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- Fachbereich II -
Kontrapunkt
Dieses Skript und sämtliche in der Übung verwendeten Daten wurden ausschließlich mit privaten Mitteln
erzeugt. Hard- oder Software der Hochschule für Musik Saar oder aus anderweitigen öffentlichen Mitteln
des Landes kam nicht zum Einsatz.
c 2017 Manfred Dings. Wer einen Tipfeler findet, darf ihn behalten, oder besser noch: ihn mir mitteilen.
Inhaltsverzeichnis
2 Entwickelte Satzaufgaben 14
2.1 Freier motettischer Satz und Textierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2 Der Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Imitatorischer Liedsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.4 Cadenze fuggite, Diskantklausel im cantus firmus . . . . . . . . . . . . . 17
2.5 Doppelter Kontrapunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.6 Expostion einer Fuge im stylo antiquo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.7 Fuge mit tonaler Beantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.8 Der Einsatz kontrapunktischer Künste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Sachregister 24
i
1 Grundlagen des
Palestrina-Kontrapunkts
Kontrapunkt (Punctus contra punctum – Note gegen Note) bedeutet im 16. Jahrhundert
die Technik, selbständige Linien gegeneinander zu setzen. Das Regulativ ist noch
nicht der Akkordbegriff, sondern der Intervallsatz. Sätze, die nach den Regeln des
Intervallsatzes angefertigt sind, können homophones oder polyphones Gepräge tragen.
Im Kontrapunkt werden zwei konkurrierende Prinzipien miteinander in Einklang
gebracht:
• Der Anspruch der einzelnen melodischen Linie
• und die Notwendigkeit eines geordneten Zusammenklangs mehrerer Stimmen.
Als Menschen des 21. Jahrhunderts sind wir mit der Stilistik der Renaissancemusik
nicht mehr muttersprachlich vertraut. Der Kontrapunktlehre erwachsen heutzutage
daher weitere Aufgaben:
bw w w
ut re mi fa sol la
& w w w w
w w w w w ut re mi fa sol la
ut re mi fa sol la Hexachordum molle
Hexachordum durum
Diese spannen ein Tonsystem auf, das aus den »weißen Tasten« des Klaviers besteht,
mit einer variablen Stufe h/b. Dies Variabilität war aus zwei Gründen erforderlich:
1
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
V œ œ œ œ œ œ bœ œ C › bw w w w w w ›
(ut re) mi fa mi die Je - sum Chri - stum, dei - nen Sohn
ut re mi fa sol la la
Es gab jedoch keinen Grund, b und h in chromatischer Folge zu verwenden. Dies ist
in der alten Musik daher ausgeschlossen. Neben der variablen Stufe b können zudem
die Töne c, f und g hochalteriert werden, um in Kadenzen (Klauseln) als künstliche
Leittöne (musica ficta) fungieren zu können.
w aw w #w w
& ww w aw N w w Nw w
w w w
& w w #w w #w w bw nw w
#w w w
w #w w bw nw w
&b w #w w w w nw
Wie bereits angedeutet sind die Alterationen dabei nicht in chromatischer Folge
möglich. Chromatische Intervalle in Linie sind auf wenige Spezialstile beschränkt (z. B.
die Chromatischen Motetten von Lasso, die er ausdrücklich als solche betitelt).
2
1.3 Regeln zur Melodiebildung
das antike System von vier authentischen und ebenso vielen plagalen Modi um das
Aeolische und Ionische (Tabelle 1.1). In der Neuzeit wird zudem der lokrische Modus
beschrieben und verwendet (z. B. im Jazz, dort in der Akkordskalentheorie).
Boethius
Dorisch d-d
Phrygisch e-e
Lydisch f-f
Mixolydisch g-g
Glarean
Aeolisch a-a
Ionisch c-c
Neuzeit:
Lokrisch h-h
Zu diesen vier authentischen Modi treten die vier plagalen. Diese zeichnen sich durch
einen abweichenden Tonumfang aus: dort liegt die Finalis in der Mitte des Ambitus,
bei den authentischen Modi am Rand.
Die Tonart eines Satzes wird vom Tenor und/oder Diskant festgelegt. Zwischen be-
nachbarten Stimmgattungen wechselt der Modus von authentisch nach plagal und um-
gekehrt. Hat der Tenor einen authentischen Modus, so besitzt der Bass den zugehörigen
plagalen Modus. In der Mehrstimmigkeit wird daher für die Bestimmung des Modus
eines Werkes insgesamt nicht zwischen plagalen und authentischen Modi unterschie-
den. Der Tonumfang einer Stimme richtet sich nach ihrer Lage; bei quintabständigen
Stimmen (z. B. Sopran und Alt) wechselt der Tonumfang zwischen authentisch und
plagal.
Das System der 8 bzw. 12 vorzeichenlosen Kirchentonarten konnte um eine Quinte
abwärts (bzw. Quarte aufwärts) transponiert werden. Dadurch entstehen die transpo-
nierten Modi, die stets mit einem b vorgezeichnet sind.
Weil bestimmte Modi, vor allem das Lydische, bisweilen auch mit einem b vorgezeichnet
wurden (die für das Lydische typische Stufe h wird als Tritonus ohnehin oft tiefalteriert),
ist nicht immer klar, ob es sich bei einer Skala von f nach f mit einem b um Lydisch oder
transponiertes Ionisch handelt.
3
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
3. Der Tritonus und die verminderte Quinte dürfen weder direkt noch als Rahmen-
intervall eines Melodiepartikels auftreten.
4. Stufenweise Bewegung sollte vorherrschen.
5. Für Sprünge werden Halbe oder größere Notenwerte bevorzugt.
6. Sprünge streben nach Ausgleich durch Richtungswechsel. Vor und nach Oktaven
und kleinen Sexten muss Bewegung in Gegenrichtung stehen
7. Bei Tonfolgen in gleicher Richtung liegt der Sprung oder der größere von zwei
Sprüngen unten (»ballistische Kurve«, Bogenform). Bei Viertelnoten gilt dies in
Strenge.
8. Zwei gleich große Sprünge in gleicher Richtung sind nur bei Dreiklangszerlegun-
gen erlaubt, sofern die Notenwerte größer als Viertelnoten sind.
9. Sequenzbildungen sind mit Vorsicht zu verwenden; mehr als drei Sequenzglieder
in Folge sind nicht statthaft.
10. Gute Melodien haben genau einen Hoch- und einen Tiefpunkt.
Perfekte Konsonanzen: Dies sind die reinen Intervalle Prime, Oktave, Quinte. Perfekte
Konsonanzen sind – mit Ausnahme der Unterquinte einer Finalis – schlussfähig
und können einen Satz eröffnen.
Imperfekte Konsonanzen: Dies sind die groß/kleinen Intervalle Terz und Sexte. Diese
Intervalle sind in der Zweistimmigkeit nicht schlussfähig. Sie können einen Satz
bei imitatorischem Beginn eröffnen.
Dissonanzen: Dies sind Sekunde, Septime, Quarte und alle verminderten oder über-
mäßigen Intervalle.
Dissonanzen müssen in jedem Falle speziell behandelt werden, sie sind unselbständig.
Die Quarte gilt in der Zweistimmigkeit immer als Dissonanz, in der Mehrstimmigkeit
nur zur Unterstimme des Satzes.
4
1.4 Contrapunctus simplex
Gerade Bewegung: die Stimmen bewegen sich in dieselbe Richtung (modus rectus2 ).
Seitenbewegung: eine Stimme liegt, die andere bewegt sich (modus obliquus).
Die Seitenbewegung ist insofern vorerst ausgeschlossen, als dazu eine der im 1:1-Satz
beteiligten Stimmen eine Tonwiederholung besitzen müsste, was vorerst vermieden
werden soll. Seitenbewegung erzeugt rhythmische Unabhängigkeit der Stimmen. In
polyphonen Sätzen bildet sie somit die wertvollste Bewegungsart.
Die in der spekulativen Musiktheorie begründete Unterscheidung von perfekter und
imperfekter Konsonanz schlägt sich in der wichtigsten Stimmführungsregel nieder: dem
Verbot paralleler Primen, Oktaven und Quinten. Aber auch die gerade Bewegung ist
Gegenstand der zur Regeln erstarrten Konventionen im kontrapunktischen Intervallsatz.
Die wichtigsten Vorschriften sind:
1.4.2 Klauseln
Sätze und Abschnitte sind nach Möglichkeit durch regelrechte Klauseln zu beschlie-
ßen. Klauseln können allerdings auch durch Kadenzflucht (cadenze fuggite) vermieden,
»ausgeflohen« werden.
Regeln zu Klauseln:
1. Die Merkmale zweistimmiger Klauseln sind:
a) Gegenbewegung der beteiligten Stimmen,
2 Louis und Thuille, Harmonielehre, S. 17.
5
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
6
1.6 Die Gattung 4:1
° 4˙ ˙ ˙ œ œ œ œ œ œ ˙
&2 ˙
K K K D K
4
K K K D K
¢& 2 ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙
7
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
2. Von vier Vierteln zu einer Ganzen darf die dritte dissonieren, sofern die Disso-
nanz stufenweise in gleicher Richtung aus einer Konsonanz erreicht und in eine
Konsonanz verlassen wird.
& œw œ œ œ œ˙ œ ˙˙
K K D K K K K
3. In der Figur der Cambiata (Fuxsche Wechselnote) kann die zweite Note dissonie-
ren.
& œw œ œ œ w
w
w
œ œ œ œ ẇ
œ œ
& 44 œ œ œ œ œ œ œ
œ
8
1.7 Vorhalte (Synkopendissonanzen) – Gattung 1/2 : 1
Die betonten Dissonanzen entsprechen dem aus der Harmonielehre als Vorhalt
bekannten Phänomen. Im Intervallsatz wird allerdings nicht ein Akkordbestandteil
vorenthalten, sondern der Norm der Konsonanz auf schwerer Taktzeit widersprochen.
Dissonanzen auf schwerer Zeit bedürfen einer zweifachen Legitimation:
1. einer energetischen Vorbereitung (durch die rhythmische Figur der Synkope)
2. und einer Art »Kreditaufnahme« für die mit der Betonungsdissonanz eingegan-
genen »Schulden«.
Beides wird erreicht, indem die Dissonanz durch eine Überbindung aus einer Kon-
sonanz über den Schwerpunkt vorbereitet wird. Eine Dissonanz auf schwerer Zeit
muss
• aus einer Konsonanz auf der vorhergehenden leichten Zeit übergebunden werden,
• auf der folgenden leichten Zeit stufenweise abwärts in eine unvollkommene Konso-
nanz aufgelöst werden.
Eine gebundene Vorhaltsdissonanz darf unter keinen Umständen aufwärts weiterge-
führt werden. Wichtig ist auch: Bindebögen dürfen nur aus konsonanten Situationen
heraus gesetzt werden.
˙ ˙ ˙ ˙ ˙˙ ˙
& ˙ ˙ ẇ ˙˙ ˙˙ w˙ ˙ ˙ ẇ
K D u. K. K D u. K. K D u. K
6 7 6 3 2 1 3 4 3
Die gebundene Vorhaltsstimme heißt auch Patiensstimme, diejenige, welche die Dis-
sonanz auf schwerer Zeit erzeugt Agensstimme.6 Synkopendissonanzen können zu
Vorhaltsketten ausgeweitet werden.7
˙ ˙
& ˙w w
˙ ˙
w
˙ ˙
w
˙
6 7 6 7 6 7 6
& ẇ w ˙ ›
w ›
i. K. i. K. D. i. K. v. K.
6 Bei der im Folgenden zu übenden Synkopengattung ist die Agensstimme stets der cantus firmus.
7 Fallende Tonleitern lassen sich stets mit Synkopendissonanzen versehen.
9
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
5. Ausnahmsweise kann eine Überbindung entfallen und ein Takt somit zwei konso-
nierende Halbe erhalten.
6. Am Ende des Satzes sollte das Klauselpaar Tenorklausel – synkopierte Diskant-
klausel stehen, soweit der d. f. dies gestattet.
7. Nachschlagende Oktaven sind verboten.
8. Nachschlagende Quinten waren als festehende Figur gebräuchlich (die sog. 5-6-
Konsekutive).
4 w ˙ w w ˙
&2 w w ˙ ˙ w w ˙ w
˙ w
8 8 5 6 5 6 5 6 5 6
10
1.8 Gemischte Notenwerte (Floridus)
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&w w
&˙ ˙ ˙ ˙
&œ œ œ œ œ œ œ œ
&œ œ
Satztechnisch relevant sind dabei erst die Unterteilungen der Ganzen Noten. Auf der
Position der Ganzen Noten müssen Konsonanzen stehen oder Vorhaltsdissonanzen.
Die Semiminima entspricht der heutigen Viertelnote und gilt als Koloratur. Eine Semi-
minima konnte in bestimmten Fällen in zwei Fusae (Achtel) aufgeteilt werden.
Auch wenn keine Akzente gesungen wurden, gilt doch eine hierarchische Unterglie-
derung der Ganzen Note: Die erste von vier Vierteln bildet die Hauptbetonung, die
dritte die Nebenbetonung. Die 2. und 4. Viertel sind leicht.
& w
&œ œ œ œ
s l m l
11
1 Grundlagen des Palestrina-Kontrapunkts
• umgekehrte Punktierungen,
• und Bindungen langer Noten an kurze.
4. Zwei einzelne Viertel auf betonter Halben sind nur vor Synkopen oder als »Brems-
vorgang« statthaft, auf unbetonter Halben nicht als Sequenz.
& 42 œ œ ˙ œ œ ˙ ˙ œ œ ˙ œ œ œ œ ˙ w œ œ w ˙
5. Keine Kontrastrhythmik: Große Werte (Ganze) und kleine Werte (Viertel) soll-
ten nicht unvermittelt aufeinander folgen, es sei denn, eine Synkope oder eine
Punktierung wäre beteiligt.
& C ww œw œ œ œ w w œ œ œ œ ˙ ˙
˙w ˙ ˙ œ œ ˙œ œ
& ˙. œ œ œ ˙ ˙ w œ œ œ œ w ˙
Die Regeln zur Melodiebildung und zur Stimmführung sind teilweise von den
rhythmischen Verhältnissen abhängig. Für kleine Notenwerte gelten sie strenger als für
größere. Achtelnoten (Fusae) sind nur als Vorhaltsverzierungen möglich:
& ˙w ˙ œ œ ˙™ œ œ ˙
w w
›
›
˙
˙ ˙™ œ ˙
˙ w
˙
˙ ˙™ œ œ œ ›
˙ w ›
12
1.8 Gemischte Notenwerte (Floridus)
& ˙w ˙ w ˙ w˙ . œ w˙ ˙
˙
K D K K
2. Ausnahmsweise kann eine unbetonte halbe Note nach einer punktierten Ganzen
als Durchgangsdissonanz behandelt werden.
& ww . ˙
ww ˙˙ ˙
w ˙
K K K K K K
3. Ausnahmsweise kann eine unbetonte halbe Note in einer längeren Tonleiter aus
° 4
Halben als Durchgangsdissonanz behandelt werden.
&2 › w ˙ ˙ w ›
˙ ˙
4
¢& 2 ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ w w ›
13
2 Entwickelte Satzaufgaben
Die anhand der Fuxschen Gattungen erarbeiteten Techniken sollen nun in künstlerisch
anspruchsvollen und am historischen Vorbild orientierten Satzaufgaben angewandt
werden.
14
2.2 Der Kanon
Ein Beispiel für einen motettischen Satz bildet das Bicinium Qui sequitur me von
Orlando di Lasso.
1. Endlicher Kanon: Der Schluss ist in einer oder beiden Stimmen frei komponiert.
2. Unendlicher Kanon: Gesellschaftskanon, oft homophon konzipiert; der Schluss
ist mit dem Anfang kombinierbar, so dass der Kanon unendlich lang zirkulieren
könnte.
• Imitationsabstand
• Imitationsintervall (Einklang, Oktave, Quinte/Quarte oder andere)
• Sonderformen: Umkehrungskanon, Krebskanon, Augmentationskanon.
15
2 Entwickelte Satzaufgaben
&C › ˙. œ ˙ ˙ ˙ œœ˙
˙ w
Ó ˙ ˙. œ˙ ˙ ˙ œ œ ˙. œ
Quam pul - - - - - chra es a - mi - ca - - - -
&C ∑ ∑
w w ˙. œ ˙ w œœ ˙
˙ w
Ó
˙ ˙. œ
Quam pul - - - - - chra es a - mi -
w
&˙ œœ œœœœ w ˙.
7
w w Ó ˙ ˙ ˙ œ œœœ œœ ˙ œ ˙ ˙
- me - - - - a, quam pul - chra es a - mi - ca me -
&˙ w œ œ ˙. œ˙ ˙ ˙ œœœœœ
œ › Ó ˙
˙ ˙ ˙ œ œœœ œœ
- ca - - - - me - - - - a, quam pul- chra es
w ˙ ˙ ˙ ˙ w
13
&w Ó ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ w Ó ˙ ˙ ˙
˙ w w
a. O - cu - li tu - i co - lum - ba - - - rum abs - que e - o quod in - tri -
& ˙ ˙ ˙. œ ˙ ˙ w Ó ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ w ˙ w ˙ w ˙ ˙ ˙ ˙ w
a - mi - ca me - a. O - cu - li tu - i co - lum - ba - - - rum abs - que e -
w ˙ ˙ œœ˙
20
Ó
œœ˙ ˙ ˙
w Ó
˙ ˙ ˙ ˙. œ ˙
&˙ w ˙ Ó
w ˙ ˙ w ˙
se - cus la - tet. To - ta pul - chra es a - mi -ca me - - - - - a et
&w Ó ˙ ˙˙˙ Ó ˙ w w Ó ˙ ˙ ˙ ˙. œ ˙ ˙ ˙ œ œ
˙ ˙ ˙ w ˙ œœ˙ ˙
o quod in- tri - se - cus la - tet. To - ta pul- chra es a - mi - ca me - - -
& ˙ ˙ ˙. œ ˙ w w
28
œ œ ˙ ˙. œœœ › Ó œœ ›
ma - cu - la non est in te in te.
& C w. ˙ w ˙ ˙ #œ #œ w ˙ ˙ ˙ ˙ œ œ ˙ ˙
˙ ˙
Be - - - - ne - di - - - - - ctus, be - ne - di - - - ctus, be -
VC › w w › w w w ˙ ˙
Be - - - - - - - - - - ne - di - - - - - -
œ ˙ œ œ œ œ ˙ b˙
6
&œ œ œ œ w ˙. œ œ w #˙ ›
˙
w
- - - - ne - di - - - - - - - - - - - ctus.
w w w ˙
V› ˙ w ›
- - - - ctus, be - ne - di - - - - - - ctus.
Notenbeispiel 2.2: Josquin Desprez, Benedictus aus der Missa sine nomine
16
2.3 Imitatorischer Liedsatz
w ˙ w Ó w ˙
& C ˙w w ˙˙ w˙ w w œ w˙
Ó ˙ ˙ ˙. ˙
Cantus firmi, die ursprünglich Tenores mehrstimmiger Sätze waren, zeigen ihrerseits
Diskantklauseln an Binnenkadenzen (also synkopierte Schlüsse, die durch eine Tenor-
klausel in anderen Stimmen komplettiert wurden). Bei der Disposition der Klauseln
suchen wir daher im cantus firmus nicht nur Tenorklauseln, sondern auch Diskantklau-
seln und irreguläre Endungen.
• Tenorklauseln,
17
2 Entwickelte Satzaufgaben
• Diskantklauseln (Synkopen),
• unvollständigen Tenorklauseln.
Ausgangsintervall: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Oktave 8 7 6 5 4 3 2 1
Duodezime 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Dezime 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Doppelter Kontrapunkt der Oktave: Hier ist die Quinte als Dissonanz zu behandeln.
Doppelter Kontrapunkt der Duodezime: Die Sexte wird zur Septime und ist daher
als Dissonanz zu behandeln.
Doppelter Kontrapunkt der Dezime: Unvollkommene Konsonanzen werden zu voll-
kommenen (und umgekehrt). Daher ist Parallelbewegung ausgeschlossen (Paral-
lelen unvollkommener Konsonanzen werden zu solchen in vollkommenen).
Zu beachten ist, dass der Abstand zwischen den beiden Stimmen das Vertauschungsin-
tervall (8, 12 oder 10) nicht überschreiten darf, wenn ein echter Stimmtausch erzielt
werden sein soll.
18
2.6 Expostion einer Fuge im stylo antiquo
bœ
& bC w ˙˙ ˙ ˙ ˙ ˙ œ œ œ œ Œ œ œœ
{ ? bC Œ œ œ œ Œ
œ bœ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ
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& b œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ#œ œ œ œ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙
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b œ œ œ œ
œœœ œ œœœœœœ œ œœœœœ
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œœœœ œ œœœœœœ œœœœœœœ œœœœœ
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17
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22
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œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ#œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ ˙
‰ œ œ œ
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&b œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ#œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ ˙
{
26
?b ˙
˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ‰ œœœ
&b ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙
{ œ œ bœ œ œœœœœœ œœ
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œ œ œ œ œ œ œ œ#œ œ œ œ œ
œ b œ œ œ œ œ œ œœ œ œ œ œ œ œ
#œ œ œ œ œ œ œœœ
29
{ ?b œ
œ nœ œ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙
32
bœ œ
&b œ œ œ œ œ œ œ #œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ w
{ ? ˙
b
˙ w
Notenbeispiel 2.3: Samuel Scheidt Christ, der du bist der helle Tag
19
2 Entwickelte Satzaufgaben
Je nach Umständen kann es erforderlich sein, zwischen den Einsätzen (rück-) modu-
lierende Zwischentakte einzufügen. Dies gilt insbesondere für die Rückführung vom
Comes-Einsatz auf der V zur I.
20
2.8 Der Einsatz kontrapunktischer Künste
1. Wird im Themenkopf die Quinte exponiert, so wird diese mit dem Grundton, der
Grundton mit der Quinte beantwortet.
&˙ ˙ ˙ ˙ œ œ ˙ œ œœœ ˙ ˙ ˙ ˙ #˙ œ œ ˙ œ œ œ œ
#˙
2. Moduliert das Fugenthema, so wird der Themenkopf in der Oberquinte, der Rest
jedoch in der Unterquinte beantwortet.
&˙ œ œ œ œ œ œ œ #œ ˙ ˙ œ #œ œ œ œ œ œ #œ ˙
&˙ œœœœ œ œ œ œ ˙
Die Form einer Fuge der Barockzeit zeigt im Allgemeinen themenhaltige Abschnitte,
sog. Durchführungen. Oft (nicht zwingend) gibt es themenfreie Abschnitte, sog. Zwi-
schenspiele. Die erste Durchführung heißt auch Exposition und bringt das Thema in allen
Stimmen einmal (ggf. einen überzähligen Einsatz). Die weiteren Durchführungen sind
Recht häufig finden sich beibehaltene, obligate Kontrapunkte (vergl. Kapitel 2.6 auf
Seite 18).
• Engführung,
• Umkehrung sowie
• Augmentation (selten Diminution).
21
Literatur
Brieger, Jochen. »Alternative Kriterien der Modusbestimmung«. In: Zeitschrift der Ge-
sellschaft für Musiktheorie 3/1 (2006) (2006).
Daniel, Thomas. Kontrapunkt. Dohr, 1997.
– Zweistimmiger Kontrapunkt. Dohr, 2002.
Forner, Johannes und Jürgen Wilbrandt. Schöpferischer Kontrapunkt. Leipzig: Deutscher
Verlag für Musik, 1979.
Fux, Johann Joseph. Gradus ad Parnassum.
Gaulding, Robert. Eighteenth-Century Counterpoint. Long Grove: Waveland, 1988.
Jeppesen, Knud. Kontrapunkt.
Louis, Rudolf und Ludwig Thuille. Harmonielehre. 7. Auflage. Stuttgart: Klett, 1907.
Manicke, Dietrich. Der polyphone Satz (zwei Bände). Köln, 1977.
Meier, Bernhard. Alte Tonarten - dargestellt an der Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahr-
hunderts. Kassel u.a.: Bärenreiter, 1992.
Menke, Johannes. Kontrapunkt I - Prima prattica. Laaber: Laaber, 2015.
Motte, Diether de la. Kontrapunkt. Kassel, 1981.
Schubert, Peter und Christoph Neidhöfer. Baroque Counterpoint. New York: Pearson,
2006.
22
Personen- und Werkregister
B
Bach, Johann Sebastian . . . . . . . . . . . 20
Boethius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
F
Fux, Johann Joseph . . . . . . . . . . 4, 8, 14
G
Glarean . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Dodekachordon . . . . . . . . . . . . . . . 2
H
Heller, Joachim
Kanon Quam pulchra es . . . . . . . . 15
J
Josquin Desprez
Benedictus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
L
Lasso, Orlando di . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Bicinium Qui sequitur me . . . . . . 15
S
Scheidt, Samuel
Bicinium Christ, der du bist der helle
Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Stolzer, Thomas
Bicinium Ich stund an einem Morgen
. . . . . . . . . . . . . 17
T
Tinctoris, Johannes
Liber de arte contrapuncti . . . . 14
23
Sachregister
24
Sachregister
Intervallqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Parallelbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Intervallsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 5, 9 Parallelen
nachschlagende . . . . . . . . . . . . . . 10
K Parallelenverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Kadenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Patiensstimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Pausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
endlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 phrygische Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . 15 plagal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
unendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Portament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Kirchentonart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 f. Punctus contra punctum . . . . . . . . . . . 1
Klausel . . . . . . . . . . . . 1 f., 5 f., 10, 14, 17 Punktierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 f.
Koloratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Kolorierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Q
Konsonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 6, 8 ff. Quinten
imperfekt . . . . . . . . . . . . . . . 4, 9, 14 nachschlagende . . . . . . . . . . . . . . 10
perfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 9
R
Kontrapunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Renaissance . . . . . . . . . . . . 10, 13, 17, 20
kontrapunktische Künste . . . . . . . . 20 f.
Rhythmik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Kontrastrhythmik . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Ricercar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Kontrasubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
obligares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 S
Seitenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
L
Semibrevis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Leitton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Sequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Liedsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Soggetto . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 14, 18, 20
Longa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Solmisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
M Sprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Melismatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 in Viertelnoten . . . . . . . . . . . . . . . 12
Melodiebildung . . . . . . . . . . . . . 3, 8, 12 Stimmführungsregeln . . . . . . . . . . . . . 5
mi-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Stimmgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 f. Stimmkreuzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Motette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 20 Subjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
musica ficta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Syllabik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Synkope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 12
N Synkopendissonanz . . . . . . . . . . . . . 8 ff.
Nebennote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
T
O Tactus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Oktaven Tenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
nachschlagende . . . . . . . . . . . . . . 10 Tenorklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 17
Oktavgattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Textierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 15
Tonleiterbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . 8
P Tonsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 f.
Paenultima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 f. Tonwiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
25
Sachregister
Trugschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
U
Überbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Überzähliger Einsatz . . . . . . . . . . . . . 21
Umkehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Unterterz-Ornamente . . . . . . . . . . . . . 12
V
Varietas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Varietas-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Viertelnoten . . . . . . . . . . 4, 7 f., 11 ff., 15
Vorausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Vorhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 20
Vorhaltsdissonanz . . . . . . . . . . . . 8 f., 11
Vorhaltsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Vorhaltsverzierungen . . . . . . . . . . . . . 12
W
Wechselnote . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 12, 20
Z
Zwischenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
26