =
Diffusionsstörung, Anstieg des intrapulmona- 20
len venoarteriellen Rechts-links-Shunts bzw. 4 nach Nunn: Bestimmung des Shunt-Anteils
Ventilations-/Perfusionsstörungen, intrakar- aus einem Nomogramm (. Abb. 35.12)
diale anatomische Shunts, langandauernde 4 Ab 25–30 % Shunt-Anteil bezüglich des HZV
hohe FiO2-Konzentrationen (Resorptionsat- bewirkt eine FiO2-Erhöhung fast keine Zu-
elektasen!). nahme des paO2 mehr!
4 Im Rahmen einer alveolären Hypoventilation
(respiratorisches Pumpversagen) ist der paO2 Sauerstoffangebot (DO2)
meist erniedrigt, der paCO2 erhöht und die
DO2 = caO2 (ml/dl) × HZV (l/min)
AaDO2 jedoch normal.
4 Normalwert: 800–1000 ml/min oder
Quotient nach Benzer 600 ± 50 ml/min/m² KOF
AaDO 2  2)
Sauerstoffaufnahme/-verbrauch (VO
pa O 2 4 nach dem inversen Fick’schen Prinzip:
4 von der FIO2 unabhängiger Index  2= avDO2 × HZV (l/min)
VO
4 Normalwert: 5 Normalwert: ≈250 ml/min
5 0,1–0,25 5 Mittels Pulmonalarterienkatheter (PAK)
5 >0,3 pathologisch kann durch Bestimmung der arteriove-
nösen Sauerstoffdifferenz (avDO2) und
35 Intrapulmonaler Rechts-links-Shunt des Herzzeitminutenvolumens der Sauer-
(QS/QT) stoffverbrauch (O2) berechnet werden.
4 Normalwert: 3–5 % des HZV (bedingt durch Das gemischtvenöse Blut muss dabei aus
den Zufluss von nichtoxygeniertem Blut über der A. pulmonalis und nicht mittels
die bronchialen Venen und Venae thebesii des ZVK aus der oberen Hohlvene entnommen
Herzens) sein!
4 paO2 >150 mmHg, dann 4 nach Kleiber:
 2 = 10 × KG (kg)¾ (ml/min)
VO
Qs AaDO 2 ×0,0031
QT = AaDO 2 ×0,0031+avDO 2
Unter Annahme eines mittleren kalorischen Äqui-
wobei avDO2 = caO2 – cvO2 oder valents von 4,85 kcal/l O2 lässt sich der Energiebe-
darf anhand des Sauerstoffverbrauchs bestimmen:
Qs (pAO2 − pa O2 )×0,003
QT = (ca O 2 − c vO 2 ) + (p A O 2 − pa O 2 )×0,003 4 z. B. HZV = 6,4 l/min, avDO2 = 8 ml/100 ml
(= 80 ml/l)
35.7 · O2-Bindungskurve
607 35

. Abb. 35.12 Iso-Shunt-Diagramm. (Adaptiert nach Nunn)

4 o O2-Verbrauch 512 ml/min = 30,72 l/h 4 FexCO2: exspiratorische CO2-Konzentration


= 737 l/Tag (inspiratorische CO2-Konzentration wird als
4 o Energieverbrauch: 737 × 4,85 null angenommen!)
= 3574 kcal/Tag 4 Vex: exspiratorisches Atemminutenvolumen

Umgekehrt kann durch direkte Messung der VO  2 Respiratorischer Quotient (RQ)


mit Hilfe des Deltatrac Metabolic Monitor das HZV
VCO 2
bestimmt werden: RQ =
 2
VO
 2/avDO2
HZV = VO
4 Normalwert: ≈0,8 (abhängig vom Substrat-
und stoffwechsel)
 2 = AMF × (FlO2 – FexO2)
VO
4 FiO2: inspiratorische Sauerstoffkonzentration 35.7 O2-Bindungskurve
4 FexO2: exspiratorische Sauerstoffkonzentration
4 AMV: Atemminutenvolumen Der Zusammenhang zwischen O2-Sättigung
(SO2, %) als Maß für den chemisch (an Hämo-
CO2-Produktion (VCO2) globin) gebundenen Sauerstoff und dem O2-Par-
tialdruck (pO2, mmHg) wird als O2-Bindungs-
VCO2 = Vex × FexCO2 kurve (sigmoidaler Verlauf) bezeichnet (. Abb.
35.13).
4 Normalwert: ≈200 ml/min Im oberem Bereich hat eine Zunahme oder ein
4 VCO2: Kohlendioxidproduktion Abfall der pO2-Werte einen nur geringen Einfluss
608 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

. Abb. 35.13 O2-Bindungskurve

auf die O2-Sättigung o paO2-Schwankungen wer- pulmonalen Speicher (= FRC von ca. 3000 ml
den hier schlecht und nur verzögert erfasst! beim Erwachsenen) mit reinem Sauerstoff auf-
Die Sauerstoffbindungskurve unterliegt folgen- gefüllt (Präoxygenierung) und gleichzeitig der
den Verschiebungen (. Tab. 35.7). Stickstoff aus der Alveole ausgewaschen wor-
den war (Denitrogenisierung) und ein weiteres
Bohr-Effekt Eindringen von exogenem Stickstoff in die
Verschiebung der O2-Bindungskurve durch Verän- Lunge verhindert wurde o simultaner paCO2-
derungen der H+-Konzentration und des pCO2 o Anstieg (bis auf 250 mmHg!)
Begünstigung der O2-Aufnahme in der Lunge und
O2-Abgabe ans Gewebe bzw. Azidose reduziert die
Affinität des Hämoglobins für O2. 35.8.1 Sauerstoffvorrat

Unter physiologischen Bedingungen (21 % Sauer-


35 35.8 Apnoische Oxygenierung stoff) beträgt der gesamte O2-Vorrat bei einem
65 kg schweren Menschen ca. 1.500 ml, aufgeglie-
> Unter apnoischer Oxygenierung versteht dert in
man die passive O2-Zufuhr und Aufnahme 4 ≈300 ml physikalisch und an Myoglobin ge-
trotz Atemstillstand. bundener Sauerstoff
4 ≈800 ml an Hämoglobin gebundener Sauer-
4 Atemstillstand, z. B. im Rahmen einer länger- stoff (bei 750 g Hb, 1,39 ml O2/g Hb, psO2 von
dauernden Intubation, führt zu einer Unter- 100 % für arterielles Blut und 85 % für venöses
brechung der O2-Versorgung des Patienten o Blut)
O2-Verbrauch des Erwachsenen von 200– 4 ≈400 ml intrapulmonaler Sauerstoff (bei
250 ml/min läuft unvermindert weiter. 3000 ml FRC × 0,135 FAO2)
4 Frumin et al. zeigte bereits im Jahr 1959, dass 4 o Unter reiner Sauerstoffgabe erhöht sich der
ein Atemstillstand von bis zu 55 min Dauer Gesamtsauerstoffvorrat auf ≈4200 ml.
überlebt werden kann, wenn zuvor die intra-
35.8 · Apnoische Oxygenierung
609 35

. Tab. 35.7 Ursachen der Lageveränderung der O2-Bindungskurve

m Linksverschiebung Rechtsverschiebung o
erhöhte Affinität bzw. schlechtere O2-Abgabe, p50* verringerte Affinität bzw. leichtere O2-Abgabe, p50*
erniedrigt erhöht

Alkalose (pH) Azidose (pH p)

Hypokapnie (pCO2 p) Hyperkapnie (pCO2)

Temperatur p Temperatur n

2,3-DPG p (z. B. bei Austausch bzw. Massivtransfusion o 2,3-DPG n


Neusynthese benötigt 12–24 h)

Fetales Hämoglobin (HbF) und abnorme Hämoglobine Volatile Anästhetika (2–3 mmHg)
Anämie (um ca. 3,8 mmHg)

Sepsis und Schwangerschaft HbS

Hexokinasemangel Pyruvatkinasemangel

COHb und MetHb n

Hypokaliämie Hyperkaliämie
Hypernatriämie

*p50-Normalwert bei einer Temperatur von 37 °C, einem pH von 7,4 und einem BE von ± 0 beträgt 27 mmHg]

35.8.2 Verlauf der O2- und CO2-Partial- 35.8.3 Intrapulmonale O2-Speicher


drücke unter Apnoe beim
Erwachsenen Wichtiger als die Präoxygenierung ist die Denitro-
genisierung des Patienten und die Erhöhung der
Bei Apnoe kommt es zu FRC, die durch Faktoren wie Adipositas oder
4 einem Abfall des Sauerstoffpartialdrucks: Schwangerschaft reduziert sein kann oder altersent-
5 ca. 45–55 mmHg/min Bei wiedereinsetzen- sprechend sehr gering ist.
der (Be)atmung erfolgt ein weiterer Abfall Bei Säuglingen und Kleinkindern FRC grund-
des paO2 in den ersten 35 s um 30 mmHg sätzlich p und gewichtsbezogener O2-Verbrauch n
durch CO2- und N2 -Diffusion in die Alveole (≈7 ml/kg/min). Hieraus ergeben sich dann unter-
5 bei Schwangeren paO2-Abfall von schiedliche Apnoe-Toleranzen o die intrapulmo-
150 mmHg pro Minute! nalen Speicher sind unter Apnoe erschöpft, wenn
4 einem Anstieg des Kohlendioxidpartial- die partielle O2-Sättigung von 98 % auf 75 % abge-
drucks: fallen ist! Ohne Präoxygenierung ist dies bei Klein-
5 in den ersten 35–60 s paCO2-Anstieg um ca. kindern nach 20 s, bei Schwangeren nach 35 s und
15 mmHg; anschließend ≈4 mmHg/min, je bei Erwachsenen nach 60 s erreicht. Durch eine op-
nach Stoffwechselaktivität timale Präoxygenierung bleibt die partielle Sauer-
5 bei Kindern kommt es infolge einer erhöh- stoffsättigung für die Dauer von 3,5 min beim
ten CO2-Produktion zu schnelleren Verän- Kleinkind, 6 min bei der schwangeren Patientin und
derungen pro Zeiteinheit 9 min beim Erwachsenen konstant.
> Eine Präoxygenierung ist empfohlen bei zu
erwartender schwieriger Intubation, und im
Rahmen der Anästhesie bei Schwangeren ist
sie obligat!
610 Kapitel 35 · Physiologie der Atmung

. Tab. 35.8 Intrapulmonale O2-Speicher

Funktionelle Residualkapazität (FRC) in ml Erwachsene Schwangere Kleinkinder

3000 2400 200

FAO2 (in %) paO2 (in SpO2 (in %) O2-Pool (in ml) = FRC × FAO2
mmHg)

Hyperoxie 0,886 670 98 2.650 Hyperoxie 0,886

Normoxie 0,131 100 98 400 Normoxie 0,131

Hypoxie 0,053 40 75 160 Hypoxie 0,053

Effektiver O2-Pool (ml) unter Hyperoxie, bis paO2 von 98 2250 1780 149
o 75 % (= Hypoxie) abgefallen ist

Effektiver O2-Pool unter Normoxie (ml), bis paO2 von 98 o 240 190 16
75 % (= Hypoxie) abgefallen ist

Die Volumina der intrapulmonalen Speicher sind


aus . Tab. 35.8 ersichtlich.

Ausgewählte Literatur

Larsen R, Ziegenfuß T (2013) Beatmung, 5. Aufl. Springer,


Berlin Heidelberg New York Tokio
Lumb AB, Pearl RG (2005) Nunn`s applied physiology. Butter-
worth Heinemann
Schmidt RF, Lang F, Heckmann M (2010) Physiologie des
Menschen mit Pathophysiologie, 31. Aufl. Springer, Berlin
Heidelberg New York Tokio
Silbernagl S, Despopoulos A (2003) Taschenatlas der Physiolo-
gie. 6. Aufl. Thieme, Stuttgart

35
611 36

Wasser-, Elektrolyt-
und Säure-Basen-Haushalt
M. Fresenius

36.1 Wasserhaushalt – 612

36.2 Störungen des Elektrolythaushalts – 621

36.3 Säure-Basen-Haushalt – 625

36.4 Anionenlücke – 627

Ausgewählte Literatur – 627

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_36, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
612 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

36.1 Wasserhaushalt > Osmolarität und Osmolalität können in stark


verdünnten Lösungen, wie denen des
36.1.1 Verteilung der Körperflüssig- menschlichen Körpers, gleichgesetzt werden.
keiten

4 Neugeborene bestehen zu 70–80 % des Körper- 36.1.4 Kolloidosmotischer Druck


gewichts (KG) aus Wasser
4 Erwachsene: . Tab. 36.1 4 Der kolloidosmotische Druck (KOD) ist ein
4 Extrazellulärflüssigkeit (ECF): ≈20 % des KG Sonderfall des osmotischen Drucks; er wird
5 interstitielle Flüssigkeit: ≈15 % durch Makromoleküle an einer für diese un-
5 Plasmavolumen (Intravasalflüssigkeit): ≈5 % durchlässigen Membran, der Kapillarwand,
(incl. Zellen 7,5 %) hervorgerufen.
4 Intrazellulärflüssigkeit (ICF) ≈30–40 % des KG 4 Der KOD des Plasmas beträgt 25–28 mmHg
(Albuminmolelüle tragen zum KOD ca. 80 %
bei).
36.1.2 Osmolarität 4 Ein KOD von 18–20 mmHg bzw. eine Gesamt-
eiweißkonzentration von 5 g/dl oder ein Albu-
4 Die Osmolarität beschreibt das Verhältnis von mingehalt von 2,5 g/dl werden als Ödem-
Wasser zu den darin gelösten Teilchen. Sie ist schwelle angesehen!
ein Maß für die Anzahl der Teilchen in einem
Lösungsmittel.
4 1 mol = 6 × 1023 Teilchen, 1 osmol = 1 mol 36.1.5 Tägliche Wasserabgabe und
nicht dissoziierter Substanz in 1 Liter Lösungs- Flüssigkeitsbedarf
mittel
4 Die Serumosmolarität beträgt etwa 290–300 4 Perspiratio insensibilis: 900 ml/Tag (200–400
mosmol/l. ml Haut, 400–600 ml Lunge)
4 Annäherungsformel: Osmolalität (mosmol/l) 4 Urinausscheidung: 600–1600 ml/Tag
= (Serumnatrium in mval/l + 5) × 2 oder Be- 4 Basisflüssigkeitsbedarf: . Tab. 36.2 und
stimmung mit dem Osmometer anhand der . Tab. 36.3
Gefrierpunkterniedrigung. Des Weiteren unter 4 Flüssigkeitsbedarf bei Operationen:
Berücksichtigung der Serumharnstoff- und Basisbedarf
Glukosekonzentration: 5 + 4 ml/kg/h: z. B. Operationen an den
Extremitäten, Leistenhernienoperationen
Glukose (mg / dl )
2 × Na+ (mmol/l) + 5 + 6 ml/kg/h: Operationen mittleren Aus-
18 maßes
Harnstoff (mg / dl)
+ 5 + 8 ml/kg/h: offenes Peritoneum, z. B. bei
6
36 Hemikolektomien

36.1.3 Osmolalität
. Tab. 36.1 Totales Körperwasser
Die Osmolalität ist die molare Konzentration aller
osmotisch aktiven Teilchen pro kg Wasser. Extra- Alter in Männer Frauen
Jahren (Anteil in %) (Anteil in %)
und Intrazellulärraum werden hauptsächlich durch
das osmotische Gleichgewicht extrazellulärer Na- 18–40 61 51
trium- und intrazellulärer Kaliumionen konstant
40–60 55 47
gehalten.
>60 52 46
36.1 · Wasserhaushalt
613 36
jIndikationen
. Tab. 36.2 Basis-Flüssigkeitsbedarf
4 Flüssigkeitsersatz bei Niereninsuffizienz mit
Pro kg ml/kg/h ml/kg/Tag Hyperkaliämie
4 Trägersubstanz zur Medikamentenverdünnung
1–10 kg 4 100 4 plasmaisotoner Flüssigkeitsersatz
11–20 kg 2 50
Dosierung
>20 kg 1 20
5 Basisflüssigkeitsbedarf und Ersatz von
geringeren Volumenverlusten

. Tab. 36.3 Beispiele der Berechnung des täglichen


Flüssigkeitsbedarfs für ein Körpergewicht von 20 und
70 kg jKontraindikationen
4 Hypervolämie
Beispiel 1 ml/20 kg/h ml/20 kg/Tag
4 Hyperchlorämie
1–10 kg 10×4 10×100 4 Hypernatriämie
11–20 kg 10×2 10×50
>20 kg 0×1 0×20
jNebenwirkungen
20 kg 60 ml/h 1500 ml/Tag 4 Gefahr der hyperchlorämischen Azidose mit
Beispiel 2 ml/70 kg/h ml/70 kg/Tag Verschlechterung der renalen Perfusion, v. a.
1–10 kg 10×4 10×100 bei eingeschränkter Nierenfunktion und be-
11–20 kg 10×2 10×50 reits bestehender Hyperchlorämie
>20 kg 50×1 50×20 4 Minderung von Urinausscheidung und
70 kg 110 ml/h 2500 ml/Tag Splanchnikusperfusion
4 erhöhte Inzidenz von postoperativer Übelkeit
und Erbrechen (PONV)
4 Verschlechterung des Patienten-Outcomes!
36.1.6 Flüssigkeitsersatzmittel
Ringer-Lösungen
4 Kristalloide dienen der Substitution von Flüs- 4 Na+ ≈147 mmol/l, Cl– ≈156 mmol/l
sigkeitsverlusten, Ersatz von Wasser und Ersatz 4 K+ ≈4 mmol/l, Ca2+ ≈2–2,25 mmol/l
von Elektrolyten o Extrazellulärflüssigkeit
nimmt zu. jPharmakologie
4 Kolloide dienen dem Ersatz von Volumen, 4 HWZ: 20–30 min, Abwanderung ins Interstitium
Blutverlust und zur Erhalt der Vorlast o Plas- 4 Volumeneffekt: 0,2–0,25
mavolumen nimmt zu. 4 theoretische Osmolalität: ≈309 mmol/l

Kristalloide jIndikationen
4 Vollelektrolytlösungen: Na+ >120 mmol/l 4 Flüssigkeitsersatz bei isotoner und hypotoner
4 2/3-Elektrolytlösungen: Na+ 91–120 mmol/l Dehydratation
4 Halbelektrolytlösungen: Na+ 61–90 mmol/l 4 Verlust extrazellulärer Flüssigkeit
4 1/3-Elektrolytlösungen: Na+ <60 mmol/l 4 plasmaisotoner Flüssigkeitsersatz

Vollelektrolytlösungen Dosierung
Isotone Kochsalzlösungen (NaCl 0,9 %)
4 Na+ = 154 mmol/l, Cl– = 154 mmol/l (nicht 5 Basisflüssigkeitsbedarf und Ersatz von
physiologisch!) geringeren Volumenverlusten
4 Osmolalität: 308 mmol/l
614 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

jKontraindikationen
. Tab. 36.4 Pädiatrische Fertiglösungen
4 Hypervolämie
4 Hyperkaliämie, Hyperkalzämie Päd-I-Lösung Päd-II-Lösung
(für Säuglinge und (für Kinder ab dem
Ringer-Laktat-Lösungen Kleinkinder bis 3. Lebensjahr)
4 Na+ ≈130 mmol/l, Cl– ≈112 mmol/l zum 2. Lebensjahr)

4 K+ ≈5–5,4 mmol/l, Ca2+ ≈1–2,25 mmol/l Na+ 35 70


4 Laktat ≈27–28 mmol/l
K+ 18 18
4 theoretische Osmolalität: ≈280 mmol/l
Ca2+ 2 3
jPharmakologie Mg2+ 3 4
4 HWZ 20–30 min, Abwanderung ins Interstitium
Cl– 34 64
4 Volumenffekt: 0,2–0,25
4 Osmolalität: 308 mmol/l Acetat 20 26,5

Malat 3 3
jIndikationen
4 Flüssigkeitsersatz bei isotoner und hypotoner
Dehydratation
4 Verlust extrazellulärer Flüssigkeit 4 Balancierte Lösungen:
4 plasmaisotoner Flüssigkeitsersatz 5 entsprechen weitgehend der Zusammenset-
zung menschlichen Plasmas.
Dosierung 5 physiologische Elektrolytkonzentrationen
(v. a. Na+, K+ und Cl–)
5 Basis-Flüssigkeitsbedarf und Ersatz von
5 Isotonie mit Osmolalität von etwa 280–
geringeren Volumenverlusten
300 mosmol/kg bzw. Osmolarität von etwa
280–300 mosmol/l
5 Laktat, Malat bzw. Azetat als Ersatz für das
jKontraindikationen sonst galenisch problematische HCO3–
4 Hypervolämie 5 Azetat: schnelle, weitgehend leberunabhän-
4 Hyperkaliämie, Hyperkalzämie gige Umwandlung in Bikarbonat unter ver-
4 Hyperlaktatämie, Hirndruck (nach Verstoff- bessertem unter verbessertem respiratori-
wechselung des Laktats ist die Lösung hypoton schem Quotienten und geringerem Sauer-
o Hirnödem nimmt zu!) stoffverbrauch.
4 Bei Blutverlust müssen Kristalloide im Verhält- 4 Keine iatrogenen Störungen des Elektrolyt-,
nis 4:1 infundiert werden: z. B. bei 500 ml Blut- Osmolalitäts- und Säure-Basen-Status durch
verlust o 2000 ml Kristalloide. balancierte Elektrolytlösungen o (theoreti-
36 sche) physiologische Vorteile, allerdings Ergeb-
Für die Infusionstherapie von Kindern stehen eige- nisse großer prospektiver, randomisierter Stu-
ne Infusionslösungen zur Verfügung (. Tab. 36.4). dien noch ausstehend!

Balancierte Elektrolytlösungen
4 Die Zusammensetzung von Infusionslösungen 36.1.7 Kolloide (Plasmaersatzmittel,
spielt für den Erhalt eines physiologischen ex- -expander)
trazellulären Milieus eine entscheidende Rolle.
4 »Ideale« Elektrolytlösung: iso-ionisch, iso-to- Unterscheidungsmöglichkeiten bezüglich:
nischen, iso-hydrischen und iso-onkotisch, mit 4 Volumeneffekt
Plasmabestandteilen in physiologischer Kon- 5 Plasmaersatzmittel: (Volumeneffekt = zuge-
zentration. führte Menge)
36.1 · Wasserhaushalt
615 36

. Tab. 36.5 Übersicht Dextrane

Konzentra- Moleku- Volumeneffekt Intravasale Ver- Maximale Tagesdosis (hämo-


tion (%) largewicht weildauer (h) staseologisch empfohlen)

Dextran 70 6 70 130 % 4–6 1,5 g/kg

Dextran 40 10 40 175 % 2–4 1,5 g/kg

5 Plasmaexpander: (Volumeneffekt >als zuge- 4 initialer Volumeneffekt: 100–130 % der appli-


führte Menge) o onkotischer Effekt zierten Menge, wobei die 10 %ige Lösung einen
4 Herstellungsverfahren: künstliche und natürli- größeren Volumeneffekt zeigt als die 6 %ige
che Kolloide Lösung
4 Substitutionsgrade bei verschiedenen Hydro-
xyethylstärke jIndikationen
4 Molekülgröße der durchschnittlichen Kolloide 4 Volumenersatz (beim Schock)
und Konzentration der Lösung 4 Thromboseprophylaxe
4 Hämodilution
Künstliche Kolloide 4 Mikrozirkulationsstörungen (Sludgeauflösung)
Historie der künstlichen Kolloide o Dextran 40
1915 Erster klinischer Einsatz von nativer Gelatine-
lösung aus tierischem Kollagen durch Hogan Dosierung
1944/45 Erster klinischer Einsatz von Dextranen aus
Glukosepolymere pflanzlichen Ursprungs durch 5 Maximal 1,5 g/kg/Tag
Grönwall u. Ingelmann
1944 Einführung von Humanalbumin
1951 Anwendung der Oxypolygelatine beim Menschen
durch Campbell jKontraindikationen
1962 Erste Anwendung von harnstoffvernetzter 4 Gerinnungsstörungen, besonders Dextran 40
Gelatine am Menschen durch Schmidt-Thome 4 dekompensierte Herzinsuffizienz
Seit 1973 In den USA, Japan und Deutschland Hydroxyethyl-
4 bekannte Allergie
stärke-Lösungen im Handel
Seit 2008 Zunehmende Diskussion über die Nebenwirkungen
von HES (Nierenfunktionsstörungen und Mortali- jNebenwirkungen
tätsanstieg nach Applikation von HES) o s. unten 4 Allergische Reaktionen (1:70.000–1:200.000) o
von Bedeutung sind die präformierten, durch
Dextrane Strukturen von Bakterienkapseln oder Nah-
4 Polysacharid aus Glukosemolekülen, die über rungsbestandteilen induzierten IgG2-Antikör-
1–6-glykosidische Bindungen verknüpft sind per, die über eine Vernetzung der infundierten
4 leicht hyperosmotisch Dextranmakromoleküle eine Immunkomplex-
4 6- bis 10 %-ige Lösungen Anaphylaxie auslösen können o allergische Re-
4 . Tab. 36.5 gibt einen Überblick über die ver- aktion daher bei der ersten Gabe möglich!
schiedenen Dextran-Lösungen 4 Thrombozytenaggregationshemmung auf-
grund einer Umhüllung (Coating) der Throm-
jPharmakologie bozyten
4 MG: 40.000–70.000 4 Verminderung der Aktivität der Faktoren II, V
4 intravasale Verweildauer: MG 40.000: 2–4 h und VIII
bzw. MG 70.000: 4–6 h 4 unspezifischer Dilutionseffekt
4 Aufspaltung und renale Ausscheidung, keine 4 starke Erhöhung der Viskosität des Urins o
Speicherung GFR p bis zur Anurie
616 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

4 erhöhte Eiweißbestimmung nach der Biuret-


Methode

jWechselwirkungen
4 Blutgruppenbestimmung nach Dextrangabe
erschwert
4 Vorgabe eines Dextranhaptens (MG: 1000)
seit 1982 (Promit) obligat! o neutralisiert
präformierte Antikörper o Dextrangabe 1–2
min danach, spätestens 20 min nach Promit-
gabe!
. Abb. 36.1 Molekularer Aufbau der Hydroxyethylstärke
Hydroxyethylstärke (. Abb. 36.1)
4 Von Amylopektin abgeleitetes Polysaccharid 4 Die anästhesiologischen Fachgesellschaften
(Hauptkette 1,4-α-glykosidisch vernetzt), ge- haben fast zeitgleich dazu aufgerufen, HES
wonnen aus Kartoffel- oder Getreidestärke. aktuell nur bei solchen Patienten nach Risiko-
4 Substitutionsgrad: Anteil der Glukoseein- Nutzen-Abwägung einzusetzen, die mit ander-
heiten, der mit Hydroxyethylgruppen besetzt weitigen Mitteln bezüglich der Hämodynamik
ist: ca. 40–70 % (0,4–0,7). nicht zu stabilisieren sind!
4 Substitutionsmuster: Verhältnis der in C2- und 4 Grundlage für diese Entscheidung waren
C6-Position substituierten Glukoseeinheiten; verschiedene Studien (. Tab. 36.6) und Meta-
das C2/C6-Verhältnis ist für die Metabolisie- analysen.
rungsrate von Bedeutung o C6-Verbindungen
werden durch die α-Amylase schneller ge- jPharmakologie
spalten als C2-Verbindungen bzw. ein hoher 4 Künstliche Kolloide besitzen eine unterschied-
C2/C6-Quotient bedeutet hohe Speicherrate liche Molekülgröße (»polydisoperse Lösun-
oder geringe Speicherung bei niedrigem C2/ gen«). Es werden die mittleren Molekülgrö-
C6-Quotienten. ßen (MG) der Präparate angegeben. Die Präpa-
4 Die intravasale Verweildauer und somit die rate können in 3 verschiedene MG-Klassen
klinische Wirkdauer ist abhängig von der Mo- (Dalton) eingeteilt werden:
lekülgröße und zusätzlich noch vom Substitu- 5 ca. 450.000–480.000 (1. Generation)
tionsgrad und dem Substitutionsmuster. Das 5 ca. 200.000 (2. Generation)
Molekulargewicht ist für den kolloidosmo- 5 ca. 130.000 (3. Generation)
tischen Druck und die Pharmakokinetik von 4 Renale Ausscheidung bis MG 50.000–70.000
Bedeutung! nach Spaltung durch die Serumamylase, größe-
4 Die initiale Volumenwirkung der Kolloide ist re Moleküle werden primär gespalten und
36 im Wesentlichen proportional der zugeführ- renal ausgeschieden, hochmolekulare Substan-
ten Kolloidkonzentration (6 % HES zen werden im RES für Monate bis Jahre ge-
200/0,5:100 % und 10 % HES 200/0,5: 145 %). speichert! (Nebenwirkungen Juckreiz bei
4 Die Hydroxyethylstärke ist entweder in 0,9 % HNO-Patienten mit Tinnitus nach größeren
NaCl oder in einer balancierten/plasmaadap- HES-Mengen).
tierten Trägerlösung suspendiert! 4 Osmolalität: 308 mosmol/l
4 Anmerkung: Der Ausschuss für Risiko-
bewertung im Bereich der Pharmakovigi- jIndikationen
lanz der Europäischen Arzneimittelagentur 4 Volumenersatz
(EMA) hat im Juni 2013 ein Ruhen der Zu- 4 Hämodilution
lassung von Hydroyethylstärkelösungen
beantragt!
36.1 · Wasserhaushalt
617 36

. Tab. 36.6 Übersicht der aktuellen Studien zu den Nebenwirkungen von HES

Studie Mortalität Inzidenz extrakor- Studiendesign/Bemerkungen


poraler Nierener-
satzverfahren
(CVVH u. a.) in der
HES-Gruppe

VISEP-Studie l n (dosisabhängig) Einschluss 12–24 h nach Diagnose, kochsalzbasierte 10 %


(Brunkhorst et HES 200/0,5 vs. Ringerlaktat; bei Studien-Einschluss 80 %
al. 2008) hämodynamisch stabilisiert; 60 % erhielten auch in der
Kontrollgruppe vor Studienbeginn 500–1000 ml HES;
Überschreiten der Maximaldosis (bis 50 ml/kg KG)!
Fazit: Veraltete HES-Lösung (2. Generation) bringen
Patienten um, wenn man sie überdosiert!

6S-Trial n 90 d (51 % n innerhalb 90 d HES 130/0.42 (balanciert) vs. Ringeracetat


(Perner et al. vs. 43 %) (22 % vs. 16 %) n=804; Patientenkollektiv mit schwerer Sepsis!
2012)

CHEST-Trial l (18 % n (7,0 vs. 5,8 %) Multicenter-RCT; n=7000; 0,9 %NaCl vs. 6 % HES 130/0,4
(Myburgh et al. vs. 17 % (unbalanciert!); Indikation für Volumenbolus
2012) 28 d/90 d) MAP<75 mmHg; ZVD <10 mmHg, HF>90/min,
Urin <0,5 ml/kg kg/h
ICU-und KH-Verweildauer gleich
Heterogene Population!

CRYSTMAS- l 28 d (31 % n (24,5 % vs. 20 %) Doppelblinde RCT; Patienten mit schwerer Sepsis (n=174);
Study vs. 25,3 %) 0,9 %NaCl vs. 6 %HES 130/0,4; keine Beeinflussung der
(Guidet et al. n 90 d (40,4 Gerinnung; geringerer Volumenbedarf und längerer
2012) vs. 33,6) Stabilisierung in der HES-Gruppe
90-Tage-Mortalität in der Kristalloidgruppe höher!

CRYSTAL* l 28 d l (5,8 %vs. 7,0 %) Multinationale RCT, Patienten mit schwerer Sepsis +
(2013/2014) p 90 d Hypovolämie (n=2857)
(30,7 % vs. Freie Gabe von Kristalloiden und Kolloiden;
34,2 %) Kristalloide = 0,9 %NaCloder Ringerlaktat/acetat
Kolloide = Albumin, Dextrane, Gelantine und HES
>50 % der Studienpatienten hatten 6 % HES 130 erhalten!
Keine doppelblinde Studie!

BASES-Studie n (23,9 % vs. 0,9 %NaCl vs. 6 % HES 130/0,4; Patienten mit schwerer
(2013) 18,5 %) Sepsis und septischen Schock; n=241

Dosierung
jNebenwirkungen
4 unspezifischer Dilutionseffekt
5 Maximal 33 ml/kg KG/Tag 4 Anstieg der Mortalität und der Rate an Nieren-
funktionsstörungen bzw. Nierenersatzverfah-
ren (HES 450/0,7 >HES 200/0,5 > HES 130/0,4)
jKontraindikationen 4 Beeinflussung der Thrombozytenfunktion, nur
4 bestehende Nierenfunktionsstörungen nach höheren Mengen (>1,5 l)
4 Sepsis 4 Verminderung des Faktor-VIII-Komplexes
4 Schädelhirntrauma sowie verstärkte Fibrinolyse nach größeren,
4 dekompensierte Herzinsuffizienz hochmolekularen HES-Mengen o Präpa-
4 bekannte Allergie rate mit MG ≤200.000 und Substitutionsgrad
618 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

. Tab. 36.7 Übersicht der erhältlichen Hydroxyethylstärke

Konzen- Mittleres Volumen- Intravasale Maximale KOD C2/C6-Ver-


tration Molekular- effekt Verweildauer Tagesdosis* (mmH2O) hältnis
(%) gewicht (100 %) (h)

HES 450/0,7 6 450.000 145 6–8 20 ml/kg 380 4,6:1

Plasmasteril (= 1,2 g/kg)

HES 200/0,5 6 200.000 100 3–4 33 ml/kg 490 6:1

HES-Steril 6 % (= 2,0 g/kg)

Hemohes 6 %

HES 200/0,5 10 200.000 145 3 20 ml/kg 952 6:1

HES-Steril 10 % (= 2,0 g/kg)

Hemohes 10 %

HES 130/0,4 6 130.000 100 3 30 ml/kg 490 9:1

Voluven (= 3,0 g/kg)

HES 70/0,5 6 70.000 100 2–3 400 4:1

* Hämostaseologisch empfohlen

von 0,5 beeinflussen die Gerinnung nur 4 geringerer Verbrauch an Erythrozytenkonzen-


wenig! traten im Vergleich zu 6 % HES 200/05
4 allergische Reaktionen (sehr selten, <0,1 %)
und Juckreiz bei längerer Anwendung jBalancierte HES-Lösungen
4 Anstieg der α-Amylase im Serum auf das 4 Hydroxyethylstärke (HES) in plasmaadaptier-
≤5-Fache (für maximal 7 Tage) ten Lösungen
4 falsch erhöhte, indirekte Fibrinogenbestimmung 4 je nach Präparat und Hersteller anderer
4 fragliche Beeinflussung der Funktion der Schwerpunkt bei der Kompromissfindung aus
Spenderniere nach Transplantation o höhere Tonizität, physiologischer Ionenkonzentration
Dialyserate post transplantationem und potenziellem Bikarbonatersatz aus ver-
stoffwechselbaren Anionen
. Tab. 36.7 gibt einen Überblick über aktuelle Hyd- 4 Tetraspan der Firma Braun: 24 mmol/l Azetat,
roxyethylstärke-Lösungen. In den USA ist nur HES kombiniert mit dem nur langsam verstoff-
36 480/0,7 (6 % Hespan) erhältlich! wechselbaren Malat; Chloridkonzentration er-
höht gegenüber Plasma
jHES-Lösung der 3. Generation 4 Volulyte der Firma Fresenius: physiologische
4 6 % HES 130/0,4 aus Wachsmaisstärke; Substi- Chlorid- und Natriumkonzentrationen, gering
tutionsmuster C2 : C6 = 9:1, um 20 % reduzier- höhere Acetatkonzentration (im Vergleich zu
ter Substitutionsgrad Tetraspan), ohne Malatzusatz
4 Volumenwirksamkeit bis 4–6 h, intravasale 4 . Tab. 36.8 gibt einen Überblick über die ba-
Halbwertszeit bis 3 h; verminderte Gewebs- lancierten HES-Lösungen
einlagerung (minus 75 % im Vergleich zu HES
200/05), erhöhte renale Ausscheidung Gelatine
4 geringere Beeinflussung des Ristocetin- und 4 Polypeptid aus dem Kollagenabbau stammend
vW-Faktors bzw. der Gerinnung 4 3 Arten:
36.1 · Wasserhaushalt
619 36

. Tab. 36.8 Balancierte HES-Lösungen und zum Vergleich die Zusammensetzung des Blutplasma

Handelsname Rohstoff Na+ K+ Ca2+ Mg2+ Cl– Acetat/ Theoretische


Malat Osmolarität
mosmol/l

Volulyte (Fresenius) Mais 137,0 4,0 – 1,5 110,0 34,0/– 286,5

Tetraspan (Braun) Kartoffel 140,0 4,0 2,5 1,0 118,0 24,0/5,0 296

Vitafusal (Bernburg) Kartoffel 130,0 5,5 1,0 1,0 112,5 27,0/– 277

Blutplasma – 135–145 3,5–5 2,1–2,6 0,7–1,2 98–112 – 280–295

5 succinylierte Gelatine (Gelafundin) jWechselwirkungen


5 Oxypolygelatine (Gelifundol) 4 kaum Beeinflussung der Gerinnung (PTT)
5 harnstoffvernetzte Gelatine (Haemacel 4 fragliche Beeinflussung der Immunkompetenz
[hoher Ca2+-Anteil]) durch Erniedrigung des Fibronektinspiegels
4 3- bis 5,5 %-ige Lösungen (= Opsonin, das die Phagozytose von Abwehr-
zellen moduliert)
jPharmakologie 4 Anmerkung:
4 MG: 30–35.000 5 neuerdings auch als Gelantine-Präparat in
4 intravasale Verweildauer: 2–3 h balancierter/plasmaadaptierter Lösung, z. B.
4 initialer Volumeneffekt: 70–80 % der appli- Gelantine Iso von der Firma Braun
zierten Menge 5 wahrscheinlich führt auch die Gelatine-Lö-
sung zur Beeinflussung der Nierenfunktion
jIndikationen (bei septischen Patienten)!
4 Volumenersatz
4 Hämodilution Natürliche Kolloide
Humanalbumin
Dosierung 4 585 Aminosäuren, als Präalbumin von der
Leber synthetisiert
5 Heutzutage keine Dosislimitierung
4 25–40 % intravasal, der Großteil im Inter-
stitium, besonders in der Haut gespeichert
4 Funktion: intravasales Transportprotein,
jKontraindikationen Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen
4 Nierenfunktionsstörungen Druckes (23–25 mmHg)
4 dekompensierte Herzinsuffizienz 4 tägliche Syntheseleistung: 120–200 mg/kg
4 bekannte Allergie o10–15 g Albumin am Tag
4 Gesamtbestand: 300–375 g (4–5 g/kg KG),
jNebenwirkungen Abbau vermutlich im Gefäßendothel
4 allergische Reaktionen 4 Bei der Herstellung der kommerziellen Lösung
4 hoher Ca2+-Anteil bei einigen Präparaten kommt es zur Anreicherung von Aluminium
4 cave: bei Digitalis! (Al). Es sollten nur Chargenlösungen verwen-
4 cave: Übertragung der neuen Variante der det werden, deren Aluminiumgehalt <200 μg/l
Creutzfeld-Jakob-Erkrankung (BSE) beträgt! Im Transfusionsgesetz § 14 ist eine
langsame Transfusion von Albumin (<3–5 ml/
min) vorgeschrieben!
620 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

4 Des Weiteren wird im Rahmen der Sterilfiltra- 5 Die Wirkdauer kann durch die simultane
tion bei der Albuminherstellung das Komple- Gabe einer hyperonkotischen Lösung ver-
mentsystem und das Präkallikreinsystem (Ha- längert werden.
gemann-Faktor) aktiviert o Gefahr des 4 hyperton-hyperonkotische Lösung
»hypotensive syndrome«! 4 NaCl 7,2 % und hyperonkotische 6 % Dex-
4 Humanalbuminlösungen: isoonkotisch 5 % tran-70- oder 6 % HAES-200.000-Lösungen o
oder hyperonkotisch 20–25 % rasche Normalisierung des intravasalen Volu-
mens, Verbesserung der Mikro- und Makro-
jPharmakologie zirkulation
4 MG: 66.000 4 Selbstherstellung der hypertonen Elektrolyt-
4 HWZ: 19 Tage lösung:
5 250 ml NaCl 0,9 % o 85 ml entfernen und
jIndikationen durch
4 Hypoproteinämie 5 85 ml NaCl 20 % ersetzen o ≈250 ml NaCl
4 ggf. Volumenersatz bei Früh- und Neugebore- 7,39 %.
nen (NaCl-freies Humanalbumin) und Er-
wachsenen jWirkmechanismus
4 rasche Erhöhung der Plasmaosmolarität o
jKontraindikationen Einstrom von Flüssigkeit aus Gefäßendothel,
4 Nierenfunktionsstörungen Interstitium und Erythrozyten in den Intrava-
4 dekompensierte Herzinsuffizienz salraum
4 Verbesserung der Mikrozirkulation durch
jNebenwirkungen Reduktion des Endothelödems mit nachlast-
4 allergische Reaktionen seltener senkender Wirkung und gleichzeitiger Erhö-
4 Hyperonkotische Albuminlösungen (Human- hung des HZV durch erhöhte Vorlast (Volu-
albumin [HA] 20 %) sollten erst dann einge- meneffekt)
setzt werden, wenn bei intakter Endstrombahn 4 beim schweren Schädel-Hirn-Trauma o
das Dosislimit für künstliche Kolloide ausge- Reduktion des Hirndrucks
schöpft ist und der KOD nur so auf etwa 15– 4 erhöhte Scherkräfte induzieren wiederum eine
20 mmHg gehalten werden kann. Bei HA 5 % vermehrte NO-Freisetzung
mit einem KOD von 20 mmHg kann kein posi-
tiver Effekt auf den KOD des Plasmas erreicht jIndikationen
werden. 4 hämorrhagischer Schock
4 traumatisch bedingte Hypotension
4 septische Patienten (Anstieg von AaDO2)
36.1.8 Small volume resuscitation 4 Schädel-Hirn-Trauma-Patienten (ICP-Abfall)
36 und ggf. gefäßchirurgische Patienten
4 Der Begriff »small volume resuscitation« wur- 4 Patienten mit Hypotension und schwerem
de erstmals von G. Kramer (1984) verwendet. Schädel-Hirn-Trauma zeigen nach »small vo-
Hierunter versteht man die Mobilisierung in- lume resuscitation« ein verbessertes Outcome
terstitieller Flüssigkeit und Zunahme des intra- im Vergleich zur Ringer-Laktat-Infusionsthe-
vasalen Volumens durch die Gabe kleiner rapie.
Volumina hypertoner (hyperonkotischer) 4 . Tab. 36.9 gibt einen Überblick über die hy-
Lösungen. pertonen-hyperonkotischen Lösungen.
4 hypertone Elektrolytlösung
5 Alleinige Gabe von 7,2–7,5 %iger NaCl-Lö-
sung bewirkt nur einen positiven hämody-
namischen Effekt für ca. 30 min.
36.2 · Störungen des Elektrolythaushalts
621 36

. Tab. 36.9 Hyperton-hyperonkotische Infusionslösungen

Handelsname Zusammensetzung Land

Plasmadex-Hiper 7,5 % NaCl/6 % Dextran 70 Brasilien

Hiperton 7,5 % NaCl/6 % Dextran 70 Mexiko

Macrodex HAT 7,5 % NaCl/6 % Dextran 70 Argentinien

Osmohes 7,2 % NaCl/10 % HES 200/0,5 Österreich

RescueFlow 7,5 % NaCl/6 % Dextran 70 USA, Zentraleuropa

HyperHAES 7,2 % NaCl/6 % HES 200/0,5 Deutschland

Dosierung jTherapie
Das mval-Na+-Defizit berechnet sich:
5 3–4 ml/kg beim Erwachsenen (innerhalb 142 (mval/l) – Na+-Ist (mval/l) × kg KG × 0,1
von 2–3 min)
! Hyponatriämie mit normaler Plasmaosmola-
rität: o kein Natrium!
jNebenwirkungen
4 bei wiederholter Gabe gefährliche Hyper- Hypotone Hyperhydratation
natriämie und Hyperosmolarität (nach 250 ml 4 Hypoosmolarität (<270 mosmol/l), Hypo-
Serum-Na+-Anstieg um ca. 9 mmol/l) natriämie
4 Die in Deutschland eingesetzte HyperHAES-
Lösung hat eine Natriumkonzentration von jTherapie
1232 mmol/l und eine Osmolarität von 4 Diuretika
2464 mosmol/l! 4 Natrium, wenn Natrium <130 mval/l
4 Schnelle Infusion führt über erhöhte Prosta- (ab 130 mval/l kein Natrium mehr)
zyklinspiegel und einen Anstieg des 6-Keto- 4 evtl. Dialyse
PGF1a/Thromboxan-A2-Verhältnisses zu
einem Blutdruckabfall infolge einer Senkung Hypertone Hyperhydratation
des peripheren Widerstandes (keine myokar- 4 Hyperosmolarität (>320 mosmol/l), Hyper-
diale Depression). natriämie

jTherapie
36.1.9 Störungen des Wasserhaushaltes 4 Glukose 5 % + Diuretika
4 evtl. Dialyse
Hypertone Dehydratation
4 Hyperosmolarität (>320 mosmol/l)
4 Hypernatriämie 36.2 Störungen des Elektrolythaushalts

jTherapie 36.2.1 Kalium


4 Gabe von Glukose 5 % über 48 h
4 Normalwert: 3,5–5,5 mval/l
Hypotone Dehydratation 4 98 % intrazellulär, 2 % extrazellulär
4 Hypoosmolarität (<270 mosmol/l), Hypo- 4 häufige Ursachen von Kaliumstörungen . Tab.
natriämie 36.10
622 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

. Tab. 36.10 Ursachen für Kaliumstörungen

Serum-K+ n Serum-K+ p

Metabolische Azidose Metabolische Alkalose


(o Kaliummangel bei normalem Serum-K+)

Katabolie, Hypoxie, Niereninsuffizienz mit Anabolie, Glukose-Insulin-Therapie, Tokolyse, Katecholamintherapie,


Oligurie, Anurie, Hämolyse etc. bronchodilatatorische Therapie, Stress, Operation, Schleifendiuretika
etc.

Na+-Mangel o H2O p o Serum-K+ n Na+-Überschuss o H2O n o Serum-K+ p

4 Stimulation von β-Rezeptoren führt zu einer 5 Hyperaldosteronismus


Verschiebung des Kaliums von extra- nach 5 Glukokortikoidwirkung
intrazellulär! 5 osmotische Diurese im Rahmen eines Dia-
betes mellitus, einer Mannitbehandlung,
Hypokaliämie (<3,5 mval/l) hochdosierter Penicillintherapie oder renal-
4 leichte Hypokaliämie: 2,5–3,5 mval/l tubulärerer Azidose
4 schwere Hypokaliämie: <2,5 mval/l 5 Gitelman-Syndrom (renale Tubulusstörung
mit gestörter Fähigkeit zur Kaliumretention
jUrsachen und Hypokalziurie)
4 intrazellulärer Transport 4 Pseudohypokaliämie bei extremer Leuko-
5 extrazelluläre Alkalose (hypokaliämische zytose (intrazelluläre K+-Aufnahme)
Alkalose) oder intrazelluläre Azidose 4 weitere seltene Ursachen
5 Kaliumverschiebung durch Glukose-Insu- 5 Conn-Syndrom (primärer Hyperaldostero-
lin-Gaben nismus), familiäre Hypomagnesiämie
5 β-adrenerge Substanzen (Adrenalin,
Bronchodilatatoren) jKlinik akuter Hypokaliämien
5 Tokolyse mit β-Rezeptoragonisten 4 ggf. Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, paraly-
5 Anabolismus in der Rekonvaleszenzphase tischer Ileus, verlängerte Wirkdauer von
4 gastrointestinale Verluste ndMR, orthostatische Hypotension, Tetanie
5 Diarrhö 4 kardiale Störungen: Kammerflimmern, Asystolie
5 präoperative anterograde Darmspülungen 4 EKG
5 Polyposis intestinalis 5 flache ST-Senkung, flache T-Welle,
5 M. Menetriere ggf. U-Welle
5 Darmfisteln bei M. Crohn 5 erhöhte Empfindlichkeit für supraventriku-
36 5 Drainagenverluste und Erbrechen o läre Herzrhythmusstörungen (auch ventri-
Kalium im 24-h-Urin meist normal (30– kuläre Arrhythmien, Digitalistoxizität)
80 mmol/l) und begleitende Hypochlorä-
mie, ein chloridfreier Urin und metaboli- jTherapie
sche Alkalose 4 Kaliumsubstitution (p.o., z. B. als Kalinor-
4 alimentäre Hypokaliämie bei Alkoholismus Brause oder als Infusion)
oder geriatrischen Patienten (o Kalium im 4 kaliumreiche Kost (Bananen, Trockenobst etc.)
24-h-Urin meist <10–15 mmol/l) 4 bei Diuretikatherapie: Schleifendiuretika auf
4 renale Verluste kaliumsparende Diuretika umsetzen!
5 Schleifendiuretika (o Hypokaliämie und 4 Kaliumdefizit in mval = (4,5 mval/l – Serum-
milde Hypochlorämie und chloridreicher K+) × ECF (l) × 2 = (4,5 mval/l – Serum-K+) ×
Urin, Hypomagnesiämie) 0,4 × kg KG
36.2 · Störungen des Elektrolythaushalts
623 36
4 möglichst nicht mehr als 2–3 mval/kg/Tag jTherapie
4 nicht mehr als 20 mval K+/h (im Notfall 0,5 4 Diurese steigern (Diuretika, Osmotherapeutika)
mval/kg/h vor Narkoseeinleitung über ZVK) 4 100 ml 20 % Glukose + 10 IE Altinsulin (1
4 maximal 40 mval K+ in eine Infusion geben, IE/2 g) o Wirkung beginnt nach 30 min und
wegen Gefahr versehentlich zu rascher Infusion hält für ca. 4–6 h an
4 Abfall des Serumkaliums um 1 mval/l bedeutet 4 20–30 ml Kalziumglukonat 10 % o Sofort-
ein Gesamtdefizit von 200 mval! effekt mit der Dauer von 30 min
4 20–50 ml 7,5 % NaHCO3 (1 mmol/ml) o
Hyperkaliämie (>5,5 mval/l) Wirkung beginnt nach 5–10 min und hält für
4 lebensbedrohliche Hyperkaliämie: >6,6 mval/l ca. 2 h an
4 tödliche Hyperkaliämie: >10–12 mval/l 4 Kationenaustauscher (Aluminium- oder Kal-
ziumserdolit) mehrmals täglich (nicht bei
jUrsachen Ileus, Subileus oder Darmatonie)
4 exzessive Freisetzung aus intrazellulären 4 »Notfall«-Hämodialyse (entfernt als einzige
Kaliumspeichern Methode Kaliumionen aus dem Körper)
5 Myolyse, Hämolyse, Katabolie, Thrombo- 4 ggf. bei kardialen Problemen Einsatz eines
zytose, Leukozytose passageren Herzschrittmachers (transvenös
4 Kaliumausscheidungsstörung oder transkutan [bei Anwendung Sedierung
5 Nierenversagen notwendig!])
5 mineralokortikoide Wirkung
4 erhöhte Kaliumzufuhr
4 transfusionsbedingter Kaliumanstieg bei alten 36.2.2 Kalzium
EK (25–30 mval/l)
4 Überkorrektur einer Hypokaliämie 4 Gesamtkalzium (Normalwert: 2,2–
4 medikamentenbedingt 2,6 mmol/l)
5 Gabe von depolarisierendem Muskelrelaxans 4 ionisiertes Kalzium (Normalwert 1,1–
5 aldosteronhemmende Diuretika wie Spiro- 1,4 mmol/l)
nolacton 4 Gesamtkalzium besteht aus 3 Fraktionen:
5 kaliumsparende Diuretika 4 ionisiertes Kalzium (≈50 %), diffundierbar
5 selten nach der Gabe von Heparin 4 nichtionisiertes, eiweißgebundenes Kalzium
(Hemmung der Aldosteronsynthese o (≈45 %), nicht diffundierbar
Kaliurese p), nichtsteroidalen Antiphlo- 4 an organische Säuren gebundenes Kalzium
gistika, Pentamidin, Trimethoprim/Sulfa- (≈5 %), diffundierbar
methoxazol (Bactrim) sowie Ciclosporin A 4 nur Ca2+-Ionen biologisch aktiv
(Sandimmun) 5 Azidose o Ionisation n
4 Pseudohyperkaliämie bei hämolytischer 5 Alkalose o Ionisation p
Blutabnahme

jKlinik akuter Hyperkaliämien 36.2.3 Hypokalzämie (<2,2 mmol/l bzw.


4 neuromuskuläre Veränderungen wie Glieder- ionisierter Anteil <0,9 mmol/l)
schmerzen, allgemeine Muskelschwäche
4 atonische Paralyse jUrsachen
4 kardiale Störungen: Kammerflimmern, 4 Massivtransfusion
Asystolie 4 Operation mit Herz-Lungen-Maschine
4 EKG 4 Hypoparathyreoidismus, Nierenerkrankungen,
5 hohe, spitze T-Welle enterale Absorptionsstörungen (bei Pankreas-
5 QRS breit durch S-Verbreiterung, AV-Block insuffizienz), Vitamin-D-Mangel, akute
5 Verlust der P-Welle Pankreatitis, Magnesiummangel
624 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

4 Die Leber ist normalerweise in der Lage, das jTherapie


100-Fache der normalen Serumcitratkonzen- 4 Glukose 5 %
tration während einer einzelnen Passage zu 4 hochdosierte Diuretikagabe (Furosemid)
metabolisieren. Bei einer Citratüberschwem- 4 isotone Natriumsulfatlösung (1 l alle 3–6 h mit
mung kommt es auch zu einer Hypokalzämie, 20–40 mval K+)
da Citrat ionisiertes Kalzium bindet. 4 EDTA bei bedrohlichen Herzrhythmus-
4 Hypothermie, verminderte Leberdurchblutung störungen
und Hyperventilation erhöhen zusätzlich die 4 evtl. Hämodialyse
Gefahr der Hypokalzämie
4 Gesamtkalziumwerte (im Labor gemessen)
können irreführend sein 36.2.4 Natrium
4 Deutliche Effekte auf die Gerinnung hat die
ionisierte Hypokalzämie erst <0,5 mmol/l. Hyponatriämie (<135 mval/l)
4 Kardiale Phänomene können schon bei Werten 4 Serumnatrium: <135 mval/l
<0,75 mmol/l Ca2+ auftreten. 4 inadäquat hohe Osmolarität des Urins im
Vergleich zum Plasma
jTherapie
4 Ca2+-Substitution nicht routinemäßig, sondern jUrsachen
nur bei erniedrigtem ionisiertem Kalzium- 4 TUR-Syndrom
spiegel 4 postoperativ (v. a. bei Kindern nach großen
4 Ca2+-Substitution durch Ca-Glukonat oder Wirbelsäulenoperationen)
CaCl2 4 kontinuierliche oder intermittierende Erhö-
4 10 ml Ca-Glukonat 10 % (0,225 mmol/ml) hung der ADH-Spiegel bei Patienten mit
4 10 ml Ca-Glukonat 20 % (0,45 mmol/ml) malignen Tumoren (paraneoplastische Er-
4 10 ml CaCl2 (0,5 mmol/ml) scheinung) oder Syndrom der inadäquaten
ADH-Sekretion (SIADH)
! Ca2+-Glukonat und CaCl2 haben verschiedene
4 Ursache des SIADH: perioperativer Stress,
Molarität, bei CaCl2 wird mehr ionisiertes
Schmerzen oder Pharmaka sowie Erbrechen
Ca2+ freigesetzt (nicht an den Lebermetabo-
4 bei Lungenentzündungen, bei ZNS-Erkran-
lismus gebunden)!
kungen

Hyperkalzämie (>2,6 mmol/l, bzw. jKlinik


ionisieter Anteil >1,6 mmol/l) 4 Verwirrtheit, Unruhe, Desorientiertheit,
jUrsachen Bewusstseinsstörungen
4 primärer Hyperparathyreoidismus, Vitamin- 4 Ödeme
D-Intoxikation, erhöhter Knochenabbau
4 paraneoplastisches Syndrom, Sarkoidose, jTherapie
36
osteolytische Metastasen 4 Absetzen von Opioiden (v. a. Morphinsulfat),
4 Hyperthyreose Carbamazepin oder Pentamidin
4 iatrogene Hyperkalzämie 4 Wasserrestriktion
4 EKG: Verkürzung der Dauer des Aktions- 4 ggf. Natriumgabe, wenn Natrium <130 mval/l
potenzials und der Refraktärzeit (ab 130 mval/l kein Natrium mehr)
4 Gabe von Furosemid bei Überwässerung
! Bei Serumkalziumwerten >9 mmol/l
4 evtl. Dialyse
wurden Todesfälle infolge Kammerflimmern
beschrieben! Hypernatriämie (>145 mval/l)
4 Osmolarität erhöht (>320–330 mosmol/l),
intrazelluläres Volumen vermindert
36.3 · Säure-Basen-Haushalt
625 36

. Tab. 36.11 Normalwerte

Arteriell Venös Kapillär Einheit

pO2 70–100 35–40 >80 mmHg

O2-Sat 95–97 55–70 95–97 %

pCO2 36–44 41–51 40 mmHg

Standard-HCO3 – 22–26 22–26 22–26 mmol/l

HCO3– 22–26 22–26 22–26 mmol/l

Pufferbasen 44–48 44–48 44–48 mmol/l

BE ±2,5 ±2,5 ±2,5 mmol/l

pH 7,35–7,45 7,31–7,41 7,35–7,45

. Tab. 36.12 Respiratorische Azidose

pH p pCO2 n BE <–3 HCO3– normal oder n

Ursache Hypoventilation (Verlegung der Atemwege, zentral/


periphere Atemdepression, ZNS-Schädigung)

Therapie Primär respiratorisch

Metabolisch kompensierte respiratorische Azidose

pH normal pCO2 n BE >+3 HCO3– >25 mmol/l

jUrsachen jTherapie
4 Verlust an freiem Wasser größer als Zufuhr 4 Zufuhr von freiem Wasser in Form von Gluko-
4 exzessive Wasserdiurese se-5 %-Lösungen o langsame und nicht voll-
4 nach Hyperalimentation ständige Korrektur
4 nach Gabe von natriumhaltigen Medikamen-
ten (Penicillin, Bikarbonatlösungen, Sedierung
mit γ-Hydroxybuttersäure) 36.3 Säure-Basen-Haushalt
4 Diabetes insipidus
4 polyurisches Nierenversagen (in früherer Zeit 36.3.1 Blutgasanalyse
nach Methoxyflurananästhesien o ADH-
resistente Polyurie) Normalwerte für die arterielle, venöse, und kapillä-
4 ausgeprägte Perspiratio insensibilis re Blutgasanalyse sind aus . Tab. 36.11 zu entneh-
4 nach Verbrennungen men (. Tab. 36.12). . Tab. 36.13, . Tab. 36.14 und
. Tab. 36.15 geben die Laborkonstellation für die
jKlinik respiratorische Azidose, die respiratorische Alkalo-
4 Neurologische Störungen wie Unruhe, Schwä- se, die metabolische Azidose sowie die metaboli-
che, Verwirrtheit, gelegentlich Athetosen und sche Alkalose wieder.
choreiforme Bewegungen
4 trockene Schleimhäute, ggf. Durstgefühl
626 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

. Tab. 36.13 Respiratorische Alkalose

pH p pCO2 p BE >+3 HCO3– p

Ursache Hyperventilation (SHT, Angst, kontrollierte


Beatmung)

Therapie Primärursache

Metabolisch kompensierte respiratorische Alkalose

pH normal pCO2 p BE <–3 HCO3– <21 mmol/l

. Tab. 36.14 Metabolische Azidose

pH p pCO2 normal BE <–3 HCO3–p

Ursache Säurenanhäufung (z. B. bei Diabetes mellitus, renale


Bikarbonatverluste, Laktatazidose [anaerober Meta-
bolismus bei Hypoxie])

Therapie Puffersubstanzen

Durch Hyperventilation kompensierte metabolische Azidose

pH normal pCO2 p BE >-3 HCO3– p

. Tab. 36.15 Metabolische Alkalose

pH n pCO2 normal BE >+3 HCO3– n

Ursache H+-Verlust (Magensaft, Diuretika, schwerer K+-Mangel, Cortison-


therapie)

Therapie Erst bei schweren Alkalosen

Durch Hypoventilation kompensierte metabolische Alkalose

pH normal pCO2 n BE >+3 HCO3– n

36.3.2 Azidoseausgleich 4 chronische Azidosen langsam, akute Azidosen


schnell ausgleichen
Natriumbikarbonat (NaHCO3) 4 meistens ist auch bei normalem Serumkalium
36
eine gleichzeitige Kaliumsubstitution erforder-
Dosierung lich (intrazellulärer Kalium-Einstrom bei Kor-
rektur)
5 NaHCO3 in ml = (BE) × kg KG × 0,3
4 Blindpufferung nur mit Zurückhaltung: z. B.
1–2 mmol/kg nach längerer außerklinischer
Reanimation (zunächst maximal 100 mmol)
4 NaHCO3 8,4 % (1 ml = 1 mmol)
4 zunächst nur die Hälfte der errechneten Puf- jNebenwirkungen
fermenge infundieren, danach BGA und Neu- 4 Na+ n, CO2-Anstieg mit konsekutiver Erhö-
orientierung hung der Atemarbeit
4 zuerst kausale Therapie der Grunderkrankung
Ausgewählte Literatur
627 36
Tris-Puffer
jIndikationen – 0,2 molar: 2 Gaben von 60 ml HCl 2 molar
4 metabolische Azidosen bei gleichzeitiger in 540 ml Glukose 5 % mit 70 ml/h
Hypernatriämie und Hyperkapnie – 0,5 molar: 120 ml HCl 2 molar in 380 ml
4 wirkt intra- und extrazellulär Glukose 5 % mit 28 ml/h
4 inotroper Effekt nach Gabe – Perfusor: 1 molar: (2 Amp. HCl 2 molar à
10 ml + 20 ml NaCl 0,9 % oder Glukose
Dosierung 5 %) mit 0,1–0,2 ml/kg/h unter BGA-Kon-
trolle
5 Bei 3-molarer Lösung: ml Tris = (-BE) × 0,1 kg
5 Bei 0,3-molarer Lösung: ml Tris = (-BE) × kg

> Zunächst nur die Hälfte der errechneten 36.4 Anionenlücke


Puffermenge infundieren, danach BGA und
Neuorientierung! 4 Die Überproduktion von Säuren führt zu
einem Anstieg der Anionenlücke o metaboli-
jNebenwirkungen sche Azidosen mit normaler Anionenlücke
4 Atemdepression sprechen für einen Alkaliverlust!
4 arteriell vasodilatierend o Abfall des mittleren 4 Anionenlücke: Na+ – (Cl– + HCO3–)
aortalen und koronaren Perfusiondrucks o 4 7 Normalwert: 8–16 mmol/l
nicht geeignet für Pufferung unter kardiopul- 4 Azidose mit erhöhter Anionenlücke
monaler Reanimation (CPR) 5 Ketoazidosen (Diabetes mellitus, exzessiver
Alkoholkonsum, Hunger)
5 Laktatazidose (O2-Mangel, Leberversagen,
36.3.3 Alkaloseausgleich Biguanide)
5 Vergiftungen (Salizylate, Methanol, Ethy-
Mit Salzsäure 7,25 % (HCl): lenglykol)
4 1 ml = 2 mmol (mval) H+ + 2 mmol (mval) Cl– 4 Azidose mit normaler Anionenlücke
4 HCl erst ab BE von +10–12 mmol/l 5 tubuläre Nierenfunktionsstörung (tubuläre
Azidose, Hypoaldosteronismus, Diuretika)
Dosierung 5 Bikarbonatverluste (Durchfall, Enterosto-
mien, Medikamente wie Azetazolamid, Po-
5 Salzsäure 7,25 % (HCl) 2 molar:
lyposis coli, M. Menetrier, Pankreasfisteln)
– Benötigte Dosis: ml HCl 2 molar = (BE) ×
5 exzessive NaCl-Zufuhr (hyperchlorämische
kg × 0,3/2
Azidose)
– Infusionsgeschwindigkeit maximal
0,2 mmol H+ pro kg/h
– Trägerlösung: Glukose 5 % Ausgewählte Literatur
5 Nur über korrekt liegenden ZVK!
5 Die Verdünnung richtet sich nach der dem Brunkhorst FM, Engel C, Bloos F, et al. (2008) Intensive Insulin
Patienten zumutbaren Wasserbelastung Therapy and Pentastarch Resuscitation in Severe Sepsis N
(in der Regel 0,2 molare Lösung). Engl J Med 358:125–139 (VISEP-Studie)
Gattas D, Dan A, Myburgh J et al. (2012) Fluid resuscitation
5 Beispiel:
with 6 % Hydroxyethyl starch (130/04) in acutely ill pa-
– BE = 12, Patient 70 kg tients. An uptade systemiv review and metaanalysis.
– 12 × 70 × 0,3/2 = 126 ml HCl 2 molar Anesth Analg 114: 159–169
– 0,2 mmol/kg/h = 14 mmol/h Guidet et al. (2012) Assessment of hemodynamic efficacy and
safety of 6 % hydroxyethylstarch 130/0,4 vs. 0,9 % NaCl
6 fluid replacement in patients with severe sepsis: the
CRYSTMAS study. Crit Care 16 R94 (CRYSTMAS-Study)
628 Kapitel 36 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt

Hartog CS, Reinhart K (2012) CRYSTMAS study adds to con-


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Haase N, Perner A, Hennings Li et al. (2013) Hydroxy-
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Starch 130/0.42 versus Ringer’s Acetate in Severe Sepsis.
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Analg 116: 35–42

36
629 37

Blutgerinnung
M. Fresenius

37.1 Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung


und Fibrinolyse) – 630

37.2 Hämorrhagische Diathesen – 650

37.3 Akute perioperative und intensivmedizinische Blutung – 661

Ausgewählte Literatur – 664

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_37, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
630 Kapitel 37 · Blutgerinnung

37.1 Hämostase (Gerinnung, nen« Gerinnungskaskade werden dann in dieses


Gerinnungshemmung Reaktionsmodell integriert.
und Fibrinolyse) Die Subendothelialzellen und die Aktivierung
der Thrombozyten im Wundbereich spielen als Pro-
Die Hämostase umfasst die Blutstillung bei gleich- teinbindungsstellen und Reaktionskatalysatoren
zeitiger Erhaltung der rheologischen Eigenschaften eine wesentliche Rolle.
des Blutes (Gleichgewicht der Systeme). Bei einer Verletzung kommen Plasma und
Die Hämostase kann unterteilt werden in Thrombozyten in Kontakt mit extravaskulärem Ge-
4 vaskuläre Reaktion webe. »Tissue factor« (TF), ein integrales Memb-
4 Gerinnung (Koagulation) ranprotein, bindet und aktiviert Faktor VII (. Abb.
5 primäre Hämostase 37.2, Nr. 1+2). Der TF-/Vlla-Komplex aktiviert Fak-
5 sekundäre Hämostase tor IX und Faktor X (Nr. 3.), welcher wiederum Fak-
4 Fibrinolyse und Fibrinolysehemmung tor V (Nr. 4) bindet und aktiviert.
4 Gerinnungshemmung (Antikoagulation) Das neue Gerinnungsmodell gliedert sich in
3 Phasen:
4 Die oben beschriebene Anfangsreaktion wird
37.1.1 Vaskuläre Reaktion als Initiationsphase bezeichnet (. Abb. 37.2).
4 Es folgt die Amplifikationsphase: Durch den
Lokale Kontraktion der Blutgefäße durch Sympa- Faktor-Va/Xa-Komplex wird Prothrombin in
thikusstimulation und aus Thrombozyten freige- Thrombin umgewandelt (. Abb. 37.3, Nr. 5).
setztem Thromboxan A2. Die gebildeten relativ kleinen Thrombinmen-
gen aktivieren die Faktoren V und VIII sowie
Gerinnung (Koagulation) Thrombozyten (Nr. 6). An diesen aktivierten
Primäre Hämostase Thrombozyten binden nun die Faktoren Va,
4 Thrombozytenadhäsion Vllla und IXa (Nr. 7).
4 Thrombozytenaktivierung 4 Ab dieser Stelle des Reaktionsweges folgt die
4 nach Aktivierung setzen die Thrombozyten sog. Propagationsphase: Der Faktor-VIIIa/
folgende Substanzen frei: IXa-Komplex aktiviert und bindet den Fak-
5 Plättchenfaktor 3, 4 (PF3, PF4) und Plasmi- tor X am Thrombozyten (. Abb. 37.4, Nr. 8). Es
nogen-Aktivator-Inhibitor (PAI) lagert sich der Faktor V an den Faktor X an.
5 von Willebrand-Faktor, FV, FXIII, Fibrino- Der Faktor-Va/Xa-Komplex katalysiert den
gen (FI) »Thrombin-Burst« (Nr. 9). Es entsteht ein sta-
5 Serotonin, ADP, Ca2+ und Thromboxan A2, biles Fibringerinnsel.
was die vaskuläre Reaktion unterstützt
4 Thrombozytenaggregation Faktor Vlla kann in supraphysiologischer Konzen-
tration den Reaktionsweg »abkürzen«, indem er
Sekundäre Hämostase direkt an aktivierte Thrombozyten bindet und die
Die frühere Gliederung in ein extrinsisches und ein Bildung des Faktor-Va/Xa-Komplexes bewirkt. Der
intrinsisches System, wie es die ältere . Abb. 37.1 dar- daraus resultierende »Thrombin-Burst« führt zu
37 stellt, ist in den letzten 10 Jahren verlassen worden. einem besonders stabilen Fibringerinnsel.
Vielmehr ist das neue Gerinnungsmodell zellorien- Faktor XI wird ebenfalls durch Thrombin akti-
tiert (Subendothel und Thrombozyten) und greift auf viert und bindet an aktivierte Thrombozyten. Dort
die Gerinnungsfaktoren beider Systeme simultan zu, unterstützt er die Bindung von Faktor IX. Da er für
sodass das neue Gerinnungsmodell nur noch auf ei- die Reaktion nur bedingt notwendig ist, bewirkt
nem einzigen Reaktionsweg beruht. sein Fehlen klinisch nur eine geringfügig verstärkte
Das neue Modell startet analog zum traditionel- Blutungstendenz.
len extrinsischen Aktivierungsweg mit dem Fak- Der Faktor XII, das HMW-Kininogen (HMK)
tor VII. Die Faktoren VIII, IX und XI der »endoge- und das Plasmapräkallikrein (PK) spielen nach neu-
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
631 37

. Abb. 37.1 Älteres Modell der Blutgerinnung und Fibrinolyse


632 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Abb. 37.4 Propagationsphase der Blutgerinnung

. Abb. 37.2 Initiationsphase der Blutgerinnung


4 Im Gegensatz dazu werden Substratfaktoren
(Faktor I, V, VIII) verbraucht!
4 Die Faktoren V und VIII sind in die Thrombo-
zytenmembran integriert und daher bei Lage-
rung sehr instabil.
4 Vitamin-K-abhängige Gerinnungsfaktoren
sind Faktor II, VII, IX und X sowie Protein C, S
und Z.
4 Protein Z bewirkt, dass Thrombin in einer
Ca2+-abhängigen Reaktion an Phospholipid-
oberflächen ankoppelt und nicht abdiffundiert.
Ohne Protein Z findet die Ankopplung nicht
statt. Es dient somit als Lokalisationsfaktor für
Thrombin, um es am Ort der Gefäßverletzung
zu halten. Protein-Z-Mangel begünstigt eine
Blutungsneigung, allerdings ist auch eine
Thromboseneigung oder Gerinnungsaktivie-
rung denkbar, da Thrombin nicht am verletz-
ten Endothel gehalten wird, sondern in die Pe-
. Abb. 37.3 Amplifikationsphase der Blutgerinnung ripherie abdiffundiert.
4 Weitere Faktoren der Hämostase finden sich in
esten Erkenntnissen keine hämostaseologisch rele- . Tab. 37.2.
vante Rolle mehr.
Gerinnungsdiagnostik
37 > Der Faktor VIIa ist für die Aktivierung der
Wichtig für die Eruierung von Blutgerinnungsstö-
Gerinnung unabdingbar. Er greift konzentra-
rungen ist nicht das Laborscreening (der positive
tionsabhängig an zwei verschiedenen Punk-
prädiktive Wert pathologischer Testergebnisse in
ten in den Reaktionsweg ein.
Bezug auf Blutungskomplikationen liegt nur bei ca.
An der normalen Gerinnung sind eine Vielzahl von 3 %!), sondern die gezielte Anamneseerhebung
Gerinnungsfaktoren beteiligt (. Tab. 37.1). bzw. Befragung nach Gerinnungsstörungen und
4 Serinproteasen sind Faktoren, die nur akti- die daraus resultierende weitere differenzierte Ge-
viert, aber nicht verbraucht werden (Faktor II, rinnungsanalyse.
IX, X, XI, XII).
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
633 37

. Tab. 37.1 Plasmatische Gerinnungsfaktoren

Faktor Synonym Plasmakonzen- Kritische Schwelle Halbwerts- Bemerkungen


tration (mg/dl) (mg/dl) zeit

I Fibrinogen 200–450 50–75 4–5 Tage Akut-Phase-Protein


(Schwanger-
schaft >400)

II Prothrombin 5–10 2–4 2–3 Tage

(III) Gewebefaktor (»tissue


factor«), Thrombo-
plastin

IV Kalziumionen (Ca2+)

V Proaccelerin 1,5 0,2–0,4 12–15 h Sehr instabil

(VI) Aktivierter Faktor V

VII Prokonvertin ≈0,1 0,01 1,5–6 h

VIII Antihämophiles ≈0,5–1 0,1–0,4 8–12 h Sehr instabil


Globulin A Akut-Phase-Protein
Hämophilie A

IX Antihämophiles Glo- 0,5–0,7 0,1–0,2 20–24 h Hämophilie B


bulin B, Christmas-
Faktor

X Stuart-Prower-Faktor 1 0,2–0,25 1–2 Tage

XI Plasma-Thrombo- ≈0,6 0,1–0,2 2,5–3 Tage Instabil


plastin-Antecedent

Rosenthal-Faktor

XII Hagemann-Faktor 1,5–4,7 0,15–0,4 2–3 Tage

XIII Fibrinstabilisierender 1,0–4,0 0,1–0,4 4–6 Tage


Faktor, Fibrinase

12 Fragen bezüglich der Gerinnung 5. Haben Sie den Eindruck, bei Schnitt- oder
(nach Strauß et al. 2006) Schürfwunden (z. B. Rasieren) länger nach-
1. Haben Sie bei sich selbst vermehrt Nasen- zubluten?
bluten ohne erkennbaren Grund festge- 6. Trat bei Ihnen bereits einmal eine verlän-
stellt? gerte oder verstärkte Nachblutung nach
2. Bekommen Sie leicht »blaue Flecken«, oder während Operationen auf (z. B. Man-
ohne sich anzustoßen? deloperationen, Blinddarmoperationen,
3. Haben Sie bei sich selbst Zahnfleischblu- Geburten)?
ten ohne erkennbaren Grund festgestellt? 7. Trat bei Ihnen eine längere und verstärkte
4. Treten Blutungen oder blaue Flecken mehr Nachblutung nach dem Ziehen von Zäh-
als 1- bis 2-mal pro Woche auf? nen auf?

6 6
634 Kapitel 37 · Blutgerinnung

37.1.2 Natürliche Gerinnungshemmung


8. Wurden Ihnen bei Operationen bereits ein-
mal Blutkonserven oder Blutprodukte Die Hemmung der Gerinnung erfolgt durch eine
gegeben? Bitte geben Sie die Art der Vielzahl von Substanzen auf verschiedenen Ebenen,
Operation(en) an! u. a. durch:
9. Gab oder gibt es in der Familie Fälle von 4 Hemmung der primären Hämostase durch
vermehrter Blutungsneigung? die Endothelzellenfunktion: Intakte Endo-
10. Nehmen Sie Schmerz- oder Rheumamittel thelzellen begrenzen die Hämostase durch
ein? Wenn ja, bitte Namen der Medikamen- Abgabe von
te eintragen! 5 EDRF (»endothelium-derived relaxing fac-
11. Nehmen Sie weitere Medikamente ein? tor«), chemisch dem NO entsprechend.
Wenn ja, bitte Namen der Medikamente EDRF führt nach Diffusion in die Gefäß-
eintragen! muskelzelle zur Vasodilatation
12. Nur für Frauen bzw. Mädchen zu beant- 5 Prostazyklin (PGI2), gebildet aus Arachi-
worten: Haben Sie den Eindruck, dass Ihre donsäure, hemmt die Thrombozytenaggre-
Monatsblutung verlängert (>7 Tage) und/ gation und erweitert die Blutgefäße
oder verstärkt (häufiger Tamponwechsel) 5 Thrombomodulin (auf der Oberfläche der
ist? Endothelzelle) aktiviert gemeinsam mit
Thrombin das Protein C
5 t-PA (»tissue plasminogen activator«) akti-
viert die Fibrinolyse

. Tab. 37.2 Weitere Komponenten der Hämostase

Weitere Komponenten Plasmakonzen- Kritische Halbwerts- Bemerkungen


tration (mg/dl) Schwelle zeit

PF3 Plättchenfaktor 3
Partielles Throm-
boplastin

PF4 Plättchenfaktor 4 Inaktiviert endogenes


Antiheparin Heparin

AT III Antithrombin 22–39 15 1,5–2 Tage


Heparinkofaktor

Plasminogen 11 1,5–2 Tage

α2-Antiplasmin 7 1,5–2 Tage

Protein C 6 1,5–6 h

37 Protein S 8 1–2 Tage

Protein Z 0,2–0,4 2–3 Tage Vitamin-K-abhängig,


Lokalisationsfaktor für
Thrombin

Thrombozyten 150–400.000/μl 20–50.000/μl 4–5 Tage


37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
635 37

. Abb. 37.5 Übersicht der Thrombin- und Faktor-X-Inhibitoren. (Adaptiert nach Loew u. Riess 2012)

4 Antithrombin (früher als Antithrombin-III 37.1.3 Medikamentöse Gerinnungs-


bezeichnet) hemmung (Antikoagulation)
5 Antithrombin inaktiviert freies Thrombin
durch Bildung eines Thrombin-Antithrom- Plasmatische Gerinnungshemmung
bin-Komplexes (TAT), außer Thrombin Aktuell kommen zur Hemmung der plasmatischen
werden noch weitere aktivierte Proteasen Gerinnung folgende Substanzen zum Einsatz:
wie Faktor IIa und Xa inhibiert, in gerin- 4 nieder- und hochmolekulare bzw. unfraktio-
gerem Maße die Faktoren IXa, XIa und XIIa, nierte Heparine (NMH, UFH), subkutane
Trypsin, Plasmin und Kallikrein. oder für UFH auch intravenöse Applikations-
5 Die inhibierende Wirkung wird durch He- möglichkeit; die NMH hemmen den Faktor Xa
parin um das Vielfache gesteigert (>1000- und F II im Verhältnis zu 4:1. Unfraktionierte
fach). Heparine besitzen ein mittleres Molekularge-
5 Heparin ist ein AT-abhängiger Thrombin- wicht (MMG) von 12.000–15.000 Dalton nie-
inhibitor. dermolekulare Heparine haben 3000–7000
4 Protein C und S Dalton. Je geringer das Molekulargewicht des
5 Protein C wird durch den Thrombin- NMH, desto größer ist die Gefahr der Kumula-
Thrombomodulin-Komplex aktiviert. Akti- tion bei Niereninsuffizienz (vor allem bei Kre-
viertes Protein C inaktiviert zusammen mit atinin-Clearance <30 ml/min). Je geringer das
Protein S die Faktoren Va und VIIIa. Da- Molekulargewicht des NMH, desto größer die
durch verhindert es, dass weiteres Throm- Anti-Xa/Anti-IIa-Ratio. Daher blockiert das
bin entsteht. Pentasaccharid Fondaparinux (Arixtra) nur
den Faktor Xa!
4 . Tab. 37.3 und . Tab. 37.4 geben eine Über-
sicht der zugelassenen Indikationen bezüglich
636 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.3 Übersicht der zugelassenen Indikationen (Thromboseprophylaxe) der niedermolekularen Heparine

Substanz Handelsname Konzentration Zugelassene Thromboseprophylaxe bei folgenden Risiken


bzw. Patientenklientel

Niedriges bis Hohes throm- Internistische Hämo-


mittleres boembo- Patienten dialyse
thromboembo- lisches Risiko
lisches Risiko

Reviparin- Clivarin 1.750 0,25 ml = + ‡ ‡ ‡


Natrium 13,8 mg

Dalteparin- Fragmin D 1 oder 4 ml = + + ‡ ‡


Natrium 10.000 IE 1-mal 2500 IE 1-mal 5.000 IE

Dalteparin- Fragmin 4 ml/– 1 ml = + + t


Natrium 10 ml Multidose 25.000/10.000 IE 1-mal 5000 IE 1-mal 5000 IE

Certoparin- Mono-Embolex 0,3 ml = 18 mg + + Nur bei aku-


Natrium 1-mal 3000 IE 1-mal 3000 IE tem ischä-
mischem
Schlaganfall

Nadroparin- Fraxiparin 1 ml = 1.900 IE + + ‡ t


Calcium 0,2/0,3/0,4/
0,6/0,8/1,0

Tinzaparin Innohep 1 ml = 3500 oder + + ‡ t


3500 Anti-Xa IE 10.000 Anti Xa IE
Multi 10.000
Anti.Xa IE

Enoxaparin Clexane 20/40 0,2/0,4 ml = + + +


20/40 mg 1-mal 20 mg 1-mal 40 mg 1-mal 40 mg

Fonda- Arixtra 1,5/2,5 mg ‡ + + ‡


parinux

+ = zugelassene Indikation
‡ = fehlende Indikation
TVT: tiefe Beinvenenthrombose; AP: Angina pectoris; MI: Myokardinfarkt

der Thromboseprophylaxe sowie die Therapie- Apixaban (Eliquis) oral, Edoxaban (Lixiana)
empfehlungen zur Therapie der TVT ohne oral
und mit Lungenembolie und zur Therapie des 4 Antithrombin-abhängige Faktor-X-Inhibito-
akuten Koronarsyndroms. ren: Fondaparinux (Arixtra) subkutan, Dana-
37 4 Kumarine (Warfarin, Phenprocoumon) oral, paroid-Natrium (Orgaran) subkutan (auch ge-
Hemmung der vitamin-K-abhängigen Gerin- ringgradige, AT-vermittelte FII-Inhibition)
nungsfaktoren II, VII, IX und X
4 direkte Thrombininhibitoren: Dabigatran . Abb. 37.5 gibt eine Übersicht über medikamentö-
(Pradaxa) oral, Argatroban (Argatra) kontinu- se Möglichkeiten der plasmatischen Gerinnungs-
ierlich intravenös, Desirudin (Revasc) subku- hemmung, gegliedert nach parenteraler und entera-
tan und Bivalirudin (Angiox) intravenös ler Anwendungsform.
4 direkte, Antithrombin-unabhängige Faktor-X- . Tab. 37.5 und . Tab. 37.6 geben den Wirkme-
Inhibitoren: Rivaroxaban (Xarelto) oral, chanismus, die pharmakokinetischen Daten sowie
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
637 37

. Tab. 37.4 Übersicht der zugelassenen therapeutischen Indikationen der niedermolekularen Heparine, bei TVT
ohne und mit Lungenembolie sowie bei akutem Koronarsyndrom

Substanz Handelsname Konzentration Zugelassene Therapie bei folgenden Risiken bzw.


Patientenklientel

TVT TVT mit Lun- Instabile AP und


genembolie MI

Reviparin- Clivarin 1750 0,25 ml = 13,8 mg ‡ ‡ ‡


Natrium

Dalteparin- Fragmin P 0,2 ml = 15 mg ‡ ‡ ‡


Natrium

Certoparin- Mono-Embolex 0,8 ml = 8000 IE + ‡ ‡


Natrium 8000 IE Anti-Xa 2-mal 8000 IE

Nadroparin- Fraxiparin 0,3 0,3 ml = 28,5 mg + ‡ ‡


Calcium 2-mal tgl. ge-
wichtsadaptiert

Tinzaparin Innohep 1 ml = + + ‡
20.000 Anti- 20.000 Anti-Fxa IE 1-mal 175 Anti- 1-mal 175 Anti-
Fxa IE/ml Fxa U.E./ Fxa U.E./
kg KG kkg KG

Enoxaparin Clexane 20/40 0,2/0,4 ml = + + +


20/40 mg 2-mal 1 mg/kg KG 2-mal 1 mg/kg KG 2-mal 1 mg/kg KG

Fondaparinux Arixtra 5/7,5/10 mg + + +


Durchschnittlich Durchschnittlich Durchschnittlich
1-mal 7,5 mg 1-mal 7,5 mg 1-mal 7,5 mg

+ = zugelassene Indikation
‡ = fehlende Indikation
TVT: tiefe Beinvenenthrombose; AP: Angina pectoris; MI: Myokardinfarkt

Indikation und Zulassungsstudien der aktuell in 4 zur Vermeidung thrombembolischer Kompli-


Deutschland zur Hemmung der plasmatischen Ge- kationen bei VHF
rinnung zugelassenen Substanzen wieder. 4 zur Vermeidung des Shunt- bzw.
Anmerkung: ein weiterer Faktor-Xa-Inhibitor Gefäßinterponatverschlusses in der Gefäß-
zur intravenösen Anwendung ist in der Erpro- chirurgie
bungsphase: Otamixaban. 4 zur Prävention des Apoplex

Thrombozytäre Gerinnungshemmung . Abb. 37.6 zeigt einen Überblick über die throm-
Thrombozytenaggregationshemmer werden einge- bozytären Rezeptoren.
setzt Zur Hemmung der Thrombozytenaggrega-
4 zur Thromboseprophylaxe bei Risikopatienten, tion kommen folgende Substanzen zum Einsatz:
4 nach Splenektomie mit reaktiver Thrombozy- 4 Thromboxan-A2-Inbibitoren wie Acetylsali-
tose, cylsäure (ASS100)
4 in der Therapie des akuten Koronarsyndroms, 4 P2Y12-ADP-Rezeptorantagonisten wie Clopi-
zur Vermeidung der häufig letal verlaufenden dogrel (Plavix), Prasugrel (Efient) und Ti-
Stentthrombose cagrelor (Brilique)
638 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.5 Thrombininhibitoren

Gruppe Thrombininhibitoren

Substanz Dabigatran-exetilat Bivalirudin Argatroban Desirudin


(Pradaxa) (Angiox) (Argatra) (Revasc)

Wirkmechanismus Selektive, direkte Selektive, direkte Reversible, direkte Direkte FIIa-Inhibition


FIIa-Inhibition FIIa-Inhibition FIIa-Inhibition

Prodrug Ja Nein

Orale Bioverfügbar- 6,5%* Nur i.v. Gabe Nur i.v. Gabe Nur s.c. Gabe
keit

Tmax (h) 0,5–2 (nüchtern) 1–3


4–6

Proteinbindung 35% <10 %

Renale Elimination Ca. 85% 20% >90 %

Hepatischer Gering Zu 80 % Zu ca. 65 % hepatisch


Metabolismus 15 % fäkal/biliär proteolytisch

HWZ (h) 12–17 0,5–0,7 ca. 0,8 2–3

P-gp-Substrat Ja**

CYP-3A4-Substrat Nein

Besonderheit 10 % Dyspepsie

Monitoring Thrombinzeit n, aPTT, TZ, ECT


Quick-Wert

Dosis Beginn 1–4 h nach 0,1 mg/kg KG 0,5–2 μg/kg/min i.v. 2×15 mg s.c.
Operation mit Bolus + 0,25 mg/ nach aPTT 1,5- bis
110 mg p.o. kg KG/h bis zu 3-fach bzw. <100 s
Ab. 2 Tag 220 mg p.o. 72h
für 10 Tage (Knieope-
ration) oder 28–35
Tage (Hüftoperation)

Indikation TP bei elektiven Antikoagulation Antikoagulation bei Prophylaxe tiefer


Hüft- und Kniegelenk- bei ACS mit PCI + anamnestischer HIT II Beinvenen-
ersatz, zur Prävention ASS + Clopido- und Kreatinin-Clea- thrombosen
des Apoplexes und grel rance <20 ml/min
der Embolie bei VHF

Kontraindikationen Kreatinin-Clearance: Schwere Leberfunk- Kreatinin-Clearance


<30 ml/min, ge- tionsstörung <30 ml/min
37 plante rückenmarks-
nahe Anästhesie,
>2-fache Erhöhung
der Leberwerte

Studie RELY ACUITY


HORIZONT-AMI
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
639 37

. Tab. 37.5 (Fortsetzung)

Gruppe Thrombininhibitoren

Substanz Dabigatran-exetilat Bivalirudin Argatroban Desirudin


(Pradaxa) (Angiox) (Argatra) (Revasc)

Anmerkung Bei erhöhten Blu- Überwachung mit


tungsrisiko und aPTT; maximale
normaler GFR 2 Tage Erhöhung auf das
vor Operation abset- Doppelte des Aus-
zen; sonst >3 Tage vor gangswertes
Operation absetzen!
Im Notfall ist Dabiga-
tran dialysierbar (62 %
Elimination nach 2 h
Hämodialyse!)

P-gp = Effluxtransporter-P-Glykoprotein, der sich in der Plasmamembran des Enterozyten befindet und die Substanz
aktiv wieder ins Darmlumen befördert. Hierdurch sinkt die Resorptionsrate und somit der Wirkspiegel!
ACS: akutes Koronarsyndrom, PCI: perkutane Koronarintervention, TP: Thromboseprophylaxe, VHF: Vorhofflimmern
* PPI vermindert die Resorption von Dabigatran
** Beeinflussung der Dabigatranresorption durch den Effluxtransporter-P-Glykoprotein (P-gp), der wiederum durch
Verapamil, Amiodaron, Clarithromycin, Chinidin sowie Ketoconazol gehemmt wird (Wirkspiegel im Blut erhöht sich!)
und durch Rifampicin induziert wird (Wirkspiegel im Blut sinkt!).

. Tab. 37.6 Faktor-Xa-Inhibitoren

Gruppe Faktor-X-Inhibitoren

Substanz Fondaparinux Rivaroxaban Apixaban (Eliquis) Danaparoid-Natrium


(Arixtra) (Xarelto) (Orgaran)

Wirkmechanismus Indirekte Anti-FXa- Reversibler, direkte Direkte Anti-Fa- Indirekte Anti-Fxa-Inhi-


Inhibition (ATIII- Anti-Fxa-Inhibition Inhibition bition (ATIII-abhängig;
abhängig) schwach auch FII-
Inhibition (22:1)

Prodrug Nein Nein Nein Nein

Orale Bioverfügbar- 0 %; nur s.c. Gabe >80 % ca. 50 %


keit (100%)

Tmax (h) 2–4 3 4–5

Proteinbindung (%) 92–95 87

Renale Elimination Ca. 33 % unverän- Ca. 25 % Vorwiegend renal


dert, aktiv

Hepatischer Metabo- 66 % über CYP-450- 75 % (CYP-450-3A4)


lismus 3A4, davon 50 %
über Fäzes, 50 %
über Galle

HWZ (h) 17 5–13 8–15 25 (Anti-FX-Aktivität)

P-gp-Substrat Ja Ja
640 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.6 (Fortsetzung)

Gruppe Faktor-X-Inhibitoren

Substanz Fondaparinux Rivaroxaban Apixaban (Eliquis) Danaparoid-Natrium


(Arixtra) (Xarelto) (Orgaran)

CYP-3A4-Substrat Nein Ja Ja
Interaktion mit
Azol-Antimykotika

Monitoring Anti-Xa-Aktivität, Prothrombinzeit p Anti-Xa-Aktivität,


aPTT (Neoplastinrea- aPTT
genz), aPTT, Anti-
Xa-Aktivität

Besonderheit AT-III-vermittelt
Kein HIT-Risiko
Hohe Stent-Throm-
boserate nach PCI

Dosis Prophylaxe: 2,5 mg 1×10 mg/d zur vTE- 2×2,5 mg/d zur 2-(3) x 750 IE
s.c. 6 h postopera- Prophylaxe vTE-Prophylaxe
tiv bis Tag 33 2×15 mg/d zur vTE- 2×5 mg bei VHF
Therapie der Therapie; 6–8 h post-
NSTEMI bzw. operativer Beginn
STEMI: 2,5 mg s.c. 1×20 mg/d bei VHF

Zulassung

Orthopädische + + + +
venöse Thromboem- bei elektiven Hüft- wenn Heparin kontra-
bolieprophylaxe und Kniegelenkersatz indiziert ist

Internistische Throm- + – – +
boembolieprophylaxe wenn Heparin kontra-
indiziert ist

Therapie der + + – +
Thrombose wenn Heparin kontra-
indiziert ist

Vorhofflimmern – + + –

ACS + – – –

Mechanische Herz- – – – –
klappe

Zulassungsstudien OASIS5/6 ROCKET-AF ADVANCE 2/3


EINSTEIN-DVT
37
Anmerkung 24 h präoperativ Bei niedrigem
absetzen! Blutungsrisiko 24 h
Bei intrakraniellen vor Operation
Eingriffen evtl. absetzen!
36–48 h präoperativ Bei mittlerem und
absetzen! erhöhtem Blutungs-
risiko 48 h präopera-
tiv absetzen!

P-gp = Effluxtransporter, der sich in der Plasmamembran des Enterozyten befindet und die Substanz aktiv wieder ins
Darmlumen befördert. Hierdurch sinkt die Resorptionsrate und somit der Wirkspiegel!
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
641 37

. Abb. 37.6 Thrombozytäre Rezeptoren

4 Glykopeptidrezeptor-IIb/IIIa-Antagonisten Plasminogenaktivatoren
wie Abciximab (Reopro), Tirofiban (Aggra- 4 t-PA (Gewebsplasminogenaktivator) aus der
stat), Eptifibatid (Integrilin) Endothelzelle
4 physiologische Substanzen und Medikamente
. Abb. 37.7 zeigt einen schematischen Überblick (Urokinase, Streptokinase, rt-PA) u. a.
über Möglichkeiten der medikamentösen, thombo-
zytären Gerinnungshemmung. Die Normwerte und Bewertungen der einzelnen
. Tab. 37.7 gibt den Wirkmechanismus, die Gerinnungstests sind in . Tab. 37.8 zusammenge-
pharmakokinetischen Daten sowie Indikation und stellt.
Zulassungsstudien der Thrombozytenaggrega-
tionshemmer wieder. Fibrinolysehemmung
Die Hemmung der natürliche Fibrinolyse erfolgt
durch folgende Komponenten:
37.1.4 Fibrinolyse 4 α2-Antiplasmin
4 α2-Makroglobulin
4 Die Fibrinolyse verhindert ein übermäßiges 4 Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI-1)
Anwachsen des Blutgerinnsels und verursacht
seine Auflösung. Hyperfibrinolyse
4 Plasminogen wird unter der Einwirkung von ! Bei diffuser postoperativer Blutungsneigung
Plasminogenaktivatoren zu Plasmin, dem zen- nach einer vorausgegangenen kurzen, guten
tralen proteolytischen Enzym der Fibrinolyse Gerinnungsphase bei sonst normalen plas-
umgewandelt. matischen Gerinnungstests und normwerti-
gen Thrombozytenzahlen und Funktion, soll-
te an eine Hyperfibrinolyse gedacht werden!
642 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Abb. 37.7 Medikamentöse Thrombozytenaggregationshemmung. (Adaptiert nach Schör 2012)

. Tab. 37.7 Thrombozytenaggregationshemmer

Gruppe Thrombozytenhemmer

Substanz Acetylsalicylsäure Clopidogrel Prasugrel Ticagrelor Cilostazol


(ASS Junior) (Plavix, Icover) (Efient) (Brilique) (Pletal)

Wirkmechanismus Irreversible ADP-Blockade Irreversible Reversible


Blockade der Cyclo- ADP-Blockade ADP-Blockade
oxygenase-1 o
Thromboxan A2 p

Prodrug Nein Ja Ja Nein Nein


Verschiedene Nur ein CYP-
37 CYP-Enzyme,
besonders
Enzym

CYP2C19

Orale Bioverfüg- Ca. 80 % 40 %


barkeit

Tmax (h) der Plätt- 4–6 1–2 1,5


chenhemmung

Proteinbindung 98 % >99 %
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
643 37

. Tab. 37.7 (Fortsetzung)

Gruppe Thrombozytenhemmer

Substanz Acetylsalicylsäure Clopidogrel Prasugrel Ticagrelor Cilostazol


(ASS Junior) (Plavix, Icover) (Efient) (Brilique) (Pletal)

Renale Elimination Ca. 68 % als <1 %


inaktive Meta-
bolite

Hepatischer Meta- 27 % über CYP 450-3A4


bolismus Fäzes Aktiver Metabo-
lit (30 %)

HWZ (h) 12 Ca. 7,4 7


(2–15 h) (6–13)

CYP-3A4-Substrat Ja (+2B6) Ja (3A4 und


2C19)

Besonderheiten Interaktion mit Hohe Blu- NW: Dyspnoe


PPI (Omeprazol) tungsrate bei Interaktion mit
Clopidogrel- koronaren Simvastatin und
Resistenz Bypass-Ope- Clarithromycin
rationen (Inhibition)

Dosis 300–600 mg LD 60 mg LD 180 mg LD 2×100 mg


1×75 mg ED 1×10 mg ED 2×90 mg ED p.o.

Darreichungsform 75-mg-Tabletten 10/5-mg- 90-mg-Film-


Filmtabletten tablette

Indikation In Kombina- In Kombination Claudicatio


tion mit ASS mit ASS beim intermittie-
beim ACS ACS (instabile rend bis
(instabile AP/ AP/NSTEMI/ Stadium
NSTEMI/ STEMI mit pri- paVK II
STEMI mit märer oder ohne
primärer oder PCI, als auch bei
verzögerter aortokoronarer
PCI Bypass-Opera-
tion

Kontraindikation Alter ≥75 Kreatinin-


Jahre, dann Clearance
5 mg ED/Tag, <25 ml/min
schwere 5 Tage vor
Leberfunk- der Opera-
tionsstörung tion abset-
(Child C), zen!
Apoplex oder
TIA in der
Anamnese

Studie ATC 2002 vs. Place- CURE, PCI-CURE, TRITON TIMI PLATO vs. Clopi-
bo CREDO, COMMIT 38 vs. Clopi- dogrel
dogrel

p-gp = Effluxtransporter, LD = Loadingdosis, ED = Erhaltungsdosis


644 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.8 Normwerte und Bewertung einiger Gerinnungstests

Test Normwerte Bewertung

PTT (partielle Thromboplastinzeit) Erfas- 30–45 s (Neugebore- Verkürzt bei:


sung der endogenen Gerinnungsfaktoren ne: 40–60 s) – Hyperkoagulabilität
(Faktor VIII, IX, XI, XII, geringer empfindlich: Therapeutische Verlängert bei:
(Faktor I, II, V, X) Globaltest der plasma- Antikoagulation im – Heparintherapie (>0,2 IE/ml Plasma)
tischen Gerinnung Bereich: 1,5- bis – Verbrauchskoagulopathie (DIC)
3-fach n – Hypofibrinogenämie
– Faktorenmangel: Faktor VIII (Hämophilie A)
und Faktor IX (Hämophilie B)
– Fibrinogenspaltprodukte >0,05 g/l Plasma

Quick (Prothrombinzeit) 70–130 % (Neugebo- Erniedrigt bei:


Erfassung der exogenen Gerinnungsfak- rene: >60 %) – Verminderung des Prothrombinkomplexes
toren (Faktor I, II, V, VII, X) Therapeutische – Vitamin-K-Mangel
Globaltest der plasmatischen Gerinnung Antikoagulation im – Leberzellschaden
Bereich: ≈ 20–30 % – Cumarintherapie
– Verbrauchskoagulopathie (DIC)
– Hochdosierte Heparintherapie
(>1 IE/ml Plasma)
– Fibrinogenspaltprodukte >0,05 g/l Plasma

Thrombinzeit (PTZ) Erfassung von Stö- 17–24 s (Neugebore- Verlängert durch:


rungen der Fibrinbildung (3. Phase der ne: 10–15 s) – Heparintherapie
Gerinnung) (Heparin-, Fibrinolysetherapie) – Hyperfibrinolyse (FSP)
– Schwerer Fibrinogenmangel (Hypo-, Afibri-
nogenämie)
– Zur Differenzierung Reptilasezeit und Fibri-
nogen bestimmen

Gerinnungstest Erfasster Faktor Zugabe von

PTZ I Thrombin
PTT I II V X VIII IX XI XII Plättchenfaktor III
Quick I II V X VII Gewebefaktor III + Ca2+

Test Normwerte Bewertung

Fibrinogen (I) 150–450 mg/dl Erniedrigt bei:


Erfassung des Substrats der plasmatischen Neugeborene: – Leberparenchymschaden
Blutgerinnung >160 mg/dl) – Angeboren Hyperfibrinolyse
– Verbrauchskoagulopathie (DIC)
Blutung infolge isolierter Hypofibrinogenämie
erst ab <50 mg/dl

Faktor XIII 1–4 mg/dl (70– Erniedrigt bei:


Aktivität des fibrinstabilisierenden Faktors 140 %) – Verbrauchskoagulopathie (DIC)
37 – Leberparenchymschaden
– Gestörter Wund- und Knochenheilung
– Leukämie
– Verbrennung und Polytrauma
– Entzündlichen Darmerkrankungen

»Activated clotting time« (ACT) (ACT bei 110±15 s Verlängert durch:


Hemochron) Therapeutische – Heparintherapie
Heparintherapie Antikoagulation im Aktivator zur ACT-Bestimmung ist Kaolin oder
Bereich: >400–500 s Kieselerde (Hemochron), bei Verwendung von
2–3 ml Nativblut Aprotinin (Trasylol) Hemochron zu ungenau
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
645 37

. Tab. 37.8 (Fortsetzung)

Test Normwerte Bewertung

»Ecarin clotting time« (ECT) Bis 35 s Verlängert durch:


Hirudintherapie 2–3 ml Nativblut – Hirudintherapie

Antithrombin 20±6 mg/dl (75– Erniedrigt bei:


Erfassung des wichtigsten Inhibitors der 125 %) – Verbrauch (große Wundfläche, DIC)
plasmatischen Gerinnung – Leberschaden
– Dilution
– Sepsis
– Hämodialyse; Hämofiltration

Reptilasezeit (RZ) 18–22 s (Neugebore- Verlängert durch:


ne: bis 24 s) – Hyperfibrinolyse (bzw. n FSP)
– Hypo-, Dysfibrinogenämie
Heparinunabhängig

Fibrinmonomere <15 mg/l Erhöht bei:


Erfassung einer systemischen Gerinnungs- – Verbrauchskoagulopathie (DIC)
aktivierung
Abgrenzung einer DIC gegen
Verdünnungskoagulopathie

Thrombin-Antithrombin-III-Komplex (TAT) 1–4 μg/l Erhöht bei:


Erfassung einer systemischen Gerinnungs- – Verbrauchskoagulopathie (DIC) mit reaktiver
aktivierung Hyperfibrinolyse
Abgrenzung einer DIC gegen – Thrombembolie
Verdünnungskoagulopathie

Fibrin(ogen)-Spaltprodukte (FSP) <300 μg/l Erhöht bei:


Nachweis einer Hyper fibrinolyse – Hyperfibrinolyse
Abgrenzung einer DIC gegen – Verbrauchskoagulopathie (DIC)
Verdünnungskoagulopathie – Reaktiver Hyperfibrinolyse
– Fibrinolytischer Therapie
– Thrombembolie
– Hämolytisch-urämischem Syndrom

D-Dimere 4–78 μg/l Erhöht bei:


Nachweis einer Hyper fibrinolyse – Verbrauchskoagulopathie (DIC) mit reaktiver
Nachweis von Fibrinspaltprodukten Hyperfibrinolyse
Abgrenzung einer DIC gegen – Hyperfibrinolyse
Verdünnungskoagulopathie – Fibrinolytischer Therapie
– Thrombembolie
– Hämolytisch-urämischem Syndrom
– Postoperativ

»Clot observation time« (COT) Gerinnung nach Verlängert/keine Auflösung:


8–12 min (bei 22°C); – Prothrombinkomplexmangel
keine Gerinnselauflö- – Niedrig dosiert Heparin
sung Normal bis verlängert/Auflösung in 1 h:
3 ml Nativblut – Hyperfibrinolyse/DIC
Glasröhrchen – Ungerinnbarkeit >1 h:
– Heparineffekt
– Extreme Hyperfibrinolyse
– Verbrauchskoagulopathie (DIC)
– Hämophilie
– Normale Gerinnselbildung/gestörte Retraktion:
– Thrombopenie/Thrombopathie
646 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.8 (Fortsetzung)

Test Normwerte Bewertung

Thrombelastogramm (TEG) r-Zeit: 7–15 min r-Zeit verlängert:


(. Abb. 37.8, . Abb. 37.9) k-Zeit: 2,5–5 min (bis – Faktorenmangel
Globaltest über Thrombozytenzahl, -funk- 2-cm-Amplitude) – Heparinämie
tion, endogene Gerinnung und Fibrinolyse ma: 45–60 mm – Fibrinogenspaltprodukte
r-Zeit: Zeit vom Start bis zur ersten Bewe- Abgangswinkel: 60° k-Zeit verlängert:
gung – Faktorenmangel
k-Zeit: Bewegungsbeginn bis zur Amplitu- – Heparinämie
denhöhe 20 mm – Fibrinogenspaltprodukte
ma: Maximale Amplitudenhöhe ma verringert:
– Faktorenmangel (FVa, FXIII)
– Fibrinogenmangel
– Heparinämie
– Fibrinogenspaltprodukte
– Thrombopenie/-pathie
r-Zeit + k-Zeit verkürzt, ma erhöht:
– Hyperkoagulabilität

Blutungszeit Verlängert bei:


Globaltest für das gesamte Gerinnungs- 1–5 min – Globaler Störung der Gesamtgerinnung
system ≈4 min – Thrombozytopenie/
Nach Duke: Stich am unteren Ohrläpp- 2–9 min – Thrombozytopathie
chenrand + Absaugen des Blutes mit 1,5–6 min – Hoher Heparinkonzentration
Tupfer
Nach Ivy: Stauung des Oberarms, 2 mm
langer und 2 mm tiefer Schnitt an der
Innenseite des Unterarms;
2 Modifikationen:
– Nach Mielke (standardisierte Schnittfüh-
rung mittels speziellem Gerät)
– Nach Simplate (kürzerer Schnitt als bei
Ivy)
Subaquale Blutungszeit nach Marx: Stich
in Fingerbeere und unter Wasser spontan
bluten lassen; Dauer bis zum Sistieren
messen!

Rumpel-Leede-Test Keine Petechien bei Petechien bei:


RRManschette –Angiopathie
15 mmHg über dem –Thrombozytopenie/-pathie
RRsyst über 5 min

Eine normale Blutungszeit schließt eine Plättchenfunktionsstörung nicht sicher aus!

37
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
647 37
jLaborwerte
4 Fibrinogen niedrig
4 D-Dimere hoch
4 sekundärer Abfall des Plasminogens
4 Hyperfibrinolysenachweis im ROTEM: Abfall
des MCFEXTEM-Wertes innerhalb von 60 min
um >15 % oder Verkürzung der CFT im AP-
TEM-Test gegenüber EXTEM-Test

jTherapie
4 Gabe von Antifibrinolytika: Tranexamsäure
(Cyklokapron) 15–30 mg/kg KG i.v. (1–2 g i.v.)

37.1.5 Thrombozytenfunktionstests

Die Funktion der Thrombozyten kann z. B. mit Hil-


fe einiger Tests beurteilt werden:
4 PF100-Test
4 Thrombelastogramm

Eine besondere Form des Thrombelastometers ist


das sog. Rotationsthrombelastometer (ROTEM-
Analyzer), bei dem u. a. gezielt die Auswirkungen
. Abb. 37.8 Thrombelastogramm (TEG) r-Zeit: Zeit vom
einer Heparintherapie oder eine Hyperfibrinolyse
Start bis zur ersten Bewegung (normal: 7–15 min), k-Zeit: Be-
wegungsbeginn bis zur Amplitudenhöhe 20 mm (normal: 2,5–
untersucht werden können. Einen Aufbau gibt
5 min), ma: maximale Amplitudenhöhe (normal: 45–60 mm), . Abb. 37.10 wieder. Es können maximal 4 Tests pa-
α: Abgangswinkel (normal: 60°) rallel durchgeführt werden. Testbezeichnungen und

. Abb. 37.9 Thrombelastogramme. a Normal, b Hämophilie, b1 schwere Hämophilie, b2 leichte Hämophilie, c Thrombozyto-
penie, d Fibrinolyse, e Hyperkoagulabilität, f erhöhte Fibrinolyse, g erhöhte Gerinnung mit erhöhter Fibrinolyse
648 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Abb. 37.10 Geräteaufbau des Rotationsthrombelastometers (ROTEM-Analyzer)

37

. Abb. 37.11 Schematische Darstellung der Messung mit dem Rotationsthrombelastometer (ROTEM-Analyzer)
37.1 · Hämostase (Gerinnung, Gerinnungshemmung und Fibrinolyse)
649 37

. Tab. 37.9 Mit dem Rotationsthrombelastometer (ROTEM-Analyzer) mögliche Testansätze

Test Kontrollbereich Bemerkung

INTEM Intrinsisches Gerinnungssystem

EXTEM Extrinsisches Gerinnungssystem

FIBTEM Fibrinogenkonzentration Zugabe von Cytochalacin zur Thrombozytenhemmung o Ge-


rinnselfestigkeit ist im Testansatz nur von der Fibrinogenwirkung
abhängig!

HEPTEM Heparineffekt Zugabe von Heparinase o Detektion von Heparin als Ursache
einer Hypokoagulabilität!

APTEM Hyperfibrinolyse Zugabe von Aprotinin zur Hemmung der Fibrinolyse

. Tab. 37.10 ROTEM-Normalwerte

Test INTEM EXTEM FIBTEM Bemerkungen

»Coagulation time« 110–173 38–79 Entspricht der initialen Thrombin- und Fibrinbildung
(CT) [s] Abhängig von der Konzentration der Gerinnungsfak-
toren und Inhibitoren

»Clot formation 34–108 34–159 Zeit, die notwendig ist, um eine Gerinnselfestigkeit von
time«(CFT) [s] 20 mm zu erreichen
Abhängig von der Konzentration der Gerinnungsfak-
toren/Inhibitoren, aber auch von der Fibrinogenwirkung

Maximale »clot firm- 50–72 50–72 ≥8 Physiologischerweise kann die Gerinnselfestigkeit nach
ness« (MCF) [mm] >45 min wieder geringfügig abnehmen (<15 % der MCF)
Abhängig von der Funktion und der Zahl der Thrombo-
zyten, von der Konzentration des Fibrinogens und des
Faktor XIII
MCF <40 mm: verstärkte Blutungsneigung
MCF <35 mm: Gefahr der diffusen intraoperativen Blu-
tungsneigung
Cave: Ist die MCF sowohl im INTEM als auch EXTEM
erniedrig und der FIBTEM >10 mm (ausreichende Fibri-
nogenkonzentration), so sollten Thrombozyten substi-
tuiert werden!

α-Winkelgrad (°) 66–86 66–86

Normalwerte können aus . Tab. 37.9 und . Tab. > Unterschiedliche Messergebnisse für arteriel-
37.10 entnommen werden. les und venöses Blut! Am besten immer arte-
. Abb. 37.11 gibt schematisch eine ROTEM- rielles Zitratblut verwenden!
Messung wieder.
Eine zu späte Korrektur von hämostaseologi- ROTEM erfasst nicht :
schen Störungen geht mit einem gesteigerten Blut- 4 Thrombozytenaggregationshemmer (ASS,
verlust und Transfusionsbedarf einher o Ziel ist Plavix, Iscover, ...)
daher eine frühe Diagnostik und eine zeitgerechte 4 Marcumar, NMH, Fondaparinux, Dana-
und bedarfsgezielte Substitution mit Gerinnungs- paroid, …
faktoren!
650 Kapitel 37 · Blutgerinnung

37.2 Hämorrhagische Diathesen 4 Verdünnungskoagulopathie: Verdünnung


aller plasmatischen Bestandteile des Blutes mit
4 Koagulopathien (Störungen der plasmatischen kristalloiden oder kolloidalen Volumenersatz-
Blutgerinnung) mitteln oder EK
4 Angiopathien (Störungen der Gefäße,
z. B. M. Osler, allergische oder rheumatische Verbrauchskoagulopathie, disseminier-
Purpura) te intravasale Koagulopathie (DIC)
4 Thrombopathien (Störungen der Thrombo- 4 Beide Begriffe werden synonym verwendet.
zyten) 4 Eine DIC bedeutet den Zusammenbruch des
5 Thrombozytopenien (Bildungsstörungen, hämostaseologischen Systems. Es besteht eine
gesteigerter Abbau, z. B. M. Werlhof) Imbalance zwischen Neusynthese und Ver-
5 Thrombozytopathien brauch von Thrombozyten und Gerinnungs-
– angeboren: z. B. Von-Willebrand-Jürgens- faktoren. Das Gerinnungssystem kann durch
Syndrom verschiedene Ursachen generalisiert aktiviert
– erworben: z. B. Medikamente (ASS, werden. Es kommt zu einer Hyperkoagulabili-
andere NSAID etc.), Urämie, Leber- tät. Eine Störung der Mikrozirkulation ist die
zirrhose Folge. Kompensatorisch versucht der Körper,
4 Kombination: Von-Willebrand-Jürgens-Syn- die Mikrothromben wieder aufzulösen, und
drom (leichter Faktor-VIII-Mangel und reagiert mit einer gesteigerten Fibrinolyse. Da
Thrombopathie und Angiopathie) aber weiterhin Gerinnungsfaktoren in höhe-
rem Maße verbraucht als neusynthetisiert wer-
den, gelingt es schließlich nicht mehr, ein nor-
37.2.1 Störungen der Blutgerinnung males Gerinnungspotenzial aufrecht zu erhal-
(Koagulopathien) ten.
4 Eine chronische DIC ist meist kompensiert,
Qualitative/quantitative Synthese- kann aber sowohl zu Thrombosen als auch zu
störung von Gerinnungsfaktoren Blutungen führen.
4 angeborene Defektkoagulopathien 4 . Tab. 37.11 gibt einen Vergleich zwischen den
5 Hämophilie A (Faktor-VIII-Mangel), Inzi- verschiedenen Stadien der Verbrauchskoagulo-
denz 1:10.000–20.000 pathie und der Verlustkoagulopathie.
5 Hämophilie B (Faktor-IX-Mangel), Inzidenz
1:100.000
Ursachen einer DIC
5 Angiohämophilie Von-Willebrand-Jürgens-
5 Akute DIC
Syndrom, Inzidenz 1:10.000–20.000
– Schweres Trauma
4 erworbene Defektkoagulopathien
– Schock
5 Verminderung des Prothrombinkomple-
– Sepsis
xes (FII, VII, IX, X) durch Synthesestörung
– Verbrennungen
in der Leber, Vitamin-K-Mangel
– Geburtshilfliche Komplikationen
4 Immunkoagulopathien
37 5 Autoantikörper (Kollagenosen, Leber-
– Akute Pankreatitis
– Hämolyse (Massiv- oder Fehltransfusion)
erkrankungen)
– Intoxikationen
5 Isoantikörper (Rh-Inkompatibilität und
– Schlangenbiss
andere)
5 Chronische DIC
Verlust- und Verdünnungskoagulopathie – Lebererkrankungen
– Maligne Tumoren (Leukämie)
4 Verlustkoagulopathie: Verlust der zellulären
– Schwere Systemerkrankungen
und plasmatischen Blutbestandteile durch
Blutung
37.2 · Hämorrhagische Diathesen
651 37

. Tab. 37.11 Stadien der Verbrauchskoagulopathie (DIC)/Verlustkoagulopathie

Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV Verlust-


(Hyperkoagula- (kompensierte DIC) (Hyperfibrinolyse, (akute DIC) koagulopathie
bilität) subakute DIC)

Gerinnung n n p pp n

Verbrauch l n n nn n

Fibrinolyse l l n nn l

Quick l l p pp pp–pp

PTT p l n nn n-nn

PTZ l l-n n nn l

Fibrinogen n l pp pp p–pp

Thrombozyten l lp p pp p–pp

AT III l p pp pp p–pp

FSP l l–n n nn l

Faktor XIII nn l p pp l–p

TAT l–n n nn nn l

D-Dimere l–n n n nn l

l = normal, n = erhöht bzw. verlängert, nn = stark erhöht bzw. verlängert, p= erniedrigt bzw. verkürzt,
p p= stark erniedrigt bzw. verkürzt

jTherapie
5 Thrombozytensubstitution, wenn Thrombo-
4 Therapie der Grunderkrankung
zytenzahl <10.000–30.000/μl.
4 Beseitigung der Hyperkoagulabilität
5 Evtl. Antithrombinsubstitution (AT III), wenn
4 Unterbrechung der Umsatzsteigerung
<70 %.
4 Verhinderung der Mikrothrombosierungen
5 PPSB enthält aktivierte Faktoren, daher erst
4 Beseitigung der Mikrothromben im Gefäß-
dann, wenn AT III normalisiert bzw. ausrei-
system
chend substituiert worden ist.
5 Fibrinogen führt zur weiteren Gerinnungs-
Therapiehinweise bei Verbrauchs- aktivierung.
koagulopathie 5 Eine antifibrinolytische Therapie ist bei der
5 Die Strategie der Substitutionstherapie zielt DIC grundsätzlich kontraindiziert (Ausnah-
v. a. auf das Erhalten eines hohen Niveaus me: Überwiegen der reaktiven Fibrinolyse
an Inhibitoren der Blutgerinnung ab. Daher und Blutung)
werden Faktorenkonzentrate (mit überwie-
gend prokoagulatorischen Substanzen) nur
herangezogen, wenn ein ausreichender
Die Therapieansätze der DIC sind in . Tab. 37.12
Hämostaseausgleich durch FFP nicht mög-
dargestellt.
lich ist.
5 Kein Heparin bei blutenden Patienten. Therapie von Gerinnungsstörungen
6 Früher eher das »Gießkannenprinzip« (Gabe von
einem Cocktail an Gerinnungsfaktoren z.B. FFP
652 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.12 Therapie der Verbrauchskoagulopathie (DIC)/Verlustkoagulopathie

Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV Verlust-


(Hyperkoagu- (kompensierte (Hyperfibrinolyse, (akute DIC) koagulopathie
labilität) DIC) subakute DIC)

Heparin + + (+)? –?

FFP + + + +

Thrombozyten (+) + + +

AT III (+) + + (+)

PPSB (+) + (+)

Fibrinogen –? (+)

Plasminogen ?

Fibrinolytika (rt-PA) ?

+ = indiziert, (+) = bedingt indiziert, –? = fraglich kontraindiziert, +? = fraglich indiziert

oder PPSP und Fibrinogen sowie physiologischen jTherapie


Gegenspieler wie z. B. Antithrombin). Heute primär 4 »damage control resuscitation« mit permissi-
Durchführung einer zeitnahen, zum Teil bettseiti- ver Hypotension (MAP von ca. 65 mmHg bzw.
gen Gerinnungsdiagnostik (= »Point-of-care-Diag- systolischer RR <90 mmHg)
nostik«) und anschließend gezielte Substitution von 4 Ausgleich der Azidose (Ziel-pH >7,2) und
Gerinnungsfaktoren. Hypokalzämie (ionisiertes Ca²+ >0,9 mmol/l)
4 Beseitigung der Hypothermie und Aufrechter-
haltung einer Normothermie (angewärmte
37.2.2 Trauma-induzierte Koagulo- Infusionslösungen, Einsatz des Level-1- oder
pathie (TIC) Rapid-Infusion-Systems (RIS), Wärme-
decken/-gebläse, …)
jUrsachen 4 Transfusion von Blutprodukten und gerin-
4 Verletzung von Endothel mit Aktivierung des nungsaktiven Präparaten wie z. B. Fibrinogen
zellulär vermittelten Gerinnungssystems (Haemocomplettan), PPSB (Beriplex), …
4 systemische Hypoperfusion 4 Hemmung der Fibrinolyse mit Tranexam-
4 systemische Inflammation durch das Trauma säure (1–2 g Cyclokapron) i.v., anschließend
2 g/24 h
Zusätzlich kommt es klinisch zur Azidose (pH
≤7,2), Hypothermie (Körperkerntemperatur Prädiktoren für eine erhöhte Mortalität sind eine
37 ≤34°C) und Hypokoagulopathie durch Verdün- 4 Temperatur <35°C
nung und geringem Verbrauch von Gerinnungsfak- 4 Basenexzess <–6
toren. 4 INR >2,5
Hämostaseologisch kommt es zu einem An- 4 RRsyst <110 mmHg
stieg von zellulärem Thrombomodulin o Bildung 4 Hb <6,2 g/dl
eines Thrombin/Thrombomodulinkomplex o Ak- 4 Thrombozyten <100.000/μl
tivierung von Protein C o FVa und FVIIIa p o 4 Fibrinogen <100 mg/dl
Plasminogenaktivatorinhibitor (PAI) p o Hyper-
fibrinolyse
37.2 · Hämorrhagische Diathesen
653 37

. Tab. 37.13 Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom – Typeneinteilung. (Adaptiert nach Kleinschmidt 2002)

Test Typ 1 Typ 2A Typ 2B Typ 2N Typ 3

VWF-Antigen Vermindert Normal bis vermindert Normal bis Normal Fehlt


vermindert

Ristocetin-Kofaktor Vermindert Vermindert Vermindert Normal Fehlt

Kollagenbindungsaktivität Vermindert Vermindert Vermindert Normal Fehlt

Multimere Vermindert Große und/oder mit- Großmolekulare Normal Fehlen


telgroße fehlen fehlen

Faktor VIII Normal bis Normal bis vermindert Normal bis Vermindert Stark
vermindert vermindert vermindert

RIPA Normal bis Normal bis vermindert Gesteigert* Normal Vermindert


vermindert

Thrombozytenzahl Normal Normal Normal Normal Normal


verminderta

VWF: Von-Willebrand-Faktor-Antigen; RIPA Ristocetin-induzierte Plättchenaggregation


* Kontraindikation für DDAVP-Gabe!

> Eine »damage control resusitation« beinhal- gerte Blutungszeit) als auch Störungen des intrinsi-
tet die Gabe von Erythrozyten, Fresh-frozen- schen Gerinnungssystems (hämophiler Blu-
Plasma und Thrombozytengaben im Verhält- tungstyp, verlängerte aPTT) auf Typeneinteilung
nis von 5 EK/5 FFP/1–2 TK. des vWJS. Typeneinteilung des vWJS: . Tab. 37.13
und . Tab. 37.14.

37.2.3 Von-Willebrand-Jürgens- jKlassifikation (2002)


Syndrom (vWJS) 4 angeborenes vWJS: anhand von laborche-
mischen Untersuchungen Einteilung in
Erstbeschreibung von Erik von Willebrand aus Hel- 3 Typen:
sinki. 5 Typ I (Häufigkeit: 80 %, vWF und Fak-
tor VIIIc vermindert)
jInzidenz 5 Typ II (2A/2B/2M/2N, Häufigkeit: 15 %,
4 1 % der Bevölkerung; damit ist die Krankheit strukturelle und funktionelle Defekte des
die häufigste, angeborene Gerinnungsstörung vWF; vW-Faktor und Faktor VIIIc können
vermindert oder normal sein)
jPathophysiologie 5 Typ III (Häufigkeit: ca. 1 %; vWF fehlt, und
Der vW-Faktor (vWF) spielt bei der Blutgerinnung Faktor VIIIc ist stark vermindert)
eine entscheidende Rolle. An der Stelle der Gefäß- 4 erworbenes vWJS (z. B. bei lymphoproliferati-
verletzung vermittelt er die Thrombozytenadhäsion vem Syndrom, monoklonalen proliferativen
und -aggregation. Da der vWF auch Trägerprotein Erkrankungen, malignen Lymphomen, au-
für Faktor VIIIc ist, kommt es auch zu einer vermin- toimmunologischen Erkrankungen, Hypo-
derten Aktivität von Faktor VIIIc o gestörte plas- thyreose, Valproinsäuretherapie, Herzklap-
matische Gerinnung. Das klinische Bild ist nicht penerkrankungen)
einheitlich. Es treten sowohl Störungen des throm-
bozytären Systems (petechiale Blutungen, verlän-
654 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.14 Typeneinteilung: Klassifikation des Von-Willebrand-Jürgens-Syndroms. (Adaptiert nach Kleinschmidt


2002)

Typ Häufig- Charakteristik Verteilungsmuster Genetische Klinische Therapie


keit der vWF-Multimere Übertragung Symptomatik

1 70–80 % Quantitative Normale Verteilung Autosomal- Oft keine oder DDAVP, insbe-
Verminderung dominant mit nur milde Blu- sondere bei
des vWF variabler tungsneigung; normaler
Penetranz und oft erst bei ope- Thrombo-
Expressivität rativen Eingriffen zytenzahl

2A Ca. 10 % Qualitative Verminderte oder Autosomal- Variabel, meist Konzentrate


Verminderung fehlende hochmole- dominant und mittelschwere mit vWF und
des vWF kulare und mittel rezessiv mit Blutungsneigung F VIII, DDAVP
molekulare Mul- vielfältigen kaum wirksam
timere Mutationen

2B Ca. 3–5 % Abnormer vWF Hochmolekulare Autosomal- Variabel, schwere Konzentrate


mit erhöhter Anteile fehlen, da rezessiv mit Blutungsnei- mit vWF und
Affinität zum verstärkt abgebaut multiplen gungen sind F VIII, DDAVP
GP-Ib-Rezeptor (Proteolyse) Mutationen möglich kontraindiziert!

2M Ca. 3 % Verminterte vWF- Normal, bei Typ Variable, schwere Konzentrate


Thrombozyten- Vicenza »supramo- Blutungsnei- mit vWF und
Interaktion lekulare« Multimere gungen sind F VIII, DDAVP
vorhanden möglich kaum wirksam

2N Ca. 3 % Verminderte Normal, Faktor-VIII- Oft klinische Konzentrate


vWF-Affinität zu Aktivität <25 % Ähnklichkeit mit mit vWF und
F VIII der Hämophilie A F VIII

3 Ca. 1 % Nahezu kom- Normal, sofern vWF Schwere Blu- Konzentrate


plettes Fehles überhaupt nach- tungsneigung mit vWF und
des vWF weisbar mit Faktor-VIII- F VIII
Erniedrigung Alloantikörper-
bildung in
10–15 %

jDiagnostik jVon-Willebrand-Faktor
4 positive Familienanamnese und Klinik 4 HWZ: erste HWZ beträgt 3 h, die anschlie-
4 Bestimmung von Faktor VIIIc, Ristocetin-Ko- ßende zweite HWZ 12–20 h
faktor (Rcof), vWF, von-Willebrand-Antigen, 4 Konzentration ca. 10 mg/l bzw. 40–240 % (hohe
Multimerenanalyse inter- und intraindividuelle Variabilität)
4 in nur 60 % der Fälle verlängerte Blutungszeit 4 veränderte Spiegel bei: Blutgruppe 0 p, Farbi-
37 (bei Hämophilie normal) und aPTT-Verlänge- ge n, Entzündung n, Frauen > Männer, Schwan-
rung bzw. in 40 % normale Blutungszeit im gerschaft p
Screening-Test
! Erhöhte Spiegel im Rahmen der entzünd-
4 in 90 % der Fälle Nachweis eines verminderten
lichen Akutphase!
Ristocetin-Kofaktors (vWF: Rcof, Ausnahme
Typ 2N) und verlängerte Plättchenhaftungszeit 4 Synthese in den Endothelzellen und den
im »platelets function analyzer« (PFA) o PFA- Megakaryozyten, Speicherung in den
Test hat eine hohe Sensitivität (95 %) beim Thrombozyten (α-Granula) sowie den Weib-
vWJ-Syndrom le-Palade-Körperchen der Endothelzellen
37.2 · Hämorrhagische Diathesen
655 37

. Tab. 37.15 Therapieonen beim Von-Willebrand-Syndrom. (Adaptiert nach Kleinschmidt 2002)

Präparat Charakteristik Wirkmechanismus Pharmakodynamik und -kinetik Dosierung

DDAVP (1-Desa- Synthetisches Freisetzung von Halbwertszeit 5–8 hvWF: Erhö- Intravenös und
mino-8-D- Nonapeptid mit vWF aus Endothel- hung des vWF:Ag um den subkutan: 0,3–
Arginin-Vaso- starker antidiure- zellen (V2-Rezep- Faktor 2–5 nach 60–120 min 0,4 μg/kg über
pressin), Minirin tischer und gerin- toren-vermittelt) über 8–10 h Faktor VIII: Erhö- 30 min intranasal:
(Ferring) ger vasokonstrikto- hung um den Faktor 2–5 nach 2–4 μg/kg
rischer Wirkung 30–60 min für 5–8 h

Haemate HS Virusinaktiviertes Hoher Substituti- Halbwertszeit VWF und Fak- 20–60 IE Fak-
(Aventis- Faktorenkonzentrat onseffekt für vWF tor VIII etwa 8–16 h. Recovery tor VIII+ 44–132 IE
Behring) mit vWF und Faktor und Faktor VIII von vWF und Faktor VIII ca. vWF:RCo/kg (bei
VIII (Verhältnis 80–90 % (1 h nach Gabe) Kindern 20 %
2,2:1) mehr) in Abhän-
gigkeit von der
Klink

Immunate Doppelt inakti- Substitution Mittlere Halbwertszeiten Fak- 30–80 IE Faktor


(Baxter) viertes Faktor-VIII- primär von Fak- tor VIII, vWF:AG, vWF:RcoF 23, VIII/kg im Intervall
Konzentrat tor VIII 19, 11 h bei hoher in-vivo-reco- von 12 h (Phase-
very (>80 %) III-Studie)

vWF-Konzentrat Virusinaktiviertes Substitution von Biologische Halbwertszeit 50 IE/kg bei leich-


(LFB, Les Ulis, Präparat, Fraktio- vWF mit normaler 9–13 h bei Patienten mit ten Blutungen, bei
Frankreich) nierung aus Kryo- Multimervertei- vWS Typ 3, Halbwertszeit der operativen Eingrif-
präzipitat mit nur lung hochmolekularen Multimere ca. fen zusätzlich
geringen Mengen 14 h 30–50 IE/kg alle
an Faktor VIII 12–24 h

jTherapeutische Optionen jThrombozytenzahl


4 . Tab. 37.15 4 Abfall meist nicht <100.000/μl
4 Desmopressin bei Typ 2B kontraindiziert
4 Östrogenpräparate können bei Frauen mit jPathomechanismus
vWS die Synthese des vWF in den Endothel- Heparinbindung an Rezeptoren auf den Thrombo-
zellen steigern! zyten (Hemmung der Adenylatcyclase o cAMP p
o Thrombozytenaggregation).

jKomplikationen
37.2.4 Heparininduzierte Thrombozyto- 4 keine
penie (HIT)
jLabordiagnostik
4 Synonym: heparinassoziierte Thrombozyto- 4 keine
penie, -pathie (HAT)
4 Einteilung nach Chong in Typ I und Typ II jTherapie
4 Inzidenz: ca. 10 % für Typ I und 0,5–5 % für 4 keine spezielle Therapie notwendig
Typ II
HIT-Typ II (immunologisch)
HIT-Typ I (nichtimmunologisch) 4 1969 Erstbeschreibung der HIT II durch
jBeginn Natelson
4 unmittelbar nach Heparingabe 4 Bei der HIT wird das Antikoagulans plötzlich
zum Prokoagulans und es treten trotz Hepa-
656 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.16 »Vier T«-Test (Modifiziert nach Lo et al. 2006)

Punkte 2 1 0

Thrombozytopenie (akut) 20–100/nl oder Abfall >50 % 10–19/nl oder Abfall um <10/nl oder Abfall
30–50 % <30 %

Timing des Thrombo- Beginn Tag 5–10 oder ≤1 Tag Beginn >10 Tage Beginn ≤4 Tage ohne
zytenabfalls (Reexposition 100 Tage) kürzliche Exposition

Thrombose oder andere Neue Thrombose, Hautnekrose Zunehmende oder wie- Keine
Manifestationen (z. B. akute systemische Reaktionen derholte Thrombose
dermatologische Erschei- nach i.v. UFH-Bolus Erythem im Bereich der
nungen) Einstichstelle

Andere (other) Gründe für Keine alternative Erklärung für Mögliche andere Ursache Definitive andere
Thrombozytopenie Thrombozytenabfall Ursache

Gesamtpunkte Wahrscheinlichkeit für eine HIT

6–8 Hoch

4–5 Mittel

0–3 Gering

ringabe in 30–50 % der Fälle arterielle und/ le Sekretionsprodukte aus a-Granula und
oder venöse Thromben (70 % aller Fälle) auf. »dense bodies« frei o u. a den heparinneutra-
lisierenden Plättchenfaktor 4 (PF4) mit hoher
jInzidenz Affinität zu Heparin (Heparin-PF4-Komplex)
4 bei UFH: 0,3–5 % und bei NMH: 0,1–1,0 % o antikoagulatorischer Effekt von Heparin n.
Der Heparin-PF4-Komplex wird von neusyn-
jLetalität thetisierten Antikörpern der IgG-Klasse ge-
4 unbehandelt bis 30 %; unter alternativer Anti- bunden, welche sich an die Thrombozyten-
koagulation immer noch hoch: 8–20 %. membran binden o Thrombozytopenie.
4 Weder die Art des Heparins (unfraktioniertes
jBeginn oder fraktioniertes Heparin) noch die Menge
Frühestens am 5 Tage nach der primären Heparin- oder der Applikationsweg (i.v. oder s.c.) spielen
gabe. Bei bekannter HIT kann innerhalb der ersten bei HIT II eine Rolle!
3 Monate nach Diagnosestellung mit positiven 4 Heparin als Bestandteil in arteriellen Spül-
Antikörpern die HIT innerhalb der ersten 4 Tage systemen und Gerinnungspräparaten (z. B.
erneut auftreten. PPSB), daher kein PPSB mit Heparinzusatz
verabreichen.
jThrombozytenzahl 4 Bei Anwendung eines Pulmonaliskatheters
37 Thrombozytenzahl <100.000/μl oder schneller Abfall müssen spezielle heparinfreie Katheter ver-
<50 % des Ausgangswertes. Meistens zwischen 30– wendet werden.
80.000 Thrombozyten/μl. Thrombozytenwerte 4 HIT II ist auch bei Anwendung von niedermo-
<20.000/μl haben meist eine andere Ätiologie. Selten: lekularem Heparin (NMH) beobachtet wor-
Koinzidenz von Sepsis und nicht therapierte HIT II. den! o jedoch geringere Inzidenz unter NMH.

jPathomechanismus jKomplikationen
4 Antikörper gegen Heparin-PF4-Komplex (zu 4 Thrombenbildung (weißer Thrombus) im ve-
95 %): aktivierte Thrombozyten setzen multip- nösen und arteriellen System
37.2 · Hämorrhagische Diathesen
657 37
4 schwere Veränderungen der Mikro- und
. Tab. 37.17 Score nach Magnani. (Adaptiert nach
Makrozirkulation (»White-clot-Syndrom«) Magnani 1993)
4 Gerinnungsaktivierung (Verbrauchskoagulo-
pathie) Kriterium Score
4 Hautnekrosen und erythematöse Plaques an
der Heparininjektionsstelle Thrombozytenabfall von 30–40 % +1

Thrombozytenabfall >50 % des Aus- +2


jDiagnostik gangswertes
kScores für die klinische Diagnose Intervall zwischen Therapiebeginn mit +2
Bevor mittels teurer Tests auf HIT »gescreent« wird, Heparin und Thrombozytenabfall
sollte mit Hilfe des Score der vier »T’s« die Wahr- >4 Tage
scheinlichkeit ermittelt werden (. Tab. 37.16). Ein Bei Reexposition Thrombozytenabfall +3
weiterer Score zum »Screenen« auf HIT II ist der nach 5 Tagen
Score nach Magnani (. Tab. 37.17). Thrombembolische Komplikationen +1
bei Heparinexposition
kLabordiagnostik
Arterielle und venöse Thrombosen +2
4 Kontrolle der Thrombozytenzahl im Citratblut
Entzündlich-nekrotische Hautreaktionen +2
(kein EDTA-Blut). Thrombozytenaggrega-
tionstest mit Heparin vs. Puffer mit Hilfe eines White-clot-Syndrom +1
Aggregometers; Nachteil: geringe Spezifität Zunehmende Heparinresistenz +1
(25–50 % werden nicht erfasst).
Septische Komplikationen bei –1
4 Der D-Dimer-Spiegel ist meist als Hinweis Diagnosestellung
einer ablaufenden Gerinnung erhöht.
4 Funktionelle Tests: Gleichzeitige Gabe von Medikamenten mit Thrombo-
zytenabfall als
5 Serotoninfreisetzungstest: Markierung der
Thrombozyten mit radioaktivem Serotonin Begleitreaktion (z. B. Phosphodieste- –1
rase-III-Hemmer etc.)
und Messung der Lyse nach Heparingabe
(>20 % ist für HIT II signifikant). zurückliegende Zytostatikatherapie –1
5 HIPA-Test (heparininduzierter Plättchen- Andere Ursachen für einen Thrombo- –1
aggregationstest): Inkubation von Throm- zytensturz (mögliche Sepsis etc.)
bozyten und Heparin auf Mikrotiterplatten Blutungen (ohne Überdosierung eines –1
o Aggregation bei geringen Heparinkon- Antithrombotikums)
zentrationen (0,1 U/ml) ist für HIT II be-
HIT Gesamtpunktzahl
weisend! Dauer: 3–4 h.
5 HIPAA-Test (heparininduzierter Plättchen- Sicher: ≥7
Aktivierungs-Assay) Wahrscheinlich: 4 bis 6
4 Antikörpernachweis im ELISA-Test: Nachweis Möglich: 1 bis 3
von HIT-Antikörpern mit Hilfe Heparin-PF4-
Unwahrscheinlich: 0 bis –4
beschichteter Platten. Cave: geringe Spezifität
des Tests, d. h. obwohl Antikörper vom IgG- Maximal +15 Punkte, minimal
Typ nachgewiesen werden, liegt klinisch keine –4 Punkte
HIT vor!
! Keiner der genannten Assays eignet sich zur
kUltraschalluntersuchung/Kompressions-
Notfallanalytik!
sonographie
Nachweis von venösen Thrombosen mit Hilfe der
Kompressionssonographie (Positivität in 23–52 %
der Fälle).
658 Kapitel 37 · Blutgerinnung

jTherapie Antikoagulation bei HIT II


4 Patienten mit HIT II in der Vorgeschichte Argatroban (Argatra)
dürfen nicht mit Heparin behandelt werden 4 Argininderivat mit einem MG von 527
(weder therapeutisch noch prophylaktisch). 4 direkter Thrombininhibitor
4 Schon bei begründetem Verdacht auf HIT II 4 zurzeit nur intravenöse, kontinuierliche
muss Heparin sofort abgesetzt werden. Dies Applikationsform vorhanden!
gilt für alle Applikationsformen des Heparins
(unfraktioniertes und niedermolekulares), für jWirkmechanismus
Durchspülungen von Zugängen und Kathetern 4 Reversible Bindung an die »active site« des
mit Heparin-haltigen Lösungen, für Heparin- Thrombins im Gegensatz zum Lepirudin o
beschichtete Katheter und Heparin-haltige Hemmung der Bildung von Fibrin
Blutersatzpräparate (cave: Gerinnungsfak- 4 keine Aktivierung von Faktor V, VIII und XIII
toren). 4 keine Aktivierung von Protein C und keine
4 Eine therapeutische oder prophylaktische Anti- Thrombozytenaktivierung
koagulation sollte, wenn die Indikation zur
Antikoagulation nach wie vor besteht, entweder jIndikationen
mit dem Heparinoid Danaparoid-Natrium (Or- 4 HIT II, insbesondere bei Niereninsuffizienz
garan), mit dem rekombinanten Hirudin-Prä- (seit 6/2005 für diese Indikation in Deutsch-
parat Lepirudin (Refludan) fortgeführt werden. land zugelassen; günstig bei gleichzeitiger
4 Patienten mit HIT II und einer Thrombose CVVH)
müssen mit Orgaran oder Refludan in thera-
peutischer Dosierung behandelt werden. Mit jPharmakologie
der Behandlung muss sofort begonnen werden, 4 Elimination: 65 % hepatisch über Cyto-
auch wenn noch keine Ergebnisse der Bestäti- chrom P450 3A4/5 und Ausscheidung über die
gungsanalytik vorliegen. Galle (!)
4 Patienten mit HIT II ohne Thrombose bei 4 HWZ: 40 min
hohem Thomboserisiko müssen ebenfalls nach 4 Proteinbindung: 54 % (20 % Albumin und 34 %
Absetzen des Heparins mit Orgaran oder Re- an α1-saures Glykoprotein)
fludan in therapeutischer Dosierung behandelt 4 kontinuierliche intravenöse Gabe von 1,7–2 μg/
werden. kg KG/min (bei mäßiger Leberinsuffizienz:
4 In der akuten Phase des HIT II ist eine alleinige 0,5 μg/kg KG/min)
orale Antikoagulation wegen einer möglichen 4 Nierenersatzverfahren: 125 μg/kg KG Bolus
Verschlechterung der Symptomatik kontrain- und anschließend 2 μg/kg KG/min kontinuier-
diziert. Wie bei den Marcumarnekrosen unter lich
Protein-C-Mangel führt die Einleitung der 4 Herz-Lungen-Maschine (HLM): 2 (bis maxi-
oralen Antikoagulation zu einer vorüberge- mal) 10 μg/kg/min (die angegebene hohere
henden Steigerung des prokoagulatorischen Dosis ging mit vermehrten Post-EKZ-Blutun-
Potenzials. Eine Marcumarisierung kommt erst gen einher!)
als Langzeittherapie nach Normalisierung der 4 maximale Anwendungsdauer: 14 Tage
37 Thrombozyten in Frage.
> Generell Beginn mit einer Dosierung von
4 Eine prophylaktische Thombozytensubstitu-
0,5 μg/kg KG/min (Dosisanpassung nach
tion wird nicht empfohlen. Sie provoziert neue
partielle Thromboplastinzeit; PTT), insbeson-
thrombotische Ereignisse. Allenfalls bei
dere Intensivpatienten zeigen häufig eine
schwerster Thrombozytopenie mit gleichzei-
Akkumulation des Medikamentes.
tigen schweren hämorrhagischen Komplika-
tionen kann die Gabe von Thrombozyten ge-
rechtfertigt sein. jKontraindikationen
4 ausgeprägte Leberinsuffizienz
37.2 · Hämorrhagische Diathesen
659 37
Danaparoid-Natrium (Orgaran) nach entsprechender Aufklärung verwendet
4 Heparinoid werden!
4 wirkt vorwiegend durch AT-vermittelte Hem-
mung des Faktors Xa und zu einem geringen jWirkmechanismus
Prozentsatz auch des Faktors IIa im Verhältnis 4 antithrombinvermittelte (indirekte) Hem-
von 22:1 mung des Faktors Xa ohne Inhibierung von
4 zu ca. 10 % Kreuzreaktion mit Heparin bei Thrombin
HIT II
4 nicht nur zugelassen für die akute HIT, son- jPharmakologie
dern auch für Zustand nach HIT II 4 HWZ: 18 h
4 vorwiegend renale Elimination
jPharmakologie
4 lange HWZ: 24 h jIndikationen
4 MG: 4.000–10.000 4 zur Prophylaxe von venösen thrombemboli-
4 nicht hämofiltrierbar, kein Antagonist verfüg- schen Ereignissen (VTE), insbesondere bei
bar, Blutungsrisiko: 3 % größeren orthopädischen Eingriffen an der
4 Elimination zu 50 % unverändert über die unteren Extremität wie z. B. Knie- und Hüft-
Niere (cave: Niereninsuffizienz!) endoprothese
4 Dosis: . Tab. 37.18 4 zur Therapie tiefer Venenthrombosen (TVT)
und Lungenembolien (LE), außer bei hämody-
jIndikationen namisch instabilen Patienten oder Patienten,
4 Antikoagulation, insbesondere bei HIT II die einer Thrombolyse oder einer pulmonalen
4 Überwachung der Therapie mit Hilfe der Embolektomie bedürfen
Anti-Faktor-Xa-Aktivität, da PTT- und 4 Thrombembolieprophylaxe bei Patienten
Thrombintests noch nicht evaluiert sind. mit einem erhöhten Risiko für venöse
4 therapeutischer Bereich der Anti-Faktor-Xa- thromboembolische Ereignisse (VTE) und
Aktivität: bei Immobilisation wegen einer akuten Er-
5 Thromboseprophylaxe krankung
– 1. Tag ab 0,1 U/ml, Ratio: 3,0–4,0 4 postoperativer Beginn ca. 6 h nach Beendigung
– 4.–5. Tag: 0,15–0,35 U/ml, Ratio: 4,0–6,0 der Operation
5 therapeutische Antikoagulation: 4–0,8 U/ml;
Ratio: 6,5–8,5 Dosierung
4 Blutabnahme in Na-Citrat-Röhrchen 6 h nach
5 Thrombembolieprophylaxe:
der Morgendosis, bzw. bei therapeutischer An-
– 1-mal 2,5 mg s.c./Tag bei normaler
tikoagulation 1- bis 3-mal täglich (Empfehlun-
Nierenfunktion (GFR 50 ml/min)
gen der »Fourth ACCP Consensus Conference
– 1-mal 1,5 mg: s.c./Tag bei eingeschränkter
on Antithrombotic Therapy«)
Niereninsuffizienz (GFR 20–50 ml/min)
Fondaparinux (Arixtra) 5 Therapie tiefer Venenthrombosen und
Lungenembolien: 1-mal 7,5 mg s.c./Tag für
4 1 Amp. à 1,5, 2,5 mg, 5 mg, 7,5 mg oder 10-mg-
Patienten mit 50–100 kg KG (>100 kg KG:
Fertigspritze
1-mal 10 mg s.c./Tag; <50 kg KG: 1-mal 5 mg
4 vollsynthetisch hergestelltes Polysaccharid bzw.
s.c./Tag)
Pentasaccharid
4 keine Kreuzreaktion mit heparininduzierten
Antikörpern
4 keine Zulassung zur Therapie der HIT II jKontraindikationen
(»off-label use!«), kann aber zur sekundären 4 akute bakterielle Endokarditis
Thromboseprophylaxe bei bekannter HIT 4 aktive klinisch relevante Blutung
660 Kapitel 37 · Blutgerinnung

. Tab. 37.18 Dosis für Danaparoid-Natrium: bei HIT-Patienten zur parenteralen Antikoagulation

Klinik Initialer i.v. Bolus Dosierung Anti-Xa-Ein- Anti-Xa-Aktvität (U/ml)


Anti-Xa-Einheiten heiten

HIT mit isolierter Throm- – 2-mal 750 IE/d s.c. 0,2–0,4


bozytopenie*

HIT und Thrombose* 1250 IE (<55 kg) 400 IE/h i.v. über 4 h 0,5–0,8
dann
150–400 IE/h i.v. Erhal-
tungsdosis

HIT und Thrombose* 2500 IE (55–90 kg) 400 IE/h i.v. über 4 h
3750 IE (>90 kg) Dann 300 IE/h i.v. über 4 h
Dann 150–200 IE/h i.v.
Erhaltungsdosis

Thromboseprophylaxe – 2- bis 3-mal 1.250 IE/d s.c. Am Tag 5: 0,4

Bei HIT in der Anamnese*

Hämodialyse jeden 2500 IE (<55 kg) Während Dialyse: 0,5–0,8


2. Tag ab 3. Dialyse 2000 IE

3750 IE (>55 kg)


ab 3. Dialyse 3000 IE

Hämodialyse täglich 2500 IE (<55 kg) Während Dialyse: 0,5–0,8


ab 2. Dialyse 2000 IE

3700 IE (>55 kg)


ab 2. Dialyse 2500 IE

Hämofiltration 2000 IE (<55 kg) 600 IE/h i.v. über 4 h Unter der Erhaltungsdosis
2500 IE (>55 kg) Dann 400 IE/h i.v. über 4 h 0,5–1,0
Dann 200–600 IE/h i.v.
Erhaltungsdosis

Operationen an der Bolus: 125 IE/kg nach 7 IE/kg/h i.v. bei Start der Während Operation 1,5–2,0
Herz-Lungen-Maschine Thorakotomie: EKZ
(EKZ)
Priming-Flüssigkeit der Im Fall von Clotting: 750– Nach Operation: 1,0
HML: 3 IE/ml 1250 IE i.v. als Bolus, dann
postoperativ

Primer-Flüssigkeit Beginn frühestens nach 6 h:


– 150–200 IE/h i.v. oder
– 3×750 IE s.c. oder
– 2×1250 IE s.c.

37 * In Deutschland zugelassene Behandlungsindikationen (Quelle: Orgaran Wissenschaftliche Information Thiemann


Arzneimittel GmbH, Februar 1999)
37.3 · Akute perioperative und intensivmedizinische Blutung
661 37
4 Überempfindlichkeit gegenüber Fondaparinux kuläre Unterbindung, Fibrinkleber, hämostypische
oder sonstigen Spritzenbestandteilen Flies (z. B. Tambotamp) etc.

jNebenwirkungen kGezielte Therapie mit Gerinnungsfaktoren


Häufig (1 bis <10 %) z. B. PPSB-Präparat, Faktor-VIIa-Konzentrat (No-
4 Anämie voseven) oder Fibrinogen:
4 Blutungen (Blutung an der Operationsstelle, 4 PPSB:
gastrointestinal, Hämaturie, pulmonal; Häma- 5 Präparate sind nur auf den Gehalt an Faktor
tome IX standardisiert, die Faktoren II, VII (teils
4 Thrombozytopenie <20 %), X, sowie Protein C, S und Z unter-
4 Purpura liegen großen Schwankungen (1 IE ist die
4 veränderte Leberfunktionstests Aktivität von 1 ml Plasma beim Gesunden)
4 Ödeme 5 da beim Isolierungsverfahren die Gerin-
4 Behandlungsdauer maximal 5–9 Tage nungsfaktoren teilweise aktiviert werden,
sind den Präparaten Heparin (250 IE) und
Anmerkung: Lepirudin (Refludan) als weitere The- AT III (15–30 IE) zugesetzt (cave: heparin-
rapieoption in der Vergangenheit ist im Oktober induzierte Thrombozytopathie!)
2011 vom Markt genommen worden! 5 Indikationen:
– Blutungen und Blutungsneigung bei Fak-
tor-II-, VII-, IX- und -X-Mangel (angebo-
37.3 Akute perioperative und ren oder erworben)
intensivmedizinische Blutung – orale Antikoagulanzientherapie
(Cumarine)
jUrsachen – schwerer Leberparenchymschaden
4 gastrointestinale (Stress-)Blutungen (wenn Quick im kritischen Bereich, z. B.
4 intraoperative, chirurgische Blutungen vor Leberbiopsie)
4 Blutungen aufgrund von einer Verdünnungs- – Vitamin-K-Mangel, der gerinnungswirk-
koagulopathie z. B. nach Trauma sam ist (Resorptionsstörungen, lange
4 Trauma-assozierte Gerinnungsstörungen parenterale Ernährung
4 postpartale, atonische Nachblutungen – Protein-C-, -S-, -Z-Mangel
4 durch eine Hypothermie bedingte Blutungen – Verbrauchskoagulopathie Stadium IV
4 Blutungen bedingt durch gerinnungshem- 5 Anmerkung: Substitution der Gerinnungs-
mende Medikamente, z. B. unfraktionierte faktoren erst bei systemischer Blutungsnei-
Heparine, Thrombozytenaggregationshemmer gung, nicht nur nach Laborparametern.
oder neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
4 Blutungen bei Gerinnungsstörungen z.B. bei Dosierung
Leberzirrhose, …
Faustregel:
jDiagnostik 5 Initialdosis (IE) = gewünschter Faktoren-
4 klassische Gerinnungsanalyse mit Quick-, anstieg (%) × Körpergewicht (KG)
PTT-, Fibrinogen- und Thrombinzeit-Messung
4 ROTEM-Analyse (s. dort) oder:
4 orientierende Messung der Blutungszeit 5 1 IE/kg o Quick-Wert n um 0,8 % (0,5–1,0 %)
5 1 IE/kg o Aktivitätsanstieg von Faktor IX
jTherapiemöglichkeiten um 0,8 % (0,5–1,0 %)
kInterventionelle Therapie 5 1 IE/kg o Aktivitätsanstieg der Faktoren II,
Zum Beispiel Unterspritzung einer gastrointestina- VII und X um 1,6 % (1–2 %)
len Blutung, chirurgische Intervention mittels vas-
662 Kapitel 37 · Blutgerinnung

5 Nebenwirkungen: – persistierende lebensbedrohliche Blutun-


– allergische Reaktion gen nach stumpfen/penetrierenden Trau-
– thromboembolische Komplikationen mata trotz chirurgischer Versorgung
wie Thrombophlebitis, akuter Myokard- – vital gefährdende intra- und postoperati-
infarkt, Thrombose, Embolie oder DIC ve Blutungen
– Hemmkörperreaktion (Hämophilie B) – vital gefährdende peripartale Blutungen
– intrazerebrale Blutungen
– lebensbedrohliche Lungenblutungen (z. B.
Hinweise zur PPSB-Gabe
invasive Aspergillome, TBC)
5 Vor PPSB-Gabe zum Schutz vor thrombo-
– lebensbedrohliche gastrointestinale Blu-
embolischen Komplikationen, wenn im-
tungen nach erfolgloser hämostatischer
mer möglich, mit Heparin vorbehandeln.
Behandlung
Da die Heparinwirkung Antithrombin erfor-
5 Kontraindikationen:
dert, muss man einen gleichzeitig beste-
– etablierte disseminierte intravasale
henden AT-III-Mangel vor PPSB-Gabe aus-
Gerinnung (DIC)
gleichen!
– frische venöse und arterielle thrombem-
5 Bei heparininduzierter Thrombopathie (HIT)
bolische Ereignisse
erfolgt kein PPSB mit Heparinzusatz.
– akuter ischämischer zerebrovaskulärer
5 Schwangerschaft und Stillzeit: strenge Indi-
Insult
kationsstellung
– akuter Myokardinfarkt
5 Substitution der Gerinnungsfaktoren- bei
– Sepsis
Synthesestörung der Leber:
– Marcumarblutung (dann besser PPSB
5 Gerinnungsfaktorensubstitution o Gefahr
und Vitamin K geben!)
einer Verbrauchskoagulopathie.
– Blutung bei Fibrinogen- oder Faktor-
5 Gerinnungsfaktoren und AT-III-Substitution
XIII-Mangel
oGleichgewicht auf höherem Niveau o
– Allergie auf Maus-, Hamster- oder bovine
Laborwertekorrektur? o Blutungsneigung
Proteine
nur fraglich verbessert.
5 Nebenwirkungen:
5 In klinischen Studien wurde bisher auf-
– Thrombenbildungen
grund neuerer Herstellungsverfahren keine
– Gefäßverschlüsse (Ischämien)
Übertragung einer Virusinfektion (Hepatitis,
– Myokardinfarkte, zerebrovaskulärer In-
HIV) beobachtet.
sult
– Fieber
4 Faktor-VII-Konzentrat (Novoseven): – allergische Hautreaktionen
5 rekombiniertes, aktiviertes Eptacog alfa 5 Voraussetzungen für eine Faktor-VII-Gabe:
(aktiviert) = Blutgerinnungsfaktor VII – Normothermie bzw. Therapie einer
5 NovoSeven 1 mg (50 kIE), 2 mg (100 kIE), Hypothermie
5 mg (250 kIE), 8 mg (400 kIE) – ausgeglichener Säure-Base-Haushalt
5 HWZ: 35–54 min (pH-Wert >7,2)
37 5 gesicherte Indikationen: – Thrombozyten >50.000 × 109/l (besser
– angeborene Hemmkörperhämophilie A 100.000 x 109/l)
und B – Fibrinogen >50 mg/l (besser 100 mg/l)
– erworbene Hemmkörper gegen Fak- – Ausschluss von chirurgischen Blutungen,
tor VIII und IX Antikoagulanzienblutung, therapeuti-
– kongenitaler Faktor-VII-Mangel schen induzierten Gerinnungsstörungen,
– Thrombasthenie Glanzmann disseminierter intravasaler Gerinnung,
5 weitere klinische Indikationen (Off-label- Sepsis, thrombembolischem Ereignis
Indikationen): (LAE, Myokardinfarkt, zerebrovaskulärer
37.3 · Akute perioperative und intensivmedizinische Blutung
663 37

. Tab. 37.19 Dosierungstabelle von NovoSeven

Gewicht (kg) 50 60 70 80 90 100

Dosis (mg) 4,5 5,4 6,3 7,2 8,1 9

Ampullen rFVIIa (mg) 5 5 5 5 8 8

Ampullen rFVIIa (mg) +0 +1 +2 +2 0 +1

Insult, TVT), infauster Prognose des – erworbener Fibrinogenmangel bei


Grundleidens Synthesestörungen (schwerer Leberpar-
5 vor Gabe von Faktor VIIa evtl. empirische enchymschaden), Verbrauchs-/Verdün-
Gabe von: nungskoagulopathie, ggf. Hyperfibri-
– 4–6 Fresh-frozen-Plasma (10–15 ml/kg nolyse
KG)
– 1–2 Thrombozytenkonzentrate Dosierung
– 1–2 IE/kg KG PPSB
5 Initial 1–2 g i.v.
– evtl. Fibrinogen 2–(4) g
5 Bei schweren Blutungen initial 4–8 g
– evtl. Tranexamsäure (Cyclokapron)
5 Bei Traumapatienten nach initialen Bolus
Dosierung noch 2 g über 24 h
5 Faustregel:
5 Initialbolus: 90 μg/kg KG i.v. als Bolusinjek- Erforderliche Fibrinogendosis (g) =
tion über 2–5 min in das proximale Lumen! gewünschter Fibrinogenanstieg (g/l) ×
Die zubereitete Lösung nicht in den Infu- Plasmavolumen (l)
ionsschlauch injizieren (haftet an Plastik), wobei Plasmavolumen (l) = 0,041 × kg KG
mit Infusionslösungen mischen oder in z. B. Anstieg um 100 mg/dl bzw. 1 g/l bei
einer Tropfinfusion verabreichen (. Tab. einem 70 kg schweren Patienten
37.19). 1 g/l × 70 kg KG × 0,041 = 2,9 g
5 Repetitionsbolus:
– bei leichten bis mittelschweren Blutun-
gen: 1–2 Repetitionen im 3-h-Intervall
5 Nebenwirkungen:
mit ED von 90 μg/kg KG i.v.
– allergische Reaktion
– bei schweren Blutungen: Repetitionen im
– kritische Grenze des Plasmafibrinogens
3-h-Intervall für 1–2 Tage, wobei sich die
bei Werten <50–100 (75) mg/dl
Dosierung nach der Schwere der Blutung
– Fibrinogen führt zur Gerinnungsaktivie-
richtet
rung
5 Falls die Blutung dann nur wenig oder keine
– Fibrinogen >500 mg/dl erhöht das Risiko
Regredienz zeigt, bzw. bevor weitere Repe-
thromboembolischer Komplikationen
titionsboli verabreicht werden, ist die Indi-
– In klinischen Studien wurde bisher auf-
kation zur Gabe von rFVII a grundsätzlich zu
grund neuerer Herstellungsverfahren kei-
überdenken!
ne Übertragung einer Virusinfektion
(Hepatitis, HIV) beobachtet.
4 Gezielte Gabe von Antifibrinolytika
4 Fibrinogen (Faktor I, Haemocomplettan HS) 5 z. B. Tranexamsäure (Cyclokapron)
5 Indikationen: 5 1 Amp. à 5 ml = 500/1000 mg
– angeborener Fibrinogenmangel (Hypo-, 5 Wirkmechanismus: Hemmung der Um-
Dys-, Afibrinogenämie) wandlung von Plasminogen zu Plasmin
664 Kapitel 37 · Blutgerinnung

5 Indikationen: DeLoughery (2006) Management of bleeding emergencies:


– Prophylaxe und Therapie von Blutungen when to use recombinant activated factor VII. Expert
Opin Pharmacother 7: 25–34
infolge primär gesteigerter Fibrinolyse
Dempfle CE (2005) Perioperative Gerinnungsdiagnostik.
– Antidot bei medikamentös induzierter Anaesthesist 54:167–177
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klinischen Routine. Dtsch Arztebl 102:A 428–432
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mechanism of action of high-dose activated FVII. Blond
5 Kontraindikationen: Hämaturien aus den
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oberen Harnwegen, da die Gefahr einer Innerhofer et al. (2004) Monitoring der perioperativen Dilu-
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Harnwege besteht ther 39: 739–744
Jambor C, Görlinger K. (2007) Einsatz von Antifibrinolytika bei
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Massivtransfusion. Anästh Intensivmedizin; 48: S167–173
– Übelkeit, Erbrechen Kern H, Ziemer S, Kox WJ (1999) Bleeding after intermittent or
– Krampfanfälle continuous r-hirudin during CVVH. Int Care Med
– bei Langzeitbehandlung ist auf Störung 25:1311–1314
des Farbsinns zu achten Kleinschmidt S et al. (2002) Die perioperative Therapie des
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5 z. B. Heparinantagonisierung mit Prota- Medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Intensiv-
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1000 IE Heparin). Auch niedermolekulares zin und Schmerztherapie 47: 254–262
Heparin kann zu 50–70 % durch Protamin Magnani HN (1993) Management of heparin induced throm-
antagonisiert werden! Bei Rivaroxaban-Blu- bocytopenia.BMJ 307: 203–204
Martinowitz U, Michaelson M on behalf of the Israeli Multidis-
tung kann eine Antagonisierung mit PPSB ciplinary rFVIIa Task Force (2005) Guidelines for the use of
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Gabe von Novoseven bei Blutungen unter bleeding: a report by the Israeli Multidisciplinary rFVIIa
NOK erwogen werden! Task Force. J Thromb Haemost 3: 640–648
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Nachschlageteil
M. Fresenius, W. Zink

38.1 Dosierung von parenteralen Antibiotika (nach Thalhammer,


»Wiener Liste«) – 668

38.2 Score-Systeme – 669

38.3 Evidenzgrade – 674

Ausgewählte Literatur – 674

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8_38, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
668 Kapitel 38 · Nachschlageteil

38.1 Dosierung von parenteralen Antibiotika (nach Thalhammer,


»Wiener Liste«)

. Tab. 38.1.

. Tab. 38.1 Antibiotikadosierliste bei Niereninsuffizienz

Antibioti- Handels- Nierenfunktion (basierend auf einem Körpergewicht von 70 kg)


kum name
Normal Eingeschränkt Intermittierende Kontinuierliche
Hämodialyse Hämofiltration

Amikacin Biklin 1-mal 15 mg/kg 1-mal 7,5 mg/kg n. Sp 5–7,5 mg/kg p. HD 5–7,5 mg/kg

Amoxicillin/ Augmentan 3-mal 2,2–4,4 g 1- bis 2-mal 0,6 g 1-mal 2,2–4,4 g 3-mal 2,2 g
Clavulansäure p. HD

Ampicillin z. B. Binotal 3-mal 2,0–5,0 g 2- bis 3-mal 1,0–2,0 g 2-mal 1,0 g 2-mal 1,0 g

Ampicillin/ Unacid 3- bis 4-mal 3,0 g 1- bis 2-mal 3,0 g 1-mal 3,0 g p. HD –
Sulbactam

Aztreonam Azactam 2- bis 4-mal 2,0 g 1- bis 2-mal 1,0 g 1-mal 0,25–0,5 g 3-mal 1,0 g

Cefazolin z. B. Elzogram 3-mal 0,5–2,0 g 2-mal 1,0–1,5 g 1-mal 1,0–1,5 g –

Cefepim Maxipime 2- bis 3-mal 1-mal 1,0–2,0 g 1-mal 1,0–2,0 g 2-mal 2,0 g
1,0–2,0 g p. HD

Cefotaxim z. B. Claforan 2- bis 3-mal 2-mal 1,0–2,0 g 2-mal 0,5–1,0 g –


1,0–4,0 g

Cefotiam Spizef 3-mal 1,0–2,0 g 2-mal 1,0–1,5 g 1-mal 0,5–1,0 g –

Cefoxitin Mefoxitin 3- bis 4-mal 1- bis 2-mal 1,0–2,0 g 1- bis 2-mal 0,5– –
1,0–2,0 g 1,0 g

Ceftazidim Fortum 3-mal 1,0–3,0 g 1-mal 0,5–1,5 g 1-mal 1,0 g 3-mal 2,0 g

Ceftriaxon Racephin 1- bis 2-mal 1-mal 2,0 g 1-mal 4,0 g 2-mal 2,0 g
1,0–2,0 g

Cefuroxin Zinacef 3-mal 1,5–3,0 g 3-mal 0,75–1,5 g 1-mal 0,75 g 2-mal 0,75 g

Chloram- Paraxin, 3-mal 0,5–1,0 g 3-mal 0,5–1,0 g – –


phenicol Biophenicol

Ciprofloxacin Ciprobay 2- bis 3-mal 0,4 g 2- bis 3-mal 0,3 g 2-mal 0,1 g 3-mal 0,2 g

Clarithromy- Klacid 2-mal 0,5 g 2-mal 0,25 g – –


cin

Clindamycin z. B. Sobelin 3-mal 0,6–1,2 g 3-mal 0,3–0,6 g 3-mal 0,6–0,9 g 3-mal 0,6–1,2 g

Cotrimoxazol z. B. Bactrim, 3-mal 0,16/0,8 g 3-mal 0,08/0,4 g – –


Eusaprim
38
Doxycylin z. B. Vibramy- 1-mal 0,2–0,3 g 1-mal 0,2–0,3 g 1-mal 0,2–0,3 g 1-mal 0,2–0,3 g
cin

Ertapenem Invanz 1-mal 1 g Kontraindiziert Kontraindiziert Kontraindiziert

Flucloxacillin z. B. Staphylex 3-mal 2,0–4,0 g 3-mal 1,0–3,0 g 3-mal 1,0 g 3-mal 2,0–4,0 g
38.2 · Score-Systeme
669 38

. Tab. 38.1 (Fortsetzung)

Antibioti- Handels- Nierenfunktion (basierend auf einem Körpergewicht von 70 kg)


kum name
Normal Eingeschränkt Intermittierende Kontinuierliche
Hämodialyse Hämofiltration

Fosfomycin Infectofos 2- bis 3-mal 1-mal 2,0–4,0 g 1-mal 4,0 g p. Hd 1-mal 2,0 g
4,0–8,0 g

Fusidinsäure Fucidine 3-mal 0,5 g 3-mal 0,5 g 3-mal 0,5 g –

Gentamicin z. B. Refobacin 1-mal 3–5 mg/kg 1-mal 1,5 mg/kg, 1–2 mg/kg, p. HD 1–2 mg/kg
n. Sp.

Imipenem/ Zienam 3-bis 4-mal 2- bis 3-mal 0,5 g 3-mal 0,25–0,5 g 3-mal 1,0 g
Cilastatin 0,5–1,0 g

Levofloxacin Tavanic 1-mal 0,5–1,0 g 1-mal 0,125–0,25 g 1-mal 0,125 g 1-mal 1,0 g

Linezolid Zyvoxid 2-mal 0,6 g 2-mal 0,6 g 2-mal 0,6 g –

Meropenem Meronem 3-mal 0,5–2,0 g 1- bis 2-mal 0,5 g 1-mal 0,25–0,5 g 3-mal 1,0 g

Metronidazol z. B. Clont 1-mal 1,5 g 1-mal 1,0 g 1-mal 1,0 g 1-mal 1,5 g

Mezlocillin z. B. Baypen 3-mal 2,0–5,0 g 2-mal 2,0–4,0 g – –

Moxifloxacin Avalox 1-mal 0,4 g 1-mal 0,4 g 1-mal 0,4 g –

Netilmicin Certomycin 1-mal 3–5 mg/kg 1-mal 2 mg/kg, n. Sp. 1–2 mg/kg p. HD 1–2 mg/kg

Oxacillin Stapenor 3-mal 1,0–4,0 g 3-mal 1,0–3,0 g – –

Penicillin g z. B. Penicil- 3-mal 5–10 Mio 3-mal 3,3 Mio. IE – –


lin g IE

Piperacillin z. B. Pipril 3- bis 4-mal 2- bis 3-mal 4,0 g 2-mal 4,0 g 3-mal 4,0 g
2,0–4,0 g

Piperacillin/ Tazobac 3-mal 4,5–9,0 g 2- bis 3-mal 4,5 g 2-mal 4,5 g 3-mal 4,5 g
Tazobactam

Rifampicin z. B. Eremfat, 1-mal 10 mg/kg 1-mal 10 mg/kg 1-mal 5 mg/kg 1-mal 5 mg/kg
Rifa

Teicoplanin Targocid 1-mal 12–15 mg/ 1-mal 15 mg/kg, n. Sp. 12 mg/kg, p. HD 1-mal 12 mg/kg,
kg n. Sp

Tobramycin z. B. gernebcin 1-mal 3–5 mg/ 1-mal 1,5 mg/kg, n.Sp. 1–2 mg/kg, p. HD 1–2 mg/kg
kg

Vancomycin z. B. Vancomy- 2-mal 1,0–2,0 g 1-mal 15 mg/kg, n. Sp. 1,0 g, p. HD 1-mal 1,0 g
cin CP Lilly

38.2 Score-Systeme statistischen Einschätzung der Letalitätswahr-


scheinlichkeit.
4 Score-Systeme sind Punktwertsysteme zur 4 Kein 100 %iges Diagnostikum, sondern Ergän-
Schweregradklassifikation, zur Verlaufsbeur- zung der klinischen Patientenbeurteilung
teilung, zur Bewertung des Therapie- und Per- durch den erfahrenen Arzt → Entscheidungs-
sonalaufwandes (z. B. TISS-28) und dienen zur hilfe
670 Kapitel 38 · Nachschlageteil

4 Validierung der Score-Systeme für größere Pa-


. Tab. 38.2 APACHE-II-Score und Mortalität. (Nach
tientenkollektive → sie können daher z. B. für Daten aus Knaus et al. 1985)
die Prognose eines einzelnen Patienten nicht
herangezogen werden! APACHE-II- Krankenhausmortalität (%)
4 Die meisten gegenwärtigen Score-Systeme wei- Score-Punkte
sen eine hohe Spezifität auf o Überleben der Nichtoperativ Operativ

Patienten kann mit ca. 90 %iger Wahrschein- 0–4 4 0–4


lichkeit vorhergesagt werden!
5–9 6 5–9
4 Die Sensitivität der Score-Systeme ist hinge-
gen nur mittelmäßig → die Wahrscheinlich- 10–14 12 10–14
keit zu versterben kann nur mit 50–70 % Si- 15–19 22 15–19
cherheit richtig vorhergesagt werden! o kei-
20–24 40 20–24
ne Vorhersage der individuellen Mortalität,
sondern nur für Patientenkollektive. 25–29 51 25–29
4 Zusammensetzung der Scoresysteme aus (pa- 30–34 71 30–34
tho)physiologischen Parametern, biographi-
≥ 35 82 ≥35
schen Daten wie z. B. Alter, dem klinischen
Aufnahmebefund sowie Begleiterkrankungen
etc. 5 einem akuten physiologischen Score
5 einem altersbezogenen Score und
5 einem Score, der chronische Vorerkrankun-
38.2.1 Ziele der Score-Systeme gen beurteilt
5 Entwicklung der Erstversion 1981 von
4 quantitative Erfassung des primären Krank- Knaus et al.
heitsschweregrades 4 APACHE-II-Score wurde 1985 aus ca. 6000 In-
4 Erfassung des Krankheitsverlaufes, z. B. das tensivpatienten abgeleitet (. Tab. 38.2, . Tab.
Ansprechen auf therapeutische Interventionen 38.3)
und Therapiekonzepte 5 Punktwerte variieren zwischen 0 und maxi-
4 Prognosebeurteilung (eingeschränkt verwert- mal 8 Punkten
bar!) 5 Beurteilung von 14 Parametern
4 Leistungserfassung 5 maximale Gesamtpunktzahl: 70
! Der APACHE-II-Score ist nicht anwendbar auf
Verbrennungspatienten sowie Patienten
38.2.2 Score-Formen
nach herz- oder thoraxchirurgischen Eingrif-
fen. Nur zur Mortalitätsbeurteilung in den
Je nach Art der Zielsetzung unterscheidet man:
ersten 24 h nach Aufnahme auf die Intensiv-
4 Outcome-Scores (z. B. SAPS-II-Score)
station zugelassen!
4 Verlauf-Scores
4 Aufwand-Scores (z. B. TISS-28-Score) 4 APACHE III wurde 1991 aus ca. 17.000 Intensiv-
patienten abgeleitet:
5 Punktwerte variieren zwischen 0 und maxi-
38 38.2.3 Beispiele für verschiedene mal 48 Punkten
Score-Systeme 5 Beurteilung von 18 Parametern
5 maximale Gesamtpunktzahl: 299
APACHE (Acute Physiology and Chronic 4 Nicht berücksichtigt sind beim APACHE-III-
Health Evaluation) Score:
4 Outcome-Score 5 Patienten <16 Jahre
4 Zusammensetzung aus 3 Teilen: 5 Verbrennungspatienten
38.2 · Score-Systeme
671 38

. Tab. 38.3 Punkteverteilung des APACHE-II- und . Tab. 38.4 TISS-Score


-III-Score
TISS-Leistung Punkte
Parameter APACHE-II APACHE-III- pro Tag
Punkte
Apparative Beatmung 5
Alter 0–5 0–24
Infusion multipler Katecholamine (>1) 4
Chronische Vorerkran- 2–5 4–23
Flüssigkeitsersatz in hohen Mengen 4
kung
(>5 l/24 h)
Rektale Körper- 0–4 0–20
Peripherer arterieller Katheter 5
temperatur
Linksvorhofkatheter/Pulmonaliskatheter 8
Herzfrequenz 0–4 0–17
Hämofiltration/Dialyse 3
Atemfrequenz 0–4 0–18
Intrakranielle Druckmessung 4
Arterieller Mitteldruck 0–4 0–23
Behandlung einer metabolischen 4
Arterielle Oxygenierung 0–4 0–15
Azidose/Alkalose
Arterieller pH-Wert 0–4
Spezielle Interventionen (Kardioversion, 5
S-Natrium 0–4 0–4 Tracheotomie)

S-Kalium 0–4 Aktionen außerhalb der Station 5


(Operationen/Diagnostik)
S-Kreatinin 0–8 0–7 ohne
akute Nieren-
insuffizienz

0–10 mit
Modifizierter TISS-Score
akuter Nieren- Im DRG-Zeitalter wird ab 2005 die intensivmedizi-
insuffizienz nische Komplexbehandlung (Kode 8–980.–) mit
Harnzeitvolumen/24 h 0–15 Hilfe des modifizierten SAPS-II- und des auf 10
Kriterien reduzierten TISS-Score (. Tab. 38.4) abge-
S-Harnstoff 0–12
bildet!
HKT 0–4 0–3

Leukozyten 0–4 0–19 Lung Injury Score (LIS) von Murray


(1988)
Glasgow Coma Scale 0–12
4 Ziel des Scores ist die Beurteilung der Lungen-
S-Bilirubin 0–16
funktion z. B. beim ARDS
4 4 Kriterien werden beurteilt und bepunktet
(. Tab. 38.5)
5 Patienten mit akutem Thoraxtrauma 4 Beurteilung nach der Summe der Gruppen-
5 kardiochirurgische Patienten werte, dividiert durch die Anzahl der beurteil-
4 Zusammensetzung des APACHE-Scores aus ten Gruppen (. Tab. 38.6).
3 Teilen: Severity (= Vitalparameter), Age und
Comorbidity Kardialer Risikoindex nach Goldman
4 APACHE-III-Score fand in den letzten Jahren 4 nicht anwendbar für kardiochirurgische
nur geringe Verbreitung! Patienten
4 Zur Beurteilung des Mortalitätsrisikos für die 4 Score zur präoperativen Einschätzung des
ersten 7 Tage evaluiert. Operationsrisikos (. Tab. 38.7)
4 Anhand der erhobenen Punkte können Klas-
senzuordnungen erfolgen (. Tab. 38.8).
672 Kapitel 38 · Nachschlageteil

. Tab. 38.5 Lung Injury Score . Tab. 38.7 Kardialer Risiko-Score nach Goldmann

Befund Punkte Kriterien Risikopunkte

Röntgenbefund der Lunge Vorgeschichte

Beurteilung nach der Anzahl der Qua- 0–4 Alter >70 Jahre 5
dranten mit alveolärer Verschattung
Myokardinfarkt in den vergangenen 10
Hypoxämie/Oxygenierungsstörung beurteilt nach 6 Monaten
Horovitz-Index
Körperliche Untersuchung
paO2/FIO2 ≥300 mmHg 0
3. Herzton, Galopprhythmus oder 11
225–299 mmHg 1 Jugularvenenstauung

175–224 mmHg 2 Hochgradige Aortenstenose 3

100–174 mmHg 3 EKG

<100 mmHg 4 Anderer Rhythmus als Sinusrhythmus 7


oder supraventrikuläre Extrasystolen
PEEP ≤5 cmH2O 0
(ES) im letzten präoperativen EKG
6–8 cmH2O 1
Mehr als 5 ventrikuläre ES/min, 7
9–11 cmH2O 2 die zu irgendeiner Zeit vor der
Operation dokumentiert wurden
12–14 cmH2O 3
Allgemeiner Status
≥15 cmH2O 4
paO2 <60 mmHg oder paCO2 3
Compliance ≥80 ml/cmH2O 0 >50 mmHg oder K+ <3,0 mval/l oder
60–79 ml/cmH2O 1 HCO3– <20 mmol/l oder Serumharn-
stoff >50 mg% oder Serumkreatinin
40–59 ml/cmH2O 2 >3,0 mg% oder erhöhte SGOT,
20–39 ml/cmH2O 3 Zeichen der chronischen Leberer-
krankung Bettlägrigkeit des Patient
≤19 ml/cmH2O 4 aus nichtkardialer Ursache

Operation

Intraperitonealer, intrathorakaler 3
. Tab. 38.6 LIS-Bewertung oder Aorteneingriff

Notfalloperation 4
Punkte Bewertung
Mögliche maximale Punktesumme 53
0 Keine Lungenschädigung

0,1–2,5 Leichte bis mäßige Lungenschädigung


. Tab. 38.8 Einteilung in Risikoklassen
>2,5 Schwere Lungenschädigung

Klasse Punkte Inzidenz von Inzidenz le-


Tod durch bensbedroh-
Herzversa- licher Kompli-
38 gen (%) kationen (%)

I 0–5 0,2 0,7

II 6–12 2 5

III 13–25 2 11

IV >26 56 22
38.2 · Score-Systeme
673 38

. Tab. 38.9 MOD-Score nach Marschall

Parameter Punkte

0 1 2 3

paO2/FIO2 >300 226–300 151–225 76–150

Serumkreatinin (μmol/l) ≤100 101–200 201–350 351–500

Serumbilirubin (μmol/l) ≤20 21–60 61–120 121–240

Puls-Druck-Produkt* ≤10 10,1–15 15,1–20 20,1–30

Thrombozyten (1000/μl) >120 81–120 51–80 21–50

Glascow Coma Scale 15 13–14 10–12 7–9

* Puls-Druck-Produkt = HF × (ZVD/MAP)
HF: Herzfrequenz, ZVD: zentralvenöser Druck, MAP: mittlerer arterieller Druck

Weitere Intensiv-Scores 5 Anzahl der Parameter nach 24 h (MPM 24):


Score-Systeme zur Beurteilung des Über- 13 Parameter, davon 5 Aufnahmeparameter
wachungs- und Behandlungsaufwandes → nicht berücksichtigt ist dasselbe Patien-
4 TISS (Therapeutic Intervention Scoring System) tengut wie beim SAPS II
5 Erfassung des therapeutischen bzw. pflege- 4 Severity of Sepsis Grading (SS)
rischen Aufwandes 5 Beurteilung von Sepsis-Patienten o Ele-
5 Nachteil: älteres Score-System von 1974, bute-Score = spezieller (Sepsis)-Score
modifiziert zuletzt im Jahr 1983: aufwän- 4 HIS (Hannover Intensive Score)
dige Lagerungsmaßnahmen wie z. B. die ki- 4 Injury Severity Score (ISS)
netische Therapie bei ARDS werden nicht 4 Aarauer Sepsis-Score
entsprechend berücksichtigt!
Score-Systeme zur Beurteilung des Schwe-
Score-Systeme zur Prognosebeurteilung regrades von Multiorgandysfunktion
4 Simplified Acute Physiology Score (TAPS I (MODS) oder Multiorganversagen (MOV)
und II) 4 MOF-Score nach Goris (Multiple Organ Fail-
5 Reduktion des 34 Variablen umfassenden ure Score) ▶ Kap. 25
APACHE-I-Scores auf 13 Variablen 4 OSF-Score (Organ System Failure Score) nach
5 Validierung auch auf europäischen Intensiv- Knaus
stationen 4 MOD-Score (Multiple Organ Dysfunction
5 Punkteverteilung 0–26, maximale Punkt- Score) nach Marschall (. Tab. 38.10), der an-
zahl: 182 o nicht berücksichtigt sind beim hand von 692 Patienten einer chirurgischen
SAPS-II-Score: Patienten <18 Jahre, Ver- Intensivstation ermittelt worden ist o im Ge-
brennungspatienten, Patienten mit KHK, gensatz zum APACHE-Score ist eine tägliche
kardiochirurgische Patienten Bestimmung des Score-Wertes zur Verlaufs-
5 nur zur Prognosebeurteilung innerhalb der kontrolle möglich! Die Mortalitätsrate anhand
ersten 24 h zugelassen → keine Beurteilung der erhobenen Punkte gibt . Tab. 38.9 wieder.
der Tag-um-Tag-Letalität! 4 Der neurologische Patientenstatus kann an-
4 MPM II (Mortality Prediction Model) hand der GCS sehr schnell ermittelt werden
5 Anzahl der beurteilten Aufnahmeparameter (. Tab. 38.11).
(MPM 0): 15
674 Kapitel 38 · Nachschlageteil

38.3 Evidenzgrade
. Tab. 38.10 Mortalitätsrate

MOD-Score Mortalität (%) . Tab. 38.12

0 0 . Tab. 38.12 Klassifizierung der »Evidenz«:


»Evidenz«-Level (1–5) und Empfehlungsgrade (A–D)
1–4 1
nach Oxford Centre of Evidence Based Medicine
5–8 3 (1999)

9–12 25 »Evi- Beschreibung


Empfeh-
13–16 50 lungs- denz«-
grad Grad
17–20 75

>20 100 A 1a »Evidenz« durch systema-


tisches Review randomisierter
kontrollierter Studien (RCT)

1b »Evidenz« durch eine geeig-


. Tab. 38.11 Glasgow Coma Scale (GCS) net geplante RCT

Punkte 1c Alle-oder-Keiner-Prinzip

B 2a »Evidenz« durch systema-


Augen öffnen tisches Review gut geplanter
Spontan 4 Kohortenstudien

Auf Ansprache 3 2b »Evidenz« durch eine gut ge-


plante Kohortenstudie/RCT
Auf Schmerzreiz 2 mäßiger Qualität (z. B. <80 %
Follow-up)
Nicht 1
2c »Evidenz« durch Outcome-
Beste motorische Antwort (Extremitäten der besse-
Research-Studien
ren Seite)
3a »Evidenz« durch systema-
Befolgt Aufforderungen 6
tisches Review gut geplanter
Gezielte Abwehr 5 Fall-Kontrollstudien
Wegziehen 4 3b »Evidenz« durch eine Fall-
Kontrollstudie
Pathologische Beugung 3
C 4 »Evidenz« durch Fallserien/
Strecken 2
Kohorten- und Fall-Kontroll-
Keine 1 studien mäßiger Qualität

Beste verbale Antwort (beim Intubierten schätzen) D 5 Expertenmeinung ohne


explizite kritische Bewertung
Orientiert 5
oder basierend auf physiolo-
Verwirrt 4 gischen Modellen, Laborfor-
schungsresultaten oder »first
Wortsalat 3 principles«
Unverständliche Laute 2
38 Keine 1
Ausgewählte Literatur
Summe maximal 15 Punkte
minimal 3 Punkte Knaus WA, Draper EA, Wagner DP, Zimmerman JE (1985)
Prognosis in acute organ system failure. Ann Surg
202:685–693
Teasdale G, Jennett B (1974) Assessment of coma and im-
paired consciousness. A practical scale. Lancet 13:81–84
675

Serviceteil
A Umrechungstabellen – 676

Stichwortverzeichnis – 682

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
676 Serviceteil

A Umrechnungstabellen

Die Einheiten des internationalen Einheitensystems


(SI-Einheiten) sind durch das »Gesetz über Einhei-
ten im Messwesen in Deutschland« verbindlich ge-
worden (SI = Système International d’Unités = In-
ternationales Einheitensystem).
> Im geschäftlichen und amtlichen Verkehr
dürfen nur SI-Einheiten verwendet werden!

A.1 Umrechnungstabellen für Laborwerte – Normalwerte (SI-Einheiten)


(. Tab. A.1, . Tab. A.2, . Tab. A.3)

. Tab. A.1 Untersuchungen im Blut

Parameter Normwerte Umrechnungs-


faktor (×)
Konventionelle Einheit SI-Einheit

Hämatokrit E ᄝ: 41–50 %

ᄛ: 46 %

Erythrozyten E ᄝ: 4,5–5,9 Mio./ml

ᄛ: 4,0–5,2 Mio./ml

Hämoglobin E ᄝ: 14–18 g/dl ᄝ: 8,7–11,2 mmol/l 0,62

ᄛ: 12–16 g/dl ᄛ: 7,5–9,9 mmol/l

MCH E 27–34 pg

MCHC E 30–36g/dl

MCV E 85–98 fl

Leukozyten E 4000–11.000/μl

Differenzialblutbild E

Granulozyten

Stabkernige neutr. G. 0–5 %

Segmentkernige neutrophile G. 50–70 %

Eosinophile G. 0–5 %

Basophile G. 0–2 %

Monozyten 2–6 %

Lymphozyten 25–45 %

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
677
A · Umrechnungstabellen

. Tab. A.1 (Fortsetzung)

Parameter Normwerte Umrechnungs-


faktor (×)
Konventionelle Einheit SI-Einheit

Thrombozyten E 150.000–400.000/μl

Retikulozyten E 4–15‰ (20.000–75.000/ml)

BSG (BKS) Z ᄝ: 3–10 mm (1h)

ᄛ: 6–20 mm (1h)

C-reaktives Protein (CRP) P/S <10 mg/l

Natrium S 135–145 mmol/l

Kalium S 3,5–5,5 mmol/l

Chlorid P/S 98–112 mmol/l

Kalzium (gesamt) S 2,2–2,6 mmol/l

Kalzium (ionisiertes) 1,1–1,4 mmol/l

Magnesium S 1,75–4 mg/dl 0,7–1,6 mmol/l 0,41

Phosphat S 0,77–1,55 mmol/l

Eisen S ᄝ: 80–150 μg/dl ᄝ: 14–27 μmol/l 0,179

ᄛ: 60–140 μg/dl ᄛ:11–25 μmol/l

Ferritin S 30–200 mg/l

Transferrin S 200–400 mg/dl 2,0–4,0 g/l 0,01

Blutgase (arteriell) pH B 7,35–7,45

pO2 70–100 mmHg 9,31–13,3 kPa 0,133

pCO2 36–44 mmHg 4,78–5,85 kPa 0,133

BE –2,5 bis +2,5 mmol/l

Standard-Bikarbonat 22–26 mmol/l

CO-Hb S 0,5–1,5 % (Raucher 5 %)

Met-Hb S 0,2–1,5 %

Fibrinogen P 200–450 mg/dl 5,9–13,5 μmol/l 0,03

Partielle Thromboplastinzeit P 20–45 s


(PTT)

Thrombinzeit (TZ) P 17–24 s

Thromboplastinzeit (Quick) P 70–130 %

Antithrombin (AT III) S 75–125 %

Gesamteiweiß S 6–8,4 g/dl 60–84 g/l 10

Eiweißelektrophorese (Elektro- S
phorese)
678 Serviceteil

. Tab. A.1 (Fortsetzung)

Parameter Normwerte Umrechnungs-


faktor (×)
Konventionelle Einheit SI-Einheit

Albumin 3,5–5,5 g/dl (45–68,6 %) 35–55 g/l 10

α1-Globulin 0,13–0,39 g/dl (1,4–3,4 %) 1,3–3,9 g/l 10

α2-Globulin 0,54–0,93 g/dl (4,2–7,8 %) 5,4–9,3 g/l 10

β-Globulin 0,59–1,14 g/dl (7–10,4 %) 5,9–11,4 g/l 10

γ-Globulin 0,58–1,52 g/dl (12,1–17,7 %) 5,8–15,2 g/l 10

Immunglobulin A (IgA) S 0,09–0,45 g/dl 0,9–4,5 g/l 10

Immunglobulin G (IgG) S 0,8–1,8 g/dl 8–18 g/l 10

Immunglobulin M (IgM) S 0,06–0,26 g/dl 0,6–2,6 g/l 10

Freies Thyroxin (fT4) S 0,5–2,3 ng/dl 7–30 pmol/l 14

Freies Triiodthyronin (fT3) S 3,0–6,0 pg/ml 4,6–9,2 pmol/l 1,53

Thyreoglobulin S <50 ng/ml

TSH basal S 0,3–3,5 mU/l

TBG S 12–30 μg/ml

Bilirubin (gesamt) P/S 0,2–1,1 mg/dl 3,4–18,8 μmol/l 17,1

direkt P/S 0,05–0,3 mg/dl 0,9–5,1 μmol/l

indirekt P/S <0,8 mg/dl <13,7 μmol/l

α-Amylase P/S <140 U/l

Lipase S 30–180 U/l

Alkalische Phosphatase (AP) P/S 65–220 U/l

LDH S 120–240 U/l

GOT S ᄝ: <18 U/l

ᄛ: <15 U/l

GPT S ᄝ: <22 U/l

ᄛ: <17 U/l

γ-GT S ᄝ: 6–28 U/l

ᄛ: 4–18 U/l

Kreatinkinase (CK) P/S <80 U/l

CK-Isoenzym MB (CK-MB) P/S <6 % der CK

Cholinesterase (CHE) S 3000–8000 U/l

Kreatinin S 0,5–1,2 mg/dl 44–106 μmol/l 88,4

Harnstoff S 10–55 mg/dl 1,7–9,3 mmol/l 0,17


679
A · Umrechnungstabellen

. Tab. A.1 (Fortsetzung)

Parameter Normwerte Umrechnungs-


faktor (×)
Konventionelle Einheit SI-Einheit

Harnsäure S 2,6–6,4 mg/dl 155–384 μmol/l 60

Laktat S 6–20 mg/dl 0,66–2,22 mmol/l 0,111

Cholesterin (gesamt) P/S 120–240 mg/dl 3,1–6,2 mmol/l 0,026

HDL P/S >50 mg/dl > 1,3 mmol/l

LDL P/S <150 mg/dl <3,87 mmol/l

Triglyzeride S 75–200 mg/dl 0,83–2,3 mmol/l 0,0112

Glukose nüchtern B/S 70–100 mg/dl 3,9–5,6 mmol/l 0,0555

HbA1 E 5–8 % des Hb

HbA1C E <7 % des Hb


(<8–9 % bei Diabetikern)

Osmolalität S 280–300 mosm/kg

Ammoniak P/S ᄝ: 19–80 μg/dl ᄝ: 11–48 μmol/l 0,59

ᄛ: 25–94 μg/dl ᄛ: 15–55 μmol/l

B: Vollblut, P: Plasma, S = Serum, Z: Zitratblut, E: EDTA-Blut

. Tab. A.2 Untersuchungen im Urin

Parameter Normwerte

Konventionelle Einheit SI-Einheit

Chlorid* U 160–178 mmol/24 h

Kalium* U 30–100 mmol/24 h

Kalziuma U 4,0–5 mmol/l

Natriuma U 120–220 mmol/24 h

Osmolalität U 800–1400 mosm/kg

α-Amylase U <1500 U/l

U: Urin
* Werte stark nahrungsabhängig
680 Serviceteil

. Tab. A.3 Nierenfunktionstest

Parameter Normwerte

Konventionelle Einheit SI-Einheit

Kreatinin-Clearance S/U 90–130 ml/min


(altersabhängig)

A.2 Umrechnungstabellen für sonstige Einheiten


(. Tab. A.4, . Tab. A.5, . Tab. A.6, . Tab. A.7)

. Tab. A.4 Einheiten für Druck und Festigkeit

Pa* Bar* cmH2O at atm Torr (mmHg)

1 Pa (=1 N/m2 = 10 1 0,00001 1,01972 × 10–2 1,01972 × 10–5 0,98692 × 10–5 0,00750062
dyn/cm2)

1 bar 100.000 1 1019,72 1,01972 0,98692 750,062

1 cmH2O 98,0665 980,665 1 0,001 0,967841 × 10–3 0,735559

1 at (=1 kp/cm2) 98.066,5 0,980665 1000 1 0,967841 735,559

1 atm 101.325 1,01325 1033,22 1,03322 1 759,9988

1 Torr (= 1 mmHg) 133,3224 0,001333224 1,35951 0,00135951 1,31579 × 10-3 1

* Gesetzliche Maßeinheiten

. Tab. A.5 Einheiten der Energie, Arbeit und Wärmemengen

J* kWh* kcal

1 J (= 1 Nm = 1 Ws) 1 2,77778 ×10-t 2,38920 × 10-4

1 kWh 3 600 000 1 860,11

1 kcal 4186,8 1,16264 × 10-3 1

* Gesetzliche Maßeinheiten
681
A · Umrechnungstabellen

. Tab. A.6 Flüssigkeitsmaße für Arzneimittel (1 cm3 = 1 ml)

1 Wasserglas 170–220 cm3

1 Tasse 150 cm3

1 Esslöffel 15 cm3

1 Dessertlöffel 10 cm3

1 Teelöffel 5 cm3

. Tab. A.7 Einheiten der Leistung (= Energiestrom, Wärmestrom)

W* kW kcal/s kcal/h kp m/s PS

1 W (= 1 Nm/s = 1 J/s) 1 0,001 2,39 × 10-4 0,860 0,102 0,00135962

1 kW 1000 1 0,239 860 102 1,35962

1 kcal/s 4190 4,19 1 3600 t 5,69

1 kcal/h 1,16 0,00116 0,0002778 1 0,119 0,00158

1 kp m/s 9,81 0,00981 0,00234 8,43 1 0,0133

1 PS 735,49875 0,73549875 0,176 632 75 1

* Gesetzliche Maßeinheit
682 Serviceteil

Stichwortverzeichnis

A Aminoglykoside 226, 229, 287


Aminopenicilline 287
– Organtoxizität 222
– zeitabhängig wirkende 224
Aarauer Sepsis-Score 673 Amino-Penicilline 225 Antibiotikaresistenz, Ursachen 242
Abciximab 438, 641 Aminosäuren, glukoplastische 142 Antibiotikatherapie
ACE-Hemmer 544 Amiodaron 569, 570 – bei Sepsis 462
Acetylcholinsynthese 130 – Reanimation 210 – Dauer 222
Acetylsalicylsäure 437, 637, 642 Amlodipin 500 Anticholinergika 410
Acinetobacter-baumannii-Pneumonie Amoxicillin 237, 268 Antidepressiva, trizyklische 423
288 Amphetamine 420 antidiuretisches Hormon 79
ACTH-Test 464 Amphotericin B 248, 250, 257, 269, Antidote 429
activated clotting time 644 271 Antiepileptika 530
acute lung injury 475 – liposomales 314, 317 Antifibrinolytika 663
Acute-on-chronic-Leberversagen Ampicillin 224, 236, 268, 318 Antihistaminika 408
361, 368 Amyloidangiopathie 508 Antikoagulanzien 437
acute respiratory distress syndrome AnaConDa 120 Antikoagulation 437, 544, 635, 658
7 Siehe ARDS Analgesie 110 Antikörper, leukozytäre 105
adaptive lung ventilation 181 – Monitoring 110 Anti-Mannan-Antikörper 462
Adenosin 569 – regionale 122 Antimykotika 248
ADH-Sekretion 508, 510 – situationsangepasste 110 – Auswahl 313
Adrenalin 491, 569 Analgesiegrad 111 – Dosierung 316
– anaphylaktischer Schock 586 Analgesiekonzept 113 – Einteilung 248
– Dosierung 69 – perioperatives 117 – Pharmakokinetik 256
– hämodynamische Auswirkungen Analgetika – Wirkprinzipien 248
73 – adjuvante Substanzen 115 – Wirkspektrum 259
– Indikationen 68 – Anforderungen 111 Antioxidanzien 154, 451
– Kontraindikationen 68 – intravenöse 121 Antithrombin 635, 645
– Nebenwirkungen 69 – stark wirksame 120 Antithrombinsubstitution 465
– Reanimation 209, 212, 214 Anämietoleranz 100 Anxiolyse 110
– Wechselwirkungen 69 Anästhetika, volatile 359 Aortenklappenendokarditits 272
Adrenorezeptoren 66 Aneurysma-Clipping 509 Aortenklappeninsuffizienz 546
– Down-/Up-Regulation 67 Aneurysma-Coiling 509 Aortenklappenstenose 546
– physiologische Wirkungen 67 Anfall, epileptischer 509 APACHE-Score 670
Advanced Life Support Angina pectoris, instabile 432 Apixaban 636
– Erwachsene 205 Angioödem 585 Apoptose 580
– Kinder 211 Angiopathie 650 Aprotinin 644
Aerophagie 163 Angiotensinogenrezeptor-Blocker APRV 167
airway pressure release ventilation 544 ARDS 443
167 Angiotensinrezeptor-Blocker 542 – Definition 444
Ajmalin 569 Anidulafungin 249, 254, 256, 258, 314 – Klinik 444
AKIN-Kriterien 338 Ansamycine 244 – parapneumonische 445
Akupunktur 397 Antabussyndrom 131 – Pathophysiologie 445
akutes Koronarsyndrom 431 Antazida 410 – septisch induzierte 466
Albumin 365 Antiabsorptiva 393, 396 – Therapie 446
Albumindialyse 366 Antiarrhythmika 569, 571, 582 – Ursachen 444
Aldosteronantagonisten 542, 544 Antibiotika 221 Argatroban 348, 636
Alkalose – Applikationsformen 224 Arginin-Vasopressin 79
– hypokaliämische 622 – bakteriostatische 222, 242 Aspergillose 316
– metabolische 626 – Bioverfügbarkeit 224 – Diagnostik 317
Alkoholabusus 126, 264 – Einteilung 222 – Therapie 317
Alkoholentzug 130 – Kombination 222 Aspergillus 264, 307, 308, 310
Alteplase 440, 512 – konzentrationsabhängig wirkende Aspirationspneumonie 280, 508, 513
Aluminiumhydroxid 410 224 Asystolie 566
ALV 181 – Nebenwirkungen 222 Aszitespunktion 364
Ambroxol 451 – Niereninsuffizienz 224, 236 ATCATC 182

M. Fresenius et al., Repetitorium Intensivmedizin,


DOI 10.1007/978-3-642-44933-8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
683 A–C
Stichwortverzeichnis

Atemmuskeln 594 – ultraprotektive 447, 449 Bronchiolen 16


Atemwegswiderstand 603 Beatmungsformen 163 bronchoalveoläre Lavage 11, 281
Atemzugvolumen 597 Behavioral Pain Scale 110, 111 Bronchopneumonie 280
Atlanta-Klassifikation 372 Belastungsdyspnoe 265 Bronchoskop 10
Atmung Belegzellen 406 Bronchoskopie
– äußere 594 Benzer-Quotient 606 – diagnostische 10
– innere 595 Benzodiazepine 117, 530 – Komplikationen 12
Atropin 419, 569 – Intoxikation 421 – Monitoring 12
Augmentan 237 Beraprost 500 – therapeutische 10
Autoimmunhepatitis 362, 363 Berlinerblau 419 Brucella 271
Auto-PEEP 161 BESD 111 Brugada-Syndrom 435, 569, 572
AV-Blockierung 567 Best-PEEP 161 Bruxismus 421
AV-Knoten-Reentry-Tachykardie 571 Bewusstseinsstörungen 510 Budd-Chiari-Syndrom 362
Azalide 232 Bilirubinämie 27 buffy coat 92
Azathioprin 372 Bioimpedanz 50 Bypassoperation 546
Azidose Bioreactance 50 Bypass-System, perkutanes kardiopul-
– hyperchlorämische 613 BIPAP monales 84
– intrazelluläre 622 – Formen 167
– metabolische 343, 626 – genuiner 167
– respiratorische 625
– transfusionsbedingte 107
Biperiden 419, 423
biphasic positive airway pressure
C
Azithromycin 224, 232, 242 7 Siehe BIPAP Caisson-Erkrankung 200
Azole 250 Bisacodyl 396 Candesartan 542
Azotämie 143 BIS-Monitor 111 Candida 264, 307
Aztreonam 243 Bisoprolol 542 – albicans 307
Bivalirudin 437, 636 Candidaendokarditis 255
Bland-White-Garland-Syndrom 432 Candidameningitis 255, 320
B Blasenkatheter 57
– suprapublischer 57
Candidämie 308
– Diagnostik 310
Baclofen 329 Blastomykose 307 – Erregerspektrum 308
Bakterien Blockade, neuromuskuläre 110 – Inzidenz 308
– gramnegative 220 Blutdruckautomat 22 – Klinik 310
– grampositive 220 Blutdruckmessung 21 – Nachweis 311
Bakteriologie 220 – invasive, Zugangswege 24 – Therapie 313
Ballaststoffe 151 – nach Riva-Rocci 22 Candidaösophagitis 255
Ballonatrioseptostomie 503 – palpatorische 22 Candidaosteomyelitis 255
Ballondilatation, transluminale 511 Blutfluss Candidaperitonitis 255
Ballongegenpulsation, intraaortale – renaler 159 Candidaprophylaxe 255
83, 547, 584 – zerebraler 521 Candida-Score 311, 313
balloonless air tonometry 391 Blutflussgeschwindigkeitsmessung 62 Candidiasis, invasive 462
Barotrauma 159, 161 Blutgerinnung 7 Siehe Gerinnung Candidose, akuter disseminierte 255
Bartonella 271 Blutgerinnungsstörungen 476 Candidurie 309
Basic Life Support Blutgruppenbestimmung 100 capillary leak 458, 562
– Erwachsene 205 Blut, Normalwerte 97 capnometric recirculating gas tono-
– Kinder 211 Blutprodukte 91 metry 391
Bauchlagerung 447, 466 Blutrückgewinnung, autologe 100 Caput medusae 359
Beatmung Bluttransfusion 7 Siehe Transfusion Carbapeneme 226, 228, 230, 287, 378
– druckkontrollierte 165 Blutung, akute 661 Carboanhydrase 25
– lungenprotektive 466 Blutungszeit 646 Carbo medicinalis 416
– maschinelle Blutzuckerkontrolle 466 cardiac cycling 23
– Indikationen 158 Bosentan 500 Cardiac-power-Index 536
– Nachteile 159 Boyle-Mariotte-Gesetz 200 CardioHelp-System 84
– nichtinvasive 193 Bradycor 523 CARS 458
– Durchführung 195 Bradykardie 566 Carvedilol 542
– Indikationen 194 brain natriuretic peptide 508 Caspofungin 249, 254, 256, 258, 314,
– Kontraindikationen 194 Bridging-Konzept 512 317
– proportional unterstützende 181 Bronchialbaum 16 Cefaclor 238
– seitendifferente 170 Bronchien 16, 594 Cefadroxil 238
684 Serviceteil

Cefalexin 238 Clostridium-difficile-Toxin 327, 400 Dalbavancin 235


Cefazolin 269 clot firmness 649 damage-control resuscitation 652
Cefepim 238 clot formation time 649 Danaparoid-Natrium 351, 636, 658,
Cefetamet 239 clot observation time 645 659
Cefixim 239 CMV 165 Daptomycin 222, 234
Cefotaxim 238, 256 CO2-Elimination, extrakorporale 184, Darmatonie
Cefotiam 238 186 – Komplikationen 392
Cefoxitin 237 CO2-Eliminationskapazität 170 – postoperative 392
Cefpodoxim 239 CO2-Eliminationskoeffizient 170 Darmdekontamination 256
Ceftarolin 238 CO2-Eliminatoren 448 Darmdekontamination, selektive 295,
Ceftarolinfosamil 227 CO2-Konzentration, endexspiratorische 300, 463
Ceftazidim 238 27 Darmischämie 392
Ceftibuten 239 CO2-Partialdruck, arterieller 25 Darmmotilität, Anregung 152
Ceftriaxon 238, 269, 271, 321 coagulation time 649 Darmperfusion, Verbesserung 393
Cefuroxim 237 Coiling 509 D-Dimer-Antigen 487
Cefuroximaxetil 224, 238 Colistimethat-Natrium 240 D-Dimere 645
Cephalosporine 225, 227, 228 Coma hepaticum 429 D-Dimer-Spiegel 657
– 1. Generation 227 Commotio cerebri 519 DeCap-System 448
– 2. Generation 227 community acquired pneumonia 278 Defektkoagulopathie 650
– 3. Generation 227 compensatory antiinflammatory Defibrillation
– 4. Generation 227 response syndrome 458 – biphasische 205, 209
– 5. Generation 227 Compliance – Kinder 214
– orale 238 – dynamische 160 – monophasische 205, 209
– parenterale 237 – effektive 160 Defibrillator 547
Cephazolin 237 – spezifische 160 – automatisierter externer 205, 207
Ceruletid 395 – statische 159, 603 – Kinder 214
CFV 170 Confusion-Assessment-Methode 123 Dehydratation, hypertone 621
Chagas-Krankheit 538 Continuous-flow-CPAP 163, 170 Dekolonisation 304
Chandler-Sonde 41 continuous positive airway pressure Dekompressionsbehandlung, subok-
Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung 514 7 Siehe CPAP zipitale 513
Chinolone 222, 223, 226, 230 continuous positive pressure Dekompressionskraniotomie 523
Chloramphenicol 320 ventilation 165 Dekompressionskrankheit 200
Chlorhexidin 463 Contusio cerebri 519 Dekontamination
Cholangiographie, endoskopisch- Corynebakterien 220 – oropharyngeale 256
retrograde 378 Cotrimoxazol 242, 271, 288 – selektive orale 300, 463
Choledochusstenose 376 CPAP 163, 436 Delir 122
Cholezystektomie 380 – bei Kindern 164 – akinetisches 122
Cholezystokinin 385 CPAP-Systeme 163 – bei Opioidentzug 131
Cholinesterase 360 CPIS 283 – hyperkinetisches 122
Cholinesterasehemmer 395 CPP-Konzept 521 – Management 122
Ciaglia BlueDolphin 6 C-reaktives Protein 279 – Monitoring 110
Ciaglia-Technik 5 critical illness myopathy 158 – Risikofaktoren 122
Cilastatin 239 critical illness polyneuropathy 158, – Score-Systeme 123
Cilostazol 642 479 – Therapie 123
Ciprobay 321 critical immunogenetic load of leuco- Delirium Detection Score 123
Ciprofloxacin 224, 243, 268 cytes 105 Demand-flow-CPAP 163
Cisaprid 395 Crush-Niere 344 Dengue-Fieber 362
Citratantikoagulation 349 CURBS-Kriterien 282 Denitrogenisierung 609
Citrullin 500 Curley-Linien 280 Desaturation 60
Clarithromycin 242 Cyanidintoxikation 83 Desferoxamin 419
Clavulansäure 237, 268 Cytochromoxidase 427 Desirudin 636
Clindamycin 224, 242 Cytomegalie-Virus-Infektion 463 Desmopressin 589
Clonazepan 529 Desoxyhämoglobin 20
Clont 327 Dexamethason 321
Clopidogrel 437, 637, 642
closing volume 598
D Dexmedetomidin 119
Dexpanthenol 395
Clostridium-difficile-Infektion 294, Dabigatran 636 Diabetes insipidus 625
326, 474 Dalbacin 235 Dialyse 343
685 C–E
Stichwortverzeichnis

– Dosis 348 – intrapleuraler 601 Enolase, neuronenspezifische 62


– Gerinnungshemmung 348 – kolloidosmotischer 612 Enoxacin 244
– Indikationen 343 – pulmonalarterieller 498 Enoxaparin 437
– intensivierte 346 Druckkurve, arterielle 23 Enterokokken
– Komplikationen 344 drug fever 474 – multiresistente 245
– Lösungen 346 Drug-Monitoring, therapeutisches – vancomycinresistente 222, 245,
– Medikamentendosierung 351 252 302, 306
– Membranmaterialien 345 Duke-Kriterien 266 Entzugssymptomatik 123
Dialyseschwelle 343 Dünndarmileus Enzephalopathie
Dialyseverfahren – hoher 399 – hepatische 361, 362
– extrakorporale 344 – mechanischer 399 – septische 459
– intrakorporale 344 – tiefer 399 Epiduralhämatom 523
Diarrhö Dünndarm, Motilität 386 Epilepsie 528
– Clostridium-difficile-assoziierte Duraverschluss, operativer 523 – fokale 529
326 Durchzugstracheostomie, translaryn- – idiopathische generalisierte 529
– Therapie 401 geale 8 Eplerenon 543
– Ursachen 400 Dysäquilibriumssyndrom 344 Epoprostenol 500
Diathese, hämorrhagische 650 Dyshämoglobin 26 Epstein-Barr-Viren 362
Diazepam 530 Dyspnoe 536 Eptifibatid 438, 641
DIC 652 Erbrechen, induziertes 416
Dickdarmileus 399 Erkrankungen, neuromuskuläre 196
Dickdarm, Motilität 386
Digitalis 500, 545, 546
E Ernährung
– enterale 397
Digitalisantikörper 423 early onset pneumonia 278 – Kontraindikationen 153
Digitalisintoxikation 422 ecarin clotting time 645 – gastrale 151
Digoxin 569 Echinocandine 248, 249, 254, 314 – jejunale 151
Dilatationstracheotomie Echokardiographie – parenterale 136
– perkutane 5, 9 – Herzklappenvitien 55 – Aminosäuren 143
– Vorteile 9 – Indikationen 52 – Applikation 151
Diltiazem 422, 500, 569 – transösophageale 51 – Fette 144
Dilutionshyponatriämie 364 – transthorakale 51, 490, 540 – Glukose 141
Dilutionsventilation, forcierte 169 ECLA 186 – Glutamin 144
DIND 510 ECMO 174, 184, 448, 584 – Indikationen 136
2,3-Diphosphoglycerin 107 – Einschlusskriterien 185 – Monitoring 137
Diurese, forcierte 417 – Komplikationen 185 – partielle 136
Diuretika 500, 542, 546 Edoxaban 636 – Substitution von Spuren-
– kaliumsparende 543 Einsekundenkapazität 599, 603 elementen 149
Dobutamin 73, 491 Elastinfasern 281 – supplimentierende 467
Domperidon 395 Elektrolythaushalt, Störungen 621 – totale 136
Dopamin Elektrolytlösung, hypertone 620 – Vitaminsubstitution 149
– Dosierung 71 Endokarditis Ernährungstherapie
– endogenes 70 – Antibiotikatherapie 322 – Indikationen 135
– hämodynamische Auswirkungen – infektiöse 264 – Kontraindikationen 135
73 – Diagnostik 266 – Ziele 134
– Nebenwirkungen 71 – Epidemiologie 264 Erreger, multiresistente 286, 296
Dopaminfreisetzung 70 – Erregerspektrum 264 Ertapenem 231, 239
Doppler-Sonde, ösophageale 49 – Klassifikation 265 Erythromycin 224, 242, 395
Dopplersonographie, transkranielle – Risikofaktoren 264 Erythropoetin 99
62, 520, 552 – Therapie 268 Erythrozytenantikörper 103
Doripenem 228, 239 Endokarditisprophylaxe Erythrozytenkonzentrat 579
Dormicum 529 – Durchführung 274 – Auswahl 101
Doxycyclin 271 – Indikationen 273 Erythrozytenvolumen, Optimierung
Dressler-Syndrom 432 Endothelinrezeptorantagonisten 500 99
Drogenabusus 266 Endothelitis 456 Erythrozyturie 341
Druck endothelium-derived relaxing factor ESBL-bildner 231
– abdomineller, erhöhter 558 634 ESBL-Bildner 222, 305
– intraabdomineller, Messung 561 Energiebedarf ESKAPE 302
– intrakranieller, Messung 58, 519 – Berechnung 138 Esmolol 425, 569
686 Serviceteil

Etacrynsäure 342 Fluorchinolone 287 Gerinnungstests 641


Ethanol 419 Flüssigkeit, interstitielle 612 geschützte Bürste 281
Ethylenglycol 425 Flüssigkeitsbeatmung 450 Gewebefaktor 633
Etilefrin 73 – partielle 179 Gewebsplasminogenaktivator 641
Exhalations-[14C-]-Aminopyrin-Test – totale 179 Giftelimination
360 Flüssigkeitstherapie 463 – primäre 416
Expektoranzien 172 Fokus, dentogener 322 – sekundäre 417
Extrasystolie, supraventrikuläre 582 Fomepizol 425 Glasgow Coma Scale 509, 518, 674
Extrazellulärflüssigkeit 612 Fondaparinux 437, 636, 659 Globalinsuffizienz 537
Extubation Formuladiät 149 Glomerulonephritis
– akzidentelle 187 Fosfomycin 241 – akute 339
– elektronische 182 Frank-Starling-Prinzip 47 – fokal-segmentale 352
Fresh-frozen-Plasma 579, 664 – membranoproliferative 352
– Dosierung 95 – primäre 352
F – Indikationen 95
– Nebenwirkungen 95
Glomerulopathie, fibrilläre 352
(1,3)-β-D-Glukan 462
Faktor-IX-Mangel 650 Friedreich-Ataxie 514 (1,3)-β-D-Glukannachweis 312, 317
Faktor-VIII-Mangel 650 Frova-Technik 6 Glukagon 419, 422
Faktor-VII-Konzentrat 662 Fruchtwasserembolie 585 Glukose, parenterale Ernährung 141
Faktor-Xa-Inhibitoren 639 Furosemid 342, 372 Glukosetoleranztest, oraler 377
Faktor-X-Inhibitoren 636 Glukosurie 341
Famotidin 409 Glutamatdehydrogenase-Test 327
Fantoni-Technik 8
Fast-response-Thermistor 45
G Glutathion-S-Transferase 341
Glyceroltrinitrat 81
Fasziitis, nekrotisierende 328 Galaktomannantest 312, 317 Glycin 424
Fette, Immunmodulation 145 Gallenstein 372 Glykopeptidantibiotika 228, 306
Fettlösungen 145 Gamma-Hydroxybuttersäure 421 Glykopeptidrezeptor-IIb/IIIa-Antago-
– Einfluss auf Immunsystem 145 Ganzgesichtsmaske 195 nisten 641
Fettsäuren Gasembolie 200 goal-directed therapy 38
– essenzielle 146 Gasinsufflation, intratracheale 450 GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
– Mangel 147 Gastrin 385 438
– kurzkettige 145, 149 Gastritis 406 Graft-versus-Host-Krankheit, trans-
– langkettige 145 – hämorrhagische 412 fusionsassoziierte 103, 105
– mittelkettige 145 Gastrografin 396 Griggs-Technik 7
– ungesättigte 145 Gastrointestinaltrakt, oberer, Blutung Grundumsatzänderungen 141
ω-3-Fettsäuren 398 406 Guillain-Barré-Syndrom 95
Fiberbronchoskop 12 Gastrostomie, perkutane endosko- Gyrasehemmer 223
Fiberendoskop, flexibles 10 pische 151 G-Zellen 406
Fibrinmonomere 645 Gefäßspasmus 509
Fibrinogen 633, 644, 663 Gelatine 618
Fibrinolyse 630, 641, 650
Fibrinolysehemmung 641
Gentamicin 243, 268
Gerinnung 630
H
Fibrinolytika 440 – plasmatische 579 HACEK 265, 267, 271
Fick-Prinzip 520 Gerinnungsdiagnostik 632 Haemophilus influenzae 285
Fidaxomicin 241, 327 Gerinnungsfaktoren Hagemann-Faktor 633
Fieber 473 – plasmatische 633 Haldane-Effekt 25, 500
– Definition 473 – Synthesestörungen 650 Hämangiomatose, pulmonal kapilläre
– hohes 265 Gerinnungshemmung 630 498
– septisches 473 – medikamentöse 635 Hämatokrit, Normalwerte 98
– Ursachen 474 – natürliche 634 Hämatom
Fiebersenkung 474 – plasmatische 635 – epidurales 523
Flolan 177 – thrombozytäre 637 – subdurales 523
FloTrac-Sensor 34 – während Dialyse 348 Hämodiafiltration
Flucloxacillin 270 Gerinnungsmanagement 99 – kontinuierliche veno-venöse 347
Fluconazol 250, 251, 252, 257, 314 Gerinnungsstörungen 650 Hämodialyse 346, 417, 424
Flucytosin 252, 257 – akutes Leberversagen 361 – intermittierende 668
5-Flucytosin 271 – Therapie 362, 651 – kontinuierliche arterio-venöse 347
Flumazenil 419, 422 – traumaassoziierte 661 Hämodilution 578
687 E–I
Stichwortverzeichnis

Hämofiltration Herzglykoside 543 Hyperalimentation 134


– hochvolumige 347 Herzindexmessung, kontinuierliche 36 Hyperfibrinolyse 641, 645
– kontinuierliche 668 Herzinsuffizienz 535 Hyperglykämie, Vermeidung 143
– kontinuierliche arterio-venöse 346 – akute 272, 545 Hyperhydratation
– kontinuierliche veno-venöse 347 – bei KHK 545 – diuretikaresistente 343
Hämoglobin – Diagnostik 539 – hypertone 621
– fetales 26 – diastolische 538, 545 – hypotone 621
– Normalwerte 98 – Einteilung 538 Hyperkaliämie 210, 343
– oxygeniertes 20 – Epidemiologie 536 – transfusionsbedingte 107
Hämoglobinkonzentration, minimale – Klinik 539 Hyperkapnie, permissive 447, 448
97 – Pathophysiologie 537 Hyperkoagulabilität 644, 650
hämolytisch-urämisches Syndrom – Prognose 536 Hyperparathyreoidismus, primärer 624
364 – systolische 538, 544 Hyperthermie 420
Hämoperfusion 417, 424 – Therapie 540 – maligne 27
Hämophilie – interventionelle 546 Hypertonie
– A 650 – medikamentöse 541 – arterielle 538
– B 650 Herzkatheteruntersuchung 42 – chronisch-thromboembolische pul-
Hämostase 630 Herzklappenoperation 546 monale 492
– primäre 630 Herz-Kreislauf-Versagen 476 – intraabdominelle 558
– sekundäre 630 Herzrhythmus 19 – pulmonalarterielle 498
Hannover Intensive Score 673 Herzrhythmusstörungen 565 – pulmonale 498
Harnsediment 341 – bradykarde 566 – Neugeborene 174
13C-Harnstoff-Atemtest 412 – tachykarde 568 Hypoalimentation 134
Harnuntersuchung 340 Herzschrittmacher 7 Siehe Schritt- Hypokaliämie, alimentäre 622
Harnwegsinfekt macher Hypokalzämie, nach Massivtransfusion
– katheterassoziierter 296 Herztransplantation 547 106
– nosokomialer 294 Herztroponine 490, 502 Hypokapnie 158
Hartwassersyndrom 344 Herzzeitvolumen, Messung 34, 45 Hypomagnesiämie 508
Harzer-Zeichen 539 h-FABP 490 Hypotension, permissive 652
Hautinfektion 328 Hinterwandinfarkt 433 Hypothermie
HbA1 679 HIPAA-Test 657 – nach Herzstillstand 211
HbA1C 679 HIPA-Test 657 – nach Massivtransfusion 106
health care acquired pneumonia 278 Hirnarterienaneurysma 508 – Nebenwirkungen 215
Helicobacter pylori 412 Hirndruckanstieg 510 – therapeutische 214
HELLP-Syndrom 362, 363 Hirndruckkrise 522 Hypoventilation
Hemikraniektomie 513 Hirninfarkt 511 – alveoläre 606
Hemmkonzentration, minimale 224 Hirnödem 362 – schmerzbedingte 158
Hemolung-System 448 Hirnschädigung 518 Hypovolämie 55
Henry-Gleichung 200 Hirntod – intravasale 456
Heparin 635 – Definition 552 – Therapie 510
– hochmolekulares 635 – Diagnostik 552 Hypoxie
– niedermolekulares 544, 635, 636 Hirntodprotokoll 553 – anämische 359
– unfraktioniertes 348, 437, 490, 544, Hirudin 645 – hypoxische 359
635 Histoplasmose 307 – ischämische 359
Heparinantagonisierung 664 HIT-Antikörper 657 – zelluläre 580
Heparinoid 658 Hochfrequenz-Jet-Beatmung 168 – zytopathische 459
Hepatitis Hochfrequenz-Jet-Ventilation, super-
– B 362, 363 ponierte 169
– C 362
– E 362
Hochfrequenz-Oszillation 168
Hochfrequenz-Oszillationsventilation
I
hepatorenales Syndrom 363 449 Ibutilide 570
Heroin 421 Hochfrequenz-Überdruckbeatmung Icodextrin 344
Herzbeuteltamponade 42 168 ICU-acquired weakness 479
Herz-Druck-Massage 206, 207 Horowitz-Quotient 466 IgA-Mangel, hereditärer 584
– Kinder 213, 214 Hydralazin 543 ILA 186
Herzerkrankung, koronare 538 Hydrochlorothiazide 372 Ileus
Herzfrequenz 19 γ-Hydroxybuttersäure 119, 131 – funktioneller 398
Herzgeräusch 265 Hydroxyethylstärke 463 – mechanischer 386, 398
688 Serviceteil

Ileus Isoxazolyl-Penicilline 225, 268 Kohlendioxidpartialdruck 605, 609


– paralytischer 375, 386, 392, 399 Itraconazol 250, 251, 252, 253, 257, – arterieller 25
– Therapie 400 317 Kohlendioxidproduktion 607
– spastischer 398 Ivabradin 542, 545 Kohlenmonoxidintoxikation 426
Ilomedin 177 IVOX 184 Kohlenmonoxidvergiftung 200
Iloprost 500 Kokain 417
Imipenem 231, 239 Kokzidioidmykose 307
Immunkoagulopathie 650
Immunmodulation, transfusions-
J Kolitis, pseudomembranöse 401, 474
Kolliquationsnekrose 426
assoziierte 102 Janeway-Läsion 266, 267 Kolloide, natürliche 619
Immunnutrition 154, 300 Jugularvenenstauung 536 Kolonisationsindex nach Pittet 311
Impella-System 86 Kolonmassage 397
Indocyaningrüntest 57 Kompartmentsyndrom, abdominelles
Indocyaningrün-Test 360
infant respiratory distress syndrome
K 557
– Einteilung 558
185 Kaliumsubstitution 622 Koniotomie 586
Infarktpneumonie 280 Kallikrein-Kinin-System 577 Kontrastmittel, nephrotoxische 340
infectious serious hazard of transfusion Kalziumantagonisten 343, 500, 511 Kopfschmerz 508
102 – Intoxikation 422 Koronarintervention, perkutane 438
Infektanämie 100 Kalziumglukonat 419 Koronarrevaskularisation 546
Infektion Kalziumkanalblocker 437 Koronarsyndrom, akutes 636, 637
– katheterassoziierte 300 Kalzium-Sensitizer 582 Kortikosteroide 464
– nosokomiale 293 Kalziumsubstitution 624 Krampfanfall 508
– endogene 295 3-Kammer-Beutel 147 – zerebraler 527
– Erregerspektrum 295, 301 Kanonen-a-Welle 33 Kreislaufstabilisierung bei Sepsis 461
– exogene 295 Kaolin 644 Kreislaufunterstützung, mechanische
– Prävalenz 294 Kapnographie 28 583
– Prävention 295 Kardiomyopathie Kreislaufzentralisation 576
– Risikofaktoren 294 – dilatative 418 Kreuzprobe 100
– Therapie 296 – ischämische 538 Kristalloide 463, 613
– Pilze 7 Siehe Pilzinfektion Kardioversion Kryptokokkose 317
Infektionsprophylaxe 300 – elektrische 570 Kumarine 636
Infusionslösungen 147 – medikamentöse 570 Kußmaul-Atmung 425
Injektionsanästhetika 359 Kardioverter, implantierbarer 547
Injury Severity Score 673 Katecholamine 578
Innsbrucker Stufenschema 158
Inotropika 464, 504, 546
– hämodynamische Werkungen 73
– Indikationen 67
L
Instabilität, hämodynamische 54 – natürliche 68 Lachgas 359
Insuffizienz, respiratorische, akute Kawasaki-Syndrom 435 Lacosamid 530
196 Ketoconazol 258 Lagerungstherapie 171
Intensive Care-Delirium-Screening- kidney injury molecule-1 341 β-Laktamallergie 274
Checklist 123 KIM-1 341 β-Laktamantibiotika 222, 225, 462
interdigestiver Motorkomplex 385 Klebsiellen, Carbapenem-resistente – Resistenz 245
Interleukin-18 341 302 β-Laktamaseinhibitoren 228, 229,
intermittent positive pressure ventila- Knollenblätterpilzvergiftung 363, 427 237, 239, 287
tion 165 Koagulation 630 β-Laktamasen 305
interventional lung assist 186 Koagulationsnekrose 426 Laktatazidose 454
Intoxikationen 415 Koagulopathie 650 – Ursachen 388
– Analyse 417 – disseminierte intravasale 650 Laktulose 396, 429
– Informationszentralen 429 – Trauma-induzierte 652 Lambert-Eaton-Syndrom 514
Intrinsic-PEEP 167 Kochsalztest 100 Lamotrigin 513
Ipecacuanha-Sirup 416 Kohlendioxidelimination, extrakor- Langzeitintubation, translaryngeale 4
IPPV 165 porale 184, 186 Laparatomie, explorative 388
IRDS 185 Kohlendioxideliminationskapazität L-Arginin 174
IRV 167 170 Lateralsklerose, amyotrophe 514
ISB 196 Kohlendioxideliminatoren 448 Laugenintoxikation 426
ISHOT 102 Kohlendioxidkonzentration, endexspi- Laxanzien, osmotisch wirksame 396
Isofluran 120 ratorische 27 Laxanzien, osmotisch wirksame 393
689 I–M
Stichwortverzeichnis

Leber – hyperosmolare 578 MDS-Computertomographie 487


– Detoxifikation 366 – hyperton-hyperonkotische 620 MEGX-Test 360
– Histologie 358 – kolloidale 578 Meldepflicht, Infektionen 330
– physiologische Aufgaben 358 – kolloide 614 Membranoxygenierung
Leberbiopsie 362 – kristalloidale 578 – extrakorporale 7 Siehe ECMO
Leberfunktion, Monitoring 57 – kristalloide 613 – intravenöse 184
Leberfunktionsstörungen 358 – pädiatrische 614 Meningismus 319, 508
– Auswirkungen 360 Low-output-Syndrom 49, 392, 464 Meningitis, bakterielle 318
– Diagnostik 359, 362 Luftembolie 200 Meropenem 231, 239
– Klinik 359 Luftwege 16 Meteorismus 386, 399
– metabolisch bedingte 361 Lund-Konzept 521 Methanol 425
– Therapie 362 lung assist device 186 Methicillin 302
– toxisch bedingte 361 Lungenbiopsie 281 Methylenblau 420
Leberperfusion 358 Lungen-Compliance 160 Metoclopramid 395
– Einflussfaktoren 359 Lungenembolie 483, 513 Metoprolol 542, 569
– Regulation 358 – Klinik 485 Metronidazol 224, 244
Lebertransplantation 365 – Prävention 491 Mezlocillin 237
Leberversagen 476 – Risikofaktoren 484 Micafungin 249, 255, 256, 258, 317
– akutes 361, 368 – Risikostratifizierung 486 Miconazol 258
Legionellen 285 – Therapie 490 Midazolam 530
Legionellose 287 Lungeninsuffizienz, transfusions- Milrinon 73
Leitungsanästhesie, periphere 122 assoziierte 95, 103, 104 Minimal-change-Glomerulonephritis
Lepirudin 351, 658 Lungenkapazität, totale 603 352
Leukotriene 146, 584 Lungenödem, neurogenes 508 Minitracheostoma 8
Leukozytendepletion 93 Lungenunterstützung, extrakorporale Miserere 399
Leukozytenzylinder 341 186 Misoprostol 411
Leukozytose 265 Lungenversagen 476 Mitralklappenendokarditis 272
Levetiracetam 513, 530 – akutes 42 mixed antagonistic response syndrome
Levofloxacin 224, 244 Lung Injury Score 671 458
Levosimendan 78 Lupus erythematodes, systemischer 352 MMV 164
LiDCO 39 LVEDP 48 MODS 474
Lidocain 121, 423 Lysetherapie 439, 490 MOD-Score 475, 673
LIDO-Studie 79 – systemische 512 MOF-Score 475, 673
Lifebridge-System 84 Monitoring 17
Lincosamide 228 – Analgesietiefe 110
Lincosamine 226
Linezolid 222, 224, 232, 244, 305, 307
M – bei Sepsis 459
– Delir 110
Linksherzinsuffizienz 537 Magaldrat 410 – Sedierungstiefe 110
– akute 81 Magen Monobactame 226
Lipopeptide 226 – Motilität 384 Morbus Werlhof 650
– zyklische 234 – Zelltypen 406 Morphin 436
Liquid-PEEP 180 Magen-Darm-Spülung 417 – bei Dyspnoe 121
Liquordiagnostik 319 Magenspülung 416 Mortality Prediction Model 673
Liquordrainage 522, 523 Magnani-Score 657 Moschkowitz-Syndrom 95
Liquorrhö 523 Magnesium 210 Motilin 385
Lisofyllin 451 Magnesiumhydroxid 411 Motilität
Lithium 426 Makrozykline 226 – Dickdarm 386
Lobärpneumonie 280 Malabsorption 400 – Dünndarm 386
Logistic Organ Dysfunction System 475 Maldigestion 400 – gastrale 384
Lokalanästhetika, Intoxikation 121 mandatory minute ventilation 164 – gastrointestinale 384
Long-QT-Syndrom 569, 572 Mangelernährung, präoperative 134 Motilitätsstörungen 384
Loperamid 402 Mannan 462 Moxifloxacin 230, 244
Loracarbef 238 Mannitol 342, 522 Moxonidin 544
Lorazepam 529 MARS 366, 458 MRSA 245, 270, 285
Lormetazepam 117 Massivtransfusion 106, 444 MRSA-Infektion 302
Losartan 542 Master-and-slave-Prinzip 170 – Einteilung 304
Lösungen Mastzelltryptase 586 – Risikofaktoren 303
– additive 91 MDMA-Ecstasy 421 – Therapie 304
690 Serviceteil

MRSA-Pneumonie 235, 288, 303, 305 NGAL 341 Oritavancin 235


MRSA-Sepsis 462 Nierenersatzverfahren 343 OSF-Score 673
MSSA 278, 323 – bei Sepsis 467 Osler-Knötchen 266, 267
Multiorganversagen 474 Nierenfunktionseinschränkung 338 Osmodiuretika 342
– Klinik 475 Nierenversagen 476 Osmotherapie 513
– Therapie 478 – akutes 338 Ösophagitis, hämorrhagische 412
Multiple Organ Dysfunction Score 673 – Definition 338 Osteomyelitis 200
Multiple Organ Failure Score 673 – Diagnostik 340 – hämatogene 325, 326
Multiresistenz 260 – Epidemiologie 338 – vaskulär bedingte 325
Mupirocin 304 – Leberversagen 361 Otamixaban 637
Murray-Formel 604 – Pathophysiologie 340 Otitis media 322
Muskelatrophie, spinale 514 – postoperatives 338 overwhelming postsplenectomy
Muskeldystrophie Duchenne 515 – Therapie 342 infection syndrome 7 Siehe OPSI-
Muskelschwäche, erworbene 479 – Ursachen 339 Syndrom
Myasthenia gravis 514 Nifedipin 422, 500 Oxacillin 236, 270
myocardial depressant factor 458 Nimodipin 510, 523 Oxazolidinone 244
Myokardinfarkt 431, 538 NISHOT 102 Oxygenierung
– Diagnostik 433 Nitroprussid-Natrium 82 – apnoische 608
– Therapie 436 Nizatidin 409 – hyperbare 199, 328
Myokardischämie 19, 485 Nohria-Einteilung 539 Oxyhämoglobin 20
– Frühzeichen 48 non infectious serious hazard of trans- Oxytocinrezeptor 80
Myokardnekrose 580 fusion 102
Myokardrevaskularisation, operative Non-Responder 173
441
Myonekrose 200
Noradrenalin 73, 491
Norfloxacin 244
P
Myotonia dystrophica 515 Normalwerte 676 PAGE 179
NO-Synthetase Panangiographie 509
– induzierbare 173 Pankreasenzyme 373
N – konstitutionelle 173
Notfallechokardiographie 54
Pankreasnekrose 375, 380
Pankreatitis
N-Acetylcystein 419, 424 Novalung-System 448 – akute 372
Nachlastsenkung 84 NSTEMI 432, 439 – Diagnostik 376
Nahinfrarotspektroskopie 60 NT-proBNP 490, 536 – Klinik 375
Nährlösungen, Osmolarität 142 Nukleinsäuresynthesehemmer 248 – Komplikationen 375
Nährstoffe, semiessenzielle 153 Number-Connection-Test 359 – schwere 374
Nährstoffzusammensetzung 141 Nursing Delirium Screening Scale 123 – Therapie 377
Naloxon 419 nutritional risk score 134 – Ursachen 372
Nasen-Mund-Maske 195 Nystatin 248, 257 – biliäre 376, 380
Nativklappenendokarditis 270 – chronische 376
Natriumbikarbonat 343, 420 – nekrotisierende 374, 375, 376
NAVA 183
Nebivolol 542
O Panresistenz 302
PAOP-Wellen 47
Neostigmin 395 Obstruktionssyndrom, sinusoidales Papillotomie 378
Nephritis, akute interstitielle 339 362 Paracetamolintoxikation 363, 423
Nephropathie Octenidin 304 Parakokzidioidmykose 307
– diabetische 352 Ödem Paromomycin 243
– kontrastmittelinduzierte 353 – alveoläres 445 Patient-Blood-Management 99
nephrotisches Syndrom 352 – interstitielles 456 PAV 181
Nephrotoxizität 340 Ofloxacin 243 pCO2-Messung, transkutane 25
Nesiritide 500, 544 Okklusionshydrozephalus 509 PCV 165
Neugeborene, Austauschtransfusion Okklusionsileus 400 PEEP 161, 466
102 Öle, ätherische 172 – optimaler 161
Neuroleptika 423 Ölsäure 147 Penicilline 225, 227
neuronally adjusted ventilatory assist Omedacyclin 235 – biosynthetische 236
183 Omega-3-Fettsäuren 154 – G 228, 269, 320, 329
neuronenspezifische Enolase 62 Omeprazol 409 – pseudomonasaktive 237
neurophil gelatinase-associated OPSI-syndrom ]]] – semisynthetische 236
lipocalin 341 Organ System Failure Score 673 Penicillinresistenz 269
691 M–R
Stichwortverzeichnis

Pentoxyfyllin 451 – atypische 232, 280, 289 – Inhalation 450


Pepsinogen 406 – bakterielle 278 – intravenöse 177
Peptid, natriuretisches 490, 500, 502, – diagnostische Kriterien 279 – Vernebelung 177
536 – Differenzialdiagnose 279 Protamin 664
Perfluorocarbon 450 – Inzidenz 278 Protein
Perfusion, zerebrale 521 – Mortalität 278 – C 632, 634, 635
Perfusionsdruck, pulmonaler 596 – Pathophysiologie 282 – aktiviertes 465
Perfusion, zerebrale 509 – Prophylaxe 283 – granulozyteninhibierendes 343
Pericarditis epistenocardica 432 – Therapie 284 – Lipopolysaccharid-bindendes 459
Perindopril 541 – Therapieversagen 289 – penicillinbindendes 303
Peritonealdialyse – beatmungsassoziierte 278, 283 – S 519, 632, 634, 635
– chronisch ambulante 344 – Prophylaxe 295 – Z 632, 634
– chronisch zyklische 345 – bei Immundefizit 289 Prothesendehiszenz 273
– Einteilung 344 – nekrotisierende 281, 304 Prothesendysfunktion 273
– intermittierende 345 – nosokomiale 278 Protheseninfektion 462
Peritonitis 323 – Erregerspektrum 286 Prothrombin 630, 633
– bakterielle 365 – Inzidenz 278 Prothrombinzeit 644
– Diagnostik 324 – Risikofaktoren 279 Protonenpumpen-Inhibitoren 409
– generalisierte 386 – Therapie 286 Psychosyndrom, hirnorganisches 509
– Klinik 324 – poststenotische 280 Pulmonalarterienkatheter 41, 502
– postoperative 323 – primäre 278 – bei Kindern 41
– posttraumatische 323 – schwere 285 – diagnostischer 500
– primäre 323 – sekundäre 278 – Indikationen 41
– Schweregrad 323 – ventilatorassoziierte 278 – Kontraindikationen 43
– sekundäre 323 Pneumonie-Scores 282 – Überwachung 41
– tertiäre 323 Polyene 248, 250 Pulmonalarterienruptur 44
– Therapie 324 Polymyositis 480 Pulsatilitätsindex 62
Perspiratio insensibilis 163 Polymyxine E 240 PulsioFlex-Monitoring 36
Phenobarbital 530 Polyradikulitis Guillian-Barré 480 Pulskonturanalyse
Phenylephrin 74 Porphyrie.akute intermittierende 480 – kalibrierte 36
Phenytoin 423, 530 Posaconazol 250, 251, 252, 253, 258, – nichtkalibrierte 34
Phosphodiesterase-5-Hemmer 83, 500 315, 317 Pulsoxymetrie 20
Phosphodiesterasehemmer 451 Postaggressionsstoffwechsel – Einflussfaktoren 21
Phosphonsäure 226 – Hormone 138 Purinrezeptor 80
pH-Wert, intramukosaler 26, 389 – Phasen 138 Purpura, thrombotisch-thrombozyto-
Physostigmin 131 Postmyokardinfarktsyndrom 432 penische 95
PiCCO-System 36 Postreanimationsphase 211 Pyridostigmin 395
Pilzinfektion 307 Potenziale, akustisch evozierte 552
Pilzpneumonie 289 PPS 181
Piperacillin 237
Pirenzepin 410
PPSB 661
Präinfarktsyndrom 432
Q
Plaques 432 Prasugrel 438, 637, 642 Quick-Wert 644
Plasmin 641 pressure controlled ventilation 165 Quincke-Ödem 585
Plasminogen 634, 641 pressure support ventilation 164 Quotient, nach Benzer 606
Plasminogenaktivator 641 Prinzmetal-Angina 432
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 630, PRIS 118
641
Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie
Proaccelerin 633
ProAQT-Sensor 36
R
289, 318 Procalcitonin 279, 459 Ranitidin 409
Pneumokokkenimpfung 296 Prometheus-System 366 rapid shallow breathing index 188
Pneumokokkenmeningitis 321 Propicillin 236 Rasselgeräusche 536
Pneumokokken, penicillin- und makro- Propofol 372, 530 RASS-Score 111
lidresistente 245 Prostaglandine 146, 351 Reanimation
Pneumokokkenpneumonie 288 – Ulkusprophylaxe 411 – kardiopulmonale 203
Pneumonie Prostazyklin 498 – Erwachsene 205
– ambulant erworbene 278 Prostazyklinanaloga 500 – Kinder 211
– Erregerspektrum 285 Prostazykline 351, 634 – Komplikationen 205
– Therapie 285 – 2 176 – Neugeborene 211
692 Serviceteil

Rechtsherzdekompensation, akute Rumpel-Leede-Test 646 – Therapie 578


501 RUSSLAN-Studie 79 – kardiogener 273, 485
Rechtsherzinsuffizienz 498, 537 – septischer
Rechtsherzversagen, akutes 174, – Definition 455
177
Rechts-links-Shunt 600
S – katecholaminrefraktärer 79
– spinaler 587
Recruitment-Manöver 466 SA-Block 566 – traumatisch-hämorrhagischer 576
Reflex Salicylate 424 – traumatisch-hypovolämischer 576
– gastrokolischer 386 Sartane 542 Schocksyndrom, toxisches 455
– okulozephaler 552 Sättigung Schrittmacher
Regionalanästhesie 122 – fraktionelle 26 – passagerer 567, 582
Reichel-Ulmer-Formel 604 – gemischtvenöse 25 – permantenter 567
Reizgase 427 – jugularvenöse 520 Schwangerschaftsfettleber 362
Renin-Angiotensin-Aldosteron- – zentralvenöse 26 Score-System 669
System, Aktivierung 576 Sauerstoffausschöpfung 604 S-Cystatin C 340
Reperfusionstherapie 437 Sauerstoffbindungskapazität 604 Sedativa 117
Reptilasezeit 645 Sauerstoffbindungskurve 25, 607 Sedierungskonzept 113
Reserveantibiotika 240 Sauerstoffdifferenz, arteriovenöse Sedierungs- und Agitations-Scala 111
Reservevolumen 604 Seitenlagerung
– exspiratorisches 597 Sauerstoffgehalt, Blut 604 – intermittierende 171
– inspiratorisches 597 Sauerstoffkonzentration, inspirato- – überdrehte 171
Residualkapazität, funktionelle 597 rische 27 Sekretin 385
Residualvolumen 599, 603 Sauerstoffpartialdruck 604, 605 Selbstbeatmung, intermittierende
Resistenzentwicklung – alveolärer 605 196
– extrahospitale 306 – arterieller 25, 604 Seldinger-Technik 43
– Überwachung 306 Sauerstoffsättigung 607 Selen 465
Responder 173 – fraktionelle 604 Selenoprotein 398
Resynchronisationstherapie, – funktionelle 604 Seltorel 523
kardiale 547 – jugularvneöse 60 Sepsis
Reteplase 440 – partielle 20 – Definition 454
β-Rezeptorenblocker 542 Sauerstoffspeicher, intrapulmonaler – Klinik 456
– Intoxikation 422 609 – Mortalität 455
Rhabdomyolyse 235, 420 Sauerstoffstatus 603 – Pathophysiologie 456
Rhesus-positiv 90 Sauerstoffverbrauch 188 – pilzbedingte 307
Rh-Inkompatibilität 650 – hepatischer 358 – Prävalenz 455
Rifampicin 244, 320, 321 – Messung 140 – Pulmonalisarterienkatheter 42
Rifamycine 226 Säureintoxikation 426 – Therapie 461
Rifaximin 241, 327 Schädel-Hirn-Trauma 518 – Ursachen 455
RIFLE-Kriterien 338 – Diagnostik 518 Sepsis-Score 673
Ristocetin 654 – geschlossenes 518 Septikämie, katheterassoziierte 296
Ristocetin-Kofaktor 653 – Neuromonitoring 519 Serotoninfreisetzungstest 657
Risus sardonicus 329 – offenes 518, 523 Sevofluran 120
Rivaroxaban 636 – Therapie 521 Shunt
Rizinusöl 396 Schimmelpilzinfektion 463 – intrapulmonaler 177
Rosenthal-Faktor 633 Schlafapnoesyndrom 196 – transjugulärer intrahepatischer por-
Rotationstherapie Schlaganfall tosystemischer 365
– kontinuierliche axiale 171 – akuter 511 – ventrikulo-peritonealer 319
– kontinuierliche laterale 171 – hämorragischer 511 SIADH 510
Rotationsthrombelastometer 647 – ischämischer 511 Sick-Sinus-Syndrom 566
ROTEM 99 – Therapie 513 SI-Einheiten 676
ROTEM-Analyzer 647 Schleifendiuretika 342, 543 Silibinin 419, 429
Roth-Flecken 266, 267 Schock Simethicon 397
Roxatidin 409 – distributiver 587 Simplified Acute Physiology Score
Roxithromycin 242 – hämorrhagischer 576 673
rt-PA 490, 641 – hypovolämischer SIMV 164
Rückwärtsversagen 537 – Diagnostik 577 Single-Pass-Albumin-Dialyse 366
Rumack-Matthews-Normogramm – Klinik 577 Sinusbradykardie 566
424 – Pathogenese 576 Sinusknotenstillstand 566
693 R–T
Stichwortverzeichnis

Sinusknotensyndrom 566 Subarachnoidalblutung 508 Thiocyanat 82


SIRS 454 – aneurysmale 508 Thiopental 530
slow extended daily dialysis 347 – Diagnostik 508 Thoraxkompression 207
small volume resuscitation 620 – Klinik 508 Thoraxschmerz, akuter 434
SOFA-Score 475 – perimesenzephale 508 Thrombasthenie Glanzmann 662
Somatostatin 385 – Schweregrad 508 Thrombelastogramm 360, 646
Sonde, nasogastrale 151 Subduralhämatom 523 Thrombembolie 491
Sondennahrung subject global assessment 134 – chronische 498
– Applikation 151 Sucralfat 407 Thrombenbildung 656
– Kaloriengehalt 151 Sulbactam 229, 237, 239, 268 Thrombendarteriektomie, pulmonale
– Nachteile 152 Sultampicillin 237 503
– Osmolalität 151 Super-Syringe-Methode 161 Thrombin 630
– Vorteile 152 Surfactant Thrombin-Burst 630
– Zusammensetzung 151 – Effekte 179 Thrombininhibitoren 638
Sotalol 423 – intrapulmonale Applikation 450 – direkte 636
Sphincter-Oddi-Dyskinesie 373 – natürliches 178 Thrombinzeit 644
Sphincter-Oddi-Tonus 372 – Präparate 179 Thromboembolie 484
Spider-Nävus 359 – Störung 178 Thrombomodulin 634, 652
Spironolacton 542 – Vernebelung 179 Thrombopathie 650
Spitzenspiegelantibiotika 230 Sympathikolyse 393 Thromboplastin 633
Splinter-Hämorrhagie 266 Sympathomimetika 450 – partielles 634
Spontan-CPAP 163 synchronized intermittend mandatory Thromboplastinzeit, partielle 644
Sprosspilzinfektion 463 ventilation 164 Thromboseprophylaxe 467, 491, 636
Spülbehandlung, peritoneale 324 Syndrom – niedermolekulare Heparine 636
Spurenelemente 398 – der inadäquaten ADH-Sekretion Thromboserisikofaktoren 484
Staphylococcus 624 Thromboxan A2 630
– aureus 301, 302 – hämolytisch-urämisches 364 Thrombozyten 630
– epidermidis 220, 301 – hepatorenales 363 – Antikörper 104
Staphylococcus-aureus-Pneumonie – nephrotisches 352 Thrombozytenadhäsion 630
288 – urämisches 343 Thrombozytenaggegationshemmer
Staphylokokken 264 437, 641
– koagulasenegative 264, 301 Thrombozytenaggregation 630
– methicillinresistente 245, 270, 285,
303
T Thrombozytenaggregationshemmung
437, 544
– vancomycinresistente 303 Tachyarrhythmie, ventrikuläre 572 Thrombozytenbedarf 96
Statine 545 Tachykardie 456, 568, 585 Thrombozytenbesteck 97
Status epilepticus 530 – supraventrikuläre 569 Thrombozytenfunktionstests 647
Stauungspneumonie 280 – ventrikuläre 571 Thrombozytenkonzentrat 465, 579
STEMI 432, 439 Tako-Tsubo-Syndrom 435 Thrombozytensubstitution 651
Stenothrophomonas 231 TandemHeart 86 Thrombozytopenie 656
Stent 438 Tankniere 347 – heparininduzierte 484, 655
Stewart-Hamilton-Prinzip 36 TAPS 673 Thrombozytose 484
Stickstoffmonoxid 80, 498, 500 Tarragona-Konzept 245 Thrombusfragmentation, katheterge-
– biologische Effekte 172 Tazobactam 237 steuerte 490
– Inhalation 450 Tedizolid 235 Ticagrelor 438, 637, 642
– inhalatives 491 Tegaserod 395 Tidalvolumen 597
– Uptake 174 Teicoplanin 243 Tigecyclin 222, 233, 307
Stimulation, transkutane 567 Telavancin 235 TIPS 365
Streptococcus, pneumoniae 285, Telithromycin 233 Tirilazad 523
462 Tenecteplase 440 Tirofiban 438, 641
Streptokinase 440, 641 Terlipressin 79, 365 TISS 673
Streptokokkenpneumonie 288 Tetanusimmunglobulin 329 tissue plasminogen aktivator 634
Stresshormone 576 Tetracycline 222, 226, 231 Tobramycin 243
Stressstoffwechsel 138 Theophyllin 210, 343, 425 Todd-Parese 528
Stressulkus 405 Therapie, parenterale, Nährstoffzusam- Toll-like-Rezeptoren 456
– Risikofaktoren 406 mensetzung 141 Toloniumchlorid 420
Stressulkusprophylaxe 467 Thermodilution, transpulmonale 36 Tolvapatan 544
Stuart-Prower-Faktor 633 Thiaziddiuretika 543 Tonometrie, gastrale 389
694 Serviceteil

Totenstille 375, 386, 399


Totraum, funktioneller 596
V Videofiberbronchoskopie 14
Vier T-Test 656
toxic shock syndrome 455 VALI 446 Vigileo-Monitor 34
Tracheobronchialsekret 280 Valproat 530 VILI 446
Tracheotomie 4 Valsartan 542 Virostatika 463
– chirurgische 9 Vancine 226 Visuelle Analog-Skala 110
– Indikationen 4 Vancomycin 268, 304, 327 Vitalkapazität 603
TRALI 103, 104, 444 Vancomycinresistenz 302, 303, 306 Vitamin-D-Intoxikation 624
Tranexamsäure 647 Vaskulitis, systemische 456 Vitamin-K 632
Transferrin, kohlenhydratdefiziertes Vasodilatanzien 80 Vitamin-K-Antagonisten 492
130 Vasodilatatoren 545, 583 Vitamin-K-Mangel 650, 661
Transfusion 97 Vasokonstriktionssyndrom, zerebrales VOLATILE 120
– Dokumentationspflicht 107 508 volume controlled ventilation 165
– Indikationen 97 Vasopressin 79, 210, 464 Volumenmangel, intravasaler 576
– Infektionsübertragung 105 Vasopressoren 464, 504 Volumensubstitution 578
– Komplikationen 102 Vasospasmus VolumeView-System 40
– Qualitätssicherung 107 – Prophylaxe 510 Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
Transfusionsreaktion 364 – Therapie 511 650, 653
– hämolytische 100 – zerebraler 509 – angeborenes 653
TREMI-Rezeptor 281 VCV 165 – erworbenes 653
Treprostinil 500 Vena – Therapie 655
Triazole 248 – anonyma 31 Vorderwandinfarkt 433
Trikuspidalinsuffizienz 502 – basilica 32 Vorhofflattern 571
Trikuspidalklappenendokarditis 272 – cephalica 32 Vorhofflimmern 569
Trimethoprim-Sulfamethoxazol 320 – femoralis 33 – bradykardes 566
Triple-H-Therapie 510 – jugularis externa 32 Voriconazol 250, 251, 252, 257, 317
Tripletherapie 412 – jugularis interna 30 Vorlastsenkung 84
Trismus 329, 421 – subclavia 31 Vorwärtsversagen 537
Troponin Venendruck, zentraler 28 VRSA 303
– hochsensitives 434 – Druckkurve 33
– I 434, 502, 536 – Einflussfaktoren 33
– T 434, 502
Tube-feeding-Syndrom 153
– Messung 33
Venenkatheter, zentraler 28
W
Tubulusnekrose 361 – Durchführung 30 Wandbewegungsstörungen, regionale
– akute 339 – Zugangswege 30 55
Tubuskompensation, automatische Venenthrombose, tiefe 513 Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
182 venookklusive Erkrankung, pulmonale 455
498 Weaning 466
Ventilation 595 – Komplikationen 190
U – alveoläre 595
– forcierte 417
Weible-Palade-Körperchen 654
Weichteilinfektion 328
Ularitide 544 ventilation associated lung injury 446 – nekrotisierende 200
Ulcus ventilation induced lung injury 446 wet lung 444
– duodeni 406 Ventilationsstörungen 601 White-clot-Syndrom 657
– ventriculi 406 – restriktive 603 Wundinfektion 328
Ulkuskrankheit 406 ventilator associated pneumonia 278
Ulkusprophylaxe 407 Ventrikeldrainage 513
– medikamentöse 407
– Pneumonierisiko 411
Ventrikulographie 51
Verapamil 420, 422, 569
Z
Ulkustherapie 411 Verbrauchskoagulopathie 95, 106, Zuckeraustauschstoffe 148
Unterstützungssysteme, kardiale 547 644, 650, 652, 657 Zygomycetes 308
urämisches Syndrom 343 – Therapie 651 Zygomyzeten-Infektion 318
Ureido-Penicilline 225 Verdünnungskoagulopathie 95, 650 Zytokine 577
Urinausscheidung Vergiftungen 7 Siehe Intoxikationen – proinflammatorische 456
– Monitoring 57 Verlustkoagulopathie 106, 650, 652 – vasoaktive 373
Urokinase 641 Vernakalant 569, 570 Zytomegalieviren 105, 321, 362
Vernichtungskopfschmerz 508
Verschlussvolumen 598

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