You are on page 1of 692

This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned

by Google as part of a project


to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
at http://books.google.com/
Über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei – eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http://books.google.com durchsuchen.
-
-
-
-
-
-
---
- - -
--
- -
-
- ---
-
-
-
-
-
-
-
-
-
---
- --
--
-
- -
-
-
-
--
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- -
-
-
- -
-

-
Ludewig Albrecht Gebhardt
Gefchichte

Reichs Hungarn und der

damit verbundenen Staaten.


Erster Theil.

Leipzig,
bey Weidmanns Erben und Reich. 1778.
--
Allgemeine
Weltgefchichte.
Des funfzehnten Bandes
- Erste Abtheilung. -

. Dreiunddreißigstes Buch,
AeltesteHungarische Geschichte, oderGeschichte
-
des größern Illyriens unter der Herr
- - - schaft der Römer.
E )assprache
Reich Hungarn, oder wie es in derLandes
heißet Magyar-Orag, ist von den
Einleitung,

ältesten Zeiten an der Sammelplatz der berühmtesten


Völker desganzen Europens und der westlichen Hälfte
von Asien gewesen; daher fehlt es seiner Geschichte
weder an merkwürdigen Begebenheiten, noch auch an
Vorstellungen,die Vergnügen und Stofzu wichtigen
Bemerkungen darbieten. In den älteren Zeiten
wohnten in den hungarischen Staaten die Dacier,
Bastarnen und Geten, drei berühmte Nationen, die
der griechische und römische Kriegesmann mit einiger
Allgem. Weltg.XV. B.I.Abth. A Furcht
2 XXXIII. Buch. Aelteste
Furcht nannte, und die kaumAlexander der Große an
zugreifenwagte; ferner die Illyrier, Dalmater, Dar
danier, Myfier, Päonier, Istrier, Japiden, Libur
nier undgriechischen undficilianischen Colonisten, lauter
Völkerschaften, die den besten griechischen undlateini
fchen Dichtern und Rednern merkwürdig genug schie
nen, um ihre Namen zum Putz starker und großer
Gemälde zu gebrauchen; und endlich Sarmaten,
Jazygen, Wenden oder Sclavonier, Bulgaren,
Avaren, Alanen, Hunnen, Patzinaziten, Türkenoder
Madscharen,Sveven,Quaden,Markomannen,Wanda
len,Gepiden,Kongobarden und Gochen,die insgesamt
als die großen Weltbezwinger bekannt sind. Diese
zogenzwarzum Theilin südlichere Länder. Allein fie
hinterließen in ihrer Heimat einige Stämme, von
welchen nochjetzt Nachkommen vorhandenfind. Daher
wird das hungarische Reich außer den schwächern
neuern Hungarn oder Madscharen, die die Oberherr
fchaftbesitzen, von derweit stärkern Nation der Slaven
und der dazu gehörigen polnischen, böhmischen, mäh
rischen, russischen, bosnischen, servischen, rastischen,
kroatischen und wendischen Kolonisten, ferner von
Walachen, Patzinaziten oder Kumanern, Griechen,
Juden, Türken und Zigeuner, und endlichvon öfter
reichischen, fächsischen, bayerischen, schwäbischen und
fränkischen Deutschen, inunvermischten Nationalhaufen
bewohnet a). Alle diese verschiedenen Völker heißen
zwarHungarn und machen ein einzigesStaatsgebäude
aus; aber nur die eigentlichen Hungarn oder Mad
fcharen, die Slaven und die Deutschen besitzen die
- Vor
a) Hr.Prof. Schlözer Fortsetzung der Allgemeinen Welt
historie, 31 Th. S.248.
Politisch-geographisch- und historische Beschreibung
des KönigreichsHungarn. Presburg 1772. Mathiae
BellinotitiaHungariaenouaeHistorico-Geographica.
Viennae 1735-1742.
Hungarische Geschichte." - 3
Vorrechte der Reichstandschaft. Sie unterscheiden
fich von einander mehr durch die Sprache als durch
Sitten undGebräuche. Dennoch find sie insgesamt
so große Freunde alter Gewohnheiten, daß sie noch
immer die alte römisch-dacische und deutsch-gothische
kurze Kleidertracht, hinund wiederdie ältesten deutschen
WohnungenundKornspeicherinunterirdischen Höhlen,
und in Illeyrinaüberalldengriechischen Waffentanz der
Heydukken beibehalten. Ihregemeinschaftlichen Kö
nige waren, so lange der madscharische alte Stamm
dauerte, zwar große Eroberer, und unterwarfen sich
die Könige und Fürsten von Kroatien, Dalmatien,
Servien, Rama, Bosnien, Racien, Sclawonien,
Bulgarien, Walachey, Lodomirien, Gallizien und
Rochreußen, ingleichen die Länder Siebenbürgen und
Steyermark; allein sie ließen diesen Staaten mehren
theils ihre Herren, und begnügten sich mit der Lehns
hoheit. Daher entstand ein zweifaches hungarisches
Reich, nämlich das weitläufigere und das einge
h
schränktere. Das letztere faßtedengrößestenTheilvom
römischen Pannonien, das Gebiet der Jazygen, und
etwas von Dacien in fich, und wurde in den Kanze
leyen noch bis in das eilfe Jahrhundert Pannonien
genannt. Zudem weitläufigern hungarischen Reiche
gehörten alle vorgedachte Länder oder Königreiche, die
insgesamt nach dem Verfall der römischen Macht
und Herrschaft entstanden find.
Das eigentliche Hungarn hat fast immer wahre
und streitbare Patrioten zu seinen Einwohnern gehabt,
und diesesaus guten Gründen; denn es giebt seinen
Keuten vieles im Ueberfluffe, was andere Länder kaum
sparsam aufbringen. Von dem Acker erhält man die
besten Kornarten, fast ohne Wartung. Das fetteste
Gras wächst biszu der Hälfte eines Mannes empor.
Die Anhöhen sind mit vielen Arzneykräutern, Frucht
bäumen, Wäldern von Bau- und Brennholz, Wein
- -
A 2 reben,
4 XXXIII. Buch, Aelteste
reben, aus deren Trauben der feurigste Wein des
Abendlandes gekeltert wird, und nutzbaren Stauden
bedeckt. In den Wäldern und Gebirgen finden sich
Bären, Küche, wilde Schweine, Gemsen, Adler,
Falken, und fast alle europäischenGattungen von vier
füßigen und fliegenden wilden Thieren, deren Häute
ehedem der wilde Mensch zu seiner Kleidung und zu
feinen Zelten, sowie dasFleischzu seinerSpeise, noch
wendig gebrauchte. Man hat sehr großes und vor
trefflichesHornvieh, und feurige, starke, dauerhafte
und flüchtige Pferde. Fast alle Gegenden find mit
fischreichen Strömen, Bächen und Seen angefüllet;
undesfehlet auch nichtan Salzquellen, Salzgebirgen,
warmenBädern undGesundbrunnen. In derDonau
werden, außer einer Menge anderer wohlschmeckenden
Fische, Hausen, die biszwanzigFuß langfind, gefan
gen. Die Fahrt aufder Theis, Donau und andern
Strömen erleichtert den Handel, der in diesen Gegen
den sehr alt ist. In den hohlen Bäumen findet man
einen großen Vorrath von Honig und Wachs, und in
denGebirgengiebtesGold,Silber,Eisen,Kupfer, Bley,
Marmor, Alabaster, Bausteine, Diamanten, Ru
bine und Türkise. Kurz! Hungarn besitzt fast alle
Schätze der Natur, und flößet durch selbige feinen
Einwohnern Neigung sichzu behaupten, und andern
Begierde sie zuverdrängen, ein. Darausentsprangen
schonin den ältestenZeiten immerwährende Ketten von
Kriegen. Ein Stamm der ältesten Weltmenschen
verirrete fich etwa, indem er der Weide nachzog, in
dieses Land, erstaunete über die Fruchtbarkeit derWie
fen und den Wachsthum feines Viehes, und blieb in
felbigem. Die Haushaltungen häuften sich, und bei
völkerten endlich einen jeden Platz desselben. . Nun
erwachte der Eigennutz, und es entstand der Begriff
vom Eigenthum. Man wollte seine Weide behalten;
allein der nächste Nachbar, vielleicht auch einefremde
-- - - Horde,
-

Hungarische Geschichte. 5
Horde, versuchte sie zu erobern. Man fand, daß
manzu schwachfey, und riefeinen andern Nachbarzu
Hülfe, oder man verbandfich mit verschiedenen Haus
wesen zu einer wechselsweisen Vertheidigung; und da
dieses nicht ohne gewisse Bedingungen oder eine Art
von Ordnung, die die bisherige Gleichheit der Men
fchen einschränkte, geschehen konnte, fo legte man das
durchganz unvermerkt den Grund zu Gesellschaften,
Geschlechtern und Völkerschaften unter einzelnen Aelte
fen oder Anführern. Diese kämpften mit andern
Völkerschaften; denn der Uebergangvon einer bloßen
Vertheidigung zu der Eroberung eines benachbarten
Ackers ist dem menschlichen Eigennutze sehr natürlich.
Inden Scharmützeln undKriegen littederSchwächere
öfters so sehr, daß er fliehen und fein Vaterland ver
laffen mußte. Oefters aber behielt er noch so viele
Macht, daßder Stärkere fich nur neben ihm eindrin
gen konnte, und dann verschwand der alte Stamm
oder vielmehr sein Name, und es erschien plötzlich ein
kleines unbedeutendesGeschlecht, als eine wichtige und
mächtige Völkerschaft. Diese wurde nach und nach
mitpolitischen Künsten bekannt, ordnete eine dauerhaft
tere Regierungsform an, gewöhnte sich an mehrere
Bedürfniffe, und fuchte diese durch einen Ueberfluß
von den Ausländern einzutauschen. Auf diese Art
entstand der Handel. Die Seefahrer auswärtiger
Handlungsstaaten kamen an die Küsten, und legten
auf selbigen Pflanzstädte an, welche Schulen der Sit
ten, Künste und Wissenschaften für die bisher nur roh
gebildeten inländischen Nationen wurden.
Diese Erzählung istdas Resultat der ältesten pan- Aelteste Ein
nonischen oder vielmehr illyrischen Geschichte; denn in ' s
den ältesten Zeiten nannte man alles Land, was zwi-riens.
fchen demKrapak,oderdenkarpathischenGebirgen,und
dem adriatischen Meere lag, Illyrien. In diesem
Lande müffen in den uralten Zeiten, die der Sündfluch
A3 QN)
6 XXXIII. Buch. Aelteste
am nächsten waren, diejenigen Völkerschaften oder
Hauswesen sich aufgehalten haben, die man Kälten
oder Celten zu nennen pflegt, und deren Nachkom
men Deutschland oberhalb der Donau, Helvetien,
Italien, Gallien, Britannien und Spanien bevölkert
haben. Nachher setzte sich unterhalb der Donau ein
neuerer Stamm, von dem die Germanier, vielleicht
auch die Griechen, herkommen. Die ältesten Ge
schichtschreiber verlassen uns bey den Untersuchungen,
die der Beweis zu diesem Satze erfordert, und daher
müffen wir uns mit Muthmaßungen, die aus der
Aehnlichkeit verschiedener Sprachen gezogen sind, be
gnügen. Zu diesen gehöret die Bemerkung, daß die
Germanier, Phrygier und Thracier zu einer Zunge
gehören, und von einem gemeinschaftlichenStammva
ter entsprungen seyn, aber sich schon in Klein-Afien
von einander getrennet haben müffen b). Von den
Thraciern im weitern Verstande, find, wie Strabo
im sechsten Buche anzudeuten scheint, die neuern
Thracier im heutigen Rumili, die Illyrier, und die
Epiroten oder heutigen Arnauten entsprungen. Der
berühmte Herr Hofrath Heyne hat in zwey Abhand
bungen c)gezeiget, daßdie ältesten Thracierwahrschein
ichvon den kaukasischen und taurischen Gebirgen ab,
in die Provinz Klein-Asien, und ferner über den Hel
lespont und Bosphorus in Thracien gegangenfind,und
sich nordlich bis an die Donau, westlich aber bis an
Morea ausgebreitet haben; daßferner von den Thra
eiern schon in Kleinasien die Myfier, Phrygier und
Hemeter sich absonderten; und daßin spätern Zeiten
das mehr gebildete Volk der Hellenen (welches aus
Curetenund Lelegen, oder MyfiernundPhrygiernbestan
den hat,) unter der Anführung eines sehr weisen und
- gefit
b) Hr. Schlözer angef. Orts S. 274.
c) Götting.Anzeig. 1764. S. 1241; 1769, S.462.
Hungarische Geschichte. 7
gesitteten cythischen Königs Deucalion ausKleinafien,
vielleicht auch aus Scythien jenseits der Donau, zu
den Thraciern in Griechenland gekommen fey, und
diese in Wiffenschaften, Künften und Religionsge
bräuchen unterrichtet habe. Die ältesten illyrischen
Nachrichten gebendie ältesten Hungaren für Sicilianer
aus; und Appianus, der älteste jetzt bekannte illyri
fche Schriftsteller, welcher innerhalb den Jahren nach
ChristiGeburt 97 und 16o schrieb, liefert diese Na
tionalstammtafel, die er doch nicht für zuverlässig,
sondern nur für die wahrscheinlichste unter mehrern
ähnlichen ausgiebt d). Cyclopszeugte mit Galathea,
nachdem er „Sicilien verlaffen hatte, den Illyricus,
Celtus undGalla. IllyriciSöhne waren Encheleus,
Autarius, Dardanus, Mädus, Taulantes umd Per
rhebus; die Töchteraber Partha, DaffaraundDoarta,
Autarius ward der Vater des Pöone, und durch die
fenderGroßvater desScordicus und Triballus. Jede
Person dieses Stammbaumes stiftete durch ihre Nach
kommen ein besonderes Volk, welches ihren Namen
erbte und behielt; und von diesen waren die Celten in
Deutschland und Italien, die Gallier gleichfalls in
Italien und inFrankreich,die Autariaten, Dardanier,
Scordiscer, Illyrier und Tribalier diesseits der Donau
im heutigenKroatien, Dalmatien, Bosnien,Servien
und Bulgarien, die Encheleer, Parthenier und Tau
lanten in Arnaut oder Albanien, die Mädier in Thra
cien,und die Perrheber undDaffareter in Macedonien.
Gegen diese Einheilung oder Stammtafel läßt sich
sehr vieles einwenden; denndie darinn genannten Völ
ker waren weder von einem Stamme, noch auch die
A4 berühmt
d) Appianus Alexandrinus de bellis Illyricis, in des
Herrn von Schwandtner Script. rer. Hungaricarum
veteribus ac genuinis T. III. Vindob. 1748.
p. 77O. --

-
Z XXXIII. Buch. Aelteste
berühmtesten und ältesten Nationen der illyrischen Ge
Vagenden. Ihr größerter Nutzen bestehet demnach nur
u zu Da - - * s -

zu Hida" in der Bemerkung, die wir aus selbigerziehen, daß


Zeit. die Griechen, Römer und Illyrier schon vorzweitau
send Jahren den Ursprung ihrer Stammväter nicht
mehr wußten, und also sehr alte Nationen seyn
müffen. -

Die älteste gleichzeitige Urkunde, die wir jetzt aus


den hungarischen Gegenden aufweisen können, ist die
Reisebeschreibung des Scylar von Caryanda (in
Kleinasien), welche zu den Zeiten despersischen Mo
narchen DariusHydapes etwa 50er Jahr vor Christi
Geburt aufgesetzet iste). Vermöge derselben wohnten
im jetzigen venezianischen Staate die Zenett, welche
J. d. W „nach der Angabe des Livius aus Paphagonien durch
„E“den Antenor, gleich nach der trojanischen Eroberung,
- zu Waffer in diese Gegend geführt seyn sollen. Dann
folgten die Istrier am Ister oderder Donau, in dem
heutigen Istrien,in den österreichischenHerzogthümern,
und vielleicht auch in Kroatien und Hungarn. Diese
Nation soll von einem kolchischenHeere etwa 80Jahr
früher ihren Ursprung genommen haben; denn man
will f), daß dieses Heer, welches der König Aretes
von Kolchis seinen entflohenen Kindern Absthrtus und
Medea und den Argonauten nachandte, aus dem
schwarzen Meere in die Donau, und ausdieser in die
Saugeschifft fei; daß es im heutigen Kärnthen die
Schiffe an das Ufer gezogen, und über die Gebirge
bis nach Aquileja getragen habe; und daß es endlich
aus Ueberdruß und Furchtvor einem grausamen Mo
narchen sich amadriatischen Meere niedergelaffen, und
Istrien angebauet habe. Kurz zuvor soll der Prinz
- Abshr
e) So. Lucius de Regno Dalmatiae et Croatiae inHerrn
von SchwandtnerScr. rer. Hung. T.lll.p.20
f) Sufimus L. XXXII. p. 289
Hungarische Geschichte." 9
Abfhrtus an eben dieser Stelle gewesen, und aufden
nach ihm genannten abfyrtischen Inseln im Flau
mensee, oder vielmehr aufeiner derselbenCherfo,von
feiner Schwester getödtetfeyn. Diese Inselngehörten
zu des Scylax Zeit den Liburniern, welche zwey
Tagereisen weit bisüber Jadera oder Zara wohnten,
und an die mächtigere Nation der Illyrier, die bis
tiefin Arnaut oder bis an das Gebirge la Canina sich
ausdehnten, stießen.
Die Liburnier erscheinen nicht lange nach der Liburnier und
Kolonien des
Zerstörungder Stadt Troja schon als eine Handelsna Diomedes.
tion; denn sie eroberten kurz nach Diomedes, des
argivischen Flüchtlings, der an Trojas Vernichtung
den größesten Antheilhatte, Tode, die diomedeichen
Inseln oder Isole di Tremitibey Apulien. Diomedes
war durch die Vermählung mit der Tochter eines ge
wiffen Daunus, der aus Illyrien einer Empörung
wegen entflohen war, und Daumien an sichgebracht
hatte, zu dem Besitze einiger apulischen Ländereien
gelanger, und verlor diese mit dem Leben durch die Gé
waltthätigkeit eines Schwiegervaters. Seine grie.
chischen Unterthanen entrannen in jene Inseln, und
gaben ihnen den Namen ihresunglücklichen Anführers.
Eben diese, oder auch Diomedes selbst, hatten eine
Pflanzstadt am triefter Meerbusen aufeiner Insel an
geleget, in welcher noch lange nachher eindem Diome
desgeweiheter Tempel stand. Es scheint daher, daß
dem Diomedes die ersteStiftung einerSee- und Han
delsmacht im adriatischen Meere zugeschrieben werden
müffe; denn die Pelasger, die am Ausfluffe des Po
einige Zeitzuvor fichgesetzet hatten, und für eine ältere
Handelsnation gehalten werden, schifftennur biszu den
nahegelegenen Küsten g), und dachten nicht darauf,
fo wie Diomedes that, sich des Einganges und der
A 5 nörds
g) Strabo ap. Lucium l. c. p.3.
IO XXXIII. Buch. Aelteste
nördlichsten Ufer des adriatischen Meeres durchFestun
gen zu versichern. Die Liburnier, die inden Platz der
Diomedaner traten, mußten die Herrschaft diesesMee
res mit denSicilianern, mitden Ardiäern in Illyrien,
und mit den Tufeiern im mittleren Italien, theilen.
Dennoch hatten sie zugleich mit den letztern die Mün
dungen der vier Ströme im heutigen Abruzzo ultra,
Truentum,Latinum, Palma undHadria, den Ort oder
die Niederlage Durazzo in Albanien, und die Inseln
Iffa, Discheladus, Pityas, Ladesta und Scheria in
J. d. Welt ihrer Gewalt h). Die letzte Insel verloren sie an den
3269. v.Chr.G.
735. Cherficrates von Syracus, der ihr den Namen des
schwarzen Corcyra beylegte,weil sie durch die Wälder
am Ufer ein dunkles Ansehen in der Ferne erhielt i).
Die neapolitanischen Besitzungen wurden von den Um
briern erobert, und die liburnische Herrschaft imMeere
kam an die Bürger der neuen luftischen Pflanzstadt
-

J. d. Welt
Atria, die die Veranlassungzu dem jetzigen Namen
3465.v.Chr.G. des Meeres gegeben haben. Diese verloren ihre
4539. Macht und ihre Stadt durch die celtische Verwüstung,
und daraufwurde das Meer mit liburnischen und illy
rischenSeeräubern angefüllet. Bald nachher besuchte
Scylax das liburnische Gestade, undfandauf selbigem
fieben große Städte, die von dem Reichthume der
Nation zeugten, nämlich Jadera (Zara)Aerienites
Dyirta, Alupci, Olli, Pederäund Hemioni. Die
Herrschaft gehörte einigen Frauen, welche sichmitihren
Nachbaren undKnechten,umihrGeschlechtfortzupflan
zen, vermischten, und dennoch die apsyrischen, ele
ctrichen, istrischen und mentorischen Inseln zu be
haupten wußten; wenn nicht etwa diese Nachricht sich
nuraufflüchtige WahrnehmungenleichtsinnigerSchiffs
leute

h) Plini Hift. Nat. L. III. cap. 18. Appianus de bello


civ. l. 2.
i) Strabo 1.6.
Hungarische Geschichte. 11

leute gründet, oder erdichtet ist. Vielleicht fand


Scylax, welches in nordisch-europäischen Inseln noch
jetzt nicht ungewöhnlich ist, Gegenden ohne Männer,
weil diese insgesamt aufden Fischfang oder Seeraub
ausgegangen waren. Vielleicht mußten auch die
Frauen der Gegenden, die er besuchte, ihre Zuflucht
zu Knechten nehmen, weil etwa ihre Männer aufdem
Meere in einem unglücklichen Gefechte umgekommen
waren, und er übereilte sich, durch die Ausdehnung
einer Lokalbemerkung aufdas ganze Land. Wenig
fens ist es sehrunwahrscheinlich, daß die alteliburnische
Heldennation sichdem Joche ihrer Weiber bis zu der
Sklaverey werde unterworfen haben. Die electrichen
Inseln lagen auch nichtim adriatischenMeere, sondern
in der Ostsee; allein diesen Fehlerhat Scylar mit allen
alten Geographen gemein, daß er Bernfeinnieder
lagen und Bersteinfischereyen mit einander verwechselt.
Scymnus von Chios, der ungefähr hundertJahr
später schrieb, setztbey den electrischen Inseln noch ei
nige andere Eiländer, aufwelchen man dasfeinste Zinn
ausgrabek). Zinn und Bernstein waren ehedem zwey
wichtige Artikel des phönicisch-nordischenHandels,und
man geräch daher sehr leicht aufden Gedanken, daß
in Jadera oder Zara eine Niederlage dieser Waaren
gewesen feyn könne, die die Liburnier entwederzu Lande
von deutschen Nationen empfangen, oder auchzurSee
aus den phönicischen Handelsörtern in Afrika, Gallien
oder Spanien geholet, und den Griechen zugeführet –
haben. Dieser Gedanke ist nichtzu kühn, denn die
Liburnier müffen es in der Schiffahrtskunst, die ein
Volk nurdurch weite Reisen vollkommen lernt, sehr
weit gebracht haben, weil sie eine Art von Galeren
ausfannen, die, weil sie sehr leicht und geschwind zu
bewegen waren, von allenfolgenden Seevölkerschaften,
- selbst
k) Lucius a. O. p.23.
12 XXXIII. Buch. Aelteste
selbstvon den Römern, unter dem Namen Liburnicae
nachgeahmet wurden 1).
„" Die Liburnier, Illyrier und Ifrier fülleten das
Provinz. adriatische Meer mit so vielenSeeräuberschiffen anm),
daß auch kleine bewaffnete Flotten sich ihrer nicht er
J. ' wehren konnten. Daher geriethen die Römer, sobald
“ "ihre Schiffahrt beträchtlich ward, mit ihnen in kleine
Seekriege, undbeschloffen endlich, die illyrischenStaa
se Mten zu Lande anzugreifen, und zu erobern. Diese
- Absicht erforderte große Zurüstungen, undviele Behut.
famkeit; denn die Libmrner und Istrier waren sehr
tapfere und geschickte Kriegsleute. Der Conful M.
Claudius mußte eine neue Pflanzstadt, nämlichAqui
leja am adriatischen Meere anlegen, und in dieser ein
Heerund eine Seemachtzusammenbringen. Die Istrier
merkten die Absicht und fuchten Aquileja zu zerstören.
-

'' # Darauf nahm der Krieg zu Lande und Waffer feinen


L83. Anfang. Die istrische Nation hatte keinen Geschmack
an Künsten, Bau des Landes und bürgerlicher Ver
faffung; dennochfand man bey ihr einen großenUeber
fluß an wahren Kostbarkeiten und Lebensmitteln, die
ihr der Raub verschaffte. Sie besaßeine vorzüglich
feste Stadt Nefartus oder Neactium am Arias, in
welche sie ihre Schätze bey dem Angriffe der Römer
zurSicherheit brachte, und focht unter einigen Fürsten
und einem König Alepulus mit größertem Muthe.
Alleinfiewurde balddurchLandschlachten entkräftet, und
Ju. Erb. R. mußte sichin ihre Festungenzurückziehen. Der Consul
575. Claudius Pulcher rückte endlich vor Nefactium, und
grub den Einwohnern das Waffer ab. Dadurchge
riechen diese in Verzweifelung. Denn ihr König er
stach sich, die übrigen Männer aber schleppten ihre
Weiber
1) Appianus de bel. Illyr. ap. Stewechium Commad.L. IV.
Vegeti, Vesaliae 1670.p. 467.
m) Livius L. X. 2. XXI. 16. XXXIX. 55. XLI. 5- 15.
Hungarische Geschichte. 13
Weiber und Kinder aufdie Mauren, undfiengen an
fie zu tödten, undaufdas Feld herabzustürzen. Die
Verwirrung, die durch dieses Blutbad in der Stadt
entstand, gabden Römern Gelegenheit, die Mauren
ohne Widerstandzu ersteigen, und dadurch dieistrische
Macht völlig zu brechen. Gleich daraufbemächtigten
fie sich auch der Städte Mutila und Faveria, und der
Senat verwandelte Istrien in eine Provinz, die aber
nicht mit Italien vereinigetward;dennItalien endigte
fich, ehe Angustus die Gränzen über Pola ausdehnte,
am Fluffe Formio ohnweit Triefen). … Im siebenten
Jahre nach diesem Siege drückte der Proconsul C.
Caffius, der damals die Länder der Carnier, Istrier
undJapider unterfeinerAufsicht hatte, die neuenPro
vinzialenfo sehr, daßfie fich in Rom über ihn beschwer
ten o); allein ihre Kräfte warenzu sehr erschöpft, als
daß diese Klagen hätten einengroßenEindruck machen
können. r

Japidien
Herrschaft muß zugleich mit Istrien
der Römergekommenfeyn; unter die Japiden
dennfrüherals eine
s Prgs
Istrien kann es seiner Lagewegen nichtwohlbezwungen
fyn. Dieses Land wurde als ein Theil von Liburnien
betrachtet, und scheintden liburniern von den Japoden,
einer celtischen Nation, die aus Gallien etwa sechst
halbhundert Jahr vor ChristiGeburt in diese Gegend
gedrungen ist, genommen zu seyn p). Im Jahr n.
Erb. R. 624. wurden die Japiderzugleich mit den
Segestanern durch den Sempronius Tuditanus
zum zweiten male dem römischen Scepter unterwort
fen. AlleinfiefandendennochGelegenheitsichabermals
frey zu machen, schlugen innerhalb zwanzig Jahren
- - - zwey
n) Strabo L.VII. Plini L III. c. 18, CellariiNotitis
Orbis antiqui. p. 708., -

o) Livius XLI, 7.
p) Lucius p. 47. Cellarius 1. c.
14 XXXIII.Buch. Aelteste
zwey römische Heere, und eroberten Trieste. Diese
Schmach des römischen :
fichte Julius Cäsar
zu rächen, und es gelang ihm, nicht nur fie, sondern
auch die Dalmatier, Pannonier und Alpenbewoh
ner zu einer Art von Unterhänigkeit zu zwingen q).
J. n. Erb. R. Augustus vollendete diese Eroberung, entweder weil
119. v.Chr. G.
35. die Salafier, Tauricer, Liburnierund Japoden
den Zins geweigert, und einige römische Bundesge
noffen beunruhigert hatten, oder auch, weil er durch
Kriege mit den Illyriern und Päoniern eineSoldaten
beschäftigen, und ohne große Kostenkleiden und ernäh
ren konnte r). Damals theilten fich die Japoden in
See- und Alpenleute. Jene wurden ohneMüheüber
wältiget, und wohnten unter den Illyriern und Libur
niern von den Alpen ab, bis an den Fluß Tedanium
oder Zermagna s). Diese, die Alpenjapoden, traten
in ein Bündnißmit denSegestanern, Salaffen, Dal
- - - -
matiern, Deffiern undPannoniern, und fordertenge
-- - - - - meinschaftlich von allen Ausländern, die ihr Gebiet
betraten, Zoll oderSteuern. Augustusgewann durch
Drohungen zwei Hauptstämme der transalpinischen
Japoden, nämlich die Moentiner und Avendeaten,
und zwang durch eine zweijährige Versperrung der
Alpenwege die Japoden und Salaffer, seine Besatzun
gen in ihrefesten Plätze einzunehmen. Beide Natio
nen wurden zu dieser Demüthigung durch Mangel am
.. . " - ,-- Salze
q) Florus L. 131. - - - - -

r). Caffi Dionis Hift. Rom. edit. H.S. Reinari p. 595.


L.49. Sueton. in O&tauiano. - So.-Seuerini Hungari
-, Pannonia,veterum monumentis illustrata cum Dacia
„ Tibiana. Lipf. 1771. p. 91. Appiamused.Schwandt
neri III. p. 776fequ. -

). Einige Gelehrte halten die Tschitschen zwischen Neu


bauß und S. Serf in Krain für Abkömmlinge der
“ wiewohl mit keiner sehr großen ers
IG VEI, - - - - -
Hungarische Geschichte. 15
Salze veranlafet. Sobald demnach die Wege geöff
net waren, versahen sie sich mit einem Vorrathe auf
einige Jahre, und brachendaraufden römischen Bund.
Augustus eilte ihnen selbst entgegen, und gelangelte
-
durch Listzum Besitz einiger der höchsten Alpen, die er
hinlänglich besetzte. Er ließferner durch die unzugänge
lichen Wälder Heerstraßen ziehen, und bahnte sich
dadurch den Wegzu den fettesten Städten Terpo und -

Metullium, die er beyde eroberte. Die Japoden -

konnten dieses Unglück nicht ertragen, empörten fich in


dem Augenblicke, als sie Metullium mit ihren Waffen
den Römern abliefern sollten, ermordeten sich und ihre
Kinder,undzündetenihre Wohnungenan, wobei ihnen
die Weiber wütend halfen. Dadurch gerieth Augu
fus in einen solchen Zorn, daß er die Stadt völlig
vernichten, und die lebendig erhaltenen Einwohner als
Knechte verkaufen ließ. Diese Stadt war, wie es
scheint, nicht weit von der Quelle der Kulp, und
außerihrwerden von alten Erdbeschreibern nocheinige
andere Städte, nämlich Arupinus, Moentius und >
Avendo angegeben, die insgesamt im Gebirge de --
kroatischen Morlaken gelegen haben mögen.
Die Unterthanender
Istriern Liburnier wurden entwederzugleichmit
Römer, oder traten auchden "Pros
in 'fche
Gesellschaft derIffener, im Anfangedes sechsten Jahr
hunderts der Stadt Rom, in ein Bündniß mit dieser
mächtigen Republik t). Das letztere vermuthet Lucius
ein sehr gründlicher Schriftstellerder dalmatischen Völ
kerschaften; allein das erstere scheint wahrscheinlicherzu
werden, wenn man erwäge, daßdie Liburnier fichdem
Unwillen der Römer durch ihre Seeräubereien eben so
fehrJuliusCäsar
C. als die Istrier ausgesetzet
waren sie wiederhatten. Unter
frei, denn dem I. n. Chr.
sie baten" b. G.
M.
den Cäsar um Schutz, als die Dalmaten und Illyrier
ihnen
t) Lucius P. 5 2. Apianus 774 - - - -- - -
-

16 XXXIII. Buch. Aelteste


ihnen ihre Stadt Promona entriffen hatten. - Cäsar
fandte ihnen feinen Legatus Gabinius, der aber von
ihren Feinden besiegelt wurde. Demohngeachtet blie
ben fiel den Römerngetreu, und wurden nebst Istrien
vomProconsul der transpadanischen Provinz, als ein
Theil des diesseitigen Galliens regieret. - Augustus
legte Japidien und Istrien zu Liburnien, nannte den
Strand zwischen Italien und Macedonien Illyrien,
und theilte ihn in Luburnien und Dalmatien. Er
bestimmte ferner diesem vergrößerten Liburnien die
X Flüfft Titius (Chercha), Sau, Kulp und Aria in
Istrien zu Gränzen, wodurch Istrien drey berühmte
Städte verlor, nämlich Parenzo, Justinopolis oder
Aegida, jetzt Capo d’Istria, und Pola, die alte kol
chische Pflanzstadt, der Augustus nun den Namen
Colonia Pietas Julia beylegte. - Im eigentlichen Li
burnien waren außer verschiedenen unbekannten Land
fädten u), einige große Seestädte, nämlich Alvona
oder Albona, Flanona, jezt Fianona, Tarfatica, jetzt
Teratobey Fiume, Senia oder Zengh, Aenona oder
» Nona, Jadera und Scardona. Jadera (jeztZara
Vecchia) stand schon fange vor Cäsars Zeit als eine
Seerepublik mitRom im Bündniffe; alleindieKaiser
“ " - unterdrückten die Unabhängigkeit, und verwandelten
fie unter dem Namen Colonia Claudia Augusta ineine
- mittelbare Stadt. Scardona übertraf alle übrige
Städte zu Augusti Zeit an Wirksamkeit und Absatz
der Waaren, die man durch den Fluß Titius aus der
Seeihr,undfernerden Dalmatiern,zuführte. Strabo
/ gedenkt noch einer andern Handelsstadt Liburna,die
höher an selbigem Strome zu seiner Zeit lag. Diese
%
"" " hieß nachher Burnum, und wird wohl der älteste
““ “Handelsplatz der nordlichsten Küste des Meeresgewe
--

fen sein, weil sie einem so großen Volke ihren Namen


mitgetheilet hat.
-. ". - Die
u) Cellarius . c. p.613. Lucius p.42. 53.
Hungarische Geschichte. 17
Die Ardiäer, welche eine Zeitlangnebst den Ki- Vor der Ur
burniern für diegeschicktestenSeefahrer des adriatischen der
Meeres gehalten wurden, sollen noch vor der Zerstö
rung der Stadt Troja den größesten Theil der südli
chern illyrischen Küste den Autariaten entriffen
haben v), mit welchenfiel schon lange zuvor über einige
Salzquellenin Zwist gerathen waren. Sienutzten ihre
fruchtbaren Aecker fehr wohl, und wurden dadurch
reich, mächtig und übermüthig. Zuerst besaßen fie
die Seeküste von Durazzo, bis in die Gegend von
Salona, unddas innere Land fast bis an den Hämus
in Albanien, und bis an die pannonischen Alpen, wel
ches nach ihnen Ardia hieß. Ihre unaufhörlichen
Streifereyen in Italien, veranlafften die Römer, sich
mit den Einwohnern der Insel Liffa, den Parthi
nern bey Durazzo, den Altintanernund denApollo-J. n. Erb. R.
niaten gegenfie zu verbinden, durch welche sie bald ***
in einem engern Raum zwischen Almiffa und Rizano
eingeschränkt wurden. EtwadreißigJahr später trieb
fie Fulvius Flaccus, als Hülfsgenoffe anderer von
ihnen beleidigten Illyrier, vom Gestade in das Ge
birge, undzwang sie, die Schiffahrt mit dem Acker
bauzuvertauschenx). Seitdieser Zeit erloschihr Name,
und manfindet von ihnen nur noch im andern Jahr
hunderte in Bosnien einige Spuren, nämlichdie Völ
kerschaft der Varalier oder Varcianer zwischen den
Alpen und der Sau, und die der Wardeer zwischen
den Quellen der Narona und Spreza.
Ihre ältern Feinde, die Autariater, die vor Volk der Auto
ihnen von dem Hämus, dem Drinusin Macedonien, “
dem Ifer und dem dalmatischen Seestrande begränzet
wurden, hatten in den ältesten Zeiten die Tribal
- - lier,
v) Luciusp. 9.33. Strabop. 218. L.VII. Cellarius
- p.6C3.T. I.
z) Appianus p. 774.
Allgem. Weltg.XV.B.I.Abth. B
18 XXXIII.Buch. Aelteste
lier, eine celtische Nation, und verschiedene thracische
und illyrische Völkerschaften bezwungen y). Ihre
Macht wurde aber noch vor Ablaufdes dritten Jahr
tausends der Welt durchdie Ardiäer, und zu einer an
dern Zeitdurch einen Heereszug der Scordifter gebro
chen. Die letztern gaben ihnen bei einer verstellten
Flucht ihr mit vergifteten Speisen und Getränken an
gefülltes Lager preis, und ermordetenfie, als sie durch
unvorsichtigen Genuß der Lebensmittel sichzum Wider
'' fanduntüchtiggemacht hatten z). Nachher sollen die
"übriggebliebenen Autariaten mit den Celten, Delphos
undGriechenland verheerer, endlich aber durch Veran
#'' laffung einer Pest die Seeküste verlaffen haben. Auf
dem Zuge des Königs Alexanders des Großen gegen
den König der Illyrier Clitus waren fiel noch im
Stande, diesem mächtigenWeltbezwingerals illyrische
Bundesgenoffen ein Heer entgegenzustellen, welches
aberbesiegelt undzerstreuet ward. Nachdem macedo
mischen Zuge setzte sich der entkräftete Ueberrest der
Nation in eine unbewohnte Marschgegend an der
Donau, nebendenBastarnen und Getenin derheutigen
Bulgarey, und darauf verschwand ihr Name.
Sowohl
S). Strabo p. 220. Lucius p. 33. Appianus p. 771.
Plinius nennet diese NationL. III. e.26. Tarioten, und
giebt ihnen eine Hauptfestung Tariona ohnweit Scar
dona.

z) Einige Geschichtsschreibermelden, daß der makedonische


König Caffander im J.d.W.3694. einen Haufen Au
tariater, die in das Gebiet des Königs von Päonien
gefallen waren,überwältigt, und an denBerg Orbelus
an der moefischthrakischen Gränze verfetzet habe. Hier
waren die Scordifer ihre Nachbarn, und es ist nicht
unwahrscheinlich, daß die fordicische Niederlage in
: M.
den nächsten dreißig Jahren sich zugetragen
-
Hungarische Geschichte. 19
Sowohl die Autariater als auch die Ardiäer wur-Volk der Illy
den in den ältern Zeiten Illyrier genannt, welcher“
Name überhaupt einen Seefahrer der dalmatischen
Küste andeutete. Auf dieser findet sich ein Strom
"Illurus, jetzt Zentina, der bey Almiffa gegen der
Insel Lezina über in das Meer fließt a), und dieser
scheint die Veranlassung zu den Benennungen illyri
fches Volk, illyrische Küste, Illyris, und illyrisches
Meer(für adriatischesMeer)gegeben zu haben. Die
alten Geographen unterscheiden eine kleine Nation der
eigentlichen Illyrier von den übrigen Illyriern;
allein sie weichen in der Bestimmung der Wohnplätze
dieser Leute ab. Scylax von Caryandia giebt diesenJ.d.W.34so.
Namen den heutigen Arnauten innerhalb Durazzo und
La Valone. Pomponius MelaimGegentheil, setzt
die eigentlichen Illyrier zwischen Narona und dem
schwarzen Drinusimtürkischen DalmatienundZentab).
Jener, der Scylax, beschreibtdasgrößere Illyrien
als ein Land, welches unter viele illyrische Stämme
verheilt fey, und von Scardona bis in das Gebiet
der heutigen Arnauten ohnweitGramata reiche. Er
nennetdarinn folgende Nationen: Griechen, inder
Stadt Heraclea; Hierafannier und Buliner in der -

Gegend von Trau; Hylliner, die vomHyllus, einem


Sohne des Hercules und Könige in Doris, abzustam
men glaubten, aufdem Vorgebirge, aufwelchem jetzt
derFlecken Buslina stehet c); Metier amnestischen
Meerbusen und Tilurusfluffe, deren Stadt Netus in
der Gegend von Salona gestanden haben muß; wie
derum Griechen von Paros auf Pharus (Lezina)
und Iffa (Liffa), und von Cnidus aufCoreyra nigra
B 2, und

a) Lucius p. 77.
b) Cellari Notitia Orb. ant.T.I.p.603. Luciusp.32.
Strabo L.VII. p. 217. -

s) Lucius P.,42.
-

20 XXXIII.Buch. Aelteste
oder Curzola, welche Inseln innerhalb des mariker
Meerbusens lagen; dann die illyrischen Marier, die
nordlich andie Autariater gränzten, und eine beträcht
liche Handelsstadt Narona besaßen; daraufdie Rhi
zunter am rizanischen Meerbusen; die Encheleer,
deren Hauport Buthoa ist; die Taulanter, in deren
Lande die griechischePflanzstadt Epidamnus(Durazzo)
lag; die Griechen von Apollonia (Pirgo) und
Annantia; die Oriker, welche euböische Kolonisten
waren, die Buliner, und mehr landwärts die Atin
taner, die insgesamt zwischen laValoneund Gramata
an der Seeküste wohnten d). -

Illyrische Die Illyrier waren ursprüngliche Thracier e);


Staatsverfass
fung undSit allein die vielen Griechen, Phönicier, Sicilianer und
Us.
Celten, die sich unter ihnen niederließen, gaben ihnen
einen neuenCharakter, dersie in Betracht derSprache,
der Sitten und Gebräuche zu einem neuen Volke
J. d.W. 2556. machte. Ihr Staat muß sehr altgewesen seyn; denn
P.Chr,G. 1448.
schon zu Cadmus,desPhöniciers und ersten Königs
der Boeotier, Zeit waren die Encheleer in Illyrien,
und führten mit andern Illyriern Kriege. Cadmus
übernahm aufihre Bitte ihreAnführung, besiegte ihre
Feirde, blieb ihr Beherrscher, zeugte einen Sohn, den
er Illyrius genannt haben soll, und starb auf dem
cadmeischen Felsen, einemVorgebirgezwischen Ragusa
und Melontagra. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
dieser berühmte Mann, der zuvor die Böotier gesittet
gemacht, eine Staatsverfaffung bey selbigen errichtet,
und fiel in der Schiffahrt, dem Handel, der Schrei
bekunst und andern phönicischen Wiffenschaften unter
richtet hatte, auch die Illyrier zu diesen nützlichen
Kenntniffenwerde angeführet haben. Etwa vierhun
dert
d) Lucius p. 42.
e) Scymnus, Swidas und andere in Hr. Severini Pan
nonia. P. 58.
Hungarische Geschichte. 21
dert Jahr nach ihm, ließ sichbey den Encheleern eine
kolchischeKolonie,dieebenf geschickt imHandel undder
Seefahrtwar,nieder,und erbaueteColchiniumoderdas
alte Olcinium, nahe bey dem neuern Dolcigno, dem
fo sehr berüchtigten Hafender heutigen Seeräuber die
fes Namens. Die illyrische Küste zog die Seefahrer
durch ihre Naturschätze anfich. Sie hatte einen Ueber
fluß an Wein und Oel, ohngeachtet das Land, wie
Theopompus, ein Geschichtschreiber, der im J.d.
W. 365 1 schrieb,versichert, von den feeräuberischen
Einwohnern sehr vernachlässiget ward. Strabo,der
diese Nachricht aufbewahrethat, bemerkt (S. 218.),
daßdie Illyrier seiner Zeit ihren Acker injedem achten -
Jahre neu unter sich verheilten, und nur Handeldurch
Tausch, nicht aber durch Geld kannten. Dennoch
prägten einige illyrische Nationen bleierne Münzen, die
manzu Rom unter dem Namen der Nummorum Vi
ctoriatorum, biszu dem Jahre der Welt 377, als
eine Waare gebrauchte f). Die illyrischenGebirge
waren zwar mit Goldadern versehen; allein, wie es
fcheint, kannte man diese Schätze nicht, wenigstens
giebt Plinius (L. 33.S. 1.) zuverstehen, daß erst
die Römer in der Mitte des ersten christlichen Jahr
hunderts ein illyrisches Bergwerk aufgenommen, oder
entdeckt haben, welches einesReichthumswegen noch
jezt eine Aufmerksamkeit verdiener. Denn es gab
täglich fünfhundert Pfund feines Gold. Von den
übrigen Produkten dieser Zeit ist wenigbekannt. Man
führte einige Pferde aus, die sehr hartmäulig waren,
aber für gute Streitroffe gehalten wurden g); ferner
dalmatische Käse h); sehr große
- B Z
n: Us

f) Plinii Hift. nat. L. XXXIII. Se&. 13. Baudelot de


Dairval Utilité des VoiagesT. II.p. 579.
g) Vegetius Arte Veterin. L. IV. c. 6. Claudiamus L.2.
in Rufin. v. 62. et Comm.Geßneri.
h) Plinius L. XI. Sec. 97..
22 . XXXIII. Buch. Aelteste
Muscheln und bräunliche Austern i); wohlriechende
undArzneyfräuter k); insbesonderedie illyrische Wald
iris, vom Drilo und Naronstrome, die Waldnarde,
die Gentiana, deren Heilkräfte der illyrische König
Gentiuszuerst entdeckte, und die Perpreffa, der man
die Kraft Steinbeschwerungen zu heben zuschrieb.
Man hatte große und finstere Wälder, die man zum
Schiffbau, noch mehr aber zum Aufenthalt und zur
Sicherheit bey feindlichen Einfällen gebrauchte. Denn
ohngeachtet die griechischen Pflanzstädte, und vorzüg
lich Apollonia, eine corinthische Kolonie, fehr schöne
Policeygesetze hatten, und mitgesitteten Wollüflingen
angefüllet waren: so behielten dennoch die illyrischen
alten Nationen bis in das erste christliche Jahrhundert
ihre Kennzeichender Barbarey; denn sie fuchten einen
Ruhm in der Trunkenheit, selbst bey dem Frauenzim
merl), inder Grausamkeit und in dem Seeraube, und
verstatteten ihren Töchtern alle Gattungen der Unzucht,
wozu eine ungewöhnliche Leichtigkeit im Gebären fie
außer den natürlichen Trieben so sehr reizte, daß nicht
leicht ein Mädchen von zwanzigJahren ohne einPaar
Kinder gefunden ward m). In ihren Hütten beob
achteten sie die Gastfreiheit,und eine gewisse Ehrlich
keit, die man bei allen nicht völlig gebildeten Völker
schaftenfindet. Dennoch fiengen einige Stämme schon
drittehalbhundertJahrvorChristo an, einen Geschmack
an bürgerlicherVerfaffungund ausländischen verfeiner
ten

i) Plinius L. IX. Sečt. 82. L. XXXII.Se&t. 21. Warra


dere ruft. L. III. c. 14.
k) Plinius L.XIII.Se&.2. XXI.Seé. 19. cumComment.
Harduini. Plinius L.XII, S. 27.XXV. S.34. XXVI.
S. 55. -

1) Aeliani Variar. Hiftor. L. HII. c. 15.


m) Varro de re rustica L. II. c. 108. Die illyrischen
Weiber arbeiteten mit jedem Kerl um die Mette, selbst
kurz vor und nach ihrer Niederkunft.
HungarischeGeschichte. 23
ten Sitten zu bekommen n), Königen zu gehorchen
und nach geschriebenenGesetzen zu leben. Die unbän
digern Völkerschaften verließen nach und nach den
Strand, aufwelchem die gesittetern zu mächtig wur
den. Daher drangen die Dardanier, Scordifer und
Autariater in Möfen, und die Päonier in Pannonien
eino). Andere blieben im Lande, unter dem Schutze
einer festen Stadt, in die fie, so oft es die Nother
forderte, flohen und eine Belagerung aushielten.
Von solchen Städtenfanden die Römer, kurznach des
Heilandes Geburt, funfzig, die eine Aufmerksamkeit
verdientenp). Außer den oben angeführten Völkern,
die Scylar kannte,gabes bis zumzweiten Jahrhun
derte christlicher Zeitrechnung noch andere Völker in
Illyrien,nämlichdie Daorizer oder Daurier, am Ur
fprungedesNarounddesChercha,die schongenannten
DelminieroderDalmaten;einwenignördlicheram Na
ro,dieLeraunierinBosnien,dieComenierohnweit Sa
lone,die Marinierüber Narona,die Pleräer aufder
Meerzungegegen Curzola über, die Siculoten und
Diocleaten bey Epidaurus (Ragusa) und Dioclea,
die Phäacier und Pyräer etwas nordlicher, die La
beaten am See Zenta,die Pirufen an der servischen
Gränze, die Scirronen am Drinus undMattia, die
Parchimer bey Durazzo,die Dindarier, Saffäer,
Grabäer und einige kleinere Nationen, die keiner
Aufmerksamkeit werthfind.
B4 Dje
n) Sie des Scymnus von Chios bepm Lucius
. 24. "
o) Appianus ap. Schwandtner.'T.III.p.775. Die Dar
danier beunruhigten zuvor die Macedonier fo fehr,daß
diefe dasGebirge Scordus, über welches sie zu kom
men pflegten, in eine Einöde verwandelten, um ihnen
die Heereszüge, weil bey folchen kein Futter mitge
führet ward, zu erschweren. LiviusLXLIII. cap.20.
p) Strabop. 218.
24 XXXIII.Buch. Aelteste
IdWeltzeig Die Illyrier überhaupt genommen hatten bestän
vor 335dige Streitigkeiten mit ihren südlichern Nachbarn,
den Griechen, in welchen sie bald fiegeten, bald aber
unterlagen. In einemKriege, den sie mit den Molot.
ten, einer epirotischen Nation,führten, litten sie so sehr,
daß sie den syrakusanischenKönig Dionysius um Hülfe
ersuchten. Dieser Monarch, der ein sehr großer und
schlauer Staatsmann war, bewilligte ihr Verlangen
fehr gerne; denn er hatte zwei große Absichten, bey
welchen sie ihm dienen konnten,nämlich die,die Schätze
des delphischen Tempels zu rauben; und ferner die, sich
zum Herrn des adriatischen und epirotischen Meeres
zu machen, und die karthaginienfische Seemacht und -
Handelsschiffe aus diesenGewäffernzuvertreiben. Er
sandte daher eine Kolonie aufdie InselLiffa, erbaue
te für selbige einen festen Hafen und eine Stadt, die er
mit Tempeln, Kampfschulen und ähnlichen Gebäuden
ausschmückte, und unterstützte einige Einwohner von
Paros, die sich nach Lezina wandten, mit Bewilli
gungder Einwohner eine Festung aufdieser Insel er
baueten, der Inselden Namen Pharia gaben, und
einen Hafen für des DionysiusFlotte anlegten. Die
Illyrier merkten ihre Absicht sich zu Herren der See
zu machen, wiewohl etwaszu spät, und wagten einen
Angriff auf Neuparos q). Allein die syrakusanisch
lifische
q) Diodorus von Sicilien, welcher diese Begebenheit
in feiner Biblioth. historica L.XV.(p.464. edit.Steph.)
aufbehalten hat, meldet, daß Dionysius einige Jahre
vor der Ankunft der Parier aufPharos eine Kolonie
abgesandt, und für felbige die Stadt Lyffus erbauet
habe. Diese Stadt fey von ihm mit einer fehr hohen
Mauer, in einem Umfange, der den Umkreis aller
griechischenStädte übertreffe, angeleget. SeinHafen
habe zweydundert Galeren gefaffet, und das Gymna
fium fey am Fluß Anapos aufgerichtet worden. Fer
zer (p. 465.): als die Illyrier die Pharier ':
0,96
Hungarische Geschichte. 25
lifische Flotte trieb sie mit einem Verluste von 7000
Mann zurück. Dionysius gebrauchte nachher die be
festigten Häfen zur Beunruhigung der italiänischen
Küste, auf welcher er verschiedene Plätze eroberte
und befestigte. Zum Glückfür dieIllyrier wurde die -

Gewalt der fiyrakusanischen Monarchen durch innerliche


Empörungen bald nachher geschwächt, und nach des J. d. W. 3715,
K.Agathocles Tode ward Corcyra, die letzte ficilia- -

nische Besitzung,frey. Zu gleicher Zeit mußte der


ficilianische Admiral, welcher zu Beobachtung der
Seeräuber stets im adriatischen Meere zu kreuzen
pflegte, dieses Meer verlaffen.
Die Illyrier fuhren inzwischen in ihren Feindselig- Ilorische Kh
keiten fort, besiegtenden macedonischen König Amyn-’9“ -

tas, und zwungen Alexander, feinen ältern Prinzen


zu einem Tribute r). Philipp, der jüngere Prinz, er
oberte Liffus oder Aleffios), nahm dem illyrischen
Könige Bardyläus alles, was selbiger den Macedo- "ä".
niern entriffenhatte, und demüthigte ihn im zwanzigsten
Jahre darnach durch eine schwereSchlacht nochmehr.
Bardyläus hatte zwei Söhne, ClitusundGlaucias.
Jener erhielt die Herrschaft über feine Illyrier, und
B 5 dieser
Nachen angegriffen hätten, fey des Dionysius Statt
halter aus Liffa mit feinen Galeren herbeigeeilet und
habe eine beträchtliche Anzahl derKähne versenkt. Alles
dieses bestimmet die Infel Liffa zum Hafen des Diony
fius, und diese Meynung erhält auch dadurch ein Ge
wicht, daß Tragurium (Trau) und Epetus oder
Epetium (bey Almiffa), zwey Kolonien der Liffenfer,
nahe bey der Insel Liffa liegen. Lucius S. 17. Den
noch halten fast alle Geographen, und Cellarius an
ihrer Spitze, das syrakufanische Liffusfür Alessio, wel
ches doch eine ältere griechische Kolonie ist, und am
Drinus, nicht aber am Anapus lag.
r) Iuftinus L.VII. 4. 5.
o) Polybius L.VIII. 10.
26 XXXIll. Buch. Aelteste
dieser über die Taulantier, eine illyrische Nation, die
innerhalb der Mündung des StromsPanyasius(Stu
J. d. W. 3669. mino) und la Valone am Strande wohnte. Beide
v.Chr, G. 335versuchtensichnachPhilipps Tode frei zu machen:allein
Alexander der Große unterwarf sie durch einen glückli
chen HeereszugfeinerHerrschaft nochgenauer. Nach
herhalfGlaucias als König der Taulantierdem mace
d
'' donischenKönige AntigonusgegendenCaffander,büßte
“” aber die Städte Apollonia und Epidamnus (Durazzo)
ein t). Zu diesen Eroberungen fügte ein Bundesge
noffe des macedonischen Königs Alexanders, nämlich
der berühmte epirotische König Pyrrhus, das übrige
I. d. „3rne illyrische Gestade oberhalb dem Montenegro, welches
v.Chr. G.294
" aber nachfeinem Tode wieder in die Gewalt eines illy
rischen Königs Agron, eines Sohns des Königs
Pleuratus,kam, dervermuthlichzu dem Stamme des
Glauciasgehörte u). Dieser Agron ward von dem
macedo

t) Dyrrachiumoder Durazzo, war eine Kolonie der Cor


cyrer oder Einwohner von Korfu, und stiftete Apollo
nia zugleich mit einigen korinthischen Pflanzbürgern.
Man merkt dieses aus einigen Beyzeichen auf den
Münzen beyder Städte, von welchen Begerus in Thef
Brandenb. p.455 - 460. eine beträchtliche Menge be
schrieben hat. Aufdiesen Münzen ist das Hauptbild
eine faugende Kuh, und ein ausgeziertes Viereck,wel
ches man für den Garten des Alcinous hält. Neben
her findet man Dinge, die sich auf die Fruchtbarkeit,
den Jupiter, Mars, Mercurius, Hercules, Apollo,
Aesculapius, Bacchus, Neptunus und die Ceres be
ziehen, undNamen unbekannter Männer, die vielleicht
Volksvorsteher, vielleicht auch nur Münzmeister
waren.
- u) Die BegebenheitendesAgronund der Theuthä, werden
vom Dion in den Fragmenten, von dem Appianus
(edit. Schwandtnerianaep. 772.), und dem Polybius
mit verschiedenenUmständen erzählt. Lucius S. 5.7-9.
Ich habe felbige hier vereiniger, so weit es möglich
NPAP,
Hungarische Geschichte. 27
macedonischenKönige Demetrius durch eine Summe
Geldes bewegt, sich der Myadoniergegen die Aetolier
anzunehmen, und führte eine Flotte von hundert Schif
fen, deren jedes mit 50 Mann besetzet war, um Grie
chenland herum bis in den Meerbusen von Salonichi. I. d.W.3769.
Die Aerolier waren damals in einem so großen Rufe" ***
der Tapferkeit, daß diese Unternehmungfür sehr ge
fährlichund
aus, Agronward.
gehalten Dennochfiel
gerieth darüber sie sehr
in eine glücklich s"
so unmäßige : des
Freude, daß er sich im Trunke übernahm und sich
in eine Krankheit stürzte, die ihn nachwenigen Tagen
tödtete. Nach andern alten Berichtengeschahe dieses
fechs Jahr später, und seine Freude entstand über die
Eroberung der Landschaften Curzola, Lezina und Epi
damnus inIllyrien,weilersichnunmehrfür starkgenug
hielt, auch Jonien und die illyrische Insel Effos oder
Iffoszu bezwingen. Nicht lange vor seinem Todehatten
die Bürger vonIffos und einige andere illyrische Staa
ten die Römerzu Hülfe gerufen, weil sie aufderselben
Verlangen sich den Seeräubern widersetzet, und da
durch Agrons Rache auf sich gezogen hatten. Agron
fieng, aber ihre und der Römer Gesandte auf, und
tödtete fie. Die Römer ordneten neue Staatsboten
an ihn ab, welche ihn aber nicht mehr lebendigfanden, -

und daher einer Gemahlin Theutha Vorstellungen -

thaten, allein, weil sie sichzuunbehutsamausdrückten,


in das Gefängnißgeworfen wurden. Daraufrüsteten
- fich die Römer zum Kriege. Die Theutha war eine
"sehr dreusteFrau, und hatte Muchgenug gehabt, nach
ihresGemahls Tode, durch Hülfe einiger mächtigen
illyrischenHerren, die Herrschaft, unterdem Vorwande
der Vormundschaft über ihren Stiefsohn Pinnes, an
sichzu reißen. Sie glaubte der römischen Machtvoll
kommengewachsen zu seyn, und versprach zwar, daß
ihre Flotten die See nicht mehr beunruhigen sollten,
fügte aberhinzu, daßihre Unterthanen das Vorrecht
geme
28 XXXIII. Buch. Aelteste
genießen müßten, allen möglichen Vortheil aus der
See zu ziehen; wodurch ihre Versicherung vernichtet
ward, weil ihre Flotte nur ausvereinigten Raubschif.
fen einzelner Unterthanen bestand. Sie verließ sich
vorzüglich auf die Geschicklichkeit ihres Admirals des
Demetrius von Pharia, welcher ihrem verstorbenen
Gemahl feine Vaterstadtdurch Verrätherey übergeben
hatte. Dieser Mann mußte auf ihren Befehl die
Küsten der Eliser und Meffenier auf Morea verheeren,
und, nachdem er die StadtPhönice erobert hatte, einen
Versuch machen, ganzEpiruszuüberwältigen. - Die
feshinderte zwar eine Empörung der Sardianer oder
Ardiäer, welche sichder illyrischen Hoheit entzogen und
fich dem dardanischenKönige unterwurfen. Sie griff
aberdie Mißvergnügten unverzüglich an, und brachte
fie zu ihrer Pflicht zurück. Darauffandte sie ihre
Flotte vor Iffa, um den Hafen in ihre Gewaltzu
bekommen. Ihre Unterthanen verübten inzwischen
die größesten Gewaltthätigkeiten gegen die italiänischen
Kaufleute, und ermordeten alles, was sie aufden ge
raubten Schiffen fanden, bis aufdie rechtfarken Per
fonen, die sie zur Knechtschaft verdammten. - Die
Römer brachten zwey Jahr mit ihrer Ausrüstung zu,
weil die Königin, so oft sie merkte, daß eine römische
Flotte auslaufen würde, Vergleichsvorschläge that.
. Endlich erschien diese Flotte an der illyrischen Küste;
und sogleich trat Demetrius, defen Stolz durch die
Königin beleidiget war, zu den Römern über, und
überlieferte ihnen Phariaund Corcyra (Curzola). Die
vonder Theutha belagerten Städte, LEfon (wahr
scheinlich Alessio), Epidamnus (Durazzo) und
Apollonia (Pirgo),wurdenentfetzet, und errichteten
nebst den Altintanern (in Arnaut zwischen la Valone
und Chimera) und Parchiniern (in der Gegend von
Durazzo) Bündniffe mit der römischen Republik. Die
Königin flohe in ihre festeste Stadt Rizano, :
MPQ"
Hungarische Gedichte -
warf sich aber bald ihren Feinden, welche ihr einen
Tribut auferlegten, Curzola und Apollonia für
Freystaaten erklärten, den Illyriern untersagten,
außerhalb der Höhe von Aleffio mehr alszwei bewaff
nete oder unbewaffnete Schiffe vereinigt kreuzen zu
laffen, und dem Demetriusdie Statthalterschaft über -

Pharia und Coreyra auftrugen. Gleich daraufwurden


die Römer in gefährliche Kriege mit den Galliern in I. d. Erb. R.
Oberitalien, und mit denKarthaginensern in Afrika,“***
verwickelt. Theutha starb, und Pinneus kam unter
die Vormundschaft des Demetrius, der zur Befesti
gung seines Ansehens fich mit des Pinneus Mutter
vermählte. Diese Umstände ermunterten den Deme
trius, zu versuchen, ob er sich zum unumschränkten
Herrn von Illyrien machen könne. Er sammlete da
her Schätze durch Seeraub, bauete eine Flotte von
funfzig Schiffen, und verheerete mit selbiger einige
cykladische Inseln. Er bekam bald einen Anhangun
ter den Illyriern, und brachte durch List und Gewalt
die Istrier, Antintaner, Parthiner, Dyrrachier und
dieBürger von Apollonien und andern großenStädten
aufder illyrischen Küste unter feine Herrschaft. Er
verstärkte sich durch ein Bündniß mit dem macedoni
fchen Könige Antigonus Dofon, mit dem er den spar-Id W. 37ss.
tanischenKönigCleomenes angriff, undferner mit des’“
Antigonus NachfolgerPhilipp, und demkarthaginenfi
fchen Hannibal, von welchen der letztere Besatzungen
in die festen Oerter aufPharia und in die Stadt Di
mallus nicht weit vom Ursprunge des Drilo und Zern
legte. Allein der römische ConsulK. AemiliusPaulus '
überwand ihn und seine Bundesgenoffen, verwüstete“
sein VaterlandPharia, undgabIllyrien,bisaufdie
Freystädte, dem wahren Thronerben Pines als eine
römische Provinz.
. Der obengenannte König Agron wurde von einem Macedonisches
illyrischen Fürsten unterstützt, welcher SeerdilaidasTriº
oder
30 XXXIII. Buch. Aelteste
oder Scerdiletushieß, und nicht von ihm, sondern
- von den macedonischen Königen, wie es scheint, ab
J.d. W.3783.hieng v). Dieser Mann trat mit einer Flotte von
""""dreyßigSchiffenindesmacedonischen KönigsPhilipps
Dienste, verheerte aber desselben Land, weil ihm die
Subsidien nicht bezahlet wurden. Philipp erbauete,
um ihn zu demüthigen, eine dreimal größere Flotte;
allein Scerdiletus begab sich unter den römischen
Schuß, und besiegte ihn mit römischer Hülfe. Der
Krieg ward darauf von ihm gegen die Römer, den
Scerdiletus und dessen Sohn Pleuratus fortgesetze,
I.,3. und bey dem Friedensschluffe theilten die Römer von
N-Erb-R-558, den illyrischen Ländern ihm das Gebiet der Attintaner,
und dem Pleuratus das Land der Linger und Par
thenier zu. Philipps Theil reichte vom ceraunischen
Gebirge (la Canina) bis an den Drilo gegen Osten
zu, ward Neuepirus genannt, und ist nie wieder
Reich des von Macedonien getrennet werden. DesPleuratus
Pleuratus. „ Unterthanen wohnten am Janina und Drilo;
allein,wie es scheint, herrschte dieser Fürst noch über
mehrere nordliche Illyrier; denn es gehörten ihm die
Dalmater, eine zuvor fast unbekannte Nation,welche
nachfeinem Tode sich in Freyheit setzte x). Pleuratus
zeugte mit einer Ehegattin Euridica zwei Söhne,
Platores und Gentius, und außer der Ehe noch
einen dritten Gavantus oder Caravantius. Plato
resverlobte sich mitEtleva oder Etuta, einer Tochter
desdyrrachischen oder dardanischen Königs Motunus
oder Hanunus y), die seiner Herrschaft eine Ver
größerung oder neue Stärke versprach. Wenigstens
glaubte
v) Lucius p. 18.35. -

x) Lucius p. 11. Polybifragm. 124.


y) Münze inder feltenen Schrift des Hrn.Grafen Franz
Anton von Klbevenhüller, Regum veterum numisurata
anecdota autperrara notis illustrata p.47.
-

Hungarische Geschichte, 31

glaubte Gentius, daß sein Bruder durch diese Ver


mählungzu mächtigwerden würde, tödtete daher felbi
gen mit den ihm ergebenen vornehmsten Illyriern,
und verband fich mitder Erlewa, die ihmzwei Söhe
ne, Scerdiletus und Pleuratus gebar.
Dieser Gentius hatte einen offenen Kopf, und
viele Erfahrung, zugleich aber auch viele Bosheit und
Neigung zu Ausschweifungen in den Wollüften z).
Er suchte in seinem Gebiete die verfeinerte Staatsver.
faffung der Römer einzuführen, und war, wie es
scheint, aufdie Produkte seines Landes aufmerksam.
Wenigstens entdeckte er selbst die Heilungskraft der
Gentiana, die noch jetzt einen Namen trägt. Er
prägte Münzen unter seinem Bilde und Namen a),
Und

z) Livius L. XLIV. c.30. 42. Appianus p. 773.


a) Eine Abbildung dieser Münze ist bey demHrn. Gr. v.
Khevenhüller a. O. S. 45. Tab. I. n. 7. Auf felbi
ger fiebert man bey feinem Namen das Bild eines
Schiffes, welches weder Maf, Segel, noch Ruder
bänke, aber ein zweyfaches Rostrum hat. Sein Bild
ist mit einem flachen, runden Hute bedeckt, und reicht
bis an die Brust. Es fcheint daher, daß auch in
Genti Reiche der dacifche Unterschied zwischen den
Ständen mit Hüten und mit Haaren statt gefun
den habe. Das Uebrige der dacischen Kleider
tracht muß aber nicht in Illyrien üblich gewesen feyn.
Denn man findet in diesem Lande den fogenannten
dälmatischen Rock, der einem Mönchskleide glich, mit
langen Streifen geschmückt war, bis auf die Füße
reichte, und im zweyten Jahrhunderte nach Christi Ge
burt zu Rom, im Hause, nicht aber an öffentlichen
Oertern getragen ward. Ferrarius de revetiaria L.
III. c. 9. Die Römer prägten ein ähnliches Schiff
und Bild, welches den Mercurius andeutete, aufge
wiffe Gattungen von Scheidemünzen. Es ist also mög
lich, daß Gentius diese zum Mustergewählet habe,und
dann wäre jenes Bild nicht fein, sondern desMerkurs
Haupt. Es ist merkwürdig, daß Gentius alles '
WM
32 XXXIII. Buch. Aelteste
und scheint dazu das Metall zum Theil von fremden
Subsidiengeldern, zum Theil aber auch aus den Ge
birgen seines Landes,genommenzuhaben, welches ehe
dem metallreichwar. Dennes ist nicht glaublich, daß
die große Summe, die die Römer in feinem Gebiete
fanden, nämlich 123,00o Denarien illyrischen Geprä
ges, blos umgeprägtes Geld gewesen sey. Er unter
hielt ein großes Heer zum Seeraub undzugleich zu der
Tyranney über feine Unterthanen, welche, da er
öfters durch starke Getränke seine natürliche Neigung
zur Grausamkeit verstärkte, sehr ausschweifend war.
Die Dalmater wurden durch diese veranlasset, fich von
ihm loszureißen, und widerstanden mitgutem Glücke
feinem Heere. Seine Flotten verheerten das dyrrachi
fche und apollonische Gebiete, plünderten die Länder
verschiedener anderer römischer Bundesgenoffen, und
machten die Insel Curzola zu einer Niederlage ihrer
entführten Gefangenen. Gegen diese fandte der römi
fche Rath eine Flotte unterdem L. Duron; allein weil
Gentius die Seeräuberey durch Gesandte in Rom leu
gnete, so verfuhren die Römer noch nicht gegen ihn
"feindselig.
580. J. v.Chr. Dadurch wuchs sein Muth, und er schloß
G. 174. mit dem macedonischen Könige Perseus ein geheimes
Bündniß gegen die Römer, verheerte die Aecker der
Iffedonier oder Bürger von Aleffo, ließ die römischen
# '' Gesandten, dieihn warnen sollten, als angebliche Aus
S84. forscher in ein Gefängnißwerfen, und machte darauf
fein Bündniß mit dem macedonischen Könige feyerlich
bekannt. Er bemächtigte sich ferner zweyer Städte
der Caveer, von welchen eine Durniumhieß, und be
lagerte die dritte Baffania, welche in der Gegend des
arnautischen berühmten Orts Croja lag, und eine
Schutz
was ihm der makedonische Königzahlte, gleich bey dem
Empfange unprägen ließ, (Livius XLIV. 27.) und
also kein freudes Geld in feinem Lande duldete.
Hungarische Geschichte. 33
Schußverwandtin der Römer war. Er verließ sich
bey dieser Unternehmung auf eine Flotte, die 229
Schiffe starkwar, aufdieMenge einer festen Städte,
deren fiebenzig vom Livius angegeben werden, und
aufmacedonische Subsidien, die 300 Talente betru
gen. Allein diese Vorheile verschwanden, sobald die
römische Flotte des Prätors L. Anicius an seinen Kü
ften erschien. Die fettesten Städte ergaben sichfeinen
Feinden. Die übrigen Unterthanen weigerten sich für
ihn zu fechten; und der macedonische König behielt
sein Geld, und leistete ihm keine Hülfe. Bei dieser
Noth sandte er seine Kinder, seinen Stiefbruder und
seine Gemahlin in das feste Schloß Medeon im Lande
der Labeaten, undzog selbst in die Stadt Scodra
oder Scutari am labeatischen Meere. Diese Stadt
ertrug die Belagerung nur einige Tage, und er sahe
sich gezwungen zu dem Anicius in das Lager zu gehen
undfußfällig um sein Leben zu bitten. Dieser nahm
ihn an, ließ seine Anverwandten aus Medeon holen,
und endigte den Krieg, von dem man vermuthete,daß
er lange dauren und sehr blutig sein werde, fast ohne
Widerstand innerhalb dreyßig Tagen. Ehe er die J. n. Erb. R.
Küste verließ,versammelte er seine Legaten und alle". "
illyrische Fürsten, und hielt über die Illyrier ein feyer- “
liches Gericht. In diesem erkannte er den Illyriern ReichdesGen
überhauptdie Freiheit von römischenEinquartierungen, ' ä
und denen, die ihm gleich bei der Ankunft beigetreten
waren, nämlich den Iffenfern, Taulantiern, Ti
rustern, diezu den Daffareten gehörten, Rizonten,
Olciniaten und Daorfern, die Freiheit von allen
Steuern zu. Den Labeatern oder den Scodren
fern, Daffarensern und Salepitanern, wie auch den
übrigen Illyriern, erließ er die Hälfte der Schatzung,
die sie bisher ihrem Könige gegeben hatten. Aberdie
Agrauoniten, Rizomiten und Olciniaten oder
Dulcigmotten mußten römische Besatzungen einnehmen
AllgemWeltgXVB.I.Abth. C Die
34 xxxllBuch. Aelteke
Die Städte wurden gezwungen, dieses Ausspruchs
ohngeachtet, ihm auf einem bestimmten Tage alles
geprägte Silber ihrerBürger einzuliefern, und er hielt
mit dieser reichen Beute einen prächtigen Triumph zu
Rom. Gentius ward nachher nach Spoleto, und
endlich nach Eugubio in eine ewige Gefangenschaft ge
fandt. - - -

al Kaum waren die gentianischen Illyriergedemüthi


"näget und gewissermaßen den Römern unterworfen,als
UCI- die vorgedachte kleine Nation der DelminieroderDal.
maten, welche ehedemzu desGenti Reichgleichfalls
gehört hatte, ihr Haupt empor hob und sich ausbrei
tete. Diese Völkerschaft bestand im Anfange blos
aus den Bürgern einer einzigen Stadt Dalmion oder
Delminium, welche in der bosnischen Gränze nordlich
unter Narona bey dem Orte, der jezt Dulinno oder
Duvo heißet, lag, und außer ihrem großen Reich
thum und Umfange durch sehr hohe Mauern, die
man für unbezwinglich hielt, einen Vorzug für an
dern illyrischen Städten erlangethatte. Ihre Schätze
veranlafften sienach höhern Dingenzu streben. Da
her wurden sie kriegerisch, zwangen ihre Nachbarn
sich ihnen zu unterwerfen, forderten von ihnen eine Ab
gabe von Vieh und Korn jährlich ein, und trieben
J. d."W, zitiert die römischen Abgeordneten aus ihren Gränzen. Aber
d. Erh. R. 598. gleich im nächsten Jahre führte Scipio Nafica ein
römisches Heer vor Dalmion b), und zerstörte einen
Theil dieser Stadt. DiesesUnglück brachte Dalmion
um seinen Reichthum, und setzte es zu einem mittel
mäßigen Ort herab. Denn schon vorher war ein
großer Theil derEinwohner und Häuser durch hinein
geschleuderte brennende Balken, die mit Werg, Pech
und Schwefel umwunden waren, von dem ConsulM.
- Figulus
b) Polyb.fr. 124. Aurel, Wil. de Viris illustr.
HungarischeGeschichte. 35
Figukusvernichtet c); und der entronnene Theil der
Nation, der außer der Stadt anfäffiggewesen war,
war zu schwach, um diesen zwiefachen Verlust ersetzen
zu können. Dennoch verlorfie nichtden Muth, ihren
Siegern nach einigen Jahren aufdas Neue zu wider
streben. Denn man findet, daß dem Consul Metul
lus im Jahr d. E. Roms 610 ein Triumph wegen
einer Bezwingungder Dalmatier zuerkannt ist d),und Jan Sch. M.
daß ein anderer Conful Cäcilius Metellus, nachdem "
er noch einmal Dalmatien erobert, die Stadt Sa- - -
lona in Besitz genommen und römischen Pflanzbüro
gern eingeräumet habe. Diese Siege warenden Rö
mernwichtig. Denn Dalmatien hatte einen Ueberfluß
an allen Metallen, und Salona, eine Stadt, von
der jetzt nur Bruchstücke nicht weit von Spalatro vor- /
handen sind, war nachDalmons erster Zerstörung eine
große Handelsstadt geworden. Man gewöhnte sich
um diese Zeit in Rom an, den Namen der Dalma
tier allen Illyriern außerhalb Macedonien beizu- ,
legen, und selbst das adriatische Meer bekam die Bes
nennungdes dalmatischen Gewässers, -

- C 2 Wie

c) Appianus p.774. Figulus soll zugleich Narento ero


bert haben, vielleicht schon im J. d. Erb. R.583, als
er gegen den Perseus zog.
d) Fati Con ap.Grurerum p. 298. m. 3. Luciusp. 11
Andere fetzen die metellische Bezwingung der Dalmatete
in das Jahr 637 oder 639, und halten den Sieger
für den L. Metellus, den Sohn des Luc. Metelli Calvi.
Allein dieses beruhet nur aufMuthmaßungen. Appia
mus schreibt zu nachlässig, und Livi Erzählung ist in
diesem Zeitpunkte verloren. S. Schulzens Erläuter
rung der römischen Gesch. aas Münzen, in dem
5 Theile der Sammlung von Erläuterungsschrif
ten und Zusätzen zur allgemeinen Welthistorie
3O2,
- -
-
36 XXXIII, Buch. Aelteste
| |
3. d. Erb. R. Wie es scheint, erhielt C.Julius Cäsar zugleich
703. mit Gallien auch Illyrien als eine römische Provinz,
damals, als er, wie oben gemeldet ist, ein Heer aus
Gallien nach Illyrien fandte, um den Liburnern die
an die Illyrier verlorne Stadt Promona wieder zu
I.d. Erb. R. verschaffen. Dieses Heer ward, so wie ein anderes,
* Twelches Gabinius durch das Gebiet der Taulanter
führte,geschlagen. Allein alsCäsar,unter demVor
In ER.706 wande, die Gehen und Parther anzugreifen, nach
Durazzo gieng und den Pompejus anfiel, erschraken
die Illyrier so sehr, daß sie um Gnade undVerzeihung
baten. Cäsar nahm vonihnenGeißel, belegte sie mit
einem Jahrzine, und ließ einen Legaten Atinius mit
römischen Legionen in ihrem Lande Quartiere nehmen. -
Dieses schreckte fie, so lange Cäsar lebte, von Empö
rungen ab. Allein sobald sie CäsarsHinrichtungver
nahmen, rotteten sie sichzusammen, und trieben den
Atinius in die Stadt Epidamnus oder Durazzo, und
M. Brutus, dem der römische Rath Illyrien anwies,
konnte keineZeit gewinnen, um auf des Atini Unter
stützungzu denken e). Endlichgieng Octavius Au
gustus in diese Gegenden, triebdie Steuer von den
Orieern,Partheneaten, Bathiaten, Taulanten, Cam
beern, Cinambern, Merromenern, Pyriffern, und
nach einigen Treffen auch von den Diocleaten, Car
niern, Interfeurinern, Narifern, Glintidionen und
Taurisern ein, nahm die Ippainer undBeffier unter
feine Unterthanen auf, und verwüstete die Seeräuber
---
wohnungen aufMeledaund Curzola f). Nach
- - -
#eik
e) Appianus p.774-776. -

f) Appianus glebt,anstatt einer deutlichen Bestim


mung des Jahrs, da dieses geschahe, nur eine
fehr dunkle Nachricht. Denn nachdem er erst diese
Begebenheiten, dann die zweijährige Sperrung der
pannonischen Alpen, ferner eine darauf se"
10,
Hungarische Geschichte. 37
Zeit überwältigte er auch die Japoden und Panno. d,E. R
nier, und kehrte darauf nach Rom zurück. Die ' '
Pannonier empörten sichzwar bald hernach, traten
in ein Bündniß mit den Dalmatiern, welche damals
ohnweit den Taulantiern wohnten, und brachten ein
Heer von zwölftausend Mann unter der Anführung
eines neuerwählten Feldherrn Verfus zusammen.
Allein Augustus erlegte dieses Heer, nahm die Städte
PromonaundSynodiumim Angesichtedesdalmatischen
Hülfsheeres einesgewissen Teutimusein,und schnitt den
Dalmaterndie Zufuhrsorgfältigab. Dadurchwurdendie
Dalmater so muthlosgemacht, daß sie ihm die Hee
reszeichen, welche sie dem Gabinius ehedemgenommen
hatten, nebst dem rückständigen Tribut brachten, und
sich ihm alsUnterthanen unterwarfen. Augustushielt I. d.ER.ae.
daraufeinen prächtigen Triumph, und legte von dem "Chris
- - C3 erbeu- --

,
, bellion, und endlich den letzten dalmatischen Zug des
Octavius beschrieben hat, meldet er, dieser habe sich
zugetragen zehn Jahr nach des Gabinius Niederlage,
und also im J.n.Erb.R. 715. Von dieser dreyJahre
zurück gerechnet, bleibt das Jahr711, in welchem Au
gustus wirklich mit einer Flotte in Durazzo landete,
um Illyrien zu behaupten. Dio fetzet die Bezwingung
der Japoden und Pannonier in das Jahr 719, und die
der Dalmater in das Jahr 720, bey defen Schluffe
das Confulat des Autronii Paeti anfeng, nicht aber
das vierte Jahr des zweyten Quinquennii des Trium
virats; denn dieses nahm feinenAnfang im November
719. Vermuthlich irrete Appian, ohngeachtet er Au
gutus eigenhändige Gedenkschriften vor Augen hatte,
in den Jahren, und der pannonisch-illyrische Krieg,der
vielleicht durch Statthalter im Jahr 715 angefangen
feyn mochte, wurde erst 719. und 72o vom August
felbst geführet. Diese Chronologie wird vom Sveton
bestätiget. S. Io.Alb. FabriciiImp.Caef.AugustiTem
. porum notatio, genus, et scriptorum fragmenta
P. 37
38 XXXIII.Buch. Aelteste
erbeuteten Gelde, eine Bibliothek und einen Porticus
in Rom an. Er war überzeugt, daß er nunmehr den
bisherigen Schein der illyrischen Freyheit sicher aus
löschen könne, und verwandelte daher alles Land vom
schwarzen Drinus oder Alessio an, bis zum Arias,der
jenseits Albona Istrien der Länge nach theiler, in eine
Ihnen eine römische Provinz, unter dem Namen Illyricum.
römische Pro
Allt. "ZunordlichenGränzendieserProvinzwurdendieStröme
Kulp, Sau und Drino, das fordische Gebirge und
die Boliana oder der schwarze Drino bestimmt, wel
cheszusammen jetzt etwas von Istrien, dasmeiste von
Kroatien, fast ganz Bosnien, alle Dalmatien, und
das albanische Land Zenta einschließet. In diesem
Distrikte waren zwar noch verschiedene unbezwungene
Völker, die auf unzugänglichen Gebirgen wohnten.
Allein Augustus hielt es für unnöthig, felbige anzu
greifen, und überließ es der Zeit auch diese zu dem
römischen Staatzu bringen, welches auch unbemerkt
schahe. Vermuehlich gehörten zu diesen die Der
z: dieihm freiwillighuldigten. Ganz Illy
ricum wurde in Ober- und Niederillyrien, oder
Liburnien und Dalmatien geheilt, von welchen
jenes Land fichbeyScardona am Titius endigte, und
vermuthlich das niedere Illyrien war g). Die alten
freyen Städte innerhalb Epidamnus und Scudra, in
gleichen Tragurium undSalona,wurdenKolonien mit
römischem Bürgerrechte. Andere Städte erhielten
die lateinischen Rechte, und alle Gegenden wurden mit
römischen Kolonisten angefüllet, Salona, oder wie
diese Stadt nachher genannt ward, Colonia Martia
Iulia, oder Colonia Claudia Augusta PiaVeterano
rum, bekam in Betracht des Handels den Vorzug
vor allen übrigen Städten, und manführte von selbst
er drei großeStraßen in das Land, von welchen eine
' Gabinia) vielleichtvom Gabinius angeleget war
Und
g) Lucius p.37.
Hungarische Geschichte. 39
und nach Andecrium lief. Man verordnete drey
obereGerichte(Conventusjuridicos), an welche die
Appellationen der niedern Gerichte außerhalb den
Städten, die das römische Bürgerrecht hatten, ge
bracht werden mußten, nämlich das Scardonitani
fche für die Japyden und Liburnier, das Salonita
niche für die Mazäer, Dalmater, Sardiaten, Lif
fenser und übrige Insulaner,unddasMaronitanische
für die ceraumischen Bergleute, die Diocleaten, Na
refier und Siculoten h). Die illyrischeProvinz wurde
dem römischen Senat in der bekannten Theilungüber
laffen, und von einem Prätor mehrentheils regieret.
Allein diese Einrichtung litte bald nachher eine Aende J. n.Erb, R.
743.
rung, da Augustus Dalmatien gegen Cypern und das
narbonenfische Gallien vom Senate eintauschte i).
Cäsar hatte Illyrien als einen Anhang des überalpi
fchen Galliens erhalten, und daher wurde vielleicht in
den Büchern der griechischen Hebungsbedienten Pan
monien, Mösien, Dalmatien, Liburnien, Noricum
und Rhätien unter der Rubrik von Illyrien gesetzet,
gegen welchen Gebrauch Appianus (S. 772.) mit
Recht eiferte.
Das Landinnerhalb der Donau, dem schwarzen Aelteste Ein
Meere und dem servischen und balkanischen Gebirge, fien.
wohnerin Mö
oder nachdem alten Sprachgebrauche MJöfien, war
in den ältesten Zeiten ein Eigenthum der Gethen,der
Myfier, der Dardanier, einiger celtischer und
illyrischer fremder Völker, und verschiedener griechi
scher Kolonisten. Homerfand etwa tausend Jahr
vor ChristiGeburt an beiden Seiten des Isters oder
der DonauMyfier, und beyfelbigenjenseitsder Donau
Hippemogen, dievonPferdemilch lebten, Glacto
phagen, Milcheffer, und Abier; und Strabo will,
C4 daß
h) Plinius L.III. e.21. 22. Lucius p. 38.
i) Dio Caffius(ed. Reimar.) p.704.764.
4O XXXIII. Buch. Aelteste
daß die Abier oder Citä zu den Scythen und Sar
maten gehöret, und ohne herrschaftliche Verfaffung auf
Wagen, nicht aber in Häusern gewohnt haben k).
Wahrscheinlich waren diese Namen nicht griechische
Uebersetzungen wirklicher Nationalbenennungen, son
dern nur Beynamen, die die Griechen den herum
schweifenden Völkerschaften gaben. Strabo führt
(S. 211.) eine dieser herumirrenden Nationen, die
bald diesseitsbaldjenseits der Donau ihr Lager hatte
unter dem Namen der Urger an, und erzählet (an
einem andern Orte), daß die Scythen überhaupt ihr
Leben im Müßiggange hinbrächten und niemals die
Waffengebrauchten, außer nur in dem Falle, wenn
Fremdlinge, die ihr Land anbaueten, ihnen denausbe
dungenen mäßigen Zins von Lebensmitteln nicht ents
richtenwollten. Diese Nomadenüberließen ihre Aecker
einem jeden,der sie pachten wollte: daher kam es viel
beicht, daß es den Griechen, Bafarnern, Sarmaten,
und Scythen nicht schwerfiel, sich unter die altenEin
wohner in Mösien zu mischen, unter welchen fie, wer
nigstenszu Strabos Zeit, so wie etwa jetzt die Cu
maner und Slaven unter den Hungarn, zerstreut wohn
ten. Herodot, der ehrwürdige Geschichtschreiber der
ältern Welt, der etwa fünfhundert Jahr nach den
Homer schrieb, gedenkt einer sehr großen Nation me
dischen Ursprungs, die von dergethischen oder beffara
bischenWüste ab, biszu den Henetern am adriatischen
Meere ansässig gewesen sein soll. Diese nennet
- - - - er

k) Strabo edit,Atrebat.de A. 1587 p. 205. Zu einer


Erläuterung der alten Geographie dienet vorzüglich die
bekannte Charte von Hungarn, welche der Professor
J. M. Hafe 1744 in der Homannischen Officin
herausgegeben hat, und in welcher die Stellen der
"in Städte nachAnleitung der Ruinen verzeichnet
R - --
Hungarische Geschichte 41

erl) Sigyner, und es scheint, daß sie diejenige sey,


welche Plinius unter dem Namen der Sithonerneben
den Morifenern an das Ufer des schwarzen Meeres
fetzet, und zum Zeichen ihres hohen Alterthums mit
der Ehre den Orpheus hervorgebrachtzu haben belegt.
Ptolemäus gedenkt einen Stadt Sitioenta innerhalb
den Ausflüffen der Donau, die dem Volk der Sitho
nen gehöret haben muß. Plinius m) räumt den
Platz, den er einmal den Sithonen zugetheilet hat,
an einer andern Stelle den aroterischen Scythen
ein, welche sechs Städte an der thracisch- mösischen
Küste bewohnt haben sollen, nämlich Aphrodisias
am megarifischen Meerbusen, Libitos, Zigere,
Borcobe, Eumenia, Parthenopolis im Lande
ohnweit Tomiswar in der Moldau, und Gerania,
deren ältere Einwohner die Catizer oder Zwerge durch
die Geranier vertrieben seyn sollen. Herodot ver
fährt eben so unvorsichtig. Denn er lehret, daß der
Maris in Siebenbürgen bei den Agathyrsen, der
Porata oderPruth, der Tiarantus(vielleichtdie Aluta),
der Ararus, der Naparis und der Ordiffus, die ins
gesammt in den Ifer fallen sollten und also in der
Moldau floffen, bei den europäischen Scythen ent
sprängen, daß nordlich an die Agathyrfen die Sar
maten gränzten, und daß an der Sau die Tribalier,
an der Drau aberdie Umbricier wohnten n), und ver
gißt, daßdiese feine Sigyner vonden Venetern, welche
sie doch berühren sollten, abschneiden. Es scheint, daß
sowohl Herodot als auch Plinius die Sigyner, Sitho
- C 5 ner
1) Herodotus L.V. p. 150, edit. Baßl. de An. 1541.
m) Plinius hist. nat. L. V. c. 11.
n) Hr. Joh. Severini Comment. historica de veteribus in
colia Hungariae cis Danubianae, Soproni 1767p. 10.
Die Agathyrsen waren von denSarmaten verschie
den, lebten aber, so wie diese, nicht in Häusern, son
dern auf Wagen. Mela L. 1. c, 1.
-
42 XXXIII. Buch. Aelteste
ner undArotherier aus sehr altenSchriften oderUeber
lieferungen haben kennen lernen; und wenn es erlaubt
ist hier eine Muthmaßungzu wagen, so möchte das
Wahre der herodotischen Nachricht sich etwa aufdiese
Sätze beziehen. In den ältesten Zeiten kam eine
Kolonie aus Medien oder Gilan an das Ufer des
fchwarzen Meeres, undendlichan selbigembis in Thra
eien. Diese gehörte zu den gesittetern Völkerschaften
und hatte einige Kenntniß von Künsten und Wiffen
fchaften. Sie artete aber aus, und ward nomadisch.
In dieser Verfaffung breitete sie sich an der Donau
hinauf bis an die Kulp aus. Sie verheilte sich in
mehrere Stämme, zu welchen vielleicht die Mädier,
die endlich am Archipelagus in Thracienfeste Wohnum
gen erbaueten, und die Scythen diesseits der Donau
am thracischen Ufer gehörten. Sie erlaubte erstlich
den miletischen Seefahrern, und nachher denStamm
vätern der Thracier und Illyrier, sich in ihrem Bezirk
anzubauen, und ward durch diese neuern Kolonisten
endlich verschlungen. Vielleicht kam mit diesen Me
diern ein gewisser Cafpius Aegiffus in dieseGegend,
welchen die Einwohner der Stadt Aegiffus (am Aus
fluffe der Donau) für den Erbauer ihres Ortes hiel
ten o). Wenigstens war Caspiana oder Ghilan die
jenige medische Provinz, ausder die Sigyner vermöge
der Lage nach Europa gekommen feyn mußten.
Volk der Ge- " Die Gethen, welche vor des Homers Zeit schon
then. am Ausfluffe des Isters gewohnthaben sollen, schei
nengleichfallsvomnordlichen Uferdesschwarzen Meeres
herzusammen, undvielleicht waren sie mitden Mafia
geten in Estrabad und am Don, und mit den Tyffa
geten am Ursprunge des Don im woroneßischen Gou
vernementverwandt. Die bielogrodische oder beffara
bische Wüste, innerhalb dem Dneesterund der Donau
oder
o) Ovidius ex Ponto L. l. Ep. 8.

T.
Hungarische Geschichte. 43
oder dem Tyras und Ister, hieß schon vor Herodots
Zeiten die gethische Wüste, und die Einwohner der
Insel Vidove in der Mündung des Tyras, nahe bey
der griechisch-miletischen Stadt Ophiusa oder Tyras,
wurden damalsTyrageten genanntp). Die wirkli
chen Gethen redeten mit den Daciern eineSprache q),
und hatten mit ihnen einerlei Gebräuche. DieGrie
chen gaben den gechischen Namen sowohl den römi
fchen Gethen in der Bulgarey, als auch den Daciern
in der Moldau, Wallachey, Siebenbürgen undHun
garn,

*) SeymniChiPerip. Clari Noticia orbit antiquiT.


I.p.496. Plinius H.N. IV. 12. fetztan dasjetzt wüste
moldauische Gefade noch einige Städte, deren Lage
unbekannt ist, nämlich Crepiskos und macrocre
NIUM,

q) Strabop.212. Diese Sprache istjetzt, bis auf einige


wenige Wörter, ganz unbekannt. Sie ward auch in
den griechischen Seestädten geredet, und war vom
Sarmatischen undGriechischen fehr verschieden. Dieses
bezeugt der berühmte Dichter Gvidius, welcher hier
vorzüglich geschickt ist, einen Ausspruch zu thun, weil
er zu Tomigethisch und feythisch lernen mußte, undein
Gedicht in gethischer Sprache verfertigte. Maffon
Vita P.Ovidii Na p. 205. 229. Strabo erklärt die
gethische Sprache für thracisch S.21o, und er konnte
hier ein entscheidendesUrtbeil fällen, weil zu feiner Zeit
viele römische Kriege in Thrakien und Dateien geführer
wurden. Einige neuere Gelehrte möchten das Gethische
gerne für gothisch oder deutsch halten: allein der Ver
fuch,den Grotiusgemacht hat, die gethischen Königs
namen ausder gothischen Sprache zu erklären, ist nicht
glücklich ausgefallen. S. SchilteriThesaur.Antiquit.
Teutonic. T. III. p. 399. Es ist auch nicht wahr
fcheinlich, daßdie Gothen gethisch verstanden haben,
weil sie den gethischen Strömen, z. E.dem Tyras und
: neue Namen (Damaster und Danapris)
gade.
- - -

44 XXXIII.Buch. Aelteste
garn r), undglaubten, daß beyde von den Thraciern
abstammeten s).
Ohngeachtet der gechische Name bey den ältern
Geschichtschreibern und Helden im Ansehen fand, so
findet man dennoch nur wenige Nachrichten von der
Verfaffung und den Sitten der Gethen t). Man
weiß nur, daß sie bis zum Anfang der christlichen
Zeitrechnung einen natürlich guten Charakter und we
nige Bedürfniffe gehabt haben. Sobald aber die
Nachbarschaft der Römer sie mit dem Ueberfluffe be
kannt machte, und ihnen einenGeschmack am Handel
beybrachte, fiengen sie an einen Werth aufdas Eigen
thumzu setzen, sich der Schiffahrtzu befleißigen, und
endlich auch zu Lande und Waffer zu rauben u). Zu
vor bestand ihre größte Glückseligkeit im Besitze vieler
Weiber, und der ward für armgehalten und verachtet,
der nur fünfWeiber zu einer Aufwartung hatte v).
Nächstdiesem gab ihnen der Kriegesruhm das größte
Vergnügen, und um diesen recht anschauend zu ma
chen, beizten sie sich mancherley Figuren in die Haut
ihres Gesichts und ihrer Glieder, und vermehrtenfel
hige nach jeder neuen Heldenthatx). Ihre Nahrung
- bestand
r) DioCafusedit. Reimar.pm 105.Plinius IV.12. Strabo
2 I 2. -

9’s“ p. 204. I.C. Spener Notit. Germ. antiquae


p.221. Dio Caffiusgiebt das thracische Gebirge Rho
dope insbesondere für den Entstehungsplatz der Dacier
aus, die vermischte Gethen und Thracier feyn follten.
Dio p. 656.
z) Das, wasman gemeiniglich aus dem Justinus L. II.
c. 2. und Mela L. II. c.2. von den Gethenzu erzählen
pflegt, betrift eigentlich die Scoloten und Thracier,
nicht aber die Gethen. -

u) Strabo p. 2CZ.
v) Strabo p.204.
z) Plinius H.Nat. L. XXII. cap. 1. Diese Malerey, die
vermuthlich dieselbige ist, die man neulich inden süd
lichen
Hungarische Geschichte. - 45
bestand vorzüglich aus Milch von Schafen y) und
Pferden, und aus Käfen von Pferdemilchz). Sie
hatten einen Abscheu für Wein, und hielten eine Zeit
langdieVertilgung der Weinstöcke für eingottesdienst
liches Geschäfte a). Sie wohnten in tiefen Wäldern,
die das Land zwar kalt machten, aber auch gegen die
Angriffe der Römer schützten b). Dennoch scheinenfie
Dörfer oder Städte gehabt zu haben, weil man in
desPtolemäus Erdbeschreibungviele Plätzemitdaci
fchenursprünglichen Namen findet c),wie zum Beispiel
zwischen dem Tyras(Dneester) undHieraffus (Pruch)
Kar

lichen Ländern angetroffen hat, stammelte vonden Aga


thyrfen, einer Nation, die aus Asien in Siebenbürgen
gekommen war, her. P. Mela L. II. c. 1. Salma/ius
in Solinum p.28. Ed. II. Bey diesen Agathyr
fen wurden die Geringern mit fchmalen, die Vorneh
mern aber mit vielen breiten blauen Streifen bemalet.
Am. Marcellinus L. XXXL. c. 2.
y) Columella L.VII. c.2. n.2. z) Strabop. 2o8.
a) Strabo ' 2 IO,

b) Florus L. III. e 4. - -

e) Ptolemaei Alex.Geograph Europ.Tab.IX. DasWort


dava bedeutete vielleicht foviel, als das celtische du
num und deutsche Thun, oder einen eingezäunten
Platz. Die ältern Griechen, die viele Knechte aus
Dacien undGethien erhielten und fast jeden Knecht
Davus oder Geta nannten, gaben diesen Namen viele
leicht nach den Nationen, und dann müßte, wie
Strabo im siebenten Buche hieraus vermuthet,Dateien
nicht Dakia, fondern Davia ehedem genannt worden
fyn. Es finden sich nur zwey Oerter, die sich auf
Dava endigen in dem Ptolemäischen Werke, einer
Thermidava am Drinus im albanischen Illyrien, und
einanderer Setidawa im Landeder Lutier,diezwischender
Oder und Weichfel im polnischenPalatinat Rauawohn
ten. Diese beyden Plätze mögen dacische Kolonien feyn.
Daß in Thracien kein Dava lieger, scheint der Muth
maßung, daß die Dacier vonden Thraciern abstammen,
machtheiligzu feyn. -
46 XXXIII, Buch. Aelteste
Rarsidawa, Patridava, Arcobadava. Am
PruthSandava, Petrodawa, Utidava, Zargi
dava, Tamafidava, Piroboridawa. Zwischen
der Donau und der Aluta, Ziridava, Zulfidawa,
Komidava, Rhamidawa, UWetindava. An der
Aluta Markodava, Singidava. Am Rhabon
oder Marosch innerhalb Siebenbürgen, Argidava;
und endlichjenseits der Donau in der Bulgarey Su
kidava, Dausdawa, Sagadava und Rapidawa.
Auch findet sich am Einfluffe der Donau an dem Ku
lugherie eine Stadt, die den gethischen Namen führt,
Dinogetia heißt, und einer andern am Ausfluffe
deffelben, die vermöge ihres Namens Moviodu
nun celtische Urheber gehabthat, gleichsam entgegen
gefetzet war. Sowohl die Gethen, als auch die Da
cier, wurden fets von den Scythen oder Scooten,
von den Sarmaten und von den Thraciern und Illy
riern angegriffen d), daher mußten sie stets in den
Waffen feyn. Sie erlangeten auch in dem Gebrauche
derselben eine so große Fertigkeit, daßfast kein einziger
Weltbezwinger fiel vollkommen überwältigen konnte.
Vor Cäsars Zeit war es ihnen leicht 200,oooMann
in dasFeldzu stellen. Allein bald nachher schwächten
fie fich durch Trennungen, und bey des Octavianus
Augustus Leben war ihr Heer niemals über 20,coo
Mann stark e). Dennoch konnte August sie sowohl
wegen ihrer außerordentlichen Tapferkeit, als auch wer
gen der dacisch-deutschen Hülfsbündniffe und gemein
fchaftlichen Einbrüche in weit von einander liegende
römische Provinzen nicht besiegen. Ovidius f)be
schreibt die gechischen Waffen undKleidungen, von
belchen die letztern, wie es scheint, dieselbigen sind,
die

d) Strabo p. 211.
e) Strabo p. 21o.
f) Ovid.Tritium L. v. Bp. 10. L.V. Ep 10.7.
Hungarische Geschichte. 47
die man noch inHungarn gebraucht, nämlich einPelz,
eine perfische weite Hose, ein langes Meffer an der
Seite, ein Bogen mit dem dazugehörigen Köcher
und Pfeile, die in Schlangengift getaucht waren.
Mit dieser Nachricht fimmen die Abbildungen der
Dacier aufder römischen Säule und den Siegesmün
zen des Trajans sehr wohl überein g). Denn auf
beidenfiehet man bärtige Dacier in einem sehr kurzen
Kleide, welchesbisaufdieKnie reicht, mit dem hun
garischen verlängerten Beinkleide, und mit Bogen,
Spießen und runden Schildern. Einige haben ein
entblößtes Haupt, undfechtenmit einem sichelförmigen
großen Schwerdte. Andere tragenkurze Pelze über ihr
Kleid, und hohe gespitzte Mützen, die mit Rauchwerk
aufgeschlagen sind. Denneswar einzweifacherStand
der Edeln oder mit Mützen bedeckten, und der Gerin
gern in fliegenden Haaren,vorhanden. Der König
führte
g) Historia utriusque Belli Dacici a Trajano Caef gefti,
ex fimulacris quae in columna ejusdem Romae vifiuntur
collecta,Au&tore F.Alf Ciacono Romae 1576f. Mün
zen in BegerThef Brandenburg. fele&top. 647, und
les Césars de l'Empereur Julien traduit du gree par feu.
M. le Baron de Spanheim p. 68. 213. Auf einer
Münze des Antoninus in dieser Ueberfetzung S. 205
ist auch Seythia als ein Mann mit entblößten Armen
und Füßen, einer Art von Pechhaube aufdem Haupte,
einem Kranz und einer Keule in den Händen, und in
einem Tuche, welches nachläffig, um die Schulter
hängt und zwewmal aufgeschürzeit ist, damit es die
Knie nicht bedecke, abgebildet. Ich weiß nicht, ob
dieses die gethische oder folorische Tracht feyn foll. Auf
einem römischen Monument des dritten Jahrhunderts
zu Szekfalva in der hunyader Gespanschaft, ist ein
ähnlich gekleideter Hirte, der aber hungarische Hofen
trägt. Der Freyherr von Hohenbaufen, der diesen
in den Alterthümern Daciens S. 105 abgezeichnet hat,
meldet, daß die walachischen geringe Leute die Tracht
noch jetzt gebrauchten
48 XXXIII. Buch. Aelteste
führte einenScepter, anwelchemoben einhalberMond
und eine Art von Roßschweif befestiget war h); und
das Heeres- und Nationalzeichen war ein Eselskopf
auf einer Stange i). Denn vor denZeiten des Au
gustus bewunderte man hier und in den griechischen
Staaten die Geduld, dieArbeitsamkeit, die Verschwie
genheit, die Standhaftigkeit und die Unerschrockenheit
dieses Thieres, und hielt das Bild desselben für ein
zutreffendes Zeichen der Tapferkeit und Weisheit.
Man hatte schon in denältesten Zeiten unter denGethen
wachdenkende Männer. Denn vermöge der griechischen
Berichte war Zamolxis einer der ältesten griechischen
Philosophen, ein geborner Gethe. Dieser Mann,
der wahrscheinlich den Pythagoraszum Schüler gehabt
hat, und also wenigstens sechshundert Zahr vorChristi
Geburtgelebet haben muß, gabden Gethen bürgerliche
Gesetze, und brachte ihnen einen Begriffvon der Se
- -- -
lig
h) Beger 1. c. -

i) Hanthaler Exercitat. faciles de Numis Veterum No


„ rimb. 1742. Part. III. Tab.V. p. 138. P.V. p. 1.
Tab. 13. Beger 1. e. Auf den römischen Münzen ward
Dacieu als eine Frau abgebildet, die im römischen Ge
wande bald fand, bald aufFelsen faß, aber fast im
mer mit der dacischen Mütze bedeckt war. Sie trug
fehr oft den Eselskopf; zuweilen aber eine Sichel, einen
Säbel, eine Kornähre, einen Stab oder eine Wein
traube, und einen Zweig, welches alles sich auf die
Fruchtbarkeit des Landes und die dacische Tapferkeit
bezog. Aufeinigen Münzen Philipps desArabers hält
fie das Eselshaupt und das Labarum mit der Aufschrift
Dacia felix, und neben ihr stehet ein Adler und Löwe,
als Zeichen der fünften macedonischen Legion und der
Legionis gemellae 13, die in Dacien lagen. Diese
Beyzeichen find auch auf andern Münzen, auf welchen
Dacia provincia in entblößtem Haupte und römischem
Gewande, ohne etwaszu halten, erscheint, B.Spam
- heim a. O. S. 214.
/

Hungarische Geschichte. 49
ligkeit und Unsterblichkeit der Seelenbeyk). Dieser
erzeugte bei ihnen eine Begierde bald zu dem Sitz der
Seligkeitzu gelangen, und also Unerschrockenheit und
Sehnsucht nach dem Tode. Man will, daß Zamol
pes, um feinen Lehren ein Ansehen zu geben, eine
Betrügerei unternommen habe, die eine sehr große
Einfalt bey seiner Nation verräth. Er verbarg sich
nämlich in einer Höhle in Thracien, ward als todt be
trauert, kam nach vier Jahren wieder zum Vorschein,
und wurde nun als ein auferstandener oder vergötterter
Mensch angenommen und verehret. Seine Nation
… und die Scythen hielten ihn nachher für denjenigen
Gott, der die Wohnungen der Seligkeit unter seiner
Aufficht habe, undfertigtenjährlich einige Abgeordnete
an ihn ab, die sie in die Höhe warfen, und dann mit
den Spießen auffiengen und erfachen.
In den ältern Zeiten gehörten die Gehen ober, Fä 349h
halb oder südlich der Donau zu Thracien; denn man“ Je .
findet, daß der persische Monarch Darius Hydapes,
als er die Scythen oder Scolothen angreifen wollte,
durch Thracien gezogen ist, und bey den Gehen eine
Brücke über die Donau geschlagen hat. Die Donau
hieß in diesen Gegenden, von Axiopolis (Alchioian
der

k) BruckerHüft. critica Philosophiae“T I.p. 361. Strabo,


der aber hier nicht zuverläffig ist, erzähler, (S.2c.6.)
daß Zamolris feine Weisheit inAegypten erlernt habe,
daß er dem Königder Gethen einen hohen Begriffvon
fich durch die Vorherverkündigung einer Sonnenfinster- -- -- - -

niß bepgebracht; daß dieHöhle, worin er sich versteckt


ehabt, am Berge undFluffe Cogäonus liege; daß der
önig bald bemerkt habe, daß fein Volk ihm beffer ge
# wenn er feine Verordnung für Befehle, die
amolris von den Göttern empfange, ausgäbe; und
endlich, daß feitdem bey den Gethen eine Succeffiott
NYE'DE.
ist Priestern, so wie von Königen,gefunden
Allgen.Weltg.XV.B.I.Abth. D
50 XXXIII.Buch, Aelteste
der walachisch-bulgarischen Gränze) an, bis zu dem
Ausfluffe in das Meer, Ister, welches vermuthlich
der gechische, so wie Donau der celtische Name des
Stromswar. Sie heilte sich in viele Aerme, die
vor dem Ausfluffe oft zusammenliefen, sich wieder
trenneten, und sowiejetzt, viele Inseln bildeten. Bey
dem Anfange dieser mannichfaltigenArme, etwa in der
Gegend von Dinogetia, gieng Darius über den
Strom. Er fuchte die Scoloten auf, die damals
etwas von Polen, Rußland und die krimische Tar
tarey bewohnten, und gerieth, weil die agathyrfischen,
taurischen und farmatischen Könige die Brunnen vers
fopfen ließen, ingroße Gefahr. Einige dieserKönige,
insbesondere die agathyrfischen, die in Siebenbürgen
anfäffig waren, fuchten die Jonier, welchen die Be
wachung der Brücke anbefohlen war, zu einer Treulo
figkeit zu verleiten. Allein Heftiäus aus Milletos
widersetzte sich ihnen l), und wandte die Gefahr von
feinem Könige ab. Darius kehrte, als er solche
merkte, eiligzurück, und dieAgathyrfen wurden nach
her von den übrigen Scooten feindlich behandelt, weil
fie andem Kriege gegen den Dariusvor einem Ueber
gangüber den Ister keinen Theil hatten nehmen wol
len. Vielleicht wurden sie damals so sehr geschwächt,
daßdie Gehen sich ihres Landes bemächtigen konnten.
Wenigstens findet man die Dacier erst nachdieser Be
gebenheit in der Geschichte.
GriechischeKo- Jener Hifliäusvon Milet scheinet nicht ohne Ei
än“ gennutz dem Darius getreugeblieben zu feyn; denn er
gehörte wahrscheinlichzudenmillerischen Kolonisten,
die an der gechischen Küste, oder wie die Griechen es
nannten, im Pontus, sich angebauet hatten. Die
Bürger von Miletus in Karien hatten einen so
großen Handelsgeist, daß sie fast auf allen Ufern des
- fchwar
1) Herodotus L. IV. c. 89. . . . --
--- --
Hungarische Geschichte. 51
schwarzen Meeres, so wie auch aufverschiedenen In
feln und Gestaden der griechischen, mittelländischen
und adriatischen Seen, Niederlagen errichteten und
Städte erbaueten. Wie es scheint, hatten sie selbst
in Illyrien eine solche Niederlage auf Mielite oder
Meleda ohnweit Ragusa, In Gethien oder dem heu
tigen bulgarischen Lande errichteten sie die Städte
Istros, (Istropolis, jetztCarahirmen,) Crunos,
nachher Dionysopolis, Tomi,jetzt Tomiswara oder
auf türkisch Pangala, Odiffus, Byzon, welcher
Ortfrühzeitig durch einErdbebenuntergieng,Miefem
bria,jezt Miffeviria, undendlich im Lande derDacier
WNiconium und am Dneester Tyras. Die Hera
cleoten, gleichfalls griechische BürgerausKleinasien,
hatten zwischen diesen Plätzen auch eine Stadt, näm
lich Acervetis oder Kallatis. Diese Städte waren
insgesamt sehr schön m), und ihre Bürger besaßen
Reichthum, feine Sitten, und Ueppigkeit. Sie
hatten eine vollkommene Freiheit, und standen unter
sich, wie auch mit den südlichern miletischen Kolonien
in Thracien,ineinemgenauenVertheidigungsbündniffe.
Sie gewöhnten ihre Nachbarn, welche ihnen ihre
Produkte brachten, an ihren Gottesdienst und an ihre
Sitten,und hemmeten dadurch die Fortpflanzung der
alten Barbarey und Wildheit; welches Unternehmen
fie einigen folotischen in
Patrioten sehr
2. Pgra

m) Plinius V. , 11. Vom Ueberfluffe desGeldes in


diesen Städten überzeugt das eigene Gepräge. Wenig
fens hat man Münzen von Istriopolis. S. Beger
Thef Brandenb.felečiusColon. 1696,p.488. Aufdiesen
find zwey Häupter, deren eines "ä" ist; und
aufder Rückseite findet man einen Adler,der auf einen
Delphin stoßt. Jenes Bild beziehet sich vielleicht auf
die Lage der Stadt zwischen Europa und Asien; dieses
-
' f ihre Herrschaft übereinenTheildes schwarzen
EEES, - - - -
52 XXXIII.Buch. Aelteste
verhaßt machte. Insbesondere fischten sie den Genuß
des Weines zu befördern, weil selbiger bei ihnen zu
' gottesdienstlichen Dingen gehörte, wenigstens in
runos, einer Stadt, die durch ein angetriebenes
Bachusbild zu dem Aberglauben verleitet ward, fich
dem Bacchusdienste zu weihen, und den NamenDio
nysopolis oder Bacchustadt anzunehmen. Sie er
baueten aufdem südlichsten Vorgebirge der Bulgarey
einen Tempel desJupiters, und führtenvorzüglich die
Verehrung des Apollo in ihren Gegenden ein n). Sie
blieben aber nicht immer ihren väterlichen Gewohnhei
ten getreu; sondern mischten unter selbige viel Scythi
fches, und verfälschten, wenigstens in Tomi, die
griechische Sprache durchgechische Ausdrücke. Den
noch behielten sie den Geschmack an den schönen Kün
fen, und ehrten die Dichter. Dieses erfuhr der be
rühmte Oridius, der von den Tomitanern für ein
gethisches Gedicht, welches er verfertigethatte, mit
Zuziehungder übrigen Städte gekrönt, und mit der
Freyheit von Abgaben beschenkt ward o).
- Nach
n) Appianus will S.780, daß Lucullus im mitbridati
fchen Kriege ein berühmtes Koloffalbild des Apollo,
welches zu Rom im Capitolio fand, qus Calatis ge
raubt habe; allein er irret fich, denn diefes ward in
der ersten thracisch-miletischen Stadt Apollonia oder
Siopoli erbeutet. Cellari notitia Orbis ant. T.I.
. I 32 I.
'' -

Vita P. OvidiNaf p.20.5.229. Bey den


Münzkennern ist Odiffus berühmt, weil diese Republik
verschiedene Münzen auf den Kaiser Gordianus hat
prägen laffen. Begeri Thesaurus Brand.p. 725. Die
Stadt Istrus war schon zu Strabonis Zeit (S.220.)
ihrem gänzlichen Verfalle nahe, ohngeachtet fie zuvor
die reichste und größefe aller pontischen Städte gewe
fen war. Von ihrem Alter zeuger der Umstand, daß
Arapithes, König der Scolothen, etwa 47o Jahr vor
Christo eine Bürgerin aus Istropolis heiratbete, und
nach deren Anleitungfeinen Hofgesitteter machte.
- -
-
-

Hungarische Geschichte 53
Nach des Darius Rückzuge kamendieKönige von
Thracien zum völligen Besitz der gethischen Ufer der
Donau. Denn Sitalces, König der Gethen und J.d.W, 37.
Thracier, einHerr, der im Anfange seiner Regierung".Chr.“9.
nur ein kleines Landhatte; allein durch seine Gerechtig
keitsliebe und Verminderung der Abgaben sich seine
Unterthanen zu Freunden machte, und dann durch
ihre Hülle und durch ein Bündniß mit Athen mächtig
ward, eroberte alles Land innerhalb dem Carasu in
Thracien und dem Ister. Dieses war dreizehn Tage
reisen lang, trug ihm jährlich tausend Talente ein,und
fetzte ihn in den Stand, 120.000 Fußgänger und
50,000 Reuterzu unterhaltenp). Diese Macht war. - -
dem K.Perdiccas von Macedonien, und nachher
(3401.) dem folotischen Könige Scyles so schwer,
daß fiel die Waffen niederlegten, und fich mit ihm
aussöhnten. Etwa hundert Jahr später drang der 3. d. W. ss.
folotische König Machäas oder Atheas über die v.Chr.-G. 34.
Donau; allein die Istrierflohen ohne ihn zu erwarten
oder eine Schlacht zu wagen. Dieses hatte er nicht '
vermuthet; denn er hatte sich mitdem macedonischen unter “thraeli
Könige Philipp
daß er nun verbunden.
nöthigsiehabe,
nichtgegen Er glaubte,
dem K. Philipp ehe “
das ' onische

versprochene Hülfsgeld zu zahlen, und ließ sich mit


demselben imfolgenden Jahre in ein Treffen ein, wel- -
- - D3 ches

p) Diodorus Siculus edit.Stephan. p. 312. Cary Ge


“ fchichte der Könige von Thracien aus Münzen in dem
4 Bande der Zusätze zu der allgemeinen Weltbifo
rie S.7 u.f. SitalcesReich gränzte an den Ursprung
des Strpmon und am Netus. Es enthielt vermuth
lich den größten Theil von der Bulgarey und vom öfi
lichen Thracien. Es zerfiel nach feinem Tode in das
Reich der Odryfier und in das der Sapeer und ehra
cischen Seestädte. Die Bulgarey ward vielleicht da
unals auch frey.
54 XXXIII.Buch. Aelteste
ches aber von ihm verloren wurde q). Dieses muß
fehr entscheidend gewesen feyn; denn mit demselbigen
hört die Reihe der folotischen Regenten in denSchrif
ten der Griechen, vielleicht auch die folotische Monar
chiefelbst auf. Die geschlagenen Scythenzerheilten
fich wahrscheinlich in kleinere Freystaaten, oder irreten
zum Theilunter ihren Nachbarn herum. Wenigstens
wird seitdem nicht mehr von Scythen oder Scolothen
am Ausfluße des Isters und unter den Gethen geredet,
und die Bafarner traten in den Platz der Scythen,
wischen dem Pruth und Dneefer. Philipps Sohn,
IdW,309 Alexander der Große, suchte seine Herrschaft über
*" * die nordlichenScolohenauszubreiten, rücktevon Am
phipolis oder Emboli ab an das Gebirge Hämus,
schlug daselbst den triballischen König Syrmus und
drang über die Donau in das Land der Gethen. Hier
eroberte er die Hauptstadt der Gethen; allein weil er
* * * sehr vielen Widerstand und Muthfand, so begnügte
er sichmit einigenempfangenenGeschenken, und schloß
ein Freundschaftsbündniß mit dem Könige Syrmus.
- - Er ließ sein Heer aufOchsenhäuten über die Donau
. … fchwimmen, undgieng aufdem Rückzuge in das Land
. . . der Pöonier und Agrianer in Macedonien unterhalb
Emboli. Zu dem Zuge von Emboli nach dem Hämus
gebrauchte er zehn, und ferner bis zum 3:
-, - - 09.

- ) Hr. Hofrath Heyne in der Guthrischen allgem. Welt


bist. III Th. S. 1048 u. f. 1062. Da die feythischen
Wörter vomHerrn Prof. Bütner nur allein in der fla
vonischenSpracheangetroffen sind(ebendaß S. 1041),
fo ist es wahrscheinlich, daß aus dem zerstörten feolo
tischen Reiche die Wenden herstammen. Zu diesen ge
hörten wahrscheinlich die Jazygen, welche zu einer un
bekannten Zeit, vielleicht nicht lange vor K.Augustus
Regierung, die Dacier aus den Ebenen an der Theyß
aufdas Gebirge in Siebenbürgen trieben. Plinius H.
Nat. L. V. c. 12. - -
"Hungarische Geschichte. - 55
Tage. Daher scheint es, daß er bei der Mündung
der Ozzam, nicht aber wie Strabo (S. 2o8)will,
über die Brücke des Darius ohnweit Peuce in Scy
thien gegangen sey; und vielleicht war die dacische spä
tere Hauptstadt Zarmizegethufa derjenige gethische
Hauptort, der sich ihm ergab. Wenigstens fanden
fichdamals schon,da wo zuvor dieAgathyrfen gewesen
waren, Gethen in der Moldau und in Siebenbürgen.
Dergechische Seestrand blieb unter der macedonischen
Hoheit nach Alexanders Tode. Denn Neoptolemus
erbauete (vielleicht 32o Jahr v. Chr.G) eine Warte
bey Akermann in derMoldau am Ausfluffe des Dnee
pers; und Lysimachus hatte Besatzungen in der J':
Stadt Kallatis und in einigen andern istrischen ört, J.
Städten. Die Kallatiner glaubten, daß sie mit
Hülfe der Thracier und Scythen sich der Hoheit des
Lyfimachus entziehen könnten, und warfen die Mace
donier aus ihrer Stadt r). Die pontischen Städte
traten ihnen bey, weil fiel mit den macedonischen Kö
migen nur als Schutzverwandte, vermöge eines mit
dem K. Philipp (3661) geschloffenen Vertrages,
nicht aber als Unterthanen in Verbindung fanden.
Alleindas Glück war ihnen nicht günstig. Denn der
odrysische oder thracischeKönig Scutha oderSeuches
ward vom Kyfimachus zweimal geschlagen. Odeffus,
eine der Städte, wurde erobert, und Istropolis ergab
sich freiwillig. Die Seychen wurden zurückgetrieben
und auch Antigonus, derGegenkönig des Kyfimachus,
der mit einer See- und LandmachtdenKalantinern zu
Hülfe eilte, mußte weichen. Dennoch wurden fie,
durch ebendiesen Herren befreyet, weil Kyfimachus ihn
in das Innere von Griechenland verfolgete und fiever
ließ. Vermuthlich drang Lysimachus in diesemKriege
über die Donau in Dacien oder Gethenland ein; denn
- - D4 Nant
r) Diodorus Sicuhus Ed. Steph. p.711.635.
56 XXXIII. Buch. Aelteste
man erzählets), er habe fich aufeinem Zuge gegen die
Gethen in der gethischen Wüste verirret, und fey vom
gethischen Könige Dromichätes gefangen worden.
Dieser Prinz habe ihn bewirthet, ihm Beweise der
Armuth feiner Nation gegeben und ihm vorgesteller,
daß die Freundschaft der Gethen ihm sehr vortheilhaft,
ihre Bezwingung aber unnützlich sein werde. Das
durch fey Kyfimachus veranlasfet worden, feine Erobe
vungsentwürfe aufzugeben, und mit den Gehen ein
genaues Bündniß zu schließen.
Gethische Mo Die gechische oder dacische Monarchie erhielt ihre
znarchie des größeste Macht etwanfunzig Jahr vor des Heilandes
Bürehi "
Geburt, durch einen unternehmenden KönigBürebi
fas oder Börebiftes, welcher bei dem Antritte seiner
Regierungfeine Nation durchKriege geschwächt und
durchgriechischeUeppigkeit und Trägheit fast ganz ent
kräftet fand. Sein Priester oder Götterbote Dekai
neos oder Keneos, welcher in Aegypten die geheimen
Wahrsagerkünstegelernt haben soll, errichtete einOra
kel und spielte dieRolle des ältern Zamolris. Sowohl
er, als auch Dekaineosoder Dicenäus,warenehrbegie
rig und vereinigten ihrenMuth, ihre Tapferkeit und
ihren Witz, um die Gehen erst von den schädlichen
fremden Sitten zu entwöhnen, und dann den Erobe
- rungsgeist bei ihnen zu entzünden. Dem Dicemäus
wurde es leicht, sich das Ansehen eines göttlichen
Menschen zu verschaffen; und er bemeisterte sich der
abergläubischen Gethen endlich so sehr, daß sie auf sein
Geheiß den Wein verabscheueten und alle Weinstöcke
ausrotteten. Der Königführte fie zur Mäßigkeitund
Waffenübung an, und gebrauchte sie bald zu Verhee
rung des thracischen, macedonischen und illyrischen
flachen Landes, bald aberzu der Bezwingung
-
“ N0009

s) Strabo p.209.211. Hr. CaryGesch.derK.v.Thra


eien a. D. S. 26.
Hungarische Geschichte, 57
machbarten Völker, und insbesondere der Bojer, der
Taurisker und anderer Celten in Thracien und Illy
rient). Endlich aber entstanden inder Nation Rotten
und Empörungen. Boirebites wurde ermordet, und
das Volkverheilte sich in verschiedene kleinere Horden
zu 40,bis 50.000Mann. DieseStaatsveränderung
war den Römernfehr angenehm. Denn fie sahen sich
genöthigt, ihre illyrischen Bundesgenoffen und Unter
chanen zu schützen, und wollten doch nicht gerne sich
mit einer so tapfern und mächtigen Nation, die über
200,ooo Mann ihnen entgegenstellen konnte, ein
laffen. Julius Cäsar brach mit einem Heere gegen
die Gehen auf, alser denMord des Königs vernahm, #
kehrte aber ohne eszu gebrauchen zurück u). 49. v. Chr.
Nicht lange hernach erregten die Bafarnen in 94
diesen Gegenden große Unordnungen, beleidigten die
Dentheleten in Thracien, welche römische Bundes
genoffen waren, undjagten die Möierüber die Donau.
Einige dacische Könige boten dem Augustus ihre
Dienste an; allein ihre Forderungen waren so hoch,
daß sie nicht angenommen wurden, worauf sie sich an
den Antonius wandten. Augustusfandtex)denM.
Licinius Craffius nach Thracien, und erhielt unter den J. n. Srd.R.
gethischen Königen einen gewissen Roles zum Bun" Chr.G.
D5 des

t) Strabop. 206-210. Die Bojer kamen in die Donau


gegenden erst im 58 Jahr v. Chr. G. Boirebiftes
gieng über die Donau, als er in Thracienfallen wollte.
Er wohnte also in Dacien, vermuthlich zu Zarmazi
gethufa.
u) Appianusp.775. verglichen mit dem Strabop.210.
z) Dio Caffius L. 51.p.656 u.f. Strabofagt S. 210,
Augufi Feldherr Aelius Catus habe in diesem Kriege
aus dem Lande der Gethen,jenseits der Donau, die
Myfierzurückgeholt und ihnen Wohnungen in Thrasien
angewiesen. Cafaubonus liefert hier (S. 114.)für
Aelius Catus mit Recht M.Licinius Crafus.
58 XXXIII. Buch. Aelteste
desgenoffen. Roles oder Oroles hatte bereits mit den
Bastarnen gefochten; allein sein Heer hatte sich so
furchtsam betragen, daß er selbiges, um es zu der
Tapferkeit zurückzubringen, zu weiblichenKleidungen
und Verrichtungen verurtheilte y). Dieses Mittel
hatte eine gute Wirkung. Denn bald nachher erlegte
er den Rest des bafarnischen Heeres, welcher dem
Crafius im Treffen am Cedrusstrome entkommen
war. Dapyp, ein gechischer König eines andern
Stammes, griffden Roles an. Allein Craffius eilte
dem letztern zu Hülfe, verheerte Thraeien, zwangdie
Bafarner zur Unterwürfigkeit, belagerte und eroberte
die Hauptstadt des Dapyr und tödtete diesen Fürsten.
Darauf bekam erdie berüchtigte HöhleKire oderCeira,
in welcher sich die Reichsten der Nation mit ihren
Schätzen verborgen hatten, durch Hunger. Zyrax,
ein anderer gethischer Regent, giengmitvielem Gelde
über die Donau, um fychische Völker zu werben;
allein ehe er seinen Zweck vollführte, demüthigteCraf
fus seine Unterthanen und eroberte seine Stadt Genukla
am Ister, in welcher die von den Bastarnen ehedem
dem Antonius abgenommenen römischen Heereszeichen
* verwahret wurden.
Nach dieser Zeit hat sich ein gechischer König
Cotio hervor z), welcher sich ein ordentliches Ge
fchäfte daraus machte, so oftdie Donau nur gefroren
-- war,
-
- /
y) Huftinus XXXII. 3.
z) Svetonius Aug. c. 64. und Florus IV. 12. gedenken
eines gethischen Königs Cotys, dem Kaiser Augustus
feine Tochter Julia verloben wollte. Diesen halten
einige Gelehrte für den Cotifo; allein er war wohl
einer der beyden letzten Cotys, die dasKönigreich Thra
cien oder Odryfien unter römischer Hoheit besaßen. S.
Hr. Cary Gesch. der K. v. Tbracien a. O. S.42.
- 46. und Graf Bünau Deutsche Raiffer- und Reichs
hift. 1 Th. S.756 u.f.
- Hungarische Geschichte. 59
war, in Mösien und Pannonien zu fallen. - Endlich
gelang es dem Augustus, durch den Lucius Pio und ''
im folgenden Jahre durch den Tiberius, die Gethen,
Dacier und Thracier zu demüthigen und das bulgari
fche Ufer der Donau mit Schanzen und festen Plätzen
so zu verwahren, daß die Dacier fich nicht über den
Strom wagen durften. Seit dieser Zeit bekam die Errichtungder
neue Provinz den Namen Mjösien, und der gethische '“
Name giengunter. Plinius gedenkt der Gethen in –
der bulgarisch -dobruczischen Tartarey zuletzt; allein -- - -

Mela fein Zeitgenoffe rechnet ihr Land zu Thracien,


und Prolemäus, welcher am Ende deszweiten Jahr
hunderts schrieb a), übergehet sie ganz, ohngeachtet er
noch der Tyrangeten bey Tyras am Dneester und
der Piengyten am karpathischen Gebirge im heutigen
Scepus gedenkt. Auch aufden Denkmälern der das
eichen Siege des Hadrians undin Schriften, die der
istrischen Völker Erwähnung thun, sind die Gethen
nichtgenannt b). Allein man erneuerte ihrAndenken,
als die deutsche Nation der Gothen nach dem Jahre
237 Mösien eroberte. Dieses geschahe nicht sowohl
ausUnwissenheit, als ausRuhmsicht einiger römischen
Kaiser und aus abergläubischer Verehrung der sibylli
mischen Bücher, in welchen gechische Kriege prophe
zeyet wurden,zu einer Zeit, da es keine streitbare Ge
then
a) Plinius IV. 11, nennet die Dacier auch Gethen, und
fetzt in Mösien die Gethen unter andern kleinen meistens
unbekannten Nationen, nämlich den Aleten, Gaupen,
Clarien am Ifer, Mösiern, Arräen, farmatischen
Areaten und Scythen. Ptolemäus hat dafürTab 9.
Eurepae Peukiner, Troglodyten bey Tomi, Obus
länfier bey Kallatis, Oitensier, Crobyzer, Piaren
fier, Däminister und Tribalier am Ciabrus; dann
westlicher Myster, Pikenier und Trikornäsler an der
dalmatischen Gränze.
b) Mastov Gesch.der Deutschen V. B. S. 139.
60 XXXIII. Buch, Aelteste
ehen mehr gab. Caracalla und Probusfanden den
Gedanken groß, eine Nation zu überwältigen, die
nicht einmalAlexander derGroße hattezähmen können,
und ließen sich daher nach einem Siege über einigego
chische Völker Gethicos aufMünzen nennen. Diese
Benennung veranlaffte einen Irrthum, welchen die
gothischen ältesten Schriftsteller geflissentlich fort
pflanzten c). -

Monarchie der Diejenigen Gechen, die den Namen Dacier an


Dacier, genommen hatten, erhoben sich aufdas neue unter der
Regierung einesgewissenDecebalus,und verwüsteten
unter den schwachen oder trägenKaisern Ottho,Vitel
lius und Vespasianus, in Gesellschaft der Jazngen,
Pannonier und anderer Sarmaten, nicht nur die rö
mischen Provinzen, sondern belagerten endlich auch die
Legionen in ihren Standquartieren und schlugen viele
römische Legaten, die sich ihnen widersetzten. Deceba
kus, oder,wie ihn Orofius d) nennet, Diurpaneus,
verband
c) Cluveri Germ. antiqua L.III.p. 129. Viele römische
Schriftsteller, die nach dem Jahre 313 lebten, folgten
dem Hofgebrauche und nannten die Gothen Gethen, ja
fogar Maffageten. Aber es fanden sich dennoch einige
' oder minder fchmeichlerische Männer, welche
iefem Ausdrucke ein wie man sagt, oder wie es
scheint, hinzufügten. marcellin widersprach jenen
deutlich; denn er nannte L. XXXI. 3. die Gothen inu
fitatum antehac hominum genus, und meldet an einem
andern Orte, daß Theodosius der Große Alanos, Hun
nos, Gothos, Getas, Seythas besieget habe. Schilter
Thef Ant. Teutonic.T. III. p. 397.
d) Grosius L.VII. c. 10. Hr. Severinus sucht in fei
ner Pannonia p. 133. den scheinbaren Widerspruch zu
heben, und hält das Pan im letzten Namen für das
flavische Pan oder Ban, Herr. Dergleichen Ablei
tungen haben aber eben so viele Wahrscheinlichkeit vor
als gegen sich. Zum Beyspiel dienet , daß Ban auch
aus dem Deutschen durch Feldherrenwürde oder ' Pl
Hungarische Geschichte. Gh

verband einen sehr großen Verstand mit sehr vieler


Vorsicht, Mäßigkeit, Muth, geschwinder Entschließt
fing, List und Kriegeswiffenschaft, in einer solchen
Vollkommenheit,daß Duras, sein Vorgänger, aus
Ueberzeugungdaß er würdiger fey, ihm seinen Thron
übergeben unddie dacische Regierungniedergelegt hatte.
Er eroberte die römischen Gränzfestungen und schlug -

zwey Heere des Oppius Sabinus und des C.Fucus.


Darauf forderte er vom Kaiser für den Frieden einen
Zins; allein er ward bald nachher durch des Julianus
Heere so sehr gedemüthiget, daß er um den Frieden,
den er vorhin ausgeschlagen hatte, demüthig bat.
Domitianus stellete sichnunmehr muchiger als er war,
und zog an den Ifer. Aber anstatt den Decebalus I. u. E. R.
selbst anzugreifen, wandte er sich gegen die Quaden und es
Markomannen, zwei deutsche verbündete Nationen,
die er, weil sie einem Befehle gegen die Dacier zu
fechten nichtgehorcht hatten, trafen wollte. Dieser
Zug mißlung, und dadurch erhielt Decebalus aber
mals das Uebergewicht gegen seine Erwartung; denn "
die

drich, undDiur aus dem Isländisch-gothischendurch


weifer Priester oder regierender Vorsteher überfetzet
werden kann. Den Namen Deeebalus findet man im
Dio Caff. L. LXVII. p. 1 105. wo der dacische Krieg
umständlich beschrieben ist, und bey den meisten gleich
zeitigen Schriftstellern. Swidas schreibt ihn Dekebe
lios; und es fehlet auch nicht an Gelehrten, die diesen
Namen zu einem Amtsnamen machen, undin die Wör
ter: Der, Daken, Baal oder Herr,zerlegen. Es gab
vielleicht noch einen jüngern Decebalus. Denn Tre
belius Pollio schreibt vom Regilliamus, der 160Jahr
nach dem altern Decebalus lebte, c. 16.gentis Daciae,
Decibaliipfius,vtferturaffinis. Dochkann auchAffinishier
einen Nachkommen einer Schwester des Decebalus ans
deuten. Ich halte Decebalus und Diurpaneus für
dacifche gewöhnliche Namen. Vom Diurpaneus findet
man einen Beweis in einer Steinfchrift, die Reing
sus ad Dionemp. 1105. $. 35. angeführt hat.
62 XXXIII. Buch. Aelteste
die Schlacht desJulianushatte ihmeine so beträchtliche
Menge brauchbarer Leute geraubt, daß er sich nicht
mehr im Felde zu erscheinen getrauerthatte. Julianus
würde auch eine mächtigste Stadt und feinen Schatz
erobert haben, wenn er ihn nicht durch List getäuschet
hätte. Diese bestand darinn, daß er aufdem Wege
nach derStadt,die er weder decken nochbesetzen konnte,
ein Verhack von Bäumen machen und darinn eine
Menge Spieße stecken ließ, die die Römer verleiteten,
hier ein neues dacisches Heer zu vermuthen und daher
zurückzugehen. Wie es scheint, rückte Decebalus nach
feiner Niederlage in die tiefsten Wälder, in welche die
Römer sich nicht wagendurften, und zog in selbigen
- -
benachbarte verbündete Völker an fich. Denn ver
--

möge einer Inschrift e), die einem gewissen L.Plau


tius

e) Macov Gesch. der Deutschen V.B. S. 139. Man


will, vermöge einer unzuverläffgen alexandrinischen
Chronik (ad An. 1c:6), daß auch die Gothen unter
diesen Völkern gewesen sind; allein Dio und andere
ältere Geschichtschreiber wifen von diesen nichts. Der
angeführte Plautius muß durch Dacien bis tief in
Scythiengedrungen feyn; denn er hat den König der
Seytharum, Acheronenli quae eft ultra Boruthenem,
opfidione fummoto besiegelt. Am Boryfheues oder
Don faßen nach dem Ptolemäus die Bastarnen west
lich, und die Roralanen und einige Jazygen östlich auf
dem nogayischen Strande des azofischen Meeres. Die
Rhorolanen und Alanen waren gleichfalls Nachbarn,
Ammian. Marcel. L. 22. c. 19, und, wie der Name
zeigt,Völker eines Stammes. Decebalus scheint also
die erste Veranlaffung zu dem Eintritt der Alanen in
Hungarn gegeben zu haben. Kurz nach Decebals Be
fiegung faßen in Dacien die Britolagen am Dneefer
in der Moldau, die Arpier, nahe dabey, die Kaukone
fier in Halicz und Moldau, die Rotensier, Senier,
Piephiger zwischen dem Sereth, Ister und der Aluta,
die Rbatacensier und Burredeenfier am östlichen Ufer
der Aluta in Siebenbürgen, die Jaffier bep Jaffy& die
- Es
Hungarische Geschichte. . 63
eiuszu Ehren gesetzet worden ist, hatte er rhorolani
fche, bastarnische und andere unbekannte Völker schon
vor der letzten Niederlage bey fich, und nachher fand
man noch mehreredergleichen in feinem Lande. Der
Kaiser war zu furchtsam, um sich ihm zu nähern und
-- - - --
bot ihm nicht nur den Frieden an,sondern erkaufte viel
mehr selbigendurchgroße Geschenke, Jahrgelder und
viele Handwerker und Künstler, die er ihm zusandte.
Demohngeachtet hielt er aus Eitelkeit gleichsam als
Besieger der Dacier einen Triumph, und setzte dem Ge
fandten des Decebalus ein Diadem auf das Haupt, um
den Römern einzubilden, daß Decebalus nur durch
feine Duldung und Bestätigung König der Dacier
fey. Decebalus sorgte für die Zukunft durchBündniffe,
-

J. n. Erb. R.
853. n.Chr. G,
die er mit den Feinden der Römer, nicht nur mit den IQQ. ,

nahen Deutschen, sondern selbst mit den weitentlegenen


Parthern schloß. Diese mußte der römische Kaiser
trennen, wenn er sein Reichder größefen Gefahr ent
reißen wollte. Daher beschloß Lrajanus,das Glück
der

Teurifier aleichfalls inSiebenbürgen (ohngeachtet die


Stadt Kirifumam Marosch,zwischen Dovra und Deva,
von der sie den Namen erhaltenzu haben scheinen (Fr.
von Hohenbaufen Alterthümer Daciens S.37),den
Potulatenfern gehörte), die Anarten, eine alte Na
tion am Harzwalde und der Donau, die nicht zu den
Daciern gerechnet wurden, (Cae/ar de B. Gal. L.VI.
c.24.) die Ratoboker zwischen Pruth und Dneefer,
die Prädarenfer und Biepher in Großcumanien, die
Albekenfer bey Temeswar, die Saldenfer an der fer
vischen Gränze, die Kiagier in der Walachey westlich
der Aluta (PtolemaeiTab 9. Europ.), und die Dan
krigi, welche in den Jahren n. Erb. R. 927 und 971
in Dacien Land und Jahrgelder von den Römern für
die Vertheidigung des Landes erhalten hatten. -

Ca/ ed. Reimar.p. 1187. 1335. Man weiß nicht, ob


diese Völkerschaften insgesamt dacische Stämme, oder
fremde durchziehende Nationen gewesen sind.
64 XXXIII. Buch. Aelteste
der Waffen abermalsgegen die Dacierzu versuchenf).
Hierzu gab ihm Decebalus durch öftere Streifereyen
in die römischen Provinzen Gelegenheit, und er lieferte
ihm bey Tapis eine fehr blutige Schlacht, die ihm den
Weg nach der dacischen Hauptstadt öffnete, bei der
E.R.3. Kufius Quietus einenzweiten Sieg erfocht. Decebaus,
-- * der bisher den Kaiser als einen Lehnmann betrachtet
und daher eine Geschäfte nur durch Abgeordnete des
zweiten Ranges, welche nur mit entblößtem Haupte
in seiner Gegenwart erscheinen durften, hatte besorgen
laffen, ward nun bescheidener, und fandte einige der
Vornehmsten oder der Hüteträger an den Kaiser ab,
die ihn kniend um Frieden baten. DerKaiser verord
nete einige Friedensvermittler, undließ einige Schanzen
nebst einer festen Stadt erobern. Darauf versprach
Decebalus alle Kriegsgeräthschaften, Waffen, Hands
werker, Künstler, römischeUeberläufer und Gefangene
zurückzugeben, die eroberten Länder ihren ehemaligen
Besitzern abzuliefern und die Bundesgenoffen der Rös
mer als eine genauesten Freunde zu betrachten. Er
warf sich dem Trajanus selbst zu Fuß, bat den römi
fchen Senat um die Bestätigung des Friedens, und
litte, daß Trajan in den Schanzen bey seiner Haupt
stadt

f) Dio L. LXVIII. p. 1125. Der Freyherr S.J. von


Hohenhausen, Major von dem Tschaiken-Bataillon,
hat in einem seltenen Werke, welchesdieAufschrift hat:
Die Alterthümer Daciens in dem heutigen Siebenbürgen
aus den Zeiten, als dieses schöne Land die Römer re
gierten, auf Befehl und Kosten Ihro Maj. der Kaiserin.
Wien 1775. (groß 4to) die Positionen, Lager und
Schlachtplätze des decebalischen Krieges genau beschrie
ben (S. 27.37). Die stärksten Spuren find bey der
Colonia Ulpia Trajana, jetzt Gradistia im Hadzeker
oder Ifriger Thal, und am Marosch bey Tiricum,
einer zerstörten Stadt zwischen Dobra und Dewa im
Dorfe Herepe.
Hungarische Geschichte. 65
fadt Zermizegethufa, wie auch in einigen andern Be
festigungen, starke Besatzungen hinterließ.
SobaldTrajanusdie Donauverlaffenhatte, schaffte T.d. Erb. R.
Decebalus neue Waffen herbey, erneuerte die zerstört: Cre.
ten Schlöffer, zog versuchte römische Soldaten in seine 3.
Dienste, bewarb sich um Bündniffe bey den benach
barten Völkern, und nahm den Jazygen einen Theil
ihres Landes. Allein des Trajans Legaten schlugen
ihn, und viele Dacier verließen sein Heer. Er fuchte
daher aufdas Neue eine Aussöhnung mit dem Kaiser.
Aber weildieser aufdie Ablieferungder Waffen drang,
zu welcher er sich nichtverstehen konnte, so brach er die
Unterhandlungen ab, und fandte Leute aus, die den
Trajanus ermorden sollten. Diese wurden entdeckt
und getödtet. Longinus, einer der tapfersten Anführer
einer Legion, kam auffeine Einladung, um Friedens
vorschläge anzuhören, in ein Lager und wurde von
ihm treulos gefangen genommen. Den benachbarten
Völkern ließ er durch seine Gesandten vorstellen, daß,
wenn sie ihmjetzt nicht beyständen, ihre Freiheit nach
feiner Ueberwältigung gleichfalls vernichtet werden
würde. Und endlich fandte er auch an denKaiser,und
forderte für des Longinus Loslaffung alles Land bis am
Ister und die Ersetzung der Kriegeskosten. Trajanus, n. gh, gr.
gab
selbsteinezweideutige
durch Gift. Antwort, und Longinustödtete sich857.
-
n. Ch.-G.
IO4.

Trajanusfaßte nun den Vorsaß, die Waffen nicht „''


eher niederzulegen, bis daß er Dacien völligbezwun-Provinz
gen, das Königreich aufgehoben und allesdazu gehö
rige Land in eine Provinz verwandelt haben würde. Er
dachte zugleichaufein Mittel, die Sicherheit dieser Er
oberungaufdas Vollkommenstezu gründen, und fand
selbiges in einerBrücke,die er bey TetislainServieng)
und

g) Dio Caffused. Reim. p. 1129. nota 92. Aufder tra


janischen Säule findet man zwey Donaubrücken, eine
Allgem.Weltg.XVB. I. Abth. E POL
66 XXXIII. Buch. Aelteste
und Severin und Cernez in der Walachey über die
Donau bauete, und mit festen Schanzen an beyden
ER. 88 Seiten verwahrte. Darauf ward der Krieg mit
hr. G IC5- größestem Nachdrucke geführet, bis daß er sich nach

vielem Blutvergießen durch den Selbstmord des


Decebalus endigte. Der Kaiser fandte das Haupt
desunglücklichenKönigsnach Rom h), und fanddurch
die Nachweisung eines decebalischen vertrauten Freun
des einen beträchtlichen Schatz von Kostbarkeiten in
verstopften Höhlen, und Gold und Metall unter dem
Bette des Fluffes Strey oder Istrigin einem künft
lichen Gewölbe. An diesem Strome lagdie alte daci
fche ResidenzJarmizegethufa oder Zermigerhufa,von
welcher noch jetzt einige Spuren zu Varhely in der
fiebenbürgischen Walachey angetroffen werden i). Tra
janus
von Schiffen, die andere aber von steinernen Pfeilern
und daraufgesetzten Balkenverbindungen. Die letztere
üft nach des Grafen MarsigliNachrichten diejenige,
von der hier geredet wird. Dio vergrößert in feiner
Beschreibung ihre Kunst und Kostbarkeit. Das Volk
nennt die Ruinen der Pfeiler jetzt das eiserne Thor auf
der Donau. S. des Fhrn. von Hohenhaufen Alter
thümer Daciensp.49.
h) Unter den vielen Münzen, die auf die dacische Be
zwingung geprägt worden, sind einige, die den Tod
des Decebaus abbilden. Der Kaiser sitzt nämlich auf
einem Felsen mit der Aquila. Ein Mann übergiebt
ihm das dacische Heereszeichen, und ein Knabe tritt
das Haupt des Decebalus mit Füßen. Aufdieser und
andern Münzen heißet die Provinz Dacia Augusti und
Augusta S. C. DerSenat begab sich alsofeines Rechts
auf ihre Regierung.
1) Timon Imago Vet. Hung. p. 67. Auf Sclavonisch
heißt Varhely Gradischa, und beyde Namen deuten
ein Lager oder Schloß an. Man hat einige Infchriften
bekannt gemacht, aus welchen zu erhellen scheint, daß
Trajan in der dacischen Residenz eine Colonia Illyria
Trajana Augusta Saruniz angeleget hat. Allein einige
- NEUEPS
Hungarische Geschichte. 67
janus veranstaltete, daß in diese und andere Städte im Ostsee.
römische Kolonisten gebracht wurden, und gab ver-n.Chr. G.106
fähiedenenderselben lateinische Vorrechte. Zu diesen
gehörte eine Colonia ApulenfisAugustajetzt Grie
chisch Weiffenburg k), Paraviffa (Petov inSieben
bürgen),Augusta Prätoria am Ursprunge der Olt,
und Colonia Zernenfium (vielleicht Czernet, ohn
weit Hermanstadt). Er bevölkerte ferner dasplatte
Land mitEinwohnern, die er aus allenGegendenfeines
Reichszusammenbringen ließ, und welche, wie man
will, die Stammväter derjetzigen Walachenfeyn fol
ten ). Vermuthlich hatte Decebalus bereits einige
Bergwerke aufgenommen, weil seine Knechte die
Kunst unterirdische Höhlen' machen verstanden,und
- 2 g

neuere erklären felbige für untergeschoben. Reimarus


ad Dionem p. 1127. $. 78. Seivert lib.Transsylv.
Inferiptiones Monum. Romanorum in Dacia mediterra
nea. Wien. 1773. p. 43. -

k) Cellari NotitiaT. I.p.6or. Hr. Severini Pannonia


p. 41. Daß der römische Name Claudiopolis für Co
lofchwar vor 150Jahren erst erdichtet, unddieseStadt
nicht römisch fey, hat Hr. Seivert l. c. p. 19. ge
eigt.
1) ' LVIII.c. 3. TrößterDacia antiqu. et nova.
Des Hrn. v. Anville Abhandlung vom Ursprunge der
Walachen in den Menn. de Literature tirés des Regi
stres de l'Academie Royale des Inferiptions et belles
Lettres. Der NameYOlach bedeutet inflavonischer,fowie
YOalsch in deutscher Sprache, einen Ausländer, und
vornehmlich einenItaliäner. Diewalachische Sprache
ist deritaliänischen ähnlich, bestehet aberaus römischen,
flawischen und andern zusammengemischten Wörtern.
Die Walachen nennen sich Romunius, und eine Ge
gend ihres Landes, westlich dem Einfluffe der Aluta in
die Donau, Romunazi. Auch halten fiel sich noch jetzt
für Leute de Sangue Rumena. In Dalmatien heißen
die Nachkommen der Römer gleichfalls Wlachen, oder
Mauro Vlafft, schwarze Wlachen (Morlachen),
68 XXXIII. Buch. Aelteste
er großeSchätze besaß. Wenigstenswußte Trajanus,
daß Gold im Landezufindenfey, und brachte eineGe
fellschaft von Gewerken, oder ein Collegium Auraria
rum zusammen m), die vielleicht die Centum putea
eröffneten, welche, wie man muthmaßet, im temes
warer Banat gewesen find. Zur Erleichterung der
Handelsgeschäfte wurden vier römische Heerstraßen,
Via Geminia, Clodia, Annia und Caffia durchDa
ciengeführer. Einigefeste Städte bekamen einenDur
zum Unterstatthalter. Der ganzen Provinz ward ein
kaiserlicher Legatus vorgesetzet, und die Brücken und
Gränzfestungen wurden einem Präfectus Ripä Tibiff
et Danuvi und einem Curator Pontis Augusti in
Mötien anvertrauet n). Dennochscheint esnicht,daß
ganz Dacien mit römischen Kolonien angefülletfey,fon
dern es blieb vielleicht der Theil, der zwischen dem
Gebirge Karpat und jenseits der Aluta lieget, oder
das Beträchtlichste der Walachey und die Moldau,in
der Gewalt der Barbaren, weil man in diesen keine
römische Denkmäler findet o), und weildie zehnmal
hun
m) Hr. Severini Pan. p. 41. Reimarus ad Dionem p.
1130. Auraria heißt jetzt Schlatten oder Zalaken
(Seivert Infer. p. 13o), und hatte einen römischen
Praefečium Slotnae. (S. Hr. Gori dacische Inschriften
in Hr. D.Walch A&is Societ. latinae Ienenfis Vol. V.)
Slotna ist offenbar das flavonische Wort Zlato,Gold.
Es müffen also an diesem Orte schon im zweiten Jahr
hunderte Wenden gewesen seyn, wenn nicht etwa das
MWort aus der dacifchen in die wendische Sprache, mit
den den Wenden zuvor unbekannten Metall, so wie
z.B. das Wort Kupfer, Bley, Zinn, aus der lateini
fchen in die deutsche Sprache, gekommen ist. Man
findet eine römische Inschrift aufdie Entdeckung eines
Bergwerks bey dem Hrn. Seivert S. 5.
n) Inferiptio ap. Gruterump. 448.
o) Timon Imag.Vet. Hung. p. 72. In einer Inschrift
findet sich ein Municipium Dacorum Iafiorum, und auf
Aga
Hungarische Geschichte. 69
hunderttausend Schritte, die nach Eutropi Berichte
Trajans Dacien im Umkreise hatte, für die Moldau
nicht zureichen.
An die Gechen südlich der Donaugränzten einige
alte griechische, celtische und deutscheVölker, von wel
chen nochetwas zu bemerken ist, nämlich die Bastar
ner, die celtischen Triballier und Scordifer, und
die griechischen oder thracischen Mötier, Dardanier
und Befier. Vondiesen finddie celtischen Stämme, In Erb-R364
erst bei der großen Wanderung der gallischen und J. d. W 31.
deutschen Celten, in Pannonien und Mötien gekom- Chr,9 39°
men p). -

Ueber den Ursprung der Bastarnen sinddieMey- Vonden Ba


nungen der ältesten Geographen geheilt. Pliniusq)"
E3 hält
Agathodemons Charte in PtolemäiErdbeschreibungist
an der moldauisch-haliczfchen Gränze eine Praetoria
Augusta, und etwas südlicher eine Stadt Augustia ge
fetzet. Jenes Municipium hält man für Jaffy. Wenn
diefe Meynung und jene Lage der ptolemäischen Städte
zuverlässig wäre: fo müßtendie Römer wenigstens eini
ge Plätze in der Moldau befeffen haben. Die beyJaffy
gefundene Infeription, wie auch zwey andere römische
Monumente, die bey Cupercfu in Bessarabien feyn
follen, sind vielleicht untergeschoben. Timon ImagNovae
Hung. Additan. p.20, 22. -

p) Guthriesche Allgem. Weltgesch. III Th. S.984.


q) Plinius Hit. nat. L. IV. c. 14. Plutarch und Livius
in Cluveri Germ. ant. L. III.p. 180. Strabo p.211.
Tacitus de Mor. Germ. c.46. Livius L. XL. c. 57.
Valerius Flaccus, der unter dem Domitianus lebte,
und also genaue Nachrichten von den Bastarnen haben
konnte, giebt den Baftarnen, die er zu der Ausschmü
ckung feiner Argonautica gebrauchte, einen Anführer
mitdeutschem Namen: Lib.VI. v. 95.
Aft ubi Sidonicas interpedes aequat habenas;
Illinc juratos fecum trahitAea Baternas:

- Quos P
70 XXXIII.Buch. Aelteste
hält sie für eine der ältesten deutschen Hauptnationen.
Strabo zählt sie zu den Deutschen; und Tacitus
meldet, daß ihre Wohnungen, Sitten und Sprache
deutsch wäre, aber durch Verheirathungen mitfarma
tischen Mädchen nach und nach geändert würden. Li
vius sagt im Gegentheil, daß sie den Scordifern in
Betracht der Sprache und Sitten gleichgewesen sind;
und dann müßten fielnichtdeutsch, sondern altbrittisch
geredet haben. Vielleicht waren sie wahre Deutsche,
die aber ihren Nachbarn, den Celten an der Donau,
viele celtische Wörter abgeborget hatten. Ihre unter
geordneten Stämme, die Atmonierr), Boranen,
Karpen oder Karpather, die Sidoner und die
Pcuciner waren nochin spätern Zeiten nicht weit von
der deutschen nordlichen Gränze anfäffig; und daraus
erhellet, daßdie Bastarnen entweder aus Deutschland
in die Moldau gekommen, oder auch nur durch die
neuern eindringendenfarmatischenVölker vonden übri
gen Deutschen abgesondert sind. Die Sidonen,von
welchen schon oben geredet ist, waren nachdem Strabo
und Ptolemäus zwischen der Weichsel und Elbe in
Böhmen, und nach dem Plinius zugleich am Aus
fluffedesJsters unter denGethen. DieKarpathen,
Karpianen oderKarper wohnten noch im andern Jahr
hunderte nach Christi Geb. zwischen den Peucinern
und Bastarmen am Dneefer im kaminieckischen Pala
tinate s), und wurden als gothische Hülfsvölker auf
- ihren
Quos, duce'Teutagono, erud more corticisarmatz
Aequaque, nec ferro brevior nec rumpia ligno.
Die Rumpia, eigentlich ein thrakischer kurzer Wurf
spieß, ist noch lange hernach bei den Dänen gebräuch
lich gewesen; und auch von Panzer aus Baumrinden
findet man unter selbigen Spuren.
r) Strabop. 21 1.
s) Cellari Notitia Orbis antiqui T.I.p. 597.
Hungarische Geschichte. 71
ihren Zügen nach Mösien und Pannonien von den J. n. Chr. G.
Kaisern Philipp, Aurelianus und Diocletianus befie 246, 270, 95.
get, und nach Pannonien und Thracien versetzet. Die
2Boramen litten in Mösien eine Niederlage, und J. n.Chr.G.
waren damals mitden Gothen in diese Provinzgekom
men. Von den Baftarnen war zu eben dieser Zeit
ein Stamm in Rohreußen am karpathischen oder ba
farnischen Gebirge, und ein anderer, wie Ptole
mäus lehret, am Dneeper und Bog in der krimischen
Tartarey. Von den Peucinen hatte sich ein Stamm
in die alte Heimat, neben den Bastarnen im heutigen
lembergischen Gebiete, zurückbegeben. Dieser wohnte
am Gebirge Peuce, welches von ihm feinen Namen
erhalten haben muß, sowie die Peuciner selbst von der
Insel Peuce am Ausfluffe der Donau benannt zu seyn
scheinen t). Vermuthlich ist die bafarmische Nation
durch den macedonischen König Philipp nach Myfien
gebracht. Denn dieser Prinz hofte durch ihren Bey- ''
stand sich der Römer zu erwehren, und verlobte seinen "184'“
Prinzen mit der Schwester eines edeln bastarnischen
Jünglings aus königlichem Stamme u), welcher, wie
es scheint, Cotto hieß. Er hoffe, die Bastarnev
würden die Dardaner aus ihrem Lande vertreiben kön
nen, und dann sich mit den Scordifern vereinigen,
um die römischen Provinzen am adriatischen Meere an
zufallen. Die Bastarnengiengen auchüber den Ister,
und setztensich aufPeuce fest. Sierücktendaraufihm. v. Chr.g.
näher; alleinzu spät. Denn er starb vor ihrer An- 179.
kunft, und Perseus,der ihm aufdem Throne folgte,
föhnte sich mit den Römern aus, und entsagte dem ba
farnischen Bunde. Die Bafarner versuchten darauf
die Thracierzu vertreiben. Allein sie wurden geschla
E4 SIEM

t) Strabop.21.
u) Livius XL. 6. 57. XLI.24. Spener Notitia Germ
antiquaep.205. -
72 XXXIII.Buch. Aelteste
gen, und nachher durch Ungewitter fast gänzlich ver
nichtet. Man haßte und verfolgte sie überall, wohin
fie kamen. Denn sie besaßen einen unerträglichen
Stolz, und kannten weder die Vortheile des Acker
baues, der Schiffahrt und des ruhigen Lebens, noch
auch die Pflicht nicht zu beleidigen. Sie verachteten
alle Nationen, rühmten ihren Muth und ihre Helden
thaten aufdie unerträglichste Weise, und gaben ihren
Erzählungen durch ihre Stärke ein Gewicht. Denn,
da sie von ihrer ersten Jugend an sich in den Waffen
übten, so hatten sie große und nervige Körper, und
waren außerordentlich gelenk. . Sie hatten auch einen
Begriffvon der Kriegeskunst, undfochten zu Pferde
. und Fuß. Perseus änderte nach einigen Jahren feine
' Gesinnungen, und zog ein neues Heer Bafarner über
177. die Donau, welches die Dardaner, mitHülfe der mit
ihnen vereinigten Thracier und Scordiscer, angriff;
aber da es nach einem kleinen Siege den Hauptortder
Dardaner belagerte, geschlagen und zerstreuet ward.
J.n. Erb. R. Die Dardaner nahmen ihre Zufluchtzuden Römern,
F" Ght. G.,die ihre Noth mit der Befiegung desKönigs Perseus
"9. , endigten. Nachher traten die Bafarner in das mi
thridatische Bündniß zum Angriff der Römer v).
# '' # Allein sie fließen nicht bey dieser Gelegenheit, sondern
“ erst fünfJahr später, als Bundesgenoffender Möser
“ aufdiese berüchtigten Eroberer, die durch dasVersehen
so.“ ihres Anführers des Antonius aus der Schlacht bey
Istropolis vor ihnen flohen, und sogar ihre Heerzei
chen oder Adler fallen ließen x). Dieser Sieg machte
J. n. Erb. R die Bastarner muthig, und brachte sie aufden Gedan
" ken, sichdiesseits derDonau festzusetzen. Daher grif
29. fen sie die Möier, Tribalier und Dardaner abermals
an, und brachten das ganze Mölien an sich. Sie
dran
v) Appianus ap. Cluver. Germ. antiqu. L. III.p. 183
z) Dio Cafus p. 156. - -
Hungarische Geschichte. 73
drangen endlich über den Hämus in Thracien ein, und
überfielen die Dentheleten. Der König der Den
theleten Sitas forderte, weil ihn Blindheit hinder
te seine Unterthanen selbst anzuführen, den Schutz
der Römer auf; undAugustus, welcher nach römischen
Grundsäßen jene Adler wieder zu erobern trachten
mußte, auch selbst eine Begierde hatte, sein Reich bis
über die Donau auszudehnen, sandte den M. Craffius
nach Thracieny). Dieser Held schien den Bastarnen
so gefährlich zu feyn, daß fie, ohne ihn zu erwarten,
flohen. Craffius folgte ihnen, und eroberte erst eine
jetzt unbekannte Gegend Segetica, und dann Myfien
und eine ungenannte Festung der Myfier. Die Ba
farner setzten sich am Cibrizastrom in einem Walde,
und hofen den M. Craffius durch Gesandte zu besänf
tigen. Aber Craffus bediente sich der Thorheit der
Bafarner, die einen Ruhm im Trinken fuchten, be
rauschte die Abgeordnete mit Wein, und lockte aus
ihnen alle Geheimniffe ihrer Absichten und ihre da
malige Stellungheraus. Darauf schlich er sich an
das Lager, griff esplötzlich an und hieb eine große
Menge Weiber, Kinder und selbst den bastarnischen
König Deldo nieder. Viele, die entrinnen wollten,
wurden durch den angezündeten Wald und den Ister
aufgehalten oder getödtet; und die wenigen, die sich
wieder fammleten und verschanzten, fanden durch die
Waffen des gethischen Königs Roles ihren Untergang.
Craffus brachte nunmehr ganz Mölien unter die römi
sche Hoheit, und zogdurchThracienzurück. Sobald
dieses geschehen war, kam ein neues Heer Bafarner
in das Land der Dentheleten. Allein Craffus eilte zu
rück, und die Bastarner baten um Frieden, ohne die
Waffen zu gebrauchen, und nahmenihn nachdes Cras
fus Vorschrift an. Darauf fiel auch die gethische
E 5 Stadt
y) Diop. 656fequ.
74 XXXIII. Buch. Aelteste -

Stadt Genukla mit den römischen Heereszeichen des


Antonius in die Gewalt des Craffus. Und da diese
Stadt nicht weit von Istropolis ander Donau lag, so
müffen dieBafarnersich damals über den Ister zurück
begeben haben. Die Peuciner blieben in ihrer Insel,
und die Bafarner unterließen in spätern Zeiten nicht,
wenn das Eisdie Donau bedeckte, mit den Beffern
bis nach Tomi und weiter hinaufzu streifenz). Sie
J. n. Chr. G. gesellten sich ferner zuden Markomannen bey der allge
16 meinen Verschwörung der nordlichen Völker jenseits
der Donau, und in spätern Zeiten zu den Gothen.
Mit dem letztern Volke litten sie endlich eine schwere
I n. Chr. G. Niederlage; und darauf versetzte sie ihr Sieger Pro
279. bus in einige öde Gegenden im römischen Mölien,
Thracien und Illyriena). Man schätzte diese Koloni
fen aufhunderttausend Köpfe, und rühmet von ihnen
daß sie die römische Sprache und Sitten angenommen
hätten. Im untern Theile der Bulgarey hatten die
Bafarnen fünf Städte beseffen, von welchen eine,
Noviodunum, am östlichen Ufer desKulugheries im
vierten Jahrhunderte derHauptort der Sclaven wurde.
Zu eben dieser Zeit verschwand der bastarnische
Name b). -

Von den Tri- Die Tribalier gehörtenentwederzudenThraciern,


baliern. wie Strabo (S. 218)versichert, oder auch ' den
- elten

z) Ovidi trifft. L.III. E. c. Diese Besier mögen viel


leicht mit den Bastarnen aus Thracien vertrieben feyn;
denn Craffus focht mit den thracischen Beffern, und
nahm ihnen ein neuerobertesLand ab. Prolemäus be
merkt in feiner Erdbeschreibung einen Stamm Bieffer
am karpathischen Gebirge in Rothreußen.
a) Wopf us c. 18. Macov Gefäh.der Deutschen VB.
. 195- -

b) #"abula Peutingeriana, die vielleicht Dacien, wie


es290 war, abbildet,setztdieBastarnen andasGebirge
und die wendischen Sarmatenam Ausfluffe desIsters.
Hungarische Geschichte. 75
Celten oder Kälten. Ihr ältester Sitz war wohl die
Zusammenflu
amderen ffe des Brongo,
(Sau) undEbene
tribalische Ifers, Herodot gedenkt. Nach 3: G,

her waren sie tiefer an der Donau. Philipp, König


von Macedonien, zog durch das Land der Tribalier,
als er die Scoloten überfiel, und verlor auf dem Rück
zuge durch eine unglückliche Schlacht, die er den Tri
balliern lieferte, seine gemachte Beute. Alexander J. v. Chr. G.
der Große rächte seinen Unfall aufdem Zuge gegen die *
Scoloten, triebden triballischen KönigSyrmusnebst
einigen Thraciern in die Donauinseln, besiegte ein tri
ballisches Heer am Ufer der Donau, versuchte vergeb
lich aufder Insel Peuce zu landen, und söhnte sich
endlich mit dem Syrmus, der über die Donau zu den
Deutschen geflohen war, aus. Herodotos, welcher
etwa fünftehalbhundert Jahr vor des Heilandes Ge
burt lebte, fand die Tribalier amSau und Drino in
Servien und Bosnien; und daher vermuthen einige
Gelehrte, daßdie Stadt Sirmium von dem tribali
fchen Könige Syrmus angeleget fey. Etwa hundert
Jahr später wurde durch Hunger und Mißwachs ein
Haufen von30,000Tribaliernnach Thraciengebracht. gdom, „es
aber von den Athe-Olymp, 16, 1.
niemsern unterdie
Dieser erlegte Chabrias ward
demAbderiten, geschlagen undzurück ge“ G.376.
trieben c). Die übrigenwurden nach einpaarhundert n. E.g.
Jahren, zum Theil durch die Scordifer zu den Da- 563.v. Chr.G.
ciern über die Donaugejagt,zum Theil aber von den “
Bafarnen überwältiget, und daraufvon den Römern
bezwungen d).
Mötiere); Dieerhielt
dennoch gaben
letzterneiner ihnen
feiner Stämme, '#
der 7",
den Namen V-"

an der Cibriza faß, seinen Namen noch ein paar hun


dertJahr länger f).
Die
c) Diodorus Siculusp.354.
d) Strabo p. 218. Dio Caffiusp.656.
e) Dio Caffius edit. Reim p. 660.
f) Ptoleunaei Geogr. Europ. Tab. 9.
76 xxxILBuch. Aelteste
„en. Die Scordicer oder Scordiffer stammelten von
". 41 den furchtbaren Celten oder Galliern ab, die unter der
S. n. '' Anführung eines Bathanatus sich nach der mißlunge
364. v.Chr. G. nen Verheerung Griechenlandeszurückzogen, und am
” Ister oder der Donaufestsetzten. Sie bekamen ihren
neuen Namen vom Gebirge Skordus, welcheszwi
fchen Servien, Bosnien und Dalmatien lieger. An
ihnen gränzten zuerst nur die Dardanier und Dalma
ten g); allein sie breiteten sich bald weiter aus, und
wurden sehr mächtig. Sie überwältigten die Auta
riaten, wieobengesagt ist, durch eine Kriegeslist, aus
der man fiehet, daß sie den Gebrauch und die Zube
reitungdes Weins und Giftes kannten. Sie verwü
feten in Gesellschaft anderer Celten Griechenland noch
einmal, und bereicherten sich durch die geraubten del
J.
V ä phischen Schätze. Nachher überwältigten sie die Tri
-
"E"balier. Allein L. Cornelius Scipio h) tödtete eine
564. v.Chr. G. beträchtliche Menge von ihnen in einer Schlacht, und
190. trieb die übrigen in die Inseln am Ausfluffe der Do
nau, und nach Pannonien. “Nachher litten sie '
“R) (16e

g) Livius XL. 57. Strabonennetfie Gallier; Appianus


p. 77. Illyrier und Mötier, und Florus Thracier.
Iuftinus (L. XXXII. c. 3.) und Athenaeus (L.VI.
c. 5. Edit. Lugd. de A. 1657, p. 234) bezeugen die
Abkunft von den Galliern durch Bathonatus. Ver
schiedene Ableitungen desfordifkischen Namens hatder
GrafBünau in feiner Deutschen Kaiser- und Reichs
historie mitgetheilt (1 Th. S.678).
h) Appianusmeldet,(SchwandtneriScript.p. 771.) daß
die Scordifker durch den L.Scipio, im 32 Jahr nach
dem ersten Zuge der Römer gegen die Celten, bezwun
gen worden. Diefes triftungefähr aufdas Jahr564,
da Scipio durch Thrakien und Mötien zog, und gerade
32 Jahre feit den Spolis opimis de Gallis verfloffen
Palett.
Hungarische Geschichte. 77
Niederlage i) vom Conful T. Didiusund LiviusDrusus
(v.Chr.G. 113, n. Erb. R.G41), und ein Jahr
später vom M. Minutius Rufus. Unter dem Augu-J. n. Erb. N.
fusverheerten sie mit den Dentheleten Macedonien, '','';
nachher aber als römische Unterthanen das Land der n. Chr. G.9.
Pannonier k). Sie wurden endlich den Römern vom J.n.E. R74.
Tiberius unterworfen, und heilten sich darauf in die -

größern und kleinern Scordfker ). Jene besaßen


das Land am Kulp in derGegend von Siffek (inScla
vonien) und am Monte Claudio (Monslo), nebstder
pannonischen Stadt Nauportus. Diese, die kleinern,
wohnten zwischen den Tribaliern und Mösern, nicht
weit von den Inseln am Ausfluffe der Donau. -

Die Dardanier hielten fich in einem fast wüsten Dardanier.


gebirgigen und waldigen Lande auf, welches in glei
chen Theilen jetzt zu Servien, Bulgarien undMacedo
nien gehöret. Man glaubt,daß sie mit denBeffern und
Myfiern aus Dardanien oderdem trojanischen Gebiete
über den Hellespont in Thracien, und endlich an die
Donau gekommen
celtischen Einfälle insind m). Sie
Griechenland nahmen
Theil, an dem ",
undfochten“ hr. G. 279.

nach
i) Dio Caff.p. 40. Florus II.4. Letzterer meldet, daß
sie damals sehr grausam und verschmitzt gewesen sind.
Auch hatten sie im J. n. Erb. R.640 des C. Porcius
Cato Heer völlig vernichtet. Von des Didius Siege - - -

S. Hr. Schulzens Erläut. der Römisch. Gesch. S.


3O2.
k) Diop.738. 762.
1)Strabo VII.p. 217.216. -

m) Hr. Severini Pannonia p.40. Strabo hält (S.205)


die Myfier für Trojaner und Thracier, und die Darda- --

ner für Illyrier (S. 218). Die Beffer waren berüch


tigte Räuber vom Gebirge Hämus und Rhodope, welche
in elenden Hütten zwischenden Autariaten, Dardanern
und macedonischen Päoniern wohnten (Strabop.220),
aber zu Thracien gerechnet wurden. Diop. 749.
78 XXXIII.Buch. Aelteste
nachher mit dem Könige Philipp von Macedonien,als
Verbündete der Pelagonier oder Päonier und Illyrier.
Dieser Prinz hatte einen ererbten Zwist mit ihnen;
denn ihr König Longarus hatte seinenVater Deme
J. n. Erb. trius besieger. Er selbst nahm ihnen eine Stadt, die
st: Chr, "fie in Macedonien besaßen, verlor die illyrische Stadt
# ' Orestus, focht nachher mit des KongariSohn Bato,
“**” welcher mit den Römern sich verbunden hatte, und
3. n. Erb. R. besiegte einHeer Dardanier, welchesMacedonien ver
sie wüsten wollten). - Bald nachher nahmen die Gallier
### oder Celten von Dardanien Besitz. Alleinder Haupt
I91. zug dieses unruhigen Volksverließ es unter den Köni
gen Kutar und Leonor bald hernach, und begab sich
563.nach Thracien, und endlich in Asien o). Schon im
"nächsten Jahre berührte der römische Feldherr L. Cor
nelius Scipio die mösische Gegendp), und nahm von
den Dardaniern und Medern dieHuldigung ein. Der
macedpnische MonarchPhilipp rief, um die damals
3 n. E. R., sehr mächtigen Dardanierzu demüthigen, oder auch
v. Chr.G. 18,zu vernichten, die Bafarner zu Hülfe, welche nach
vier Jahren feine Absicht zum Theil erfülleten, allein
bald durch einen Entsatzvon der belagerten dardanischen
Hauptstadt abgetrieben und größtentheils niederge
hauen wurden. Dreyzehn Jahr später halfen die Dar

aufgewandten Kosten zu erhalten. Allein der Consul


# 695. gestand ihnen nichts, außer dem Handel mit Salze
* zu. Nachher siegten sie über den Triumvir M. Anto
„es „nius q), wurden aber nach dreißig Jahrenvon den
v.Chr. G. 9. Bafarnen, undgleichdarauf vonden Römern über
wäls

n) Livius XXVI c.25. XXVII. 32. XXXI. 28.


o) Livius XXXVIII. 16.
p) Appianus de bel. Illyricisp. 771.
q) Dio Caffius P. 156. -
Hungarische Geschichte. 79

wältiget, dieihren Staat aufhoben. Seitdem erhielt


fich der dardanische Name zwar noch ein paar hundert
Jahr hindurch; allein man gab ihn auch andern, als
den ursprünglichen Dardaniern r). Diese wurden nun
Ackerleute, wohnten in Höhlen, die sie mit Dünger
und Mistbedeckten, und kannten keine sinnlicheKunst,
außer die aufFlöten zu blasen, und ein eigenthümliches
besaitetes Instrument zu spielen s).
Die Nöfer oder Mütter waren vor denZeiten Mölfier.
des Homers, und also über tausend Jahr vor des
HeilandesGeburt, wie es scheint, die einigen Bewoh
ner der westlichen bulgarischen Hälfte; allein nachher
wurde diese Nation kleiner, oder auch in mehrere Völ
kerschaften zerheilt, die den alten Namen gegen einen
neuern vertauschten. Daher findet man kurzvor der
römischen Bezwingung, nur an der Cibriza nach Ser
vien zu, Möser oder Myfier. Antonius hatte Bun
desgenoffen in Mösten; allein die eigentlichen Mötier
zogen die Bafarnen an sich, und trieben ihn in die
Flucht. Nachher litten sie durch ihre Hülfsvölker, # „G. R.695.
hr. G. 59
welche sichzu ihren Oberherren machten. Aus dieser
Unterwürfigkeit brachte sie unddie Artacier der Consulmes „.
M. Licinius Craffius in die römische Gewalt, heils v. Chr. G. 29.
durch die Waffen, theils aber durch die Drohungihre
Gefangene zu tödten t). Dennoch wagte Augustus
nicht,
r) Dio Caffius fagt: in Myfien sind die Tribalier und
die, die wir nun (etwa im J.v.Chr. G.229) Dar
daner nennen. Edit. Reimar.p.660. Strabo rechnet
zu den Dardaniern (S.218) die Galabrier und Thu
Nater.
v) Strabop.218. Man hat Dardanien auf einigen kais
ferlichen Münzen alseine besondere Provinz, unter dem
Bilde einer Frauen mit einem Füllhorne und einer
Traube oder Alehre abgebildet.
t) Dio L. 51. Craffus holte eine Menge Gethen, die vor
den Bafarnen über die Donau geflohen
Qs
80 XXXIII. Buch. Aelteste
nicht, ihnen Steuern aufzulegen u); vielleicht weil die
Scordiker noch nicht bezwungen undentwaffnetwaren.
Diesesgeschahe endlich auch im J. n. Erb. R. 742;
und im siebenzehnten Jahre hernach war bereits ein
Präfectus inMösien vorhanden v). Innerhalb diesen
Jahren also wurden die Möier, die Geten, die Ba
farnen, die Tribalier, die Autariaten, die Darda
„„nier, und soviele andere Völker in eine einige Nation
eine römische zufammengeschmelzt, welcherman den mösischen Na
Provinz.
men gab, ohngeachtet die Einwohner im Lande ihre
alten Benennungenzu erhalten suchten. Die eigentli
chen Möser waren bei ihrer Unterjochung außerordent
lich wild und grausam, und thaten vor dem Anfange
einer Schlacht mitdem Craffus dasfeierliche Gelübde,
welches sie durch die Opferungeines Pferdes unwider
ruflich machten, daß sie das.Eingeweide der getödte
ten Heerführer ihren Göttern weihen und dann ver
zehren wollten x). Sie fochten mitgroßem Muthe,
und stets mit denen Gewehren, die nur in der Nähe
zu gebrauchenwaren. Im Frieden lebten sie mäßig,
mehrentheils nur von Milch, Käse undHonig. Dem
Opfer und der Verehrungder Götterwaren sie so sehr
ergeben, daßihnen ihreNachbarn gewisse Beynamen,
die sich hieraufbezogen, beylegten, und daßfie, aus
Furcht Gott dadurch misfällig zu werden, weder
Fleisch, noch etwas was gelebet hatte, genoffeny).
Nach der römischen Bezwingung wandten sie sehr
großen
Thracien zurück, und nannte sie myfier. Strabo
p.210. Vielleicht wardiesedie Veranlassung Thracien
zu verkleinern, und den neuen Provinzialnamen Mösien
aufzubringen.
u) Appianus p.716.
v) Diop. 656. -

x) L.An. Flori Epit. rer. Rom. IV. 1s.


y) Strabo p. 2O5.
Hungarische Geschichte. ZI
großen Fleiß aufden Garten- und Ackerbauz). Die
Römer rühmten ihre Feigen, Gurken, Kürbisse und
Melonena), und verschafften ihnen unter dem K. Pro
bus Weinberge, die fiel am Monte aureo nicht weit
vonSenderova anlegten b).
Zu der mösischen Provinzward alles Land innerhalb
dem Hämus, Ister, Sau, Pannonien, Dalmatien,
Thracien und Macedonien geschlagen c), und man
theilte es in das obere und niedere, oder erste und
zwepte Ulösten, welches durch die Cibrizza vonein
ander getrennet ward d). Im obern Mölien erbauete
man Singidunum oder Zenderin beygriechisch Weis
fenburg aufderpannonischenGränze e), UTaiffus jetzt
Niffa, Ulpiana in DardanienjetztPrifrendi, Vini
niacun vielleicht Widin, wo derPräfectus der römi
fchen Donauflotte seinen Sitz hatte, und viele andere
kleinereKolonien und Schanzen, vornehmlich am Ufer
der Donau. Eben dieses geschahe auch im niedern
Mösien, in welchem außer den alten griechischen See
fädten vorzüglich vier berühmte Oerter waren, Ullar
cianopolisjetzt Prithlaba, eine Stadt, die von der
Schwester des Trajanus ihren Namen erhielt, Ser.
dica am Ursprunge desIfkers, Durostulum nach
her Silistria, und UNikopolis, eine Stadt, die
Trajanus am Einfluffe der Jantra in die Donau zum
Andenken seinerBesiegung der Dacier anlegte f).
- Mösien
z) Servius ad Virgil. Georg I. -- -

a) Plini, Hit. Nat. L.XV. Sect. 19. L. XIX. Se&.23.


b) Eutropius IX. 11.
c) Dio Caf. p 660. - -

d) Cellarii Notit. O. antiqui T. I. 571.


e) Ammianus Marcellinus XXXI. 16. Die Stadt Mar
cianopel hatte eine Münze, in der viele gordiantische
Denkmünzen gepräget find. BegerThef. Brandenb.
feleCAus p. 725. Aus Vlmuniacum hat man gleichfalls
Münzen. -

f) Severini Pannonia p. 1c. 12.


AllgemWeltgXVB.I.Abh. F
82 XXXILBuch. Aelteste
Pannonien,
eine römische
Möliengränzte an Pannonien,welcheszugleicher
Provinz. Zeit mitihm zu einerrömischen Provinzgemachtwurde.
Dieses Pannonien berührtedieKulp, Sauund Donau,
und hatteimersten Jahrhunderte diejetzige österreichische
Gränzlinie,außerinKärnthen, wo Aemona(Niederlay
bach)undNauportusnochzu Pannoniengehörte.Esbe
griffdemnachSclavonien, und nur einen kleinen Theil
vom jetzigen Hungarn und Kroatien, wardaber nach
her bis an den Kahlenberg (Mons Cetius) oder bis
über Wien, Petau, Mahrburg, Seitz undZilly aus
gedehnet. Der Arabo oder Raab theilte es in Ober
und UNiederpannonien. Das letztere hießauch die
mittäglicheProvinz,und lagam Kup. Die Rö
mer fanden das Land rauh, und fastganz mit Gebir
gen und undurchdringlichenWäldern,die zuden großen
herkünischen Forsten oder dem Harzwalde gehörten,an
gefüllet. Die Luft warkaltund feucht. Letzteres,weil
außer vielen kleinen Moräften vier großeSeen vorhan
den waren, nämlich derlugeiche oder cirknitzer See,
der Peio oder Peloidesjetzt der neusiedler See, der
volcäische oder Balaton, und der nun abgelaffene
heulkische See unterhalb Effek in Sclavonien g).
Man bauete im Lande Wein, der aber sehr schlecht
ausfiel, Gerste und Hirse, und behalfsich mit einigen
aus den Kornarten verfertigten Getränken, von wel
chen der Gerstentrank, Sabiaria genannt ward h).
Es wuchs ferner darin ein wohlschmeckendes Kraut
Saliunca,vondemmanjetzt nur weiß,daß es eine hoch
rohe Blumehatte, und daß es dem Gelde gleich ge
schätzet, auch in den römischen Hebungsplätzen an Be
zahlungs
g) Cellari Notit. O. antiqui T.I.p. 546. Ptolemäus
Tab. Europ.V. Hr. Severinus 1. c.p. 17.
h) Dio Caffius p. 595. Com. Reimari $. 163. Der
Kaiser Valens, der ein Pannonierwar, bekam vondem
- - Gerstengetränke den Spottnamen Sabiarius.
"Hungarische Geschichte. 83
zahlungsstattangenommen wurde i). Man hatte sehr
gute Grasweiden und Eichwälder, die den Römern
eine beträchtliche Steuer eintrugen k). Man fieng
Cattas oder Marder, deren Felle von den üppigen
Römern begierig gesucht wurden 1). Auch kam durch
Pannonien deutscher oder vielmehr preußischer Bern
fein oder Glescus von der Ostsee nachdem adriatischen
Meere m). Der Handel mit diesem Producte veran
laffte vielleicht die Erbauung der alten Stadt Sege
fica (Siscia oder Siffek) auf einer Insel am Ein
fluffe der Kulp und Sau, die, als August Pannonien
eroberte, die einzige feste Stadt aller pannonischen
Völker war, und den Segestanern gehörte. Diese
Segestaner verstanden sich auf die Schiffahrt, und
hatten Flußnachen. Alle übrigen Einwohner, und
vornehmlich die eigentlichen Pannonier, wohnten in
einzelnen Häusern innerhalb ihren Aeckern, noch lieber
aber in abgesonderten Hütten und Waldhöhlen, weil
fie vorzüglich Jagd und Viehzucht liebten, und den
Zwang der Städte und Obrigkeiten nicht ertragen
konnten. Sie duldetenfast keine Verbindungen,außer
denen, die ausVerwandtschaft entstanden. Dennoch
gehorchten sie im Kriege einigen erwählten Heerfüh
rern n). Ihr Muth, ihre unbezwingliche Tapferkeit,
ein sehr warmes Gefühl der kriegerischen Ehre, natür
licherHang zum Jachzorne o), und ein großes Ver
gnügen an Schlägereien, brachte, sehr leicht ein Heer
von hunderttausend Kriegesmännern zusammen, die
F2 den
i) Plini H.Nat. L, XXI. Se&. 20.
k) Plinius III. Sec. 28. cum. Com. Harduini p.206.
Hyginus bemerkt (GoetiScr.rei agrariaep. 198),daß
die Römer aufjeden Acker eine Steuer geleget Pabeu
1) Martialis L. XIII. Ep. 69.
un) Plinius L.XXXVII.3.
u) Appianus p. 775- -

o) Dio Caffius P. 595.


84 XXXIII. Buch. Aelteste
den Römern fürchterlichwaren, weil sie große, starke
und gelenksame Glieder hatten, und ihr Schwerdt
oderMeffer nachmorlachischerArt umherzuschleudernp)
und mit großer Genauigkeit dem Feinde in das Herz
zu werfen wußten. -

Pannonische Herodotos fand in dem Lande, in welchem der


alteVölker - Karpis (Drau) und Alpis (Theys) in die Donau
floß, eingroßes, aber sonst unbekanntes Volk, wel
ches er Umbrikier nennet q). Zwischen dieses müf
fen sich die Pannonier, die celtischen Nationen, und
einige andere Völkerschaften eingedränget haben, die
man später im Umbrikierlande antrifft. Diese Völ
kerschaften führten die Namen der Breucer, Andize
ter, Diafinorer, Piruster, Mazäer, Däitiater,
Ofier, Segestaner, Bojer, Tektofagerr), Se
reter, Serapolier, Jaffer (oder Jafier bey Sar
var), Sandrizeter (am Drau), Rolapiner (an
der Kulp), Arivater, Azalier (um Oedenburg),
Amantiner (bey Raab), Belgiter, Katarer,
Korneater, Aravisker (bey Ofen), Herkuniather
(bey Sigeth), Latoviker (bey Petau), Oferiater
(bey Kanicha), Varcianer (in Bosnien am Ufer
der

p) Statius Achilleid. L.II. infine. Herodianus Hist.sul


temp. L. II. c. 9. giebt den Pannoniern eine betracht
liche Größe, Stärke und Tapferkeit, spricht ihnen aber
Schlauigkeit, Lift und hurtigen Verstand ab. Die
Römer hoben diesen Vorwurfund lehrten die Pannonier
ihre Kriegeszucht, ihre Sprache, ihre Wiffenschaften,
ihre Künste (Vellejus Paterculus II. 110) und ihre feine
Lebensart.
q) Hr. Severini Commentatio hift.de vet. incolis Hunga
riae cisdanubianae p. 13. -
r) Strabo im 1 Buch. Die folgenden giebt Plinius an,
und diejenigen, bey welchen der Name einer Stadt ge
fetzet ist, hat auch Ptolemäus. Beyletztermalleinfin
det man die Kytner, Andiater, Stordisker und Kole
LINME.
Hungarische Geschichte. 85 -
der Sau), Rytner (zwischen dem ödenburger See
und Raab), Koletianer (bey Rakelsburg), Andia
ter (bey Verovitza in Sclavonien) und Scordifker
(am Zusammenfluffe der Sau und Donau). Die
Scordiffer, Bojer, Latoviker und Tektofager,
stammeten von den Celten oder Galliern ab, welche an ''
der Donau und dem Harzwalde hinab in Pannonien“
oder, wie dieses Land damals hieß, Illyrien gezogen
waren s), und in selbigem fich dreihundert Jahre
lang
fie beyaufgehalten
der fernernhatten. Mandes
Wanderung weiß ' ''
aber nicht, ob v.Chr.
Hauptstammeszu- 79.

rückgeblieben, oder nach der macedonischen Niederlage


in die pannonischen Wälderzurückgekehret sind. Die
Däitiaten werden vom Dio Caffius bald zu den
Pannoniern, bald aber zu den Dalmatern gerechnet.
Die ' fcheinen Nachkommen der obenbe
schriebenen mächtigen Nation der Ardiäer zu sein. Die
Jaffer hält ein neuerer Gelehrter t)für die Osier,die
vermöge der deutschen Statistik des C. Tacitus pan
nonischredeten, den Sarmaten und Quaden zinsbar
waren, und,wie es scheint, damals in den diesseitigen
hungarischen Berggegenden, unter dem Hadrianus
aber an der Weichsel wohnten. Die Pyruster saßen
auf den Gebirgen bey den Defidiaten u), und waren
eine Zeitlang, bis daß sie nämlich von den Römern W'
befreyet wurdenv), unter der Hoheit der macedonischen“
Daffareten; woraus zu folgen scheint, daß sie auf
bosnischen und servischen Gebirgen umher geschweift
- F3 sind.
s) Gutbriefche Allg. Weltbif. III. 983. #"
XXIV.4. Die Segefaner sind vielleicht auch Celten
gewesen, und mögen zu den Segetern im niedern Mö
fien, oder auch zu Herodots Siginern gehöret haben.
t) Hr.Severinus in Com.hift.p. 57. Cap, 4.
u) Vellejus II. 115.
v) Livius XLV. 26.
36 XXXIII. Buch. Aelteste
find. Die Andiaten warenvielleicht die Urheber der
frenen Stadt Andautorium bey Sztencevecz eine
Stunde von Zagrab, die zu AugustiZeit mit Rom
verbündet warx). Die Araviscer hatten einerley
Sprache, Sitten, Verfaffungund Freiheitsliebe(wie
Tacitus versichert) mit den Deutschen und Ofiern,
und scheinen aus einer Vermischung der nächsten Deut
fchen mitden Ostern entstandenzu sein. DieBrcuci,
Brygi, oder Brenner saßen an derSau in der Gegend
derflavonischen Stadt Effeky), wurden fürThracier
gehalten, und begaben sich nicht ohne heftigen Wider
fand unter das römische Joch. Die Bojer kamen
vom Po an den Ister, und setzten sich neben den Tau
rifkern, dievielleichtdie Stadt Taurunium(jeztSemlin
am Einfluffe der Sau indie Donau) angeleget hatten.
Sie wurden zu Cäsars Zeit von den Daciern, ver
muthlich unter der Anführung des Börebifa, aus ihren
schönen Schafweiden vertrieben, undzogen mitihrem
Könige Kritafiros, mit ihren Nachbarn den Latobri
gern oder Latovikern, und mit den Helvetiern nach
I"-Gallien. Cäsar überwältigte sie, erlaubte ihnen aber,
sichin Gallienanzubauen. Sie warendamals 32.000
Köpfe stark, und gebrauchten zu der Aufzeichnung
ihrer Mutterrollengriechische Buchstaben, die sie viel
leicht von den Pannoniern, vielleicht aber auch auf
ihrem Zuge nachGriechenland von den Griechen selbst
erlernet hatten z). Sie waren übrigens in allen
Wiffenschaften und Künsten unerfahren, begnügten
sich mitHütten oder kleinen Häusern, in
-

UVE

z) Hr. Abt Kerflich, die Corbavia Notit,praelin.de re


gnis Dalmat.Croat. et Sclavon.p. 5. -

v) Strabo L. VII. p. 217. Hr. Severini Pannonia


p. 81.
s) Caesar de bello Gal. L, I, c.29. Hr. Severini Pan
monia p. 71
Hungarische Geschichte. 87
Grube für das Feuer, undHeu oder Graszum Schla
fen, alle Bequemlichkeiten, die sie kannten, darbot.
Sie wünschten reich an Vieh, römischen Bigatis,
goldenen Halsketten und anderm goldenen Geräthe zu
feyn, vergruben aber ihren Schatz ungebraucht in die
Erde. Sie setzten einen großen Werth aufwahre
Freundschaft, auf Muth und aufTapferkeit. Sie
trugen imFrieden kurze gestreifte Röcke. Allein im
Treffen waren sie nakt, gebrauchten nur selten einen
Schild, und suchten ihren Feind nach deutscher Weise
durch heftiges Gebrülle zu schrecken. Ihr Zug nach
Gallien veranlasfete die sogenannte bolische Einöde,
die vom Raab ab bis an den bregenzer See durch
Noricum und Vindelicien lief. Dennochblieb noch
ein kleiner Stamm bis in das dritte christliche Jahr
hundert an der feyermarkisch - hungarischen Gränze,
und erhielt in diesen Gegenden den berühmten boischen
Namen.
Wie es scheint, gab es zu Augustus Zeit keine
eigentlichePannonier, sondernmannannte Panonisch,
oder nach der griechischen Aussprache Paionisch, alles
was nicht celtischoder deutschredete. Die pannonische
Sprache gehörte weder zu den celtischen und deutschen,
noch auchzu den römischen und lateinischen Sprachen.
Einige gelehrte Hungarn vermuthen, daß sie ein fla
vischer oder wendischer Dialektgewesen sei. Allein da
manzur Prüfungdieser Meinung, weil die Sprache
völlig untergegangen ist, nichts als Worterklärungen
einiger pannonischen Namen gebrauchenkann a), so ist
'- F4 diese
a) Otrokocius hat in einem besondern Werke (lufus ery
mologici de vocibus Seythicis ex Hung. enucleatis) fich.
für die Meynung, daß das Wendische die Tochter des
Pannonischen fey, erklärt; allein feine Etymologie ist
nicht glücklich. Zum Beyspiele mag das Wort Pano
nia dienen, welches vom wendischen Pani Oni, s
38 XXXIII. Buch. Aelteste
diese Muthmaßung für die Geschichte zu unsicher.
Appianus (S.775) hält die ältesten Pannonierfür
illyrische Kolonisten; und die Aehnlichkeitdes Namens,
vielleicht auch Ueberlieferungen, veranlassen die grie
chischenSchriftsteller, die Pannoniervon den Päoniern
am Rhodope in Macedonien abzuleiten. Diese saßen
neben den Dardaniern und Möstern, und waren die
Blutsfreunde dieser Nationen; denn sie gaben sich für
trojanische Pflanzbürger aus b). Sie können also
wohl mit diesen ausPäonien gezogen, oder auch durch
die öftern Kriege mit macedonischen Königen aus fel
bigem vertriebenfeyn. Wenigstensistder Name Pan
nonier neu, und vor Augusti Zeiten unbekannt. C.
Julius Cäsar legte an der Gränze, wie es scheint,
zwey Pflanzstädte an c), nämlichJuliobona (Wien)
im Norico, und Scarabantia oder Colonia Julia
J.n. Erb R.(Oedenburg) in Pannonien. Augustus überwältigte
"9" **** einige Alpenbewohner, besonders die Salaffer und
Japoden d), die den Tribut, welchen Cäsar ihnen
aufer
der Dinge,fowie Panonia,diefreye Beherrscherin vieler
Völker überfetzet wird. Wenn Pan einen Herrn in
pannonischer Sprache angedeutet hätte, so würde der
pannonische Präfectus Dio Caffius, der sich fo fehr
mit der Erläuterung dieses Namens beschäftigte (S.
595), es gewiß bemerkt haben. Dieser Dio gestand,
daß ihm keine Ableitung erträglich scheine, außer der
von ihren kurzen Ermelkleidern, an welche sie kleine
Binden von einem besondern Schnitte, die sie Pannos
nannten, näherten. Strabo erklärt(B.VII.p.216)
die pannonische Sprache für einen Nebendialekt der
möfischen, dacifchen, thracischen und istrischen
Sprachen.
b) Herodotos in Hr. Severini Pannonia p. 49. Die
Päonier waren fchon vor Trojas Zerstörung am Axius
und Strymon in Macedonien.
e) Hr. Severini Pannonia p. 90.
d) Dio Caffius L. 49. p. 503. 596fequ. Appianus ap.
Dn. de Schwandtner III.p.776fequ.
Hungarische Geschichte. 89
auferlegt hatte, nicht abtragen wollten, und rückte dar.
aufin Pannonien. Die Landleute flohen in der ersten
Bestürzung in die Wälder. Augustus verhielt sich
einige Tage ruhig, um ihnen Zeitzur freiwilligen Ent
fagung ihrer Freiheitzu geben. Allein da fielbinnen
dieser Frist aus den Wäldern nicht hervorkamen, so
ließ er ihre Häuser plündern und abbrennen. Darauf
rückte er vor Segestia oder Siscia (Siffek), welche
Stadt er ihrer starken Mauren und vorheilhaften Lage
wegen zum Magazin für künftige dacische Kriege aus
ersehen hatte, und da er diese Stadt nach einermonat
lichen Belagerung durch Vertrag erlangete ), ließ er
einen Theil besonders abmauern, und mit 25 Cohorten
unter der Anführung des Fuffius Geminus besetzen.
Daraufunterwarfen sich ihm alle Pannonier; aber nur "
zum Scheine. Denn sobalder nur sichentfernet hatte,
ergriffen sie nebst den Salafiern und Dalmaten die
Waffenzu ihrer Befreyung. Augustus kam sogleich
nach Illyrien zurück, und kämpfte mit den Dalmatern;
denn die Pannonier und Salafferwurden, noch ehe er
ihre Empörung erfahren konnte, vom Fuffius und
Meffalla gedemüthiger. Nachher empörten sich die 3. n. Erb. R.
Pannonier verschiedene malf). " Allein TiberiusNero 738, 74, 74
besiegte sie stets, entwaffnete sie endlich, und verkaufte
die jüngern in weit entlegene Provinzen als Knechte.
Diese Strenge schreckte diePannonier nicht sehr lange;
denn der Schmerzüber die Gewaltthätigkeiten und Ex
preffungen der römischen Präsidenten überwog die
F 5 Furcht
e) L. Cotta und Metellus follen bereits Segefa erobert,
allein nur kurze Zeit behaltenhaben(Appianusp.774);
vielleicht im J. n. Erb. R.610.
f) Dio Caffius749,754, 762. Vomletzten Siegedes
Tiberius ist noch ein Triumphbogen bey S.Petronel,
ohnweit MPien vorhanden. S.Hr.Rath KollariiAnnal.
Monum. Omnis aeviVindobon. T. I. col. IO18.
90 xxxIII. Buch. Aelteste
Furcht für der kaiserlichen Ahndung g). Ein gewifer
Dysidiater Namens Bato warf sichzum Anführer
auf, und besiegte einige römische Besatzungen. Darauf
empörten sich auch die Breuker undwähltengleichfalls
I. n. Erb, R.einen Bato zu ihrem Heerführer. Die beidenBa
7'“tonen rückten aufSirmium. Allein der mösischePrä
- fectus Cäcinna Severustrieb sie zurück. Der dyfidia
tische, oder wie er nachher genannt ward, der dalma
tische Bato, drang an der Küste herab bis in das
macedonische Illyrien, ward vor Salona schwer ver
wundet, fandte aber fein Heer bis Apollonia, und wü
tete mitFeuer und Schwerdt. Augustusfandte den
Tiberiusundgleich nachher auchden Germanicus nach
Dalmatien, weil ihn zwei unglückliche Kriege, die er
in Deutschland führte, fehr besorgt machten. Der
Dysidiater ward geschlagen, begab sichmitdem Breu
ker oder pannonischen Bato in dasGebirge Almus in
Kroatien, underwartete farmatische und dacischeHülfs
völker, welche den römischen Präfectus Severus und
thracischen König Rhymetalces zwar zurückbrachten,
I.n. E. R.76o aber nicht besiegten. Germanicus lieferte denBatonen
v. Chr.G. 5. end
g) Dio Caffius p.8C2. Well. Paterculus L II. c. 111.
1 13. Hr. Severinus außert in feiner Pannonia p.99.
b. die Meynung, Bato fey in illyrischer, fo wie (ver
möge des Herodots) in lybischer Sprache, der Titel
eines Anführers oder Herzogs. Allein da der Name
Bato bey den Illyriern und Dardaniern öfterer gefun
den wird,da sogar gemeine Fechter (DioCaffiusp.1292)
denselben führten, da ferner ein dardanischer Prinz
Bato, der Sohn einesLongari genannt wird, und also
Bato und Longarus gleichgültige Vornamen gewesen
feyn müffen, da endlich Dio felbst ein Dalmater und
Pannonier war, und das Wort Bato nicht als einen
- Amtsnamen gebraucht, so bedarf jene Muthmaßung
noch mehrere Gründe. Beyspiele von mehreren Bato
nen hat der Graf Bünau in feiner genauen und nm
fändl. Deutschen Kaiser- und Reichshistorie 1 Th.
S. 678,750,875 gefammlet.
Hungarische Geschichte. 91
endlich eine entscheidende Schlacht an dem volcäischen
See oder am Balaton. Diese war so blutig, daß die
Macäer, ein dalmatischesVolk,die Waffen niederleg
ten, und der breukische Bato sich in Unterhandlungen
einließ. Germanicus bestach diesen Bato, und ver
mochte ihn einen dritten Anführer Pinnes ihm gebun
den auszuliefern,und mit den Breukern ihm am Fluffe
Bathinus zu huldigen. Die Belohnung für diese
Untreue war das Reich der Breuker, welches Au
gustus dem Bato übertrug. DieBreuker verachteten
den ihnen aufgedrungenen König, und wollten ihn
vertreiben. Um dieseszu hindern, fuchte er alle feste
Plätze und die Vornehmsten der Nation als Geißel in
feine Gewalt zu bekommen. Allein die Mißvergnüg
ten kamen ihm zuvor, und riefen den dyfidiatischen
Bato zu Hülfe, welcher ihn besiegte und in die Flucht
trieb, daraufin einer Festungfieng, und endlich durch
das Volk nach einem feierlichen Gerichtsspruche als
einen Verräther des Vaterlandes hinrichtenließ. Der
römische Präfectus Silvanus eilte dem breukischenKö J. n. Erb. R.
761,v.Chr.G.4.
nige zuHülfe, und rächte, da erzu spät kam, feinen
Tod an den Pannoniern, vornehmlich aber an den
Amantinern. Der dyfidiatische Bato entrann indas
Gebirge und ferner nachDalmatien, in welchem Lande
er noch lange den Römern widerstand, endlich aber
gezwungen ward, sich nebst feinem Sohn Sceva zu
ergeben. Tiberius nahm ihn gütig auf,beschenkte
ihn und wies ihm Ravenna zum Wohnplatz an; allein
feine Nation blieb in den Waffen h), und wurde erst
nach einiger Zeit gedemüthiger.
Nunmehr war Pannonien innerlich beruhiger, und
die darin wohnenden Römer, welche, außergegen Nor
den und Osten, mit lauter römischen Provinzen umge
ben waren, konnten sichfür völligsicherhalten. Daher
WELs

h) SvetoniusTib. cap. 20. -


-

92 XXXIII. Buch. Aelteste


verbefferte man den Acker, und legte eine Menge von
Städten und Schanzen an. Innerhalb den nächsten
zweyhundert Jahren erhielt das obere Pannonien 26,
und das niedere 25 Städte i). Unter diesen waren
die größesten Juliobona oder Vindobona (Wien),
Karnuntum an der norischen Gränze bey Petronell,
Flexum bey hungarisch Altenburg, Arrabona jetzt
Raab, Sicambria, derSitz der fikambrischen Legion
jezt Ofen, Taunrunum und Singidon (Semlinoder
Belgrad), Sabaria oder Colonia Imp.Claudijetzt
Stein am Anger k), Sifia jezt Szißeck, Scara
bantia oder ColoniaJuliajetzt Oedenburg, Pätowro
(Petau)und Noviodunum (Marburg) in Nieder
feyermark, Aemona jetzt Niederlaybach, Soroga
jeztZagrab, Prätorium jetzt Warasdin,Serbinum
bey Fünfkirchen, Mursia bey Effek, Sirmium
bey Morovicz 1), und Teutoburgium etwas nordli
cher an der Donau.
Volk der Jazys Zwischen Dacien und Pannonien lebte ein fremdes
gelt.
nordliches Volk, welches von den Römern nicht be
zwungen werden konnte, ohngeachtet es von den römis
fchen Besatzungen an drei Seiten eingeschloffen ward.
Dieses Volk hießgewöhnlich das Volk der Jazygen,
ward

i) De Jordan de Orig.Slavicis T. II. P. 3. p. 96fequ.


Severini Pannonia p. 26. Aufrömischen Münzen wird
PannoniendurchzweyFrauenvorgestellt,die das römische
Heerzeichen der Cohorten, oft auch ein Labarum und ein
Füllhorn tragen.Aufihren Häuptern findMauerkronen
oder Schleier. Hantibaleri Exercit. faciles de Numnis
Veterum P. V.p. 33.
k) De Hordan 1. e. p. 111.
1) Die Geschichte dieser Stadt, die fehr oft der Sitz der
Kaifer war, ist vom C.S. Schurzfleisch 1690 beschrie
ben. Schurzfleisch opera hist.polit.Berol. 1699. p.368.
Pray hat gezeigt, daß Sirmium am Ausfluffe des
Bacuntii oder Boffut bey dem Dorfe Morovicz gelegen
hat. Disl. hist. crit. in annales vet. Hunnorum p. 84.
Hungarische Geschichte. 93
ward aber von den Griechen das Volk der metanafi
fchen oder herumschweifenden Jazygen genannt, um
es von andern Jazygen zu unterscheiden, die neben
den Roxalanen in der nogayischen Tartarey nordlich
am azofischen Meere wohnten. Strabo, bey dem
man (S. 20%) fast die erste Nachricht von den Ja
zygen findet, getrauete fich nicht anzugeben, ob fie
nebst den Ropalanen gleich nordlich an die Dacier
gränzten, oder etwas tiefer in Sarmatien wohnten.
Sie müffen also nicht lange vor seiner Zeit, vermuth
lich von Osten her, in die Gegend der Donau gekom
menfeyn. Diese Vermuthung wird durchihre Ver
bindung mit den Roxalanen bestätigt. Denn diese
Nation saß auch am azofischen Meere m), undzeigte
fich mit den Jazygen zu gleicher Zeit an der Donau.
Von den Roxalanen erzählet Strabo, daß fie Roxalanen.
in geflochtenenHütten, die aufKarren befestigetgewe
fen, gewohnt, und zu ihrer Vertheidigung Mützen
von nicht bereitetem Ochsenfelle, geflochtene Schilder,
Spieße, Schwerdter und Bogen geführer hätten.
Diese Waffen lernten die römischen Möllerzu der Zeit
des Kaisers Orthokennen, als neuntausendRoxalanen
über die Donau freifen und Mötien verheerten n).
Denn diese Leutehieben mitgroßen Schlachtschwerdtern
die sie mitbeiden Händen faffeten, von ihren Pferden
herab;*stachen ferner mit langen Stangen um sich,
und griffen gliederweise ihre Feinde an. Sie hatten
zwarkeineSchilder; allein ihr Panzer von sehr dickem
Leder, der bei den Edlern und Anführern über dem
noch mit eisernen Schuppen bedeckt war, hielt die
römischen Gewehre ab, undmachte sie fast unverletzlich.
Dennochfiegte der Römer, so oft es ihm gelang, den
- Roro
m) Zwischen dem Don und Dneeper. Strabo L.VII.p.
21 1. Ptolem. Europ.Tab.VIII.
n) Taciti Annal. L. 79.
94 XXXIII. Buch. Aelteste
Roxolaner vomPferdezubringen: denn zu Fußekonnte
dieser weder fich vertheidigen noch angreifen, weil er
im Laufen und Gehen nicht geübt war. Der vorge
dachte rorolanische Haufe wurde zwar niedergemacht
oder in die Donau getrieben; allein das Volk ward
dadurch nicht gedemüthiget. Es setzte vielmehr seine
J. n. Chr. G. Einfälle in Mösien und Dacien unter dem Hadrianus
II9. und Antoninus fort, und erpreffete von dem erstern
Kaiser ein Jahrgeld oder Sold 0). Nachher gerieth
es unterdie Hoheit der Ostgothen, und endlich wandte
es sich nach der Ostsee, wo es im siebenten Jahrhun
derte in Kurland undPreußen, wie es scheint,ansäßig
MO(",

Alanen. Man glaubt, daß es bey seiner Entstehung ein


untergeordneter Stamm der weit mächtigern Alanen
gewesen fey, die nördlich und östlich an daffelbe in fei
ner ersten Heimat gränzten. Die europäischen Alanen
wohnten im ersten und vierten Jahrhunderte in dem
Lande, in welchem der Boristhenes oder Dneeper ent
springet, oder im rußisch-fmolenfkoischen Gouverne
mentp), und mögen Abkömmlinge der ältern Aorfier
und Siraken oder Saracenen feyn. Von ihnen gien
gen Horden oder Stämme bis an den Caucasus, und
endlichbis in Persien. Im Jahr Christi 72 wüteten
fie bereits in Armenien, und schloffen Bündniffe mit
dem Könige Abgaros von Edeffa q). Nach dreyhum
der:
o) Maskov Geschich. der Deutschen V. B. S. 144.
p) Dionysius v. Charax und Marcianus Herakleotas
in Hr. Prof. Thunmann Untersuchungen über die
Geschichte der östlichen europäischen Völker 1 Th.
S. 12. und Mascov Gesch. der Deutsch. Anmerk.
S. 195.
q) Hr. Grafv.Khevenhüller Reg.vet.Numismata anee
dota autperrara p. 120. 125. worin zwey alanfche
königliche Münzen abgebildet und beschrieben sind,deren
eine mit desAbgarus und einesalanischen Königs Bild
nufe zugleich bezeichnet ist.
Hungarische Geschichte. 95
dert Jahren fanden sie zugleich mit den Persern und
Römern im Bunde, und wohnten unter den Hunnen
in Dacien an der Donau und dem Pruth, zugleich
aber auch vom Caucasus bis oberhalb dem caspischen
Meere und bis am Ganges r). EinandererStamm
kam endlichbis in Spanien, in welchem Lande er ein
gesittetes alanisches Reich errichtete. Dieses kann
manvon den übrigen Alanen nicht sagen. Denn diese
blieben, ohngeachtet sie viele europäische und asiatische
reicheVölker überwältigethatten, inihrer alten rauhen
Verfaffung. Sie wohnten in runden Hütten, welche
mit Baumrinde gegen Wind, Kälte und Regen be-I. n. Chr. G.
deckt waren und aufKarren standen, und schloffen *
hordenweise mit diesenKarren die Wiesen ein,bis daß
das Gras verzehret war. Sie genoffenMilch,Kräu
ter und Pferdefleisch, und verabscheuerten den Ackerbau,
wieauch überhauptden stetenAufenthaltan einem Orte.
Sie hatten nicht einmal einen Tempel, Opferplatz oder
Götzen, sondern beschränkten ihren Gottesdienst blos
auf die Verehrung einesSchwerdtes,welchesfie,wenn
es angebetet werden sollte, in die Erde steckten, und
auf Wahrsagerey aus dem Loose. Sie bemüheten sich
einen recht großen Körper, viele Stärke und eine gute
Geschicklichkeit im Aufsuchen wilder Thiere, wie auch
im Fechtenzu erhalten. Sieverließennie ihre Pferde,
und hielten es für schimpflich, fich der Füße zu bedie
nen, oder an einer Krankheitzu sterben. Sie forder
ten von jedem Jünglinge,daß er eine gewisse Anzahl
Menschen getödtet und eine Gegend ausgeplündert
haben sollte, ehe er sich in männlichen Gesellschaften
einfände, zogen die Häute von den Köpfen ermordeter
Männer, und hiengen solche als Ehrenzeichen an den
Pferdezeug. Sie duldeten keine Ungleichheit des
Stan
r) Ammianus Marcel.XXXI. 2. Mafiovangef. O.VII.
Buch S. 280. -
96 XXXIII, Buch. Aelteste
Standes, und hatten keine Knechte. Dennoch wur
den fieldurch verschiedene Niederlagen endlich bewege,
Richter, undzu einem großen Zuge auch wohl Kö
nige,zuwählen. DieseVerfaffung erhielt sich, einige
Dinge, die die christlichen Alanenändern mußten, aus
genommen, in dem Hauptsitze der Alanen oder inder
Kobardey zwischen dem schwarzen undkaspischen Meere
bis in das dreizehnte Jahrhundert, da die Mogolen
die Alanenbis auf einen kleinen Stamm, welcher noch
unter den Awchafiern im Gebirge vorhanden seyn soll,
vertilgeten.
Die Jazygen find, wie es scheint, mit den Rora
lanen durch die Alanen aus ihrem alten Lande am
schwarzen Meere verdrängetworden, und fielen nicht
lange vor dem Anfange der christlichen Zeitrechnung
auf die Dacier, die ihnen die Ebenen und Viehweiden
überlaffen und aufdas Gebirgefliehen mußten. Man
weiß nicht zuverlässig, ob die Jazygen Verwandte
jener Ropolanen, oder der Sarmaten gewesen sind.
Strabo scheint sie vonden letztern absondern zuwollen,
und Ptolemäus thut es wirklich s). Im Gegentheil
hält Tacitus,der zwischen diesen beiden Schriftstellern
lebte, fie für einen Stamm der Sarmaten. Die
Sprache giebt hier keinen Ausschlag; denn man weiß
von selbiger nichts. Der Name kann vom wendischen
Jazyk eine Sprache oder Zunge, nochtreffender aber
von dem jetzigen hungarischen Jaß ein Schütze und
Jij ein Bogen, abgeleitet werden), undesist bekannt,
daß
s) Das Land der Jazygen macht daher bey den Ptole
mäus eine besondere Tafel, nämlich die neunte euro
päfte,aus. Tacitus nenntdie Jazygen(Historiar. L. III.
c. 5.) Sarmaten.
t) Im Lande der alten Jazvgen wohnen jetzt neue Jay
gen, die Jasones, Jayges, Balitari, Balität
und Philiiei genannt werden, weil sie als s: EM
Hungarische Geschichte. 97

daß die heutigen Hungarn aus den Gegenden, in


welchen zuvor Alanen waren, nach Europa gekommen
find, und eine vom Wendischen völlig verschiedene
Sprache reden. Die westlichen oder europäischen Ja
zngen gänzten bey Karnuntum oder ohnweit Wien an
die Pannonier, und bey der Duria (Marosch) an das
schwäbische Reich. Nordlich stießen sie an die karpa
thischen undfarmatischen oder arvaischenundpatralischen
Gebirge, wo Sarmater, Bastarner und Piengiten
stets untereinander herumschwärmten, südlich aber an
die Theyß oder Dacien, und an die Donau oder
Pannonien. Ihr Land war also nachjetzigemSprach
gebrauche das Land der keinern Kumaner, der Jazy
gen oder Philisteer, und der hungarischen Bergstädte.
In selbigem fand Ptolemäus acht Städte, die viel
leicht von Daciern gebauet waren, und deren Lage
man nicht mehrangeben kann, obgleicheinige, nämlich
Pesium, Partfeun, Gormanum und Landa
nun, gemeiniglich für Pest, Parkany, Kafhau und
Agria gehalten werden. Diekleinern jazygischen Kreise
fanden unter verschiedenen kleinen Fürsten, die eine
ziemliche Gewalt hatten. Denn als die römischen Le
gionen an der Donau sich für den K. Bespasianus er
klärten u), und die jazogischen Fürsten alsBrüder auf
nahmen,versprachen diese ihneneinebeträchtliche Anzahl
Reuter

zen und Steinschleuderer dem hungarischen Könige ehe


dem dienen mußten. Diese Leute waren Tataren, und
erhielten den jazygifchen Namen erst nach dem Jahre
1C86, vermöge der Muthmaßung des Hrn. D. Kapri
nai (Hungaria Diplom. tempore Mathiae de Hunyad
P. II. 312.) Dieses Beyspiel ist sehr lehrreich für die,
die gleich genannteNationen für VölkereinesStammes
ohne Widerrede halten. Von den Thaten der Jazygen
handelt Hr. Severinus in der Com. historica de vet.
incolis Hungariae Cisdanubianae C.2. p.20. -

u) Tacitus Hüft L. III. 5.


Allgem.Weltg.XV. B.I.Abth. G
98 XXXIII. Buch. Aelteste
Reuter und Fußgänger. Sie waren auch fast immer
mit den benachbarten Sarmaten und Deutschen im
Bündniffe, bis daß sie endlich durchdie Hunnen des
Attila unterdrückt wurden.
erernich-mar- Die nächsten Deutschen gehorchten einemgewissen
"Könige marobod, der über die Markomannen
garn. und verschiedene andere Völker herrschte, und nach
römischer WeiseStädte, besonders im Lande derBojer
oder in Böhmen angeleget hatte. Dieser Prinz, der
in Rom erzogen war, fand in einem Bündniffe mit
den Römern, und gab diesen, wiewohlgegen feinen
Willen,dadurchGelegenheit, sichin die Begebenheiten
feiner Nationzu mischen. Zu seinem Reiche gehörten
auch die Lygier und die Gothinen, die Ofier und die
Burier, die nicht weit von der Donau in Oesterreich,
Böhmen undSchlesien damalswohnten. DerKaiser
Tiberiusveranlasfete durch Listeine Empörung in seinem
' Reiche, durch welche Catualda, der Heerführer der
““ Gothinen sichzum König desmarkomannischen Reichs
machte. Catualda ward bald darauf durch einen
Vibilius gestürzt, und nahm gleich dem Marobod
feine Zuflucht zu den Römern. Diese fandten beide
Könige nachItalien, und ihreAnhänger indasLand
zwischendem Marus, ChufusundderDonau, oder
in Hungarn zwischen Komorn und der mährischen
Gränze, und gaben den letztern einen gewissen Van
nius, der ein geborner Quade war, zum König v).
Dieser
v) Macov Gesch. der Deutsch. IV. B. S. 101. 112.
Dieses Land scheint den Gothinen, einer celtischen Na
tion zuvor gehöret zu haben, von welchen man aus
dem Tacitus weiß, daß sie Eisenminern gehabt haben,
daß sie sehr begierig nach Gold gewesen sind, und daß
die Sarmaten und Quaden sie sichzinsbargemachthaben.
Diefe Kotinier bekamen nach der quadischen Niederlage
von M. Antonius-Jahrgelder undAecker, vermuthlich
- - 1N1
Hungarische Geschichte. 99
Dieser nahm den Titel eines Königs der Sveven
oderSchwabenan, besiegteviele benachbarte Nationen,
nahm die Jazygen, die bis über den Granstrom, wie
es scheint, durchdie Quaden getrieben waren, in Sold,
und legte viele feste Schanzen an. Er herrschte dreißig
Jahr in Ruhe, litte aber daraufdas Schicksal seiner
beyden Vorgänger. Denn seine zwei Schwesterlöhne
Sido und Vangio vertrieben ihn nach Rom, und
theilten sich in seine Länder. Sido bekam die Mar
komannen, und Vangio die Quaden unter seine
Herrschaft. Dererstebetrug sich, so lange er lebte, als
einen getreuen römischen Lehnmann, undhieß König
der Soeven. Die Freunde des Wannitus bekamen
von den Römern Land in Pannonien, und wurden
gleichfalls Schweden genannt, ohngeachtet sie, wie
es scheint, Hygier waren. Die Quaden, die nunmehr
sich auch dem hungarischen Donaustrome näherten,
schienen einenicht sehr alte deutscheVölkerschaftzu sein,
und waren bisher an der Donau in Oesterreich und
Mähren gewesen. Vannius erweiterte ihre Gränzen,
und brachte sie, wie es scheint,bis an den Gran. Er
erwarb ihnen auch eine Art von Hoheit über die Jazy
gen, verpflichtete selbige,die nöthige Reutereyzu seinen
Kriegen mit dem Vangio und Sido herbeizuschaffen,
und legte vielleicht den Grund zu den sieben quadischen
Städten des Ptolemäus, und zu dem Eisenbergwerke
in Mondwalde, wenn nicht etwa dieses das ältere go
ehinische Werk in dem hungarischen Bergstädtedistrikt
gewesen ist w). Die Markomannen des Sido saßen
G 2 inn
in Pannonien, wurden aber treulos, und daraufver
nichtet. Hr. SeveriniCom hift. L. IV. p. 57. 64.
Daß Marus die Morawa, und Cufus die Wagfey,
vermuthete von Sommersberg im Regno Vannii C.3.
und Hr. Severinus Com. hilft. p. 20:
w) Hr. Severini Com. c.1 p.44. Andere suchen dieses
Eifenwerk nebst den Städten bald in Mähren, bald in
Schlé
100 XXXIII-Buch. Aelteste
im obern Hungarn diesseits der karpathischen Gebirge,
und nordlich unterhalb den Quaden. Sie wählten
ihren König, gleich den Quaden, und sahen bey der
- Wahl auf den Stamm des Marobods, so wie die
/ Quaden aufdas Geschlecht desKudrix). Aber beide
Nationen wagten es nicht eher dem neuen Könige zu
gehorchen, bis daß der Kaiser solchen bestätiget hatte.
Dennoch waren sie den Römern nicht geneigt; - denn
fie ergriffen eine jede bequeme Gelegenheit ihnen
Schaden zuzufügen, und brachten endlich eine allge
meine Verbindung aller nordlichen Völker zu Stande,
die die Zerstörung des römischen Reichs zur Absicht
hatte.
JE's. Die Sarmaten und Roxalanen verheerten Mösien,
"und erschlugen den Präses Fontejus Agrippa y). Bald
n.Erb. R.837.darauf beunruhigteneinigeder vorgedachtenSchwaben,
die in Mösien aufgenommen waren, die Khgier; und
da diese von dem Kaiser Domitianus auf ihre Klage
nur hundert Reuter zu Hülfe bekamen, soglaubten sie
von den Römern beleidiget und daher berechtiget zu
feyn, mit den Jazngen über die Donau in die römi
fchen Provinzen zu streifenz). Die Jazngen nahmen
einige Dacier zu fich, verheerten dasflache Land, und
schlugen verschiedene römische Legionen im Felde und
in Schanzen. Vespasianus hatte die Jazygen für so
mächtig gehalten, daß er ihre Freundschaft suchte, und
ihre Fürsten in einCommilitiumoder in seinen Krieges
dienst aufgenommen hatte. Allein Domitianus ver
achtete sie, griff sie und die Markomannen an, weil
fie
Schlesien. Hr. Severinus leitet den Namen des
Volks vom böhmischen Kovaci(Schmiede), andere
von niedersächsischen Quad (schlimm oder strenge)
ab. -

x) Tacitus de Mor.Germ. c. 42.


y) Taciti Hit. 1. 7. III. 46. IV. 54.
z) Dio Caffius p. 1128.
Hungarische Geschichte. 101
fie ohngeachtet seines Aufgebots nicht gegen den daci
fchen König Decebalus gefochten hatten, und ward
geschlagen. Decebalus nahm daraufden Jazygen
einiges Land, vermuthlich ohnweit dem Ausfluffe der
Theysa), und der Kaiser Trajanus behielt diesesnach
G3 des

a) Der Herr von Jordan glaubte, dieses jazygische Land


fey am Einfluffe der Theys in die Donau bey Acinim
cum gewesen, (.de Originibus SlavicisT. I. P. I p. 15)
und feine Meynung wird dadurch wahrscheinlich, daß
dieser Zusammenfluß durch einen geräumigen Wall,
welcher jetzt die Römerschanze heißet, gedeckt ist. Die
fer Wall schließet eilf Dörfer und ein Kloster ein, ist
78000 Schuh lang, 18 Schuh breit, und 12 Schuh
hoch. Man findet davon eine sehr gute Zeichnung (S.
40.) in dem Werke desHrn. Baron von 3obenbauen
über die Alterthümer Daciens. Vielleicht war dieses
und das vorliegende Land die Provincia Sarmatica, von
der ein Präses Lucius Marius in einer Sarzitzer Ins
fchrift gefunden wird. S. Hr. Seiverr Inferiptiones
Monum. Romanorum in Daeia mediterranea Viennae
1773. p.44. Groß und wichtig mußte diefarmatische
Provinz nicht feyn; denn der L. Marius fetzte ihren
Titel hinter den eines Confolaris Daciae III, Proprae
torisProvinciae Moefiae fuperioris, et Curatoris rerum
publicarum urbis immunis. Tuskulanorum. Der Herr
von Hohenhaufen liefert in der vorgedachten Inschrift
für Sarmaticae, Armeniae. Denn das Wort ist ver
fümmelt, und es sind von felbigem nur diese Buchfa
ben PROV. . . . A R . . . A . . . AE vorhanden.
Die peutingerische Tafel fetzt an der Donau zwischen
der Theys und dem Ausfluffe der Morava die farma
tische Wüste; nordlicherzwischen Temeswar und Widin
die Sarmater, welche auf Wagen leben; ferner vom
Dyl bis zu der Aluta in der Walachey die Lupiones
Sarmatas; und endlich nordlich in der Moldau neben
den Bastarnen die Venados Sarmatas. Es war also
Dacien mit Sarmaten erfüllet, und selbst Sarmiz, die
Residenz des Königs der Dacier, hieß Colonia Dacica
Sarmatica (Hr. Seivert a. O. S. 43.). Die peutin
gerische Tafel ist, wie von Jordan (.de Originibus#
verg
IO 2 XXXIII. Buch. Aelteste
des Decebalus Ueberwältigung, und legte es ohnge
"achtet der Bitten der Jazrgen zu einer neuenProvinz
Dacien. Dieses scheint die Jazyger gegen die Römer
aufgebracht zu haben. Denn Hadrianus mußte mit
ihnen öfters fechten, bis daß er sie endlich zwang,um
J.n". R 336. Friede zu bitten b). Eben dieser Kaiser kämpfte auch
M, k, G.133.
mit den Sarmaten und Roxolanen, oder hielt sie viel
mehr durchJahrgelder von ihren Streifereyen in Mö.
fien und Dacien ab. Er betrug sich aber überhaupt
in den Donaugegenden als ein unwürdiger Kaiser.
Denn er ließ die Donaubrücke des Trajanus bis auf
die feinernen Pfeiler niederreißen, und wurde mit
Mühe abgehalten, die dacischen Legionenzurückzurufen.
Dieses that er nicht aus Furcht oder Ohnmacht, fon
dern aus Neidüber den Ruhm,den Trajanus sich durch
die Befiegung der zuvor unüberwindlichen Dacier er
worben hatte. Er gab aber vor, es fey zugefährlich
den freifenden Barbaren einen Weg in die nähern rö
mischenProvinzen zu bahnen, den sie leicht durch Be
fechung der Brückenwache sich würden öffnen kön
nen ).
J. Ch. 162. Die Völker, welche von den Römern Gelder er
Markoman
mich romischer hielten, undzugleich eine Menge vonBequemlichkeiten
Krieg, kennen lernten, die ihnen zuvor unbekannt gewesen
waren, wurdenimmerbegieriger nachrömischen Wohl-,
thaten, Subsidien, Zins oder Besoldungen, wie man
es verschiedentlich aufrömischer undbarbarischerSeite
zu nennen pflegte. Wie es scheint, kam auch eine
Kenntnis von diesen Dingen in die weiter zurückliegen
den Völkerschaften. Denn man findet, daß sich zu
diesen
vicis T. II. Part. III. p. 187.) wahrscheinlich macht,
zuerst unter K.Probi Regierung (276-282) verfer
eiget. - -

b)„Dio Cfus p. 1164.


e) Eltronis L. VIII. e. 3.
Hungarische Geschichte. 103
diesen Zeiten fast alle nordliche, deutsche, farmatische
undfychische Völker nach der Donaudurchzudrängen
gesucht haben. Diesem Anlauf schreibt man die mar
komannische Verbindung zu; eine Verschwörung, die,
wie es bei ihrer ersten Entstehung schien, dem römi
fchen Kaiserthum den Untergang bereiten konnte d).
Es fielen nämlichzueiner Zeitfast alle nordliche Gränz
völker in Gallien, Deutschland, Polen und Rußland
die Römer an, undzwar nach einemgewissenEntwurf,
defen Ausführungdie Viktovalen und Markomannen
vornehmlich besorgten, und zwar zu einer sehr beque
men Zeit, da die Kaiser M. Aurelius und L. Verus
'
mit den Parthern beschäfftiget waren. Die Kaiser J.n.Chr. geb.
eileten den Markomannen, die bisAquileja vorgedrun. 16.
gen waren, entgegen, undfiengen den Krieg mit einer
sehr abergläubischen Feyerlichkeit an. Denn sieließen
zwey geschmückte Löwen über die Donau und unter die
Feindejagen, und hoffen, daßdiese die Deutschen in
die Flucht treiben sollten. Allein diese, die noch nie
Löwen gesehen hatten, wunderten sich nur über diese
ausländischen Thiere, die sie für Wölfe oder Hunde
hielten, und tödteten sie mitKnüttelschlägen. Der
Krieg wurde mit abwechselndem Glücke lange fortge
fetzet. Schon im Anfange giengen viele Völkerzurück,J. Chr. 166.
baten um Friede, und wüteten gegen ihre Anführer,
weil sie Veranlassung zu dem Kriege gegen die Römer
gegeben hatten; und die Quaden, die vermuthlich
den König, welcher ihnen von dem Kaiser Antoninus
G4 Pius
d) Mafov Gesch.der Deutschen S. 146 u.f. Einige
glauben, der Urheber dieser Verbindungfey ein gewisser
König Marcomarus, der zu Carnuntum in Pannonien
feinen Sitz gehabt, gewesen. Allein die Stelle des
2Aurelius Victor Vita M.Aureli c. 16. ist verfälscht,
und deutet wohl nur an, daß des markomannischen uns
genannten Königs Staat bey Carnuntum an das
römische Gebiete gegränzet hat.
104 XXXIII. Buch. Aelteste
Pius (im Jahr 139) vorgesehet war e), verstoßen
hatten, versprachen, keinen König ohne Genehmigung
J. Chr, 169 der Römer zu wählen. Nicht lange nachher drangen
die Longobarden und Obier über die Donau, mußten
aber nach einer schweren Niederlage zurückkehren.
Ballonar, König der Markomannen, schloß
mit den Römern in Pannonien einen Stillstand oder
Frieden. Allein die Streifereyen feiner Bundesge
noffen dauerten fort. Daher faßte Marcus Aurelius
den festen Vorsatz, nicht eher zu ruhen,bis daß er das
markomannische Bündniß zerstört, unddie verbündeten
Völker völlig entkräftet hätte. Er bot daher alles,
was Waffen tragen konnte, auf, selbst die dardanischen
Straßenräuber, griffden kaiserlichen Schatz an, und
verkaufte viele Kostbarkeiten desselben, nahm eine
Mengedeutscher Völker gegen ihre Landesleute inSod,
und schlug fein Hoflager an der Donau, nämlich in
Pannonien zuCarnuntum, so lange der Krieg dauerte,
In Chr,G.72 auf. Die Jazygenverheerten Pannonien im Winter,
und flohen, als sichdie Römerzeigten über diegefrorne
Donau. Dieses hatten sie bisher ficher thun können;
denn kein Römer getrauete sich über das glatte Eiszu
gehen oderzu reiten. Aber jetzt wurden sie betrogen,
weil die Römer sich geübt hatten, die Schilder nieder
warfen, auf selbige traten, und den Jazygen mitten
auf der Donau wütend ein Treffen lieferten, welches
die

e) trafow angefOrts S. 145. Man weiß dieses aus


einer Münze, aufwelcher Rex Quadis datus im bloßen
Hauvte, im Mantel, mit bloßen Lenden, einem fehr
gekrümmten Säbel, und einer kurzen Jacke abgebildet
ist. Beger Thef. Brandenb. T. II.p. 665. Auf an
derin Münzen ist dieser Königganznackt, ohne Kleidung,
Waffen oder Ehrenzeichen S. Hr. Hofr. Hommel
Iurisprudentiam numismatibus illuftratam Lips. 1763
P. 224.
Hungarische Geschichte. 105
die Jazygen verloren f). Die Quaden fochten eben
so unglücklich. Nach ein paar Jahren gelang es ihnenI. n. Chr. G.
zwar denKaiser,vermuthlicham Nitra in denThälern * * *
bey Ghimesg), einzuschließen, und ihn in die Verle
genheit zu setzen, entweder sein Heer aus Durstum
kommen zu laffen, oder einen verzweifelten Angriff zu
wagen. Allein einheftiger Platzregen rettete den Kai
fer, und der damit verbundene Windsturm veranlasfete
eine sehr blutige Niederlage auf Seiten der Quaden.
Diese zwangdie Quaden, untereinerjedenBedingung
den Frieden einzugehen. DerKaiser befahl ihnen, die
gemachten Gefangenen zurückzugeben, einen Zins von
Ochsen undPferden zu entrichten, dem Bündniffe mit
den Markomannen zu entsagen, weder diese noch die
Jazygen durch ihr Land zu laffen, und in verschiedenen
neuerbaueten Schanzen eine Besatzung von 20,000
römischen Soldaten aufzunehmen. Dieser Vertrag
ward in des Kaisers Lager am Granua, von welchem
nochjetzt Spuren ohnweit dem Orte Benye gesehenwer
den, geschloffen. In eben diesem fanden sich noch
- G 5 mehrere
f) Dio Caffius p. 1181. Die römischen Besatzungen in
Pannonien hatten schon unter dem Kaiser Ottho den
Ruhm, daß fieldie Stärke der ganzen römischen Reu
terey ausmachten.
g) Dio Caffius p. 1182. Severini Com. hift. de Vet. -

incolis Hungariae p 47. Bey diesem Vorfalle soll die


christliche Legio Fulminatrix, oder Melitina, das be
kannte Wunder des entstandenen Gewitters,durch ihr
Gebet veranlasstet haben. Der Kaiser fand hier selbst
ein Wunder, schrieb es aber dem Mercurius undJupiter
Pluvius zu. DioCafp. 1182. Man hat eine unter
geschobene Verordnung des Kaisers vom Jahr 175,
durch welche zum Dank für das christliche Gebet den
Chriften eine allgemeine Religionsübung zugestanden
wird. Ein Verzeichniß derfür und wider das Wunder
geschriebenen Schriften findet man in der Severinis
fchen Commentation a. O.
106 XXXIII. Buch. Aelteste
mehrere Völker ein, die der quadischeSiegerschreckte,
und die aufmancherleyWeise sich mitdem Kaiser ver
Endigungdes banden. Denn einige trafen Hülfs- und Subsidien
Markomanni
fchen Krieges. vergleiche, die bald aufeinzelne Nationen, bald aber
nur aufgewife Provinzen fich bezogen. Andere gien
gen in römische Kriegesdienste, und ließen sich in die
entferntesten Gränzen des europäisch-römischen Reichs
verlegen. Andere bekamen Landzum Anbau und zu
der Vertheidigung, in Dacien, Pannonien, Illyrien
und Italien. Wieder andere wurden zinsbar, oder
erhielten das römische oder lateinische Bürgerrecht; und
einige, die bereits Schutzverwandte oder freye Unter
thanen der Römer gewesen waren, wurden mit Ver
minderungder Abgabenund Steuern aufgewisse Zeit
oder aufewigbegnadiget. Unter denen, welcheHülfs
gelder erlangten, war auch einfehrjungerzwölfjähriger
König 25attarius, welcher sogleich einen andern klei
nen König Tarbus, der in Daciengefallen war, angriff
und verjagte h). Die Markomannen ließen sich
als römische Unterthanen behandeln; denn fiever
sprachen, sich der Donau nicht unter acht und dreißig
Stadien zu nähern, und außer an bestimmten Tagen
und Plätzen keine Märkte zu halten. Die Sarma
ten verpflichtetensichzu einemhundertjährigen Waffen
stillstande. Den Gothinen und Aftingern ward
Land in Dacien und Geld gegeben. Jene erlagen sehr
bald unter der Macht ihrer Feinde; diese aber trieben
die Kostoboker i)zurück, und litten nachher in eini
gen Schlachten mit den Dankringern. Die Jazygen
- Waren

h) Dio Caffius p, 1 185.


i) Die Kostoboker scheinen in Thracien zuerst anfäffigge
wesen zu feyn. Mafov 1 Th. S. 151. Ptolemäus
hat einige Kofoboker in Volhynien, und andere in
Dacien, undzwar in beutigen Halicz. Die Affinger
waren durchden Rhaus und Rhaptus erst kürzlich von
der OstseehierhergeführetIornandes dereb.Geticis c. 16.
Hungarische Geschichte. 107 -

waren zwar bisher gegen die Römer so sehr erbittert


gewesen, daß sie ihren König Bamadafpos, blos
weil er sich in Friedensunterhandlungen mitdem Kaiser
einlaffen wollen, in Kettengeschloffen hatten. Allein
nun änderten sie ihre Gesinnungen, und sandten alle
Vornehmere ihrer Nation nebst ihrem neuen König
Bantikos an den Kaiser, um ihn zu besänftigen k).
M. Chr, G.
Der Kaiser hatte zwar den Vorsatz gefaffet, fie zu ver-I 176,
nichten und ihr Land in eine römische Provinz zu ver
wandeln; allein weil ihre Macht nochzu groß und zu
fürchterlich war, so mußte er die Ausführung dieser
Absicht noch auf einige Zeit aussetzen. Er begnügte
fich daher mit der Auslieferungvon mehr als hundert
tausend gefangenen Römern,die inihrerGewalt waren,
undnahm 800-jazngischgeborne Reuterin seine Dien
fe vonwelchen er sogleichfünftausend undfünfhundert,
umfie auf ewigvonihrem Vaterlandezu entfernen,nach
Britannien fandte. Er verbot ihnen der Donau näher
als bis auf 76 Stadienzu kommen, mitihren eigenen
Schiffen diesen Strom zu befahren, die Inseln am
Ausfluffe desselben zu berühren, und ohne Vorwissen
der römischen Präsidenten in Dacien Handelzu treiben,
oder in ihrem eigenen Gebiete Landesversammlungen
anzustellen. Dennochmußte er nachher ein wenigvon
diesen strengen Bedingungen abgehen; denn er ver
sprach den Jazygen, nicht nur beständig mit ihren
Feindenzu kämpfen, sondern erlaubte ihnen auch, daß
sie mit vorläufig eingeholter Erlaubniß des dacischen
Präsidis durch Dacienzuden Roxolanen ziehen, und
mit diesen handeln durften. Die Quaden mußten
von dem Kaiser einen gewissen FurtiuszumKönig an
Die Quaden
nehmen. Alleinweil ihnendie römischen Kolonistenviele ollen *
Hun
Felder, Viehweiden, Bäche und Bäder nahmen: so."garu verlassen,
faffeten sie den Vorsatz, Mähren und Hungarn zu
verlaffen, und zu den Semnonen zu ziehen. Sie
wähle
k) Dio Caffius p. 1188. -
1C3 XXXIII.Buch. Aelteste
wählten zu dieser Absicht einen neuen König Ariogä
fius, der vergeblichdie kaiserliche Bestätigung fuchte.
Der Kaiser setzte einen hohen Preis auf den Kopfdie
fes ohnmächtigen Monarchen,hindertedie Fluchtdurch
die besoldeten Nachbarn, kündigte ihnen und ihren
Bundesgenoffen den Krieg an, und beruhigte sie, nach
dem er den Ariogäsus gefangen und nach Aegypten
gesandt hatte. - -

In ChG.18o. Der Kaiser M7. Aurelius farb zu Wien, wo er


seit anderthalbJahren abermals mit Demüthigungder
Quaden, Sarmaten und Markomannen beschäfftiget
gewesen war. Sein Sohn Commodusgab den Vor
faz feinesVaters, neue Provinzen jenseits der Donau
zu errichten, auf, und verglich sich mitdenvorliegenden
Nationen. Die Quaden und Markomannen lie
ferten ihm ihre Waffen und die römischen Gefangenen
aus; und er nahm die Besatzungen aus den neuen
Schanzen, die sein Vater in ihrem Lande angeleget
hatte. Die Burier, Vandalen und Jazygen tra
ten in seinen Schutz, und die erstern erhielten die Ex
laubniß, sich bisauffünfMeilen der Donauzunähern.
Nachher nahm der Präses Sabinianus überzwölftau
fend Deutsche und Sarmaten in Dacien auf, um
dieses Land anzubauen. Dennoch daurten die deutschen
Befehdungen und Einfälle in Dacien und Pannonien
fort, und wurden mehrentheils mit Gelde abgekauft.
Der Kaiser Antonius Caracalla schaffte sich einige Sie
cherheit durch Zwistigkeiten, die erzwischen den Wan
dalen und Markomannen erregte, nahm an den innern
Mißhelligkeiten der Quaden zum Schein Theil, und
Ju.Ch.G.213.ließ durch ein feierliches Gericht den quadischen Kö
- nug Gajouomar aufdie Klage einer Feinde zum
Tode verdammen, und tödten. Auf seinem Zuge
In ChG. aus nach Asien fand er in Dacien eine Parthey Gothen,
die er angriffund besiegte, und die gleichsamder Vor
trab einer mächtigen nordischen Nation waren, welche
nachher
Hungarische Geschichte. 1C9

nachher einen beträchtlichen Theil des heutigen Hum


garns an sich brachte 1).
Diese Nation hatte etwa fünfhundert Jahr zuvor Ursprung der
die deutsche ganze Ostseeküste, und vielleicht auch das"
gegenüberliegende schwedische Ufer befeffen, war aber
zu diesen Zeiten nur noch in den südlichsten schwedischen
Provinzen und an der Mündung der Weichsel in Ost
preußen wohnhaft. Sie hatte sich durch Polen, ver.
muthlich an derWeichsel, heraufgezogen, undwar mit
verschiedenen kleinern Völkern in eine sehr genaueVer
-bindung getreten. Sie breitete sich balddaraufin der
krimischen Tartarey oder in dem bisherigen Sitze der
- Bastarnen, Jazpgen und Roxalanen aus, heilte sich
in die Ost- und Westgothenm), und genoß bey dem
Anfange ihrerMacht die Ehre, daß ein römischer Feld
herr ihrer Nation MaximinusderThracier, derSohn
Mikka eines Gothen und einer Alanin, römischerKai
fr ward. Dieser Prinz, der eine außerordentliche J.n.Ch.-G.234.
Stärke und einen sehr kriegerischen Muth besaß, hatte -

unter der Regierungdes Macrinus und Heliogabalus


in der Stille auf seinem Guthe in Thracien, in der
Nachbarschaft feiner väterlichen und mütterlichen Lan
desleute gewohnt, die also schondamals in Dacien oder
Mösen Land besaßen. Er gab alsKaiser feinenGochen
ansehnliche Jahrgelder, worüberdie Karper, die sich
damals in und neben Dacien aufhielten, eifersüchtig
wurden u). Er beschloß,Deutschlandund Sarmatien
- - bis

1) Dio Cafliusp. 1204.


m) Hr. Kammerherr von Suhm Historie om de
fra Norden udvan drede Folk 1 Band Kió
benhavn 1772. S. 46 u. f. Macov Gesch. der
Deutschen, Anmerk. S.43 u. f.
n) Capitolinus in Maxim. c. 1. und andere Stellen gleich
zeitiger Schriftsteller im Mafov a.O. V. Buch. S.
1 59- -
11o XXXIII. Buch, Aelteffe
bis an die Ostsee zubezwingen, und fiengdie Ausfüh
rung seinesZwecks mit der Ueberwältigungder Sar
mater oder,wie es scheint, der Jazygen und der Dacier
J. Chr. 237. an. Allein seine treulosen Unterthanen vernichteten seine
Absichtendurch feineErmordung im Lagervor Aquileja.
Erhate einen Dur Lumuts Illyrici, der neben dem
Dux et Recror P.nnoniarum für die Sicherheit
der nordlichen Gränzen des größern Illyriens sorgen
mußte,bestellet; undauchüber Möfen warein Dut ver
ordnet. Einerder letztern TulliusMenophilus, hielt die
Karper o) durch den Ruf einer Tapferkeitvon Feind
feligkeiten ab, ohngeachtet sie öfters Drohungen aus
fließen, und römische Subsidien zu ertrotzenversuchten.
Allein sobald er gestorben war, fielen diese wilden Leute
in Mösten ein, und zerstörten die alte griechische See
stadt Istropolis p). Sie setzten ihre Verheerungen
bis in das vierte Jahrfort; denn so lange dauerte es,
J. Chr. 242, ehe der Kaiser Gordianus ihnen und andern Völkern
entgegen gehen konnte, und sie vertrieb. Die Gothen
und Sarmaten, welche gleichfalls raubten, mußten
nach einer Niederlage vor dem Kaiser aus Thracien
entweichen; aber die Alaner schlugen das kaiserliche
Heer bei Philippopolis oder Philibia in Thracien, und
J. Chr, 246,
hemmeten seinenFortgang. Philippus,desGordianus
Nachfolger war glücklicher, und erlegte dieKarper bey
Istropolis. Von den karpischenFlüchtlingen sammle
ten sich dreitausend bey dem Heere des gothischen Kö
nigsOltrogotha odervielmehrdesgothischen Feld
herrn Argunthis, welcher im Begriffwar, mie
Hülfe der Taifaller, Alfinger, Peukiner und vieler
abgedankten römischen Soldaten in Mösien und Thra
cien einzubrechen. Dieser Zuggelang q), und Mar
CANQs

o) Hr.v. Subm angef, Orts S. 52.


p) Capitoliaus Max. c. 16. --

q) 3ofimus 1 B. S. 33.Mafcov a. O.V.B.S. 166.


-
Hungarische Geschichte. 111
cianopeloder Prithlaba, die mösische Hauptstadt,ward
vom Agunthis so lange belagert, bisdaß ihm die Ein
wohner einebeträchtliche Summe für feinen Abzug be
zahlet hatten r). Bald darauffiegte Ostrogotha bey
der Stadt Galtiss) über die Gepiden, eine nordliche
Nation, die von den Inseln am Ausfluffe der Weichsel
nach Polengekommen war,und durch dieBezwingung
der Burgunder eine solche Zuversicht aufihre Kräfte
erlanget hatte, daß sie die Gochen aus ihren Besitzun
genzu treiben fuchte.
Die illyrischen Legionen, die vermöge ihrer Pflicht Illyrische Be
die Gränzen des römischen Reichsbewahren, und die ".
benachbarten Ausländer entkräften sollten, vermehrten Philippus und
vielmehr durch Unordnungen und Empörungen die “
wachsende und furchtbare Macht der Gothen und Sar
maten. Sie warfen einen ihrer Centurionen, den J.Chr. 249.
Marinus, in MösienzumKaiser gegendenPhilippus
auf; und als dieser hinweggeschafftwar, zwangen die
pannonischen Besatzungen ihren Präses oder Statthal
ter Decius, welcherzuBubalia ohnweit Sirmium in
Sclavonien geboren war, sich desKaiserthums anzu
maßen. Philippus mußte vor dem letztern fliehen,
und starb aufdem Rückzuge. Dieser Vorfall veran
laffte die Gochen, unter der Anführung einesgewissen
Cniva die Städte Novi und Nicopolis in Niedermö- J.Chr. *se.
fien zu belagern. Von jenem Orte vertrieb sie der
mösische Gränzfeldherr (Dur limitis Möstä) Gallus,
und von diesem des Kaisers Sohn oder der Cäsar He
renniusEtruscus Miffus Decius. Vor dem letztern
flohen sie aufdasGebirge Hämus; allein sie sammleten
bald

r) Hornandes derebus Get. c. 16. -

s) Jornandes und Hr. von Suhm a. O. S. 403 und


62. Galtis foll am Strom.Aucha gelegen haben, den
Hr. von Suhm für den Bog hält. Vielleicht aber ist
diese Stadt Kaltis in Mötien. --
112 XXXIII.Buch. Aelteste
bald neue Kräfte, schlugen den Cäsar bey Beroa am
Fuße desHebrus,trieben ihn zu demHeere des Gallus,
und verwüsteten, nachdem fie. Philippopolis erobert
hatten, Thracien und Macedonien. Der macedonische
Präses L.Prfus begünstigte ihre Feindseligkeiten, und
ließ sich von ihnen zum Gegenkaiser ausrufen. Diese
J. Chr. 251.
Empörung und die Niederlage des Cäsars erforderte
ein neues römisches Heer, welches der Kaiser Delius
felbst nach Dacien führte. Zuerst widersetzten sich
demselbigen die Karper oder Karpather; allein diese
wurden besiegt, und mußten über ihr Gebirge aus
Dacien fliehen t). Darauf suchte Decius dieGothen
auf, und schloß sie mit Hülfe desGallus bei Abrytum
ohnweit der Donau in Mötien ein u), um ihnen den
Rückweg abzuschneiden, und sie insgesamt gefangen
zu bekommen. Allein der wohlangelegte Entwurf
ward übel ausgeführer. Der Kaiser und der Cäsar
fetztenzu übereiltin einen Morast,und kamen mit einem
beträchtlichen Theile ihres Heeres darinnum. Gallus
ward in der Noth zum Kaiser ausgerufen, ließ die
Gochen mit ihren Gefangenen und ihrer Beute unan
gefochten über die Donau nach Dacien ziehen, und
gab ihnen für den Frieden ein Jahrgeld. Dadurch
bestärkte er den Verdacht, daß er die Decios vorsätzlich
in den Morastgebracht habe.
Die Gochen, oder vielmehr nur einige einzelne
Haufen gothischer Frenbeuter, die vielleicht an dem
gallianischen Vergleiche keinen Theilgenommen hatten,
- verban

t) Macov Gesch. der Deutsch.S. 168.


u) Abrytus oder Forum Theinbrcni wird von Syncellus
und Caffiodorus für die Wahlstadt angegeben, und Hr.
von Salbn vermuthet a O. S. 67. daß dieser Ort die
Stadt Ebraittos zwischen Odeffus und Mefembria in
Mösien sey. Dann aber irren diejenigen Annalisten,
die die Wahlstadt an die Donau fetzen; denn Ebrait
tos lieget am Meere. - -
Hungarische Geschichte. 113
verbanden sich bald nachher mitverschiedenen Boranen,
Vrugundern und Karpern (Buriern, Burgundern
und Karpathen), die damals in Polen, Schlesien
und Hungarnjenseits oder nordlich der Donau wohn
ten, zu einem neuen Ritt in Mösien und Thracien,
verheerten dasplatte Land, eroberten verschiedene um- *
mauerte Plätze, und verfuhren mit so vieler Wut und
Tapferkeit, daß den römischen Legionen aller Muth
entfiel. Der pannonische Dux Aemilianus erhielt J. Chr. 253.
endlich das Verdienst, den Römern ein Herz einge
fprochen zu haben, und triebdie Ausländer nach einem
plötzlichen Ueberfalle über die Donau zurück. Er
machte aber von diesem Glücke einen sehr schlechtenGe
brauch. Denn er nahm denAntrag seinesHeeresfich
zum Kaiser aufzuwerfen an, und zog nach Italien,
um seine Herren zu unterdrücken. Diese wurden von
ihren Soldaten aus Furcht vor ihm ermordet; aber
bald darauf empfieng er von seinen Soldaten aus
Schrecken vor dem rhätisch-norischen Statthalter Lici
nius Valerianus, den fein Heer zum Kaiser ernannt
hatte, einen ähnlichen Tod. Unterdem Valerianus3. Chr. „.
trieb Aurelianus viele farmatische, quadische und an
dere Haufen, die Thracien verheerten, zurück. Die
Gothenzogen über die See nach Asien, und litten eine
Niederlage ihrer Nation in einigen Gegenden von
Dacien, und westlich dem Meere von Azow v). Sie
verheerten daraufdie Seeörter am schwarzen Meere, J. Chr. 267
undfielen endlich in Mösien ein. Ihnen folgten die
Heruler, die aus Schonen kürzlich in diese Gegend ' der
gekommen waren x), bisher im Archipelagusgeraubt“ E.
hatten, und nunin Thracien landeten. Diesewurden
zwar vom Kaiser P. LiciniusGalienus aufgesucht,und
- IN -

v) Eutropius IX. 6. -

x) Procopius de bello Goth. L. II. c. 14, 15. make


a. O. S. 1 Zo. -

Allgem,Weltg.XVB. I. Abth, H

- - - -
/

114 XXXIII. Buch. Aelteste


in Mösien bey Naiffus(Niffa inServien)geschlagen,
erlangten aber dennoch die Ehre, daß ihr Anführer
Naulobatus in kaiserliche Dienste mit dem Titel eines
Confils aufgenommen ward. Diese Begebenheit
- machte einen solchen Eindruck aufdie Gochen, daßfie
- über den jetzt unbekanntengeffacischen Bergder Donau
zu eileten, um ihr Glück zu versuchen; und eine Mis
helligkeit der römischen Generale begünstigte ihre Unter
nehmung. Denn sie kamen mit einem großen Raub
unangetastet nach Dacien zurücky).
Der Kaiser Galienus fand an der pannonischen
Gränze ein deutschesFrauenzimmer Pipa oder Pipa
raz), welches ihn so sehr einnahm, daß er ihrem
VaterAttalus oder Attalicus,einemmarkomannischen
sä Könige, einen Theil von Oberpannonien für die Einwil
uonien. ligungindie Vermählung mit feiner Tochter schenkte.
Hierdurch gerieth er in Verachtung, und es standen
gegen ihn viele seiner Feldherren als Gegenkaiser auf,
Unter

y) Hr. von Suhm jetzt diese Begebenheit (S. 79) in


das Jahr 264, weil sie sich zutrug,nachdem Galie
nusfeine Decennalia (im J.263) gefeyert hatte.
z)Aureli Victoris Epitome c.33. Treb. Polio in Salo
nino c. 3. Der Herr Abt Kercßlich de Corbavia ver
muthet in Notis praelim.de regnis Dalmat. Croat Scla
von. p. 17. der Pipara VaterfeyVabalathus Uerimon
tanus gewesen, und habe Land am Gebirge Okra
erhalten. Denn man findet Münzen von einem Vada
lathus Ucrimor. Allein mir gefällt Begeri Ausdeutung
des Worts "Uerimor durchVice Caesar Rex Imperi
Orientis beffer, (Thef Brandenb. Select. Continuatio
p. 762.) ohngeachtet sie etwas gezwungen ist. Der
Name Vabalathus ist frisch und nicht markoman
mich. Es ist daher fehr glaubwürdig, daß der Vaba
1ath Uerimor der bekannte Tyrann oderGegenkaiser,den
manfür der Zenobiä Stiefsohn hält, fey. Das Ge
birge Okra gehört zu den Alpen, und liegt in der Ge
gend des zirknitzer Sees.
Hungarische Geschichte. 115

unter andern auch in Illyrien erst Ingenuus, dann


Regillianus, ein Verwandter des dacischen ältern
Königs Decebalus, und endlich Claudius, der den
Thron nach seinem Tode behauptete.
Diese Unordnungermunterte eine Menge deutscher Offroaothischer
Freibeuter, fich am Dneester zu versammlen, und auss
einen Anschlag aufdie Eroberungdes römischenReichs
zu machen. Diese kühnen Unternehmer waren aus
denVölkerschaften derAustrogothen, der Gepiden,
der Heruler, der Peuciner, der Trutungen oder
Gruthungen, der Wirrungen und der Sigipe
den a), und enthielten 320,000 Mann, welche sich
auf 6000 Schiffen nach Toni begaben, und diese
Stadt wiewohl vergeblich mit den besten römischen
Werkzeugen belagerten. Von Tomi rückten sie vor
Marcianopel(Prishlaba); und als auch die Bürger
dieserStadtfieabwiesen,plündertenfiefastalleKüstenam
schwarzen Meere,amMeere diMarmora, amArchipela
gusundaufden InselnKretaund Cypern,und landeten -

daraufabermals an Griechenland. Der Kaiser fandte J.Chr. 269.


ihnen feinen Bruder Quintillus entgegen, welcher
Thessalonich undCaffandra entsetzte, und ihnen durch
die dalmatischen Reuter bey Dabrus oder Dobaros im
päonischen Macedonien eine Niederlage beibrachte. Er
selbst stieß bey Niffa in Servien auf fie, und umzin
gelte fie, nachdem er schon eineSchlacht verloren hatte,
mit solcher Geschicklichkeit, daßdas römischeHeer nicht
fechten sondern nur metzeln durfte. Einige von ihnen,
welche entkamen, wurden im Gebirge Hämus einge
fchloffen, und gezwungen, sichunter das römische Heer
als Soldaten, oder in wüste Gegenden alsKolonisten,
zu begeben. Ihre Flotte fiel inzwischen in die Gewalt
der römischen und atheniensischen Freibeuter, und ein
- H. 2 abge
a) Tr. Pollio Claudio c. 6. MafovV.B. S. 181. Jo
fimus L. I. c.41. - - * -* - - - - - - - "
-

116 XXXIII. Buch. Aelteste


-

abgesonderter Haufe ihresHeeres, der durch Thracien


zog, wurdevon den Landeseinwohnern vertilget. Die
Sieger bekamen eine sehr große MengeSclaven, Zug
vieh, Schafe undceltische (vielleicht nordische) Pferde,
wie auch verschiedene feindliche Könige. Allein der
Kaiser genoßdie Früchte seinesSieges nicht, weil ihn
J. Chr. 270. eine Lagerkrankheit zu Sirmio in Niederpannonien
tödtete. Das Heer setzteden vorhingedachten Aure
lianus in feinen Platz,der ein Pannonier ausSirmio
war, und gleich nachher einen Haufen Scythen, oder,
wie es scheint, Gochen, aus seinem Vaterlande ver
trieb.
Pandalen in Dieser Prinz bekam mit einer neuen feindseligen -

Pannonien Nation, nämlich mit den Wandalen zu schaffen,die


bisher hinter denMarkomannen am Ursprunge derElbe
in Lausnitz, Schlesien und Böhmen gewohnt hatten,
jetzt aber vorrückten, weildie Markomannen durchNo
ricum nach Italien gegangen waren. Der Kaiser er
J. Chr. 271. legte zuerst die Markomannenbey Pavia undPiacenza,
und schlugdaraufauch die Wandalen b). Dennoch
schloß er mit den letztern einen Vergleich, wodurch fie
ihmzweitausend Reuterfür sein Heer überließen, und
das Recht erhielten, mit den Römern am Ifer zu
handeln. Ihr König oder Anführer gab verschiedene
Geißeln aus den Edeln seiner Nation,zog in sein Va
terland zurück, und ließ seine Leute auseinander gehen.
Einer ihrer Haufen konnte zwar dem Triebe zu rauben
nichtwiderstehen; allein erward von den Römern nie
dergehauen, und der wandalische König erstach selbst
denjenigen der Anführer defelben, welcher die Ex
laubniß zu dem Plündern gegeben hatte. Der Kaiser
J. Chr. 272. folgte den Wandalen über die Donau, erlegte einen
gothischen Heerführer Cannabas oder Rannabaudes,
der ihm mit fünftausend Gothen, vermuthlich in Da
cien,
b) Mastov a. O. S. 187.
- Hungarische Geschichte. 1 17
cien, entgegen kam, undzogdaraufnach Asien, um
die palmyrenische Königin Zenobia zudemüthigen. Auf
dem Rückzuge fand er einige Karparber in Dacien,
die er besiegte, und in römische wüste Provinzen dies
seits der Donau zum Anbau des Landes verheilte.
Den Triumph, den er daraufin Rom hielt, machten,
außer dergefangenen Königin Zenobia, zehn gothische
Heldinnen, die mitden Waffen in der Hand gefangen,
waren,undder Wagen des besiegten gothischenKönigs
merkwürdig, den vier gezähmte Hirsche zogen c).
Im nächsten Jahre ereignete sich eine sehr merk-J. Chr. 73.
Altdgeten
würdige Veränderung in der römischen Staatsverfass. „".
fung; denn der Kaiserzog alle römische Kolonisten und mernverlaffen.
Soldaten aus Dacien nachMösien, und überließ die
dacifche Provinz den Gothen, Rarpathern,
Surmatern, Wandalen und andern Völkern d),
die ihm in diesenGegendenzu mächtig wurden. Mö
fien war durch die bisher erzählten deutschen Einfälle,
öde und wüste gemacht, und bedurfte daher einer Be
völkerung. Die dacischen Kolonisten behielten ihre
Vorrechte, und der Kaiser legte dem Lande, welches
fie erhielten, den Namenfeines Daciens bey. - Die
fes trennete Mösien, und wurde in das mittelländische
und das Uferdacien geheilt. Jenes (Dacia medi Neues oder
terranea) begriff etwas vom heutigen Serbien und aurelianisches
Bulgarien, oderdie Gegend derStädte Naiffus,Sar-Dateien
H3 dica

c) Mafov V. B. S. 189.
d) Aurel. Victor c. 33. Macov a. O. S. 191. Die
dacifchen noch vorhandenen Grabsteine bören mit der
Regierung des Tr. Decius 251 auf. S. Hr. Seivert
Infeript. Mon. Rom.in Dacia mediter. Im alten Da
cien waren gleich nachher an der Theyß und Donau
Sarmaten; von der Aluta bis zum Ausfluffe der Ister,
die Piti, Gäti, Dagá und weneden; und jenseits
des Dneesters amfchwarzen Meere die Dacpetoporianik
Tab. Peuting. -
1 13 XXXIII.Buch. Aelteste
dica undScopia. Dieses (Dacia Ripenfis)enthielt
den Theilvon der Bulgarey, der innerhalb einer Linie
lieget, die von Gradifka herab bis an die Morava und
unterhalb Naiffus, fast bis an den Almus läuft. Das
Uebrige von Mötien gegen Westen,hieß nundas erste
M7öfien, so wie der Theilvom Almus östlich bisan
das schwarze Meer das zweyte Mösien. Hungarn
jenseits der Theyß, Siebenbürgen, Walachey und
\ Moldau verlor nunmehr den dacischen Namen und
die römische Herrschaft, bis auf die Regierung des
Kaisers Constantinus des Großen, undward, zumUne
terschiededes neuern Daciens, das trajanische Da
cia genannt. Der Kaiser gebrauchte eine besondere
List, wenn er aufdie Ueberwältigungder Gothen und
anderer Ausländer dachte. Denn er hatte stets den
Bonofus, einen großenSäufer, als seinen Feldherrn
beyfich, welcher die gothischen Abgeordnete zu Boden
trank, und ihnen im Taumel Nachrichten von ihrer
Stärke, Schwäche undAbsichten ablockte. Eben die
fer Bonofus mußte sichmiteinemgothischenvornehmen
Frauenzimmervermählen,und derKaiser unterhieltzur
AufwartungderselbenvielegothischeFrauenzimmer auf
öffentliche Kosten, um sich dadurch einen Theil dieser
unruhigen benachbarten Nation zu verpflichten e).
Diese Anstalthätte vielleicht feinem Reiche dauerhafte
Vortheile verschafft, wenn er nichtzu frühzeitig sein
Leben verloren hätte.
Begebenheiten.
Ihm folgte abermals ein Pannonier und Sirmier
rden sie aufdem römischen Throne, nämlich Probus; ein
Fehr, als Mann, der blos durch Tapferkeit von der niedrigen
Bestimmung einesGärtnerlehrlings zu der erhabensten
Würde der damaligen Welt gestiegen war. Dieser
Prinz sorgte für sein Vaterland auf eine
-
n: rf,

e) Stellen bey dem Hrn. von Suhm a. O. S. 93, aus


dem Vopiscus.
Hungarische Geschichte. 119
Art. Denn er erlaubte den Weinbau, der bisher,
um die römischen Soldaten nicht wollüstigzu machen,
in den deutschen Gränzprovinzen verboten gewesenwar,
und ließ selbstf) durch römische Soldaten den Mons
Almus bey Sirmio und den mösischen Mons Aureus
an der Donau, nichtweit vonSenderova, mit Wein
reben bepflanzen, und den Kolonisten zur fernern
Wartungübergeben. Er hielt die freifenden Auslän-J. Chr. an.
der muthigvon den Gränzen ab, schlugdie Lygier,
die vermuthlich noch nordlich an Pannonien gränzten,
und die Wandalen und Burgunder, fieng den
Iygischen König Semno, und den wandalischen
Fürsten Jgillo, und sandte die Wandalen als römi
fche Soldaten nach Britannien g). Im nächsten J. Chr, 273.
Jahre durchzog er Rhätien, Pannonien, Illyrien, -

Mösien und Thracien, und trieb aus diesen Ländern


alle Ausländer, die ihm nicht zeitig genug huldigten.
Auch nahm er, wahrscheinlichdamals, den Marko
nmannen das oberpannonische Land, welchesder
Kaiser Galienus feinem SchwiegervaterAttalicus ge
schenkt hatte. Aus Mölien zog er nach Asien, und
auf der Rückkehr erheilte er am Pruth oder auch am J. Chr. 279.
Dneefer hunderttausend Bastarnen feinen Schutz,
welche, wie es scheint, durch die Wandalen, Gothen
und andere neue nordische Völker so sehr gedrückt wur
den, daß sie ihre Freyheit aufgeben mußten, undver
fetzte sie nach Thracien, allwo sie vollkommene Römer
wurdenh). Ein Haufevon Gepiden, Gautungen
und Vandalen, vielleicht auchFranken, der diesem
Beyspielefolgte,erhieltgleichfallsWohnplätzein Mösien
und Griechenland. Aber diese Leute ließen sich nichtzur
Ruhe gewöhnen, sondern rotteten sichzusammen, be
- - H4 raubten

f) S.Aur. Victor Caef. Eutropi Hit. Mikel. L. IX.


g) Zofimus 1 B.67. K.
h) Vopiftus c. 16.
120 XXXIII. Buch. Aelteste
raubten das platte Land, stahlen Schiffe, plünderten
die griechischen und asiatischen Küsten, und schifften
durch die mittelländische See nach Deutschland i).
J. Chr. 232. Bald darauf büßte Probus fein Leben in Illyrien
ein, und sogleich fielen die Sarmater, oder, wie es
fcheint, die Jaznger, in Pannonien und Thracien,
mit dem Vorsatze bis nachRom durchzudringen. Sie
glaubten, daß mit dem Probus die römische Tapfer -

keit oder wenigstens das römische Kriegesglück unter


J, Chr. 283. gegangen sey; allein der Kaiser M.Aurelius Carus
brachte sie aus dem Irrthume, als er fiel aufdem Zuge
nachPersien in Pannonien fand. Denn er erschlug
über 16,000, und nahm 20,000 gefangen, die nun
als Knechte durchdie ganze Monarchie verheilet wur
J. Chr. 284.
den k). UNumerianus, sein Sohn und Nachfolger,
erlegte im folgenden Jahre die Quader, die bisher
in und unterhalb Pannonien, bis am Einfluffe der
Raab, umhergezogen waren. Diepannonischen Legio
nen warfen den M. Aurelius Julianus gegen ihn zum
Begebenheiten Kaiser auf; allein C. Aurelius Valerius Diocletia
unter dem Dio
cletia Nus. nus Jovius, ein anderer Gegenkaiser und geborner
Dalmatier aus Dioclea, siegte über ihn. In dem be
nachbarten Deutschlande und Dacien entstanden heftige
J. Chr. 289.
Kriege. Denn die Gothen fochten gegen die Burgun
der und Alemannen. Die Thüringer traten zu den
Taifalen, und überwältigten die Wandalen undGepi
den; und die Burgunder zerfielen mit ihren Freunden,
den Alemannen, über dasEigenthum einiger Salzquel
len, trieben sie aus ihrem Lande, und wurden bald
wieder verjagt l). Die Sieger und Besiegten drangen
über die römischeGränze, und die Noth der bisherigen
Weltbezwinger oder derRömer ward so groß, daß der
- Kaiser
i) Mastov Gesch. der Deutsch. S. 197.
k) Vopi/cus in Caro c. 9.
l) Mamertimus II. 17.
Hungarische Geschichte. 121
Kaiser Diocletianus feine Gewalt mit einem zweiten
Kaiser C. Aurelius Valerius Maximianus Her-J.Chr.ags und
culius theilte, undjeder dieser Augustorumnoch einen ***
Cäsar annahm. Beide Augusti herrschten zwar ge
meinschaftlich. Aber dennoch erhielt ein jeder von
ihnen und von den Cäsarn einen besondern Theil der
Monarchie. Dioclerian bekam die morgenländischen
Provinzen; Maximian Italien und Afrika; Ga
lerius, der Cäsar des Diocletianus, Thracien und
Illyrien; undConstantius Chlorus, der Cäsar des
Maximianus,Gallien, Spanien undetwas vonAfrika.
Maximianushatte, als Herr von Italien, Noricum
und Rhätien, vielleicht auch das obere Pannonien,
unter seiner Gewalt; und auch Constantiusund Ga
lerius scheinen in Pannonien einige Landschaften beseffen
zu haben. Diocletianus überfieldie Karper, mar-3-95 und
komannen, Bafarner, Sarmaterm),Juthun - - - -
gen undQuaden, und siegte überall." DieSarma.
ten wurdenfast alle niedergehauen oder in die Knecht
fchaftverkauft n): aber dieKarperwurden gütiger be
handelt; denn Galerius brachte, fiel über die Donau
und wiesihnen Plätze zum Anbau im zweyten Mö
fien an o). -

Der Kaiser Diocletianus ward endlich der Regie


rungsgeschäfte überdrüßig, dankte ab, und lebte in
einem prächtigen Palaste zu Salona oder Spalatro I. Chr. zo.
noch neun Jahre, als ein Hausvater und Landmann.
Seinem Beyspiele folgte bald nachher sein Nebenkaiser,
und der Cäsar Galerius ward an feiner, so wie Con
H 5 fan
m) Aurel. Victor Caef. c. 39. Eutropius L. IX. e. 15.
n) Eumenii Paneg. IV. c. 5.
o) Mastov a. O. S.210. Hr.v. 3ordan de Originibus
Slavicis T. III. P. IV.p.75. EinVicus Carporumwar
an der Donau, noch hundert Jahr nach dieser Verse
(zung vorhanden. -
122 XXXIII. Buch. Aelteste
fantius an des Maximianus statt, Kaiser. " Dem
J. Chr. 306
"Constantio folgte sein SohnConstantinus, nicht als
Augustus, wie ein Heer wollte, sondern alsCäsar;
und es traten viele neue Augusti und Cäsares auf, von
welchen endlich vier Augusti übrig blieben. Maximi
mus, der erste derselben, herrschte über alles Land jen
seits der chalcedonischen Meerenge; Licinius, der
zweyte,diesseitsdiesem Meerstrome;Constantinusüber
Gallien, Spanien und Britannien; und Maxentius
-
über Italien. Der letzte wütete gegen feine Untertha
nen so sehr, daß sie den Constantinus zu Hülfe riefen,
as Octob. 3m, und ward durch diesen überwältigt. Der römische
Senatgebrauchte ein altes Ansehen, und erklärte den
Constantinusfür den Vörderten der Kaiser. Con
stantinus trat zu der christlichen Religion über,
wodurch er die überall ausgebreiteten und zahlreichen
Christen zu seiner Partheyzog. Licinius verband fich
J. Chr. 314. mit ihm gegen denKaiserMaximinus, erlegte selbigen
undtheilte defen Land mit ihm, wodurch er das erste
und zweyte Mölien, Illyrien, Dardanien und Grie
chenland erhielt.
s. Cenfanti- Constantinus, der seit dieser Zeit der Große
mus wird ein
Christ,
genannt wird, veränderte die Reichsverfaffung, sowie
es die äußereGefahr und die Grundsätze der Religion,
welche er angenommen hatte, erforderten. Er be
zeigte sich sehr eifrigfür die Christen, nahm ein Mo
nogramma des Namens Christiin feine Fahne, blieb
aber Pontifex maximus, und duldete den bisherigen
Götzendienst nebst den Opfern und dem Wahrsager
J. Chr. 313. amte. Licinius trat zwar feinen Grundsätzen in Be
tracht der äußernSicherheit der Christen bey, und ließ
den constantinischen Schutzbrieffür die Christen und
für alles, was den christlichen Gemeinen gehörte, in
seinem Namen mit ausfertigen p). Alleiner blieb ein
- eifriger
p) Lactantius de mortibus perfecutorum c. 48.
-
Hungarische Geschichte. 123

eifriger Heide; entweder aus VorurtheilundEigen


finn, oder aus Staatsabsichten, um durchdie Heiden
sich zu stärken und einst den Constantinuszu überwäl
tigen. Diese verschiedene Gesinnung erhielt das Mis
verständnis, was zwischen zwey so herrschsüchtigen
Männern nothwendig seyn mußte; allein weil Licinius
feinenGroll zu frühzeitig ausbrechen ließ, so ward er
in Sclavonien am Palus Hiulca ohnweit Cibalis oder JChr,3334
Effek besiegelt, und im folgenden Jahre gefangen und
getödtet.
Ohngeachtet Diocletianus alle Sarmaten vertil- Sarmatisch
get zu habenglaubte, so zeigte sich dennoch ein Haufen ' #
derselben unter dem Könige Raufinod diesseits der sie
Donau, welcher nicht nur das platte Land verheerte, "º“
fondern auch eine Stadt belagerte. Diese war durch
einen Erdwall, aufdem eine Mauer fand, befestiget.
Raufimod bemerkte, daß der obere Theilder Mauer
aus einem Tafel- oder Ständerwerk bestand, und
schoß dieses in Brand. Allein die Belagerten verhei
digten sichdennoch, bis daß sie vom Constantinus ent
fetzt wurden. Constantinus schlug einige Sarmaten
bey Campona in Valerien ohnweit Ofen, ferner bey
Bononien in Niederpannonien, und bey Margos in
Obermösien am Ausfluffe der Morava, und Raufi
mod ward so sehr geschwächt, daß er sein Heer ein
fähiffe, um es durch Dacien in feine Heimat am
azowischen Meere zuführen. Diese Flucht ward dem
Constantinuszeitig genug angezeiget. Daher folgte
er den Sarmaten über die Donau, und lieferte ihnen
eine Schlacht, in welcher Raufimod nebst einem be
trächtlichen Theile von ihnen getödtet, die übrigen aber
gefangen wurden q). Diese letztern mußten dem
Kaiser auf seinem Rückwege nach Thessalonichfolgen,
und wurden in wüste Gegenden zum Anbau :
- - - ihr
q) Tolimus L. U. c. 21. Mafov a, O. S.222.
124 XXXIII.Buch. Aelteste
Ihr Unglück schreckte einige umherstreifende Gochen
nicht ab, über die Donau zu gehen, und Mösien und
Thracienzu verheeren. Allein Constantinus ließ auch
diese feine Macht empfinden, jagte ihnen die Leute ab,
und nahm fielzum Theil in Sold, um sie gegen den
Licinius zu gebrauchen, zum Theil aber ließ er sie un
ter guterAufsichtin Scythien,oderdemaltenWohnsitze
der Gehen in der dobruzischen Tartarey,alsUntertha
nen wohnen r). Von diesen wurden viele getauft,
verschiedene waren aber schon zuvorchristlichgewesen s).
Man glaubte, daß sie nicht ohne alle Veranlassung in
Mölien gefallen wären. Denn Constantinus hatte
fichgeweigert, den Ausländern die Subsidien zu zah
len, die ihnen feine zu furchtsamen Vorgänger verwil
ligethatten; und es scheint, daß die Absicht der Go
then gewesen sey, felbige durch ihre Waffen zu er
zwingen.
Dieser Sieg endigte die gothischen Einbrüche nur
auf eine kurze Zeit; denn die gothische Nation war
damals groß, mächtig, und voll von Eroberungsbe
gierde, und vergrößerte sich fast täglich durch Verbin
dungen mit mancherley deutschen, farmatischen und
asiatischen Völkern, die fiel an sich zog. Constantinus
mußte daher alle feineStaatsgrundsätze feiner Vorfah
ren gebrauchen, um sie vom römischen Reiche abzu
halten. Er schmeichelte ihnen, und ließ, um die
Theruinger, einen gothischen mächtigen Stamm,zu
gewinnen, die Bildsäule ihresKönigs im Rathsaale
zu Konstantinopel aufrichten t). Allein er gebrauchte
auch die Waffen gegenfie, so oft es nur nöthig

9 EufbiusVita Constant. L. IV. c. 5.Iornandes e.21.


s) Sozomenus Hit. Ecclef L. II. c. 6. L. I. c. 8. Socrates
" L. I. c. 14. "-

e) Themiftius Orat. XV. ad Theodof de virtute regia.


Mascow S. 224. -
Hungarische Geschichte. 125
Er bemerkte, daßeinige schändliche Römer den Ueber
gang der Ausländer unter der Bedingung, daß fie
ihnen die Hälfte ihrer Beute laffen sollten, erleichter
ten, und daßdie Gothen nicht selten beurlaubte Sol
daten römischer Besatzungen zu Wegweisern gehabt
hatten. Daher setzte er auf jene Verrätherey die J. Ehr. 33.
Strafe des Feuers, und untersagte den Officieren bey
Verlust ihres Dienstes und ihrer Güter alle Beur
laubungen. Er bauete eine Brücke über die Donau,J. Chr.325.
vermuthlich aufden Pfeilern der trajanischen Brücke,
und streifte sehr oft in das alte Dacien u). Dadurch
wurden die Gothen und alle mit ihnenverbundene Völ
ker geschreckt, und es erschienen bey dem Kaiser viele
Gesandte fychischerVölker, mitdem Auftrage, Freund
fchaft zu stiften und Bündniffe zu schließen. Der
Kaiser handelte mit jeder Nation besonders. Einigen
gab erGeschenke. Andere aber nahm er inSold, und -

überhaupt betrug er sich gegen diese Nationen so frey- - - -


gebig, daß sein Nachfolger und Feind Julianus dar
über die Anmerkung macht: Constantinus fey den
Scythenzinsbar geworden,um sich rühmen zu können,
daß er das alte trajanische Dacien besitze. Man weiß
nicht genau, welche Nationen unter den Scythen ver
fandenwerden. Denn die Geschichtschreiber begnügen - -

sich mit der Betrachtung, daß die Scythenzum Theil


fehr weiß, zum Theil aber braunroth gewesen find.
Diese Nachrichtdienet nurzuder allgemeinenAngabe, „"
daß Deutsche und Asiater zu diesen Scythen gehört
haben. Wahrscheinlich aber waren sie Gothen und
andere
-
u) Hr.Conrektor Stritter Memor. populorum olim ad
Danubium incolentium T.I.p.43. Abbildungen der
Brücke findet man auf Münzen in des Baron von
Spanbeim französischen Uebersetzungdes Julians von
den Cäfarn S. 93, und Banduri Numism.T. II.p.
248. Diese Brücke hatte am Ein- und Ausgange --
einen hohen runden steinernen Thurm.
126 XXXIII. Buch. Aelteste
andere mit selbigen verbündete Nationen. Das alte
Dacien hieß in diesen Zeiten Gothia oder Goth
land v), und gränzte nordlich an die Sarmater und
Bafarner, östlich an die Roxolanen,jenseits derAluta
füdlich an der Donau, und westlich andie Tamaziten,
oder richtiger Jazygen, und einige Roxolanen. Es
war an drey Seiten durch Berge eingeschloffen, durch
welche nur drey Oeffnungen bey Bontas und Tabas
liefen. Der Hauptsitz der gothischen Nation war am
schwarzen Meere, und fieward in zwei Hauptreiche,
das westgothische und oftgothische geheilet. Gebe
rich, König der Westgothen,herrschte über jenes
dacische Gothland in Siebenbürgen und derWala
chey. Denn er überfiel die UVandalen, welche am
Marosch und der Donau und zwischen den Hermun
durern und Markomannen wohnten, trieb sie aus
ihrem Lande, und gieng daraufnach seinen östlichern
J, Chr. 335. Provinzen zurückx). Bald nachher wurden die Ost
gothen unter ihrem Könige Ermanarich, Oberherren
derWestgothenund aller deutschen und cythischen Völ
ker, die sichzwischen der Ostsee, der Weichsel, der
Donau, dem schwarzen Meere, dem Meervon Azow,
dem Athek oder der Wolga unddem Don aufhielten.
„dlicher. Jene UVandalen nahmen ihre Zuflucht zu dem
“ in Pau Kaiser Constantinus, von dem sie Wohnplätze in Pan
IHRICH.
nonien erhielten, die sie vierzig, oder richtiger nach
- andern

v) Jornandes c. 12. Hr.v.Subm Historie om de fra


Morden udvandrede Folk 1 B. S. 117.
x) Jornandes (oder richtiger Jordan) de rebus Geticis
c. 22. Hr. von Suhm S. 509. In diesem Wanda
lenlande floffen die Ströme Marifa, Miliare, Gilpit
und Grescia, von welchen nur der Marosch und Keres
oder Crisusjetzt kenntlich sind. Es muß also die Ge
gend zwischen Temeswar und Großwaradein gewesen
feyn. Der besiegte wandalische König hieß Wlfumar.
Macov Anmerk. S.28. -
Hungarische Geschichte. 127
andern Berichten sechzigJahr besaßen. Sie nahmen -

die arianischen Glaubenslehren an, undwurden ruhige


Bürgery). Sie stammeten aus Böhmen oderviel
mehr ausdem Riesengebirge, undwaren in der großen
Völkerwanderung, vielleicht mit den Gochen, bis an
dasMeervon Azow gekommen z). Von dort ab,oder -

auch aus ihrem alten Vaterlande,drang ein Stamm - -

in Dacien und Pannonien, und ward in der letzten


Provinz vom Marcus Antoninus vertilget. - Ein an
derer der Silingen und Asdingen, von welchen der
letztere das Geschlecht der wandalischen Könige in sich
faffete, nahm unter dem Aurelianus den vorbeschrie
benen Theil des alten Daciens in Besitz, undzu die
fen gehörten diejenigen Wandalen, die nun pannoni
fche Einwohner wurden, aber nach sechzig Jahren erst
nach Spanien, und darauf nach Afrika wanderten.
Die Gochen waren kurz zuvor, ehe sie die Wan
dalen überwältigten, mit den Sarmaten zusammen
gerathen, und hatten viele von ihnen zu dem Kaiser
getrieben. Die Talfalen folgten diesen, und kamen 3. Chr. „.
dem Kaiser bey Marcianopel unvermuthet so nahe,
daß er fast in ihren Händen war a). Allein er ent
rann,

y) Hr. Severini Pannonia Cap. IV.p. 161fqu. Masov


Anmerk. S. 28.
z) Procopius de BelloVandal. L.I. c.2. Einige Gelehrte
deuten des Procopius Palus Mäotis auf die Ostsee.
Andere finden es merkwürdig, daß ehedem Jazygenan
diesem Palus faßen, und daß die MWandalen auch bey
der Theyß an Jazygen gränzten. Sollten die Wanda
len mit den Jazygen in diese Gegend gekommen fevn:
fo wäre ihr Eintritt in Dacien in das erste Jahrhun
dert zu fetzen.
a) Zofimus L.II. c.31. Mafov S. 225. Constanti
nus fand etwa im Jahr 326 einige sehr schöne Edel
gesteine, die er prächtigfaffen, und über die Donau
unter der Aufschrift, dem edelsten Könige, sandte. Hr.
von Suhm vermuthet S. 109, daß diese List gelungen
fep,
128 XXXIII.Buch. Aelteste
so April 332. rann, und siegte bald hernach überfie und andere Go
ehen so nachdrücklich, daß ihm der gothische König
Die Jazyger
theilen fich in Ararich feinen Sohnzum Geißel geben mußte, um
vier Nationen. den Frieden zu erkaufen. Die Sarmaten retteten
sichzwar durch die Hülfe ihrer Knechte, aber zu ihrem
größesten Nachtheile. Denn die Knechte wandten
J. Chr. 334.
die Waffen nach dem Siege über die Gothen gegen
ihre Herren, und verjagten von selbigen über300.000
Personen, welchezum Theilzu dem nächsten gothischen
Stamm der Victofalen flohen, zum Theil aber unter
Constantinus Heere Dienste nahmen, oder aufdie
von diesem Kaiser ihnen gegebenen Aeckerin Thracien,
Scythien, Macedonien und Italien zogen b). Seit
dieser Zeit gab es vier Gattungen von Sarmaten,
oder Jazygen, nämlichSarmaten, die von den Go
ehennichtbekrieget waren, innerhalb dem GebirgeMa
tra und dem Fluß Granua; ferner freye Jazygen oder
arcaragantische Sarmaten, die zu den unglücklichen
Herren gehörten und an der Theys gewohnt hatten,
aber nicht zu den Römern geflohen waren; dann die
römischen Sarmaten; und endlichSarmatas Limi
gantes oder die vorgedachten Knechte, die sichwieder
in die Amicenses und Picenses theilten. Constan
tinus verordnete feinen Neffen Dalmatiuszum Dux
J.Chr. 336. des gothischen Ufers, oder zum Anfeher der Be
satzungen an der Donau c), und hinderte dadurchdie
Streifereyen aus Dacien, und die Entweichung der
N2Ulla

fey, und daß man die innern dacifchen Kriege dem


Rubmdurfte mehrerer Regenten, nach diesem Titel eines
edelsten Königs,zuschreiben müffe.
b) Eu/ebius Vit. Constant. L. IV. c.6. Hr. Severini
Comment. hist.de vet. incolis Hungariae p. 33. Eu
tropius VIII.2.
c) Anon. Chronicon hinter Palesi Ausgabe des Am.
Marcellini S.476. --
Hungarische Geschichte. 129
neuaufgenommenen Kolonisten aus Pannonien und
Mösen. Vor seiner Zeit fanden diese Besatzungen
in geräumigen Lägern, Schanzen und befestigtenPlä
zen; allein er zog fie, nachdem er Konstantinopel er
bauet, und zum Sitz des Kaisers geweihet hatte,J. Chr. sze.
größtentheilsaus diesen Plätzen, und verlegte sie in
vier Städte in der Bulgarey, von welchen er einige"
neu erbauete. Diese waren Perthlaba jezt Marce-Illyrien.
nopoli, Driftra jetzt Silistria, Plifcuba vielleicht
Pliska, und endlich Constantia oder Constantiniana
westlich bey Braklaw. d). Anstattdervom Diocletianus
aufgeworfenen Schanzen führte er eineMenge einzelner
Thürme an der Donau auf, die, weil die nordlichen
Völker nur raubten, nie aber belagerten, den Landleu
tenzu einer Zuflucht, und den Ausländern, ihrer wie
wohl schwachen Besatzungen wegen, zum Schrecken
dienten e). -

- Diese Einrichtung war mitvielen andern ähnlichen


Anordnungen verbunden, durch welche Constantinus
der römischen Monarchie ihre fast verlorne Sicherheit
wieder zu verschaffen hoffte. Denn er veränderte
den ganzen Kriegesstaat feinerVorfahrenf), nahm
dem vornehmsten Minister oder Präfecto Prätorio
die Gerichtsbarkeit über die Soldaten, gab diese einem
neubestellten Magistro Equitum, und verordnete
vierPräfectosPrätorio, Orientis, Illyrici,Italiä,
und Galliarum, welche nun nur die höchste Gerichts- - - -

barkeit über diejenigen Cives und Provinciales, die


nicht unter dem Gewehre fanden, und die Ober
aufsicht über alle Regierungsgeschäfte und Staatsbe
diente ihres Bezirksbehielten. Diese Männer gaben
Gesetze, die keiner außer dem Kaiser aufheben konnte,
und

d) Hr.v. Subm a. O. S. 110. -

e) Procopius de Aedificis Iustiniani L. IV. e. 5.


f) Zofimus L. II. c. 33.
Allgem.WeltgXV.B.I.Abth. I
130 XXXIII. Buch. Aelteste
und besoldeten die Proconfularen der größern, die
Confiularen und Correctoren der mittlern, und
die Präsides oder Ordinarios der kleinern. Provin
zen. Sie vergaben und nahmen diese wichtigen Alem
ter nach Gutbefinden, und trieben die Staatseinkünfte
mit gewaffneter Hand felbst, oder durch die eben ge
nannten hohen Beamten, ein. Unter ihnen fanden
Vicarien, die über einegewisseAnzahlvon Provinzen
oder über einen Kreis gesetzt waren, welcher eine Diö
cefe oder ein Vicariat genannt ward. Auch hatten
fie, sowie einjeder Vicarius und Präses, ein Off
cium, oder ein Collegium von untergeordneten Kan
zelley- undHebungsbeamten. Dieseconstantinianische
Verfaffung erhielt sich in Illyrien, solange Römer dar
innen herrschten, und man hat von selbiger eine Be
schreibungg), die zwar siebenzig Jahr jünger alsCon
fantinus ist, aber dennoch schon in diesen Zeiten als
eine brauchbare Urkunde betrachtet werden kann. Ich
will aus selbiger hier einen Auszugzur Einsicht indie
damalige Verfaffung Illyriens mittheilen, bei dem
ich vorläufig erinnern muß, daß sie die Zeiten betrifft,
in welchen dasKaiserthum indas morgenländische und
abendländische getheiletwurde, und schon verschiedene
Provinzen an die sogenannten Barbaren oder Auslän
der verloren waren.
Präfeetusprä- In diesenZeiten gehörte der PräfectusPrätorio
torioTuorie "Illyricizum Morgenlande, und hatte unter sich
einen Proconsul von Achajen, undzweyVicarios oder
Comites der Diöcefen Macedonien und Dacien. Die
Diöcese Dacien begriffnur fünf illyrische Provinzen.
Sechs andere machten eine Diöcefe der Präfecturä
Prä
g) Notitiavtraque dignitatum cum Orientistum Occiden
tis vltra Arcadi Honorique tempora Lugd. 1608.
'EPM
Notiz scheint im Jahr 407 aufgefetzet zu
Hungarische Geschichte, 131
Prätorio Orientis, und noch sieben andere die Provinz
des abendländischen Illyriens aus, welche dem Prä
fecto Prätorio Italiä unterworfen war. Der Name
Illyrien ward damals in dem weitesten Verstande
genommen, und begriffdie Provinzen h) Noricum
ripenfe und mediterraneum, Pannonia prima und
fecunda, Valeria, Savia, Dalmatia, Möfa fipe
rior, Dacia ripenfis und mediterranea, und sieben
Provinzender macedonischen Diöces, nämlich Mace
donien, Theffalien, Achaia, Alt- und Neuepirus,
Prävalis und Kreta. Von diesen gehörten zu der
Diöces Dacien,die einen Theilder orientalisch-illy
urischen Präfectur ausmachte, die Consularprovinz
Dacia mediterranea, und die Präsidialprovinzen
Dacia ripenfis, Möfa prima, Dardania, und
das mit einem Theile der Macedoniä falutaris ver
bundene Prävalis. Zu der occidentalisch-illyri
fchen Diöces, die dem Präfectus Prätorio Italiät
gehorchte, waren gelegt: die Confularprovinz Panno
nia prima,die Präsidialprovinz Pannoniafecunda,
die Correctorialprovinz Savia oder Pannonia ripen
fis, die Provinz Valeria ripenfis, in welcher nur
ein Dur limitaneus vorhanden war, die Präsidialpro
vinz Dalmatien, die Provinz Noricum mediter
raneum, und die Provinz eines Ducis limitanei
Moricum ripenf. Die Diöces Thracien der
orientalischen Prätorialpräfectur bestand aus
den Präsidialprovinzen Mósia fecunda, Scythia,
Zämi Mlons und Rhodope, ingleichen aus den
Consularprovinzen Europa und Thracia.
Das Officium oder der Staat des Präfecti
Prätoriovon Illyrien, der in Sirmiumfeinen Sitz
hatte, bestand aus einem Princeps oder Primiserius,
welcher überalle nachgesetzteBediente die Aufsicht,
2
'
h) S. Rufi Breviarium c.9
132 XXXIII.Buch. Aelteste
für sicheinen Domesticusoder Cancellarius hatte, aus
dem Cornicularius oder Ausfertiger gerichtlicher Be
fcheide, und defen Adjutor, aus einem Commenta
rienfis oder Aufseher der Gefangenen, aus einem ab
Actis oder Actuarius für gerichtliche Vergleiche und
Contrakte, aus vier Numeraris, einem Subadjuva,
einem Eurator Epifolarum, der die Berichte an den
Kaiserentwarf,auseinemRegerendariusoderActuarius
für eingegebene Suppliken, aus einigen Erceptoribus
oder Actuarien für Proceffe und deren Adjutoribus,
und aus den Singulariis (Cohortalibus) oderSolda,
ten, welche die Steuereinnehmer begleiteten, Befehle
ablieferten und Verbrecher gefangen nahmen. Von
den Numeraris sorgte der erste für die Einkünfte der
Domainen, die in die Caffe des Comitis Rerumpri
vatarum floffen. Derzweite Numerariusfand unter
dem Comes sacrarum Largitionum, heilte gewife fest
gesetzte Besoldungen undGnadengelder oder Naturalien
aus, und fandte denUeberschuß an die Rationales und
Präpositos. Der dritte (Numerarius Auri) hatte
den Auftrag, das Silber der Steuern gegen Goldzu
verwechseln, und die Ausbeuten der Goldbergwerke zu
berechnen. Der vierte endlich (Numerarius Operum
publicorum) hob das Geld, welches zum Unterhalt
öffentlicher Gebäude aus den Stadt- und Landesein
künften ausgesetzt war, und legte, wenn dieses nicht
zureichte, Steuern auf die Einwohner. Einige
Städte hatten ihren eigenen Auffher öffentlicher Ge
bäude oder Curatorem Rerum publicarum Urbis i);
und

1) Ein folcher Mann warin Sarmizegethufa. S.Herrn


Seiwert Inscript. Mon. Ron. in Dacia p. 44. Diese
, Stadt hatte außer den Decurionen auch einen Präpofi
, tum confularem (Ebend. S. 43), welcher vielleicht
der in andern Städten verordnete Defensor Civitatis
NP0".
Hungarische Geschichte. 133
und jedergroßen Heerstraße war, sowiederBrücke des
Trajans, gleichfalls ein Curator vorgefetzt k), der
aber,wie es scheint, zu dem Staate des MagisterMi
litum gehörte. Der Präfectus Prätorio durch
Italien hatte ein Officium, welchesdemdesorien
talisch-illyrischen Präfectus völliggleichwar.
Finanz- und
Für die Kammergeschäfte der Domainen- und Kammerbes
der besondern kaiserlichen Kaffe waren zwei unabhän- diente.
gige Minister in jedem Reiche verordnet, nämlich der
Comes facrarum Largitionum, und derMagister
oder Comes Rerum privatarum. Der Comes
facrarum Largitionum hob die dem Staate gehörigen
Zölle, Zinsen und Steuern, ließfür des KaisersKlei
derkammer Kostbarkeiten einhandeln und in Fabriken
verarbeiten, und bezahlte denSold und die Geschenke
oder Naturalbesoldungen der Militär- und Civilbeam
ten. Er hatte injeder Provinz einen Comes Largi
tionum, von dem selbst der Magister Militum und
Dur seinen Sold erhielt; und feine übrigen Nachge
udneten waren, außer dem Officio, welches aus neun
Scrinis(Kontoren oder Kammern)befand, die Co
mitas Commerciorum, die Präfecri Thesauro
rum, welche von den vorgedachten Numeraris die
Gelder hoben und verwahrten, die Comites Metal
lorum, die Magistri lineä Vestis oder Oberauf
seher der kaiserlichen Bleicher- und Schneiderwerk
stätte, die Magistri Privatä (Aufseher über
Fabriken von kaiserlichen Puzfachen), die Procura
tores Gynäciorum oder der Seiden- und Sold
fickereyen und Webereyen, die Procuratores Ba
phiorum oder der Purpurfärbereyen, die Procura
tores Monetarum, die Procuratores Bafaga
vum oder der Kriegsfuhren und Spanndienste, die
Procuratores Vicefimä oder des kaiserlichen Zehn
I 3 tems
k) Inferiptionen bey dem Hrn. Seiwert S. 56.43.
134 XXXIII. Buch. Aelteste
tens von jeder Erbschaft, und die Procuratores
Linificiorum oder der Leinen- undSegeltuchfabriken.
In dem orientalisch-illyrischen Theile waren drey
Comites Commerciorum, einer für Scythien und
Pontus, einzweiter für Mösen, und ein dritter für
Illyricum. Ferner ein Comes Metallorum in Illy
rien, und mehrere Oberaufseher der ebengedachten
Fabriken. In dem occidentalischen Illyrien )
fanden sich nur ein Comes Commerciorum durch Illy
rien, zwey Rationales Summarum oder Buchhalter,
(einerfür daszweite Pannonien, für Dalmatien und
für Savia, und ein anderer fürPannonia prima, Va
leria und Noricum,) drey PräpositiThesaurorum
für Dalmatienzu Salona, für Savia zu Siscia, und
für Pannonia prima zu Sabaria, ein Procurator
Monetä zu Siscia, ein Procurator Baphifür Dal
matien zu Salona, und drei Procuratores Gynäci,
einer für Pannonia prima, erst zu Baffanä ohnweit
Sirmium an der Sau, nachher zu Balonis oder Sa
lona, ein zweiter für Pannonia fecunda zu Sirmio,
und ein dritter für Dalmatien im jovienfischen kaiser
lichen Palaste bey Salona, und zuvor in Spalatro.
Illyrien mußte zur Militärfeuer Wein und Pferde,
ingleichen Chlamydes oder Mantel liefern, für welche
letztere jede dreyßig Morgen oder Jugera einen Soli
dus zahlten m). Verschiedene Produkte gehörten zu
den verbotenen Waaren, wie zum Beispiel Purpur
zeuge, feidene oder mit Gold gestickte Kleider, Bau
feine n), und in Betracht der Ausländer Gold,
Eifen,
1) Notitia Orientis p. 49. Occidentisp. 140. -

m) Notitiae Comment.p. 15.


n) Valens, Gratianus und Valentinianus verstatteten
endlich den Macedoniern und Illyriern, daß sie Steine
in ihren eigenen Bergen brechen und felbst verfahren
durften. L. VIII. Cod. Theodof. Vermuthlich war
dieses verboten, um die deutschen Könige außerStand
zu fetzen Festungen aufzuführen.
Hungarische Geschichte. 135
Eisen, Weßsteine, Waffen, Salz, Korn, Oel und
Wein. Einige dieser Artikel waren Regalien; denn
die Comites führten den Handel mit selbigen für des -
Kaisers Rechnung durch Negotiatores. Eben diese
hoben einen Zoll von verstatteten Waaren durch Sta
tionarios. Ueber die Gold- und übrigen Metallberg-I.Chr.410. u.
werke, wie auch über dieGoldwäscher (Aurilegulos), *
wachte der ComesMetalli; und der Goldland war im
illyrischen Gebiete so reichhaltig,daß viele Thracier sich
in das Land stahlen 0), um desselben theilhaftigzu
werden. Der Comes Rerum privatarum, der
für die kaiserliche Privatcaffe sorgte, zu welcher die
Forsten famt den Jagden, die Vorwerke, die conficir
ten Güter, und die Einkünfte der Tempel und beson
derer Ländereien gehörten, hatte injeder Diöces einen
RationalemPrivatarum, und verschiedene Präpositos
Gregum, Saltuum und Bafagarum. Indem Staate
des occidentalischen Magistri Rerun privata
rum waren ein Comes largitionum privatarum für
Illyrien, welcher die auf seine Caffe angewiesene Be
foldungen auszahlte, verschiedene Rationalesper Illy
ricum, und zwey Procuratores Rei privatäfür Dal
matia und Saviap).
Die Kriegsfachen gehörten für die Magistros Kriegsdediente
Equitum und Peditum, welche Constantinus der in Worte
Große zuerst angeordnet hatte. Etwa vierzig Jahr
später wurden für das orientalische Reich noch drei
Magistri Militum, per Orientem, per Thracias und
per Illyricum bestellet. Diese hatten Reuterey und
Fußvölker zugleichunter ihrem Befehle; die vier ältern
MagistriMilitum aberfanden entweder den Legionen,
I4 den

o) L.VII. Cod. Theodof de Metall. et Metallar. Der


Procurator Metallorum hatte zuweilen einen Comes
Auri neben fich. Gotbofred. ad.C.Theod.X.T, 19.
p) Notitia Imp. p. 55. 144.
136 XXXIII. Buch. Aelteste
den Aurilis Palatinis und den Legionibus Comitaten
fibus und Pseudocomitatenfibus, oder auchden Verif
lationibusPalatinis undComitatenfibusfür q). Diefe
hießen zum Unterschied der Neuern Magistri Prä
fentiales, weil sie am Hoflager feyn mußten. Der
orientalische Magister Militum durch Illyrienz
war Befehlshaber über zwey Verillationes Comitaten
fes, über die Equites fagittarios und Germanicianos,
über eine Legio Palatina, über sechsAuxilia Palatina,
über acht Legiones Comitatenses, über neun Legiones
Pseudocomitatenfes, und über die dacischen, mösischen
und feythischen Flotten r); und seine Kanzelley oder
Stab bestand aus dem Principe, zwey Numeraris,
einem Commentarienfi, einem Primiferinio, und
vielen Scriniaris, Erceptoribus und Apparitoribus.
Im abendländischen Reiche hatte der Magister
Peditum präsentialis die Aufsicht über die Duces
Limitum im zweiten Pannonien, in Valeria ripenfi,
und in dem mit dem Norico ripenfi vereinigten ersten
Pannoniens). Die Reutereybesatzungen dieser Länder
hiengen von dem zweyten Magister präsentialis ab.
Die Duces oder Gränzgenerale, die man in Mö
fien schon unter des Kaisers Vitellius Regierung fand,
waren in einem Lande, welches stets vonraubbegierigen,
kühnen und wilden Kriegesmännern angefallen wurde,
fehr nöthig. Der Kaiser Constantinus gab einigen
von ihnen den Titel Comes, mit einemhöhern Range,
und eine kaiserliche Hofkleidung, die ihnen ein vorzüge
lichesAnsehen verschaffte. Sie sorgten fastganz allein
für ihre Besatzungen, warben ihre Soldaten, sprachen
das Recht über sie in bürgerlichen Streitigkeiten und
peinlichen Fällen, verstatteten die Appellation, dort
NUE

4) Notit. Imp. p. 20fequ. 124fequ.


r) Ibid. p. 38.
z) Ibid. p. 124.
Hungarische Geschichte. 137
nur an den Quästor des kaiserlichen Palastes, hier
an den Magister Peditum eder Equitum, behielten
ihr Amt so lange fie lebten, ließen die Befestigungen
und Heerwege ausbessern, oder durch Landleute und
Soldaten neuanlegen, unddurften nebst ihren Solda
ten alles neueroberte Land steuerfrey so lange besitzen, -

als sie im Dienste waren t). Nur allein die Gewehr


fabriken standen nicht unter ihnen, sondern gehörten
für einen besondern Minister, der den TitelMagister
Officiorum führte. Im orientalischen Illyrien wa
ren vier Fabriken zu Theffalonich in Macedonien, zu
Naiffa in Servien, zu Ratiaria oder Aritzer in der
Bulgarey an der Donau, und zu Horrêomargum in
Servien östlich dem Ausfluffe der Morava. Eine
fünfte für Schilderzu Marcianopel in der Walachey
ward zu Thraeien gerechnet. Die occidentalisch-illy
rischen Fabriken wurden in die Schild- Waffen- und
Wurfzeugswerkstätte abgeheilt, und vondiesenwaren
drey Schildfabriken zu Acincum(Ofen), Cornutum
oder Carnuntum und Laureacum (Lorch), eine Waffen
fabrike zu Salona in Dalmatien, und eine Waffen
und Balistenfabrike zu Sirmium. Zu dem Officio
einesjeden der beiden Magistrorum Officiorum gehör
ten auch einige Dolmetscher (Interpretes omnium gen
tium), und die Curiosi einer jeden Provinz, welchen
ein CuriousCursus publici in präsentivorgesetzet war.
Die Pflicht der Curioforum bestand in der Bewahrung
derKüsten und Inseln, und Vertreibungder Seeräu
ber undSchleichhändler. Die Macht, die mandiesen
Leuten anvertrauen mußte, machte sie baldgefährlich;
denn sie mißbrauchtenfie, erpreffeten von den Strand
bewohnern und von den Landleuten der dalmatischen
Inseln schwere Abgaben oder Geschenke, und raubten
zuweilen selbst zur See. Daher schafften die Kaiser
fie in ihren Reichen und vorzüglich in Dalmatien mit
I5 einem
t) Ib. p.84
138 XXXIII.Buch. Aelteste
einem so großen Unwillen ab, daß sie den Befehl er
J. Chr. 415. heilten, einen jeden Curiosus, der sichferner sehen
laffen würde, in Ketten zu schlagen und an den Co
meszu finden u).
Die Provinz Dacia orientalis, welche vom Au
Illyrische
Provinzen. relianus im ehemaligen Mösien angeleget war, hatte
zum Hauptort Sardica am Ursprung der Isker in der
Bulgarey v), und wurde dem westlichen Dacien
entgegengesetzet, defen vornehmster Ort Sirmium
war, und welches etwas vonServien undSclavonien,
oder das erste Mösien, nebst einem Theil von Dacia
ripenfis in sich faffete. Zu Constantinus desGroßen
Zeit kannte man nur eine Dacia mediterranea, und
eine Dacia ripenfis. Zuder proconsularischen Da
cia mediterranea gehörte etwasvon Servien, Bul
garien und Macedonien, und außer der Metropolis
Sardica waren darinn die geringeren Städte, Pauta
lia in Macedonien x), Germana, Niffa in Servien
und Remesiana. Dacia ripenfis oder riparienfis
hatte einen Proconsul und einen Dux. Unter jenem
waren die Städte Ratiaria(Aritzer), Bononia, nicht
weit von Widin, Akoines, Castra Martis und Iffer.
Der Dur hatte in diesen und überhaupt in drey und
zwanzigfesten Plätzen an der Donau Besatzungen, die
900 Reuter und 10.000 Fußgänger stark waren, und
QU6

u) L. XII. C. Theod. de Curiofis (Lib.VI. tit. 29.) et


Comment. in h. l. In andern Provinzen wurden die
Curiofi 41o, in Africa 414, abgeschafft.
v) Eutropius IX. 9. In der Notitia fehlt der Vicarius
Daciä, weil dessen Gebiet von den Feinden verheert
und erobert war.
x) Verzeichniß der orientalischen Heparchien in des Hie
rokles Synecdemo, welcher kurz vor 535 ge
schrieben ist. (Vetera Romanorum Itineraria edit. P.
Wefelingii Amfelod. 1735,p.636-657.) Die Duces
sind aus der Motitia genommen, f. 103 u.f. "
Hungarische Geschichte. 139
aus 9 Cuneis Equitum, 6Auxiliaribus und 6Prä
fecturis, welche aus drey Legionen ausgehoben waren,
befanden. Zu diesen kamen nochzweyFlotten, eine
zu Algeta ohnweit der trajanischen Brücke, und die
zweyte zu Aritzer. Die äußersten Besatzungsörter
Agera undUto bestimmen für dieseProvinz etwas vom
heutigen Servien, und mehreres von der Bulgarey,
jenes von der hungarisch-walachischen Gränze ab, und
dieses bis am Vidukusfluß und fast bis an die südli
chenGebirge. M7öfia prima, eine Präsidialprovinz
und ein Ducatus, hatte zur Hauptstadt Viminiacum
gegen Uipalanka über, Singidon in der Gegend von
Belgrad, Gratiana, Tricornium bey Senderova und
Horreomargus. Es endigte sich an der flavonischen
Gränze, und machte die nordliche Hälfte des heutigen
Serviens aus. Der Dur hatte zwey Flotten(Clafis
histrica und Clafis Stradenfis et Germensis); eine
zu Viminiacum, und die zweyte, die vielleicht bis
Germana auf dem Moravastrom kreuzte, zu Horreo
margus an derMündungdiesesStromsy); undfeine
Besatzungenfester Oerter betrugen 800 Mann Reuter
und
-

y) Einige Geographen setzen Margus höher am Morava;


allein da es in Verbindung mit dem Befatzungsplatze
Augusta Flaviana (Notit. Imp. f. 104.) jenseits der
Donau fand: fo muß es am Ausfluffe gelegen haben.
Vielleicht gieng die Flotte in die zwey Hauptarme der
Morava, und befand daher aus zwey kleinen Geschwa
dern. Die Schiffe derselben waren Naves luforiac,oder
blos zum Kreuzen bestimmet. Die ganze Flotte bestand
hier aus hundert, in Scythien aber aus 125 leichten
Gefäßen, welche alle sieben Jahr eingehauen wurden.
Denn die Landleute und obrigkeitlichenPersonen mußten
von ihren Aeckern eine gewisse Abgabe zahlen, von der
jährlich ein Siebentheil des Geschwaders neu erbauet
ward. Von diesen waren zwei Drittheil Agrarienfes,
und ein Drittheil Iudiciariae. Pancirolus adNotitiam
Imp. fol. 101. b.
I4O XXXIII. Buch. Aelteste
und 7oco Fußgänger. Dardania hatte nur einen
Präses, aber keinen Dux, und begriffdas alte Dar
danien nebst der dardanischen Wüste in Servien,
Bulgarien und Macedonien, und die Städte Scupi
in Bulgarien, Märion undUlpiana oder Justiniana
fecunda jetzt Prisrendi am weißen Drinoz). Prä
valis oder Prävalitana, eine Präsidialprovinz der
Städte Skutari,Liffus (Alessio) und Dorakion, be
griffdas heutige albanische Land Zenta. Es gehörte
dazu ein Theil der Macedoniä falutaris, welcher
nachher zu Neuepirus geleget worden ist, und sich ver
muthlich durch Albanien bis in die Gegenden von
Achrida, und bis am Vardarstrom erstreckt hat. Die
Hauptstadt der Macedoniä falutaris war Stobi an
diesem Fluffe a). Das erste Pannonien b), wel
chesganz mit deutschen Völkerschaften angefüllet '
Qtte

z) Hierocles p.655. Zu Dardanien gehörte nach Pro


copii Versicherung Achrida, nachher Huftiniana
prima genannt, K. Justinianus Geburtsort. Weiffes
ling hat fchon erwiesen, daß dieser in der Bulgarey
und im nordlichsten Theile Dardaniens gelegen haben
müffe (S.653), und vielleicht ist von ihm das heutige
Schloß Giustandil oder Justiniana ohnweit Niffa
übrig. Die Stadt ward 535 erbauet. Ihr Name
und Erzbischofthum kam, nachdem die Bulgaren fie
verwüstet hatten, nach Lychnis in Arnaut, welcher
Ort beydes noch jezt hat.
a) Hierocles fetzt S. 638 beydemacedonische Provinzen
zu Illyrien, und nennet die falutaris das Präsidial
macedonien. Stobi, die Stadt dieses Präsidialma
cedoniens, hatte einen Bischof der illyrischen Diöces
(Wesseling p.641); und Pylon auf dem Wege von
Achrida nach Stobi war ein alter illyrischer Gränz
ort, Macedonia falutaris hatte in beyden Hälften
nur einen Rector, der zweyen Vicaris untergeordnet
war. Die zweyte Hälfte gehörte zu Neuepirus.
b) Notit. Imp.Oec.p. 170. de Jordan de Origin.Slavicis
T. II. P. III. p. 96.
Hungarische Geschichte. 141
hatte mit dem Norico ripenfi einen gemeinschaftlichen
Dur. Diesem gehorchten 15oo Reuter, 7000 Fuß
gänger, 27 feste Plätze, und drey Flotten zu Lorch
ohnweit Linz, zu Carnuntum (Petronel), oder Vin
domana (Wien), und zuArlape aufdem Arlafstrome
in Oesterreich(Clafis Arlapenfis etMaginenfis). Im
Lande befand sich ein Tribunusdes markomannischen
Volks, und die letzten Gränzfestungen waren, östlich
Arrabona (Raab), und westlichAufturis anderMün
dungdes Inn. Jetzt ist es Niederhungarn innerhalb
der Donau und dem Raab, und die Kurbayerische
Pflege Burkhausen. Daszweyte oder ripuarische
Pannonien, eine präsidialische Provinz, hatte zwey
Hauptstädte Sirmium und Baffiana, und einen zum
abendländischen Kaiserthum gehörenden Ducatus, über
26 Festungen, 18oo Reuter, 5ooo Infanteristen
und 5 Flotten c). Die erste und zweyte Flotte, welche
beyde Flaviä Augustähießen, hatten ihren Hafen zu
Sirmium und Grajum. Die dritte (Ifrica) war
zu Muraohnweit Effek; die vierte, die entweder eine
Abtheilungder Flotte zu Aegeta, oder eine von Aegeta
nach Siffek verlegte Flotte war, scheint mit derfünften
zu

e) Die Städte macht Hierocles zu einer orientalischen


Heparchie (S. 657); den Ducatum hat die Notitia
Imp. Occid. f. 167. Die peutingerische Tafel, von
der das jetzt vorhandene Exemplar erst im achten Jahr
hunderte verfertiget ist, fetzt in Pannonien am Zufam
menfluffe der Sau undDonau eineLandschaftBulinia,
die sonst unbekannt ist. (Wel/eri Opera hift.p.743.)
Allein weil der Verfertiger fein Original bey gleicher
Länge auf ein Neuntheil verkürzte, so fehlte es ihm
öfters am Raum, die Namen auf ihren wahren Platz
zu bringen. Vielleicht follte es Bubalia feyn. Eine
der Flotten lagvielleicht zu TrajansZeit aufder Theys.
Denn man findet in den siebenbürgischen Inschriften
n Präfectus Ripä Tibiff.S.Hr. Seivert Infeript.p,
5 -
142 XXXIII.Buch. Aelteste
zu Serviciumd)vereinigt gewesenzu sein. Die Pro
vinz ist das heutige Sclavonien, und reichte an der
Donau vom Einfluffe der Sau bis zu dem Einfluffe
der Drau, oder von Taurunum bis Teutiborgium.
Die Provinz Valeria gehorchte einem Dur, den der
Kaiser Augustus nachder VertreibungderQuaden und
Markomannen verordnet hatte. Die Provinzward,
wie es scheint, erst vom Diocletianus errichtet, von
deffen Prinzessin Valeria, der Gemahlin des Cäsars
Calerius,wenigstensihr Name herrührte). Siehatte
24 feste Plätze; den südlichsten in der Gegend von
Mohacs, und den nördlichsten ad Mauros(Comorn),
ingleichen eine istrische Flotte zu Florentia,westlich der
Insel Czepel. Sie enthielt also Niederhungarninner
halb dem Balatone, der Raab, Donau und Drau.
Die Besatzung bestand aus 2000 Reutern und 6000
Fußvölkernf). Die Provinz Savia oder Svavia
lagzwischen dem Drau und der Sau im heutigen
Sclavonien g). Man weiß von dieser Provinz sehr
wenig. Sie scheint in drei untergeordnete Provinzen
verheilt gewesen zu seyn, nämlich Sirmium, welche
an das zweite Pannonien gränzte, Bubalia oder
25udalia in der Gegend von Cibalä am Palus Hiulca
und Amantina. An die letztere stieß die Provinz
Sifcia bey Siffek in Kroatien h). Die Beschaffen
heit despannonischen zweiten Ducatusläßt vermuthen,
daß die ältere Savia jenseits Budalia ihren Anfang
genommen habe. Die Amantini wohnten inSclavo
NIEN

d) Cellari Notit. Orbis antiquiT.I.p. 453.


e) Ammianus Marcellinus XIX. 1.
f) Wotitia Occ.p. 169. de Fordam 1. c. p. 121 fequ.
g) Man findet in der Notitia Occidentis nur ihren Namen,
den sie noch nachher zu der Zeit der oftgothisch-italia
mischen Könige führte.
h) Hr. Severini Pannonia p.20.
Hungarische Geschichte. I43

nien an der kroatischen und hungarischen Gränze, und


wahrscheinlichlag hierdie nach ihnen genannteProvinz.
Die Provinz Dalmatien scheint ihre alten Gränzen
bis am Sau und bis an das Land Zenta behalten, und
das heutige Bosnien nebst dem Theile Dalmatiens
diesseits Scardona in sich gefaffetzu haben. Vielleicht
aberwar die südöstlicheHälftedieses Landes dieProvinz
Illyrien ). Jene Provinz (Dalmatien)hatte einen
Präses, und diese einen Comes, der zehntausend Fuß
gängern vorgesetzet war. Der östliche Theil des heu
tigen Dalmatiens führte noch einen alten Namen
Liburnien,vermuthlich als eine abgesonderteProvinz.
Die Präsidialprovinz Mösta secunda k), oder die
heutige Bulgarey vom Vidukusfluffe biszu der dobru
zischen Tartarey, hatte eine Hauptstadt Marcenopoli,
und sechs untergeordneteStädte, Odyffus, Doroto
lum (Silistria), Nicopolis (Effy Stambol), Novi
oder

1) Vom dalmatischen PräfesDalmatiä findet sich nur das


Officium, und vom illyrischen Comes das Verzeichniß
feiner Besatzungsvölker in der Notitia Occidentis S.
183, 184. Von Liburnienfindet man Beschreibungen
aufder Tabula Peutingeriana in Op. Welserip. 743,
und im fogenannten Anonymus Ravennatenis hinter der
gronovianischen Ausgabe des Pomponius Mela S.
779. Der Anonymus gedenkt einer Liburniä Carfati
censis, und verschiedenerStädte dieser Provinz. Allein
man kann ihn nicht als einen Gewehrsmann gebrau
chen, weil er wenigstens 4Co Jahr nach Constantinus
lebte, und fein Werk aus alten und neuen Schriften
mit der größefen Unachtsamkeit zusammenschrieb.
Seine Beschreibungen von Dacien und Valerien dienen
-
zum Beyspiel feiner großen Unwiffenheit. S. Hiero
nymus fagt vonfeinem Geburtsorte Stridon, es fey
in Pannonien an der Gränze von Illyrien gelegen.
Hieraus scheint zu erhellen, daß Dalmatien damals
auch Illyrien genannt fey.
k) Hierocles p. 636. Notit. Or.p. 102. -
144 - XXXIII. Buch. Aelteste
oder Theodofiopolis, Appiaria an der Donau, und
die Seestadt Ebraittus. Der Ister war durch achtzehn
Festungenverwahrt, welche untereinem besondern Dur
vertheidiget wurden. Dieser Dur besorgte auch die
Vertheidigung zweyer Gränzfestungen am Gebirge
Viamata und Drasdea in Thracien, ingleichen der
SchanzeUlcitra in Rhodope, und der kaiserlichen Han
delsschiffe aufdem Ister. Die nächste und letztePro
vinz Scythien oder die dobruzische Tartarey, hatte
eine Flotte von 125 Küstenbewahrerschiffen im schwar
zenMeere zu Platypegium). Die Städte dieserPro
vinz, Tomi, Dionysopolis, Akra, Kallatis, Istro
polis(Carahirmen), Constantiana, Seldepa, Tro
päus, Ariopolis, Kapidava - Karus, Trosmis,
Noviodunum, Auleffius und Almyris fanden unter
einem Präses, und die darinn befindlichen 22 Befa
zungen unter dem Dur Scythiä. Diese betrugen
7oo Reuter und 9000 Fußgänger.
Geistliche Ver Der weltlichen Verfassung setzte Constantinus der
faffungin Illy
rien. Großediegeistliche an die Seite m), und diesewurde
zufällignachjener eingerichtet. Schon die heidnischen
-
Kaiser waren unmittelbare Auffher der Diener ihrer
Religion, und wie es scheint, behieltConstantinus als
Christ das Amt eines Pontifex Maximus bey, um
eine größere Gewalt über die heidnischen Priester und
gottesdienstlichen Personen ausüben zu können. Illy
rien im weitern Verstande hatte einen sehr zusammen
gesetzten Götzendienstgehabt. Denn dain selbigem
griechische, phönicische, deutsche und andereKolonisten
mit den Römern und alten Einwohnern vermischt wa
ren, so verehrte man in diesem Lande lateinische, grie
-chische,
1) Hierocles 1. c. Notit. p. 100.
n) Fuftinianus gebraucht in der eilften Novella den
Ausdruck, Sirmium fey Faltigium Illyrici in civilibus
et episcopalibus cauflis gewesen.
HungarischeGeschichte. 145
chische, ägyptische und andere sonst unbekannte Gö
zen n). DieverschiedenenGötterlehren widersprachen
fich, und erregten Zweifel, die jeden nachdenkenden
Menschen beunruhigten. Daher waren die Illyrier
sehr geneigt, den Predigten der christlichen Lehrer Ge
hör zu geben. Schon der Apostel Paulus kam zu
den eigentlichen Illyriern undzuden Dalmatiermo),
und fand zwischen Dalmatien und Jerusalem überall
zahlreiche Gemeinen, die durch andere Jünger des
Heilandes bekehret waren, von ihm aber vermehret
wurden. Aufder andern Seite befichten vielleicht die
ApostelPhilippus und Andreas illyrischeGegenden.
Denn

n) In den dacischen Inschriften findet man die Isis,den


Serapis, den Apollo Grannus, eine Sirona Dea, und
einen Deus Sarmandus. Hr. Seivert Infeript. Monum.
Rom. in Dacia mediter.p. 93, 1 19, 17c. Bey Den
fus im hadzecker Thal ist ein kleiner Tempel von fon
derbarer Bauart vorhanden, der, gleich einer Kirche,
fein ausgebauetes Chor mit der Blende für den Götzen,
fein Schaf, und eine Sakristey hat. Im Schiffe ist
anstatt des Altars ein Heerd zwischen vier Säulen, an
welchen einige Epitaphien gesetzt sind. Auch fehlt es
nicht an einem Thurm, der eigentlich der Schornstein
des Heerdes ist. Dieser Tempel oder Kapelle ist von
einem Schreiber der Kolonie Sarmiz im dritten Jahr
hunderte errichtet, und in des Freyherrn von Hohen
haufen Alterthümer Daciens S. 108 abgebildet und
beschrieben worden. Jeder Tempel hatte seine eigen
thümlichen Güter und Lander, die unter der Aufsicht
und dem Schutze des Kaifers und feines Magistri Re
rum privatarum waren. Constantinus scheint diese
Güter confiscirt zu haben, und Honoriusgab ihre Ein
künfte christlichen Kirchen. Pancirolus ad Notit. Imp.
Orient.p. 56. Man fiebet aus diesen Bemerkungen,
daß die illyrischen christlichen Gemeinen vieles von der
. heidnischen äußern gottesdienstlichen Verfassung bey
behalten.
o) II Timoth. IV, 10. Römer XV. 19.
AllgemweltgXVB.I.Abh. K
146 XXXIII. Buch. Aelteste
Dennjener hat, wie man will, den Scythen jenseits
des Isters, und dieser den Scythen in der Provinz
diesseitsdes Isters, wieauchden Thraciern,das Evan
geliumgepredigtp).ZudesTertullianusZeithatte sich
das Christenthum auch unter den Sarmaten, Daciern,
Germaniern undgewissenScythen ausgebreitet,welche,
wie es scheint, diejenigen waren, die in Hungarn,
Siebenbürgen und Moldauwohnten. Die neuen Ge
meinen errichteten eine Gemeinschaft der Güter und -
eine Almosencaffe. Diese erforderte Auffeher, Ver
wahrer der Gelder und Bediente, außer den Lehrern
oder Aposteln; und aufdiese Art entstand,fast gleich
mit dem Christenthume, die erste Anlage zu einer ab
gesonderten Collegialverfaffung. Die Lehrer und
Vorsteher waren denheidnischen Kaisern undihren Be
dienten bekannt, und wurden öfters bey den schwersten
Verfolgungen niedrigerer Christen verschont, vielleicht
weil man nur die Absicht hatte, dem Uebergewichte
der christlichen Religion zuvorzukommen und die Ge
meinen in einer solchen Verfaffung zu erhalten, daß
durch fieldie herrschende oder Staatsreligion nicht um
terdrückt werden konnte. Die Gemeinen größerer
Oerterwählten einen Aeltesten, unddiese Aeltestekamen,
wenn Mishelligkeiten undZweifelbei ihnen entstanden,
zusammen, und hielten Synoden. Man gewöhnte
fich, dem Auffeher oder Bischofder Gemeinen einer
Metropolitanstadt in solchen Versammlungen eine
vorzügliche Ehre zu erweisen, und öfters bei einer
Gleich
p) Martyrolog. Rom. 1. Mai. 30 Nov. Eufbius Hit.
Ecclef L. III. c. 1. der sich aufdie ältern Schriften des
Origenes beruft. WicephoriCallfli H.Ecclef II. 3. Des
Apostels Philipps illyrische Mission bleibt verdächtig,
wie schon in G. Q. H. Commentatione de Propagatione
Lucis EvangeliSeculi natiChr. I. apudMajoreshodier
norum Hungariae incolarum, Wittemb. 1753.p. 22
fequ. bemerkt ist.
Hungarische Geschichte. I47

Gleichheit der Stimmen seinem Gutachten beizupflich


ten. Man überrechnete diese Stimmen nach den
Provinzen und Diöcesen, und veranlasfetedadurcheine
allgemeine Verbindung, odereine christliche Kirche,
die ihre gewissen und bestimmten Abtheilungen nach
dem Maasstabe der römischen Reichsverfaffungunver
merkt erhielt. -

So fandConstantinusderGroße die christliche


Verfaffung, als er sich für die christliche Religion er
klärte, und genehmigte selbige. Er verlieh den Bi
schöfen eine gewisse Art von Gerichtsbarkeit oder
eine höchste InstanzüberGeistliche, welche vonbürger
lichen Richtern an sie appellierten q). Er legte den
Schlüffen ihrer Versammlung eine verbindende Kraft
bey, führte in diesen Zusammenkünften selbst den Vor
fitz, und bezeigte sich gegen die Bischöfe auf eine sehr
herablaffende Weise, die ihnen einen Vorzug vor den
vornehmsten Staatsbedienten zu geben schien. Er er
laubte, die Kirchen und geistlichen Aemter im Testa
mente zu bedenken, hob zum Vortheil einiger Geistli
chen, welche aus Andacht den ehelosen Stand erwähl
ten, wie auch in Rücksicht aufdie Einsiedler und
Einsiedlerinnen, die zu dieser Zeit schon vorhanden
waren, das alte Strafgesetze gegen das uneheliche
Leben auf, und erklärte die Geistlichen überhaupt für
feuerfrey r). Die Bischöfe einer Provinz traten nun
in eine engere Verbindungmiteinander, und machten
K 2 in

q) Sozomenius L. I. c. 9.
r) Auch vom Zoll und Waarenabgaben wurden die ban
delnden Geistlichen befreyet, damit sie durch den Handel
sich ernähren, die Kirche bereichern, und Almosen für
Arme erwerben könnten. Die Kaiser fchränkten diese
Freyheit nachher im occidentalischen Illyrien aufzehn
Solidos ein. Sogar Bischöfe mußten sich vom Han
del in den ältesten Zeiten zu erhalten suchen. L. II.C.
Theod. de luftrali collat. c't Comumentar, ad h. l.
148 XXXIII. Buch. Aelteste
in jeder Provinz ein besonderes Collegium unter dem
Vorsitze des Bischofs der Metropolis aus. Meh
rere Provinzen hielten sich zu dem Bischof, der in der
Hauptstadt der Diöces wohnte. Dennoch unterwarfen
fie sich diesem Diöcesmetropolitan oder Primas nicht
als einem Vorgesetzten, sondern ließen ihm nur die
Direction der Provinzial- und Diöcessynoden, und
die Würde eines Ersten oder Vörderten ihrer Ver
fammlung. Wahrscheinlich war in Illyrien in jedem
der oben angegebenen Hauptörter ein Bischof, so wie
in jeder Metropolis ein Metropolitan vorhanden s).
Im mittleren Dacien war zu Sardica, im ersten
Mösien zu Viminiacum, in Dardanien erst zuSkupi
darnach zu Justinianeaprima,in PrävaliszuSkutari,
in Pannonia prima und Noricum zu Lorch, im
zweiten Pannonienzu Sirmium, in Mösia fecunda
zu Marcianopel, und in Dalmatienzu Salona der
SitzeinesMetropoliten;undBischöfe fand man,ver
möge gültiger Urkunden, zu Remesiana in Dacia
-
- mediter

s) Vom Metropolit Anomius wurde 381 auf einem Con


cilio der Ausdruck gebraucht: Caput Illyrici non nifi
civitas est Sirmium, ego Epifopusillius civitatis. Von
Lorch oder Laureacum hat man eine Diöcesgränzlinie,
die durch Hungarn, Mösien undLiburnien läuft,allein
neu und verdächtig ist. Pez Script. Rer. Auftr.T.I.
p. 1297. P. Hansiz bemerkt in der Geschichte von
Laureacum oder in dem 1. TheilfeinerGermaniae facrae,
daß zu der Diöces Lorch der Bischof von Tenrniaoder
Liburnia, von Scarabantia, Curta und Carpis an
der Donau in Pannonien, zu Petau in Steyermark,
zu Stridon an der Drau, zu Miurfa, zu Sabaria,
zu Siscia oder Siffek, und zu Cibalis zwischen Mura
und Sirmium gehört habe; allein er gestehet nachher
im Corollario,daß einzureichenderBeweis in Betracht
der meisten dieser Bischofthümer fehle. Auch ist es
noch nicht ausgemacht, daß zu Sabaria und Scara
bantia ein Bischofgewesen ist. Melch. Inchofer in
-

SCC1E
Hungarische Geschichte. 149

mediterranea,zuSingidon in Mösien, zuDorakion


in Prävalitana, zu Durazzo und Bullis bey Apol
lonia in Neuepirus, zu Siffek und Petau im alten
Kroatien, zu Stridon dem Vaterlande des H.Hie
ronymus t) imzweitenPannonien, zuBaffianaund
zu Miurfa bey Effek in Valerien, undzu Tomi am
schwarzenMeere in der Provinz Scythien. Der letzte
dieser Bischöfe war der einige der gesammten feythi
fchen oder gothischen Nationen, ohngeachtet in seinem
Lande mehrere große und zu Bischofssitzen bequeme
Städte lagen, und er fand weder mit einem andern
Bischofe, noch mit einer andern Provinz, oder auch
mit der Diöces in Verbindungu). Der Metropo
lit der illyrischen Diöces wohnte bei dem Präfectus
Prätoriozu Sirmium, bis daßdiese Stadt von den
K3 Hun
ecclefiaft. Regni Hungariae Romae 1644. T.I. p. 62.
glaubt auf des Bruschius Versicherung, daß fchon
Kaifer PhilippusLorch mit großen Landgütern beschenkt
habe. An andern Orten findet man ein Decretum des
Pabsts Cornelius vom Jahr 254 mit Unterschriften
eines Episcopi Sirmi,Cibalis, Carpis, Curtae,Sileiae,
Braegetionis,welches aber nicht überall als ächt erkannt
wird. Die von mir angeführten Bischofthümer find
fast alle nachher von Hunnen und Deutschen vertilget.
t) Inchofer 1. c.p.79. Der Ort heißt jetzt Strigova
und besteht aus den, zu einem Paulinerkloster gehöri
gen Gebäuden, ohnweit der Drau in Sclavonien. Ein
DomnusStridonenfis ex Provincia Pannoniae war auf
dem nicänischen Concilio. Es ist merkwürdig, daß der
Urheber der ältesten lateinischen und deutschen Bibel
übersetzung, Hieronymus und Ulfilas, beyde in Illy
rien geboren sind. -

u) Sozomenus Hit. ecclef VI.21. Brettius, Bischof


der Scythen zu Tomi, wagte es, den arianischen Kai
fer Valens von dem h.Abendmahle ''
Er ward dafür zwar abgefetzet allein weil das Volk
ihn ungerne vermißte, und Anstalt zur Empörung
machte, fomußte Valens ihn wieder zurückrufen.
150 XXXIII.Buch.Aelteste
Hunnen zerstört ward. Nach diesem Unfalle begab,
sich der Präfectus nach Thessalonich, und daher nahm
der Bischofvon Thessalonich die Veranlassung, sich
des illyrischen Metropolitenamts anzumaßen, und die
Vorrechte des firmischen Primats über die Bischöfe
der Provinzen Dacia mediterranea, Dacia ripenfis,
Möfa fecunda, Dardania, Prävalis, Macedonien
und Pannonia fecunda v) auszuüben, welche vorzüg
lich inder Weihung der Bischöfe, und Beylegungder
Zwistigkeiten zwischen Bischöfen unter sich und mit
ähren nachgeordneten Geistlichen, befanden. Diese
Vorrechte behielt der Bischofvon Thessalonich bis
zum Jahr 35, in welchem Kaiser Justinianus die
vorgedachten Provinzialbischöfe an einen neuen Metro
politen und Erzbischofverwies, den erzuAchrida oder
Justinianaprima verordnet hatte. Die Bischöfe über
haupt folgten den Heeren der Kaiser, und sorgten für
den Unterricht derer Heiden, die zur Unterhänigkeit
gezwun

v) In Pannonia fecunda hieß die Stadt des Bischofs,


der hierher gehörte,Bacenfis Urbs, das ist (vermöge
des Hieroeles) Baffana. Die Stiftung des Erzbi
fchofthums Justinianea, welches in Dardania lag,und
eines neuen Erzbischofs zu Aquis in der Provinz Dacia
. Ripenfis, die zuvor dem Bischof in Mittelthracien und
tergeordnet war, ist in der 11. und 131 Novelle ent
balten. Es fehet darin der Ausdruck: primae Iulti
nianeae facrofančius antiftes non folum metropolitanus
fed etiam archiepiscopus fiat. Dieser Erzbischofbekam
alle diejenigen Rechte über feine Bischöfe, die derPabst
zu Rom über feine Provinzialbischöfe hatte, und wurde
von feinem eigenen Concilio geweihet. Er war also
unabhängig, und fand unmittelbar unter dem Kaiser.
Dennoch suchte der Pabst nachher eine Oberaufsicht
über ihn oder seine Provinzen zu erlangen, und trug
die Verwaltung feiner angemaßten Geschäfte in den
justinianeischen Provinzendem Bischofvon Thessalonich
auf,der sich daher einen Eparchen nannte.
-

Hungarische Geschichte. 151


gezwungen waren. Aufdiese Weise wurden die Scy
then, Thracier und Sarmaten bekehret, fo bald fie
von Constantinus dem Großen überwältiget waren.
Oefers wurden einzelne Bischöfe durch Landesverweis
fungenzum Missionsgeschäfte gebracht, wie zum Bey
spiel Andius ein Mesopotamier, der wegen einer Irr
lehre im Jahr325 indas römische Scythien verbannet
wurdex), daraufüber die Donau in das alte Dacien
oder in Siebenbürgen und in die Moldau gieng, und
in selbigem nicht nur gothische christliche Gemeinen,
sondern auch Versammlungen vonFrauen,die sichzum
ehelosen Leben und gemeinschaftlichen Gebet verpflich
teten, übrigens aber weltliche Geschäfte trieben, errich
tete. Zuweilen wagten sich eifrige Missionarien auch
in freye Länder, so wie amEnde des vierten Jahrhun
derts UNicetas, ein dacischer Bischofaus Romantia
oder Remefiana that, welcher beyde Dacien, die Ge
then oder Gochen, die Scythen und die Beffery)
zum Christenthum brachte, oder vielmehr die letzten
heidnischen Glaubensgenoffen in Siebenbürgen, Wa
lachey und aufden thracischen Gebirgen zuder christ
lichen Kirche zog. Dieser Mann erbauete eine merk
würdige Kirche mit vier abgesonderten Kapellen, und
ließ in diesen zu gleicher Zeit den Gottesdienst in befi
fcher, armenischer und griechischer Sprache ver
richten. -

Die christliche Religion schien durch diese Veran Arianische


-

.
staltungen dasUebergewicht über alle heidnische Sekten
zu erlangen; allein es entstand in dem Innern ihrer
Kirche eine gefährliche Irrlehre, die plötzlich wuchs
und sie beinahe unterdrückte. Arius, der Urheber
derselben, lehrte, als Presbyter zu Alexandrien in
K4 Aegy
z) Epiphanius adverf haerefes L. III. c. 14.
y) Timonis Imago antiquaeHungariaep.76. PagiTII.
ad Baron. An. Eccl. an. 316.
152 XXXIII.Buch. Aelteste
Aegypten, daß der Heiland nicht wahrer Gott, son
dern eine erschaffene Kreatur fey; und da sich bey ihm
derVorzug einer hinreißenden Beredsamkeit mit einem
wohlgebildetenKörper, mit einer edlen Bescheidenheit,
Leutseligkeit und scheinbaren Frömmigkeit vereinigte,
fo gelang es ihm viele Schwache zu hintergehen.
Seine Absicht war nach dem Jahre 3 13, feinen Bi
fhofzu stürzen, und sich aufdesselben Stulzu drän
gen; und es gelang ihm, verschiedene asiatische Bi
fhöfe auf seine Seite zuziehen,ohngeachtetdie Synode
feiner Provinz feine Lehre im Jahr 320 verdammete,
und ihn in den Bann that. Der KaiserConstantinus
beriefzueinerUntersuchungseinerSätzenachvierJahren
daserste große allgemeine christliche Conciliumzu
Nicäa, welches die arianischen Lehren gleichfalls ver
warf,und nahm einigen Geistlichen, die den Schluß
der Versammlung nicht unterschreiben wollten, ihre
Aemter. Die Arianer fanden aber Gelegenheit, seine
Schwester aufihre Seite zu ziehen, und diese machte
J. Chr.330. auf ihrem Todbette auch ihn selbst zum Freund des
Arius. Die Folge von dieser Begebenheit war, daß
alle Verwiesene ihre Aemter wieder erlangten, unddaß
die Macht der christlichen und arianischen Geistlichen
fast gleich wurde, weil die Unterstützung des Kaisers
den Vortheil der mehrern Stimmen ersetzte, welcher
- -
aufder Seite der christlichen Parthey bisher gewesen
. . . .", war. Das Haupt der Christen, oder der Bischof
J. Chr. 336. Athanasiusvon Alexandrien, ward nach Trier verban
net; allein noch in selbigem Jahrevon dem sterbenden
Ihr
May. 337 Kaiser wieder zurückgerufen. Arius kam kurzzuvor
um das Leben. Allein fein getreuester Freund, der
Bischof Eusebius von Nicodemien, sorgte für die Sie
cherheit seiner Sekte. Athanasius ward abermals
vertrieben, und wieder zurückgerufen. Man veran
3. Chr.,faltete zu Sardica in Ulösten ein Concilium,
/
welches
Hungarische Geschichte. 153
welches sich für den Athanafius erklärte z). Aber
dennoch wurden die arianischen Lehren an der Donau - --
fast herrschend. Der Bischofvon Sirmium Photi- …"
nus vermehrte sie mit neuen Muthmaßungen; allein -

nicht nurdie Christen, sondern auch die vornehmsten


arianischen Bischöfe in Illyrien, nämlich Urfatiuszu
Singidon und ValenszuMursia, erklärten aufdem
Concilio zuSirmium seine Sätzefür unrichtig. Seit3. Chr. zzo,
dieser Zeit war ein steter Krieg zwischen den Christen 357 359. -
und Arianern, und man hielt in Sirmium nochzwey
geistlicheVersammlungen,vonwelchendieerstezumVor
theil,diezweyte aberzum NachtheilderArianer ausfiel.
Der Kaiser Constantinus theilte seine M70-J. Chr. 35.
narchie zwischen drey Söhne Constantinus, Con- ä
fantius und Constans, und zwey Enkel, Flaviusferthun.“
Delmatius und Hannibal. Den letztern bestimmte -
er Thracien, Macedonien und Achaia; dem Constan
tius dasMorgenland und Aegypten;demConstantinus
Spanien,Gallien und Britannien; und demConstans
Illyrien, Italien und Afrika. Constantius tödtete J. Chr. 37.
die Enkel, nahm Niedermösien, Thracien nebstKon
fantinopel, unddie asiatischen Provinzen für sich, und
überließdem Constans Italien, Osien außer derPro
consularprovinz, Griechenland, Illyrien, und das
Land am schwarzen Meere. Diese Theilungmisfiel
- K 5 dem

z) Manf de Epochis Sardicenf. et Sirmenf ConciliT.


III.Concil. 1759. p. 87. Dasfardische Concilium ist
wegen des Vorzuges merkwürdig, den die Freunde
des Athanafius, um ihndurch den damaligen Primas
von Rom zu retten, dem Stul zu Rom beylegten,
Der Primas oder Pabst sollte nämlich Klagen gegen
Bischöfe aus der ganzen Christenheit annehmen und
entscheiden können. Diese Satzung kam nicht in Wir
kung. Dennoch machten die Päbte im Anfange des
fünften Jahrhunderts einen Versuch, sie gültig zumas
chen, welchesihnen aber damals noch nicht gelang,
154 xxxIn Buch. Aelteste
dem älteren Bruder Constantinus; allein er kam, als
J. Chr. 34a. er Italien und Africa erobern wollte, um, und Con
"3. Chr. 350. fans erbte seine Länder. Dieser Prinz wurde nach
zehn Jahrengleichfalls getödtet, und Constantinus
vereinigte das orientalische und occidentalische Reich,
nachdem er zwei Rebellen oder Gegenkaiser besiegelt
hatte, nämlich den Veteranius in Pannonien, und
--
den Magnentius bey Siscia und Mura.
Jazvgisch-qua Nach einer Ruhe von etwa sechs Jahren, die auf
dische Einfälle diese bürgerlichen Kriege folgte, ward Pannonien
in Illyrien.
abermals in Brand gesetzeta). Denn einigeQuaden,
welche sichzu Zinsherren der sogenanntenfreien Jazy
gen oder Sarmaten gemacht hatten,verabredeten mit
diesen einen Zug über die Donau, brachen selbst in
Valerien ein, und ließen die Sarmaten in Obermölien
J.Chr. 357. und Pannonia fecunda streifen. Beide Völkerschaft -
ten verstanden sich aufden Krieg dieser Art sowohl,
daß sie ohne großen Verlust diese Provinzen ausplün
derten und einäscherten. DerKaiser eilte ihnen aber
im Junius entgegen, und trieb fiel nach einer beträcht
lichen Niederlage über die Donau zurück. Dieses
hielt sie nicht ab, sobald die Donau gefroren war, einen
neuen Versuch zu machen. Auf diesem Zuge verei
nigten sich beide Nationen, die ohnehin einerley Waf- “
fen führten b), und aufgleiche Weise zu fechten ge
wohntwaren. Sie gebrauchtennämlichlangeSpieße,
und ritten wohlabgehärtete und schnelle Wallachen.
Ihren Leib setzten sie durch einen sonderbaren Harnisch
außer Gefahr; denn sie befestigten aufein dickes leine
nesKleidgeschabte undgeglättete Blätter von Hornfo
geschickt, daß sie gleich Schuppen oderFedern überein
ander lagen, und kein Gewehr haften ließen. Der
(QEP

a) Am. Marcellinus XVI. 10. Mafov VI. B. S.247.


b) Am. Marc. XVI. 12. Hr. Severini Comment. de
Vet, incol. Hung.Cisdanub. p.33 fqu.
Hungarische Geschichte. 155
Kaiser war damalszu Sirmium, und fuchte sie im
Frühjahre nicht nur mit einem Heere auf, sondern
drang auch, nachdem er bei Buda eine Brücke über
die Donau hatte schlagen laffen, in dasGebietder Ja
zygen oder Sarmaten ein. Diese entwichen in unzu.
gängliche Moräfte, und erhielten von den Quaden,die
jenseitsdem Gebirge in Mähren und dem österreichi
fchen Marchthale wohnten, Hülfe; allein sie wurden
abermals besieget, und mußten nebst den Quaden sich
derGnade desKaisers unterwerfen. Diesesgeschahe,
wie es scheint, im Lande der Quaden, und die Ver
mittler waren Araharius, Anführer oder Fürst der
gebirgischen Quaden, und Usafer,der Obriste eini
ger Sarmaten. Die Quaden entsagten ihrer farma
tischen Zinsherrschaft, undversprachen, künftig getreue
Bundesgenoffen aller Römer zu feyn. Die besiegten
Sarmaten gehörten zu denen Jazygen, die, wie oben
bemerkt ist, von ihren Knechten oder den Sarmatis
limigantibus vertrieben, und von den Römern in
Schutz genommen waren. Daher wurden sie jetzt als
Unterthanen behandelt, ohngeachtet die nordlich unter
Waizen außer der römischen Gränzlinie damals wohn
ten, und ihre erste Zuflucht zu denVictovalen, einer
gothischen Nation in Dacien,genommen hatten. Sie
mußten sich verpflichten, stets die Angesehensten ihrer
Nation als Bürgen ihrer Treue am Hoflager desKai
fers zu unterhalten, undbekamen einen versuchten und
treubefundenen Feldherrn ihrer Nation, Zizaim,zum
König. Der Kaiser wandte sich, nachdem er diesen
eingesetzet hatte, nach Bregetio, in der Gegend von
Komorrn, und es folgtenihmdie Gesandten der weiter
entlegenen Quaden, nämlich Vittodurus, der Sohn
des Königs Viduarius, und Agilmundus, einStatt
halter (Subregulus). Diese traten dem Bündniffe
der übrigen Quaden bey, und beschworen es durch
denfeierlichsten Eid, den sie aufihre Schwerdter ab
legten.
156 XXXIII. Buch. Aelteste *.

Die Sarntat legten. Nunmehr entschloß sich der Kaiser, auch die
limigantes
Werden vertil Sarmatas limigantes zu demüthigen; und diese,
get. die zwischen der Theyß, Donauund Marosch sich aus
gebreitet hatten, wagten es, ihm über die Theyß ent
gegen zu gehenc). Dieseswar sehr unvorsichtig; denn
fie entblößten dadurch ihr Land gegen Osten und Nor
den, und ihre alten Herren, oder die römischen Sar
maten, und die Taifalen bedienten sich der Gelegenheit,
vielleicht aufVeranstaltungdesKaisers, aus selbigem
Beute zu holen. Zugleicher Zeit überfiel sie derKai
fer, und verfolgte sie, da sie flohen,über die Donau.
Sie retteten sichzwar in die Moräfte der Theyß; allein
die Römer setzten, zum Theil auffarmatischen erbeu
teten Kähnen, über die Donau, und griffen fiel von
zweyen Seiten an, indem ein anderer Theildes Heeres
ihre Dörfer jenseits dem mösischen Ufer einäscherte.
DiesesUnternehmen kostete den mehresten Anicenfern
oder insularischen Sarmaten das Leben, und eine Folge
deffelben war die Ueberwältigung der übrigen knechti
fchen Sarmaten, oder der Picenfer, die an der
Donauzwischen Belgrad und Uipalanka, und nördli
cher am Gebirge Bike im orovaer Districte anfäffig
gewesen waren. Der Ueberrest dieser knechtischen
Sarmaten mußte den alten Eigenthümern das Land
abtreten, und ward von dem Kaiser in eine andere
J. Chr. 358. Donaugegend versetzet. Diese war öde. Daher
glaubten die neuen Kolonisten berechtiget zu feyn, fich
J. Chr., 359. durch Raub zu erhalten. Der Kaiser begab sich, fo
bald er ihre Streifereyen vernahm, mit einem Heere
nach Acimincum in der Gegend von Salankemen, und
forder
c) Mafioo a. O. S.255. Nordöstlich gränzten sie an
die Taifalen, die zu den Gothen gehörten, wahrschein
lich bey Temeswar, wie Hr. von Jordan glaubt, wel
# aber Hr. SeveriniCom.histor.p.34. in Zweifel
ziehef,
Hungarische Geschichte. 157
forderte sie vor feinen Richterful. Sie erschienen,
entschuldigten fich, und baten um Aecker innerhalb den
römischen Provinzen. Diese sollten ihnen verwilliget
werden; allein einige von ihnen brachten durch das
farmatische Feldgeschrey Marrha den ganzen Haufen
plötzlich in Wut, und fürmten von allen Seiten auf
den Kaiser und dieRömer ein. Diese griffen noch ge
schwind genug zu den Waffen und fiegten, und die
aufrührische Nation ward entweder ermordet oder zu
Knechten gemacht, überhaupt aber gänzlichvertilget.
Eine andere und gefährlichere Empörung unternahmen
bald nachher die römischen Besatzungen zu Sirmium J. Chr. 360.
und Bononia, in der Absicht den Gegenkaiser Julia
muszu unterstützen. Diese ward aber nicht bestraft,
fondern belohnt, weil Constantinus in Cilicien starb,
und Julianus fich aufdem Thron behauptete.
Dem Julianusfolgte Jovianus, ein Mötieraus J. Chr. 363.
Singidon; denn die illyrischen Provinzen waren nun "
seit Jahrhunderten im Besitz des Rechts, der größerten stantinus ii
Monarchie der Welt Regenten zu geben. Nachdem"
dieser Herr schon im ersten Jahre seinerRegierungver
storben war, verhalfman dem Präfectusder zweiten
AbheilungderScutariorum, Valentinianus,einem
Pannonier aus der Stadt Cibale, zu dem Kaiser
thum. Dieser Mann, der zu sehr dem Wohlleben
ergeben, und in Staatswiffenschaften fast gänzlich un
erfahren war, nahm seinen Bruder Valens zum Au
gustus an, überließ ihmzu Mediana, ohnweit Naiffus J. Chr. zó4.
im mittlern Dacien, Asien, Aegypten und Thracien
nebst Mölia secunda, und behieltfür sich die Präfektur
der Stadt Rom, und die Prätorialpräfecturen Gal
lien und Italien, nebst der illyrischen Vicarey, oder
den drey Pannonien, Valerien, Dalmatien und No
ricum. Valens übertraf denKaiser noch anUnwissen
heit, und an Neigung zur Tyranney,die er vorzüglich
gegen die Rechtgläubigen ausließ; denn er giengin
feinem
158 XXXIII. Buch. Aelteste
seinem Eifer für die arianische Sekte so weit, daß er
J. Chr,37o. einst achtzigBischöfe und andere Geistliche, die, um
ihm Beschwerden gegen arianische Verfolger vorzutral
gen, vonden Orthodoxen an ihn gesandt waren, auf
das hohe Meer führen und mit dem Schiffe verbren
nen ließ. Die niedrige Herkunft dieser beyden Kaiser
verursachte unter dem Volke ein Murren, und ein ge
wiffer Procopius, ein Vetter des Kaisers Julianus,
nahm daher Gelegenheit sich den Kaisertitel beizule
gend). Dieser Prinz fand Zulauf, und dang ein
westgothisches Heervon 3ooo Mann, welcheszu ihm
über die Donau kam. Allein das Glück war ihm
nicht günftig; denn er ward im achten Monat feiner
Herrschaft gefangen und getödtet, „und die Gothen,
welche insgesamt in die Gewalt des Kaisersgeriethen,
mußten sich in entlegene Provinzen des Reichs ver -

Römisch-west
gothische Krie theilen laffen. Westgothland, oder das trajanische
ge in Dacien, Dacien,hatte damals drey regierende Nationen, die
aber insgesamt dem westgothischen Oberkönige Athana
rich unterworfen waren e), nämlich die Talifalen in
Siebenbürgen, die Victofalen in der Moldau, und
die Thüringer in der Walachey. Der Oberkönig
war völlig frey, gehorchte dem ostgothischen Könige,
deffen Reich jenseits des Dneesters an das feinige
gränzte, nicht mehr, undhatte sehr viel Ruhmbegierde
und Neigung zu kriegerischen Unternehmungen. Er
fuchte daher Gelegenheit im römischen Reiche einen
Lorbeerkranz zu erlangen, und forderte in dieser Ab
ficht die aufgehobenen gothischen Hülfsvölker des Pro
". Chr. 367.
copius zurück f). Der Kaiser Valens schlug fein
Begehren ab, zogihm im Frühjahr über einer Schiff
brücke bey Daphne ohnweitBrakilow in der Bulgarey
entgegen, fand das Land verlaffen und vonEinwohnern
- Ents

d) Mafov a. O.VII.B. S. 25g.


e) Eutropius XVIII. 2.
f) AmmianusMarcellinus XXVI. c. 6.
- Hungarische Geschichte. 159
entblößt, gieng, nachdem er viele Wohnungen ein
geäschert hatte, über die Donau zurück, und lagerte
fich bey Marcianopel. Im folgenden Jahre hinderte
ihn das Auffchwellen der Donau, abermals einen Zug
zu unternehmen. Allein im dritten Jahre vollführte I. Chr. gs,
er feinen Vorsatz, nachdem es ihm gelungen war,fein
Heer bey Noviodunum am kulugherischen See über
zuschiffen. Er gerieth etwa funfzehn Meilen weit
nordlich der Donau aufein HeerGreuthinger,welches
er in Scharmützeln so sehr schwächte, daß der König
Athanarich sich eilfertig in die moldauischen Gebirge
zog. Der Kaiser begab sichnachMarcianopel zurück,
und erhielt eine Gesandtschaft von einem Feinde, der
nun um Aussöhnung bat. Zu dieser war er nicht un
geneigt, weil der gothische Krieg nicht wohl durchdie
Waffen alleingeendiget werden konnte. Daher hat
er Vorschläge, die der gothische König sogleich an
nahm, ohngeachtet fiel ihm nicht vorheilhaft waren.
Die Gochen verloren nämlich durch selbige die kaiserli
chen Kornlieferungen oder Subsidien. - Ihr Handel
ward eingeschränkt und nur in zweyen Städten zuge
laffen, und der Uebergang über die Donau wurde
ihnen gänzlich untersagt. Das letzte war schon unter
dem K. Constantinusgeschehen, und Athanarichs Va
ter hatte sich eidlich verpflichtet, niemals über die
Donau zu kommen. Dieser Schwur erregte jetzt ein
Hinderniß bey der Vollziehung des neuen Friedens
fchluffes; denn Athanarich war zu gewissenhaft, um
ihnzu brechen, und sich bey dem Kaiser einzufinden.
Man hob es aber dadurch, daß beyde Monarchen die
Handlungin zwei aneinander gehängten Schiffen auf
der Donau lebt vornahmen. Der Kaiser erhielt auf
diesem Zuge eine Kenntniß von den Ursachen der ab
nehmenden Macht der römischen Monarchie an ihren
europäischenGränzen; denn erfand, daßConstantinus
des Großen heilsame Anordnungen nicht beobachtet
- - waren,
160 XXXIII, Buch. Aelteste
waren, daßdie Festungen am Donauufer nichts taug
ten, daßdie Befehlshaber oder die Präfecti und Cen
turiones inKaufleute und Sklavenhändler ausgeartet
waren, daß die Soldaten beurlaubt wurden und als
Handelsleute, Krämer und Räuber im Lande umher
reiteten, und daß die kaiserlichen Bedienten das Geld
zur Ausrüstung unterschlugen, und den Soldaten we
der Kleider noch Waffen gaben. Alles dieses ward
mit Schärfegeahndet und geändert. Jeder Ort bekam
feine vollzählige Besatzung. Die Mauern der alten
Schlöffer wurden verdickt und erhöhet. Die Anzahl
der Festungen ward vermehrt. In denfestenPlätzen
wurden großeMagazine, Cisternen und Wafferleitun
gen angeleget, und zur Erleichterung der Zufuhre
mußten einige Seehafen neu ausgebauet werden.
GothischeChri Der König Athanarich wurde nicht sowohl durch
fen, und deren die kaiserlichen Verheerungen seines Landes, durch die
Verfolgung.
Schlacht und durch die Unterbrechung des Handels
mit den Römern, der seiner Nation schon unentbehr
lich geworden war, sondern vielmehr durch innere
Zwistigkeiten,zu dem Bündniffe mit dem Kaiser ge
zwungen. So viel die dunkeln Nachrichten der grie
chischen Verfaffer christlicher Kirchengeschichten, die
dieses Umstandes allein erwähnen, vermuthen laffen,
war er ein rechter ächter Gothe, das ist, ein ehrlicher
Mann ohne feine Erziehung, und eigensinnigdem
Vorurtheile ergeben, daß seine Vorfahrenzu klugge
wesen wären, als daß irgend eine Anstalt, die fiege
macht hätten, verwerflich feyn könnte. Vorzüglich
haffte er die Kunstdes Lesens und Schreibens; denn
er, und nach ihm noch weit spätere gothische Könige,
wie zum Beispiel der berühmte ostgothisch-italienische
MonarchTheodorich, hielten sich überzeugt, daß das
Lesen den Muth und die Tapferkeit unterdrücke. Die
fen Grundsätzen handelte ein gewisser Ulfilas entgegen,
welcher nicht nur viele Gothen zum Christenthum
brachte,
-

Hungarische Geschichte. 161


brachte, sondern auch veranlaffte, daßder alte gothi
fche Götzendienst in Verfall gerieth, daß man gegen
die vergötterten Helden des gothischen Himmels gleich
gültig ward, und daß man anfieng, sich mit dem Lesen
abzugeben. DieserUlfilas warnicht der erste gothische
Apostel; denn es waren schon vor ihm, wie oben ge
meldet ist, christliche gothische Bischöfe zu Tomi ine
Scythien, und ferner am Bosphorus vorhanden ge
wesen; alleiner wurde der heidnischen Religionjenseits
der Donau schädlicher als alle seine Vorgänger, weil
er für die gothische Sprache g) Buchstaben erfand,
und mit selbigen eine Uebersetzung der heiligen
Schrift in gothischer Sprache aufschrieb. Er
- - hatte
g) Ulfilas stammete von christlichen Priestern ab, die die
Gothen in Kappadocien und Galatien gefangen und
mit sich genommenhatten. Er starb rechtgläubig, wie
Macov Gesch. der Deutsch. VII B. S. 321 erwei
fet, ohngeachtet er für einen Arianer gehalten wird.
Auch blieben nach ihm noch einige gothische Bischöfe
orthodox, besonders in Thracien, wo nach ihm noch
gothische Priester mit dem H. Hieronymus einen exege
tischen Briefwechsel führten. Die Buchstaben des
Ulfilas waren griechisch, bisauf ein paar neuerfundene,
und blieben bey den Gothen zu Tomi in der Bulgarey
und in Mösien, noch bis in das neunte Jahrhundert,
im Gebrauch. Fornandes c. 51. Walfrid Strabo
de reb.Ecclefp. 181. Die italienischen und spanischen
Gothen vertauschten sie aber frühzeitiger gegen die la
teinischen Lettern. Hr v. Stubm Historie on de fran
Norden udwandrede Folk 1 B. S. 387. Man hat
von des Ulfilas Ueberfetzung jetzt nur die Evangeliften,
und ein Fraament aus dem Briefe Pauli an die Rö
mer. Die Sprache ist deutsch mit griechischen und
lateinischen Wörtern untermischt. Dieses Deutsche ist
aber von dem heutigen sehr unterschieden, so daß es
fast den nordischen und vornehmlich der schwedischen
Sprache näher kommt, als dem hochdeutschen oderfos
genannten Bücherdialekte.
Allgem. weltg.XV.B.I.Abth. L
162 XXXIII. Buch. Aelteste
hatte auch wirklich die Absicht, eine Nation von der
uralten auf Blut gegründeten Ruhmsucht durch die
Wiffenschaften abzuziehen. Denn er schloßdie Bücher
der Chronik aus seiner Bibel aus, weil die Hoch
fchätzung der heiligen Schrift, die er beyden Gothen
wahrnahm, die Nation veranlaffen konnte,die Thaten
- der israelitischen Könige sichzum Muster der Nachah
mungzu erwählen. Ulfilas war einigemal, wie es
scheint, zu Gesandtschaften am kaiserlichen Hofe ge
brauchtworden, und hatte sich in Constantinopelzum
Bischof der Gochen weihen laffen. Er hatte ferner
Fritigern, einenUnterkönigeines Theilsdesgothischen
Reichs,zum Christenthum gebracht; und durch diesen
wurden, wo er die Uebermacht hatte, Haine,Götzen
bilder und Opfer vertilget. Alles dieses kränkte den
Athanarich. Allein, weil nach gothischen Grund
fäßen der Oberkönig den Unter- oder Zinskönig nur
zu derHeeresfolge, und zu der Abtragung des Zinses
oderSchatzes,anhaltenkonnte: sodurfte er zum Besten
feines angeerbten Aberglaubens nichts weiter thun,als
daß er Christen, die feine Unterthanen waren, oder in
feineHände fielen, umbringen ließ. Diesesgeschahe.
Die Bischöfe seines Gebiets flohen zum Theil nach
Asien, zum Theil aber begaben sie sich mit ihren Ge
meinden unter des Königs Fritigerns St.
r-,
h) Socrates IV. 33. Sozomenus VI. 37. Unter den er
mordeten Geistlichen war S. Sabas, welcher in Ser
vien nachher vorzüglich verehret ist, und 372 in dem
walachischen Strome Miffow ertränkt feyn foll. Der
Religionskrieg der Chriften mit den Heiden wird vom
Socrates vor dem hunnischen Ueberfalle, vom Sozio
menus nach felbigem, und von Jidors gothischer
Cbronik in Hug. Groti Hit. Gothorum p.710, fast
in gleiche Zeit mit felbigem, nämlich in das 13 Jahr
Valentis (377)gefetzet. Ulfilas war bereits 359 als
Abgeordneteraufdem constantinopolitanischen
-
den 1.
Hungarische Geschichte. 163
Fritigern gebrauchte die Waffen zu ihrer Vertheid
gung; allein er war unglücklich, und mußte dem
Athanarich ausweichen. Er reifere daraufzu dem
Kaiser, und erhielt von ihm diejenigen Gochen zu
Hülfe, die inthracischen festen Plätzen zur Besatzung
lagen. Mit diesen gieng er über die Donau zurück,
und lieferte dem Athanarich eine Schlacht, die für
ihn fiegreich ausfiel. Er glaubte nunmehr, daß es
nöthigfey, des Kaisers Religion anzunehmen, um
fich selbigen zu seiner künftigen Vertheidigung fester
zu verpflichten. Dieses misfiel zwar den christlichen
Gochen. Allein Ulfilas überredete sie, daßdie Ver
schiedenheitzwischen Arianern und Rechtgläubigen eh
unbeträchtlich fey; und sie entschloffen sich, gewisser
maßen die arianische Communion anzunehmen, oder
vielmehr die Orthodoxen und Arianer zugleich zuhin
tergehen. Denn sie erkannten den Heiland nicht, so
wie die Arianer,für ein Geschöpf, sondern für einen
untergeordneten Gott.
Der abendländische Kaiser Valentinianus Ouadisches,
nahm bei dem Ausbruche desgothischen Krieges, den mischer Krieg
fein Bruder alleinführte, seinen Sohn Gratianus zum
Reichsgehülfen oder Thronfolger an. Er befahl nach "
deffelben Endigung, daß man die Donauschanzen, so
wie es in seines Bruders Staaten geschahe, ausbeffern
und vermehren, und auch Schlöffer im Gebiete J. Chr. 372.
4- der

und also müffen feine Gemeinen, und folglich des Kö


nigs Athanarichs Verfolgungen älter als die hunnische
Epoche feyn. Athanarich foll feinen Thron im fünften
Jahr Valentis, oder 369, vom Vater geerbt haben,
welches aber vermöge der Geschichte eines Krieges
nicht möglich ist. Alle diese Umstände find aus fast
gleichzeitigen Schriftstellern entlehnt, und machen die
Bestimmungder Jahre der gothischen Verfolgung un
gewiß. Wahrscheinlich fallen fiel zwischen 370 und
376.
A

164 XXXIII.Buch. Aelteste


der Quaden, die damals innerhalb den Inseln Schüt
und Czepelmordlich der Donau wohnten, anlegen soll
te, ohngeachtet dieses letztere den neuestenrömisch-qua
dischen Verträgen entgegenlief i). Die Quaden
beschwerten sich, und Equitius, der illyrische Magister
Officiorum,versprach, bis zu der Wiederholung des
kaiserlichen Befehls den Bau einzustellen. Der Kai
fer gab den Bericht des Equitiusfeinem Präfectus
Maximinus, welcher des Equitii Verfahren für ein
Zeichen seiner Furchtsamkeit ausgab,und sich den va
lerianischen Ducatus für seinen Sohn Marcellinus,
einenunerfahrenen Jüngling, ausbat, der,wie er sagte,
den illyrischen ältern Tribunen schon zeigen werde, wie
man die Quaden behandeln müffe! Sein Vorschlag
ward genehmigt, und Marcellinus oder vielmehr feine
Rathgeber luden den quadischen KönigGabinius
zu sichzum Gastmahl ein, und ließen ihn an der Tafel
todschlagen. Sie glaubten, daßdie Quaden, sobald
ihnen ihr König geraubt wäre, sich zerstreuen, oder
auch zu römischen Knechten machen laffen würden;
allein sie irreten fich. Denn die Quaden hafften als
Deutsche alle Arglist undBundbrüchigkeit, und ergrif
fen sogleich, um den Tod ihres Anführerszu rächen,
die Waffen. Sie verabredeten mit den Jazygen oder
Sarmaten ein Angriffsbündniß, und brachen im
nächsten Sommer mit zwey Heeren in die römischen
Provinzen ein. Das erste oder quadisch-armatische
Heer berennete Sirmium, hieb zwey römische Legio
nennieder, undzerstörte alleoffene valerianische Plätze.
Die Jazngen, die denzweitenZug ausmachten, fielen
in Servien oder Möfa prima, allein mit minderem
Glück, ein; denn der Dur Theodosius schlugfie, und
zwang fie, fich zu unterwerfen, um Vergebung zu
bitten und zurückzukehren. Der Kaiser kam erst
m

i) Am. Marcellinus L. XXIX. et XXX. 1-6.


Hungarische Geschichte. 165
im nächsten Frühjahrmiteinerbeträchtlichen MachtnachJ. Chr. 7.
Illyrien,und lagertesichbeyden Ruinen,dereingeäscher
ten Stadt Karnuntum. Seine Macht schien dem
quadischen Heerführer Percha zu groß zu sein, daher
fandte er die Vornehmsten seiner Nation in das Lager,
um den Kaiser zu besänftigen. Dieser versprach die
Beschwerden und die Beschaffenheit der Ermordung
des Gabinius zu untersuchen. Allein er bestrafte die
Mörder nicht, sondern giengvielmehr nachdreyMo
naten beyAquincum (Ofen) über die Donau,verheerte
das quadische Land, hinterließin selbigem einige Reu
terey unter der Anführung eines gewissen Merobaud
zur Beobachtung der Quaden, die mit ihren Weibern,
Kindern, Knechten und Heerden in die Gebirge ges,
flohen waren, und nahm das WinterquartierzuBre
getio an der Donau, ohnweit Raab. An diesem Orte
erschienen abermals quadische Gesandte, welche die
Feindseligkeit mit der römischen Bundbrüchigkeit ent
schuldigten, und die valerianische Verwüstung für eine
That quadischer Räuberbanden, an welchen dasVolk
keinen Theilgenommen habe, ausgaben. Denn die
deutschen Völker dieser Gegend, und vorzüglich die
Gochen, pflegten im Frieden einzelnen Helden zu ver
statten, mit einem selbst geworbenen Anhang über die
Donau zu streifen, und glaubten, daß ihr Friedens
bündniß dadurch nicht verletzt würde,wenn sie nur diese
Leute nicht königliche Lehnmänner, sondern Ebentheu
rer nennten k). Der Kaiser zweifelte, daßdie Ge
L 3 fandten
k) Mafov Gesch.der Deutschen VII.B. S.270. Der
Deutsche dachte damals so wie die Rittersmänner
vor der Einführung des allgemeinen Landfriedens. Er
glaubte, daß ein besonderer Krieg oder Befehdung zur
Erhaltung der Tapferkeit und Kriegeskunfffo nöthig
fey, daß man ihn nicht hemmen, sondern vielmehr be
fördern müffe. Die Quaden ließen sich diese Grille nicht
ausreden,oder, wie es ein römischer Schriftsteller #
166 XXXIII.Buch. Aelteste
fandten mithinlänglicherVollmachtversehenfeyn könne
ten; denn er glaubte, daß sie zu den schlechtesten aus
dem Volke gehören müßten, weil sie in einem sehr
elenden zerriffenen Gewande vor ihm erschienen, und
für Furchtzitterten. Allein er wurde überzeugt, daß
er die Vornehmsten des Landes vor sich sähe, und ge
rieth über die Betrachtung, daß ein so armseligesVolk
gewagt habe sein Reich anzufallen, in einen so hef
tigen Zorn, daß er, nachdem er viele Schimpfwörter
ausgestoßen hatte, vom Schlage gerühret, beinahe
J. Chr. 375. tod niederstürzte 1), und nach einigen Augenblicken
d. 17 Nov. verschied. Seine Generale ernannten feinen jüngsten
Sohn Valentinianus zum Mitkaiser, welches der
Kaiser Gratianus fein Bruder genehmigte. Sie
riefen ferner den Merobaudzurück, und verglichen fich
mit den Ouaden. … Diese blieben nunmehr in ihrem
Lande, und setzten von Zeit zu Zeit ihre Befehdungen
oder Reuterzüge fort. Sie verharreten auch bei ihrer
alten Wildheit, und brachten demSchwerdte undZelte,
welches ihre Gottheiten waren, Menschenopfer. Allein
fie neigten sich allgemälich ihrem Untergange. Etwa
sieben und fiebenzig Jahr nachValentiniani Tode gien
gen viele von ihnen mit dem hunnischen König Attila
nach Gallien, so wie nachher mit den Sveven nach
Spanien. Die übrigen traten zu dem fvevischen Bund,
und daher scheintes,daßdie letztenunter denenSchwa
ben verborgen sind, die im Anfange des sechsten Jahr
hundertszwischen der Sau undDrau wohnten. Der
Name der Quaden verschwand zu eben dieser Zeit.
Zerstörung der Kurz vor dem Tode des Kaisers veranlasfeten die
gothischenRei Hunnen und Alanen,zwey asiatische äußerst verwil
che durch die derke
Hunnen.
Zeit gie'“, sie waren sobarbarisch und ungesittet,daß
sie die Beschaffenheit eines Friedensbündnisses nicht be
greifen konnten.
l) Socrates IV. 31. Soxomenius VI. 36.
Hungarische Geschichte. 167
derte Nationen, den Untergang der gothischen
Monarchten, der für die illyrischen Staaten sehr
wichtige Folgen hatte. Beide Völkerschaften drangen
vereinigt über denDon m). Ermanarich, derzuvor
unüberwindliche Königder Ostgothen, ward bis zuder
Feigheit erschreckt, understachsich. Sein Nachfolger,
Vithimer, fielimTreffen mitden Hunnen; und defen
Sohn Widerich, ein noch junger Knabe, ward von
feinen Vormündern in die westliche Provinz seinesGe
biets am Dneester, inPodolien oder auch in der ocza
kowischen Tartarey, geführt. Athanarich,derwest
gothische König, oder, wie er in diesemKriege öfterer
genennt ward, der Richter der Thüringer,bezeigte
sich männlicher, verschanzte sich am Ufer desDneesters
durch eine lange Erdlinie, die bis an das Lager der
Greuthinger n) reichte, und sandte die geschicktesten
Anführer mit einem Beobachtungsheere zwanzig rö
mische Meilen weit über den Fluß. Diese Vorsicht
hatte keinen Nutzen. Denn da die Hunnen und Ala
&4 REM

---
. 286.
Marcellinus XXXI. 3. Mafov VII.
n) Ammianus Marc. L. XXXI. Athanaricus Therwin
gorum Iudex-fare gradu fixo tentabat caftris
denique prope Danafi margines ac Greuthungorumval
Jem longius oportune metatis. Diese dunkle Stelle ist
in einigen alten Ausgaben, in welchen man margines
aggere ut Vngori vallem liefert, völlig unverständlich
geworden. Die Greuthinger waren die Ostgothen,
und hier vermuthlich die, welche mit dem Widerich
geflohen waren. Die Linie fcheint am Ausfluffe des
Dneesters, erst diesseits, nachher jenseitsgezogen ge
wesen zu feyn. Von der zweyten Verschanzung heißt
es beym Marcellinus: a fupercilis Gerazi (Hieraffif
Pruthi)flunninis ad usque Danubium Taifalorum terras
praeftringens muros altiuserigebat. Es läßt sichnicht
bestimmen, ob die Mauer in der Moldau, oder in der
Walachey gewesen ist. Mir scheint das erste wahr
fcheinlicher.
-

168 XXXIII. Buch. Aelteste


nen kein Gepäcke bey fich führten, und die Umwege
nicht scheueten, sozogen sie sich sehr weit nachNorden,
giengen durch eine Furth unbemerkt über den Dneesier
undfielen den Westgothen unvermuthet in den Rücken.
Die Westgothen ergriffen die Flucht, und ihr König
rettete sich in die moldauischen Gebirge. Von diesen
ab ließ er gleich eine hohe Mauer bis in das Gebiet
der Taifalen, oder vom Pruch bis an die Donau
ziehen; und da die Hunnenfich bei der Beutezu lange
aufhielten, sogelang es ihm, dieses Werk zu Stande
Die Westgo-zu bringen. Allein nun äußerte sich ein neuer Unfall,
ehen werden in
Möfen aufge denn der größte Theil seiner Unterthanen verließ ihn,
MOMMEN, und zogunter eines gewissen Alavivus Anführung an
die Donau, um sich in den Schutz der Römer zu be
geben. Der Bischof Ulfilas übernahm den Auftrag,
den Kaiser umPlätze in Thracien für diese Leute zu
bitten; denn die Gochen wünschten in diese Provinz
aufgenommen zu werden, weil in selbiger schöne Grä
fungen für ihr Vieh, und hohe Gebirge zurSicherheit
gegen die Hunnen waren. Den kaiserlichen Ministern
gefiel ihrGesuch; dennmanhoffe durchihreAufnahme
beträchtliche Vortheile zu erhalten, einmal, weil man
unter den Römern an der Donau keine so tapfere und
geborne Kriegesleute, als die Gochen waren, hatte,
und ferner, weil durch selbige die kaiserlichen Kam
mergelder und die Einkünfte der Minister zufälliger
höhet werden konnten. Dieses bezog sichaufeine neuere
Verordnungdes Kaisers, vermöge welcher jeder Sol
dat, den die Einwohner nicht stellen konnten, mit
achtzig Aureis (Fünfviertel hungarische Ducaten) be
ahlet werden mußte. Man schmeichelte sich nunmehr,
diese Abgabe ohne Abzug zu behalten, und anstatt
Werbegelder auszuzahlen, freiwillige Gothen zum
Dienste auszuheben. Nebenher sollten die Gothen das
Land, welches sehr entvölkert war, anbauen und
durch ausländische Beute bereichern. Und endlich
- hoffte
- HungarischeGeschichte. 169
hoffte derKaiser die westgothischen Soldaten, derglei
chen er schon eine beträchtliche Anzahl auf seinem da
maligen Zuge gegen die Perser bey sich führte, mit
Nachdruck gegen seine Vettern gebrauchen zu können,
wenn dasMißverständnis, welches über seineEingriffe
in die abendländische Reichsregierung entstanden war,
zum Ausbruch kommen sollte. Diese Vorstellungen
nahmen daskonstantinopolitanische Ministerium so sehr
ein, daß man übereilte Befehle zu der geschwindelten
Ueberfahrt der bedrängten Gochen an die Donauandte.
Man vergaßzwar nicht die Präfectos anzuweisen, daß
fie zuerst die Kinder über die Donau holen und als
Geißeln und Bürgen für die Treue ihrer Aeltern nach
Asien finden sollten; ingleichen daß kein Bewaffneter
über die Donau gelaffen werden müßte. Allein dieser
Befehl ward nicht geachtet. Die Gesinnung der do
nauer Gränzbesatzungen waren äußerst schlecht, und
wurdenvom Geiz, Wollust, Lüderlichkeit und Stolz
gelenkt. Man glaubte, eine Nation, die so sehr er
schreckt fey, müffe sich alles gefallen laffen, und es fey
ihr eineEhre, in der Knechtschaft derRömer zu leben.
Daher erlaubte man sich alles. Die Tribunen der
Legionen und die Duces fanden am Ufer, nicht um
den Ankömmlingen die Waffen abzunehmen, sondern
sichder schönsten Mädchen und Knaben und der stärk
fen Jünglinge, letztererzum Gebrauchbeyihrem Acker
bau, zu bemächtigen o). Die Soldaten folgten dem
Beyspiel, und wenn ein verborgenes Gewehr einem
etwa in die Augen fiel, so ließ er sich durch ein Ge
schenk von gothischen Decken und leinenen Kleidern
blenden. Die Donau war zu dieser Zeit vom Regen
aufgeschwollen, und es schien, daßdadurch die Ueber
fahrt gehemmet werden könnte. Daher meinten die
unglücklichen Gothen, daß sie ihren Uebergang nicht
- -- L 5 genug
o) Zofimus IV.20. Sazamemus VI.37.
170 xxxII-Buch. Aelteste
genug beschleunigen könnten. Jeder von ihnen fuchte
fich demnach vorzudrängen, und man überlud nicht
nur die Schiffe, Kähne und ausgehöhlten Bäume mit
Menschen und Geräthe, sondern man versuchte sogar
überzuschwimmen. Diese Uebereilung kostete vielen
das Leben. Dennoch betrat eine so große Menge die
römischen Ufer, daßdie kaiserlichen Beamten, die fie
zählen sollten, irre wurden, und ihren Auftrag nicht
vollführen konnten. Athanarich wäre vielleicht auch
über die Donau geflohen, wenn ihn nicht sein Ge
lübde oder auch der Ehrgeiz abgehalten hätte. Nun
aber faffete er einen verwegenern Schluß, fammlete
den ihmgetreu gebliebenenHaufen, trieb mit selbigem
die Sarmaten aus den kaukalandischen Gebirgen und
Wäldern, welche vielleicht in Siebenbürgenlagen, und
behauptete sich in selbigen. Der oftgothische König
Virherich näherte sich mit feinen Feldherren und Vor
mündern,Alutheus,SaphrarundFarnobius,gleichfalls
der Donau; allein die kaiserlichen Minister schlugen
ihm seine Bitte um Schutz und Aufenthalt im römi
fchen Reiche ab, weil sie mit Recht vermutheten, daß
Dacien,Mösien und Thracien für so viele Flüchtlinge
zu enge feyn werde. -

Die übergeführten Westgothen zogen nach Thra


cien, und wurden aufdem Wege gleich Feinden be
handelt. Denn man reichte ihnen keine Lebensmittel,
und zwang sie durch Hunger ihre Güter, ihre Weiber
und Kinder, und endlich sich selbstfür Brod, verderbte
Speisen und selbst ekelhafte Nahrungsarten, wiez.B.
für tode Hunde, zu verkaufen. Der thracische Comes
Maximinus billigte den Geiz und die Gewaltthätig
keiten der altenEinwohner, und veranstaltete, daßder
General LupicinusdieGränzbesatzungen zurBegleitung
Die Ostgothen
dringen aleich und Unterdrückung derGothen hergab. Diese Anord
falls
Lill.
inMötiennung erforderte, daß man die Küstenbewahrer zurück
berief; unddadadurchdieDonaudenAusländerngleich
fam
Hungarische Geschichte. - 171
am eröffnet wurde, so nahmen die Greuthinger oder
die Ostgothen der Gelegenheit wahr, und giengen
aufkleinen Böten über den Strom zu ihren Lands
leuten in Scythien, bei welchen fie fich verschanzten,
Dieses erfuhren die Führer der Westgothen, Alavi
vus, und der vorgedachte Vertheidiger der gothischen
Christen, Fritigern; undweil sie hofften, durch Hülfe
der Ostgothenfich von ihrem nahen Untergange zu ret
ten, sozogen sie sehrlangsam, damit die Ostgothen fie
einholen könnten. Allein noch ehe dieses geschah, kam
es bey Marcianopel an der thracischen Gränzezueinem
entscheidendenGefechte, durch folgende Veranlaffung.
Lupicinus nahm nur die beiden Fürsten mit ihren
Leibwachen in der Stadt Marcianopel auf, und ließ
den großen Haufen, der vor der Stadt blieb, durch
die Bedeckungvom Einkaufder Lebensmittelabhalten.
Die Gothen fuchten durch Demüthigungen und Bitten
Mitleiden zu erregen, um sich den Zugang zu den
Bürgern auszuwirken. Allein da alles Flehen ver
geblich war, stürzte sie Hunger, Todesfurcht, und
Schmerz über das erlittene Unrecht, in Verzweiflung.
Sie griffen daher ihre Begleitung an, und tödteten
jeden, der sich ihnen widersetzte. Kupicinus erhielt von
diesem Auflaufe Nachricht, als er mit den gothischen
Fürsten an seiner Tafel saß, und gab insgeheim Be
fehl, die Leibwache der Fürsten niederzumachen. Die
esgeschahe nicht ohne Geräusch, und das Geschrey
der Unglücklichen drangüber dieMauren. Die äuße
ren Gothen stürmten zur Hülfe auf die Stadt ein.
Der schwache Lupicinus verlor alle Gegenwart des
Geistes, gab dem Rathe der beyden Fürsten, fiel den
Gothen zu zeigen, Gehör, gieng mit ihnen vor das
Thor, um die Gochen durch ihrZureden zu besänftigen,
und merktezu spät, daß er getäuschtfey. Denn die
Fürsten eilten, sobald sie sich in Freyheit sahen, ihrem
Volke zu, und führten es gegen die Römer an, :
f
" -
172 XXXIII.Buch. Aelteste
sich zurückzogen und in Marcianopel einschloffen.
Ausbruch des Sie fandten daraufverschiedene Haufen aus, um
othisch-römi
rieges. Proviant zu rauben. Kupicinus sammlete seine Legio
nen und Hülfsvölker, und rückte ihnen neun Meilen
weit aus der Stadt entgegen. Allein die Gochen,die
er sehr leicht zu vertreiben gedachte, erschlugen alle
Tribunen und den größesten Theil des Heeres, ver
folgten die Flüchtlinge fast bis in dieStadt, und rüste
ten sich mit den Waffen, die sie aufder Wahlstatt
fanden. Nach diesem Siege liefen viele ihrer Lands
leute, die lange zuvorin Mösien und Thracien ansässig
gewesen waren, ingleichen die zuvor um das Brod
verkauften Thüringer und Westgothen, zu ihnen über.
Ferner stießen die Ostgothen zu ihrem Heere, inglei
chen zwey kaiserlich-gothische Regimenter, die unter
Sveridus und Kolias Führung zu dem kaiserlichen
Heere nach Persien hatten abgehen sollen, aufdem
Wege aber von den Bürgern zu Adrianopel, welche
ihnen keinen Aufenthalt auf ihre Kosten verstattenwolle
ten, angegriffen waren. Auch erhielten sie eine sehr
wichtige Verstärkung durch die thracischen Bergleute,
welche durch die schweren Abgaben zur Empörung ge
reizt wurden, und ihnen alle Zugänge zu denGebirgen
und festen Plätzen zeigten. Fritigern übernahm die
königliche oder feldherrliche Würde über alle Go
ehen, und berenneteAdrianopel. Allein weil dieMau
ren dieser Stadt für sein Heer zu feste waren, so zog
er sich zurück, und begnügte sich, das flache Land zu
plündern.
Der Kaiser sandte einen beträchtlichen Haufen fei
mes Heeres unter des fränkischen Königs Mallobaud
Befehle nach der Donau, endigte die persische Mis
helligkeit durch gütliche Unterhandlungen, und eilte
aus Asien nach seiner Residenz. Die Gothen begaben
sich in ihr festes Lager bey Tomi, und alle kleinere rö
mische oder griechische und illyrische Heere stießen
A

*- „
Hungarische Geschichte. 173
ad Salices in selbiger Gegend zusammen. Beyde
Hauptheere rückten einander entgegen, und nachdem
die Gothen sich durch Lieder, in welchen der Krieges
ruhm ihrer Vorfahren gepriesen wurde, in Feuer ge
fetzt hatten, erfolgte eine sehr blutige Schlacht, welche
einen ganzen Tag dauerte und nichts entschied; denn
keine Partheybehauptete dasSchlachtfeld. Die Rö
mer zogen sich in die Päffe der Provinz Hämimontis,
und schafften alle Lebensmittel in die festen Städte.
Die Gothen versuchten vergeblich durch die Verschan
zungen zu brechen, hölten darauf eine große Menge
ihrer bisherigen Feinde oder der Hunnen und Alanen. DieHunnen
zu Hülfe, und schreckten dadurch den römischen Feld", an:
herrn Saturninus so sehr, daß er mit den Besatzungen Thrakien.
fichzurückzog. Darauf ward Thracien und Rhodope
ein Opfer der gothisch-hunnischen Wut. Der römische
Dur Frigeriduswollte den Angriffder Feinde nicht er
warten, verließ sein Lager bei Beröa in Thracien, stieß
auf einen ofgothisch-taifalischen Haufen, hatte das
Glück, den Anführer defelben Farnobiuszu erlegen,
und feine Leute insgesamt zu tödten oder gefangen zu
nehmen, und sorgte dafür,daßdie Gefangenen fortge
schafft, undzum Ackerbau indieGegenden von Parma,
Modena und Reggioverheilt wurden. Dieser Sieg
machte den Römern Muth, und die Ankunft ihres
Monarchen, wie auch des abendländischen Kaisers
Gratianus, den die Ueberwältigung der tapfern Ales
mannenfurchtbar machte, vergrößerte denselben. Ver
muthlichwürden auch die Gothen nun zu schwach ge
worden seyn, wenn nicht die Eifersucht aufden Kaiser
Gratianus, den Kaiser Valens zu einer Uebereilung
verleitet hätte. Wenigstenszeigte GratianusdenAla-J. Chr. 37.
nen, und sein Feldherr Sebastianus einigen Gochen
amHebrus, in verschiedenenGefechten, daßdie Abend
länder zu fiegen wüsten. - -

Valens
- - -
174 XXXIII. Buch. Aelteste
" Valens lagerte sich bey Adrianopel, und Fritti
gern berief seinezerstreuten Heere in eineVerschanzung
bey Nice in selbiger Gegend. Frutigern zweifelte
selbst, daß er beiden Kaisern gewachsen fern würde,
und versuchte sich mit dem Kaiser Valens auszusöhnen.
Alleinfeine Abgesandten, welche insgesamt arianische
Priester waren, und die erste Veranlassung der gothi
fchen Feindseligkeiten auf der vorheilhaftesten Seite
vorstelleten, fanden kein Gehör. Der Dur Sebastia
mus rieth vielmehr dem Kaiser, mit dem Angriffenicht
zu zögern, weil Fritigerns Vorschläge Furcht oder
Schwäche vermuthen ließen, und der Kaiser folgte
seinem Vorschlage. Es mußte auchdes Sebastianus
9. August37.Vermuthung gegründet seyn; denFritigernfandte neue
Botendem Kaiser entgegen, und hat so vorheilhafte
Vorschläge, daßder Kaiser fich auffie einließ, und
die Vornehmstender Nation als Bürgen der Sicher
heit in ein Lager verlangte. Allein unter diesen Unter
handlungenzeigten sich die Ostgothen, auf welche Fri
tigernängstlich wartete,aufdem Gebirge, und stürzten,
sobald sie die Gefahr ihrer Landesleute sahen, wütend
von den Anhöhen unter die Römer herabp). Fritigern
wagteden Angriff mit gleicher Hitze, und es erfolgte
ein unmenschliches Treffen. Einige römische Legionen
drangen fast bis zu der gothischen Wagenburg durch;
allein weil die Reuterey fie nicht geschwind genugun
terstützte, so wurden sie abgeschnitten und niedergehauen.
Die Gochen fiegten durch ihre Wut und Menge, und
benahmen den Römern sehr bald alle Hoffnung zur
Flucht. Daherherrschte aufallen Seiten Raserey und
Verzweiflung. Man fichte blos fein Leben auf das
theuerte zu verkaufen, und so viele Feinde als die
Kräfte zuließen mit sich in das Grabzu nehmen. Die
Hintern schoben die Vördern mitHeftigkeit vor sichher,
- und
p) Ammianus Marcel. XXXI. 12. Mastova. O. S.
295.
Hungarische Geschichte. 175
und viele fielen durch ihr eigenes Schwerdt. - Es
thürmtenfich Berge von verstümmelten oder getödteten
Pferden und Menschen auf, undzwischen diesenfand
das Blut in Bächen. Die gefallenen und entkräfteten
Gochen undHunnenbrülleten fürchterlich, suchten durch
die scheuslichsten Blicke ihrer Wut noch einenAusgang
zu verschaffen, und bemüheten fich, die Füße, die in
ihre Wunden
einen traten, niederzureißen. Der Staub
und Große Nieder
verbarg Theil dieser schrecklichen Scene, '“ K.

machte, daß man nicht blos den Feind, sondern auch


den Freund traf. Das Gemetzel ward auch nicht eher
geendiger,bis die völlige Finsterniß der Nacht es noch
wendig machte. Einige Generale sahen bey dem Un.
tergange der Sonne den Kaiser in der größefen Ge
fahr, und suchten ihnzu entsetzen. Allein verschiedene
Haufen deszweiten Treffensflohen, als man sie her
beiführen wollte, und der Kaiser ward daraufver
mifft. Man erhielt auch von ihm nurdunkle und
widersprechende Nachrichten, vermöge deren er entwe
der durch einen Wurfspieß umgekommen, oder auch
aufder Flucht mit feinen Begleitern in einem Bauer
hause verbrannt war. Gleich nach der Schlachtgien
gen die Gothen vor Adrianopel, um sich des dort zu
rückgelaffenen Schatzes zu bemächtigen; undda ihnen
dieses nicht gelang, schloffen sie Perinthus und Kon
stantinopel ein. Allein, da sie merkten, daß fiel die
Belagerungskunst noch nicht begriffen hätten, so brei
teten sie sich durch alle illyrische Provinzen bis an die
venetianischenAlpenaus. Der Dur Equitatus,Victor,
entkam ausjener Schlacht nach Macedonien, und be
richtete die Niederlage dem Gratianus, dem Erben
des Valens,der nun beyde Reiche inGesellschaft seines
Bruders besaß. DieserHerrgetrauete sichnicht, diese
geräumigen Staaten allein zu vertheidigen, sondern
gab das Abendland, nebst dem Theile der illyrischen
änder, der seitdem zu der neuerrichteten orientalisch
illys
176 XXXIII.Buch. Aelteste
19Jenner 379. illyrischen
Prätorialpräfectur gerechnet ward, dem
Theodosius, einem rechtgläubigen Spanier, wie
einige wollen, aus dem Geschlechte des Kaisers
Trajanus. -

Dieser Theodosius, ein sehr versuchter Feldherr,


focht nicht ohne Glück mit den Gothen; allein erfiel
sehr bald zu Thessalonich in eine tödliche Krankheit,
die den Fortgang seines Heeres hemmete, und der
Kaiser Gratianus mußte nach Gallien zurückkehren.
Daher wütete Alatheus und Safach nebst den
Ostgothen in Pannonien, Fritigern, aber mit den
Westgothen in Thessalien, Epirus und Achaia.
Endlichgelang esdem Theodosius, nachdem er wieder
hergestellet war, einige Gothen zu schlagen, und über
die Donau zurückzutreiben. Diesen folgten Friti
gern, wie auch die oftgothischen Heerführer, Alatheus
und Safrar, welche sichaus einer unbekannten Ursache
mit einigen celtischen, oder richtiger, deutschen Natio
nen zu schaffen machten. Gratianusversuchte sie durch
gütliche Unterhandlungen zubesänftigen, weil er von
den durch sie bekriegten Deutschen neue Gefahren für
feine Staaten befürchtete. Zuerst wandte er sich an
diehunnischen, alanischen undjazygischenHülfsvölker,
welche er bald beruhigte, jene durch pannonische, und
die letztern, wie es scheint, durch elfäffische Aecker q).
Daraufversprach er den Gothen, wenn sie die Kriege
mit den Deutschen einstellen wollten, fichern Aufent
halt in feinen Staaten, oder freien Durchzugdurch
Pannonien und Obermösien. Dieses ward angenom
men,zumalda er zugleich den Gothen diefreie Schiff
fahrt auf der Donau zugestand. Fritigern entwarf
einen jetzt dunkeln Plan, vermöge defen er durch
Pannonien nachEpirusziehen wollte, und wußte,daß
der alte westgothische Oberkönig Athanarich ihn "der
UHu
q) Zofimus IV. 34. Mafov a. O.
Hungarische Geschichte. 177
Ausführungdesselben hindern würde. Dieses veran
laffte ihn, den König in seinen Wäldern anzugreifen,
um ihn tiefer inPolen hineinzutreiben. Allein er ver
fehlte eine Absicht; denn Athanarich flohe nicht nach
Norden, sondern nachSüden zum Kaiser Theodosius.
Dieser Monarch empfieng ihn alsden Oberherrn aller
fychischen oder gothischen Völker mit den größesten
Ehrenbezeigungen; undda ihnSchmerz und Kummer
einige Wochen nach feiner Ankunft in Konstantinopel
tödtete, so ließ der Kaiser feinen Leichnam nachdem
Ceremoniel christlicher Kaiser begraben. Die Gothen25Jenner zei.
waren niemals gleichgültig, wenn ihr Nationalstolz
erregetwurde; daher hatte diese ganzunerwartete Ehre
ihrer Nation eine unglaubliche Wirkung auf ihr Herz.
Die Begleiter desAthanarichsversprachen, dem Kaiser
ihre Dankbarkeit durch lebhafteFreundschaft oder Treue
zu bezeigen, und trafen die Veranstaltungjenseits der
Donau, daß kein Ausländer über den Strom freifen
durfte. Sie vermittelten ferner den Frieden mit der J. Chr.ggs
ganzen Nation; und der Kaiser nahm die Gothen in
Mlösien und Dacia ripenfis als wahre Bürger mit. Die Gothen
dem Vorrechte auf, römische Güter besitzen, und rö"
mische Militär- und Civilbedienungen bekleiden zuMosien.
können. Dennoch wurden diese Gothen nicht so, wie
die ältern naturalisierten deutschen Völker, völlig in
Römer verwandelt. Denn sie behielten ihre Sitten
und Nationalvorsteher, nebst der Sprache, die sich
nothwendig durch ihren Gottesdienst, durchdie ulfilai
fche Bibelübersetzung, und durch die Absonderung in
einen besondern Haufen, erhalten mußte. Vielleicht
hätte Theodosius vorsichtiger gehandelt, wenn er go
chische vornehme Herren überProvinzialen oder Römer,
und römische Tribunos, Centurionen und Magistrate
über Gothen gesetzt hätte. Allein die Gothen wollten
dieses nichtzugeben, und zwar mit Recht. Denn fie
hatten ein sehr neues Beispiel römischer Treulosigkeit
Allgem.Weltg.XVB. 1,Abth. M vor
178 XXXIII. Buch, Aelteste
vor sich, nämlich das der römischen Kriegesbedienten,
die kurz nach des K. Valens Tode, um Empörun
gen in Asienzuvorzukommen, alle Gochen ihrer Fah
nen auf einen Tag meuchelmörderisch hinrichteten.
Man schätzte die naturalisierten Westgothen nur auf
zwanzigtausend Mann oder Hauswesen; denn nicht
alle giengen nach Mösien, sondern viele blieben jen
seits der Donau, unter oder neben den Hunnen in
ihrem alten Vaterlande. DieOstgothenfonderten sich
von ihnen ab, ohngeachtet fie auch römische Bürger
wurden; und überhaupt erhielt einjeder Nordländer
Erlaubniß, fich in den abendländischen Illyrien als
Ackermann oder Landfaffe niederzulaffen. Diese Ver
günstigungward baldjenseitsder Donau bekannt,aber
öfters unrichtig verstanden. Denn es meldeten sich
Nationen, welche in Kriegesdienste aufgenommen
werden wollten, mit derErlaubniß,ihrerBefehdungs
begierde nachzuhängen. Zu diesen gehörten die Scir
ren, eine kurländische Nation, wie auch einige Hun
nen und karpathische Dacier, welche Theodosius
durch eine Schlacht vom Uebergange über die Donau
abhalten mußte. Auchkam einSchwarm neuer Ost
gothen,oderGreuthingerr),unterderFührungeines
gewiffen Odotheus aus den östlichsten oder nordlich
fen Gegenden des zerstörten oftgothischen Reichs an
J. Chr. 386. die Donau, und suchte sich mit Gewalt über den
Strom zu drängen. Dieser Haufen ließ sich vondem
Magister Militum Promotus hintergehen, folgte ge
wiffen angeblichenUeberläufern, die das römischeHeer
ihnenverrathen sollten, und wagten sich ineinerfinstern
Nacht in kleinen Böten auf die Donau, um die Rö
mer im Schlafe zu überfallen. Promotus ließ fie
fogleichdurch seine größesten Schiffe in den a: UVE's

ae) Zofimus IV.38. In einigen Ausgaben stehet anstatt


Grothingi, Prothingi.
Hungarische Geschichte 9
überrudern, und durch kleinere am Ufer die Entron
nenen auffangen und gefangen nehmen. Allein Theo
dosius gab den letztern Freiheit, Geschenke und Unte
alt. Dieser Siegward für so wichtiggehalten, da
ihn der Kaiser Arcadius durch eine Ehrensäule mit
halberhobenen Vorstellungen zu Konstantinopel ver
ewigte. Aus diesenAbbildungen lernt man die Kleider
dieser Gothen und ihre Gözen kennen s). Offgothische
Jene bei, ößen und
fanden aus ausgeschweiften Wämsern, die bis an die Kleidung"
Knie reichten, aus hungarischen Hofen, und ausge
spitzten Schuhen, die man nachher, ihrer Bequemlich
keit im Gehen wegen, auch bei dem römischen Heere
einführte. Die Priester und Priesterinnen waren in
lange Decken verhüllet und geschleiert; die Anführer
undKönige aber hatten die römische militärische Tracht,
und darüber einen Rheno oder Pelzmantel, der eine
LieblingskleidungallerGochenwar. IhrEhrenzeichen
war ein Stab, Von den Waffen setzte man auf die
Säule nur kurze Hellebarden; man weiß aber aus an
dern Urkundent), daß der gothische FußgängerBogen,
und der Reuter Spieße und Schwerdter geführer, der
Feldherr aber das Panier, nämlich einen Drachen von
Zeug und Bändern, den der Wind aufblasen konnte,
felbst getragen habe. Die Vornehmern fuhren auf
Wagen, die mit Ochsen bespannet waren; allein die
GötzenwurdenvonKamelen getragen. Diese Götzen
waren in lange Mantel gehüllet, und es fahe nur ihr
bärtiges unbedecktes Haupt hervor, welches vielleicht
einen uralten vergötterten gothischen Helden abbildete, .
Ein vierter Gott schien ein lebendiger Hirsch zu feyn,
dervon einer Priesterin geführt wurde. Eingroßer
Bart und lange hintenfliegende Haare waren das un
- M 2 - ter's

s) Anselmi Banduri Imperium orientale T. I. p. 508,


Tab. 1 - 18. -

t) ib.Tab. VII, Missov g. O.Anmerk. S. 52,


130 XXXIII.Buch. Aelteste
terscheidende Nationalzeichen aller Gochen, und diese
wurden noch lange nachher so sehr geachtet, daß die
italienischen Könige ihre gothischen Unterthanen Capil
latos, sowie die römischen Provinciales, nannten. Der
alte gothische Trieb zum Befehden konnte durch die
kaiserlichen Veranstaltungennicht ganz unterdrücktwer
den. Denn der h. Hieronymus klagtu) noch im
Jahr 396, daßGriechenland, Scythien und Illyrien
feit den letzten zwanzig Jahren unaufhörlich durchGo
then, Sarmaten, Quaden, Alanen, Hunnen,Wan
dalen und Markomannen verheeret fey. . Diese zum
Theil christlichen Barbaren schleppten Weiber, Mäd
chen, Bischöfe und Priester gebunden mit sich, riffen
die Kirchen nieder, oder gebrauchten sie zu Pferdestäle
len, und vergnügten sich an demGewinfelder Unglücks
lichen, die sie mit mancherley Martern zutode quälten,
oder hinrichteten.
17Jenner 395. Der kriegerische Muth derGochen, und der Tod
des Kaisers Theodosius,verschaffte den gothischen Völ
kernsehr baldeinUebergewicht über die römische Macht,
welches zu vielen gefährlichen Unternehmungen Anlaß
gab. Das römische Reich überhaupt, und Illy
rien insbesondere, ward, so wie nach Constantinus des
Großen Tode, in dasAbendland und Morgenland
verheilt, und bekamzweyJünglinge zu Beherrschern,
deren eingeschränkte Seelenkräfte durch Ueppigkeit und
weichliches Wohlleben außerordentlich geschwächt wur
den. Jeder Hofhatte seinen Günstling, welcher ihn,
das Reich und den Kaiser, nach feinen Absichten, Lei
denschaften und Privatvortheilen beherrschte; und weil
beide Staaten noch eine gemeinschaftliche Regierung
in den wichtigsten Geschäften behielten, sowaren diese
Minister bedacht, sich wechselsweise zu unterjochen.
Daher arbeitete der wandalische Pannonier Stilico,
der

u) Hieronymi epift. 95.


Hungarische Geschichte. 181

der im Abendlande, oder an des Kaisers Honorius estateme,


Hofe die höchste Gewalt hatte, stets gegen den mor-faffung der rs
genländischen Minister Rufinus, einen Gafonier;und ' Regie
da er keine Gefahr bey feinen geheimen Rottenstiftun
gen fürchten durfte, und daher alles dreist wagte, so
gelang es ihm endlich, sich des größten Theils der
Staatsgewaltzu bemächtigen. Sein Glück stieg durch
die Vermählung seiner Tochter mit seinem Kaiser,zur
größten Gefahr des römischen Staats; denn er war
äußerst ungerecht und herrschsüchtig, listig und unter
nehmend. Sowohl er, als auchRufinus, unterhielten
ein Verständniß mit den so sehr kriegerischen Auslän
dern, und schwächten oder vernichteten vielmehr die
römische Tapferkeit durch Vermehrung und Unterstü
zung der häufigen Wettrennen, üppigenFeyerlichkeiten
und Stadt- und Hoffeste. Zu diesen gaben sie willig
die Schätze der Kammern her, unbesorgt, ob diese
nicht auf nützlichere oder nothwendigere Anstalten ver
wendet werden müßten. Die Gefahr, die die vielen
wilden Nachbarn den Monarchien droheten, rührte sie
fo wenig, alsdie Noth der Gränzunterthanen, welche
von den ausländischen Ebentheurern unaufhörlich durch
Feuer und Schwerdt, bald getödtet, bald aber in die
größte Dürftigkeit gestürzt, oder auchzu der härtesten
Knechtschaft fortgeschleppt wurden v). · Wuchs ein
mal die Gefahr der Hauptstadt zu sehr, so nahm man
aufKosten der schon verarmten Unterthanen ungefittete
Barbaren in Dienst, die in die Stelle derer, die sie
vertrieben, traten, und die geendigten Grausamkeiten
gleichsam aufeigene Rechnungfortsetzten. Der Frieden
wurde selten erfochten, öfterer aber erkauft. Im letz
tern Falleüberließmanden Einnehmern die Schätzung
- M3 und

v) Gesandtschaftsbericht des Rherors Pristus in den


Excerptis de Legationibus ( Corp. Hift. Byzantinae
Edit. Paris. T. I.p. 34 fqu.)
1$2 XXXIII. Buch. Aelteste
undEintreibungder Steuer, und diese sorgten vorzüg
lichfür sich und ihre Freunde, verheilten die Lasthöchst
ungerecht, achteten auf keine kaiserlichen Befreyungen
vder Privilegien und verfuhren so grausam, daß in
Illyrien viele wohlhabende Leute, nachdem sie biszum
Verkauf ihrer Kleider getrieben waren, in Verzweif
lung geriethen, und sich selbst entleibten. Die Duces
und Präfectider Donaufestungen fuhren in ihrer oben
bemerkten Unartfort, und richteten ihr vornehmstes
Augenmerk aufGewinnstdurch Handel, Gerichtsspor
teln und andere Bedrückungen. Sie unterließen die
Waffenübungen, und hielten sich hinter den Mauern,
sobald eine freifende Rotte sich sehen ließ. Daher
waren die Provinzen, in welchen ihre Besatzungen
lagen, mehr gothisch, alanisch, wandalisch oder hun
mich, als römisch. Die Gothen beschirmten fast allein
die Länder, in welchenfie fich aufhielten, und fie sagten
öfters den vornehmsten Staatsbedienten unter die Au
gen, dasfey ein Kennzeichen der gothischen Beschei
denheit,daß die Römer noch ihre alten Länder besäßen.
Man glaubte in beyden Residenzen,eine genaue Verei
nigung der Gothen undRömer werde dem Staate seine
verlorene Stärke wiedergeben, weil man wußte, daß
die Gochen mannhafte Feinde der Weichlichkeit wa
ren. Daher ließ man die Gochen zu allen Aemtern
des Staats. Allein dieser Anschlag mislang. Die
Gochen blieben ihren Sitten getreu, und sondertensich
aus Nationalstolz stets von den sogenannten Provin
zialen ab. Diese konnten der Bewunderung ihrer
männlichern Tugenden nicht widerstehen, und fiengen
an sich aufgothischzu kleiden, vielleicht in der Erwar
kung, mit dem gothischen Pelze auch den gothischen
Muth zu erhalten. Einige Gochen geriethen bald auf
den Einfall, ihre vorgedachte Bescheidenheit zu ver
kaffen, und etwaszu wagen x); und es empörte sich
Trib
1) M72fov angef, Orts VIII B. S. 331.
Hungarische Geschichte. 183
Tribigild, ein ofgothischerKriegesbedienter in Klein
afien, Alaric),ein illyrischer Westgothe aus königlich
balthischem Geblüte, und Galina, der Dur der rö
mischen und gothischen Völker in Konstantinopel. Der
letzte ward durch die konstantinopolitanische Besatzung,
und nachher durch einen gothischen HeerführerFrajuta
besiegt, und verlor, als er in Dacien über die DonauJ.Chr.400.
ehen wollte, in einer Schlacht mit dem hunntifthen
Fürsten Ulldes das Lebeny). Der zweyte, Alarich,
war aber glücklicher, vielleicht weil er mehrere Vor
fichtgebrauchte; denn erverheerte Macedonien,Theffa- .
lien und Morea, widerstand dem Angriffeiner Flotte, J. Chr. 396.
die Stilico selbst führte, und ertrotzte, vielleicht für
rückständigen Sold und Vorschuß, die Präfectur des Alarichs Em
abendländischen Illyriens z). In diesem Lande"
fand er Gelegenheit sich stärker zu rüsten, und er
misbrauchte sein Amt, um seine Freunde mit vielen
Waffen aus den illyrischen und thracischen Gewehrfa
briken zu versehen. Sobald dieses geschehen war,zog J. Chr.4se.
er unvermuthet mit einem Heere durch Pannonien und
über Sirmium und Aquileja nach Italien, um dieses
Land zu erobern. Stilico widersetzte sich ihm, und er
litt bey Pollentia in Ligurien und bey Verona, am J. Chr. 403
letztern Orte durchgothische und alanische Hilfsvölker, "º“
schwere Niederlagen; aberdennoch erhielt er fich durch
Stilicons Veranstaltung bey seiner Macht. Denn
dieser Minister hatte nebst seinem Kaiser den geheimen
Vorfaß gefaffet, das morgenländische Illyrien dem
Kaiser Arcadiuszu entreißen, und wollte zudieser Un
ternehmung sich des Alarichs bedienen. Er ließ sich
daher mit dem Alarich in Unterhandlungen ein, und
dung ihn für bestimmte Wartgelder zu diesem Zuge.
M4 Er
y) ZofimusV. 18-22.
z) Claudianus in Eutropium II. v. 213. de Bello Getico
v. 55O.
184 XXXIII. Buch. Aelteste
Er glaubte, daßerdiesenschonimnächsten Jahrewerde
unternehmen können; allein es hinderten ihn, außer
J. Chr. 407. der Empörung des britisch-gallischen Gegenkaisers
Confantinus, zwei große Heereszüge gewisserGothen,
J. Chr. 405.
Sveven und Wandalen. Die Gochen hatten einen
heidnischen König Rhadagius, und, wie man will,
über 2Co,ooo Sarnaten bey sich. Sie mußten da
her aus dem alten Dacien, oder vielleicht aus einer
noch nordlichern Gegend gekommen feyn; sie wurden
aber durch Hunnen und andere Gorben, welche in
des Kaisers Honorius Dienste unter den Heerführern
J. Chr. 406. Huldin und Sarusfochten, im nächsten Jahre bey
Florenz geschlagen und zerstreuet. Vielleicht gehörten
die Wandalen, Sveven und Alanen zu diesem
Heere; denn einige alte Schriftsteller behaupten, daß
Stilico den Rhadagius durch Unterhandlungzum Ab
zuge aus Italien gebracht habe, und man weiß, daß
zugleicher Zeit durch ihn die Sveven, Wandalen und
DieWandalen
"rlaffen Pan Alanen zum EinfallinGallien verleitet finda). Der
nien. Königder Wandalen hieß Godegiffel, und die Ab
*
fichtdieser Nation war, Gallien den Franken zu ent
reißen, und die pannonischen Aecker, auf welchen fie
bisher als römische Unterthanengewohnt hatten, mit
Rheinländern zu vertauschen. Dieses gelang ihnen,
J. Chr. 4u. ohngeachtet ihr König im ersten Treffen blieb. Sie
breiteten sich in Gallien aus, giengen darauf nach
Spanien, und endlich nach Afrika b). In“
(lters

a) Orofius VII. 37. 40. Isidorus Aera 443. Mafiov


a O. VIII. 347.
b) Daß diese Wandalen die obengedachten pannonischen
Wandalen gewesen sind, fagt Iornandes de reb. Get.
Es warenaberauchnocham Ursprungder Elbe,vielleicht
aucham schwarzen Meere, Wandalenvorhanden. Proco
pius hält die gallischen Wandalen oderden Stamm der
Silinger und Asdinger für Bewohner der krimischen
Tartarey. Procop. de Bello Vandal. I.22. Mastov
II Band Anm. S. 30.
Hungarische Geschichte. 185
Vaterlande hinterließen fie Pächter oder Landbewahrer,
welche, da fielihrer Landesleute und Eigenthumsherren
Glück in Afrika (etwa im Jahr 430) vernahmen,
umdasEigenthum ihres Landes baten, aber eine Fehl
bitte thaten.
Der vorgedachtePräfectusPrätorio Alarichward
bei den Unruhen vergeffen, und erhielt nichts von
den versprochenen Subsidien. Daher fand er es nö
thig, fich wichtigzu machen, und in Noricum einzu
fallen. Stilico veranstaltete zwar, daß ihm 4000
Pfund Gold zu Rom verwilliget wurden; alleinder J.Chr. 407.
Kaiser Arcadius starb, sein Sohn Theodosius ließ den 3. Chr. gos.
Stilico hinrichten, und der neue Minister Olympius
getrauete fich, den Alarich ohne Geld zu beruhigen.
Alarich zog einen Haufen Hunnen an sich, und eilte
aus Oberpannonien nach Rom, um seine Forderung
mit Gewalt einzutreiben. Dieses geschahe. Rom
ward gebrandschatzt. Der Hof versprach alles, was
er forderte, und nahm seine Zusage zurück, sobald er
fich entfernt hatte. Er hat den Vorschlag, daß man
ihm Noricum, welches der kaiserlichen Kammer da
mals weit mehr kostete, als es einbrachte, unter der
Pflicht, es auf seine Kosten gegen die Feinde zu ver- Die Westgo
heidigen, überlaffen möchte; allein dieser ward ver-''
worfen. Daher gieng er wiederum vor Rom, und Jüyrien.
dieses malgelang es einen Westgothen, diese Stadt 24 Aus. 4a.
im Sturm zu erobern, und fichin Italien festzusetzen.
Aus Italien wandten sie sichunter dem KönigAtaulf
zwei Jahr später nach Gallien, und wiederum nach
zwei Jahren zu den Spaniern, unter welchen sieden
Grund des gegenwärtigen spanischen Reichs legten.
Ihre verlaffenenthracischen Wohnungen wurden nach
her c) vom Kaiser Theodosius dem jüngern den Ost-J. Chr.47
M 5 gothen,
c) Historia mifella ap. Muratori Seript. rer. Italic.T.I.
p. 94. In selbigem Jahre, sagt Marcellinus e“ Als
136 XXXIII. Buch Aelteste
gothen, die zuvor im ersten Pannonien anfäffigge
wesen waren, eingeräumt. Diese behielten sie acht
und funfzig Jahr.
J. Chr. 423. Der Kaiser Theodosius erbte von seinem Vetter
Honoriusdas abendländische Kaiserthum, und überließ
es beim Sterben einem minderjährigen Vetter Va
lentinianus, unter der Vormundschaft feiner ältern
Schwester Placidia. Es widersetzte sich zwar Johan -

nes, der sichzum Kaiser hatte ausrufen laffen; allein


dieser Mann ward ausPannonien und Illyrien getrie
ben, daraufin Ravenna gefangen und eilfertig hin
gerichtet, ehe sein.Hülfsheer von 60000 Hunnen nahe
genug kommen konnte, um ihn zu retten. Dieses
Heer war vom Dur utriusque militiä, Aetius (einem
Mölier aus Silistria), aus dem alten Dacien herbey
-
-

- geho
bekamen die Römer Pannonien wieder, nachdem die
Hunnen es 5o Jahr (feit 377) befeffen hatten. Diese
Stelle eines Schriftstellers, der als Comes Illyrici,
und als ein etwa 150 Jahrjüngerer Autor,nicht ganz
zu verwerfen ist, hat einen Zwist zwischen den Herren
Pray (Diff, hift. critic. in An. veteres Hunnorum p.
221.) und Severinus (Pannonia p. 215.) veran
lafft, den ich nicht entscheiden kann. In diesem Zeit
raume faßen in Pannonien, außer den Römern in den
Besatzungsplätzen, Vandalen, Gepiden (bey Sir
mium und Singidon Hift. nifel. p. 94), Oftgothen,
Sveven oder Quaden, und einige Hunnen. Ganz
kann also Pannonien den Hunnen nicht gehört haben.
Es findet sich auch keine Begebenheit in den Jahrbü
chern, welche deutlich machte, wie Pannonien im J.
427 von den Hunnen, die es vielmehr erst damals an
sich riffen, befreyet feyn könnte. Sollte auch wohl
Marcellinus die Urkunde, die in der Historia miscella
gebraucht ist, zu flüchtigangesehenhaben? oder waren
die Hunnen des Marcellinus mit den Gothen, die
nach Thracien verfetzt wurden, vereinigt gewesen?
Wenigstens streiften Hunnen undGothen vereinigt 377
in Pannonien. -
Hungarische Geschichte. 187
geholet, und diente nur dazu, daß esdem Aetius vor
theilhafte Bedingungen verschaffte, unter welchen er 3. Chr.4a,
den hunnischen Fürsten Ruja zum friedfertigen
Rückzuge in sein Vaterland überredete.
Mit diesem Ruja fängt sich in der pannonisch-da- ursprung der
eischen Geschichte die hunnische Epoche an,zuderen Hunnen,
Erläuterung es nöthig ist, etwasvon dem Ursprunge
der Hunnen zu melden. Von diesen haben wir
zweyerley Nachrichten; einige aus gleichzeitigen rö
misch-griechischen Schriftstellern, und andere aus
fchinesischen und arabischen Jahrbüchern. Die letztern
find mit jenen in Betracht ihres Werths nicht zu ver
gleichen, und außerdem ist es noch sehr zweifelhaft, ob
die chinesischenHiong-nu wirklich mitden griechischen
Hunnen verwandt gewesen find; allein weil verschie
dene der heutigenHungarn die chinesischeAbkunftihrer
Landesleute vertheidigen, so würde es ein Fehler seyn,
wenn hier von selbiger nichts gesagt würde d). Die
fchine
d) Die Ableitung der Hunnen von denfchinesischen Hiong
nu hat zuerst Hr. de Guignes in der Histoire generale
des Huns, desTurcs, des Mogols & des autresTatares
occidentaux avant et depuis J.C.jusqu'àprésent àParis
1756- 1758. T. I-IV. bekannt gemacht, und Herr
Georg Pray in die hungarische Geschichte aufgenom
men, letzterer in dem Werke, welches den Titel hat:
Annales veteres Hunnorum, Avarum et Hungarorum
ab anno ante natum Chrifttum 21oad An. Christi 997
deducti,Vindobonae 1761. Hr. Pray fand Wider
fpruch, undentkräftetedie ihm entgegengesetzten schwa
chen Gründe in dem VIII Stücke feiner Differtationun
hift. criticarum in Annales Hunn. etc.Vindob. 1775. p.
17.4. Man muß bey diesem Gegenstande aufzwey
Dinge Acht geben, nämlich aufdie Glaubwürdigkeit
fchinesischer Quellen, und auf den Umstand, ob die
fhinesischen und griechischen Hunnen wirklich eine
Nation gewesen sind. Dasletzte ist sehr zweifelhaft.
Denn die chinesischen Hunnen waren, wie man will,
IN
188 XXXIII. Buch. Aelteste
Chinesische chinesischen Hunnen gehörten zu der Nation, die
Hausnu. man jetzt Tataren zu nennen pflegt, und hatten unter
- VE's

in der mogolischen Tartarey, und nachher in der Bus


charey, die griechifchen aber am Eismeere. Die schi
nesischen Hunnen hatten Fürsten, Staatsverfaffung,
und einige Wiffenfchaften. Die griechischen waren die
roheste Nation, die man sichgedenken kann; ohne Be
griff von Mein und Dein, von Herr und Unterthan,
von Schrift oder Wiffenschaft, und dennoch geneigt
sich zu bilden, sobald sie unter die Gothen kamen. Von
den Wörtern, die von der fhinesisch-hunnischen
Sprache übrig sind, findet sich keine Spur in den hun
garischen Dialekten (Hr. Pray l. c.p. 15), und wenn
des fel. Bel hunnisches Alphabeth in der Exercit. de
vetere literatura Hunno-Scythica Lipf. 1718 acht ist,
fo ist auch die Schrift der pannonischen Hunnen der
fchinesischen Schreibart gerade entgegen. Die Schine
fer hatten bey der Ankunft der Jesuiten fo wenigKennt
nis von der Erde, daß sie außerSchina, nur einpaar
kleine Inseln für ganz Asien undEuropa aufihre Char
ten zeichneten. Daher ist mir es nicht glaublich, daß
fie von Völkern am kaspischen Meere nicht nur Nach
richten, sondern abgemessene Reiferegister oder Post
routen gehabt haben. Man weiß auch nicht,wiefchon
Baumgarten in den Noten zu der englischen Allgem.
Delthistorie 17 B. 211 S. bemerkt, auf welche Art
die Schinefer zu den Kenntniffen der hunnischen Bege
benheiten im Abendlande gekommen feyn follten, da fie
mit den Hunnen nach der Flucht aus der Tartarey in
keiner Verbindung standen, und die Hunnen, felbst zu
Attilas Zeit, nicht schreiben konnten. Wie es fcheint,
hat den Herrn de Guignes, und vor ihm den Prof.
Fischer in Petersburg,blos die Aehnlichkeit der Namen
verleitet. Auch hat ein zu großes Feuer eines glückli
chen Genies beydieser Untersuchunggewirkt; denn ohne
felbiges wäre es nicht möglich, das Gebirge Hiongnou
für das anbische Gebirge desPtolemäus, und Ta-tfin
(Abendland)für das römische Reich auszugeben. Die
fchinesischen Schriftzüge wurden vielleicht ehedem gar
durch andere Töne, als jetzt ausgesprochen; und wäre
diefes, so fiele auch der Grund von der Aehnlichkeit
--

Hungarische Geschichte. 189


verschiedenen chinesischen regierendenHäusern die drey
Namen, Chan - Nong (gebirgige Ausländer),
Tchong-Mo und Hien-Nun, ehe sie den vierten
dauerhaftern, Hiong-nu erhielten e). Sie wohnten
zuerst in Dschili, Schanfi und Scheans oder in den
nordlichsten Provinzen des Reichs Schina, untereinem
Könige oder Tan-jou. Sie breiteten sich bald weiter
QU5,

der Namen weg. Von der Zuverlässigkeit der fhinesi


fchen Quellen darf man jetzt noch nicht urtheilen, da
wir nichts von der fchinesischen Diplomatik, und von
einererwiesenen chinesischen Büchergeschichte in Europa
wiffen. Von der letztern haben wir zwar etwas, aber
aus chinesischen Schriften erhalten, und schon dieses
reicht zu, um an dem hohen Alter derjetzigen fchinesi
fchen Schriften zu zweifeln (S. Herr Hofr Gatterer
hift. Journal 1 Th. S. 2. Göttingische Gel. Anzei
gen 1777. Zugabe S. 38). Zeugniffe chinesischer
Gelehrten können in Europa keinen großen Werth ha
ben, wenn man weiß, daß alle Gelehrte in Schina
632 Jahre gebrauchten, um zu entscheiden, ob die
Chronik desConfucius, welche ein neunzigjähriger Ge
lehrter, 38 Jahr nachdem alle Exemplare durch den
Oberherren vernichtet waren, aus dem Gedächtniffe
aufschrieb, oder ein 40 Jahr später gefundenes ächtes
Exemplar derselben,den Vorzug verdiene? Das aus
führlichste, was Herr de Guignes gebrauchte, war
die fchinesische Erdbeschreibungder Glieder des Collegi
Hau-lin, die während der Dynastie Ming, welche
von 1368bis 1644 herrschte, verfertiget ist.
e) Hiong-nu heißt in fchinesischer Sprache unglückliche
ZKnechte undistalsoeinBeyname,denwohlfchwerlicheine
foruhmbegierige Nation felbst geführt haben dürfte. S.
Hr. Pray Diff. p. 9. Eben dieser Gelehrte bemerkt,
daß infinnländischer Sprache Hunnyu ein kleinesdauer
haftes Pferd genannt wird. Es ist wahrscheinlicher,
daß die griechischen Hunnen diesen Namen auf ihre
' gebracht, als daß sie ihn von selbigen entlehnt
M.
190 XXXIII.Buch. Aelteste -

aus, und heilten ihr Reich in das oftliche undwest


liche Gebiet. Injedem waren sechs hohe erbliche
Staatsbediente, die zusammen ein Heer von 100,000
Reutern unter ihrem Befehle hatten. Dieses wurde
fehr oftgegen die Nachbarn, und vornehmlich gegen
die Schinellergebraucht. Denn die Nation war so
streitbar, daßkeiner von ihnen die Vorrechte derVoll
jährigkeit erhielt, ehe er einen Feind ermordet hatte,
und daß nur dem die Erbschaft eines im Treffen getöd
teten Manneszufiel, der es gewagt hatte, den Körper
des Erschlagenen von derWahlstatt zu holen, und mit
sich zu nehmen. Der Hiong-nu gebrauchte aufder
Jagd und gegen den Feind Bogen, Spieße und
Schwerdter. Zur Zeit der Ruhe kam er nicht aus
feinem Karren; denn er überließdie Viehzucht seinen
vielen Weibern. Seine Kleidung bestand aus den
Fellen erlegter Thiere, und ausgeraubten chinesischen
Kostbarkeiten. Diese warf man nebst den Leibern
einiger enthaupteten Gefangenen in sein Grab, wenn
er eingescharret ward, und auf selbiges setzte man eine
Zeit lang Speise und Milchbranntwein, weil man sich
nicht überreden konnte, daß ein Todter oder eine abge
fähiedene Seele ohne körperliche Nahrung fortdauern
könne. Die Ehrlichkeit und Erfüllung eines jeden
Versprechens, unddie Ablieferungder Herbststeuer für
den Tanjou, hieltmanfür diezwei Hauptpflichten eines
redlichen Hiong-nu; und diesen war unmittelbar die
Schuldigkeit nachgeordnet, der Sonne, dem Monde,
dem Himmel, den Geistern und den Seelen derVor
fahrenjährliche und monatliche Thier- und Menschen
opfer zu bringen. Die monarchische Verfaffung war
bey diesem Volke nicht sehr alt; denn man setzt ihren
Ursprung erst in das 209 Jahrvor des HeilandesGe
burt, als Me-ten, der Sohn eines hiungnuischen
mächtigen Oberhaupts Tu-man, welcher viele hiung
nuische Horden unter seinem Befehle hatte, seines
Vaters
Hungarische Geschichte. 191
Vaters Reich an sich riß. Dieser Me-ten nahm
zuerstden Titel Tan-yu (Sohn des Himmels) an,
herrschte fünfund dreißigJahr, veranlasfete die Schi
nesen, die berühmte Mauer in Schanfi ihm entgegen
zu setzen, eroberte das Land Korea; ferner das Gebiet
der Tataren oder Sien-pi und U-huon, die damals
blos in Leaotong und nordlich unterhalb Dschili oder
Pecheli wohnten; dann ganz Siberien, und endlich
alles, was zwischen dem japanischen Meere, dem
Amur, Jrtisch, Obiund Baikal, dem kaspischen -

Meere und den tibetisch-indischen Gränzen lag; und


errichtete seine Residenz in Leaotong, an einem Orte,
der für ein so großes Reichnicht schlechter hättegewählt
werden könnenf). Dieses Reich war unbezwinglich,
fo
f) Herr de Guignes erklärt die bunnische Geschichte, die
über das Jahr 209 reicht, für erdichtet; allein daß die
spätere auch nicht zuverläffig fey, zeigen die langen,
eingeschalteten Reden verschiedener Fürsten, und ver
fähiedene Widersprüche. Tibet gehörte den Hunnen
fchon vordem Jahre 174. Dennochflohen die Yun-chi,
als sie von den Hunnen vertrieben wurden, im Jahr
162, nach diesem Lande und Kokonor, und waren -

sicher. Einige dieser Yun-chi wandten sich nach Chos


räfin, verehrten den Budha, und bekamen von den
Schinefern den Namen Petan. Herr de Guignes vers
muthet, Yetan fey der Name Gete, und Budha der
Name Othin, und ist nicht abgeneigt, diese Pun chi
für die Ahnherren aller Gothen zu halten. Die füdli
chen Hunnen können nach feiner Meynung Tataren,
und die nordlichen, Mogolen in den tatarischen Anna
len, fo wie alle Hunnen Scythen in den griechischen
Schriften, genannt feyn. Es ist aber auch möglich,
daß die Hunnen der Schinefen bloss die Mogolen sind,
und daß der hunnische Zug nach dem kaspischen Meere
indenfchinesischen Jahrbüchern über 1400 Jahr zu alt
gemacht ist. Wenigstens hat die Geschichte und das
Reich des Penghiz oder Zingis-Chan, felbst die Ne
gierungszeit von 34 Jahren (1193- 1227), eine sehr
auffallende Uebereinstimmung mit dem, was vom Me
ten erzählet wird.
192 XXXIII. Buch. Aelteste
so lange die Nation bei ihren alten Grundsäßen blieb;
allein da diese durch den Ehrgeiz einiger Fürsten im
120 Jahr vor Christi Geburt vernichtet wurden, so
verfiel es, und ward nachher ein Raub der Schineller.
Viele Hiungnu sonderten sich schon in diesem Jahre
von den übrigen ab, und begaben sich in die Wüste
Hamil. Im Jahr 8 v. Chr. G. machte sich der schi
nefische Kaiser zum Herren des ganzenHiungmulandes,
und verheilte es unter funfzehn Fürsten. Dennoch
blieb der Tanju, und fuhr mit seinen siegreichen Ein
brüchen in Schina ungehindert fort. Im 48 Jahren.
Chr.G. riß sich ein gewisser Pe, mit einem Theile
der Nation, von der Hoheit des Tanju Pu-nu los,
und stiftete das Reich der nordlichen oder westlichen
Hiungnu. Der alte Tanju hoffte seine Rechte durch
die Waffen der Schinesenzu behaupten, gerieth aber
dadurch unter die Oberherrschaftdes chinesischen Kai
fers. Seine Nachfolger behielten nur acht Horden,
und wurden nach Moei-tfi, einem nordlichen Reichs,
theile, vom Kaiser versetzt. In diesem erlernten sie
chinesische Wissenschaften, und da sie durch selbige in
eine ganzgenaue Verbindungmitden Schinelern gerie
ehen, so hörten sie im Jahr Chr. 18o auf, eine be
sondere Nation unter einem eigenen Tanju zu feyn.
Nach 71 Jahren wurden sie in die Provinz Schanfi
verlegt. DreyßigJahr später empörten sie sich, und
wählten einen Tanju, und bald darauf bemächtigte
sich dieserdes nordlichen chinesischen Throns, den nach
herdreyhunnische Geschlechter,alsKaiser,biszum Jahr
439 behauptethaben. Ausdenen,die bei der Stür
zungdesletztenhiungnu-chinesischenKaisersausSchina
vertrieben wurden, sollen die Türken entstanden seyn.
Die nordlichen, oder wie sie nachher hießen, die
westlichen Hiungnu, verloren ihr Land im Jahr 93,
und die chinesischen Sieger räumten es den Sien-pi
Tataren ein. Seit dieser Zeit verschwanden sie den
- - Schine
Hungarische Geschichte. 193
Schinefernbeynaheaus denAugen.Sie giengenüberdas
Gebirge Kin-vi am Jrtisch, durch das LandKamkiu
(am Jihun und Aralsee, wie Hr. de Guigneswill,)
nach Yunhan oder Ufa (vielleicht Turfan in der kleinen
Bucharey), und bezwangen ganz Kaptschack, das ist,
Astrakan, Kasan, das Land der Czerkaffen bis am
Don, das Land der Eöter und den südlichen Theil
von Siberien. Die Hiungnu, welche an den Quellen
des Jaik fich aufhielten, nahmen einem gewissen Kö
nige Alanna das Land Pentkai an der Gränze Ta
fin g). Andere hiungmuische Horden griffen zugleich
mit den nordlichen Juguren, im J. Chr. 120 die südli
chen Juguren und die chinesische Provinz Schenfi an.
Ihr Glück veranlaffte einen innern Zwist, und ein
fienpiescher Hirte Tanche-hoai erhielt dadurch Gelegen
heit, die Hiungmu (J. Chr. 124), die doch den
Schinefern zu mächtigwaren, zu überwältigen, und
fie bis über den Ilistrom in die große Bucharey zu
vertreiben. Diesemohngeachtet blieb der Stamm der
Te-le oder Ab-te, le, welcher seitder Zerstörungdes
nordlich hiungnuischen Reichsfichbey Aksu undKasch
gar aufhielt, und seine Besitzungen bis zu dem Jahr
530 behauptete. Die übrigen Hiungnut wurden nach
dem Jahre 318 von den Sienpien und den Geougen
im nordlichen Schinafo sehr gedrückt, daß sie Asien
verlaffen mußten; und daher fielen sie endlich aufdie
Yentkaier, die an der Wolga gewohnt haben sollen.
Man will, daß diese Pentkaidie Alanen, die Geou
gen die Avaren, und die Abtele die Euchaliten oder
Neph
z) Tatin hält Hr.deGuignes für das abendländische
römische Kaiserthum; Hr. Pray aber (Diff p. 198)
für die chinesische Kolonie auf der Küste Koromandel.
Es kann aber auch nach der Bedeutung des Worts,
Kokomor, Sifan oder Tarkenton andeuten.
Allgem.xweltgXVB.I.Abh. R
194 XXXIII. Buch. Aelteste
Nephthaliten der griechischen Schriftsteller gewesen
find.Diejenigen Hunnen, welche die Griechen kann,
Griechische
Hunnen. ten, saßen im ersten Jahrhunderte christlicher Zeitrech
nung an der Wolga und am kaspischen Meere, oder im
heutigen Afrakan h), neben den Alanen, und kamen
J. Chr. 73.
biszu denMediern und Armeniern. Dieses geschahe
nachher noch einigemal; allein fiel berührten jedesmal
nur die Medier, und kehrten über Abscharon, oder
durch die Gegend, in welcher Felsen brennen, zurück.
Diejenigen Hunnen, die von diesem Zuge denRömern
Nachricht gaben, versicherten, daß sie in diese Gegen
den nur durch einen Zufall gekommen wären i); und
es mußte also die Provinz Erivan, damals so wie
nachher bis in das vierte Jahrhundert, daswestlichste
Land, welches sie jemalsgesehen hatten, feyn. Gegen
Norden schweiften fie bis an dasEismeer, und bis an
gewiffe ungenannte große Gebirge k), welche entweder
in Permien oder in Siberien diesseits des Oby lagen.
Alanen. Südlich und westlich gränzten die Alanen an fie,
welche inder heutigen Kobardey und czerkafischen Tar
tarey, oder zwischen dem schwarzen und kaspischen
Meere, dem Kaukafis und dem Don,-ingleichen an
den Quellen des Dneesters, und am alanischen Gebirge
in Lithauen und Rußland fich aufhielten. Diese Na
tion war von den Hunnen sehr verschieden. Sie be
fand ausgroßen, schönen, weißenPersonen, welche die
Waffen
h) Dionysius v Charar S.739. und Hr. Prof. Thun
mann Untersuchung über die Geschichte der offli
chen Völker 1 Th. S. 24 u.f.
i) Prifaus Rhet. in Corp. Hift. Byz. T.I. p. 64. edit.
Parif
k) Diefes versichern die gleichzeitigen Schriftsteller Cro
fius (VII. 33), S. Hieronymus, und Am. Marcel
linus XXX. 2. -
-
- - --
Hungarische Geschichte. 195
Waffen weitgeschickter zu gebrauchen wußten, und
fich auch an feinere Sitten und Speisen gewöhnt hat
ten. Sie theilten sich in viele Horden oderGeschlech
ter, hafften den Ackerbau und beständigen Aufenthalt,
und fäßen von ihrer ersten Jugend an stets auf ihren
Pferden, sowieihre Weiber in einemKarren, der mit
gekrümmten Baumrinden bedecktwar. Ihre Speisen
waren rohes Pferdefleisch und Milch. Sie veränder
ten ihren Wohnplaß nach einigenTagen, oder wenn
das Gras von ihrem Viehe verzehret war. Ihr Zug
war ohne Ordnung; und wenn sie sich lagerten, so
forgten fiel nur dafür, daß die Weide, in welche fie
das Vieh trieben, durch ihre Wagen eingeschloffen
ward. Sie gaben keiner gewissen Gegend den Vor
zug, sondern fie lebten in einer Wüste, so lange ihr
ViehMilch gab, so vergnügt, als in den wafferrei
chen Gegenden. Sie schweiften auch in dem Gebiete
anderer Nationenherum; und wenn diese sie aus ihrem
Eigenthum vertreiben wollten, sowidersetzten sie sich.
Daher gewöhnten sie sich andenGebrauch der Waffen,
und bekamen eine Empfindung vom Heldenruhme.
Diese ward so feurig, daß sie einen jeden, der für
Alter und überhaupt nicht vor dem Feinde starb, für
unehrlich hielten, daß sie ihre ermordeten Feindefkal
pirten, und die abgezogenen Haarhäute an ihre Pferde
als Zeichen ihres Adels hiengen, und daß sie keinem
Wesen, außer nur einem Schwerdte als dem Sinn
bilde eines Kriegesgottes, göttliche Ehre erzeigten.
Sie liebten die Freiheit so sehr, daß sie keinen Begriff
von Knechtschaft und Unterhänigkeit, vom Priester
fande und von einer Demüthigungfür einenSchöpfer
hatten. Dennoch lehrte sie eine spätere Erfahrung,
daß ihre Kriege keine Standesgleichheit zuließen, und
fie wählten daher Richter oder Anführer, vermuthlich
-
N 2 mit
196 XXXIII. Buch. Aelteste
mit sehr eingeschränkter Gewalt ). Sie ließen sich
J.Chr.72-139. sehr zeitig in Armenien, Kleinasien und Persien, wie
auch in Mötien sehen, und waren nach dreihundert
Jahren fast bis an den Ganges, und bis an diegroße
Wüste gekommen, welche die Seres oder Tibetaner
von den Scythen (Usbekern) absonderte. Einige
hatten sich in römische Dienste begeben, andere aber
fochten als Bundesgenoffen der Parther gegen die
Römer.
Hunnen. Die Hunnen hatten sichfast noch stärker an den
Gebrauch der Pferde gewöhnt; denn sie stiegen von
iesen Thieren fast niemals herab. Sie aßen und
tranken auf selbigen, und wenn sie den Magen ange
füllt hatten, sanken fiel aufdie Hälfe ihrer Pferde,
auf welchen sie fest und sicher schliefen und träumten.
Sie wagten es nicht, in ein bedecktes Gebäude zu
gehen, weil sie in selbigem nach ihrem Wahne bezau
bert werden konnten. Das Fleisch, das sie zu ihrer
Nahrung bestimmeten, ward auf den Rücken des
Pferdes gelegt, um durch die Schwere und Bewe
gungihres Körpers nach ihrem Geschmack zubereitet
zu werden. Außer dieser Speise genoffen sie nichts
als Wurzeln und Kräuter, die fie in den Wäldern und
gebirgigen Gegenden, in welchenfie fichvorzüglichgern
aufhielten,aufsuchten und rohverzehrten. Dieseeinfache
Nahrung und ihre Trägheit gab ihnen nervige, ge
drungene und muskulöse Körper, und so vielesFett,
daß sie fast nur aus Kopf und Bauchzu bestehen, und
keinen Hals zuhaben schienen. Eine solche Bildung
war schon auffallend genug; alleinfiemachten sie durch
die Verunstaltung ihres Gesichts noch scheuslicher;
denn sie zerfetzten sich dasKinn und die Backen, um
das Wachsen des Barts, der ihnen unerträglich war,
zu hindern. Ihre Faulheit gieng soweit, daß sie über
- zwerch
1) Amm. Marcellinus XXXI. c. 2. -
Hungarische Geschichte. 197

zwerch nach Weiberart auf ihren Pferden hiengen,


kein Kleid auszogen, sondern es auf dem Leibe ver
wesen ließen, und niemals auf die Zukunft dachten.
Daher wußten sie nichts vom Gottesdienste, von Re
ligion, odervon Priestern. Sie kaufen und verkauf
ten, wenn es ihnen einfiel, bey Nacht oder bei Tage,
ohne fich durch gesittetere Nachbarn an eine gewisse
Marktzeit binden zu laffen. Die Befriedigung der
Naturtriebe war ihr einiges Gesetz; und wenn sich
diesen etwas widersetzte, so geriethen sie in den heftig
ften Jachzorn, der sie aber bald wieder verließ. Sie
fchätzten nichts außer glänzendesGold, nach dem fie
fehr geizten. Von Verträgen undBündniffen konn
ten fie sich keinen Begriff machen; und wenn sie eine
Luft zur Beute oderzu einer Unternehmung ankam, so
fuchten fiel ihr eine Genüge zu thun, ohngeachtet fie
kurz zuvor einen Waffenstillstand geschloffen hatten.
Das beständige Reiten verschaffte ihnen eineGeschick
lichkeit, unglaublich geschwind das Pferd zu lenken,
und herbey zu eilen. Ihr Angriff war so wütend,
daß man einzelne Reiterkaumerkannte. Sie folgten,
ohne an Gefahr zu denken, ihren Anführern rotten
weise und ohne Ordnung. Ein heftiges Gebrülle,
welches fiel im Angreifen ausstießen, setzte sie in eine
finnlose Raserey, und durch diese gelang es ihnen öf
ters, weit streitbarere und tapferere Feinde, als fie
felbst waren, zu Grunde zu richten. Ihr Gewehr
bestand aus Wurfpfeilen, die mit Knochen vorgespitzt
waren, aus eisernen Schwerdtern, und aus Schlin
gen, welche sie ihrem Gegner über das Haupt warfen,
um ihn fortzuschleppen oder zu tödten. Ihre Flucht
war öfters gefährlicher als ihr Angriff; denn sie
scheffen hinter sich, undfafften dieNachjagenden desto
gewiffer, da diese die Schilder nicht vorzuhalten pfleg
ten. Ihre Weiber saßen in Karren, und webtenfür
-

N3 ihre
193 XXXIII.Buch. Aelteste
ihre Männer leinene schwarze Kleider. Ueber diese
trug der Hunne einen Rock von Waldmäufen (viel
leicht vonZobel), aber das Haupt und die Füßewand
er in rohe Bockshäute. Kurz, diesehunnische Nation
hatte, als Marcellinus sie auf diese Art beschrieb,
noch alle Kennzeichen eines neuen Volks, welches in
den kältesten Gegenden aus einzelnen Geschlechtern ent
fanden feyn mochte, und in denKünstender südlichern
Menschen noch völlig unerfahren war. So wie sich
ihr Haufen vergrößerte, ward ihr der Raum ihrer
Heimat zuenge. Daher mußte fiefich in grasreichere
Gegenden begeben; und durch diese wurde sie zu den
Alanen geführt. Die Alanen vertheidigten ihreWie
3. Chr. 377. fen, und es entstand der blutige alanisch-hunnische
Krieg, der endlich durch den Vorschlag, die Gothen
jenseitsdes Dons anzugreifen, geendiget wurde.
Von dieser Begebenheit, und von der hunnischen
Eroberung des gesamten Gothlandes, und insbeson
dere desalten Daciens,istobengenuggemeldetworden.
Die Hunnen bildeten sich unter den Gochen so außer
ordentlich geschwind, daß man ihnen einen glücklichen
Geist, einen starken Verstand, und eingutes gelenk
fames Herznicht absprechen kann. Die Römer nah
men einige ihrer Horden in Sold, und bewunderten
die Genauigkeit, womit sie den neuerlernten römischen
Kriegesdienst verrichteten. Sie wählten sich verschie
dene Fürsten,Feldherren oder Könige m), und gaben
Einem

m) Auszüge aus dengriechischen Schriftstellern in Herrn


Conrector Stritters Memoriis populorum olim ad
Danubium,Pontum Euxinum,paludem Moeotidem,Cau
cafum, Mare Capium et inde nagis ad feptentrionem
incolentium e Scriptoribus Hit. Byzantinae erutis et
digefisT. I.p. 452 u.f. Ingleichen aus lateinischen
und Kirchenferibenten in Macovs Gesch. der Deut
fchen IX B. S.422. Theodosius gebrauchte die Hun
REM
Hungarische Geschichte., 199
einem unter selbigen den Vorzug. Donatus, einer
ihrer Könige, schien dem griechischen Hofe sogefähr
lich zu feyn, daß dieser ihn durch einen Gesandten J. Chr. 412,
hinterlistig ermorden ließ. Aber einer feiner Mitre
genten Charaton trat aufVerlangen der übrigen
Fürsten in feinen Platz, und zwang den Kaiser zu
einer Geldbuße. Zu gleicher Zeit hat sich der oben
schon genannte Uldes, ein Fürst der moldauischen
Hunnen, hervor, welcher den gothischen Heerführer
Gaina erlegte, desselben Haupt nach KonstantinopelJ. Ch k,400,
fandte, und ein Bündniß mit den Griechen, wie es
fcheint, aufSubsidien schloß. Eben dieser Fürst focht
für den K. Honorius in Italien gegen den Rhadagy-J. Chr. 405.
fus. Ein anderer hunnischer KönigRuja wollte den
Gegenkaiser Johannes unterstützen, und wandte nach J. Chr.427.
her die Waffengegen die Amalfiren, Ithamaren,
Tonofiuren und 25oifken, vier unbekannte Völker
am Ufer der Donau, die ohne sein Vorwissen sich in
den Schutz der Römer begeben hatten n). Optar,
Roas und Mund zaccus,drey Brüdero),herrschten
über die europäischen Hunnen entweder zugleich, oder
nacheinander. Optar blieb in einem Zuge gegen die I, Chr. 430
N4 galli
nen und Alanen 387gegen den Kaiser Maximus, und
392 gegen den Empörer Eugenius. Bey jenemZuge
erhielten sie den Ruhm der Treue und des Dienfeifers.
Latini Pacati Drepani Paneg. in Theodosium c.32.
n) Pri/cus Rhetor et Sophifa, oder vielmehr die Frag
mente aus desselben verlorenen byzantinischen und go
thischen Geschichten, die von feiner Gesandtschaft an
den Attila Nachrichtgeben, im Corp.Hit.Byzant.T.I.
Paris. 1648. p. 47. Diese Fragmente sind in einem
besondern Werke erläutert, welches den Titel hat:
Attila, mißfis acceptisque legationibus illustris, ex
Prifo Rhetore Sophista, edidit atque notas adiecit
AMatth. Bel. Poloni 1745 f. -

o) Gornandes de reb. Geticis C. 35.


200 XXXIII. Buch. -Aelteste
gallischen Burgunder durch übermäßigen Genuß der
Speise, von der ihm der Magen platzte p). Roas,
der vielleicht der ebengedachte Ruja war, zogvonden
Römern ein Jahrgeld von 3 so Pfund Gold, und
entzweyete sich mit demKaiser Theodosius demjüngern
über verschiedene hunnischeUeberläufer, die derKaiser
nicht zurückgeben wollte. Diese schienen neubekehrte
Christen zu seyn; dennder fcythische oder tomitanische
J, Chr.40e. Bischof Theatinus hatte sich unter die Hunnen ge
wagt, und viele Freunde bekommen,die ihnzum Theil
den Gott der Christen nannten und verehrten, zum
Theil aber seinem Vortrage Gehör gaben, und sich
taufen ließen q). Der Kaiser fertigte zwischen den
Jahren 429 und 434 eine Gesandtschaftan den Ruja
ab, welche ihnzwar nicht mehr antraf, weil er kurz
vor ihrer Ankunft verstorben war, aber mit feinen
Nachfolgern Bdela oder Bleda und Attila, des
Mundzaccus oder Mundinchus Söhnen,zu Margus
an der Donau im ersten Mölien (Servien) einen
nicht sehr vorheilhaften Frieden schloß. Durchdiesen
erhielten die Hunnen eine vollkommene Handelsfrey
heit in allen römischen Marktplätzen, ein Lösegeld von
acht Aureisfür jeden gefangenen Römer, ein höheres
Jahrgeld von siebenhundert Pfund Gold, und die
Versicherung, daß die römischen Kaiser fich niemals
mit hunnischen Feinden verbinden würden r).
Attila,König Unterden beiden neuen hunnischen Regenten hat
der Hunnen.
sich der jüngere Attila oder Attilas, ein Prinz von
ausnehmenden Fähigkeiten, sehr bald hervor. Seine
Unterthanen, die Hunnen, waren mit den Gepiden s),
einer

p) Socrates Hift. ecclef VII. 30.


q) So2onenus VII. 27. Hr. Pray Ann. Hunnor.p.87.
r) Pri/cus . c.p. 47
s) Das Chronicon Pachale meldet vom Bdela, er fey
aus den gepädischen Hunnen entsproffen (S.317).
- Hungarische Geschichte. - 201
einer deutsch-gothischen Nation, untermischt, und er
nahmdaherGelegenheit, die Lebensart der Gochen an
seinem Hofe, und ihre Verfaffung in einem Gebiete
einzuführen t). Er fann auch aufdie Errichtung
einer neuen Monarchie, bezwang die Soroger im
Norden, und unterhielt mitvielenentfernten deutschen
Königen und fast mit allen misvergnügten Römern
und Griechen ein geheimes Verständniß. Zu den
letztern gehörte der obengenannte Minister des römisch
kaiserlichen Hofes Aetius, der, um der Gefahr, die
ihm die verwitwete Kaiserin Placidia drohete, auszu
weichen, durch Dalmatien und Pannonien zu den3. Chr.4,
Hunnen flohe, und sich bei ihnen aufhielt, bis er mit
seinem Hofe wieder ausgesöhnet war. Bei diesem
Vorfalle erlangte, wie es scheint, der König Attila
die Hoheitüber einen Theilvon Pannonien amSau
oder in Sclavonien, welcher einem gewissen Orestes
anvertrauet ward u). Dieser Orestes besaßdas völlige
Zutrauen des Attila, und war diesem Fürsten vom
Aetiuszu der Führungdes lateinisch-griechischenBrief
wechsels mit beyden kaiserlichen Höfen empfohlen wor
N 5 den.

t) Außer dem Priscus reden viele alte und mittlere


Schriftsteller von dem Attila, und die neuern Huns
garn undDeutschen haben viele Erdichtungenund Lieder
von ihm, welche Nic.Olafius in seinem Attila,(in Bon
fini reb.Ungaricis dec. I.) Juvencus Caelius Calla
nus Dalmata deVita Attilae Ingolstadi 1604, Tico
laus la Casola in dem Roman la Guerra d'Attila fla
gello di dio, tratta dallo archivo deiprencipi d'Estl
Ferrara 1568, und M. Rud. Roth in einer Disputa
tion, die den Titel hat: Attila Hunnorum rex Ienae
1679, als zuverlässige Quellen betrachtet undgebraucht
haben. Am gründlichsten handeln vom Attila Herr
Pray in den Annalibus Hunnorum p. 106-176, und
Macov angef, Orts im IX und X Buche.
u) Pri/cus p.37.
202 XXXIII. Buch. Aelteste
den. Er war übrigens ein Römer, und hatte eine
römische Kolonistin aus Petau im Norikum zur Ge
mahlin. Durch diese Verbindung befestigte er sichin
dem Ansehen, welches er in Sclavonien hatte. Auch
- fehlte es ihm nicht an List, Muth und Geschicklichkeit;
denn durchdiese Eigenschaften brachte er sich nachdem
Tode des Attila in dem römischen Reiche so hochem
por, daß er feinen Sohn zum Kaiser zu ernennen
wagte. Aetius blieb den Hunnen nach feiner Rück
kunft zu Rom geneigt, und miethete ein hunnisches
J. Chr. 435. Hülfsheer zum Kriege mit den gallischen Burgundern.
Aber diese Freundschaft wurde bald hernachgeendiger,
weil Attila gewisse Handlungen vornahm, mit wel
chen sie nicht bestehen konnte. Dieses geschahe bey
folgender Gelegenheit. Der Bischofvon Margus
giengüber die Donau, vermuthlich um Profelyten zu
machen; und die Hunnenglaubten, er habe gefährliche
Absichten, und suche ihre Schätze, Schwäche und
Stärke auszuforschen v). Sie bemüheten sich, ihn
zu haschen; und da er entrann, erschlugen undfiengen
fie viele römische Kaufleute aufdem jährlichen Markte
unter dem Vorwande einer gerechten Rache. . Die
Römer beschwerten fich über diesen Friedensbruch.
Allein die Hunnen verlangten noch eine Genugthuung
und die Auslieferungdes Bischofs. Diese ward ihnen
Die Hunnen abgeschlagen. Daher giengen sie über den Ister, und
"zerstörten
monien.
Viminiacum nebst einigen andern Städten.
Die römischen Besatzungen entflohen, und beschloffen
den Bischofvon Margus den Hunnen auszuliefern.
Aber der Bischof kam ihnen zuvor, und löschte den
J. Chr.433.hunnischen Zorn durch die verrätherische Uebergabe
feiner Stadt aus. Daraufward ganz Pannonien
verwüstet. Sirmium, die Hauptstadt des ganzen
Illyriens, wardzerstört, und nebst Singidon, ' Qs

v) Pri/cus p.33.
-

Hungarische Geschichte. 203


Könige der verbündeten Gepiden eingeräumtx). Der
PräfectusPrätorio Illyrici Apenniusflohe nebstdem
illyrischen Oberbischof nach Thessalonich; und da der
K. Theodosius sich weigerte, die hunnischen Ueber
läufer den Hunnen preis zugeben, so ward auch Ra
tiaria,die wichtigste römische Donaufestung, Naiffus,
Sardica, und fast ein jeder haltbarer Ort von den
Hunnen eingeäschert und geschleift. Die Hunnen be
haupteten ihre Eroberungen, und Attila besaß seit
diesemZuge ein Gebiet an der Donau, welches von
Pannonien an bis nach Novi in Bessarabien reichte,
und funfzehn Tagereien breit war y). Er litt nicht,
daß die zerstörten Plätze wieder bewohnt, oder das
Land angebauet ward. Dennoch wagten sich einige
Kolonisten in die neuen Wüsteneyen, und Aginthus,
ein römischer Ductor Ordinum, hielt sich bey Naiffus,
so wie eine kleine Anzahl kranker Personen, unter den
Bruchstücken der naifischen Thumkirche auf. Näher
an der Donau vs.heidigte der Dux Theodulus fich
UN

x) Theophanesp. 81. Die Historia Mifella fetzt die ge


pidische Befiznehmungetwas früher. Daß Sirmium
von Attila verwüstet fey, fagt der K. Justinianus
in der 1 1 Novelle.
y) Pri/cus p. 36. Dieser Mann rechnet von der Donau
bis nach Naiffus 5 Tagereifen, von Sardica nach Kon
fantinopel aber 13. Eine Tagereise betrug also das
mals ohngefähr 5geographische Meilen. Nach diesem
Maasstabe istes nicht möglich,daßPriscus zuder Breite
des attilanischen Reichs 15 Tagereisen allein diesseits
der Donau kann angegeben haben; denn wenn dieses
wäre, so hätte Konstantinopel und fast ganz Macedo
nien den Hunnen gehört. Attila erklärte, daß bey
Niffa und Sardica die Gränze feines Reichs fey. Von
dieser reichen die 15 Tagereifen fast bis an das karpa
thische Gebirge, und breiten sich über Oberhungarn,
jenseits der Donau, Siebenbürgen, Walachey, Mol
dau, Bulgarey und Servien aus.
204 XXXIII.Buch. Aelteste
inder Seestadt Odeffusz); und mit noch mehreren
Muche kämpften die Bürger einer einigen Stadt an
der thracischen Gränze gegen den unbezwinglichen
Sieger. Diese Stadtwird Alfimus genannt, und
ist, wie es scheint, Anfamus, eine Festung deszwey
ten Mösiens, welche in der Walachey an der Donau
aufdem Wege von Nicopoli nach Bukarest zwischen
einigen Bergen lag. Attila glaubte, daß ein foun
bedeutender Ort seinen Siegen keine Gränzen setzen
müffe, und wollte ihnerobern. Alleindie Asamunter
schlugen ihn ab, und befreieten von Zeit zu Zeit viele
römische Gefangene, die sie mit vieler Beute den vor
beystreifenden hunnischen Partheyen abjagten.
Dieses wichtige Beyspiel gab den Römern über
haupt keinen Muth; denn der Staat war so schwach,
und die Nation durchWollust so sehr entkräftet, daß
man alle Gefahr scheuete, oder vielmehr um ihr zu
entgehen, sichihr völligblos gab. Zu einerEntschul
digung dieses unwürdigen Betragens dienten einiger
maßen die Feindseligkeiten der Parther, Isaurier,
Sarazenen, Wandalen und afrikanischen Mohren,
welche das morgenländische Kaiserthum in Asien und
Afrika anfielen, und denKaiserzwangen, fast an allen
Gränzen kostbare Heere zu unterhalten. Allein nicht
sowohldiese Zurüfungen, als vielmehr der Aufwand
auf prächtige Lustbarkeiten und Hofpartheyen, nebst
dem Geize und der Ungenügsamkeit derHofbedienten,
verschlangen dieGelder, die zu Bezahlung eines neuen
Heeres gegen die Hunnen nöthig waren. Daher ent
schloß man sich, den Attilas durch Versprechungen,
Hülfs
z) Priscus p. 48. Die kapfern Odeffaner waren Aufonier
oder alte Illyrier, die, weil sie mit Römern vermischt
und das römische Bürgerrecht erhalten hatten, für
Römer gehalten wurden. Jetzt heißen diese Leute des
kanntlich Walachen.
Hungarische Geschichte 205
Hülfsgelder und Demüthigungenzu beruhigen. Man
lieferte die hunnischen Schutzverwandten aus, und --

machte sich kein Gewissen darüber, daßman die Ueber


läufer, die sich nicht gutwillig wollten zurückbringen
laffen, ermordete. Attilasforderte daraufauch die
römischen und hunnischen Gefangenen der Afmunter.
Allein diese zeigten ihm ihre Uebermacht, und gaben
ihm blos einige hunnische Gefangene, und dieses nicht
eher, bis daß die vornehmsten Hunnen feierlichbe
schworen hatten,daß unter ihnen kein einiger Alfimun
ter zu finden fey. Nicht lange nachher beschwerte er
sich in Konstantinopel darüber, daß verschiedene rö
mische Kolonisten in einem verwüsteten illyrischen Ge
biete sich niederließen, und drohete mit einem neuen
Ueberfalle, wenn ein römischer Ackersmann in selbigem
ferner betroffen würde, oder ein Kaufmannfich auf
einem andern Markte, als dem in den Trümmern von
Niffa einfände. Diese Drohungen waren damals
vielleicht nicht ernstlich; denn er fuchte nur stets einen
Vorwand zu haben, um seine Günstlinge nach Kon
fantinopel senden, und durch die kaiserlichen Geschenke
bereichernzu können. Allein bald nachher wurden sie
erfüllet. Er und Bleda,fein Bruder, fielen in Thra
cien und Illyrien ein, und wandten sich, nachdem fie -"

alles verheeret hatten,zu entferntern östlichen Völkern, J. Chr., 44.


deren Könige sichihnen unterwerfen mußten a). Nach
diesem Glücke ward Attilas übermüthig, und :
J.Chr. 444
EINEN

a) Marcellinus Comes, h. an. Diese Völker waren viele


leicht Deutsche, von welchen, wenigstens ein paar
Jahr später, ihm die Markomannen, Sveven, Qua- -
den, ' Turcilinger und Rugier mit ihren Köni
gen, fo wie fchon zuvor der gepidische König Andarich
und der gothische König Walamir, unterworfen waren.
Hift. micella ap. Muratorium Script. rer. Ital. T. L.
P. 97.
205 XXXIII.Buch. Aelteste
Attila wird seinen Bruder, um einiger Monarchzu seynb). Er
ä dehnte darauffeine Herrschaft über alle nordliche und
östliche Länder bis an die Inseln des Oceans, oder
vielmehr der Ostsee, und bis an Medien aus, und
faßte den Anschlag, Persien denParthern, undGrie
chenland, vielleicht auch Italien und Gallien, den
Römern abzunehmen. Er glaubte, daß die Götter
diesen Vorsatz genehmigten, weil sein Priester ihm ein
altes durch einen Zufall ausgepflügtes Schwerdt ge
bracht hatte, welches er für den altenfeythischenGößen
hielt, der zu feinem Schutze nun wieder an das Licht
hervorgetretenfey c). Die Kaiser hatten ihm, um
noch einigermaßen ihre alte Ehre zu behalten, das
ansehnliche Jahrgeld unterder Bedingungzugestanden,
daß er solches alsdie Besoldung eines Dur Romano
rum Erercituum betrachten sollte. Alleinnun fieng er
an, den Titelzu verschmähen, weil es ihm als einem
Könige schimpflichzu seyn deuchte, derBediente eines
Kaisers zu sein. Erfragte die römischen Abgesandten
öfters, ob sie glaubten, daß ihm eine Stadt wider
stehen könnte, wenn er sie niederreißen wollte? und
fetzte hinzu, euer Kaiser zahlt mir Tribut, und ist
J.Chr.446 u. also mein Knecht d). Er fiel unvermuthet in Thracien
447. ein, schlugdenMagister militiäArnegisclus in Dacien
- - - - am Fluffe Utus(Vid in Bulgarien), verheerte Grie
chenland biszu dem Paß Thermopylä, und setzte die
konstantinopolitanischenHofleutein eine sogroße Furcht,
daß sie ihm alles bewilligten, was er forderte; denn
fie beheuerten, daß sie von nun an keinen hunnischen
Misvergnügten oderrömischen entflohenen Gefangenen
3. Chr, unter sich dulden wollten, erhöheten dasJahrgeld
Den

b) Prosper Aquitan. Der Marcellinus Comes hat das


Jahr 445.
c) Priscus p. 64.
d) Priscus P. 34.
Hungarische Geschichte. 207
den Tribut auf2100 Pfund Gold (186,900 hollän
dische Dukaten, oder 15 1,200 theodosianische Aureos),
und verstanden sichzu einer Geldstrafe von 12 Aureis,
für jeden aufgenommenen und zurückgelieferten römi
fchen entflohenen Gefangenen, der außerdem nochfür
ein Lösegeldfeinem Herrn abgehandelt werden mußte.
Sitten und
Der Oberkammerherrdes konstantinopolitanischen Verfaffungder
Hofes Chrysaphusglaubte, unter den hunnischen Ge HUmmen.
fandten einen Mann gefunden zu haben, der der Be
stechung nicht widerstehen könnte, schloß mit diesem
einen förmlichen Vergleich über die Ermordung desI. Chr.449.
Attila, und fandte zur unvermerkten Ueberbringung
desGeldes, welchesdervermeintlich bestochene Hunne
EdekonzurGewinnung andererMächtigen gebrauchen
sollte, Abgeordnete mit Vorschlägen zu einem recht
vollkommenen Bündniffe an den Attilas. In dieser
Gesandtschaft wußte nur der Dolmetscher um das
Geheimnißdes Meuchelmordes. Allein dieses wurde
von dem getreuen Edekon dem Attila verrathen, und
das Verbrechen mußte von dem byzantinischen Hofe
mit vielem Gelde gebüßet werden. Der Gesandte
hatte den damals berühmten Weltweisen und Redner
Priscus mitgenommen, welcher von feiner Reise fol
gende Erzählunghinterlaffen hat. DerGesandte kam
von Niffa ab durch verwüstete Gefilde, wie es scheint,
in der Gegend vom heutigen Widin, an die Donau,
und stießaufeine Rotte Hunnen,die eben inausgehöhl
ten Bäumen über den Strom gehen wollte, um einen
Reiterzug ins Römerland zu wagen. Diese ließ sich
bereden, zurückzukehren und ihn mitzunehmen. Nach
dem er einige Meilenfortgezogenwar, erreichte er das
Lager des Attilas, den er bald hernach in einem Zelte
sah. Er fand bey ihm viele Pracht, und einen noch
größern Stolz. Vor ihm stand eine zahlreiche Leib
wache der vornehmsten Hunnen, welche ihren
- M6
#
2O3 XXXIII.Buch. Aelteste
nach einer bestimmtenOrdnungverwalteten. Er selbst
faß auf einem hölzernen Stul, und ließdurch einen
römischen Schreiber eine Rolle der Gefangenen able
fen e), um den Gesandten Vorwürfe über die noch
nicht zurückgelieferten Leute machen zu können. Er
war damals mit akazirischen Angelegenheiten beschäft
rigt; denn Kuridachos, einer der Stammältestender
akatzirischen oder chatarischen Völker, die in die ver
laffenen Länderder Alanengerückt waren, hatte sich an
den Attilas als einen Bundesgenoffen in der Absicht
gewandt,
e) Priseus p. 53. Es scheint, daß Attila keine andere
als römische und griechische Schreiber gehabt habe,
und daß für feine Sprache keine Buchstaben erfunden
gewesen sind. Zwar will der alte Münzkenner Friese
einen Pfennig von ihm gesehen haben, aufdem, wie
Bel zu voreilig muthmaßte, sein Name in angeblichen
hunnischen Buchstaben geprägt gewesen; allein dieser
Pfennig ist aus einer fehr neuen deutschen Fabrike.
Die übrigen Münzen, die man vom Attila hat, find
entweder Erfindungen müßiger Stempelschneider,(S.
Bel de vetere Literatura Hunno-Scythica Lipf. 1718.
J. D. Köblers Münzbeluft. II Th. S. 313. R. Roth
Attila ed. II. Ienae 1679.) oder Schaupfennige eines
Atreula, der entweder in Gallien zu Vlatos sich auf
gehalten, (Zanetti Numi aliquot adveteren Galliam
pertinentes, ex Museo March.Ant.SavornianiVenet.
1766. Ayrmann de mummis Atteulae, regi Attilae
male attributis Gief 1739) oder in Britanniengelebet
hat. (Beger Thef. Brandenb.) Eine dritte Gattung
attilanischer Münzen, mit der Aufschrift Adula rex,
ist, wie es fcheint, spanisch oder fränkisch-gothisch.
(S. J.G. Eckhardi Ep. de Nummis Attilae in A&is
Erudit. 1720. p. 21.4.) Das hunnische Alphabeth
in vorgedachter Abhandlung des fel. Bel rührt vom
Octrocsi her, und foll noch bey den siebenbürgischen
Szeklern üblich feyn. Man hat aber kein damit ges
fchriebenes Buch bis jetzt gefunden, und man weißauch
nicht, ob es ein hunnisches, magiarisches oder bulga
eines Alphabet gewesen ist.
Hungarische Geschichte. 209
gewandt, fich feiner Mitregenten zu erwehren; und
Attila bediente sich dieser Gelegenheit, um die ganze
Nationzu unterjochen, und ihr und andern Völkern
außerhalb dem Gebiet des Kuridachos feinen ältesten
Sohn zum Königaufzudringen. Von dieser Unter
nehmung schien er gleich damals zurückzukommen;
denn er gieng nach feiner Residenz zurück, wohin ihm
die Gesandten folgten, wich aber vom Wege ab, um
mit Efka, einerfeiner Töchter,dasBeylager zu halten,
Eine solche Ehe schien den Hunnen erlaubt zu sein;
und Attila war der Unzucht überhaupt so sehr ergeben,
daß er eine große Menge Beyschläferinnen unterhielt.
Unter diesen hatten zwo den Vorzug, nämlich Rekka
und Kreka; denn nur diesen warteten die Gesandten
auf. Beide hatten eine MengeFrauenzimmer:einige
zur Aufwartung, die ihrenSitzumgaben; undandere,
welche am Ende des Zimmers unter ihrer Aufsicht
Wolle für des Königs Kleider färbten, zur Handar
beit, … Jene, die Rekka, war im Lager, und besorgte
den Haushalt des Hofes. Die Gesandten wurden
von hunnischenBegleitern durch die Gegenden, die die
Ströme Dräkon, Tigas und Tiphäfasf) durchschnit
ten, geführt, und mußten sich einst ein Nachtlager
von einer Gemahlin des Bleda erbitten, die ihnen
nicht nur Meth, Camus (ein Gerstengetränk) und
Hirse, nebst andern Speisen, sondern auch einige
ihrer schönsten Aufwärterinnen,zusandte. Diese Frau
wohnte in einem Dorfe, welches aus hunnischenHüt
ten bestand, und ihrgehörte. Die Residenz des Kö
nigs war nicht sehr weit von selbigem entfernt, und
hatte im Ganzen nichts Glänzendes; denn sie hatte
weder

f) Hr. Stritter bemerkt, daß diese Flüffe, die Drecca,


der Tyras, der Dneester und die Theyß gewesen feyn
können (p. 503. Tom. 1).
2llgemWeltgXVB. LAbh. O
21o XXXIII, Buch. Aelteste
weder ordentliche Gaffen, noch auch beträchtliche Ge
bäude g). DerGeschmack, nachwelchem desKönigs
und der KöniginnenPaläste aufgeführetwaren,näherte
sich mehr der nordisch-deutschen als der römischen
Weise; dennoch fand an dem Hause desvornehmsten
Günstlings Onegefius ein römisches Bad von panno
mischen Steinen, welchesdurcheinen römischen Werk
meister aufgeführet worden war. Das Haus des
Attila war hoch, von Balken und hölzernen Tafeln
sehr künstlich aufgerichtet, und oben mit einem kegel
förmigen Thurme, rund umher aber miteinem bedeck
ten Gange versehen. Inwendigfanden langeBänke
an beiden Wänden, und gegen der Thüre über auf
einer Anhöhe fahe man zwei Betten, eineszum Sitze,
und das andere zur Ruhe des Königs. Den Palast
umgab eingeräumigerHofmit noch mehrern Häusern;
und an allen war so sauberes Schnitzwerk und eine fo
feine Glätte, daß sie selbst von den verwöhnten Ge
fandten bewundert wurden. Die Betten glichen den
besten griechischen Brautbetten. Aufdem Fußboden
waren Teppiche ausgebreitet, und bey denGastmählern
gebrauchte man sehr vieles Silbergeschirr. Die hun
mischen Vornehmern ahmten die Hofpracht nach, und
ihrPferdeschmuckwar vorzüglich schön; dem an dem
feiben hatten die Künstler das römische Gold und die
erbeuteten Edelgesteine gleichsam verschwendet. Man
fand fast immer Römer und Griechen mit Kostbarkei
ten nach dem hunnischen Hoflager eilen, entweder um
ihre gefangenen Verwandten auszulösen, oder auch
um ausländischeSklaven,hunnische Pferdeund Lebens
mittel einzuhandeln. Diese Leute mußten aufonisch:
reden

g) Hr. Pray vermuther, diese Refidenz fey nordlich in


Oberhungarn diefetts des Iheyß und nicht fehr weit
von der pannonischen Gränze gewesen (p. 130.Am.
Vet. Humor.). Andere fuchen sie in derMoldau. -
Hungarische Geschichte. 211
reden können, eine Sprache, die, so wie die heutige
Frankensprache im Morgenlande, aus einem Gemische
von Latein und Deutschentstanden war, und dasjetzige
Walachische zu sein scheint. Der Hofgebrauchte nur
die hunnische, oder auch, wiewohl selten, diegothische
Sprache. DerKönig Attila ward von den Mädchen
feiner Residenz mit einem hunnischen Siegesliede ein
geholet, und nahm vor dem Hause feines ersten Mini
fers Omegefius aufdem Pferde eineMahlzeit ein,bey
welcher vier Knechte die Tafel auf den Häuptern tru
gen. Nachher veranstaltete erfürdie Gesandten einige
Feyerlichkeiten, bei welchen jeder Anwesende durch
einen besondern Schenken bedient, und nach einer
Rangordnung gesetzt ward. Man mußte zwischen
jeder VeränderungderSpeisen aufdesKönigs Wohl
ergehen stehend trinken; und nach aufgehobener Tafel
wurdendie Hunnen bald durch zwey Barden, welche
ihre Thaten nach gothischer Weise in hunnischen Ge
fängen rühmten,zueiner stillenFreude, die sichdurch
Thränen äußerte, bald aber durchdie Späße einiger
aufonischen und hunnischen Poffenreißer zur ausge
laffensten Fröhlichkeit gebracht. Attilablieb bei allen
diesen Abänderungen ernsthaft, und beschäftigte sich
mit der unangenehmen Prophezeihung eines seiner
Wahrsager, daßmit ihm einneuesReich untergehen,
und von feinen vielen Söhnen nur einer der jüngern
sein Geschlecht fortpflanzen werde. Er geberdete sich
bey diesem Schmause sehr mäßig, ohngeachtet er es
nicht wirklich war; undüberhaupt suchte er eineGröße
in einer persönlichen Entfernung von der griechischen
Ueppigkeit; denn er gebrauchte, wenn seine Gäste auf
Silber speiseten, für sichhölzerne Becher und Teller,
und hatte ein Kleid und Pferdezeug, so wie es der
ärmste Hunne gebrauchte. Aus Demuth war er nicht
so enthaltsam; denn er ließsichvondem übertriebenten
O2 Ehr
212 XXXIII. Buch. Aelteste
Ehrgeize ganz und gar regieren, und wollte auch die
fesmal die Gewaltthätigkeiten in den römischen Pro
vinzen nicht eher einstellen, bis daß die Kaiser ihm
Personen vom ersten Range(Consulares) alsGeschäft
träger zugesandt haben würden. Sein Volk ver
ehrte ihn, und er regierte esgelinde, ließ jedem sein
Eigenthum, ohne es einmal mit Steuern zubeschwe
ren, hielt selbst aufeinem offenenPlatze nach der Tafel
Gericht, und bemühete sich, jedem sein Recht zuzu
sprechen. Er war auch nicht unversöhnlich. Denn
als er die griechische Verschwörunggegen sich entdeckt,
und vomKaiser einen Consulargesandten nebstbeträcht
lichen Geschenken erhalten hatte, so wurde er so treu
herzig, daß er den Römern alles Land diesseits der
Donauwieder gebenwollte; under würde diese Zusage
vielleicht erfüllet haben,wenn derHofihn durch Nach
läffigkeit im Bezahlen desTributs nicht aufdas Neue
in Zorn gesetzet hätte.
Zu dieser Zeit ward er im ganzen Europa als der
Attila strebt
mächtigste Mann betrachtet, und viele ohnmächtige
Fürsten riefen ihn um Hülfe gegen ihre Feinde an.
Der wandalische König Generich ersuchte ihn um
Hülfe gegenden westgothischen König Thiderich, der
ihn in Afrika zubeunruhigen gedachte; und von zween
fränkischen Brüdern am Rhein, die sich über ihres
Vaters Reich entzweyeten, gab einer sich in seinen
Schutz. Noch gefährlicher für die Römer war die
Unternehmung der Prinzessin Honoria, derunvermähl
ten Schwester des abendländischen KaisersValentinia
mus, die insgeheim sich mit dem Attila verlobte. Der
Kaiser sorgte zwar dafür, daß die Ehe nicht vollzogen
werden konnte, und schloßdiePrinzessin, weil sie bald
nachher sich schwängern ließ, in ein Gefängniß ein.
Allein Attila nahm dennoch von der Verlöbniß einen
Vorwand, ihren Reichstheilzufordern, und :US
Hungarische Geschichte. 213
Auslieferung zu dringen. Er fandte zum Beweise
seinerEhe einen Ring, den ihmdie Honoria zugeschickt
hatte, nach Rom; allein man antwortete ihm, daß
diese Ehe nicht gültig sein, und auch das römische
Reich nicht aufTöchter vererbt werden könne. Den
noch bestiegHonoriens SchwesterPlacidia damalsden
konstantinopolitanischen Thron, der durchdes K. Theo
dosius Tod eröffnet war, und hob ihren GemahlMar
cianus mit sich auf selbigen. Marcianus, der mehr
Muth als ein frommer Vorgänger hatte, wollte dem
Attiladas Jahrgeld nicht eherzahlen, als bis es ohne
Drohungen gesucht, und die Hunnen es durchfried
fertiges undfreundschaftliches Betragen verdient haben
würden. Eine solche Sprache war dem Attila so um
gewöhnlich, daß er sich entschloß, mit einer gesamten
Macht in das römische Reich zu fallen. Nur wurde
ihm die Wahl zwischen dem morgenländischen und -
abendländischen Theile schwer. Endlich gaber demletzten
den Vorzug, und, um den römischen Kaiser ficher zu
machen, stellete er fich, als wenn er blos, um seinen J.Chr.45e.
fränkischen Bundesgenoffen zu Hülfe zu kommen,nach
dem Rhein gienge.
Er zog, wie es scheint, nordlich an der Donau
fort, und bekam von den nächsten deutschen Völkern,
die einer solchen Unternehmung nur gar zu gern bey
wohnten, einen starken Zulauf. Es begleiteten ihn
viele ostgothische und theuringische, rugische, turcillin
gische, feirrische und andere Heerführer, wie auch
Ardarich, der König der Gepiden. Am Rhein stießen
Borukterer, Burgunder und Franken zu ihm, und
mit diesen gieng er im Lande der Franken über diesen
Strom. Hierauferschlug er den König derBurgun
der Guadikar, und verheerte, außer vielen kleinen
Oertern, die Hauptstädte Metz, Trier und Tongern.
Endlich aber stieß er auf das vereinigte Heer des
- O3 west
214 XXXIII. Buch, Aelteste
westgothischen Königs Thiderich und derer Römer,
welche sein ehemaliger Freund Aetius als Beschützer
des jüngsten fränkischen Prinzen anführte. Diesen
lieferte er beyChalons an der Marne eine sehr blutige
Schlacht, in welcher AetiusdasFeld behauptete, er
aber so sehr geschwächt wurde, daß er nach seinem
Vaterlande zurückwandern mußte. Diesen Schimpf
'“, fuchte er im folgenden Jahre durch eine glücklichere
Unternehmungauszulöschen, und er veranstaltete diese
fo geheim, daß er schonjenseits der Alpen in Italien
fand, als Aetius noch vermuthete, er werde den
morgenländischen Kaiser anfallen. Hier verfuhr er
gegen Aquileia, Mailand und Pavia so wie im letz
ten Zuge gegen die gallischen Städte; und weil man
in Italien nicht in gehöriger Verfassung war, so
mußte man zuUnterhandlungenfeine Zuflucht nehmen,
durch welche er mit vieler Mühe und großen Kosten
bewegt ward, Italien mit großer Beute zu verlaffen.
Im folgenden Jahre soller die Alanen in Gallien an
gegriffen haben, und vom westgothischenKönige Tho
i kommtrismund geschlagen feyn h). Daraufgedachte er die
verweigerten Jahrgeldergewaffnet von Konstantinopel
3. Chr., zu holen, allein ein sehr unrühmlicher Tod befreyete
die griechischen Römer von dieser Gefahr. Er hatte
sich nämlich mit einemjungen Mädchen vermählt und
jm Trunke aufdem Beylager übernommen, und feine
Bedientenfandenihn am folgenden Morgen in seinem
Blute erstickt. Man beschloß seinen Leib recht präch
tig
h) Dieser Zugberuhet blos auf dem Zeugniß des Jor
nandes, welches noch mancherley Zweifeln ausgefetzet
ist. S. MuratoriGeschichte von Italien deutscher
Ausgabe III, S. 179. Aufdem ersten Rückzuge aus
Gallien fcheinen die datischen Thüringer fich an der
Donau im Nordgau und Franken niedergelaffen, und
das thüringische Reich gestiftet zu haben.
Hungarische Geschichte. 215
tigzu begraben, und man hat diefes mit folgenden
Feyerlichkeiten i). Zuerst zerfetzten sich die vorneh
mern Hunnen ihre Gesichter und verschnitten sichdas
Haar. Darauf erschienen sie bey dem Leichnam im
größesten Schmuck zuPferde,und errichteten aufeinem
kleinen Hügel bey selbigem eine Strava oder ein Sie
geszeichen aus römischen Waffen und Beutstücken,
Die hunnischen Dichter ließen sich mit vielen neuen
Ehrenliedern hören, und vergaßen nicht ihren Attilas -
den Monarchen aller Deutschen und den Zinsherren
beyder römischer Reiche zu nennen, und heftigzu be
klagen,daß ein solcher Herrdurchdieverächtliche Todes
art, die man nicht einmal rächen könne, umgekommen
fey. Aufden Gesang folgte ein Wettrennen um das
Siegeszeichen, und endlich ein Gastmahl auf dem
Hügel. In der nächsten Nacht legte man den Leich
nam in drey Särge, einen goldenen, einen filbernen
und einen eisernen, die ineinander geschoben waren,
und senkteihnmit vielen Kostbarkeiten, Reichsinsignien,
feindlichen Waffen und prächtigen Pferdegeschirren in
ein Grab, dessen Verfertiger sogleich getödtet wurden,
um den Begräbnisplatz fürjedermann zu verbergen.
Attila hatte einem seiner ältern Prinzen Ellak. Die hum
feineMonarchie zugedacht; allein seinWillewardnicht Macht erfüllt
erfüllet. Er hinterließ, nach dem Ausdrucke eines
gleichzeitigen Schriftstellers, einganzesVolkvon Söh
nen, und jeder von diesenglichihm am Herrschbegierde
und Bruderhaß. Daher entstanden Widersprüche,
Zwistigkeiten und Händel. Die Nation, die kein
ausschließendes Recht der Erstgeburt bisher gekannt
hatte, und die Vorheile desselben in Absicht aufihren
ganzneuen Staat nicht einsahe, erklärte sich für die
Vertheilung der Länder durch das Loos, und man
O4 schritt
1) Fornandes c. 49. ap. Muratorium S. R. Ital. T.I.
p. 216.
216 XXXIII.Buch. Aelteste
schritt zu diesem Mittel,vermuthlich mit Ausschließung
der jüngern oder schwächern Geschwister k). Diese
Handlung vernichtete auf einmaldie hunnische furcht
bare Macht, die, weilfieblos aufWaffen gegründet
war, durch einegeringe Erschütterungplötzlich wankte
und ineinander schoß. Die Veranlaffung gab dazu
Ardarich, derKönigder Gepiden, welcher dem Attila
die wichtigsten Dienste geleistet hatte, nun aber es nicht
ertragen konnte, daß er gleich einem Knechte einem
unberühmten Ausländer zugetheilet ward. Dieser
Prinzfandte zufeinen deutschen Nachbarn um Hülfe,
und kündigte den Hunnen den Gehorsam auf. Die
hunnischen Prinzen brachten ein großes Heer zusam
men, und lieferten ihm an dem jetzt unbekanntenpanno
nischen Strome Netad eine Schlacht, dieihrSchicksal
völlig entschied. Der gothische Schriftsteller Jornan
des beschreibt dieses Treffen sehr dichterisch, und mel
det, daßdie kriegerische Wut der Gothen, die kältere
Tapferkeit der Gepiden, die so lange Wundenmach
ten, bis ihrGewehr im feindlichen Körper brach, die
Geschicklichkeit der fvevischen Fußvölker und der hunni
fchen Wurfspießwerfer, und die verschiedene Fechtkunst
des schwerbewaffneten Alanen und des ganz leicht be
deckten Herulers, denHelden ein angenehmes Schau
spielgegeben habe, welches erst durchdie Nacht geen
duVerschiedene
nulifche diget sey. Dreyßigtausend Hunnen wären nebst dem
Staaten, Thronfolger Ellak aufdem Felde geblieben, und die
übrigen der Nationen hätten sich durch die Flucht geret
tet, und endlich unter der Anführung eines andern
attilanischen Sohns Dengezik ein kleines Reich am
Ufer des Pontus in der alten Heimat der Gothen er
richtet. Dieses scheint in Beffarabien und in Klein- “
fythien, oder innerhalb den Ausflüffen der Donau
gele
k) Fornandes eap. 50. ap. MuratoriS. R. Ital.T. r.
p. 216.
- Hungarische Geschichte. 217
gelegen zu haben. Hernak, gleichfalls ein Sohn des
Attila, der mit dem Dengezik in einer Regierungsge
meinschaft blieb, behielt denfeythischen Theil. Zwey
seiner Vettern Emnedzar und Uzindur aber setzten sich
im Uferdacien oderBulgarien westlichdem Ifker fest;
und aus diesem Lande giengen nachher zwey andere
hunnische Prinzen Uto und Iscalmus nach Romanien,
wo sie die Stifter der Sacromontifier und Joatisier -

wurden l). -

Der gepidische König Ardarich blieb nicht blos in Reich der ge


feinen ältern Besitzungen bei Singidon undSirmium,viden.
5 fon
1) Jornandes gebraucht (S. 217) diesen Ausdruck:
Hernac quoquejunior Attilaefilius cum fuisin extremo
minoris Scythiae fedes delegit, Emnedzar etUzindur
confangvinei eius in Dacia Ripenfi. Uto et Ifealmus
qui ea potitifunt multique Hunnorumpaffim proruen
tes tunc fe in Romaniam dederumt. Einige Ausgaben
haben für Uto et lfcalmus die Worte Ut Dethico Al
moque, und wieder andere Ifo Alivoque potiti-funt.
Man weiß also nicht, ob wirklichUto und Ifcalmus
von ihnen vertrieben sind, oder ob hier nur die Rede
vom Isker und Almusstrom ist. Muratori erklärt
sich für die Personen, und gegen die Ströme. Das
Land des Dengizik hieß nach dem Jornandes Hunni
var, oder Lager der Hunnen. Hr. Pray muthmaßet
in Ann. Hunnorump. 179. die Umzäunung(Vár in heu
tiger hungarischer Sprache) beziehe sich aufdie Arme -

der Donau. Es kann aber auch der große Walldar


unter verstanden werden, der vermöge der kantemiri
fchen Beschreibungder Moldau (in Hr. O. C. R. Bü
chings Magazin IVB.)-von Peterwaradein ab nach
dem Gebirge Demurkapu und ferner über den Pruth
undBotna bis Kofchan und an den Don läuft. Dieser
Wall ist zweyfach und fein Graben ist noch 24 Fuß
tief. Kantemir hielt ihn für ein Werk des Trajanus.
Allein da dieser Herr weit nordlicher Kolonien angele
get hat, fo kann er von ihm nicht herrühren. Viel
leicht ist er der oben angeführte Wall, den die Gothen
bey dem ersten Einbruch der Hunnen aufwarfen.
218 XXXIII. Buch. Aelteste
sondern nahm auch etwas von Dacien, jenseits der
Donauzu fich. Dermorgenländische KaiserMarcia
nus schloß einen Subsidientractat mit ihm, und er
felbst beförderte gegen dieGewohnheit seinerLandesleute
den Handel, und schlug, wie es scheint, Goldmünzen
(Ardaricos), die noch nach feiner Zeit bey den Bur
gundern im Ansehenfanden m). Seinem Beyspiele
folgten die übrigen neubezwungenen Völkerschaften
dieffits und jenseits der Donau, nämlich die Sar
maten in Illyrien bey Martena, einem unbekannten
Orte, die größern Gothenoder Ostrogochenjenseits der
Donau und Theyß, die kleinern Gochen oder Mono
gothen in der nicopolitanischen Gegend amFuße des
Berges Hämus, die thracischen Rugier bey Bizia
und Arkadiopolis (jezt Burgara in Romanien), die
pannonischen Rugier an der Donau in Oesterreich und
Hungarn, die Sveven und Alamannen aufden Alpen
in Tyrol, und die vereinigten Alanen, Scyren und
Satagaren in Scythien und Mösien, oder in der do
bruzischen Tartarey. Zwischen diesen Nationenwohn
ten die Römer in den Gränzfestungen, und hin und
wieder auch wohlin minder festern Städten, mehren
theils in großer Dürftigkeit, und von ihren Herren,
den Kaisern, verlaffen.
Verfaffung der Vonder schlechten Verfaffung, in welche die Do
Römer an der
norisch-panno nauprovinzen zu dieser Zeitgeriethen, findet man in
mischen Donau. einer gewissen Lebensgeschichte, die ein pannonischer
Mönch Eugyppiusim Jahr 511 verfertiget hat, sehr
merkwürdige Nachrichten, die hier verdienen mitge
theilet zu werden, ohngeachtet sie mehr das heutige
Oesterreich als Hungarn betreffen. Es hatte sich
nämlich kurz vor des Attila Tode ein afrikanischer,
kluger, tugendhafter undfrommer Mann S.Severi
mus blos in der Absicht indie Gegend von Wien :
en,
m) masov Gesch, der Deutschen 10 B. S.454.
Hungarische Geschichte. 219
ben, um die sehr vernachlässigten römischen Besatzun
gen im wahren Glauben zu erhalten, und die anwoh
nenden heidnischen oder arianischenVölker zu selbigem
zu ziehen. DieserMann ward von einem durchVor
ficht und Weisheit gebändigten Muthe gelenkt, und
besaß sehr vieleStaatsklugheit, Erfahrung, Uneigen
nützigkeit und Tugend. Er hatte das Vermögen,
künftige, oder in einer weiten Entfernungveranlasfete
Begebenheiten zu wifen oder zu prophezeihen, und
erwarb sichdadurch eine solche Achtung unter den un
bändigen benachbarten Tyrannen, daß er fiel nach
feinem Gefallen lenkte, auch öfters von Grausamkeiten
abhielt, ohngeachtet siegegen feine Empfehlungen des
Christenthums ihre Ohren verschloffen. Er wagte es
daher, zu Comagene (Zeiselmaur zwischen S. Pölten
und Mölk),zu Cafuris (Stokerau), zu Siferinge
eine Meile von Wien n),bey Paffau und bey Lorch,
Klöster zu bauen, fammlete von den christlichen Ge
meinen innerhalb Cucullum (Kuchel), Juvavo (Salz
burg), Tiburnia (Villach), Lauriacum (Lorch),
Batavium (Paffau) undFaviana (Wien) Almosen,
Zehnten und Kleiderfür ausgeplünderte Arme, und
verrichtete dieVisitationsgeschäfte einesBischofs, ohn
geachtet er diese Würde nicht hatte, auch nicht anneh
men wollte. Er fand fast in jedem Schloffe eine
Kirche und einen Priester, allein nur wenigwirkliche
Christen; denn viele von denen, die öffentlich sich zu
der Gemeine hielten, dienten insgeheim den Götzen
ihrer Vorfahren. Hin und wieder war zwar ein Bi
schof, wie zum Beispiel in Tiburnia; allein dieser
wagte sich nicht aus einer Stadt, wurde vom Volk
gewählt, und war öfterer ein abgelebter Krieges
mann,

n) Inchofer Ann, ecclefiat. R. Hungariae T. I.p. ca.


pr.
220 XXXIII. Buch. Aelteste
mann, als ein Gelehrter o). Die Städte und
Schlöffer waren zwar in den ersten Zeiten vor den
Feinden sicher; allein da fast täglich Alamannen, He
ruler, Sveven, Rugier, Thüringer und andere
Deutsche, ingleichen gewife pannonische Räuber, die
man Scamaras nannte, einzeln oderhaufenweise über
die Donau oder Alpen streifen, das Land verheerten,
undMenschen und Viehauffiengen undhinwegschlepp
ten, so durfte sich kein Mann sicher aus seinen Mau
ernwagen, und es herrschte in allen Festungen Man
gel und öfters Hungersnoth. Die Bürger verschie
dener Städte trieben zwar vermittelt der Donau
einigen Handel mit den Rugiern in Pannonien, und
mit den Alamannen in Schwaben p); allein dieser
ward nur in den wenigen ruhigen Zeiträumen, und
blos zu der Proviantirung der festen Plätze geführet.
Die Besatzungen, die zum Theil aus naturalisierten
Ausländern befanden, wurden vom Kaiser verlaffen,
und bekamen keinen Sold. Sie fandtenzwar einige
Soldaten, um ihn zu holen, ab; allein diese verloren
ihr Leben durch einige Freibeuter, ehe sie einmal Ita
lien erreichten, und sie erhielten nichts. Daher
schmolzen sie so sehr zusammen, daß sie sich aus den
kleinern Schlöffern in die größern Städte ziehen
mußten. Allein auch diese wurden nach ein paar
Jahren
e) Der Tribunus der Besatzungzu Comagene, Mamer
tinus, ward vermöge der Lebensgefäh. S. Severins
Bischof, fo wie anch der gestürzte occidentalische Kaiser
Glycerius. Eugyppii Vita S.Severini ist an vielen
Orten abgedruckt, aber nirgends fo vollkommen, als
in H. Pezi Script. rer. Austriacarum T. I. p. 62
u.f.
p) Die Alamannen brachten vorzüglich feifes Hornvieh
nach den baierischen Städten. S. Caffiodori Varia
L. III. ep. 50.
Hungarische Geschichte. 22

Jahrenvon ihren Einwohnern verlaffen. Derpaffaui


fche Cordon gieng ein, und fast alle Römer dieser Ge
gend wanderten nach Lorch.
Die Rugier, welche zu diesen Zeiten an der Reich Rugi
Donau nordlich in Oberhungarn und Oesterreich,südlich F“ dge
aber um Wien und in den nächsten pannonischen Ge
genden wohnten, und Arianer waren, behaupteten r

eine Art von Oberherrschaft über die norischen Gegen- *


den oder vielmehr Wüsteneyen. S.Severin bewegte
ihren König Flaccitheus, fich gegen die Einwohner
um Lorch sehrgütigzu bezeigen, undgab ihmmanchen
guten Rath, den er genau befolgte. Die Ostgothen
im niedern Pannonien hatten eine Lehnsherrschaft über
diesen König und über das gesamte Rugtland q),
und fischten ihn in einen Hinterhaltzu locken, um ihn
umzubringen und fein Land an fich zu ziehen; allein
S. Severin warnte ihn vor der Gefahr, und er wich
ihr aus. Der berühmte hunnisch-römische Regent
Orestes begab sich damals aus Pannonien nach Rom,
und ihm folgte Odoacer,der Sohn Aedekons, eines
Anführers der pannonischen Scyren. Beide hatten
nur die Absicht, römische Kriegesbedienungen zu er
langen, und fanden Gelegenheit, sich aufden kaiserli
chen Thron zu setzen.
Das römische abendländische Kaiserthum näherte
sich zu dieser Zeit mit den stärksten Schritten seinem
Untergange, weil es nicht mehr inder Gewalt eines
rechtmäßig erwählten Mitbürgers, oder einesgebor
nen Thronerbens, sondern eines jeden andern war,
der Muth und Ungerechtigkeit genug besaß, um es
gewaffnet an fich zu reißen. Nach dem Tode des
Kaisers Olybrius, warf sich Glycerius zum Kaiser J.Chr.47a,
auf. … Diesen trieb ein dalmatischer Feldherr Julius
Nepos nach Salona, wo er das Kaiserthum mit der
Bischofs
9) Eugyppius 1. c.p. 71.
222 XXXIII. Buch. Aelteste
Bischofsstelle vertauschte. Nepos beförderte den Ore
feszuder vordersten Ehrenstelle, ward aber durchihn
vom Throne gestürzt, und gleichfalls nach Dalmatien
- - -
- -
- vertrieben. Den Orestes, oder vielmehr feinen un
- -

mündigen Sohn, den Kaiser Romulus, verdrängte


Odoacer, welcher aber den Kaisertitel nicht annahm,
fondern fich mit dem Titel eines Königs, bald der
J.Chr. 476.Heruler und Gothen, bald aber der Turcilinger, Ru
gier oderScirren begnügte. Dieser Mann hatte die
verschiedenen Nationen, die ihn als ihren Königer
kannten, zum Theil als Soldner bey dem römischen
Heere in Italien angetroffen, theils aber durchZulauf
einzelner Abentheurer ausPannonien und andern illy
rischen Donaugegenden zusammengebracht. Er selbst
war ein Scyrer,und ineinem pannonischen Besatzungs
platze geboren. Die Scyrer oder Scirri gehörten zu
Reichder Sey, den eigentlichen Deutschen, ohngeachtet viele von ihnen,
Ket,
wie oben bemerkt ist, mit den Hunnen vermischt ge
wesen waren; denn sie redeten deutsch, und wohnten
im ersten Jahrhunderte am deutschenOstseeufer in Est
land r). Eine beträchtliche Menge von ihnen, die
im Jahr 409 den Römern in die Hände fielen, waren
in Asien verheilt. Andere, die die Angieirergenannt
wurden, blieben unter der Hoheit des hunnischen Für
fen Dengizik in Beffarabien. Wieder andere waren
bey den Sveven in Pannonien und bey den Gothen
in Thracien; und abermals anderegehorchten in Ver
bindung mit den Satagarern und den Alanen einem
gewiffen Candar, welcher mit ihnenKleinscythien und
Niedermösien eroberte s). Vermuthlichwar Odoacer
EINE

. r) Hr. von Suhm Historie omde fra orden upvan


drede Folk. 1 Band S. 46o u.f.
s) Jornandes C. 5c.p. 217. Das Zeugnißdieses Man
mes, der zu den gothisch-königlichen Hause der
-
:Es
- Hungarische Geschichte. 223
einer von denen Scyren, die erst den Hunnen, und
nachher den Gochen diefeits der Donau unterhänig
gewesen waren. Ermischte sichindie rugischenStaats
begebenheiten auf eine Weise, die eine alte Bekannt
fchaft mit den Rugiern vermuthen läßt, und mußte
also ein geborner Landsmann dieser Nation feyn.
Der König der Rugier starb früh und hinterließuntergang des
zweyletztere
Der Söhne, Feletheus
erhielt oder(Wien),
Favianum Fava undeine
Friederich.
römische Englischen
eichs.

Stadt, die nach dem Ausdrucke desEugyppius nur


durch die Donau vom Reiche Rugiland abgesondert
ward, und nebst mehrern norischen Donaustädtendem
rugischen Könige Steuer bezahlte. Feletheus war mit
einer tyrannischen Prinzessin Gisa vermählt, welche
ihn, seinesgutenHerzens ohngeachtet, zu vielen Unge
rechtigkeiten verführte. Diese hatte einen blindenEifer
für die Ausbreitung der arianischen Lehre, und ließdie
' römischen Kaufleute, Ackersmänner und Soldaten
öfters auffangen und mit Gewalt umtaufen, oder
wenn sie zu vielen Widerstand fand, entweder als
Knechte verkaufen, oder auch ertränken. Sie liebte
den Putz und güldenes Geschmeide, und zwang die
Goldschmiede durch Gefängniß undZüchtigung,für sie
unbezahltzu arbeiten. Sie beneidete und haßte ihren
Schwager, den Prinz Friederich so sehr, daß sie ihren
Sohn Friederich den Jüngern verleitete, ihn umzu
bringen, und sich des ihm abgetretenen Landes zu be
mächtigen. Diesesgeschahe kurz nachdem Tode des Jammers.
heiligen Severint), undveranlasfete den KönigOdoa
cer, von Italien aus seine Waffen gegen den :
ele

len gehörte, ist hier desto gültiger, da fein Großvater


des Candar, fo wie er selbst der Nachkommen des
Candar, Kanzler gewesen ist.
6) Eugyppius P. 90. - - -
224 XXXIII. Buch. Aelteste
Feletheuszurichten. Feletheus empfiengihn wohlge
14Nov. 487. rüstetdiesseitsder Donau, ward aber nebst seiner Ge
mahlin gefangen, und nach Italien geführt u). Sein
Sohn Friederich entkam, undwurde zwar von feiner
Nation als König erkannt; allein,weiler in Noricum
streifte, undOdoacerdiese Provinz als einen Theilvon
Italien betrachtete, so ward er durch ein neues odoa
J. Chr. 488. cerischesHeer unterder Anführung Arnolfs, einesBru
ders des Odoacers, aufgesucht und vertrieben. Er
flohe darauf zu dem ostgothischen Könige Theodorich,
und bliebzu Novas inMösien oderohnweit des Ozzams
an der Donau in der Bulgarey. Seine Nation ward
zerstört, und Rugiland gänzlich entvölkert. Schon
zu den Zeiten des Feletheus lagen die vornehmsten rö
mischen Städte und Schlöffer im Norico in der Asche,
und ihre Einwohner hatten sich etwa zwölfJahre vor
Rugilands Vernichtung nach Lorch geflüchtet. Der
KönigFeletheus hatte diese in die Gegend von Wien
führen wollen, um sie als seine Unterthanen oder viel
mehr Sklaven gebrauchen zu können. Allein erhatte
den Bitten des H. Severins nachgegeben, und das
Heer, welchesfie herbeyholen sollte, abgedankt. Der
König Odoacer fand, daß diese Republikaner eine
große Neigung hatten, in ihr Vaterland zurückzu
kehren, und ließ sie durch den Comes Pierius insge
samt mit ihren Gütern, und selbst mit der Leiche des
H. Severin, nachOberitalien bringen v). Dadurch
ward
u) Chronograph. a Capiniano editus mastov a. D.
XI.B. S. 4.
v) Unter Theodorich, dem ofgothisch-italienischen Kö
nige, oder etwa zehn bis zwanzig Jahr nach dieser
- Ausführung, müffen neue Römer nach Noricum ge
gangen feyn, oder es findauch diesesmal nur die nord
lichsten norischen Römer abgeführt. Zu dieser Anmer
kung wird man durch des CafiodoriVaria berechtigt,
in welchen Lib. III. n. 5o. ein Refeript des K. Theodo
rich ad Provinciales Noricos gefunden wird. -
Hungarische Geschichte. . 225
wardPannonienjenseits der Donau, so wie das norda
licheNoricum, so sehr öde, daßdiefreifenden Räuber
die alten Gräber öffneten, um nicht ohne alle Beute
zurückzukehren. Nach einiger Zeit ließen sich die
Longooarden, welche aus den lüneburgischen Elb
gegenden und der Altenmark an der Elbe hinaufbis
in Böhmen und Mähren gekommen waren, in diesem
Lande nieder. Allein fiel behielten es nur kurze Zeit,
ohngeachtet es fruchtbar war, und von ihnen gut ge
nutzt ward. Darauftraten im Anfange des sechsten
Jahrhunderts die Heruler in ihren Platz, die zuvor
anderthalbhundert Jahre languntergothischerund hun
nischer Hoheit in Polen gewohnt hatten, bald aber
durch die Longobarden zu den Gepiden getrieben
wurden.
Die Gothen, welche in Hungarn nachder Zer „"
förungder hunnischen Macht die mehrfe Gewalt „enou
saßen, waren zwar in allen Gegenden des morgenlän
dischen und abendländischen Reichs zerstreuet, und
herrschten selbst über diese Reiche als dievornehmsten
Staats- und Kriegesbedienten; allein dennoch gab es
zwey unabhängige Hauptnationen, die mit dem grie
chischen Kaiserthum ohngefähr in dem Verhältniffe
standen, in welchemzu unserer Väter Zeit die mogo
lischen Chane mit den chinesischen Monarchen lebten.
Der Kaiser Leo der Aeltere, hielt sich für den Herrn
dieser gothischen Horden, und gab ihren Anführern
Ehrenstellen bei seinem Heereund in der Stadt; allein
fie sonderten sich stetsvonden übrigen Unterthanen ab,
und lebten lieber in einer dürftigen Wildnißfrey, als
an dem wollüstigen Hofe gebunden. Die, die in ihr
Vaterland zurückgegangen waren, unterhielten stets
ein geheimes Verständniß mit ihren Landesleuten am
Hofe, und ließen ihre Leute aufsitzen, und sich den
konstantinopolitanischen Mauren nähern, so oft es
Allgemxweltg.XVB, LAbth. P ihnen
226 XXXIII. Buch. Aelteste
ihnen einfiel, mehr Land oder größere Jahrgelder und
Geschenke zu genießen. Sie verachteten noch immer
den Landbau und die Handwerke, und hielten es für
so schimpflich, fich mit diesen möchigen Künsten abzu
geben, daß blos derGedanke, daß sie dazudurch Noth
gezwungen werden könnten, sie einst in VerzweiflungW
stürzte. Diesem ohngeachtet kannten sie wederVater
lands- noch Nationalliebe; denn kein einiger gothi
fcher König,dem vom Hofe Soldfür die Bezwingung
anderer Gochen angeboten ward, machte sich ein
Bedenken, den Auftrag anzunehmen, und getreulich
auszuführen.
Ostgothische Die kleinste dergothischen Hauptnationen war die
nige. Nation des Bischofs Ulfila, oder die der kleinern
Gochen in Mösien und Thracien, deren König
Theuderich, TriatriiSohn, oder der Schielende,
entweder ein Frauenbruder, oder Frauenbruders
fohn, des vielvermögenden griechischen Patritius und
Magister Militum präsentium Aspars warx). Diese
Vetterschaft verschaffte ihm beträchtliche kaiserliche
Jahrgelder,welche eingroßes Misverständnißzwischen
ihm und den größern oder dacischen Gochen veran
laßten. Die drei Brüder, die die größere Nation
beherrschten, konnten dergleichen nicht erlangen, und
glaubten dennoch, daß sie mehr als jener, Theuderich,
dazu berechtiget wären, weilfie, nicht aber dieser,zu
dem alten regierenden amalischen Hause gehörten.
Diese drei Brüder hießen Walemir, Theode
mir und Widemir, undbeherrschten einen Theil des
Landes Pannonien zwischen den Städten Wien und
Sirmium, und zwischen Noricum, Rugiland, der
Donqu, dem Gepidenlande, Obermösien und Dalma
tien, welchen ihnen der Kaiser nach dem Tode des
Attila zum Aufenthalte angewiesen hatte. Sie be
griffen
x) Macov Gefäh.d. Deutsch. X.B. S.492.
Hungarische Geschichte. 227
griffen leicht, daß sie nur durch Eintracht sichin felbi
gem würden behaupten können, undherrschten, kriegten
undnegociirtendaher stetsgemeinschaftlich, ohngeachtet
Walemir das Land zwischendem Scarniunga und dem
schwarzen Strom (vermuthlich Sau und Drau),Theo
demir das Landam Peio- oderFertöfee, und Widemir
daszwischenliegende Land eigenthümlich und abgefon
dert, besaß. Die Hunnen überfielen den König Wa
lemir oderBalemeres,der ein Lehnmann ihres Königs
Attila gewesen war, wie es scheint, kurz nach demun
glücklichen gepidischen Treffen, und wurden mit fol
chem Nachdrucke empfangen, daß sie bis an den Aus
flußder Donaufloheny). Nachzwei Jahren bestieg J. Chr. 4,
Leo den morgenländischen Kaiserthron; und da dieser
Monarch aufAspars Betrieb, wie bereitsgesagt ist,
P 2 dem

r) Hornandes e. 52. p. 217. quae in fugam versa eas


partes Scythiaepetereit, quas Danubi (Danabri) amnis
fluenta praetermean, quae lingva fua Hunnivar appel
lant. ' zweyfache Lefeart erreget hier eine Dunkel
heit. Ist dasHunnivar der vom alten Wall begränzte -

füdliche Theil der Moldau und Walachey, so muß hier -

die Donau verstanden werden. Ueberhaupt trägt Jor


nandes die Begebenheiten hier fehr unordentlich vor,
Vielleicht ereigneten sie sich folgendergestalt. Der
König der Gepiden griffdie Hunnen an und schlugfie.
DieGothen, der Hunnen Hülfsgenoffen, die bisher in
Ungarn an der Theyß gewohnet hatten, mußten den
Gepiden ausweichen, erhielten von den Römern einige
Gegenden in Pannonien, und kündigten den Hunnen
Gehorsam und Bündniß auf. Diese wollten sie, ehe
sie sich festsetzen könnten, demüthigen, wurden aber
gänzlich ausPannonien und Dateien vertrieben. Alles
diesesgeschah in einem Sommer. Das Jahr befim
met Jornandes durch die Geburt des großen Theodo
richs, der gerade am Tage der Schlacht aufdie Welt
kam, und, wie man aus andern Nachrichten weiß, im
Jahr 455geboren ist. -
-
223 XXXIII-Buch. Aelteste
dem Könige Theuderich Vorzüge vor ihnen erheilte,
fo rächten sie sich durch einen Einbruch in Illyrien,
und durch die Einäscherung vieler Städtez). Der
Kaiser suchte sie durch Gaben zu besänftigen, und er
bot sich zu einem Jahrgeschenke von 10 Pfund Gold,
J. Chr.463, welches angenommen ward. Zur Sicherheit des
Vergleichs fandte der König Walemir Thiderichen, den
unächtenachtjährigenSohn eines Bruders Theodemir,
nach Konstantinopel alsGeißel; und dieserPrinz hatte
davon den Vortheil, daß er in allen Künsten und
Wiffenschaften der Römer unterrichtet warda). Die
Ostgothenfanden nach dem Frieden,daß die Einkünfte
ihrer Aecker nichtzu ihrem Unterhalte zureichten, da
her beschloffen sie mehrere zu rauben. Neben ihnen
Die Alanen wohnten im innern Pannonien die Sadaren oder Sa
'“ tagen, welche vermutlich zu der wenigbekannten un.
ben.
garischen NationderSatagaren inKleinfeythien, oder
der dobruczischen Tartarey gehörten, und ganzeinträg
liche Ländereyen besaßen. Diese wollten sie angreifen;
allein die Satagaren riefen den hunnischen Fürsten
Dengezik oder Dinzio zu Hülfe, undbekamen von ihm
einen Entsatz von Ulzinguren, Angiftiren, Burtu
guren (Utiguren) und Bardoren, den er selbst an
führte. Die Gothen erreichtendieses Heer beyBaffiana
(Bacs) am Sau in Servien, und verfuhren mit
ihm nach alter Gewohnheit. Die Hunnen flohen in
ihre Heimat zurück, und die Satagaren wichen mit
ihnen aus ihrem pannonischen Gebiete. Vielleicht
wandten

z) Prifrus de Legat.p. 74. -

a) Jornandes nennet den Theodorich einen Sohn des


Theodemirs; allein die ältern Griechen halten ihn für
Walemirs Sohn, vielleicht weil Walemir ihn an
Kindes statt angenommen hatte. Dieses wird daher
wahrscheinlich, weil Theodemir gegen feinen Willen -
den jungen Theodorich zum Geißel geben mußte, blos
weil es dem Walemir gefiel.
Hungarische Geschichte. 229
wandten sich viele vonden letztern südlich nach Italien;
denn man findet in den italienischen Jahrbüchern b),
daßder Patritius F. Ricimer ein Heer eindringender
Alanen bei Bergamozu dieser Zeit erleget habe; und“S *
die Satagaren wurden öftersfür Alanen gehalten,weil
fie mit diesen genau verbündet waren.
Bald nachherfiel Hunimund, derAnführer derer Svevilchen
Sveven, die zwischen den Thüringern, Franken, wie
Burgundionen und Bajobaren c), oder im heutigen“
Schwaben,wohnten, in Dalmatien ein, und seinHeer
verdarb nachdeutscherWeise aufdem Durchzuge durch
das Gebiet der Gothen alle Wiesen und Anger d),
P 3 und)

b) Caffiodori Chron. im Mafov a. O. XBuch 473 S.


c) Iornandes c. 55. Eugyppius meldet im Leben S. .
Severini S. 78, daß die Alemannen und Thüringer
", nach einander Paffau verheeret hatten, welches
die Aussage des Jornandes bestärkt. Denn die Alle
mannen hatten sich schon damals mit den Sveven ver
einigt, faßen zugleich aufallen Alpen, wie Jornandes
meldet, und mögen daher von den karnischen Alpen
herab nach Dalmatiengekommen feyn. In Pannonien
waren neben ihnen noch viele alte unterdrückte Quaden
und Markomannen,die zu den Sveven gehörten. Diese
können sie veranlasset haben, durch Pannonien zurück
zukehren. Jornandesgebraucht den Ausdruck S.218
quia Dalmatis Suevia vicina erat neela Pannonis mul
tum diftabat, dervölligfehlerhaft ist, wenn man nicht
annimmt, daß er die Alpen mit zufeinem Schwaben
rechnet. Denn daß hier von den patern Schwaben
in Sclavonien nicht die Rede feyn könne, zeigt der -

Umstand, daß Hunimund, um in sein Reich zu kom


men, durch dieses Land hindurch zog.
d) In einem Theile von Dalmatien hatte sich im Jahr
462 Marcellinus, ein Römer, zum unumschränkten
Herrn aufgeworfen, und vonderHerrschaft des abend
ländischen Kaisers losgeriffen. (Procopius de bello
Vandal. L. I. c. 6.) Dieser Mann half hernach dem
abendländischenKaiser Anthemius gegen die Wandalen,
und nahm ihnen Sardinien ab, ward aber auf e 16
23e - XXXIII.Buch. Aelteste
und kehrte endlich, nachdem esgenuggewütet und ge
raubet hatte, aus Dalmatiendurch Pannonienzurück.
Der oftgothische König Theodemir brachte insgeheim
feine besten Kriegsleute zusammen, überraschte es in
einer stürmischen Nacht am Peiffe, und bekam den
KönigHunimund, nach einem blutigen Gemetzel,nebst
vielen Sveven gefangen. Weil er glaubte, daßdiese
Begebenheit keine weitere Folgen haben werde, so
fetzte er den Hunimund nicht nur wieder in Freiheit,
sondern nahm ihnfeyerlich zu seinem Sohn an, und
ließ ihn in sein Landzurückbringen. AlleinHunimund
dachte nicht so großmüthig, wie es die damaligen Rit
tergesetze erforderten, sondern veranstaltete einen Hee
reszug der Scyren, die wahrscheinlich neben den
Herulern, Rugiernund Gepiden in Oberungarn nord
lich der Donau saßen. Die Gochen lieferten diesen
eine Schlacht, die zwar ihrem Könige Walemir das
Leben kostete, alleinsichmit einergänzlichen Niederlage
der Scyren endigte. Diese sollte durchdie feyrischen
Könige Edica und Wulfo gerächt werden, und die
schwäbischen Könige Hunimund und Alarich, fließen
nebst einigen Rugiern undGepiden, wie auch den far
matischen Königen Beuga und Babai,zu ihnen; aber
der neuerwählte gothische Oberkönig Theodemir schlug
dieses verbundene Heer an dem unbekannten Strome
Bollia in Pannoniene), undzerstreuete es. Sowohl
die Scrren, als auch die Gochen, baten den morgen
ländischenKaiser Leo umUnterstützung, undderKaiser
gab seinem illyrischen Präfectus Befehl, den Scyren
einige Hülfsvölker zuzusendenf). D
ie
lien durch Meuchelmord im Jahr 468 getödtet. Viel
leicht kamen die Sveven auf Veranstaltungdes römis
fchen Hofes nach Dalmatien. er

e) Hr. v. Suhm hält diesen Strom S. 281. a. O. für


den Strom Blawa ohnweit Leopoldstadt.
f) Prifrus de Legat. p. 44.
Hungarische Geschichte. 231
Die Sarmaten, welchediesesmal gegen die Go- Sarmaten in
ehen fochten, waren mit einigen Cemandrern und Server
Hunnen kurz nachdem Tode des Attilas indierömische
Festung Castra Martisg) inderBulgarey aufgenom
men, und scheinen die letzten Nachkommen der alten
Jazygen gewesen zu feyn. Sie zerfielen sehr bald
mit ihren Wohlthätern den Römern, erschlugen einen -

römischen DurCamundus, und setzten sich in den Be.


fitz der Stadt Singidon an der Donau in der Gegend
von Belgrad. Hierzu konnten sie vielleicht eine ge
rechte Ursache haben; denn die römischen Feldherren
glaubten, sowie ihr Kaiser, daßTreue undEhrlichkeit
dem Staatsvortheil aufgeopfertwerden müßte, und
erhielten für diesen Irrwahn den gewöhnlichen Lohnder
Untreue.
Damals, als die Scyren und Sarmaten mit den Römisch-hun
Ostgothen fochten, hofften die hunnischen Prinzen'“
Dengezik und Jrnach von dem morgenländischen
Kaiser beträchtliche Vorheile erlangen zu können.
Daher forderten sie unter der Drohung, fich in den
Zwist zu mischen und den Römern mit Hülfe ihrer
P4 Ver
-- " -

g) Hornandes P. 217. Sauromatae vero, quos Sarmatas


diximus, et Cemandri et quidam ex Hunnis in parte
Illyrici ad Caftrum Martenam fedes fibi datas coluere.
Ex quo genere fuit Blivilas Dux Pentapolitanus, ejus
que germanus Froilas, et nofri temporis Beffa patri
eius. Fast alle Alterthumsforscher halten Martena
fürMarchburg in Steyermark, aber ohne allenGrund.
Es muß vielmehr Castrum Martisgewesen feyn, wel
ches in der Bulgarey in der Gegend von Arizar lag.
Denn Babai eroberte Singidon, welches durch das -
Land der Gothen völlig von Marchburggetrennet war,
von Arizar ab, aber vermittelt der Donau leicht beren
net werden konnte. Ferner als Theodorich gegen
Naiffus zog,gieng er erst über die Sau zudem Schloffe
der Sarmaten und Römer, welches also da liegen
mußte, wo Castra Martis wirklich lag.
232 XXXIII, Buch. Aelteste
Verbundenen zu schaden, erst einen Frieden, worunter
fie Jahrgelder für die Waffenruhe verstanden, und
dann einen Befehlan alle römische Kaufleute, daß sie
einen Stapel der nöthigen Waaren an der Donauzum
Nutzen der Hunnen anlegen sollten. Dieser Antrag
ward von dem Kaiser verworfen, und Dengizik ergriff
die Waffen, ohngeachtet Jrnach den Angriffskriegfür
bedenklich hielt h). Der nächste römische Präfectus
des thracischen Donauufers Arnigicel forderte den
Dengizik, nachdamaliger Weise,feierlichzum Treffen
auf. Allein er schlug dieses aus, und fandte einen -

Abgeordneten mit neuen Vorschlägenanden schwachen


Kaiser Leo, der nun, da er von Dengiziks Rüstung
hörte, selbige bewilligte. Diesem ohngeachtet streifte
ein beträchtlicher Haufen Hunnen und Gothen, um
Lebensmittelfür das Heer zu rauben, in Thracien und
Mölien. " Die vereinigten römischen Feldherren.Arni
gicel, Basilicus und Ostrovius lockten diesen in ein
Thal und umzingelten ihn plötzlich. Die hunnischen
Anführer versprachen, sich den Römern zu ergeben,
wenn man sie mit Ländern zum Ackerbau versehen
wollte; allein die Römer gaben diesen kein Gehör,
boten ' nur einen Stillstand an, und berichteten
den hunnischen Vorschlag nach Hof. Dieses mußte
den Hunnen misfallen, weil sie einen großen Mangel
an Lebensmitteln hatten, keine Zeit verlieren durften,
und durch die Erwartung der kaiserlichen Antwort in
Gefahr geriechen zu erhungern. Sie drangen daher
aufdie Beschleunigung desVergleichs. Die römi
fchen Feldherren versprachen ihnenbis zum Ablaufdes
Stillstandeszureichenden Unterhalt,und schlugen ihnen
vor, daß sie sich in so viel kleine Haufen verheilen
sollten, als Cohorten bei dem römischen Heere wären,
- - damit
h) Prüfus p. 45. S. Hr. Stritter Mem. Populorum
ad Danub. incol. p. 537 u. f.
Hungarische Geschichte. 233
damit jeder römische höhere Officiereinen derHaufen
zugleich mit seiner eigenen Rotte speisen könnte. Die
fes ward angenommen und in das Werk gesetzt.
Chelchal, ein geborner Hunne undrömischerVorsteher
einer Cohorte, wagte es, die Hinterlist, die man bey
diesem Vertrage zur Absicht hatte, auszuführen, und
redete mitden Gothen, die sich indem Haufen,der zu
ihm stieß, befanden, aufeine sehr verschmitzte Weise,
um sie zum Aufstande gegen die Hunnen zu bewegen.
Er sagte ihnen, wenn der Kaiser ihnen die verlangten
Aecker bewilligte, so würden blosdie Hunnenden Nu
zen davon ziehen, weil die Gochen den Ackerbau nicht
trieben, und die Gochen müßten also gleich Knechten,
für den einseitigen Nutzen der Hunnen ihr Blut ver
gießen. Daher fey eine jedwede Verbindung der
Gothen mit den Hunnen ein großer Staatsfehler.
Dieses hättendie ältern Gochen schon eingesehen, welche
ihre Vorsteher eidlich verpflichtet hätten, keine solche
Verbindung einzugehen. Allein diese wären meineidig
geworden, weil die Noch sie dazu gezwungen hätte.
Jetzt fey diese nicht mehr so groß, daß sie nicht gehoben
werden könnte, und esfände gegenwärtig in der Go
then. Macht, sich vom hunnischen Joche zu befreien,
Diese Bemerkung machte einen so starken Eindruck
aufdie Gochen, daß sie auf die unvernünftigsteWeise
über die Hunnen herfielen, und ihre Freunde zum
Nutzen ihrer Feinde umbrachten. Die Römer stell
ten sich bei diesem Auflauf in Schlachtordnung, und
tödteten ohne Unterschied jeden Gothen oder Hunnen,
der bei ihnen Hülfe suchte. Die Gothen merkten
endlich ihre Einfalt, schloffen sich, und griffen die
Römer an. Allein siewaren schon zu sehrgeschwächt,
und mußten insgesamt ihr Leben laffen. Diese Nie
derlage brachte den hunnischenzweytenFürsten Irnach
in Zorn, und auf den Entschluß, in Gesellschaft des
P 5 Den
234 XXXIII.Buch. Aelteste
Untergang des DengizikfiemitFeuer undSchwerde zu rächen. Allein
“ "Anagast oderArmigielwardiesen attitanischenPrinzen
zu schlau, schloß die Hunnen ein, und erlegte den
S. “ König Dengizik, dessen Haupt sogleichnachKonstan
tinopelgebracht, und vor einem Thore zur Schau auf
einen Pfahl genagelt ward. Seit dieser Zeit ver
fchwandder WName einesbesondern hunnischen
Reichs aus allen illyrischen Gegenden, obgleich von
dieserplötzlich mächtiggewordenen undwiedergestürzten
Nation fich viele kleinere Haufen in Hungarn noch
einige Jahrhunderte hindurch erhielten.
Gothic-fve- Der ostgothische König Theodemir verlor durch
'“ diese Begebenheit einenmächtigen Feind, den er,ohne
geachtet seiner öftern über ihn erfochtenen Siege, noch
immer gefürchtet hatte. Daher beschloß er, etwas
gegen die Schwaben, die ihm eben so gefährlich wer
den konnten, zu unternehmen. Er fand dazu aber
erst nach einigen Jahren eine bequeme Gelegenheit,
als einst die Donau gefroren war. Die zwischenlie
genden großen Nationen verstatteten ihm zwar nicht,
geradezu nach Schwaben zu gehen; allein er nahm
einen sehr großen Umweg, vermuthlich durchBöhmen
und Franken, und kam endlich an die schwäbische
2. Chr.473. Donau. An dieser focht er mit den vereinigten Ala
nen und Schwaben dies- und jenseits, und er brachte
ihnen sehr schwere Niederlagen bey,ohngeachtet es ihm
nicht gelang, sich ihres Landes nach feiner Absicht zu
bemächtigen i). Als er in sein Reich zurückkam,wurde
er von seinem Sohne Theodorich empfangen. Dieser
Prinz, der damals dasachtzehnte Jahr zurückgelegt
hatte, war vom Kaiser, ausFreundschaft für ihn, der
Geißelpflicht entlaffen, und hatte, um sich feiner Na
tion als einen würdigen Prinzen zu zeigen, fechstau
fend Gochen an sich gezogen, und mit selbigen den
Sarma
i) 5Yornandes C. 55.
Hungarische Geschichte. 235
Sarmaten die FestungSingidon abgenommen, ihren
Heerführer Babai aber erschlagen.
Dieses war der erste Auftritt eines Jünglings,der be
geboren war um eine sehr große Rolle zu spielen."
Die Römer, oder vielmehr die Griechen, die diesen gothen.
Prinz gebildethatten, hofften, er werde sichzur Un
terthänigkeit gewöhnen laffen, und mit feiner Nation
zu den römischen Sitten und Gebräuchen übertreten:
Allein dieser Gedanke war seinen Empfindungen ganz
entgegen. Er hatte zwar gelerntzu gehorchen, aber
er wünschte diese Uebungzu endigen, und faßte von
flch eine so große Vorstellung, daß er glaubte, ihm
müffe alles unterhänig sein. Daher entwarf er tau
fend Unternehmungen, erstgegen die nordlichen Bar
baren und schwächern benachbarten Landesleute, dann
aber auch gegen die Griechen undRömer. Sein Ehr
geiz half ihmalle Gefahr verachten, und selbst die go
thische Treue und Ehrlichkeit, und die Gesetze seiner
arianischen Priester übertreten. Daher ward eröfters
grausam undbundbrüchig, wenn ihm eine Gelegenheit
zu Eroberungen aufstieß; allein eine gute Anlage half
ihm wieder auf die Bahn, wenn er gesiegt hatte, und
dann war er ein gütiger, gerechter und weiter Regent.
Dieses sind die Hauptzüge seines Charakters, welche
ausden nun folgenden Begebenheiten entlehnt sind.
Ohngeachtet er außer der Ehe erzeugt war, so
bestimmte ihn dennoch sein Vater Theodemir und die
Nation zum Thronfolger. Diese Aussicht schien ihm
nicht groß genug zu feyn; denn die Nation war arm
und dürftig, und kam ihm als einem Prinzen, der
unter den Wollüsten des üppigsten und prächtigsten
Hofes der damaligen Welt herangewachsen war, noch
unbedeutender vor, als sie wirklich war. Ihr Land
hätte ihr einen Ueberfluß verschaffen können; allein
ihre kriegerische Verfaffung und Abneigung s den
and
236 XXXIII.Buch. Aelteste
Landhaushalt machte, daß sie esnicht nußte. Daher
empfand sie bald nach der Endigung des schwäbischen
Krieges, Mangel an Lebensmittelnund anKleidungs
stücken, unddrang mit Ungestüm aufihre Könige ein,
um fie zu neuen Zügen zu zwingen. Der Oberkönig
Theodemir gehorchte endlich, und warf mit seinem
Bruder Widemir das Loos über die Gegend, inwelche
jeder von ihnenfreifen sollte. Durch dieses fiel dem
Widemirder verabredete Zug nach Italien, und dem
Theodemir die östliche Unternehmungzuk). Widemir
farb aufdem Wege; allein sein Sohn Widemir trat
B. Chr.473.gleich in seinen Platz, und fiel den Kaiser Glycerius
an, der ihn aber durch Geschenke beruhigte, und nach
Gallien und Spanien sandte, wo er sich mitdenWest
gothen vereinigte. "
Theodemir setzte überdie Sau, rückte gegen einige
farmatisch-römische Festungen, die sich ihmgleich er
gaben, und ferner nach Naiffus, der ersten römisch
illyrischen Stadt, die nach des Attila Tode wieder
aufgebauet war. Sein Sohn Theodorich mußte sich
"nach dem Castrum Herculis wenden, und eroberte
“ten von UlpiaPautalia, eine päonisch-macedonische Gränzstadt
am Ursprunge des Mamarastroms. Darauf fiel .
Heraclea und Lariffa in Thessalien, ferner Theffalonich
durch die Furchtsamkeit des römischen Vertheidigers
Clarianus, eines Patriti, dann Ceres, Pellas, jetzt
Jenizzar l), Europa, Mediana, Petina, Bereum
und Quesium, lauter macedonische Städte, in seine
J.Chr,474.Gewalt. Die Griechen wurden durch innere Unruhen
- abgehalten, ihm entgegenzugehen. Denn derKaiser
Leostarb gerade, als Theodemir in Macedonien rückte,
"und ein gewisser Zeno gab ihm seinen eigenen Sohn
Leodenjüngernzum Nachfolger, ließ sich von selbigem
zum
k) „Fornandes C. 56.
1) Hr.Kammerherr v. Suhm a. O. S. 289.
Hungarische Geschichte. 237
zum Cäsar ernennen, und folgte ihm, als er imzehn-''
ten Monate seiner Regierung verschied, als Kaiser.
Ein gothischer Krieg hätte den Zeno sehr leicht stürzen
können; daher bewilligte dieser neue Monarch dem
Theodemir alles,was er verlangte, und überließihm
die Provinz Pautalia mit den mehresten vorerwähnten
Städten. Er glaubte sogar, daß dieser Verlust fei
nem Reichenützlichfey,weildurch Pautalia derHaupt
weg nach Thracien lief, und der thracisch-gothische
König Theodorich Triarsohn nun in Gefahr gerathen
konnte, von den pautalisch-pannonischen Gothen auf
einer, und den Griechen auf der andern Seite über
wältigt zu werden, wenn er sich unruhig bezeigte m).
Theodorich Triarsohn schien dieser Meinung berzu
pflichten; denn er suchte sich aus dieser bedenklichen
Lage durch eine Empörung gegen den Zenozu ziehen,
und tratzuder Parthey des orientalischen GegenkaisersJ.Chr. 476.
Basilius. Zeno ward dadurch zwar gezwungen,
aus Konstantinopel zu fliehen; allein der pautalische
Theodorich,der kurzzuvor durchden Tod seinesVaters
einiger Herr seiner Nation geworden war, führte ihn
zurück, und halfihm seinen Gegner überwältigen.
Seitdieser Zeit warendie beydengothischen Theo- Begebenheiten
doriche, nämlich der pautalische und der thracische, ''
oder der Sohn des Triarius, in beständiger Fehde. Theodoriche
Der erste oder der jüngere Theodorich hatte damals
Pannonien, Servien, einen Theilder Bulgarey und
Etwas

m) Malchus Excerp. de Legat.p.79. Mafov a. Orts


S. 495. Pautalia wird von einigen in die Bulgarey,
von andern aber in die Gegend von Thessalonichgefetzt.
Daß esaber da, wo ich es hingebracht habe, wirklich
gelegen hat, zeigt der Zug des Theodorichs, der wahr
fcheinlich auf der Heerstraße fortgieng, (S. Hafens
Charte von Hungarn 1744) und des Hieroclis Sys
necdemus in der mittlern dacischen Provinz.
238 XXXIII.Buch. Aelteste
etwas von Macedonien, und wohnte zu Novä an der
Donau inServien,nordostlich unterhalb Niffau). Die
ehemalige Uebermacht des thracischen Theuderichswar
B.Chr. 47. schon unterdem Kaiser Leo durch die Ermordung seines
Vetters,des konstantinopolitanischen erstenStaatsbe
dienten Aspars,gebrochen, und beruhete nunmehr blos
auf dem Glücke seiner Waffen. Mit dem Aspar
waren auch seine Söhne hingerichtet, und daher for
derte Theuderich Triarsohn, als nächster Erbe, des
Aspars Vermögen, und eine Genugthuungfür seinen
J. Chr, 473. Mord. Diese Ansprüche dehnte er nacheinigen Jahr
ren noch weiter aus; denn er verlangte, daß seiner
Nation ein größeresGebiet in Thracien, und ihm die
militärischen Aemter des Aspars gegeben werden soll
ten o). DerKaiser Leo zauderte mit seinerErklärung,
bis daß es ihm gelang, Arcadiopolis und das platte
Land um Philippopoliszu erobern. Dadurch ward
der Kaiser gezwungen, ihm für seine Ansprüche Geld,
und die Stelle eines Ducisüber die zweygrößtenHeere
der römischen gesamten Kriegesmacht zuzugestehen,
auch mit ihm ein Hülfsbündnißzu schließen, wodurch
er sich verpflichtete, fürein Jahrgeld von2000 Pfund
Goldgegen alle Feinde des römischen Reichs, den eini
gen

n) Malcbus meldet aneinem Orte,die Residenzdes Theo


dorichsfey im Jahr 477 civitas Nova gewesen, und
läßt an einer andern Stelle den Theuderich fagen,
Zeno habe ihn von der Gränze der Scythen weitaußer
halb Thracien aufgesucht, wo er in Ruhe gewohnet
habe. Hätte Theodorich, oder sein Vater, in der Bul
garey einige Besitzungen gehabt, so würde die Civitas
Nova das Noviodunum am Kululgheritrom feyn kön
nen. Nun aber muß man sie für das alte römische
Nowa, und Scythien nach griechischem Sprachge
: für das überdonauiche unbekannte Land
alten.
•) masov a. D. XB. S.492.
Hungarische Geschichte. 239
en wandalischen König Genferich ausgenommen, zu
echten. Dieser Vertrag war nicht mit gutem Herzen
eingegangen, und daher hielt sichder neue Kaiser nicht
für verpflichtet, ihn auf das genaueste zu erfüllen.
Man hoffe, dieser Theuderich werde sich durch den
pautalischen Theuderich überwältigen laffen, und for
derte diesen auf, einen Versuchzu machen, und ihn J.Chr. 47.
in Thracien anzugreifen. Theodorich der jüngere ver
langte zu diesem Zuge Wegweiser und römische Hülfe,
und man versprach ihm nicht nur beydes, sondern gab
ihm schriftliche Befehle, die an den Claudius, den
Präfectusder römisch-gothischengeworbenen Soldaten,
und an den DurThraciä zu feiner Unterstützung ge
richtet waren. Allein bald nachher verfiel man auf
die Staatslist, daß man beyde Theodoriche durchihre
eigene Waffen fällen, und ihrer Entkräftung ruhig
zusehen wollte, bis man von selbiger zu ihrer völligen
Vernichtung Gebrauch machen könnte p). Die Weg
weier mußten daher den jüngern Theodorich in den
Hinterhalt des thracischen Theuderichs führen, und
die römischen Hülfsvölker blieben zurück, Dadurch
fiel derjüngere Theodorich in seines Feindes Hände,
und erhielt sein Leben blos durch die Großmuth dieses
Mannes. Im ersten Zorn über diese Treulosigkeit
fiel der jüngere Theodorich in Macedonien ein, nahm
den Römern die Stadt Stobi, und verheerte allesJ.Chr.,47s.
Land bis gen Thessalonich. Die römischen Feldherren
hatten ihm schonzuvor Pautalia entriffen, und er ge
brauchte diese Ungerechtigkeit zum Vorwande, um
eine Menge von Beute und Lebensmitteln in Macedo
nien zu rauben. Der ältere Theuderich Triarsohn
verfuhr fast noch grausamer; denn er ermordete in
Thracien alle Ackersleute, hieb den Fuhrleuten die
Hände ab, und verleitete die römischen Soldaten zum
Uebers
p) Malchus a. O. S. 94.
240 XXXIII.Buch. Aelteste
Ueberlaufen. Zeno hatte mehr Neigung zu dem
jüngern Theodorich, und bemühete sichdaher nur die
fen zu beruhigen, theils vermittelt der Rückgabe der
Stadt Pautalta, und einer beträchtlichen Kornliefe
rungfür sein Heer aufdas nächste Jahr, theils aber
durch römische Ehrenstellen, die er ihm bestimmete. -

Theodorich, der bis zur Endigung seiner Unterhand


lungen mit dem Kaiser zu Heraklea stehen geblieben
war, richtete plötzlich eine Absicht aufEpidamnus
oder Durazzo, undbat einenfeinerVetternSidimunt,
einen angesehenen kaiserlichen Kriegesbedienten, der
in der Nachbarschaft von Durazzo auf seinen Gütern
wohnte, daß er ihm zum Besitze dieser Stadt undder
ProvinzEpirusverhelfen möchte. Hierzu war Sidi
munt sogleichgeneigt, und die Einwohner und selbst
die starken Besatzungen der Städte wurden von ihm
durchfalsche Gerüchte und treulose Rathschläge verlei
tet, daßsie die Gegend verließen und auf die nächsten
Inseln flohen. Theuderich eilte, sobald ihm Sidi
munt von seiner Absicht: Nachricht gegeben hatte, nach
dieser Gegend, und eroberte erst Lychnis, und dann
ganz Epirus. Der Kaiser bot ihm für dieses Land
Dardanien an; allein Theodorich wollte es nicht vor
dem nächsten Sommer verlaffen, dann aberThracien
dem ältern Theuderich abzugewinnen fischen, wennder
Kaiser verspräche, ihm dieses Land als einen Ducatus
- zulaffen, undzugleich ihm einige wichtige Ehrenämter
zu ertheilen. Vermuthlich würdendiese Bedingungen
angenommen sein. Allein während der Unterredung
der Friedensvermittler ereignete sich ein Vorfall, der
dem Kaiser neuen Muth machte. Denn der römische
Feldherr Sabinianus stieß aufeinen Haufen von fünf
tausend Gothen, der mit vieler Beute am Berge
Kandabias unbewaffnet herzog, und bekam selbigen"
in seine Gewalt. Aufden Bericht von diesem Glücke
(Un
-

Hungarische Geschichte. 241


antwortete der Kaiser, man sollte nun den Kriegfort
fetzen; allein ein Feuer erkaltete sehrbald, und Theo
dorich erhielt Pautalia und ein Jahrgeld.
Der ältere Theodorich (Triarsohn)drang nun sehr
ernstlich aufgleiche Geschenke und aufdie versprochene
Feldherrenstelle; allein derKaiser ließ seine Forderung
in einem Kriegesratheuntersuchen und verwerfen, und
hielt ihn eine Zeitlang mit leeren Hoffnungen auf
Theodorich wagte es nicht, die Waffen zu ergreifen;
allein da nach einigen Jahren eine Empörung in Kon
fantinopel gegen den Kaiser ausbrach, so eilte er mit
einemHeere nach derHauptstadt unter dem Vorwande
den Kaiser zu retten. Der Kaiser erschrak überfeine J.Chr.479.
Ankunft mehr als über den Aufstand, und überhäufte
ihn mit Drohungen, Geschenken und Versprechungen,
bis daß er sich endlich entschloß zurückzukehren.
Die Ruhe, die nun in Thracien entstand, dauerte
kaum ein Jahr. Theuderich Triarsohn raubte den
Unterhalt für sein Heer vonden benachbarten Landleu
ten. Zeno ließ ihm vorstellen, daß er von seinem
eigenen Vermögen anständig leben könnte, wenn er
nur nicht der Pracht eines Regenten nachahmenwollte,
ermahnte ihn diese fahrenzulaffen, und schenkte ihm
die Beute, oder erließ ihm vielmehr die Ansprüche,
die der kaiserliche Hofan selbige machte. Theuderich
war nicht geneigt, seine Leibwache abzudanken, und
fetzte aus Noth, wie er sagte, oder um selbige speisen
zu können, feineGewaltthätigkeitenfort. DerKaiser
bot den jüngern Theuderich gegen ihn auf, und ver
sprach selbigem ein kaiserliches Hülfsheer unter der
Anführungdes Dur von Thracien. Dieser muchige
Prinz, der damalsdie Bulgarey neben feinen übrigen
Ländern beseffen haben muß, weil er in Marcenopoli
feine Leute versammlete, rückte zuder bestimmten Zeit I. Chr, 43,
in Thracien ein, und fand den ältern Theodorich am
Allgem.weltgXV.B.I.Abth. . Q Go
242 XXXIII.Buch. Aelteste
Gebirge Sondis in einer sehrguten Verfaffung. Er
wartete aufden Dur; allein dieser rückte gar nicht in
das Feld. Sein Gegner ritt an sein Lager, redete
mit seinen Gochen, machte ihm einen beträchtlichen
Theil derselben abspenstig, bekam ihn endlich selbst in
das Gesicht, und behandelte ihn vermittelt scharfer
Verweise wie einen muthwilligen Jüngling, der aus
unüberlegter Hitze sichverleiten ließe,zum Dienste einer
Nation, die blos sein Verderben suchte, gegen fein
eigenes Volk und Geschlecht zu wüten. Dieses Ver
fahren machte einen Eindruck auf den jüngern Theo
dorich. BAhdegothische Könige föhnten sichaus,und
fandten Abgeordnete nach Rom; der ältere, um den
rückständigen Solb und das Uebrige, was von des
Kaisers Leo Vergleich noch nicht erfüllet war, einzu
fordern; derjüngere aber, um auf eine Schadener
fetzung zu dringen. Der Kaiser schickte anstatt der
- Antwort ein Heer, welches muthig und tapfer genug
war, allein plötzlich den Befehl nicht zu fechten
erhielt, darüber misvergnügt ward und, um einer
Empörungzuvorzukommen, entlaffen werden mußte.
Inzwischen ließ der jüngere Theodorichfeinem Zorne
alleFreiheit, und rächte sich an den unschuldigen thra
cischen Landleuten, die er ausplünderte, oder in die
Gefangenschaft brachte, oder niedermetzeln ließ. Der
ältere Theodorich gab ihm über diese unrühmliche
That abermals eine väterliche Weisung, gebrauchtefie
aber inKonstantinopel zu seinem Vortheil. Denn der
Kaiser Zeno, der nun sich mehr vor ihm als dem
jüngern Theuderichzu fürchten anfieng, unddie Grau
famkeit des jüngern Theodorich zu ahnden wünschte,
gab ihm endlich desAsparsErbschaft und dieBefehls
haberstelle über eine der kaiserlichen Leibwachen zugleich
mit den Aemtern und Besoldungen, die derjüngere
Theodorich bisher gehabt hatte, und nahm 13,000
- - Mann
-
Hungarische Geschichte. 243
Mann Gothen von ihm in Sold. Er näherte sich
darauf der Residenz, wie es schien,mit einer friedfer
tigen Gesinnung. Allein weil er eine Verschwörung -

gegen sein Leben entdecktzuhabenglaubte, wicher seit''


wärts nach Illyrien, und kam auf einer der ersten Gothen,kommt
Tagereisen durch eine eigene Unvorsichtigkeit um."
Nach seinem Tode gewöhnte sichfeine Nation, die nun
den Namen der kleinern Gothen führte, an den
Ackerbau und dieViehzucht. Jornandes, der älteste
gothische Geschichtschreiber, fand sie im Jahr 52 in
einem ganz glücklichen Zustande. Denn fie lebten
ruhig in ihrenHütten, und genoffen, was ihnen die
schönenGehölze,und Aecker, und die Viehzucht darbo
ten, in völliger Zufriedenheit, ohngeachtet sie keine
Schätze besaßen. Das Band der Religion, die ge
meinschaftliche Sprache, und die Schrift, die ihnen
Ulfilas hinterlaffen hatte, vereinigte sie noch so genau,
daß sie eine besondere Völkerschaft ausmachten,die von
den übrigenEinwohnern Möliensund Thraciens völlig
getrennet war.
Der Kaiser Zeno mußte, vermöge des Todes des Theodorich,
ältern Theuderichs, seine Staatsgrundsätze ändern, größern
und sichmitdemjüngernTheodorichaussöhnen. Die ä"
fes schienein schweres Geschäfte zufeyn; denn der go
thischePrinz warzu oft, undaufder einem Deutschen
empfindlichsten Seite beleidiget worden. Allein der
unbegränzteEhrgeiz desPrinzen erleichterte die Arbeit.
Der Kaiser ernannte ihn zum Patritius undMagister
präsentis militiä, und gab ihm einen hohen Platz an
seinem Hofe. Er nahm ihn nachher gar zu seinem
Sohne an, und ließ sein BildzuPferde vor seinem
Palaste aufrichten. Endlich fügte erzu diesen Vor
zügenauchdie Würde eines ordentlichen oderwirklichen J. Chr. 484
Consuls.
Q2 So
-
244 XXXIII. Buch. Aelteste
So lange diese Aemter und Ehrenbezeigungen
noch neu waren, beschäftigten sie den Prinzen so sehr,
daß er auf keine weit aussehende Entwürfe gerieth.
Allein schon zu derZeit des Confulats äußerte sichbey
ihm Ueberdruß der glänzenden Dienstbarkeit, unddie
alte Herrschbegierde erwachte von Neuem. Er gab
vor, es fey einem gothischen Prinzen unanständig, in
der ResidenzimUeberfluffe zu leben, und seine Nation,
die damals fich in Illyrien aufhielt, der Dürftigkeit
zu überlaffen. DerKaiser Zeno, der,bei dem Unter
gange des römischen Kaiserthums, dessen Provinzen
gerne mit feinen Staaten vereiniger hätte, und doch
aus Furchtsamkeit den Odoacer nicht anzugreifen
wagte, ermunterte ihn diesen neuen König zu vertrei
ben, weil sich bei ihm Muth, Nationalmacht und
consularische Befugniß, die Feinde derRömer zu ver
tilgen und überProvinzialen oderRömerzu herrschen,
vereinigte q). Wie es scheint, änderte der wankel
müthige Zeno diesen Entwurfsehr bald; denn Theo
dorich blieb gegen eine Neigung ruhig, und mußte
nach einigen Jahren, da die Ermunterung des flüch
tigen rugischenPrinzen Friederichs r) feine Begierde,
Italien zu erobern, biszuder höchsten Stufe gebracht
hatte, vieleMühe anwenden, um von demKaiser die
s. Chr. ags.Erlaubniß zum Zuge zu erhalten. Er stellte dem
Kaiser vor, daß es eine kaiserliche Pflicht fey, das
römische Reich dem Räuber Odoacer abzunehmen, und
daß er jetzt die Bequemlichkeit habe, ohne Aufwand
und Gefahr diese Pflicht aufdie Gochen zu bringen.
Würden diese fiegen, so behalte er (Theodorich) das
Reich als ein väterliches Geschenk, und besitze esdurch
die Gnade des Kaisers. Lägen sie aber unter, sofey
der

q) Procopius de bello Goth. L.I. cap. 1. ap. Muratori


S. R. Ital. T. I.
r) Ennodius Paneg,Theodorico dičiusp. 289.
Hungarische Geschichte. 245
der Kaiser wenigstens gegen den Vorwurfder Nacht
lässigkeitgerechtfertigt s).
Der Kaiser gab endlich feine Einwilligung, und Theodoricher
entließ den nunmehrigen Erconsul und Patritius ''
Theodorich mit großen Geschenken. Dieser reifte zu -

feinen Gothen, und fand sie so sehr geneigt unter ihm


zufechten, daß sie ihre Weiber und Kinder aufWa
gen setzten, und den Hausrath, den sie aufdiese nicht
packen konnten, gleichgültig verließen, um ihm zu
folgen. Theodorich nahm seinen Weg gegen das J. Chr.499
adriatische Meer oder den ionischen Meerbusen, und
hoffe in Epirus oder Dalmatien Schiffe anzutreffen.
Allein da er diese nicht fand, so gieng er nach der
Donauzurück, und kam unangefochten bis Sirmium"
und Singidon. Er ersuchte den König der Gepiden
Trafila um Erlaubniß zum Durchzuge, ward aber
abgewiesen, und mußte den Gepiden am Fluffe Ulca,
oder Palus Hiulca ein sehr blutiges Treffen liefern, in
welchem blosWut und Verzweiflung seinen ausgehun
gerten Leuten den Sieg verschaffte. Nachdem er in
den gepidischen Städten undVorrathshäusern dieSei
nigen gespeist und mit einem zureichenden Reisevor
rathe versehen hatte, verließ er dasgepidische Reich,
ohne es in Anspruch zu nehmen. Sein Heer kam
endlich in Italien, und nahm nach dreimaligen Sie- J. Chr. 439
gen über den Odoacer nach und nach die Städte und 499
Provinzen des römischen Reichs in Besitz. Odoacer ImMärz 493.
ward durch Hunger gezwungen sich zu ergeben, und
verlor gegen das gegebene Wort sein Leben. Bald
darauf starb der Kaiser Zeno, und nun nahm Theo
dorich als unumschränkter Herr denTitel eines Kö
nigs von Italien an. Er behauptete, daß ihm Theodorich er
dieses Reichvom Zeno mit allerHoheit überlaffen sei;"
allein ZenosNachfolger,der Kaiser Anastasius, wollte
Q3 die
s) Fornandes C. 57. p. 219.
246 XXXIII.Buch.Aelteste
dieses nicht zugeben, und betrachtete die gothische Er
oberung als eine solche Unternehmung, die nur im
Namen undzum Vortheil der Griechen hätte ausge
führt werden können.
Mitdem Theodorich war der rugische PrinzFrie
derich und feine Nation nach Italien gegangen, und
diese hatte sich mit den Gothen so genau verbunden,
daß sie dengothischen Gesetzen folgten, gleiche Vor
- rechte mit ihnen genoffen, und blos durch Heirathen
fich absonderten. Denn die rugischen Mädchen und
Jünglinge wählten ihre Gatten nur aus ihrer Nation,
um den Namen derselben zu erhalten t). Theodorich
achtete sich vermöge dieser Verbindung berechtiger, die
rugischen Länder an der Donau inAnspruchzu nehmen,
und beschloß zugleich auch fein eigenes verlaffenes
Erbland in Pannonien den Gepiden zu entreißen.
Dieses geschaheziemlich spät. EingewisserMundus,
ein Verwandter des hunnischen Königs Attila, hatte
fich mit feinem Mutterbruder, dem Könige von Sir
"mium oder Gepidien Transarich u), entzweyet, und
war in die nordlichen Gegenden der Donau geflohen.
Hier hatte er eine Menge Straßenräuber, Viehdiebe
und fogenannte Skamarosv) an sich gezogen, und
VON
t) Procopius de bello Goth. L. III. c.2. p. 303. edit.
Murat. T. 1.
u) Theophanes und andere, in Hr. Conrector Stritters
Memoriis popul. ad Danub. incolent. T. I. p. 268.
Hornandes edit. Murat.p. 226.T. 1.
v) Die Skamari streiften zu Odoakers Zeit bis in Nori
cum. Sie scheinen eine Gesellschaft von Räubern aus
mancherley Nationen ausgemacht zu haben. Herr
Severinus leitet den Namen vom flawischen Wort
Kama, eine Höhle, ab (Pannonia p. 290). Mundus,
der König der Skamaren, trat nach Theodorichs Tode
zum Kaiser Justinianus über, wardfein Magister mi
litiä Illyrici, und focht mit großem Glücke gegen die
Gothen und andere Feinde der Griechen in Dalmatien
und Illyrien im Jahr 53).
-

- Hungarische Geschichte. 247


von ihnendenKönigstitelangenommen. Er bemäch
tigte sich endlich eines Thurms Hertha, den derKai
fer Trajanus jenseits der Donauhatte aufführen laffen,
und machte sichdurch den Schutz dieser Festung allen
Nachbarn fürchterlich. Daher gieng ihm der kaiser
liche Magister militiäIllyrici Sabinianus entgegen,
und schloß ihn in seiner Festung ein. In dieser Noth
huldigte er dem König Theodorich, welcher ihn durch
seinen Feldherrn oder ComesPetza entsetzen ließ, und
über den Sabinianus einen Sieg bey Margus in
Servien erfocht. Eben dieser Peza trieb den gepidi
fchen König Transarich über die Donau, eroberte
deffelben Residenz Sirmium, zerstörte die römische
Stadt Gratiana an der Donau, die ohnweit Margus
in der gradikaischen Gegend lag, und unterwarffei
nem Herrn fastalles Landan derpannonisch-mösischen
Donaux). Das Reich des Theodorichs begriff seit
dieser Zeit nicht nur Italien nebst Sicilien, Rätien,
Vindelicien, Noricum, dem Lande der Karner oder
Kärnther und der Veneter, und den Provinzen Prä
valis(von Durazzo ab bis Montenegro), Dalmatien,
Liburnien und Istrien, welche bisher zum römischen
Kaiserthumgehörethatten, sondern auchSvavia oder
Szlavonieny), Siscia in der Gegend von Siffef,
- Q 4 Pan
x) M. Aureli Caffodori Senatoris Varia in Operibus
Genevae 1650. editis) L. XI. n. 1. Mafov Gefäh.
der Deutschen XIII B. S. 134.
y) Procopius de B. Goth. I. 15. ed.Murat.p.262. Trans
finumGraeci, Epirotae diči, primum locum obtinent
ad urbem usque maritimam Epidamnum. Hinc fe
aperit Prebalis regio; fequitur cui Dalmatiae nomen
et, et quae cum ipfa occidentalis Imperiifinibus com
prehendumtur proxima Liburnia, huic Istria deinde
regio Venetorum ad Ravennam urbemporrecta. At
que
248 XXXIII. Buch. Aelteste
Pannonien, Möia prima, Dacia (vielleicht medi
terranea und ripenfis oder Servien), und ferner west
lich von Italien einen großen Theil von Provence.
Der Rufvon Theodorichs Macht verbreitete sich bis
an die Ostsee, und die Könige der Heruler, Werner,
Thüringer, Etier (in Preußen), Wandalen (in
Afrika), Burgunder, Franken und Westgothen er
richteten mit ihm Bündniffe, die sie zum Theil durch
Vermählungen mit feinen Töchtern, zum Theil aber
durchGeschenke und Dienste,zubefestigen suchten. Er
hatte eine systematische Kenntniß der Staatsklugheit,
und bemühete sich, zwischen den nordlichen und west
lichen deutschen Völkern ein gewisses Gleichgewicht zu
erhalten, nicht blosdurch seine Theilnehmung an ihren
Kriegen, sondern auch durchVorstellungen undUnter
hand
que hi funt maris accolae: fupra quos Sisci et Suabi,
(non illi, qui Francis parent, fed ab is diverfi) in
teriores terrae tra&tus obtinent. Ultra hos Carni fiti
funt Noricique: ad quorum dexteram Dacae et Pan
nones habitant, fuisque in urbibus Singidonum ac Sir
mium numerant ad lfrum fluvium evadentes. Illis
nationibus Gothi trans Ionium finum belli huius initio
inperabant. Daß das hier angeführte Svavienzwi
fchen der Drau, Sau und Donau, nicht aber inKärn
then, wie einige wollen, gelegen hat, erhellet nicht
nur aus dieser Stelle, weil Siscia zwischen Kärnthen
und Svavia gefetzt wird, fondern auch aus einigen
Briefendes Caffiodors; denn Svavien hatte mit Dal
matien, nicht aber mit Istrien oder Liburnien einen
gemeinschaftlichen Herzog (Caffiodori Varia IX. 8).
Vermuthlichwaren diese Svaven vonden alten Quaden
und Markomannen zurückgeblieben, wenigstens fagt
Jornandes, Thiederich habe über alle Markomannen,
Quaden und Sveven geherrscht. Die gothischen Kö
nige theilten ihre Unterthanen in Gothos, f. Barbaros,
und Romanos oder Provinciales (Caffiod.Var. IX. 9.
III. 24.), und ihr Reich in Italiam et Daluatiam (Ib.
VI, 4).
Hungarische Geschichte. 249
handlungen z). Er behielt die deutschen Sitten, und
verbesserte sie durch die griechische Cultur. Ohnge
achtet er weder schreiben noch lesen konnte, so war er
dennoch ein großer Beschützer der Wissenschaften und
Künste. Er bekannte fich zu der arianischen Kirche,
aber dennoch beschützte er die römischkatholische Geist
lichkeit, und begabte sie mit Vorrechten. Sein Hof
warzu Ravenna, und glich anPracht dem griechischen
Hofe. Er behielt die römischen Hof- Staats- und
Regierungsbedienungen, ließ aberfeine Nation durch
Beamte nach deutschem Fuß in Ordnung halten.
In seinen illyrischen oder dalmatischen Provinzen Verfassung im
bestellete er nach römischer Weise Principes,Comites '
sacrarum Largitionum, und Defensores;nachgothischem rien. -

Gebrauche aber Comites, Sajones und Milenarios.


Man findet unterdenvomCaffiodorusaufbehaltenen
Rescripten eines von ihm an Epiphanius, einen Wir
fublimis confularis provinciae Dalmatiae (über die
Confication der Erbschaft einer unbeerbt verstorbenen
Frau V. 24); eine Bestallung des Königs Atha
larichsfür Osum,denWir illustris,Comes Dalmatia
rum atque Svaviae provinciarum (IX. 8); eine
Bestallung eines PrincipisDalmatiarum (VIII. 24);
und eine andere für einen Coloffeus vir illuster, dem
das regimen Pannoniae zu Sirmium anvertrauet
ward (III. 23): aber keine Schrift, die eines Ducis
in Pannonien oder Dalmatien erwähnte a). Der
Q 5 Prin
z) CaffiodoriVar. III.3.
a) Ueber Rätien war ein Dur gefetzet, mit der Befallung
ut milites et inpace regas, et cum eis fines nofiros fo
lenni alacritate circumeas - ita tamen ut milites tibi
commifli vivant cum provincialibusjure civili, aus
welcher erhellet, daß er völlig römischgeblieben war.
Da die Griechen noch einige Gränzfestungen an der
Donau hatten, so war vielleicht der D: (alls
-
250 XXXIII. Buch. Aelteste
Princeps Dalmatiarum war der oberste Civil- und
Criminalrichter und Polizeiauffeherb), den Colosseus
ward als Comes Pannoniä Sirmium, der alte Sitz
der Gothen (wie die Bestallung bemerkt),zum Aufent
halte angewiesen und befohlen, daß er als Defensor
und als Richter für Ruhe und Gerechtigkeit sorgen,
und ohne Rücksicht auf Nation oder Verdienste und
Ehrenstellen deneingeriffenen Misbrauch,feine Strei
tigkeiten durch den Zweikampfzu endigen, abschaffen
follte. Ueberhaupt aber wurden alle Comites ange
wiesen, das Recht in Zwistigkeiten zwischen Gothen
oder Ausländern, nicht aber zwischen Provinzialen,zu
sprechen, außer wenn die Partheyen aus Gothen und
Römernzugleich beständen, in welchem Falle sie aber
einen römischen Juristen zu Rathe ziehen sollten c).
- Die
Pannonien nicht in der Gewalt der Gothen, undTheo
dorich hielt es für überflüffig, einen zweyten Dur zu
ernennen. In Dalmatien ist, weildie Provinz mitten
im Reiche lag, wohl niemals ein Ducatus gewesen.
b) In der angeführten Bestallung findet man folgende
fchwülstige Ausdrücke. Magna inter collegas fua prae
rogativa decoratur quisquisgerit militiam nomine Prin
cipatus.– Hoc etiamtui loci probatur exemplo,fine
quo nec Secretaripraeftatur acceffus nec postulationis
pompa peragitur, totusque illi judicis genius ita tibi
legibus probatur creditus, ut fine te nequeat effe per
fectus. Comiti quidem provinciarum potestas data
et, fed tibi judex ipse commiffus ef. Tu vitam
tenes improbis minantem : tu disciplinam inter
jura custodis: tibi insolentiam perorantis fas est di
fringere, quam praesuli non licet vindicare: gesta
quinetiam totius actus te fubscribente complentur, et
confenfus tuus quaeritur postquam voluntasjudicis ex
plicatur. Vielleicht waren nochSpuren derdrei großen
illyrischen Gerichtshöfevorhanden,diePliniusbemerkt,
und der Princeps hatte in selbigen das Präsidium.
c) CaffiodorusVII.3. Dierömischen Richter heißen hier
Cognitores per provincias. Die gothischen Comites
MP(NPLN
Hungarische Geschichte. 251
Die Defensores mußtenfür die Polizey unddenHandel
forgen, und sich den Unterdrückungen, die dieHebungs
beamten verübten, widersetzen. Allein sie verwalteten
ihr Amt sehr schlecht; denn die Provinciales und Ca
pilati, oderwie sie in einem andern Rescript genannt
werden, die Poffeffores oder Landeigenthümer, klagten
über mancherlei Beschwerungen,zu deren Abhelfung
Theodorich und Athalarich zu verschiedenen Zeiten den
Vir illuster Severianus nach Svavien und in beyde
Dalmatien fandtend). Severianus erhielt den Be
fehl,
waren in Kriegesfachen die ersten Beamten, in Civil
fachen aber fanden sie unter dem Vicarius Principis.
GeistlichePersonen warengewissermaßen den Bischöfen
untergeordnet. Theodorich befahl dem Bischof von
Pola in Istrien, den Eigenthümern gewisse Sachen
zurückgeben zu laffen, die die Homines ecclefiae ihnen
genommen hatten. Würde er das Verfahren der Kir
chenmänner aber für rechtmäßig halten, so sollte er
einen Sachkundigen mit den Akten ad Comitatnun no
frumfenden. Caffiodor. IV. 44.
d) Caffiodor. Var. IX. 8. 9. V. 14. 15. Severianus
war nur ein Commiffarius; denn zugleich mit ihm
ward vom K. Athalarich Osum als Comes nach Dal
matien gesandt. Das erstemal stellte er, noch in Theo
dorichsNamen, die Untersuchung an. Die Ueberschrift
des ersten Referipts-lautet also (Caffiod. p. 173.):
Univerfispoffefforibus in Svavia constitutis Theodori
cus Rex. Hiervon weicht die Ueberschrift der Befal
lung des Fridiladus, qui in re&Morem universis pro
vincialibus Svaviae civitatis praeficitur, IV.49.p. 158,
ab; denn sie heißt: Univerfis provincialibus et capilla
tis defensoribus etcurialibusSvavia confiftentibusTheod.
Rex. Diesem Fridlad wirdaufgegeben, dieAbaetores
animalium zu züchtigen, die Diebstähle zu strafen, die
Todschläge zu hindern, welches nebst dem Ausdrucke:
quietosque vos a feeleratis aufibus reddat, quos nunc
praefumptio iniqua dilacerat. Vivite bonis moribus
inftituti, nullum natio nullum promeritus honor ex
eufet,zeigt, daß die innere Verfaffung in Szlawonien
damals sehr schlecht gewesen seyn müffe.
252 XXXIII. Buch. Aelteste
fehl, die Steuern undKronabgaben, die die Vorge
fetzten den ärmern Landeigenthümern fast allein aufge
leget hatten, auf die Güter nach Maasgabe ihrer
Nutzungen, und aufdie Personen nachBeschaffenheit
ihres Vermögens zu verheilen. Er sollte keinem
verstatten, fich von den Abgaben loszukaufen,und von
den Defensoribus Curialibus und Poffefforibus die
Restanten der letzten achten Auflage nach der neuen
Verheilung heben. Er sollte untersuchen, ob die
Tabulari, die von der kaiserlichen Kammer über
fandten Geschenke für die Kriegesleute richtig ausge
zahlethätten, und die Domesticos desComitisGotho
rum und Vicedominizwingen, das abgepreffete oder
entwandte Gut dem wahren Herrn wieder zu geben.
Endlich sollte er auchden Poffefforibus bekanntmachen,
daß ein römischer Juder auf seiner jährlichen Reise
durch das Land in jedem Municipio nur drei Tage
lang mit Speise und Fütterung versehen werden, und
die JudicesProvinciä, Curiales und Defensores nur
eingeschränktden DienstderPoffefforenzumFortschaffen
der Befehle und landesherrlichen Sachen, oderzuan
derm Behuf,gebrauchen sollten. Wie es scheint,
wurden die Gothen und andere Ausländer damals von
der Besteurungslast befreyet, ohngeachtetfieeinDrit
theil aller Landgüter besaßen; denn Severianus erhielt
den Bescheid, daßdie alten Ausländer oderBarbaren
von den Gütern, die sie mit Römerinnen erheirathet
hätten,allerdings dieSteuer bezahlen müßten. Ver
muthlich genoffen sie diesen Vorzug, weil sie dem
Staate als bestellte Landesvertheidiger mit ihrem
Blute dienten, wenigstens hatten sie andere Vorzüge
in dieser Rücksicht. Denn nur aus ihnen wurden die
vornehmsten Hofbedienten und zwey Gattungen von
Leibwachen, welche Nobilesund Viribellicofigenannt
wurden
-

Hungarische Geschichte. 253


wurden und unserm Adel glichen e), genommen.
Man verheilte sie nicht in Legionen, sondern in Tau
fende, daher ihre vornehmsten Kriegesbeamte Mille
narien hießen. Diese fanden unter den Thiuphaden.
Eine besondere Gattung von Bedienten waren die
Sajones, von welchen mehrere zugleich fich in einer
Stadt oder bei höhern Beamten aufhielten. An diese "
wurden die königlichen Kabinettsbefehle zur geschwinde
fen Vollstreckung gerichtet. Daher findet man in
den Verordnungen des Caffiodorus f), daß sie die
Gothen musterten und ihre Kriegesübungen beurtheil
ten, daß sie Bürgen von ihrer Bürgschaftspflicht ent
ledigten, Seehäfen ausbeferten, und auf die Aus
führung der Landesprodukte. Acht gaben, daß sie ge
richtliche Aussprüche über Viehweiden fälleten, und
confiscirte Güterfür die königliche Kammer in Besitz
nahmen, und überhaupt, daß sie sich in alleGeschäfte
mischten.
Indem morgenländischen oder griechischen Kaiser- lesbrung und
thum regierten zu Theodorichs Zeit zwey s“„“
MOs

e) Der Adel dieser Leute mußte fehr angesehen feyn, und


sich aufgewisse vorzügliche Rechte gründen, weil felbst
abwesende Könige sich unter des Königs Lehnleute be
gaben. Ein ungenannter Königder Hernler ward von
Theodorich durch die Waffen zum Sohn angenommen,
welches, wie aus der norwegischen Alterthumswissen
fchaft erhellet, eine persönliche Lehnspflicht veran
laffte. In dem Patente (Caffiodorus IV. 2.) findet
man diese Beschreibung der Vortbeile der Arrogation.
Damus quidem tibi equos, enfes, cypeos et reliqua in
ftrumenta belorum: fed quaefunt omnimodis fortiora,
largimur tibi nostra Iudicia. Summus enim intergen
tes effe crederis quiTheodoricifententia comprobaris.
Sume itaque arma mihi tibiqueprofutura.
f) Z. E. nach der Genfer Ausgabe von 1650, S. 26,
57, 64, 143, 145, 155, 156 u.f.
254 XXXIII. Buch. Aelteste
Anastasius bis zum Jahr 5 18, und dann Justinus
bis zu Theodorichs Tode. Illyrien litt unter diesen
beiden Monarchen sehr viel, ohngeachtet die Donau
noch immer durch Gränzbesatzungen bewachet ward;
denn aus dem sogenannten großen Scythien, oder
aus den Gegenden am Dneefer, Dneper, Don und
Wolga kamen immer neue, wilde und zahlreiche
Nationen über die Donau,gegen welche die griechischen
Besatzungen zu schwach waren. Eszeigten sich Bull
garen, eineganz unbekannte Völkerschaft, der es nach
einem Jahrhunderte gelang, den größten Theil von
Etwa462. Illyrien an sich zu reißen. Diese Bulgaren waren
durch die Sabiren von dem nordlichen Ufer deskaspi
fchen und Aralsees vertrieben, und hatten sich über die
Wolga nachEuropa gezogen. Wie es schien, gehör
tenfie zu den ugrischen Stämmen, und waren dem
nach näher mit den heutigen Hungarn als mit den
Hunnen verwandt, mit welchen sie öfters verwechselt
- wurden g). Unter dem Kaiser Zeno waren sie schon
3. Ehr.49%.in Dacien gekommen; denn Theodorich trafauf seinem
Zuge nach Italien h), einen König der Vulgaren
- (Bufa)
g) S.Hr.Prof. Thunmanns Untersuchungen überdie
Geschichte der östlichen Völker 1 Th. Leipzig 1774.
S. 31 uf. Agathias nennetdie Bulgaren Burugunder,
fo wie PriscusUrogen. Andere Namen findet man in
Hr. Conrektor Stritters Mem. populor. T. II. P. II. p.
442. Hr. Thunmann bemerkt, daß die Araber die
Bulgarey Borgan und Borgian nennen, welches
MVort mit dem Namen Burugund oder Borgund über
einzustimmen scheint. Der Name Bulgar soll vom
Bulgan- oder Wolgastrom entlehnt feyn, ohnweit wel
chem in der uffinischen Tartarey noch Ruinen einer
Stadt Bulgar vorhanden sind.
h) Historia miscella ap. Muratorium Script. rer. Ital.
T. I. p. 100. Muratori Gesch. von Italien deut
säher Ueberfetz. III Th. S.316.228. Den
- - -
ger:
III
Hungarische Geschichte. 255
(Bufa) inServien an, und schlug ihn aufdasHaupt.
Ein neuer Haufen Bulgaren tödtete den Magister J.Chr.,49.
militiä Julianus in Thracien bei einem nächtlichen
Gefechte. Wieder neue Bulgaren erlegtenden Ductor
militiä Illyrici Aristus am Zurtastrom in Thracien, I, Chr.498.
ließen sich aber durch Geld bewegen zurückzukehren. -

Nachher fielen diese oder andere bulgarische Freybeuter ' 5CI


fast alle Jahr in Thracien ein; und weil die griechi- JO2,

schen Tribunen ihre Art zu fechten nicht verstanden,


und daher geschlagen wurden, so schrieb der Kaiser
ihnen eine große Zauberkraftzu, fuchte fie durch Ge-J.Chr. 507
schenke zu beruhigen, und führte zum Schutz seiner
Hauptstadtdieberühmte thracische Mauer mit großen
Kostenauf. EtwasechsJahr später holteVitalianus,J.Chr.314.
der die Rechtgläubigen gegen den Kaiser und die Eu
tychianer vertheidigte, und auf eine kurze Zeit den
Kaisertitel annahm, Hunnen und Bulgaren durch
Scythien (oder die dobruczische Tartarey), Mösien
und Thracien gegen Konstantinopel, welche Anchialus
und Odyffopoliseroberten, und, nachdem sieGeschenke
erhalten hatten, überdie Donau zurückkehrten ).
Jenseits
Hungarn der Donau
schwärmten zuin Oesterreich,
dieser Mähren
Zeit Heruler und R
herum, " Pans
welche, wie es scheint, erst kürzlich aus Norwegen in
diese Gegenden gekommen waren, und aus mancher
ley
Einfall vom Jahr 493 meldet Marcellini Chron. ap.
Scaligerum Thef Temporum p. 46, verglichen mit
der Hift. micella p. 101, und dem Jahr 498 in Mar
cellini Chron. Man siehet also, daß die griechischen
Schriftsteller (Stritter 1. c.p.495),welche behaupten,
daß man die Bulgaren vor dem Jahre 501 nicht
diesseits der Donau gesehen habe, irren.
i) Theophanesund andereSchriftstellerbeymHr.Stritter
II.p. 497. In Thracien waren zu dieser Zeit noch
Gotben, auch Beffer, alsabgesonderte Nationen, wie
Theophanes bey dem Jahre 504 bemerket. -
256 XXXIII.Buch. Aelteste
ley norwegischen Nationen, wie zum Beispiel den
Granniern, Aganzern, Unirern, Ethelrugern und
Arochirannern bestanden. Ihr Könighieß Rudolf,
und schien durch den Rufvon Theodorichs Thaten aus
Norwegen gelockt zu feyn k). - Wenigstens verfichert
Jornandes, ein fastgleichzeitigerSchriftsteller,Rudolf
fey durch die Dänen feines Landes beraubt, und habe
feine Zuflucht zum König Theodorich genommen.
Diese Heruler unterschieden fich durch viele besondere
Gebräuche von allen sogenannten Barbaren, die man
bisher in Illyrien gesehen hatte 1). Sie waren der
gröbstenAbgötterey ergeben, opfertenden GötzenMen
fchen, verachteten das Leben, und forderten von den
Weibern eine strenge Keuschheit. Wenn sie durch
Krankheit oder Alter Unbequemlichkeiten verspürten,
somußten sie ihre Verwandten um die Wohlthat hin
gerichtet zu werden bitten, und diese schafften Holz
und

k) Jornandes c.3. Mafiov Anm. S. 45. Jener


fagt, die Heruler wären von den Dänen vertrieben,
woraus zu erhellen scheint, daß sie in Schonen, Hal
land und Wigen gewohnt haben. An diese Lander
gränzen bekanntlich die Gauten oder Gothen, welche
nach ihrer Rückkunft in ihr Vaterland ihnen einige
Landschaften überließen. Die Namen der Grannier,
Aganzier u.f. w. hat Herr Justizrath Schönning in
feiner Torges Riges Historie 1 Th. S. 155erläutert.
Ob diese Heruler zu denen gehört haben, welche fchon
im Jahr 267 in Polen anfäffig waren, bis nach Niffa
in Servien streiften, und nachher den Ostgothen am
fchwarzen Meere zinsbar wurden, oder ein ganz ande
res Volk gewesen sind, läßt sich nicht bestimmen. Unter
dem römischen Heere in Italien waren fchon lange He
ruler gewesen, und von allen jetzt genannten Herulern
fcheinen noch andere verschieden zu feyn, deren König
Gröthesim Jahr 527zuKonstantinopel getauft ward,
undgegen die Perfer fochte. Euagrius IV. c. 19.
1) Procopius de bello Goth. L. II. c. 14. edit.Murat.T. L.
P. 280.
Hungarische Geschichte. 257
und Speise zu der Beerdigungsfeierlichkeit auf ihre
Kosten an. Man erbauete einengroßenScheiterhau
fen, brachte den Entkräfteten hinauf, und ließ ihn
durch einen gedungenen Heruler erstechen. Dann
ward der Scheiterhaufen angezündet, unddie Ehegat
tin mußte sich erhängen, wenn sie sich nicht derRache
derErben ihres Mannes aussetzen wollte; denn das
Ueberleben des Weibes ward für eine Beschimpfung
des Mannes gehalten. Die rudolfinischen Heruler
setzten sich neben den Kongobarden, und machten sichZwischen 439
diese und einige andere Nationen zinsbar. Allein die "949
Thronbesteigungdes Kaisers Anastasius hinderte den
Fortgang ihrer Eroberungen auf eine jetzt unbekannte
Weise, und ihr König Rudolf legte daher die Waffen
nieder. Die Ruhe, diedarauferfolgete, ward ihnen
bald unerträglich, und nach drei Jahren erregten sie
einen Aufstand, nahmen ihren König zwischen sich,
und behandelten ihn nicht nur mit Schimpfwörtern,
sondern auch mit Maulschellen sehr übel, um,wie sie
fagten, eine weibische Furchtsamkeit zu vertreiben.
Rudolf, der nun aufFeindseligkeiten denken mußte,
fand kein Volk, dem seine schwache Nation etwa ge
wachsen feyn möchte, außer den Kongobarden. Daher
fieng er an, fich gegen diese zu rüsten. Die Kongo
barden suchten demKriege auszuweichen, und verlang
ten die Ursachen des herulischen Unwillenszu wissen.
Allein sie konnten keine andere Erklärungvon den He
rulern erhalten, als diese, man wolle fich schlagen. J. Chr., 49.
Siegiengen daher den Herulern entgegen, und veran
lafften unterihnenein solchesBlutbad, daßder König -

mit dem größesten Theil der Nation aufdem Plaße


blieb, und nur wenige entrannen. Diese Schlacht
ward aufeiner großen Ebene (Feld) geliefert, welche,
wie man glaubt, das Marchfeld in Niederösterreich Y

ander hungarischen Gränze gewesen ist. Die überge


AllgemYeltgXV.B.lAbh. R blis
258 XXXIII. Buch. Aelteste
bliebenen Personen des königlichen Stammes und die
Vornehmstender Nationbeschloffen,mitihremAnhange
in ihr Vaterland zurückzukehren,durch irreten dasLand
der Sclaviner in Mähren und Polen, danngroße
Wüsteneyen, und endlichdas Land derWarner (Mek
lenburg) und Dänen, schifften über das Meer und
kamen nach Thule (Tillemarken oder Norwegen), wo
die Gothen ihnen Wohnungen einräumten. Die übri
gen Heruler schwärmten an der Donau umher,fetzten
sich in einen Theil des öden rugischen Landes, und ba
ten die Gepiden, da sie der Hunger beugsam machte,
um Wohnungen und Unterhalt. Beides ward ihnen
gegeben. Allein sobald sie nur ihre Kräfte wieder er
langet hatten, fiengen fie an, ihre Wohlthäterzu be
rauben, und ihre Töchterzu entehren. Die Gepiden
fuchten fie an bessere Sitten zu gewöhnen; allein fie
ergriffen die Waffen, lagen unter, und wurden über
J. Chr., 5.12. die Donau getrieben. Hier nahm sie der KaiserAna
stasiuszwar auf, aber weil sie unter den Griechen sich
eben so schlecht betrugen, als unter den Gepiden, so
entstanden neue Zwistigkeiten, und der größeste Theil
von ihnen ward in einer Schlacht getödtet. Einige
nahmen zu der Gnade des Siegers ihreZuflucht, ver
sprachen als Bundesgenoffenim kaiserlichenHeere treu
zu dienen, undbekamen Aecker in Dalmatien oder viel
mehr Servien, ohnweit Singidon. Man hoffte,
daß diese durch die öftere Bestrafungihrer Ausschwei
fungen gesitteterund behutsamerwerdenwürden; allein
man fand, daß es ihnen ganz unmöglich fey, ihre
Wildheit abzulegen. Denn fie, weigerten sich zu dies
nen, ergaben sich der widernatürlichen Unzucht, und
raubten in Thracien und Illyrien m). Der Kaiser
- - - - - Justiz
- -

m),benheiten
Procopius III. 33. Die Zeitrechnung dieser Bege
läßt sich nicht wohl bestimmen. die
- - - - -- -- - - - -- -- - - EU:2
-

-
-
Hungarische Geschichte. 259
Justinianus gebrauchte die Schärfe, befestigte den
Ort Singdon, den die Gepidengeschleift hatten, um
fie zuzähmen, undzwangfiel zum Kriegsdienst. Sie
nahmen daraufdie christliche Religion an; allein fie
blieben dennoch ihren Lastern getreu. Ihr König
Ochon oder Hakon hatte eine sehr eingeschränkte Ge
walt, und schien sein Amt nur darum zu besitzen, da
mit ein jeder freyer Heruler nach Gefallen bei ihm
effen und feinen Witz oder Unwillen über Regierungs
geschäfte durch Vorwürfe und Grobheiten an ihm aus
laffen könnte. Weil sie fanden, daß die königliche
Würde bei dieserBeschaffenheit unter ihnenüberflüßig"
fey, so kamen sie aufden Einfall, ihren König tod zu
schlagen, und eine aristokratische Verfassung unter sich
einzuführen. Dieser wurden sie auch überdrüßig.
Daher beschloffen fiel wieder einen König zu wählen,
und sandten Leute nach Norwegen, welche ihnen unter
denPrinzen ihres ehemaligen regierenden Hauses einen
neuen König aussuchen sollten. … Diese Abgeordneten
vollführten den Auftrag, verloren den König auf dem
- - - - R 2 Wege
Heruler beym Anfang der RegierungK.Anastasi ruhig
geworden sind, und dreyJahr nachher die unglückliche - - - -- -
Schlacht gewaget haben, fo muß diese etwa 495ge
liefert feyn. Hr. v. Suhm fetzt (a. O. S.439) das
Jahr 512, in welchem Anastafius die Heruler auf
nahm (Marcellinus h, ann.), und vermuthet, daß sie
diejenigen Heruler sind, welche neben den Warnern
und Thüringern ein mächtiges Reich beherrschten, und
im Jahr 506 vom italienischen Könige Theodorich eis
nen Brief erhielten. Ist dieses gewiß, fomuß Pro
copius sich geirret haben, und die Schlacht muß nach
506 vorgefallen feyn. Ich bin noch nicht überzeugt,
daß die rudolfinischen Herulerjene Nachbarn der War
uer sind, und habe daher die Zahlen des Procopius
und Marcellinus Comes behalten, welches auch Mus
ratori in den Scriptor. R.kal.T.I. p.416, nota 144
- gethan hat.
260 XXXIII. Buch. Aelteste
Wege an einerKrankheit, und kehrten zurück, um
einen neuen herulischen Monarchen zuholen. Ihre
lange Abwesenheit veranlaffte einige Heruler, fich
nach Konstantinopel zu wenden, und den Kaiser Ju
finianus um einen Anführer zu bitten. Der Kaiser
fandte ihnen einen alten und getreuen Kriegsbedienten
aus ihrer Nation Suartuas,welchen fiel mit Freuden
annahmen. Bald hernach erhielten fieldie Nachricht,
daß ihre norwegischen Abgeordneten sichmit dem zwey
ten König Todafius mit einer Begleitung von zwey
hundert vornehmen herulischen Jünglingen ihrem Lande
näherten. Suartuas beschloß diesen Nebenbuhler
außerhalb seinem Gebiete anzugreifen, und führte ihm
feine Heruler entgegen. Allein diese äußerst wankel
müchigen Leute giengen zu dem Todas über, und
Suartuas mußte nach Konstantinopel zurückkehren.
Der Kaiser wollte seinen König mit einem römischen
Heere unterstützen. Allein dieHeruler, welchen dieses
verkundschaftet ward, begaben sich, um der Gefahr
auszuweichen, unter die Gepiden. Suartuas erhielt
anstatt der Krone das Amt einesMagister militum in
Präsenti, und die Heruler wurden bei einer andern
Gelegenheit von dem Kaisergezüchtiger. - -

3. Chr. er. Der KaiserJustinianus, welcher dem Justinus,


„är ' feinem väterlichen Oheim, aufdem Kaiserthrongefolgt
die Regierung war, stammete austhracisch-deutschem Geblüte, und
war ein Dacier von Geburt. Sein Oheim hatte sich
aus dem niedrigstenKriegsdienste durchTapferkeit und
Klugheit emporgebracht, und erhielt das Kaiserthum
nach des Anastasius Tode durch die Macht der Leib
wache, deren Führer er war. Sein Vater Ifocus
(Stock), oder griechisch Sabatius, wohnte zu
Achrida (Ochsenried) oder Taurefia in der Unterpro
vinz Bederina. Er selbst erhielt bey der Taufe den
Namen Uprauda, und durch die Arrogation feines
Oheims
-
Hungarische Geschichte. 26
Oheims den Namen Justinianus n). Er herrschte
fo glücklich, daßunter ihm die alte Würde des römi
fchen Reichs wieder aufzuleben schien, und vereinigte
mit seinem Throne fast alle Staaten, die feinen Vor
fahren seit Constantinus des Großen Zeit entriffen
NVONTEN.

Kurz vor dem Antritte seiner Regierung starb“


Theodorich, dergroßeMonarch der Ostgothen und serlicher Krieg
Römer, und ihm folgte Achalarich sein zehnjähriger
Tochterföhn, welcher nach acht Jahren als ein Jüng
lingverschied. Amalasvinth, die Mutter diesesPrin
zen,tratin seinenPlatz, und nahmeinen ihrer Vettern
Theodehatzum Mitregenten an, der sie gefangen neh
men und erdroffeln ließ. Diese Bosheit diente dem
Justinianus zum Vorwande, das oftgothische Reich
anzufallen. Denn er hatte beschloffen, alle Arianer
zu unterdrücken, welches nicht vor der Vertilgungder
arianischen deutschen Monarchen und vorzüglich der
Ostgothen geschehen konnte, und hoffte die Ostgothen
durch den unüberwindlichen Belisarius bezwingen zu
können. Belisarius war damals Magister militiä
Orientis, und ein Landsmann des Kaisers; denn er
- R3 war

n) De LudewigVita Iustiniani M. atque Theodorae Au


guforum p. 125. Procopius fagt im Werke de Aedi
ficiis Iustiniani Oratione IV. daß Taurefium zu der
Provinz Dardaniengehöre, woraus, so wie ausandern
Gründen, die Wesseling in den Anmerkungen zum
Synecdemus Hieroclis S.653 angeführet hat, er
heller, daß es nicht, wie mangemeiniglich glaubt, bey .
Lychnidus, fondern in der Gegend von Niffa gelegen -
hat. Die Ueberschrift der eiften Novelle giebt Panno
nia fecunda zu der Provinz von Taurefium oder Justi
niana prima an, allein durch einen Misverstand; denn
die Novelle felbst redet von Dacia mediterranea, wel
ches wieder auf Niffa zutrifft, in dessen Nachbarschaft
noch ein unbedeutender OrtJustiniana oderGiustandil
vorhanden ist.
262 XXXIII. Buch. Aelteste
warzu Germana im mittlern Dacien, in der Gegend
von Niffa geboren. Sein Muth vereinigte sich mit
Erfahrung und Scharfsinn, und er schien gleichsam
zu der Ueberwältigungderzuvorunbezwinglichen Deut
fchen bestimmet zu sein, weil diese ihm gerade zu den
bequemsten Zeiten Gelegenheit gaben, sich mit ihnen
I er. 3. einzulaffen, und dann stets unterlagen. Erfandte
den illyrischen Magister militum Mundus, der aus
dem gothischen in den kaiserlichen Dienst getreten war,
bey dem Anfange desgothischen Feldzugs vor sich auch
Justinian er
halt Dalma nach Dalmatien, und erhielt durch selbigen die Stadt
tien. Salona. Theodehat bat um Frieden, und erbot sich,
des Kaisers Lehnshoheit zu erkennen. Allein weil es
feinen Leuten gelang, Salona wieder zu erobern, so
nahm er sein Versprechen zurück. DieHoffnung,die
er nun bekam, verschwand sehr bald; denn noch vor
AblaufdesJahrs bekamen dieKaiserlichen Dalmatien
nebst Salona abermals in ihre Gewalt, und setzten
sich auch in Liburnien fest o). Der Kaiser hrachte
inzwischen ein Bündniß mit den Königen derFranken
Childebert, Chlothar und Theodebert zu Stande,
welche, nicht nur weil sie mit Justinianus zu einer
Kirche gehörten, und die Verfolgung der abweichen
denGlaubensgenoffen fürPflicht hielten, sondern auch
um den Tod der Königin Amalafvinth ihrer nahen
Verwandtin zu rächen, und die vom Kaiser angebo
tenen Hülfsgelder zubekommen, sich leicht zum Kriege
gegen die Gochen überreden ließen. Diese Fürsten
fielen zuerst in Provence, bald aber auch in Rhätien,
J. Chr. 536. Vindelicien und Noricum, und erlangten, wie es
scheint, auch etwas von Pannonienp), welches ihnen
- N

> er 11er.
Gesch. der Deutschen XII B. S. 93 und
p) Die Gepiden warfen dem Kaiser im Jahr 549 vor,
daß er den Franken, Herulern und Longobarden viele
\ Städte
-

Hungarische Geschichte, 26;


im folgenden Jahre von dem ostgothischen Könige
Witiges feierlich abgetreten ward. Witiges,welcher
gegen den Theodehat in Italien gewählet war, und
den Theodehatgetödtet hatte, schmeichelte sich mit der
Hoffnung, den Kaiser zum Frieden zu bewegen, eine
mal, weil er ehedem mit ihm in persönlicher Freund
fchaft gelebt hatte, und ferner weil Theodehats Er
mordungden Vorwurfder ungeahndeten Erwürgung
der Königin hinwegräumte. Allein der Kaiser sahe
nur aufdieVertilgung der Arianer und aufdie Ver
größerung feines Reichs, und wies den Antrag der
Gothen ab. Sein Feldherr Belisarius eroberte am
Schluffe des Jahrs Rom. Witiges bemühete sich,
Dalmatien, Svavien und die umliegendenProvinzen
wiederzu erlangen, konnte aber diese Länder nicht be
R4 haupten.
Städte und Landschaften abgetreten habe (Procop.
de bello Goth. III. 34); und da die Franken den Go
then Noricum abnahmen, ehe es der Kaiser befeffen
hatte, fo muß sich dieses wohlaufpannonische Gränz
örter beziehen. In dem Briefe des fränkischenKönigs
Theodebert an den Justinianus (ap. du Chefine Script.
rer. Francic.T.I. p. 862) ist folgende Stelle, die
diese Meinung zu bestätigen scheint. – Deoque pro
pitio Wifigothis qui incolebant Franciae feptentriona
lem plagam, Pannoniam cum Saxonibus Eucis quife
nobis voluntatepropria tradiderunt, per Danubium et
limitem Pannoniae usque in Oceanilittoribus – do
minatio nostra porrigitur." Die Saxones Euci, die
nirgends außer in dieser Stellegefunden werden, wer
den von den Gelehrten für Bewohner eines angeblichen
westphälischen pagi Aetia gehalten. (S. Herr Hofr.
Böhme Abhandlung de Saxonibuseuciis.) Allein da
sie in einer Verbindung mit Pannonien stehen, so find
fie vielleicht ein unbekannter Stamm folcher Sachsen,
welche mit ihren Nachbarn den Longobarden an die
Donau gekommen waren, und sich am Kahlenberge
niedergelassen hatten. In diesem Falle müßte in der
Urschrift Saxones cetigestanden haben. -
264 XXXIII. Buch. Aelteste
J. Chr. 539. haupten. Er fuchtezugleicher Zeit bey dem persischen
Könige Cofroes, und beydem longobardischenKönige
Waches Hülfe, und bewegte jenen zum Angriffder
östlichsten Gränzen des Kaiserthums. Aber dieser
weisen Veranstaltung ohngeachtet, ließ er sich durch
eine List hintergehen, und vertrauete sich dem Belia
J. Chr. 540. rius an, der ihn als einen Gefangenen dem Kaiser
überbrachte. Man glaubte nunmehr die Gothen be
zwungen zu haben. Allein die Mächtigern, welche
Belisarius durch das Vorgeben, er wolle sich gegen
den Kaiser empören und sich dannzum abendländischen
Kaiser aufwerfen, hintergangen hatte, glaubten, daß
ihr Vergleich ungültigfey, und wählten einenPrin
zenIldebaldzum König. Dieser erneuerteden Krieg,
kam aber sogleich durch die Hände seiner Bedienten
um. Ihm folgte Erarich, den die Rugier erwählt
hatten, und ein Gothe aus Nationalstolz meuchelmör
derisch enthauptete. Darauftrat Totilas, und nach
deffen Tode Teja als König auf; und unter dem letz
tern ward endlich die gothische Regierung nach einem
-
zwanzigjährigen Kriege völlig vernichtet.
Neue Verfas. Die Befiegung der Gothen gab dem Kaiser eine
fung entin Illy
rien. größere Freiheit in Betracht der illyrischen Länder,und
er sorgteaufdie angelegentlichsteWeise für ihreSicher
heit und ihren Wohlstand. Er erneuerte die vom
Attila zerstörten Thürme und Schanzen an der Do
nau, und verwandelte sie in größere Festungen q).
Vorzüglich aber befestigte er in Dacien oder Servien
Viminiacum r), Zanes und ad Pontes,zwey Festun
gen bey den Bruchstücken der zajanischen Brücke; in
Bull

q) Procopius de Aedificiis Iustiniani, Oratio IV.


r) Viminiacum hatte Justinianus nebst den beyden Fe
fungen jenseits der Donau, Recidua und Litterata
kurz vor 535, wie es scheint, den Gothen abgewon
nen, Novella XI.
Hungarische Geschichte. 265
Bulgarien, Burgus, Securita, Arr Quintorum,
Transmarica und Daphne, letzteres jenseits der Do
nau; und endlichinKleinfeythien,S. Cyrillus, Ibeda,
Ullmiton und Aegiffus. Im Lande erbauete er die
Mauren um Sardica, Naiffupolis,Germana,Pau
talia undPalmatis in Mösien. Ohnweit Securica
legte er eine neue Stadt an, die er zum Andenken
seinerGemahlinundMitregentin Theodoropolisnannte.
Die verwüstete Stadt Ulpianum, jetzt Prisrendi in
Servien am weißen Drilo vergrößerte er, und nahe
dabey führte er eine neue Stadt auf, der er den Na
men Justinopoliszur Ehre seines Oheims, so wie
Ulpiano dieBenennung Justinianafecunda gab. Vor
züglich aber wandte er sein Augenmerk auffeinen Ge
burtsort Achrida; denndiesen schloß er in eine Mauer
mitvier Thürmen unter dem neuen Namen Quadri
kurrita ein, und hart daranführte er eine Menge von
Palästen, Bädern, öffentlichenGebäuden und Kir
chen auf, aus welchen endlich Justiniana prima die
Hauptstadt des ganzen Illyriens entstand. In diese
Hauptstadt verlegte er den Sitz des Präfectus Prä
torio Illyrici, und des neuen Erzbischofs und Auf
fehers aller bischöflichen und andern Kirchen der Pro
vinzen Dacia mediterranea und ripenfis, Tribalia,
Dardania, Mölia fecunda, Prävalis, Macedonia
salutaris, und des Theils vom zweiten Pannonien,der J. Chr. 535.
zu der Stadt Baca oder Bacs jenseits der Donau
gehörte s). Er stiftete auch für diese Diöces ein neues
R 5 Bi

s) Novella XI data Conf. Belisario. Der jetzige Erzbi


schofder Bulgaren, der zu Chiprovaz feinen Sitz hat,
halt sich für den Nachfolger der Erzbischöfe zu Justi
niana, und führt den Titel: Archiepiscopuset patriar
cha Iustinianae primae et Achreidon, Bulgariae, Ser
viae, Albaniae, Macedoniae, Moldaviae “ NEP
265 XXXIII.Buch. Aelteste
Bischofthum zu Aquis in Dacia ripenfi, welche Pro
vinz zuvor unter dem Bischofdes mittlern Thraciens
gehört hatte. Der erste Erzbischof und Metropolit
- von Justiniana hieß Catellianus, und seine Gewalt
ward nachher der Macht des damaligen römischen
Erzbischofs gleich gemacht, dem er aber so wenig als
dem konstantinopolitanischen Patriarchenuntergeordnet
ward t). Das erste Pannonien nebst Savien und
Valerien schien zum Erzbischofthum Lorch zu gehören,
und Dalmatien hatte seinen besondern Erzbischof
Die Geviden. Ohngeachtet jene Gränzfestungen die Donau fast
: sich überall einschloffen, so thaten sie dennoch ihrer Be
- fimmung nicht völlig Genüge. Denn es gelangden
Bulgaren, Hunnen, Sclavinen, Anten und andern
nordlichen Völkern sehr oft, in Illyrien zu streifen.
Einigermaßen rührte dieser Unfall von den Gepiden in
Oberhungarn und Siebenbürgen her; denn derKaiser
unterließ nach der Bezwingung desgothischen Panno.
niens die gepidische Gränze gehörig zu besetzen, und
daher war Illyrien von der pannonischen Seite her
offen. Die Gepiden bedienten sich dieser Blöße, um
ihre Ansprüche aufSirmium, welches ihnen die Go
then entrissen hatten, zu erneuern, und verheerten mit
einer Wut, die man von ihnen als arianischen Chri
- ften nicht erwartethatte, alle benachbarte pannonische
- und mösische Gegenden. Der Kaiser entzog ihnen zu
einer Strafe die Hülfsgelder, die sie bisher genoffen
hatten, und nahm eine christliche ausländische Nation,
nämlich die Longobarden, in Pannonien und in die
- römi

Einer dieser Erzbischöfe hat 1736 einen erdichteten


Stiftungs- und Wappenbrief, den K.Justinian seinem
Erzstifte im Jahr 530 ertheitet haben soll, abdrucken
laffen. S. Hr. Pray Disl. hist. Criticals in Ann. Vet.
Hunnorum p. 86. ".

k) Novell. 131.
Hungarische Geschichte. 267
römischen Donaufestungen auf. Die Gepidenwurden
dadurch sehr eingeschränkt; denn sie hatten bishernicht
nur das alte Dacien und den brauchbaren Theil von
Rugiland, sondern, wie es scheint, auch vieles in
Noricum und Pannonien beseffen. Wenigstens findet
man, daß der Erzbischofvon Lorch und die fieben ihm
untergeordneten Bischöfe unter ihrer Hoheit gestanden
haben u).
Die Longobarden,von welchen bereits Erwäh- "
nunggeschehen ist, fammeten aus dem Herzogthum
Lüneburg, der Mark Brandenburg und den benach
barten magdeburgischen Gegenden her v). Ihre
Vor

u) masov Gesch.der Deutsch.XIIIB.S. 134. Die


Gepiden oder Gepäden waren Arianer. Ihr Land
scheint das heutige Hungarn, Oesterreich und Mähren --

begriffen zu haben.
v) Der älteste Geschichtschreiber der Longobarden, Paulus
VOarnefridi, fchrieb im achten oder neunten Jahr
hunderte, und mußte feine älteste Geschichte aus Ueber
lieferungen und Liedern nehmen. Daher ist diese voll
von Fehlern und Mährchen. Er erzählet, daß feine
Nation ausScanziadurchGotland, Anthaib,Bathaib,
und Burgondaib nach Rugiland gezogen fey, undman
weiß nicht, ob Gotland, Preußen oder Moldau, An
thaib das Land der Anten in der Moldau, oder ein
ganz unbekanntes Reich, und Burgondheim das bur
gundische Reich im fränkisch-bayerischen Kreise, oder
ein Land der Worogunder oder Bulgaren ohnweit des
fchwarzen Meeres fey. Daß die Longobarden nur
zwischen der Elbe und Ems gewohnt haben, bezeugt
Tacitus, Strabo und Ptolemäus. (Macov VBuch -

$. 14. n.7. Grupen deprimis Francorum fedlbus ori


- ginarisp.219 u.f.) Ander Elbe war auchihrHaupt
land oder der Bardengau, der dasFürstenthum Lüner
burg und die alte Mark begriff. Die Wörter, die man
in den longobardisch-italienischen Gesetzen in Muratori
Script. rer, Ital.T.I. findet, find plattdeutsch, #
R0)
-
263 XXXIII. Buch. Aelteste
Vorfahren, die schon im ersten Jahrhunderte an der
Elbewohnten,hatten sich unter dem Könige Marobod
in Böhmen, und unter dem cheruftischen Regenten
Arminius in Westphalen hervorgethan. Im Jahr
169 waren einige von ihnen schon über die Donau ge
kommen. Allein der Hauptstamm, der jetzt in Pan
monien erschien, hatte sein Vaterland erst am Ende
des dritten Jahrhundertsverlaffen, und sich lange in
den Wüsteneyen und Wäldern zwischen der Elbe,
Weichsel und Donau aufgehalten. Nach dem Tode
ihrer beiden Heerführer wählten fiel fich einen König
(Agilmund) aus dem edeln Geschlechte der Gungin
corum, welcher nach einer drei und dreißigjährigen
Regierung von den Bulgaren erschlagen ward. Unter
ihremfünften Könige Gedehok ereignete sich der Un
J. Chr. 488. tergang des rugischen Reichs, und sie nahmen den
gebirgigen Theil dieses nun öde gewordenen Landes,
welcheszwischen Gran und Linz in Hungarn, Oester
- reich
noch in derlüneburgischen Landsprache anzutreffen. Am
Bardengau gränzten die Sachfen, und diese werden
von Paulus L. II. c. 6. als alte Nachbarn der Longo
barden erkannt. Auch forderten die italienischen Lon
gobarden gewisse Sachsen, die im anhältischen und
halberstädtischenFürstenthume wohnten, 567 als ihre
alten Landsleute und Gränznachbarn zu fich. Alles
dieses erweitet, daß die Longobarden nicht aus Scan
zia oder Dänemark und Norwegen hierher gekommen
feyn können. Das Land Maurimgania, in welchem
die Longobarden vor ihrem Eintritt in Gotland sich
aufgehalten haben sollen, war die Wüste innerhalb der
'' Elbe, Weichsel und pannonischen Gränze.
Anon. Ravennas L. IV. c. 18. Wahrscheinlich zogen
fie von Magdeburg an der Elbe hinauf in Mähren und
Oberhungarn, und die Anten, zu welchen fie kamen,
waren diejenigen Slaven, die die Heruler auf ihrer
Fluchtdurch ihr Land geleiteten, und der Lage nach
in Mahren oder Polen gewohnt haben müffen.
Hungarische Geschichte. 269
reich undMähren gelegen zu haben scheint, in Besitz.
Ohngeachtet selbiges sehrfruchtbar war, so verließen
fie es dennoch nach einigen Jahren, und begaben sich
in dasFeld oder dieEbenen, die näher an der Donau
und an der March in Niederösterreich lagen, undjetzt
das Marchfeld heißen. In diesem Lande waren sie
drey Jahr den Herulern schatzpflichtig. Allein der
Sieg ihres Königs Tato über den herulischen König
Rudolfbefreyetefie von dieser Dienstbarkeit, und ver-J.Chr.49
schaffte ihnen ein größeres Gebiet. In diesem beka
men fiel die Gepiden zu Nachbarn, mit welchen fie
fehr bald zerfielen. Die Veranlassung zu diesem
Zwiste war diese x). Nach des Königs Tato Tode
verdrängte Wacho, ein Edler aus dem lichingischen
Geschlechte, den Kronprinzen Rifiulf vom Throne,
und veranstaltete, wie es scheint,daß die Warner(im
Herzogthum Meklenburg), zu welchen er geflohen
war, ihn tödteten. Rifiulfhinterließ einen Sohn
Ildegial, der bey den Sclavinen Schußfuchte, und
da er von diesen nicht zureichend unterstützt ward,fich
zu den Gepiden begab. Dem König Wacho folgte
sein Sohn Walthari, und diesem nach sieben Jahren J.Chr. 39
Audoiny). Der Kaiser, derzudieser Zeit von den
arianischen Gepiden beleidiget ward, und von den
katholischen Longobarden einen treuen Dienst erwartete,
nahm
x) Procopius de bello Goth. L. III. c.35. Mafov a.
O.XIII. S. 135. und Anmerk. S. 147.
y) Wacho lebte noch im Jahr 539, und war ein foge
treuer Bundesgenoffe des Kaisers, daß er allen gothis
fchen Reizungen zum Einbruch in Illyrien widerstand.
Procop. B. Goth II.22. III. 33. Audoin herrschte
548. Zwischen diesen Jahren fallen die sieben Regie
rungsjahre des Waltber. Paulns fetzt also irrig
dasJahr 527 für die Zeit, in welcher Pannonien den
Longobarden zugefallen ist.
270 XXXIII.Buch. Aelteste -
nahm die Kongobarden in Pannonien auf, gab ihnen
außer beträchtlichen Geldsummen die Stadt Nori
cumz), und einige andere feste Plätze im Lande und
J.Chr. 543.an der Donau, und vermählte ihren König mit der
Tochter des thüringischen Königs. Die Longobarden
verließen ihr Landjenseitsder Donau, und setzten sich
in Pannonienfest. Allein fiel ahmten dem Beyspiele
der ehemaligen Besitzer dieses Landesnach,und raubten
Menschen, Vieh und Kostbarkeiten aus Illyrien und
Dalmatien, so weitesden Gochen gehöret hatte. Sie
unterstanden sich sogar, die, die ihnen entronnen wa
ren, im griechischen Gebiete aufzusuchen, und solche,
weil sie als römische Bundesgenoffen des römischen
Rechtstheilhaftigwaren, gleich entlaufenen Knechten
gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Dieses duldete
der Kaiser, entwederweil die unglücklichen Dalmatier
den Gothen und der arianischen Kirche geneigt waren,
oder auch ausFurcht vor dem KönigderFranken Theo
debert, welcher sich bemühete, die Gepiden und Kon
gobarden gegen ihn in die Waffen zu bringen a).
Gepidisch lon Wie es scheint, hatte der Kaiser Sirmium, die
gobqrdischer
Krieg. - ehemalige Hauptstadt des ganzen Illyriens am Ein
fluffe des Boffut in die Sau, den Kongobarden zum
Aufenthalte angewiesen, und die Gepiden wurden da
heraus selbiger und einigen Oertern in Dacien durch
die Longobarden vertrieben. Diese Feindseligkeit und
der Schutz, den der longobardische Thronerbe 3:
z) Procopius III. c.38. Die Lage der Stadt Noricum
läßt sich nicht genau bestimmen. Vielleicht war diese
Stadt nicht weit vom Ursprunge der Drau. Wacho
hatte die Sveven, die ihn jenseits der Donau (ver
muthlich in der Oberpfalz) angriffen, geschlagen.
Vielleicht sollte diese Stadt ihm zu einer Granzfestung
… gegen diese Nation dienen.
a) Agathias Lib. I. c. 5.
--

Hungarische Geschichte zu
sal bey den Gepiden fand, veranlasfete stete Befeh
dungen und Kriege. Unter diesen starb der gepidische
König Elemund. Thorismund, sein Nachfolger,
brachte den Kongobarden eine so große Niederlage bey,
daß sie den Kaiser um Beyfand anriefen. Eben
diesesthaten die Gepiden, welche sichzugleich erboten,
der kaiserlichen Entscheidung ihres Zwistes zu gehor
chen. Die letztern fanden keineFreunde am Hofe,
und mußten daher entweichen. Den Longobarden sandte
der Kaiser zehntausend Reuter und 1 500 Heruler,
letztere unter der Anführung eines gewissen Philemuth.
Diese hatten den geheimen Auftrag, die dreytaufend
Heruler, die denKönig Suartuas verlaffen und sich
zu den Gepiden begeben hatten, zu strafen; und fie
thaten dieses mit solchem Nachdruck, daß ein großer
Theil nebst Aord, dem Bruder desherulischenKönigs
aufdem Platze blieben b). Als das gepidische und
longobardische Heer aufeinanderfließen, überfiel beide
eine solche Furcht, daß sie vor dem Anfange desGe
fechtes flohen, und ihre Könige verließen. Diese
sahen sich dadurch gezwungen, einen Stillstand von
zwei Jahren zu errichten, welchen sie gebrauchten, um
bey den benachbarten Völkern um Hülfe zu werben.
Die Gepiden fanden noch in einer alten Freundschaft
mit den Hunnen und Szlaven oder Slaven, und J. Chr. 549
dungen aus beiden Nationen eine beträchtliche Macht
zu ihrer Unterstützung.

Die Slaven oderSclavinen gehörten nebst dem 'n'


Volke der Anten zu der ältern bekannten Völkerschaft
der Wenden, die schon im ersten Jahrhunderteneben
den Fennen und Sarmaten, innerhalb dem Ausfluffe
der Donauund der Ostsee,in gebirgigenGegenden und
- Wäl

b) Procopius u. 34.
272 XXXIII.Buch. Aelteste
Wäldern fichaufgehalten hättec). Esdauerte lange,
ehe diese Wenden sich in eine solche Gesellschaft verei
nigten, die das Ansehen eines Volks hat; und daher
kommt es wohl, daß sie erst so spät fich an dem Ufer
der Donauzeigten, wohin doch seit wenigstens fünf
Jahrhunderten alle neben ihnen wohnende Nationen
gleichsam wie im Sturmegeeilet waren. Ihre älteste
Beschäftigung bestand darin, daß sie zu Fuß dem
Wilde nachliefen, und in Hütten ihren Fanggeruhig
genoffen. Ptolemäus, der Geograph deszweiten
Jahrhunderts fand sie nicht weit vom Ausfluffe der
Weichsel in Preußen zwischen der Ostsee und Ruff,
und neben ihnen in Schalauen die Stavanen oder
Slavanen; und es ist nicht unwahrscheinlich,daßdiese
Stavanen die vorgedachten Slavinenfind, und daß
-- die

c) Tacitus de Mor.Germ. c. 45. Ich habe oben bemerkt,


daß nach der Entdeckung des Herrn Prof. Büttner
zu Göttingen die fkolotischen oder feythischen Wörter
sich in der flavonischen Sprache finden (Gutbrie und
Gray YOeltgefäh. IIIB. S. 1041), und daß die Wen
den wohl von dem im 341 Jahr vor Christi Gebnrt
zerstörten fkolotischen Reiche zurückgeblieben feyn kön
nen. Cromerus bemühete sich im 1. Buch 12 Cap.
feiner Orig. et rer. gest. Polon. zu erweisen, daß fie
Sarmaten gewesen find. Allein Tacitus und Plinius
die dieser Meinung nicht abgeneigt waren, erklarten
fie doch endlich für keine Sarmater, weil sie weder
die Kleidung noch die träge Lebensart der Sarmaten,
und ihre Karren und Pferde hatten. Auch bezeugt
Procopius, der die Sarmaten, oder Jazygen und
Wenden genauer kannte, daß beyde Nationen verschies
den gewesen sind. Andere wollen, daß man die Wen
denzu den alten Pannoniern, Venetern und Heneten
zählen foll. Allein ihre Gründe beruhen auf Wortab
leitungen,die allezeit unsicher, hier aber noch außer
dem unnatürlich zu feyn scheinen. S. Hr. Severini
Comment. de veteribus incolis Hung. cisdanubianae
Soproni 1767.p. 87. Cap. 7.
HungarischeGeschichte. 272
die Anten bald nach der Entstehung dieses Stamms
sichvon der Hauptnation abgesondert haben. Jor
nandes, der im Jahr 52 schrieb, meldet d), daß
die winidische Nation sehr volkreich fey, daß sie sich
vom Norden bis an Dacien und den Ursprung der
Weichsel ausgebreitet habe, und daß sie zwar in viele
Unterstämme, deren jeder seinen eigenthümlichen Na
men führe,verheiletfey, vorzüglich aber ausSclavinen
und Anten bestehe. Er bemerkt ferner, daß die An
ten kriegerischer als die Sclavinenwären, und eignete
ihnen das kleineLand zwischendem Dneefer, der Do
nau und dem schwarzen Meere ober Beffarabien, den
Sclavinen aber einen Theil von Oberhungarn, Sie
benbürgen, Polen undSchlesien bis an die Quelle der
Weichselzu. Procopius e), der die Wenden und
Anten

d) C.5.ap.MuratoriumT.I.p. 194.Von denSclavinen


fagt Jornandes: Sclavinia civitate nova etSclavino
Rumunnenfe et lacu qui appellatur Mufianus usque ad
Danastrum et in Boream Vicla tenus comumorantur.
Hi paludes filvasque pro civitatibus habent. Antes
vero qui sunt e.orum fortissimi, qui adPonticum unare
curvantur, a Danastro extenduntur vsque ad Danu
bium. Einige Ausgaben haben für civitate nova ec
Sclavino, die Worte Novi et unenfe. Dennoch fcheins
hier nicht von Novidunum am Ausflmfe der Donau,
fondern von Novi in Servien die Rede zu feyn, weil
der Lacus Murfianus bey Effek oder Murfa dieser Stadt
näher liegt. Das Sclavinum Rumunnenfe kann das
Land im Gebiet der Römer feyn, in welchem Wenden
aufgenommen waren. Neben den Anten am Pontus
waren dieBulgari, wie Jornandes gleich hinter jener
Stelle fchreibt. Es könnte also wohl das Wurgon
daib und Anthaib der Longobarden das moldauische
“ und tatarische Gebiet feyn, woraus zu erhellen schiene,
daß schon im vierten Jahrhunderte die Anten und Bull
-
garen an den Dneefer gekommen sind.
e) Procopius de bello Goth. III. 4.
AllgemWeltg.XVB. LAbh. S
274 XXXIII. Buch, Aelteste
Anten bei ihrem Eintritte in Illyrien kennen lernte,
giebtvon ihnen folgende Schilderung. Sie waren -
insgesamtgroß, stark, nicht sehr weiß, und dennoch
rothharig. Man merkte an ihnen keine Neigungzur
Falschheit oder Arglist. Ihre Sitten hatten einige
Aehnlichkeit mit den hunnischen Sitten, auch hielten
sie sich eben so unreinlich und schmutzig alsdie Hunnen.
Sie waren keine Freunde vom Reiten, und griffen
den Feind stetszu Fuße mit großem Muth an, meh
rentheils nackt, öfters aber durch einen kleinenSchild,
einen Mantel und Beinkleid gedeckt, undmit ein paar
Spießen bewaffnet. Sie wohnten in einigen schlech
ten Hütten, welche fie einzeln in Wäldern oder Morä
fen aufrichteten, und nach einiger Zeit wieder abbra
chen, um sie an einem andern Ort, der ihnen beffer
gefiel, aufzuschlagen. Sie duldeten keine Oberherr
fchaft und keinen König, sondern theilten den Verlust
und Gewinnst gemeinschaftlich. Bei einer nahen
Gefahr thaten sie ein Gelübde, welches sie treulich
nach ihrer Abwendung erfülleten. Ihr Hauptgott
war der GottdesBlitzes und Donners, oder der einige
Herr der Welt, und diesem brachten sie ein Opfer von
Ochsen. Dennoch verehrten sie auch Flüffe, Nym
phen und andere Schutzgötter. Die Anten f)konnten
fichgleichfalls an keine Unterthänigkeit gewöhnen, und
ihre Abneigung gegen die Knechtschaft gieng so weit,
daß sie selbst ihren Kriegesgefangenen nur eine kurze
Zeitzum Dienst bestimmeten, und nach deren Ablauf
ihnen freistelleten, ob sie in gleicher Freiheit unter
ihnen sich aufhalten, oder nach Bezahlung eines Löse
geldes in ihr Vaterland zurückkehren wollten. Sie
verehrten die Gastfreyheit als die erhabensie Tugend,
und bewirtheten einen jeden Reisenden, der zu ihnen
kam, mit der treuherzigsten Freigebigkeit. Bey fei
- MEN
f) Mauriti Strategicon L. II. c, 5.
Hungarische Geschichte. 275
nem Abzuge begleiteten sie ihn biszu ihrem nächsten
Nachbar; und litte er in dem GebietediesesMannes
einigen Schaden, so befehdete sein voriger Wirth den
Nachbar, wenn auch gleich der Unfall des Reisenden
ohne des Nachbars Verschulden sich ereignet hatte.
Sie trieben die Viehzucht und den Ackerbau, und
schütteten einen großen Vorrath von Weizen und Hirse
auf. Ihren Ueberfluß und Raub verscharreten sie in
die Erde. Von ihren Weibern forderten sie eine stete
Keuschheit, und den Selbstmord, wenn der Mann
verstarb. Sie lebten,gleichgebornenKriegsmännern,
stets mistrauisch und aufmerksam aufGefahr, und
zum Hunger und Frost gewöhnt. In ihren Häusern
hatten sie viele Thüren, um bei einem Ueberfalle ent
weichen zu fönnen; und außerdembaueten sie diese nur
in solchen Wäldern und Moräften, in die keinFeind
ohne Wegweiser kommen konnte. Ihre Kriegeskunft
bestand in dem hinterlistigen Angriffe, und keine Na
tion wußte so geschickt als sie in hohlen Wegen und
verwachsenen Moräften Vortheile zu erlangen. Auch
hatte kein Ausländer so viele Geduld und Geschmeidig
keit als der Ante, der feinen Leib hinter einenBusch
oderStein unglaublichzusammenziehen, und dem,den
er übermannen wollte, viele Stunden lang in der un
bequemsten Stellung unverdroffen auflauern konnte.
Auf ebenen Flächen entfiel ihnen im Gegentheil der
Muth, ohngeachtet sie schwere Schilder, ein paar
Spieße, einen hölzernen Bogen, und vergiftetePfeile
zu ihrer Vertheidigung bey fich hatten. Konnten fie
ihrem stärkern Feinde nicht ausweichen, so warfen sie
sich rückwärts in das Waffer, und holten durch auf
einandergefekteshohles Binsenrohr Luft, eine List,die
felten vom Feinde entdeckt ward. In Reihen und
Gliedern, oder nach dem Befehle eines Anführers
konnten sie sich nicht gewöhnen zu kämpfen. Siegten
S. 2 fie,
276 XXXIII.Buch. Aelteste
fie,oderfanden sieirgendwokeinen Widerstand, soüber
ließen sie sich der viehischsten Wut aller verwilderten
Menschen, und belustigten sich an den Martern der
Unglücklichen, die in ihreHände fielen. Dann schnit
ten sie den Gefangenen Riemen ausdemRücken, und
warfen sie nachher lebendig in ein großes Feuer. Oder
fie spießten fie, um sie einige Tage lang sterben zu
fehen. Oder sie banden sie ausgespanntzwischen vier
Pfählen, und tödteten sie mit Knüttelschlägen. Oder
fie trieben sie auch, insbesondere wenn es ihnen an Zeit
zum Peinigen fehlte, mit dem Viehe, welches sie nicht
hinwegführen konnten, in Ställe und Scheuern, und
ließen sie mit selbigen verbrennen. Sie schonten keines
Alters und keines Geschlechts, und fastbey jedem Ein
bruch der Wenden ward Illyrien mit so vielen unbe
grabenen Leichen bedeckt, daß die Luft vergiftet, und
das Land mit denhineingelockten Raubthieren fast aller
umliegenden Gegenden angefüllet wurde. Diese Ver
heerungen fiengen in Illyrien oderdem römischen Lande
zwischen der Donau und Griechenland mitder Regie
S.Chr. 57 rungdesKaisersJustinianusang), und wurden sehr
-
oft fortgesetzt, weil die Gepiden der Wenden Freunde
waren und fie über die Donau ließen. Der Kaiser
Justinianus verordnete seinen Vetter Germanus zum
Magister militum von Thracien, und erhielt durch
felbigen über ein großes Heer Anten einen Sieg, wel
cher vielleicht die Veranlassunggab, daßer den Titel
Anticus annahm. Bald nachher kamen aber neue
antische, flavische und hunnische Heere über die Do
nau, und wüteten sehr arg. Der Kaiser fischte unter
feinen Hofbedienten einen gewissen Chilbudius aus,
weil er eine außerordentliche Abneigunggegen den Ei
gennutzhatte, undübertrug selbigem, in Rücksicht auf
- diese
g) Procopius Hit. arcana e. 18. S.Hr. Stritters Me
morias pop. ad Danub, incol.T.II. P, 1.p.25.
Hungarische Geschichte. 277
diese Eigenschaft, das vom Germanus ehedem beklei
dete Amt. Chilbud folgte dem Beyspiele des Ger-J.Chr. go
manus, und trieb die schwärmenden Völker nicht nur ",

aus Illyrien, sondern suchte sie auch öfters in ihrem


Lande jenseits der Donau heim, bis daß er endlich in
einen Hinterhalt gerieth und erschlagen ward. KurzJ. Chr. sz
nachher zerfielen die Anten mit den Sclavinen, und
litten von diesen eine schwere Niederlage. Ein ge
wiffer Ante, der Chilbuds Namen führte,gab sichfür
jenen thracischen Magister militum aus, und ward
von den Anten zum Anführer ausersehen. Der Kai
fer bestätigte ihre Wahl, versetzte sie mith) ihrem
neuen Herrn nach Turris, einer vom Trajanus ange
legten Schanze jenseitsder Donau, und befahl ihnen,
daselbst in einer gesittetern Verfaffung gleich feinen
übrigen Unterthanen ruhig zu leben. Dieses wurde
von ihnen angelobet. Chilbud kam dem kaiserlichen
Feldherrn Narfes nach etwa sechszehn Jahren ver
dächtig vor, ward verrathen, und mußte als ein Be
trüger sich nachKonstantinopelzur Bestrafung bringen
laffen. Seine Unterthanen aberblieben in ihrerneuen
Verfaffung.

Die Bulgaren und Hunnen, die fast immer mit Einfälle der
Hunnen und
den Wenden, wenn es aufeinen großen Zug über die Bulgaren
Donau ankam, vereinigtwaren, versuchten ihrGlück
zuweilen auch allein. Vulgerund Drogo, oder, nach
andern Berichten, zwey bulgarische Könige und ein J. Chr. 53.
S3 ge

h) Procop. de bello Goch. III 14. p.312. edit.Murat.


Dieses Turris war vielleichtTurris literata in derGe
gend von Novi. Die Slaven, die in diesem Turris
wohnten, waren wohl die obengedachten Sclavini Ru
munnenfes, von welchen derKaiser im Jahr 537 einen
beträchtlichen Haufen in Italien gebrauchte. Diese
letztern bestanden aus Sclavinen und Anten.
273 XXXIII. Buch. Aelteste
gewiffer Drungo, fielen inKleinfeythien i), erschlugen
den Magister militum von Mösien Justinus, vertrie
benden seithischen Magister militum Blandarius, und
freifen bis in Thracien. Hier wurden sie zwar von
Acum, einem getauften Hunnen und Magister Illy
rici, mit Hülfe gewifer Hunnen eingeschloffen, und
größtentheils niedergemacht. Allein ein anderes Heer
Bulgaren rächte ihre Niederlage, und bekam den
Acum oder Hakogefangen. Dieser Vorfall eröffnete
J. Chr. 539,den Hunnen den freyen Uebergang über die Donau,
und sie erschienen im nächsten Jahre in einer solchen
Menge, daß kein römischer Feldherr ihnen entgegen
zu gehen wagte, und fiel bis an die Vorstädte von
Konstantinopelfreifen. Einige Haufen von Bulga
ren versuchten, den Magister militum von Illyrien
Mundus in einem engen Wege aufzuheben; allein fie
wurden mit einer solchen Tapferkeit empfangen, daß
fie über die Donau flohen, und seitdem sich in gerau
mer Zeit kein Bulgar wieder über den Strom wagte.
J.Chr. 340. Die Hunnen waren dreister, streiften im folgenden
Jahre durch Mösien und Thracien über Abydus bis
in Asien, und kamen mit vieler Beute durch Thracien
in ihr Vaterland zurück.
'': Diese Hunnen waren Asiater oder Ungren, und
Fr" "mochten vielleicht mit europäischen Hunnen oder den
Begleitern Ellaks, des attilanischen Prinzen, der vor
den Gepiden bis an den Don geflohen war, unter
" mischt seyn, weil die Griechen ihnen den hunnischen
Namen beylegen. Sie theilten sich in zwey Haupt
stämme oder in die Uturguren (Utriguren) jenseits,
und die Cuthurguren (Kutriguren)diesseits des Aus
flusses des Don. DieUturguren hatten sich mit den
tetraritischen Gothen vereinigt, welche christlich, und
dem

i) Hit. Mifell. L. 15. Theophanes und andere beym


Hrn. Stritter II Th. S.497.
Hungarische Geschichte. 279
dem Kaiser Justinianus fehr ergeben waren k). Die
Cuthurguren wurden einigermaßen durchzwei Festun
gen, die aufder krimischen Halbinsel lagen, in ihrer
Achtung gegen den Kaiser erhalten, und fanden zum
Theil im kaiserlichen Solde. Allein sie konnten der
Versuchung nicht widerstehen, die ihnen die Bitte der
Gepiden darbot, und giengen unter dem Fürsten Chi
mal nach der Donau, um gegen die Kongobarden zu J.Chr. 54s.
fechten ). Die Gepiden hatten sie so frühe nicht er
wartet, und wollten nicht gern ein Heer von 12ooo
Mann während des mit den Longobarden getroffenen
Stillstandesohne Nutzen ernähren. Daher erlaubten
fie ihnen über die Donau zu gehen, und in das kaiser
liche Gebiet zu fallen. Der Kaiser wandte sich an
Sandil, den ihm getreuen Fürsten der Uthurgurer,
unterstützte ihn mit Geld, und überredete ihn, mit
2000 christlichen Gothen das Land der Cuthurguren
zu verheeren. Aufder andern Seite gab er den Cu
thurguren Geschenke, um ihren Rückzugzu beschleu
nigen. Durchdiese List gelang es ihm, Illyrien von
den Barbaren zu befreien, und diese durch ihre eigene
Waffen aufzutreiben. Die Uturguren litten bey dem
Gefechte mit den Cuthurguren außerordentlich, und
der Kaiser nahm, um sie einigermaßen schadlos zu
halten, zweitausend von ihnen unter sein Heer, und
wies ihnen Wohnplätze in Thracien an. -

Nachdem diese Gefahr abgewandt war, schloßder Wendische


Kaiser ein Bündniß mit dengepidischen Abgesandten,Werbeer"
S4 und
k) Hr. von Suhm angef, Orts, welcher S.223 bemerkt,
daß diese Gethen ihr Land in der Krim Sphetzia ge
nannt haben, und daß noch im Jahr 1721 ihre Nach
kommen unter einem besondern gothischen Bischofe bey
Kapba vorhanden gewesen sind.
1) Procopius de be lo Goch. L. IV. c. 18 u.f... mafov
Gesch der Deutschen XIII Buch S. 136. Hr. Pray
Annales Hunnorum p. 194.
280 xxxII-Buch. Aelteste
und ließ es durch zwölfSenatoren beschwören. Seine
Absicht war nicht feine Glaubensgenoffen, die Lon
gobardenzu verlaffen, sondern nur die Gepidenzu ver
pflichten, daß sie die Hunnen, Wenden und andere
Ausländer von feinen Provinzen abhielten. Die
Wenden, oder vielmehr die Sclavinen streiften kurz
S-Ehr: 57 vor dem Einfalle der Cuthurguren bis Durazzo, und
verheerten alle Wohnungen, und tödteten alle Men
fchen, die ihnen vorkamen. Die Gepiden, die ihnen
J. Chr. 549. widerstehen sollten, ließen sie kurz nach dem Bündniffe
wieder in Illyrien; und diesesmalverfuhren sie noch
grausamer, fandten einen besondern Haufen zum
Plündern, Morden und Besetzen der festen, aber ver
laffenen Schlöffer, voraus, und deckten diesen durch
ein Beobachtungsheer von 15000 Mann m). Sie
eroberten ferner die große Stadt Topirus (Pusio) in
Thracien am Rhodope, und äscherten alle dalmatische
Seeörter ein. Von der mächtigen Stadt Epidaurus
ursprung der entkamen nur wenige Bürger, welche sich aufeinem
Stadt Nagui unzugänglichen Felsen zuerst verbargen, nachher aber
anbaueten. Aus dieser Kolonie von Unglücklichen
entstand die nachher mächtige Stadt Raufum, oder
J. Chr. 550.die Republik Ragusa. Im nächsten Jahre gien
gen 3000 Sclavinen über die Donau nach Thracien
und

m) Procopius III. 29. Der Kaiser Constantinus Por


pbyrogenneta hat die Nachricht vom Ursprung der
Stadt Raguft im Werke de Administr. Imperii c.29.
allein aufbehalten. Er, oder vielleicht auch nur der
erste Abschreiber, begeht den Fehler, daß er die Bege
benheiten um hundert Jahr zu alt macht. Denn er
fagt, Ragusa fey 500 Jahr vor Verfertigung des
Buchs errichtet. Allein damals, oder im Jahr 449
waren noch keine Slaven über die Donau gekommen.
, S. Hr. Stritter Men. 1. c.p. 1 ; auch bestimmet der
vom Constantin hinzugefügte Umstand, daß damals
die Avaren in Pannonien gewesen, dasJahr 549.
Hungarische Geschichte. 281
und seitwärts nach Illyrien, welche, nachdem sie zwey
kleine griechische Heere erlegt hatten, unglaubliche
Grausamkeiten an den Gefangenen ausübten, und das
Land gleichsam mit Leichen und Bruchstücken der ein- *
geäscherten Städte übersäeten. Ein neuerSchwarm
fürmte im folgenden Sommer aufThessalonich ein,J.Chr. 55*.
gieng aber ausFurchtvor dem PrinzGermanus, dem
ehemaligen flavinischen Besieger, überNaiffuswest
lich nach Dalmatien. Germanus starb während den
Zurüfungen, die er gegendiesen machte,zu Sardica,
und darauf kehrte er sogleich zurück, und verheerte
Illyrien, Griechenland und Thracien in dreyen abge
sonderten Haufen. Diese überwältigten einige römi
fche Feldherren, insbesondere den Scholasticus bey
Adrianopel, und zogen mit der erbeuteten Fahne nach
Konstantinopel. Die Griechen empfiengenfiebeyder
anafiafianischen Mauer, undbrachten ihnen eine schwere
Niederlage bey: allein fie konnten ihnen die Beute
nicht abjagen, welche fiel aufdem Rückzuge mit sich
über die Donau nahmen.
Diese flavinichen Verheerungen waren zum TheilGepidisch-lon
durch die gepidische Untreue veranlasfet. Daher hielt “
der Kaiser den neugeschloffenen Bund gewissermaßen“
für ungültig, und machte sich kein Bedenken, den
Longobarden im Kriege mit den Gepiden beizustehen.
Er nahm ein longobardisches Hülfsheer in Sold, wel
ches er dem Narfes nach Italien zum Bezwingen der
_ Gothenzusandte. Er ließ ferner durch den Magister
Militum in Präsentiund ehemaligen herulischenKönig
Suartuas, und verschiedene andere römische Feldher - -

ren, einbeträchtlichesHeer Hülfsvölkerden Kongobarden


zuführen. " Allein dieses Heer fand aufdem Wege J. Chr. st.
eine wichtigere Beschäftigung, und blieb zu Ulpiana
oder Prisrendiin Servien, um eine Empörung und
Zwistigkeit verschiedener Religionsverwand
$ - ten
282 XXXIII. Buch. Aelteste
ten dieserGegend zu dämpfen. Ein einiger römischer
Dur gieng mit feinem Haufen zu den Kongobarden,
nämlich der thüringische Prinz Amalafrid, welcher zu
dieser That eine besondere Verpflichtung hatte, weil
er des longobardischen Königs Audoin Schwester
Mann war. DieserPrinz und Audoin erfochten einen
blutigen Sieg über die Gepiden, der aber feine wich
tige Folgen hatte, weil Justinianus, der dasGleich
gewichtzwischen diesen Nationen erhalten mußte, sich
ihnen zum Friedensstifter aufdrang. Die Longobarden
schienen seine Vermittelung nicht gern zu sehen, und
machten dem Kaiser Vorwürfe über die Zurückbehal
tung des fuartuafischen Heeres, welches sie für ihre
Leute, die sie ihm zum italienischenZuge geliehen hat
ten, gleichsam eingetauschet hatten. Die Gepiden
klagtenüberdie Bundbrüchigkeit. Diesewurden durch
die flavinischen Begebenheiten zum Stillschweigenge
bracht. Jene aber mußten ihren Unwillen fahren
laffen, weil ihr nach Italien gesandtes Heer so uns
bändig war, und sich vom Morden, Brennen und
Schänden desFrauenzimmers so wenig abhalten ließ,
daß es Narfes mit einer starken Bedeckung als un
J. Chr, 552.
tauglich ihnen in ihr Land zurücksendenmußten). Der
Hauptzwist der Gepiden und Kongobarben betrafden
longobardischen Kronprätendenten Ildigital, der jetzt
in kaiserlichen Diensten als Führer einer Rotte der
Leibwache stand, und ferner einen gewissen Uftrogoth,
den Sohn des gepidischen Königs Elemund, welcher
zu den Longobarden geflohen war. Der gepidisch
longobardische Frieden ward bald geschloffen. Ildi
gial fürchtete sich vor der Auslieferung, und begab
sich zu den Gepid n. Er sowohl als Ustrogoth konnte
nach den Grundsätzen der deutschen Gastfreiheit nicht
zurückgegeben werden, und man fand also von dieser
Forde
n) Procopius IV.33.
Hungarische Geschichte. 283
Forderung ab. Allein beyde Nationen sorgten nach
her dafür, daß diese Prinzen, umkamen, um eine
jede Gelegenheit zum künftigen Kriege hinwegzu
räumen.
Nicht lange nach dieser Begebenheit zeigte sich ursprung her
schon wieder eine neue oder in Europa unbekannte Na-ten.
tion an den dacischen Gränzen. Diese hieß das Volk
der Avaren oder Abaren o), und wardin die wahren
und in die unächten Avaren vonden Griechen geheilt.
Vonjenen findet man die erste Nachricht in der zwey
ten Hälfte desfünften Jahrhunderts, in welcher fie
von den Türken, wie es scheint, aus der Steppe des
Jrtisch vertrieben wurden, auf die Sabiren fielen,
und diese veranlafften drey ugrische Völker, nämlich
die

o) Hr. Stritter Mem.populor. ad Danub.incolent.T.I.


p. 626. 642. Die älteste Nachricht giebt Pri/cus de
Legationibus innerhalb den Jahren 457 und 461. Der
Name Awar foll von einem Könige diesesNamens her
kommen, wie Paulus Parnefridi in der Geschichte -

der Longobarden versichert. Neue leiten ihn vom hun


garischen Worte Avar, ein dürrer Acker, ingleichen
von Varos und Var, ein umzäumter Platz, ber; Hr.
Severini Com. hilft. de vet. Inc. Hung. p. 177, und
wirklich war der Avaren Land im achten Jahrhunderte
in dergleichen Var vertheilt. Die Herrn de Guignes
und Pray, letzterer in den Annalibus Hunnorum, Ava
rum et Hungarorum P. 2, halten die Avaren mit jenem
Paulus für Hunnen, und glauben, fiel unter dem Na
men Geou-gen in der Geschichte der Schinesen gefun
den zu haben. Diese Geou-gen gehörten zu den mo
golischen Tatarn, und follen sich nach 31o in zwey
Haupthorden geheilt und aus Korea nach Sibirien ge
zogen haben. Ein gewisser Tulum machte sich unab
hängig, nahm den Ehrentitel Khacan oder Kan an,
und herrschte (etwa 402) nach Hr. de Guignes Mei
nung über einen Theil des nordlichen Sibirienzwischen
Korea, dem Ili und Irtisch und der hamilischen
Wüste. -
-

284 XXXIII.Buch. Aelteste


die Saraguren, Urogen und Onoguren aus ihrem
Lande ander Wolgazu verdrängen. Diese griffen die
akazirischen Hunnen oder Chatzaren an, und kamen
zwischen dem kaspischen und schwarzen Meere an die
Gränze der Griechen, deren Schutze sie sich unterwar
fen. Etwa hundert Jahr darnach erhielten zwey ogo
rische Völker oder die Var und Chuni zufällig den
avarischen Namen bey folgender Gelegenheit. Die
Türken, welche sich bis an das kaspische Meer aus
gebreitet hatten, brachtenihnen eine schwere Niederlage
bey, undzwangen sie sich ihnen zu unterwerfen. Viele
J.Chr.558. von ihnenflohen ausihremVaterlande, kamen, nach
dem sie lange umhergeirret hatten, zudenAlanen,und
baten den alanischen Anführer um Empfehlungbei den
Griechen. Dieser ließ sich bewegen, und fandte feine
und ihre Abgeordnete an den kaiserlichen Statthalter
in Lazica oder Mingrelien, undferner nach Konstan
tinopel. Der Kaiser gab ihnen, was sie forderten,
nämlich Geschenke und Subsidien, und befahl ihnen,
einige asiatische Völker von feinen Gränzen abzuhalten.
Dieser Auftragwarihrem Geschmacke gemäß, und fie
überfielen sogleich dieSabiren, und die Ouiguren oder
eitafalischen Hunnen, die fie für die alten Avaren hiel
ten, und fich daher unter ihr Joch beugten. Sie be
fchloffen darauf den Irrthumzuunterhalten, undgaben
fich nun selbst den avarischen Namenp). Nachher
wander

p) Theophil. Simocatte B.VII. c. 8. Diese Veran


laffung des avarischen Namens ist fehr unwahrschein
lich; allein ich wage es nicht, den Griechen hier zu
verlaffen. Die Pfeudoavaren waren Unterthanen der
Türken, so wie die ächten Avaren. Die Pseudoavaren
gehörten zum Stamm der Oguren, und wurden doch
von diesen für ein ganz fremdes Volk gehalten. Endlich
die Pfeindeavaren schickten als Avaren Gesandtean den
griechischen Kaiser, und bekamen dennoch erst a: LN
Hungarische Geschichte. 285
wanderten fie zu den kulturgurischen Hunnen jenseits
dem Don, und zogen immer weiter nach Osten. Auf
dem Wege versuchten sie sich mit allen Völkern, auf
die sie stießen; und endlich geriethen sie an diejenigen
Alanen, die in Beffarabien standen, durch deren Be
zwingung fiel sich den Weg zum Uebergang über die
Donau bahnten. -

Eingewisser Vorfall, der sich kurz zuvorzwischen


den Wenden und donischen Hunnen zugetragen hatte,
erleichterte ihnen den Zug q). Zabergan, der Anfüh
rer der futhurgurischen Hunnen oder Ungern diesseits
dem Don, oder, wie andere Nachrichten anzudeuten
scheinen, ein Chan der Sabiren, führte Kuthurgurer -

und Wenden im Winter über die gefrorne Donau inJ.Chr. 55


Scythien, Mösien, Thracien und bis vor Konstan
tinopel. Der Kaiser beschwerte sich bey Sandilch,
- dem ihm stets treuen Heerführer der Uturguren,über
feine Trägheit, und drohete ihm die Jahrgelder zu
entziehen, wenn er nicht die Kuhurguren durch Ver
heerung ihres Landes zum Rückzuge zwänge. Zu
gleicher Zeitgiengder altePräfectusPrätorio Orientis
Belisarius dem nächsten Haufen der Hunnen entgegen,
- und

den avarischen Namen. Alles dieses widerspricht sich,


MPie, wenn die Türken,die die Avaren besiegten, nicht,
wie selbst Hr. Tbunmann glaubt, vom Gebirge Altai,
fondern aus dem turkomanischen Lande gekommen
wären? Dann wärendie wahren Avaren da, wo ihre
Nachkommen die heutigen Avari nochjetzt wohnen, von
ihnen bezwungen worden,und diePseudoavaren müßten
Reliquien der alten Avaren mit Ungern oder Varchu
miten vermischet gewesen feyn; dann wäre es aller
dings möglich gewesen, daß die Uguren ihreLandsleute
für Avaren gehalten, und diese von zwey gleichmäßig
gültigen Nationalnamen,die sie zuvor ohne Unterschied
zugleich gebraucht hatten, dem avarischen den Vorzug
gegeben hätten.
q) Agathias L. 5.
236 XXXIII.Buch. Aelteste
und erfocht über felbige einen sehr glänzendenSieg,
der ihm den Neid aller römischen hohen Beamten zu
zog. Die geschlagenen Hunnen flohen zudem zweiten
Heere desZabergan oder Zamergam, welcher sich bis
an die Donau zurückzog, allein seiner Schwäche ohn
geachtet nicht eher aus Illyrien gieng, bis er vom
Kaiser Geschenke oder ein Lösegeld für die Gefangenen,
und ein eben so großes Jahrgeld, als Sandilch zu be
kommen pflegte, ertrotzet hatte. Sandilch ergriff
inzwischen die Waffen, und empfieng den Zabergan
in seinem Lande mit solcher Tapferkeit, daß ihm alle
Beute zu Theilward. Dieses Unglück schmerzte die
Kuthurguren so sehr, daß sie nicht eher aufhörtenzu
- "…
fechten, bisdaß sie und ihre Feinde gänzlich vernich
tet waren. Der Kaiser gewann durch dieses veran
faltete Gemetzelzwar sehr viel, weil die furchtbare
Nation der Hunnen und Oguren durch felbigeshin
weggeschafft ward. Allein da die Avaren den Ueber
rest an sich zogen, und dadurch Gelegenheit an die
Donau zu kommen erhielten, foward die gebrauchte
Staatslist ihm durch die Folge schädlich. Sobald die
J.Chr. 563. Avaren die Donau erreicht hatten, schickten sie aber
mals Abgeordnete nach Konstantinopel, und verlang
ten Land, welches sie sich selbst auswählen wollten,
Waffen und Subsidien. Der Dur Justinus, der
aus Lazien nach Thracien versetzt war, warnete den
Kaiser, sich nicht zu übereilen, weil die Avaren vielen
Geiz, eine große Schlauigkeit und Arglist, und einen
unerschrockenen Muthbesäßen. Dieser Rath veran
laffte denKaiser, die avarischen Gesandten lange auf
zuhalten, und dem Justinus insgeheim Befehl zu
geben, ihnen die Waffen, die sie in Konstantinopel
gekauft hatten, abzunehmen. Der Kaiser wollte den
Avarendie Gegend deszweiten Pannoniens, die den
Herulern ehedem gehöret hatte, einräumen. Allein
fie

--
Hungarische Geschichte. 237
fie waren geneigter in Scythienjenseits der Donauzu
bleiben, und nahmen einen Theil desselben, wie es
scheint, in der Moldau und in Siebenbürgen, den
ältern Einwohnern ab. Justinus vollstreckte den Be
fehl desKaisers, und erregte durch die Hinwegneh
mung der Waffen, eine fehr große Abneigung der
Avaren gegen alle Griechen und Römer. Dennoch
unternahmen sie keine beträchtliche Feindseligkeiten, so
lange Justinianus lebte.
Jener Justinus, der dem Justinianus feinem J. Chr. -
Oheim im Kaiserthum folgte, beschloß, sich ihnen mit
Nachdruck zu widersetzen, und wies ihr drohendes Ge
fuch um größere Jahrgelder mit so harten Ausdrücken
ab, daß sie erschraken und zurückkehrten. Weil es
ihnen nicht möglich war, sich ruhig zu verhalten, so
wandten sie sich gegen Westen, und fielen in Thürin
gen, zu welchem Reiche damals noch Franken, viel
leicht auch die Oberpfalz gehörte. Der Franken Kö
nig Siegebert, der sie nebst einen Brüdern drey-Jahr J.Chr. 36.
zuvor in eben diesem Lande geschlagen hatte r), gieng
ihnen muthig entgegen, war aber diesesmal unglück
lich, und mußte sie durch Geld und Lebensmittel zum3. Chr. 365.
Rückzug in ihr Gebiet bewegen s). Bald nachher -

bekamen

r) Menander in Exc. de Legationibus p. 1or, und Herrn


Stritters Avarica in den Mem. Pop. T. I. p. 667
u.f.
s) Gregor Turonenf. IV. 23. Paulus Warnefridi II. -
10. Gregorius und fast alle abendländische Schrift- -

feller, nannten die Avaren bald Abaren, bald aber


Hunnen, zogen aber endlich die letzte der erften Benen
nung vor. Vielleicht geschahe dieses daher, weil die
kathuraurer und uturgurer Hunnen, den größten Theil
der Unterthanen des Bajan oder Chan ausmachten.
Als die Avaren ihr Vaterland in der Nachbarschaft der
Türken verließen, waren sie nur 20,000 Mann stark
(Me
233 XXXIII. Buch, Aelteste
bekamen sie eine Gelegenheit, sich näher an der Donau
in Dacien festzusetzen. Diese gab ihnen der longobar
dische König Alboin, welcher entweder aus Ehrgeiz,
oder auch um einer Prinzessin Rofimund, die ihm tyr
Vater der gepidische König Kunimund versagte. t),
theilhaftigzu werden, beschloffen hatte, das gepidische
Reichzu zerstören. Weil die Longobarden zudieser
U
Unternehmungzu schwach waren,
finusdem KönigeKunimund durchund der Kaiser Ju
denDux"Badikar
.. . " Hülfsvölker, damit er die Entführung einer Tochter
- an dem Alboin rächen könnte, zugesandt hatte, so
mußte Alboin die Unterstützung der Abaren um einen
jeden Preis,den sie nur forderten, erkaufen; und die
Abaren waren eigennützig genug, um diesen so hoch,
als möglich war, zu setzen. Ihr Chan stellete sich,
als wenn er es nicht wagen dürfe, den Kaiserzu belei
digen, und Alboin mußte eine ganze Beredsamkeit
erschöpfen, um ihn zu überführen, daß der Kaiser ein
. ." heftiger Feind der Abaren fey. Er fügte zu dieser
Vorstellung das Versprechen, seine gepidischen Ero
berungen mit ihm zu heilen. Allein der Chan ver
warfdieses Anerbieten, weileszu geringe war, und
Alboin mußte sich entschließen, ihm sogleich ein Zehn
theilalles lebendigenViehesder Longobarden zu geben,
und ihm dieHälfte der Beute nebst dem ganzen Reiche
J.Chr. 567.Gepidien zu versprechen. Daraufward Kunimund
von den Avaren und Longobarden an zwei Seiten an
gegriffen, und bald nachher in einer entscheidenden
“ Schlacht überwältiget undgetödtet. Er fieldurch die
dien. Faust

(Menander p. 1C6), und von diesen kam eine beträcht


liche Menge in den Kriegen mit den Hunnen, Anten
und andern Nationen, noch ehe sie die Donau berühr
ten, Um.
) Hr. Stritter angef, Orts I. 386. Menander S.
IIO. -

'
Hungarische Geschichte. 289
Faust des Königs Audoin, welcher seinen Hirnschädel
nachden barbarischen Grundsätzen derEhre entfleischen
ließ, und als ein Siegeszeichen bei Gastmählern an.
statt eines Bechers gebrauchte. Die Prinzessin Ro.
fimund wurde Audoins Ehegattin, und die Beute
war so groß, daß die Longobarden schon durch ihre
Hälfte reich genug wurden, um größere Entwürfe
ausführen zu können. Den Avaren fiel alles Land
und der Ueberrest der unglücklichenGepiden, die dem
Schwerdte entronnen waren,zu. Nur ein kleiner
Haufen Gepidenbegab sich unter der Anführung eines
gewiffen Ufdibad oder Asbado in das kaiserliche Ge
biete, und ward gegen die Ansprüche des avarischen
Chans geschützet u).
Die Longobarden rüsteten sich sogleich zu einem
neuen Kriege, und warben vieleSachsen, Bulgaren,
Sclavinen, Gepiden und Abaren, um mit selbigen
Italienzu erobern. Man weißnicht, wie sie soplöß
lich aufdiesen Anschlag verfielen; und es scheint nicht
ganz ungegründet zu fyn, daß Narfesder kaiserliche
Feldherr in Italien sie dazu ermuntert hat, um sich
für den Undank, womit ihn sein Hofbelohnte, zu
rächen v). Sie brachen am ersten April oder dem J.Chr. 362.
nächsten
u) Paulus II.27. Mafov Anmerk. S. 144. Einige
Gepiden ließen sich doch unter den Longobarden nieder,
und erhielten den Nationalnamen in Pannonien noch
bis in das achte Jahrhundert. Auch errichteten im
Jahr 626 viele „Hunnen, Slaven, Bulgaren und
Gepiden ein Bündniß mit dem persischen Monarchen
Chofroes gegen den Kaiser (Hr. Stritter S. 388),
woraus erhellet, daß die Gepiden, ohngeachtet sie kei
nen König hatten, doch noch in einer abgesonderten
Nationalverfaffungfanden.
v) Daß Narfesdie Veranlassung zum Zuge gegeben, ist
von alten Schriftstellern deutlich gesagt, aber noch
Allgem.Weltg.XV.B.I.Abth. T vers
2go XXXIII. Buch. Aelteste
Die Longobar
nächsten Tage nach Ostern auf, zündeten ihre Häuser
den gehen aus durch ganz Pannonien an x), und wanderten nach
Pannonien
nach Italien. Italien, dessen obern Theil bis an die Alpen, Etsch
und Arfa in Istrien sie dem griechischen Kaiser ohne
großes Blutvergießen abnahmen. Pannonien und
Illyrien ließen sie völlig aus ihrer Acht, und das
erste Land gaben sie sogar den Avaren, mitder Bedin
gung, es für sie so lange zu verwahren, bis daß es
entschieden seyn würde, ob ihnen das Glück der Waffen
jenseitsder Alpen günstigfey. Auf diese Weise ver
lor Hungarn eine Nation, die feineVorzüge verkann
te, und ihm bey ihrem kurzen Aufenthalte vermittelt
des romantischen Krieges gegen die Gepiden, und
durch Entvölkerung und Vertilgung eines schon ziem
lichgesitteten Staates einen großen Nachtheilzugefügt
hatte. Diese Longobarden waren zwar, überhaupt
genommen, schon ehe sie in Pannonien kamen, christ
lich; aber dennoch hielten sich unter ihnen viele Heiden
auf, die in Italien verschiedene Christen durch Mord
und andere Strafenzu ihrer Abgöttereyzu ziehen such
ten. Diese hatten ein sehr sonderbares Opfer,welches
darin bestand, daß sie den Kopfeiner Ziege demTeu
fel weiheten, und durch Tänze, Lieder und kniende
Anbetung verehreten, dann aber sich bei derVerzeh
rungdesgeopferten Fleisches derausgelaffensten Freude
überließen y). Die longobardische Verfaffung war
bloskriegerisch, und dahererhielten einige Geschlechter,
welche
verschiedenen Zweifeln unterworfen. Masov Anmerk.
S. 136. Von dem italienischen Kriege und desselben
Zeit handelt Mascolo XIV p 179., und Hr. Pray in
Annal. Hunnorum und den Differtatt.p. 327.
x) Marius ap. du Chesne Scr. rer. Franc.T.I.p.215.
y) Gregori M. Diakogi L. III. c. 27. 28. Die longo
bardischen Könige und Vornehmsten waren damals
arianisch, wenigstens feit 563. -
Hungarische Geschichte. 291

welche viele berühmte Helden aufzuweisen(Farä)hat


ten, einen erblichen Vorzug, von der Art, wie ihn
der heutige Adel hat. Man theilte die Nation in
Optimaten, Nobiles, Freye undKnechte, und ver
trauete die Vertheidigung der festen Plätze den Ga
falden und Ducibus, die Entscheidung der Zwistig
keiten aber nach den alten Gebräuchen, den Richtern
und Sculdhaizen an. Man suchte sich von allen übri
gen Nationen so sehr zu unterscheiden, daß man die
uralten leinenen weiten Kittel mit breiten gefärbten
Säumen behielt,den Gebrauchder Hosen verwarf,die
Haare und den Bart in dasGesicht gewöhnte, und
das Hinterhaupt beschor z), damit ein Kongobarde
gleich beydem ersten Anblicke kenntlichfey.
Durch den longobardischen Zug wuchsdie Macht
der Avaren und Hunnen, die unter der Hoheit eines
Chagan vereinigt waren; und daherward das größere
Illyrien nunmehr ein Schauplatz avarischer, flavini
scher und griechischer Verheerungen, Scharmützel
und Schlachten. Der Chan der Avaren oder vielmehr
Pseudoavaren Bajanbeherrschte fastganz Dacien oder
OberhungarnundSiebenbürgen, undhatteeine Schatz
hoheit über dieflavinischenVölker, die in derMoldau,
Polen, Mähren und Böhmen an Dacien und Pan
nonien gränzten. Die nordlichern Gegenden waren
entvölkert, undgrößtentheils in unbewohnte Einöden
verwandelt. Die fränkischen Monarchen, deren Reich
Thüringen an seine Schutzverwandten gränzte, hatten
feine Uebermacht empfunden, und mußten das ge
schloffene Bündniß ihrer eigenen Sicherheit wegen zu
erhalten suchen. Die Bulgaren, die an der Donau
umherzogen, hatten sich völlig unter seinen Schutz be
geben. Seine alten Feinde die Turkomanen bemühe-J. Chr. 36g.
ten sichzwar den kaiserlichen Hofgegen ihn aufzubrin
T 2 geln,
s) Hr. v. Suhm angef, Orts S. 614.
292 XXXIII.Buch. Aelteste -

gen, und droheten, ihn in Europa aufzusuchen und


zur Unterhänigkeit zurückzuführen. Allein fie waren
so weit von ihm entfernt, daß er von ihnen nichts zu
befürchten hatte. Sein einiger gefährlicher Nachbar
war demnach nur der griechische Kaiser, und gegen
diesen richtete er alle seine Entwürfe. Muth undEhre
geiz hießen ihn hoffen, daß er diese ausführen könnte;
allein innere Schwäche, Unwiffenheit in der griechi.
fchen Kriegeskunst undMangelan mächtigenBundes.
genoffen vernichteten die meisten Versuche, die er
machte. -

Die Abaren Die Longobarden hatten ihm Pannonien übertra


''gen, oder genauerzureden, ihm ihreRechte andieses
Kaifer. Land überlaffena). Allein daß sie ihm dieses nicht
sogleich einräumen wollten, vermuthlich aus Besorg
niß, es von ihm nicht wieder zu bekommen, wenn fie
Italien nicht erlangen könnten, zeiget die Einäsche
rung ihrer pannonischen Wohnungen. Ohngeachtet
er ein Land besaß, welchesfür feine Nation schon zu
groß war, so hatte er dennoch eine heftigeBegierde,
Pannonien sobald als möglich zu erhalten, vermuth
lichweil er aus diesem Lande nachGefallen in Noricum
und Illyrien freifen konnte, und sich nicht, so wie
jetzt, da seine Leute keineBrücken undSchiffe zu bauen
- verfan
a) Daß Pannonien den Avaren fchon 567 abgetreten fey,
leugnet Hr. Severini in seiner Pannonia p.321, und
behauptet Hr. Pray in den Annal. Hunnorum. Es
ist gewiß, daßdie Avaren 569 in Pannonien gewesen
find, allein wahrscheinlich nur auf einer Streiferey.
Die Longobarden besaßen die römischenGränzfestungen
in Pannonien nicht allein, und konnten sie also auch
den Avaren nicht einräumen. Daher ist es nicht wahr
fcheinlich, daß die Avaren Pannonien haben befetzen
- können. Die folgenden Begebenheiten zeigeu auch
- deutlich, daß die Avaren diesseits der Donau vor des
- K.Mauritius Regierung nicht anfäffig gewesen sind.
-

-
Hungarische Geschichte. 293
verstanden, ein Ziel durch die Donau feßen laffen
durfte. Er bat daher denKaiser um Pannonien,undJ. Chr., 56.
erhielt eine abschlägige Antwort. Er forderte ferner
diegepidischen Heerführer Alfbad mit denen Gepiden,
die der Kaiser in feinen Staaten aufgenommen hatte,
als Besieger und Herr des gepidischen Reichs, und
fand auch in Betracht dieser Zumuthung kein Gehör.
Darauf beruhigte er sich zwar zum Schein, nahm
aber einige Gegenden diefeits der Donau im nächsten
Jahre ins Geheim in Besitz. Nach etwa fünfJahren J. Chr. sz.
fandte der Kaiser feinen Vetter Tiberius mit einem
Heer an die Donau, um ihn und die Avaren aus
ihren Besitzungen diesseits des Stroms zu treiben.
Allein Tiberius, der mehr Neigung zur Ruhe, als
zum Fechten damals hatte,vermittelte biszu der Ge
nehmigung des Kaisers einen Vergleich, vermöge
deffen der Chan behalten sollte, was er anfichgeriffen
hatte, und dem Kaiser die Söhne seiner vornehmsten
Bedienten zu Geißeln und Bürgen seiner künftigen
Friedfertigkeit geben sollte. Dieser Vergleich ward
in Konstantinopel verworfen. Tiberius verlor eine
Schlacht, veranstaltete aber eine neue Friedensunter
handlung, die sichmit dem Rückzuge der Avaren über
die Donau endigte. DieAvaren mußten ohngeachtet
ihres Sieges sehr geschwächt seyn; denn fiebüßeten
aufdem Wege nach Dacien durch die Skamaren oder
Freybeuter einen großen Theil der Beute ein, und
mußten den Tiberius ersuchen, ihnen selbige wieder
zuverschaffen, weil sie selbst nicht Kräftegenug dazu
h(akten. "
Im nächsten Jahre litte der Kaiser eine schwere J. Chr. 74.
-

Niederlage durch die Perser, und dasGerüchte von


derselbigen ermunterte den Chan Bajan, einen neuen
Versuch zu machen. Er rückte daher über die Donau
und berennete Sirmium am Bout in Szlavonien,
T. 3 M
“ -
294 XXXIII. Buch. Aelteste
noch immerwichtige Festung, die die Kongobardenfo
wohl als Kunimund der letzte gepidische König vergeb
lich vom Kaiser zu erhaltengesucht hatten. Bonus,
der Präfectus dieser Stadt, wußte, daß der Chan
die Belagerungskunst nicht verstand, überzeugte den
Chan von einer Ohnmacht, und schlug ihm vor, seine
Absichten oder Wünsche dem Kaiser durch Gesandte
vorzutragen. … Dieses geschahe, und die Avaren for
dertenSirmium als eine ehemalige gepidische Stadt,
ferner den oftgenannten Asbad, und endlich das kaiser
liche Jahrgeld, welches die Kuthurguren und Utur
guren ehedem genoffen hatten. DerKaiser nahm den
Antrag um desto ungnädiger auf, dadie Kuthurguren
und Uturguren eigentlich durch kaiserliche besoldete
Schutzvölker überwältiget waren, und der Chan nur
den entkräfteten Ueberrest unter feine Gewaltgebracht
hatte. Sein Zorn ward durch den stolzen und dro
henden Vortrag der Avaren noch mehr vergrößert,
und daherfertigte er diese mit einer abschlägigen Ant
wort und einem Verweise für den Bonus, daß er ihm
fo unverschämte Leute zugesandt habe, ab. Der Cham
ließ daraufdie Kuthurguren nach Dalmatien gehen,
und kehrte, nachdem ihn der illyrische Präfectus durch
Geld besänftigt hatte, mit vieler Beute über die Do
mau zurück. Wie es scheint, gab man ihmzu der
J. Chr., 575. Rückkehr Schiffe; denn gleich im nächsten Jahre lief
eine avarische Seeräuberflotte aus der Donau, und
verheerte einige thracische Ufer b). Dieser Zugver
anlaffte einen Vergleich mit dem Kaiser, der nun
merkte, daß er die Avaren gelinder behandeln müßte,
und so lange er lebte, die Freundschaft mit ihnen un
- fe"

b) Io. Bielarienfs Chron. ap.Scaligerum Thef. Temp.


p. 14. Wie es scheint, haben die Avaren aufdiesem
Zuge ein Jahrgeld von 80 cco Aurets bekommen.
Pray S.21.
-
-

-/ -
Hungarische Geschichte. 295

terhielt. Der Kaiser verlangte vom Chan, daß er -

die Sclavinen oder Wenden von seinem Reiche abhal


ten sollte, und er nahmdiesen Auftrag willig an. Um
ihn erfüllenzu können, fuchte er die Sclavinen zu uns „“ /

terjochen. Daher befahl er dem freyen flavischen Sklavinen.


Fürsten Lauritas, ihm einen Zinszu zahlen. Diese -

Zumuthung beleidigte die stolzen Sclavinen, die sich


für dieVornehmsten allerVölkerhielten, so sehr, daß
fie feine Gesandten ermordeten. Dadurch ward der
Chan veranlasfet,gegenfie einen Zugzu unternehmen,
zu welchem ihn ohnehin der Kaiser Tiberius ermun J. Chr. 581.
terte, dessen Staaten von ihnen damals verheeret
wurden. Der Kaiser ließ den Chan mit 15.000
Reutern c) in Pannonien über die Donau holen, und
daraufan der Donau hinunter nachScythien bringen.
Die Sclavinen zogen sich zeitig über den Strom, und
der Chan folgte ihnen auf kaiserlichen Schiffen, be
freyete viele tausend gefangene Griechen, und ließ,
weildie Sclavinen sich in Wälder undHöhlen verbar
gen, eine Rache an ihren elenden Hütten aus, die er
nebst dem, was er sonst antraf, verheerte. Nachher
fetzte er diesen kleinen Krieg öfters fort, und jagte
manchem clavischen Freybeuterhaufen die römischen
Gefangenen und die Beute, die er über die Donau
geholet hatte, ab.
Der Kaiser Tiberius ward durch diesen Dienst so
treuherziggemacht, daß er sich von ihm aufeine eben
nicht feine Art hintergehen ließ; denn ohngeachtet der
Kaiser als Statthalter in Thracien ihn und seine Ge --

finnung genau genug hatte kennen lernen, und auch


wußte, daß ihn nur derMangelder Schiffe vom Ein
bruche in Illyrien abhielt, so ließ er sich dennoch
überreden, ihm griechische Zimmerleute zuzusenden,
die er unter dem Vorwande, daß sie ihm ein Bade
- T. 4 haus
c) Menander p. 124.
---
296 XXXIII.Buch. Aelteste
haus aufbauen sollten, begehret hatte. Diese Leute
mußten dann eine Brücke über die Donau in der Ge
gend von Belgrad schlagen, über welche er sogleich ein
Heer im Gesichte von Singdon führte. Der Prä
fectus von Singidon Sethus wollte sich ihm wider
fetzen; alleiner schläferte ihn durchdie Erdichtung ein,
daß er zum Dienst desKaisers gegen die Sclavinen,
und ferner nachItalien ziehe. DiesesVorgebenfand
bey dem Sethus zuerst keinen Glauben; allein er be
stätigte esdurch einen Eid, den er aufdie Bibel ab
legte, und durch die härtesten Verfluchungen, die er
gegen sich selbst aussprach, wenn er jetzt hinterlistig
handelte. Er zog sogar ein Schwerdt aus, hieb
damit in die Luft, und rieflaut aus, fein Gott sollte
ihn und seine Nation durch Blitz, Erdbeben und
UeberströmungderSau vertilgen, wenn er die Brücke
zum Schaden der kaiserlichen Länder gebrauchenwürde,
und gieng in seiner Verstellung so weit, daß er den
Kaiser um Schiffe bat, damit er noch einmal die
Sclavinen in ihrem Vaterlande heimsuchen könne d).
- Jenen
d) Der Kaifer lehnte den Antrag ab, unter dem Vor
wande, daß der türkische Chan, der damals Cherson
belagerte, zu nahe fey, und sich der Sclaviner anneh
men werde (Menander S. 127). Man siehet hieraus,
daß der Bajan wieder durch Mösien und Scythien,
oder das dobruczifche Land, nach Sclavinien, und erst
aufder Rückkehr nach Rom hat ziehen wollen. Einige
Geschichtsschreiber verstehen den Menander auf eine
andere Art, und suchendie Sclavinen, die Bajan de
müthigen wollte, zwischen der Sau und den Alpen.
Aber dann wären die griechischen Schiffe aufder Do
man nicht nöthig gewesen, weil Bajan fchon über die
Brücke iu Pannonien gekommen war, als er um solche
dat. Die Frage, waruun Bajan nicht gleich aus sei
nem Lande auf die Sclavinen fiel, sondern durch die
griechischen Provinzen gieng? läßt sich nicht beant
NPOs
Hungarische Geschichte. 297
Jenen Schwur brach er, sobald es ihm gelungen war
fich auf dem diefeitigen Ufer festzusetzen, und nun
zeigte es sich, daß seine wahre Absicht gewesen war,
Die Abgren
Sirmiumzu erobern. Denn er schloßdiesen Ort so erobern
- - - -

Six
genau ein, daßdie Einwohner durch Hunger gezwun-mium,
gen wurden, ihm, wiewohl mit Vorwiffen des Kai
fers, der ihnen nichthelfen konnte, die Thore zuöffnen,
und sich entblößt und ausgeplündert nach Dalmatien J.Chr. sda.
zu begebene). Der Chan forderte nun einrückstän
T 5 diges
worten. Vielleicht follte er erst die Sclavinen, die in
Thracien und Mösien umherstreiften, vertreiben. Viel
leicht geschahe es, damit das avarische Heer dequemer
vom Kaifergespeifelt werden könnte. Vielleicht waren
die Römer oder Wlachen jenseits der Donau schon zu
mächtig, und konnten den Chan aufhalten. Vielleicht
auch warder Zug diesseits der Donau gefchwinder,als
jenseits, wo mehrere Ströme ihn aufhielten, zu voll
enden.
e) In der Geschichte der Unterhandlungen über Sirmium
findet man etwas von dem Hofstaate des Chans Bas ,
jan. Er sprach nämlich mit den kaiserlichen Gesandten
auf einer Insel, kam zu Pferde auffelbiger an, fetzte
sich auf einen Seffel, ließ über sich einen mit Edelge
feinen geschmückten Thronhimmelhalten, und bedeckte
Brust und Gesicht mit einem Schilde (Menander
S. 131). Einen andern Gesandten, der ihm feine
Treulosigkeit vorwarf, und ihm das Gewissen überden
Spott mit der göttlichen Strafe rührte, ließ er gefan
gennehmen; allein die vornehmsten Avaren hinderten
ihn, felbigenzu tödten. Es scheint, daß BajansRe
gierungsverfaffung nach der attilanischen eingerichtet
gewesen fey Bajan war überhaupt dem Attila gleich,
und thatfast mehr als dieser. Dennoch ist fein Name
vergeffen, und Attila ist den ungelehrtesten Leuten noch
jetzt bekannt; vielleicht weil Attila sich den Römern,
die damals die einigenSchriftsteller waren, in Italien
zeigte, Bajan aber diesseits den Alpen blieb. … Bajan
erschreckte den Kaifer fo sehr, daß er mit den konstan
tinopolitanischen Bürgern Europa verlaffen, und nach
Asien ziehen wollte. So etwas hat Attila nicht.
298 XXXIII.Buch.Aelteste
diges Jahrgeld von drei Jahren, und der Kaiser Ti.
berius mußte durch diesesund die feierliche Abtretung
dererobertenStadtden Friedenvonihmerkaufen.Gleich
darauf kam Mauritius zum Kaiserthum, und nun
glaubtederChan mit mehrerer Sicherheit etwasgegen
die kaiserlichen Länder unternehmen zu können, weil er
diesen Herrn für keinen muthigen Kriegsmann hielt.
Daher forderte er zuKonstantinopelDinge, die, wie
er vermuthete, ihm abgeschlagen werden würden, blos
v in der Absicht, den Kaiser zumZorn und zumFrie
densbruche zu reizen. Zuerst verlangte er Geld und
Kleider, daraufElephanten,dann ein aus Goldfaden
gewirktes Bette, und da er alles dieses erhielt, noch
eine Zulage von 20,000 PfundGold zu dem gewöhn
lichen Jahrgelde von 80.000 Pfunden. DerKaiser
bewilligte ihm jenes in der Hoffnung, von ihm eine
beträchtliche Hülfe gegen die Perser zu erhalten; allein
die letzte Zumuthungwies er ab, weil er merkte, daß
fie doch nicht die letzte seyn würde. -

Sobald der Chan von dieserWeigerungNachricht


erhalten hatte, gienger vor die schwachbefestigtenund
J.Chr. 533. mit Lebensmitteln und Kriegesbedürfniffen schlecht ver
fehenen Donaufestungen, Singidon, Augusta und
e", Viminiacum, welche ihm gleichzufielen, und brach
Wiminineum. darauf in Thracien ein. Der Kaiser fandte ihm kein
Heer, sondern Friedensboten entgegen, die ihm im
Herbstef)zu Anchialus am schwarzen Meeredas ge
forderte Jahrgeld von 100,000 Pfund zugestanden.
J. Chr. 584.Im nächsten Winter ermunterte er die moldauischen
Sclavinenzum Einfall in Mösien und Thracien, und
gab ihnen die nöthigen Waffen. Diese heilten sich
in zwey Haufen, und streiften bis andie lange Mauer.
Aber Commentiolus, derScriba Custodum Corporis,
schlug einen am Erginostrom, und den andern, den
- ein
f) Hr. Pray a. O. S.216.
Hungarische Geschichte. 299
ein gewisser Adragast anführte, in der Nachbarschaft
des Schloffes Eufinum in der thracischen Provinz
Afice g). Darauf ruhete er ein Jahr; allein im
zweyten Frühlinge verheerte er Mösien und Scythien,
und eroberte die Donaufestungen Bononia, Ratiaria,
Acys, Dorestolos (Silistria), Saldapa und die
Landstadt Marcenopolis. Der Kaiser, der dadurch
gezwungen ward, feine Macht zu gebrauchen, gab
dem Commentiolus ein beträchtliches Heer, um die
verlornen Städte wieder in Besitz zu nehmen. Dieser
geschickte Feldherr verfuhr sehr vorsichtig, verschanzte
sich mit dem Hauptheere beyMarcianopel, und fandte
den Castus und Martinus, jeden mitzweytaufendaus
gesuchten altenKriegsmännern, gegen die avarischen
freifendenHaufen aus. Beide fochten sehr glücklich.
Der erste fiegte bey Tzaparda am Fuße desHämus,
und der zweyte (Martinus) hatte das Glück, den
Chan mit solchem Nachdruck ohnweit Tomi zu schla
gen, daß er mitder größesten Bestürzung flohe, und
sich auf einer Donauinsel verbarg. Commentiolus
entwich auseiner unbekannten Ursache von feinem Lager
in die StadtMarcianopel, und setzte dadurch die bey
den FeldherrenMartinus und Castus, beyihrer Rück
kunft in das öde Lager, in eine große Verlegenheit.
Diese konnten auch nicht erfahren, wohin er sich bege
ben hatte, und giengen also aufdas Neue gegen die
Avaren. Der Chan der Avaren, der seine zerstreue
ten Völker inzwischen gesammlet und sich von seinem
Schrecken erholet hatte, machte Anstalt, über die
Donau zurückzukehren, und veranlaßte dadurch die
Trennungder beydenfiegenden Feldherren. Erlockte
ferner den Castusdurch verstellete Flucht in einen Hin
terhalt, kehrtedaraufplötzlich um, bekam den Castus
mit feiner ganzen Schaar gefangen, und
- (IC

g) Simocatta I. 7.
300 XXXIII. Buch. Aelteste
alle thracische Gegenden, die er zuvor nicht berühret
hatte. Commentiolus schlich sich in die Wälder des
Hämus, und entwarfeinen Anschlag, durch welchen
er den Chan in der Gegend der langen Mauer aufzu
heben gedachte. Dieser ward in einer finstern Nacht
ausgeführt, allein durch einen Zufall vereitelt. Ein
Lastthier warf nämlich das Gepäcke ab und wardflüch
tig. Sein Herr schrie ihm nach, und die nächsten
Soldaten, die diesesGeschreyfür ein Warnungszeichen
hielten, setzten es fort, bis daß es im ganzen Heer
allgemein ward. Jeder,der es vernahm, suchte sich
in Sicherheit zu setzen, und eben dieses thaten auchdie
Avaren, welchen man schon so nahe gekommen war,
daß sie das Lärmen hören konnten. Von den Flücht
lingen fammleten sich die Avaren zuerst, und der Chan
erhielt durch einen andern Zufall einen neuen Vortheil
in derGegend des Donauschloffes Apperia im östlichen
Bulgarien. Seine Leute fiengen nämlich einen Sol.
daten dieses Orts Busas auf, und brachten ihn vor
dasSchloß, umein Lösegeld für ihnzuheben. Busas,
der als einer der tapfersten Männer bey der ganzen -
Besatzung bekannt war, bat die Einwohner aufdas
flehentlichte, das Geld für ihn zu zahlen; allein ein
angesehener Bürger, der mit feinem Eheweibeinsge
heim Unzucht trieb, überredete seine Mitgenoffen ihn
nichtzu hören, und die Avaren mit allerley Beschim
pfungen abzuweisen. Diese wollten ihn nun nieder
hauen; allein nicht sowohldie Furcht vor diesem Tode
alsvielmehrdie Rachegegenfeine undankbaren Freunde
veranlasfete ihn, sich das Leben durch den Unterricht
in der römischen Belagerungskunst zu erkaufen. Er
verfertigte sogleich einen Sturmbock, und half den
Avaren, bis daß sie die apperischen Mauren durchge
brochenunderstiegen hatten. Sienutzten daraufdiese
neuerlernte Kunst noch bei mehrern Festungen, '(le
Hungarische Geschichte. 301
bekamen dadurch eine große Beute, die man vom
platten Lande in selbige gebracht hatte. Einige größere
Städte, vornehmlich Beroe, Diocletianopolis, Adria
nopel undPhilippopel wurden belagert, und schlugen
die Stürme mit Mühe ab. Endlich gelang es dem
kaiserlichen Hypofrategus oder Unterfeldherrn Drocto
einem Longobarden, die Avaren beym Entsatz der
Stadt Adrianopel nach einem großen Blutvergießen
fo zu zerstreuen, daß sie das Land diesseits der Donau
verlaffen mußten. DerChan wagte seitdieser Nieder
lage in einigen Jahren nichts Neues; allein er fandte
an alle nordliche und östliche Völker, um ein großes
Heer durch ihreHülfe zu bekommen. Einige Sclavis J. Chr.587,
nen h) freifen über die Donau, wurden aber sehr
baldzurückgeschlagen. Andere Wenden,die sehr weit
von ihm gegen Nordwest an der Ostsee wohnten, schlu
", gen ihm die Hülfe ab, weil sie aufdem Zuge zu ihm
achtzehn Monate gebraucht haben würden; aber erge
rieth darüber in einen solchen Unmuth, daß er ihre
Gesandten zurückbehielt. Der Königder italienischen -
Kongobarden überließ ihm einige Schiffbauleute, die -

für ihn eine kleine Flotte auf der Donau verfertigten.


Als diese vollendetwar, veranstaltete er zu Konstan- J.Chr. sy,
tinopel, durch die Forderung einer neuen Zulage zu
feinem Jahrgelde, einen Friedensbruch. Denn da
der Kaiser ihn abwies, so setzte er über die Donau,
verheerte die Gegend um Mursium oder Effek, schloß
Singidon, welches von den kaiserlichen Feldherren
wieder befestiget und besetzt war, enge ein, und ero
berte durch die longobardischen Schiffe eine 3. in
hra
h) Theophylactus III.4. gebraucht hier den Ausdruck:
Getae feu quod idem et Sclavini, woraus man fichet,
wie wenig man die Gotben deswegen für Gethen hal
ten kann, weil alte Gesichtschreiber ihnen diesen Na
einen geben.
302 XXXIII. Buch. Aelteste
Thracien i). Einer seiner freifenden Haufen wurde
vom Priscus dem Dur der thracischenProvinzEuropa
erlegt, und er selbst mußte die Belagerungder Stadt
Druzipara an der Quelle des Melas und am Fuße
des Gebirges Rhodope aufheben, weil die Bürger
feine Werkzeuge vernichteten. Er trieb zwar darauf
den Priscus in die Festung Tschiurli,die den Zugang
zu Konstantinopel deckte; allein er ließ sich durch eine
erdichtete Nachricht von einer sich nähernden kaiserli
chen Flotte hintergehen, und so sehr schrecken, daß er
für ein sehrgeringes Geschenk den Frieden schloß, und
nach feinem Lande zurückwanderte. -

Die Griechen Eine dervornehmsten BedingungendiesesFriedens


fallen in Sciar war, daß die Ufer der Donau die Gränzen zwischen
vinien. Avarien und dem Kaiserthum seyn, und weder der
Chan, noch auch die Griechen über diesen Strom
kommen sollten. Diese Verabredung ward vom
Priscus sogleich gebrochen. Denn da die moldauischen
Sclavinen unaufhörliche Verwüstungen in Thracien
anrichteten, so hielt es Priscusfür nöthig, siein ihrem
Lande aufzusuchen, undführte daher ein Heer bei Si
listria über den Strom. DerChan beschickte ihn, ehe
dieses geschahe; allein er gab ihm die Versicherung,
daß er den Avaren nicht nahe kommen wollte, voll
J. Chr.592,führte seinen Vorfaß aufdasgeschwindelte, und stieß
aufeinen flavinischen Heerführer Ardagastk), dem
er eine beträchtliche Beute, welche dieser aus Mösien
unddem Uferdaciengeraubt hatte, abjagte ). Darauf
PETs

1) Paulus Warnefridi IV. 21. Die Infel lag vielleicht


in der bulgarischen Donau; denn die Bulgarey wurde
in diesen Zeiten öfters mit zu Thracien gerechnet.
k) Hr. Pray vermuthet in den Annal. Hunnor.p. 123,
daß dieser Ardagast, der obengenannte avarischeBun
desgenoffe Andragast fey.
1) Theophylactus, Theophanes, Anastafius beydem Hrn.
Stritter T.I.p.711.T. II. P. I.p. 56.
Hungarische Geschichte. 303
verheilte er sein Heer,um mehrere Gegenden ausplün
dern laffenzu können, und gieng über einenjetzt unbe
kannten Strom Helibakia. Die Sclavinen verkro
chen sich nach ihrer Weise in die Wälder und Brüche,
oderMoräfte voll Unterbuch. Eine der ausgesandten
kaiserlichen Schaaren gerieth in einen solchen Morast,
undwürde gewiß erlegetfeyn, wenn die Sclavinen in
der Nähe gewesen wären. Diese Gefahr veranlaßte
den Priscus zum Rückzuge. Allein ein christlicher
Gepide, der zu ihm kam, überredete ihn abermals
vorwärts zu gehen, und führte ihn über den unbe
kannten Fluß Papyrius dreyßig römische Meilen weit
zu dem Hoflager des wendischen Königs Musiurgius
oder Musokkius. Dieses erreichte er, so wie der Ge
pide esgewünscht hatte, in der Nacht, und sogleich
fiel er aufden König, der im vollen Schmause seines
Bruders Leiche verbrennen ließ. Der Königund die
Reichsten und Vornehmsten der Nation, die sich hier
pflichtmäßig versammlet und betrunken hatten, tau
melten und schliefen bereits. Daher ward es den
Griechen leicht, ihre Landesleute an den Wendendurch
ein grausames Gemetzelzu rächen. Der große Vor
rath von Lebensmitteln und Schätzen, der an diesem
Orte erbeutet ward, veranlasfete eine sehrgroße Un
ordnung unter den Siegern. Denndiese ergaben sich
derUnmäßigkeit, und wurden dadurchihrem Verder
ben so nahe geführt, daß sie in die größte Gefahr ge
riechen, und Priscus fiel nicht ohne Verlust und mit
vieler Mühe über die Donau zurückbringen konnte.
Im folgenden Jahre besuchte Priscus die Sclavinen J. Chr. 593.
mitgleichem Glück; und er würde wahrscheinlich die
Nation vertrieben oder sich völlig unterwürfiggemacht
haben, wennseineSoldatenzubewegen gewesenwären,
denWinterjenseitsder Donauzuzubringen. Imdritten
Jahre verfuhr er auf gleiche Weise; aber da die JChr: 594
- Scla
304 XXXIII. Buch. Aelteste
Sclavinen sich in ihre unzugänglichsten und geheime
fien Schlupfwinkel versteckt hatten, und er keinen
Feindfinden konnte, so kehrte er bald wiederzurück.
Der konstantinopolitanische Hof, der nachgroßen Tha
ten begierig war, tadelte seine Weise die Wenden zu
behandeln, und derKaiser hatte die Schwachheit ihm
fein Amtzu nehmen, weil er,wie ervorgab, nur zum
kleinenKriege, derden Griechen unanständigen,nicht
aber zu großen Unternehmungen gebraucht werden
könnte. Priscus, der diesen Vorwurfheben wollte,
eilte, ehe sein Nachfolger eintraf, über die Donau;
allein er erlangte nurBeute undGefangene, nicht aber
den gesuchten Ruhm,den Sclavinen eine entscheidende
Schlachtgeliefertzu haben. Der Chan der Avaren,
der sich bisher ihm nicht hatte widersetzen mögen,gieng
ihm aufdem Rückzuge mit einem beträchtlichen Heere
jenseits der Donau entgegen, und verlangte für die
Erlaubniß, daß er durch das Land der Avaren unan
gefochten gehen dürfte, die erbeuteten ausländischen
Gefangenen, die Priscus ihm auch laffen mußte.

o, „ Petrus, der Bruder desKaisers Mauritius, wel


fechtenmitden cher den Priscus ablösete, verließ die Hauptstadt mit
Franken. einer großen Erwartung; allein gleich feine erste aus
*** gesandteSchaar von tausendMann schlugdiese nieder,
weil sie bey dem ersten Anblick einer flavinichen Räu
berbandevon fiebenhundert Mann zwischen Aquä und
Skopi(ander servisch-bulgarischen Gränze)die Flucht
nahm, und diese Sclavinen mit großer Beute und
vielen Gefangenen über die Donau zurückgehen ließ.
Der avarische Chanwar zudieser Zeit seinen Zinsleu
- ten im Wendenlande ander Murzu Hülfe geeilet, und
rettete diese nicht nur, sondern erlegte auchzweitausend
Bayern, die, vermuthlich aufBefehldes fränkischen
Königs, diese Wenden oder Sclavinen hatten unter
'- -

- - jochen
Hungarische Geschichte. 305
jochen wollen m). Er wandte darauf die Waffen
gegen die Franken felbst, die damals durch den Tod
desKönigsChildebert unter die Herrschaft zweyer min
derjährigenPrinzen TheudebertundTheuderichgerathen
waren, und fiel aus Pannonien in Thüringen ein.I.Chr. 596.
Allein die Regentin Brunichild stillete seinen Zorn
durch Geldn). Der kaiserliche Feldherr Petrus gieng
mit feinem Heere nach Novi, um einige wendische
Räuber aufzusuchen, und fand einenfriedfertigenHau
fen Bulgaren, den er ohngeachtet derVorstellung,daß
die Bulgaren Schutzverwandte des Kaisers wären,
angriff, aber nach einer großen Niederlage verlaffen
mußte. Die Bulgaren forderten den Chan als ihren
Oberherrn zur Rache auf, und dieser eilte von einem
fo günstigen Vorfall Vortheilzu ziehen. Petrus war
fo wenig geneigt, fich dem Chan zu widersetzen, daß
er zu einer unanständigen Erdichtung eine Zuflucht
nahm, und den avarischen Gesandten beheuerte,daß
die Beleidigung der Bulgaren ohne sein Wissen ge
fchehen fey. Diese Entschuldigung hat dem Chan
keine Genüge. Daher gab ihm Petrus alleBeute,die
er von den Sclavinen erhalten hatte, welche ihn end
lichzum Schweigen brachte. Darauf setzte Petrus
über die Donau, und schlug und erschoßden flavini
fchen Heerführer Peiragast, der sich ihm am Ufer
widersetzte. Die Sclavinen verbargen sich, und er
verheerte alles nahegelegene Land. Endlich verirrete
sich eine feiner Schaaren am Fluffe Helibakkios, und
ward von den Sclavinen überwältigt. Dieser Unfall
zwang ihn zum Rückzug, und sein Bruder, der Kai
fer, der nun merkte, daßPriscus ein besserer Mann
für
m) Paulus Warnef IV. 11.
n) Ibid. IV. 12.p.457 edit. Murat. Pray Ann. Hunn.
p. 228.
Allgem.WeltgXV.B.I.Abch. U
306 XXXIII. Buch.Aelteste
für diese Gegend sey, riefihn zurück, und setzte den
Priscus wieder in sein ehemaliges Amt eines Dur von
Thracien ein.
J.Chr. 597. Der Chan erhielt zu dieser Zeit zehntausend neue
Unterthanen aus den Völkerschaften der Tarniachen,
Katzagaren (Chasaren), Var und Chunni und Za
bender, die von den Türken aus den Gegenden am
schwarzen Meere und der Wolga vertrieben worden
waren o). Priscus fand das Heer, das er vor kaum
anderthalb Jahren in einem sehr guten Zustand ver
laffen hatte, außerordentlich geschwächt und muthlos.
Dennoch trieb ihn der Ehrgeiz an,denjetzt so sehr ge
färktenChan Bajan zum Kriege aufzufordern, um
durch ihn Lorbeern und einen nochgrößern Vorzugvor
dem abgedankten Dur Petrus zu erlangen. In die
fer Absicht führte er sein Heer plötzlich bey dem obern
Noviüber die Donau an diejetzige hungarisch-wala
chische Gränze und in das Gebiet des Chans. - Der
Chan, der sich vor seiner Einsicht in Kriegesfachen
fürchtete, beschwerte sich bei ihm überdiesen Friedens
bruch; aber er behauptete, er stehe aufaltem griechi.
fchen Boden, undhabe blos die Absicht sich mit der
Jagdzu belustigen. Die vorheilhafte Stellung des
Priscus machte es dem Chan bedenklich ihn anzugrei
fen, und er beschloß ihn durch einen Einbruch in das
kaiserliche Gebiet über die Donau zurückzubringen.
Daher überfieler die Stadt Singidon, und schleifte,
da sie ihm geöffnet worden war, ihre Mauern. Die
fmohngeachtet blieb Priscusaufseinem Platze. Der
Chan schlug eine persönliche Unterredung bei Constan
tiola vor; aber diese vergrößerte nur denZwist, den
fie dämpfen sollte. Priscus sagte ihmmit allem römi
schen Stolze, daß er mit größter Undankbarkeit fich
eines alten römischen Landes anmaße, in welches der
Kaiser
o) Theophylactus VII. 8. -
Hungarische Geschichte. 307
Kaiser aus Mitleiden ihn als einen vertriebenen afia
tischen Flüchtling aufgenommen habe; und der Chan
antwortete mit Drohungen, und versicherte, daß er
sogleich funfzig römische oder griechische Städte in die
Asche legen wolle. Er besetzte darauf Singidon mit. Die Avarett
Bulgaren, undzog mit seinem Heere nach dem ioni- ä “
fchen Meere oder in die Gegend von Durazzo.Priscus
warf die Bulgaren aus Singidon, und beschäftigte
fich mit der Wiederaufbauung der Mauern dieser
Stadt. Allein der Chan vollführte seine Drohung
undzerstörte die dalmatische vornehmste Stadt Balben J. Chr. 59
oder Blachina, nebst vierzig umliegendenfesten Oer
ternp). Er vereinigte sich ferner mit den longobar
dischen und fränkischen Königen, wie auch einigen
Sclawinen, und verheerte mit diesen Istrien q). Die
dalmatische reiche Beute fandte er unter einer Bede
ckung von 2000 Mann nach Dacien, er selbst aber
wollte sich in Dalmatien völligfestsetzen. Sein Geg
ner Priscus schien dieses alles ungerührt anzusehen;
allein plötzlich zeigte sich Gudoin einer feiner ausge
fandten Tribunen mitten in den dalmatischenGebirgen,
und hob jene Bedeckung mit aller Beute auf. Dieses
Unglück erschreckte den Chan so sehr, daß er eilfertig
in sein Reich zurückgieng. „---

Priscushoffe im folgenden Jahre den Chan züJ. Eh Fos.


einer Schlacht jenseits der Donau zu zwingen; allein
der Chan blieb bey seinem Entwurfe, gab ihm gleich
U 2 fam

p) Die ältern Schriftsteller (f, Hr. Stritter Mem. T.


I. p.722, und Hit. Mifell ap. Muratori I. 119.)
nennen die Hauptstadt Bagkeis, Balcha, Balben,
Baleam und Blachina, lauter Namen, die unter sich
fo fehr als von dem Namen der wahren Hauptstadt
Salona abweichen. Vielleicht foll Blachina, Blans
dona (jeztZara Vecchia) feyn.
q) Paulus Warnefridi IV. 25.p. 461 edit. Murat
3O8 XXXIII.Buch. Aelteste
fam das avarische Reich preis, wandte sich nach dem
zweyten Mösen und Scythien, und belagerte die
Stadt Tomi. Das Heer des Priscus war zu einer
Eroberungdes awarischen Reichs zu schwach, undalso
mußtePriscus sichzurückziehen. Er folgte daher dem
avarischen Heere und lagerte sich neben demselben vor
Tomi, weil er nicht einmal Volk genug hatte, um
diesen Ort zu entsetzen. Er errichtete mit dem Chan
zur FeyrungdesOsterfestes einen Stillstand, und der
Chan schenkte ihm dazu vierzig Wagen mit Speise
und Getränke, an welchen es ihm sehr mangelte. Die
Belagerten hatten ihre Hoffnungaufein anderesHeer,
welches ihnen Commentioluszuführte, gesetzt; allein,
der Chan schlug dieses bey Drizipera, und Commen
tiolusflohe. Diese Niederlage vernichtete alle Anfal
ten, die manzu Konstantinopelgemachthatte, so sehr,
daß das Volk und der Hof in Furcht und Schrecken
gerieth und den seltsamen Anschlagfaffte, die Refi
denz zu verwüsten, und in Kleinasien eine fichrere
Reichshauptstadt aufzubauen. Der Kaiser erholte
fich endlich von seiner Verzweiflung, und rückte mit
den Leuten, die er zusammenbringen konnte, bis vor
die lange Mauer; und die Bürger erhielten nachher
auch Muth, setzten aber die innern Zwistigkeiten der
beyden Rotten, in welche sie sich schon lange geheilet
hatten,fort, und vergaßen, daß sie der großen Gefahr,
in welcher fiel kurz zuvor zu feyn glaubten, noch gar
nicht entronnen wären. Endlich verschafftendienatür
lichen Folgen einesKrieges, der auffraßenräuberische
Frieden mit Weise geführet war, dem Reiche den Frieden, den es
"'“ durch dieWaffen wohl schwerlich erhalten konnte. Aus
der vorgedachten Hungersnoth entstanden nämlich an
steckende Krankheiten, an welchen der Chan fieben
Söhne verlor. Dieser Trauerfall beugte denChan so
sehr, daß er den Friedensvorschlägen Gehör gab, und
enda
Hungarische Geschichte. 309
endlich denFrieden aufziemlich billige Bedingungen
zu Drizipera abschloß. Er genehmigte, daß die
Donaudie Gränze des römischen Reichs bleiben sollte,
und gestand den Römern das Recht zu, über diesen
Strom zugehen, wenn ein Zug gegen die Sclavinen
es nöthig machte. - Der Kaiser verpflichtete sich zu
einem neuen Jahrgelde von 20 oder 30,000 Aureis;
allein zu der Auslösungder Gefangenen wollte er sich
nicht verstehen, ohngeachtet der Chan den Preis eines
Kopfs bis aufvier Ceratia (ohngefähr 14 ggr. Con
ventionsmünze) herabließ. Diese Härte kostete den
Unglücklichen insgesamt das Leben r), wurde aber
vom Kaiserfür eine gerechte Bestrafungverabsäumter
Kriegspflichtgehalten. Der Chan merkte, daß ihn
diese Grausamkeit in ein übles Gerücht brachte, und
fuchte die Veranlaffungdesselben aufden Commentio
lus zu schieben. Er erreichte auch feinen Zweck so
weit, daß Commentiolus vom illyrischen Heere der
Verrätherey beschuldiget ward. Allein der Kaiser
hemmete den Fortgang seiner List durch ein niederge
fetztes Gericht, welches den Commentiolus nach einer
fcharfen Untersuchungfrey sprach,und fandte den Com
mentiolusals Dur zumPriscus an die Donau. Zu
gleichgab er insgeheim beiden Befehl, den avarischen
Frieden zu brechen. -

Commentiolus begab sich, um seinem Herrn zu Neuer Krieg


gehorchen, bey Viminiacum oder Uipalanca in Ser
vien über die Donau, ward aber fiech, und blieb auf
der Insel, die vor diesem Orte liegets). Der Chan J. Chr. sse.
U 3 fandte
r) Theophanes. Cedrenus und Zonaras bey dem Herrn
Stritter a. O. I Th. S. 731. Einige Gelehrte zwei
feln an der Aufrichtigkeit dieserGeschichtschreiber. S.
die Allgemeine Weltgesch. nach dem Plan W.Gu
tbrie und J. Gray V Th. IB. S. 335.
s) Hr. Pray IIBuch S.234. Griechische Schriftsteller
bey dem Hrn. Stritter ITh.S.733.
310 XXXIII.Buch. Aelteste
fandte, sobald er dieseshörte, eineausgesuchte Schaar
Avaren an die Donau, unterder Anführungvier fei
ner Söhne. Allein die Römer, deren Tapferkeit
durchRach begierdeundZorn angeflammet ward, schlu
gen ihre Feinde vom Uferhinweg, und verschanztensich
im avarischen Gebiete. Priscus, der erst nachher zu
ihnen kam, lenkte ihren Muth mit so vieler Geschick
lichkeit, daßalle Versuche des Chans, diese Schanze
zu erobern, nicht nur vergeblich waren, sondern auch
ihm viele Leute kosteten. In den ersten drey Tagen
' Angriffe ward er jedesmal mit großem Verluste
abgeschlagen. Am vierten ward sein Heer in einen
See getrieben, in welchem nebst vielen andern auch
feine vier Söhne ertranken, er aber entkam kaum bis
an die Theyß. An dieser fammlete er die Flüchtigen
und viele neue Kriegesleute. Allein Priscus fuchte
ihn auf, und zerstreuete das Heer am siebenten Tage
nach einer schweren Niederlage. Darauffandte Pri
fus viertausend Mann über die Theiß, welche auf
dren gepidische Dörfer stießen, deren Einwohner nach
alter deutschen Sitte ein Fest im Schmause feyerten,
ohne sich durchdie Gefahr schrecken zu laffen, und nun
in ihrer Völlerey bey dem Anbruch des Tages nieder
gehauen wurden. FünfTage später oder amzwölften
Tage nach der ersten Verschanzung der Römer,wagte
der Chan ein neues Treffen an der Theyß, welches
ihm3000Abaren, 6200 Gepiden und andere Schutz
verwandte, 8000 Slaven, die insgesamt gefangen
wurden, ohne die Getödteten, kostete. Diese Gefan
gene wurden sogleich nach Tomigesandt. Allein der
Chan brachte die Avaren durch List wieder in seine Ge
walt. Denn er sandte nachKonstantinopel, und for
derte diese Leute mit vielen Drohungen zurück, und
der Kaiser Mauritius, der von den Siegen feines
Heeres nichts wußte, ließ sich hintergehen, und gab
- - - dem
- Hungarische Geschichte. 311
dem Priscus Befehl, die avarischen Gefangenen aus
zuliefern. Seit dieser Zeit trat Petrus, Prätor von J. Chr.603.
Europa in Thracien,(desKaisers Bruder,) abermals
aufden Schauplatz; allein er hielt sich den Sommer
über ganz ruhig im Lager bey Palastolust). Der
Chan versammlete ein Heer bey den Wafferfällen der -

Donau, und wollte solches durch seinen Feldherrn


Apsich in Illyrien finden; dieses veranlasfete den Pe
trus, sich im Herbst nach der dardanischenGränze zu
ziehen, umden Uebergang zuhindern. Apfcherfluchte
ihn um ein Gespräch am Ufer der Donau, und that
Friedensvorschläge, die dem Petrus gefielen. Der
Chan zog sich, um diesen unvorsichtigen Kriegesmann
treuherzigzu machen, nachConstantiola, und Petrus
gieng darauf nach Thracien zurück. Gleich darauf
schlich fich der Chan über die Donau, und faßte den
Anschlag Konstantinopel unerwartet zu überfallen.
Der Kaiser, dem dieses verkundschaftet ward, befahl
dem Petrus sogleichzurückzueilen, unterwarfihn den
Befehlen eines höhern Feldherrn Bonofus, und sandte
eine Flotte unter der Führung desGeduin in die Do
nau. Diese setzte desPetrusHeer im nächsten Som J. ehr. se.
mer über den Strom, und blieb, bisdie Wendenge
schlagen und ausgeplündert waren. Der Chan rächte
Die Mänken
die Niederlage dieser Bundesgenoffen an den Anten u), werden vertil
welche im römischen Schutze fanden, und schwächte gelt.
diese Nation, die vermuthlich noch in der Moldau
wohnte, so sehr, daß sie gänzlich aufhörte. Allein
U4 eine

t) Palafokus scheint einSchreibfehler zu seyn, undDu


roffolum oder Silistria anzudeuten. Constantiola ist
vielleicht das Constantiniana jenfeits der Donau inder
Gegend von Brakilow, und die Wafferfälle der Donau
sind die Ruinen der trajanischen Brücke in Servien.
u) Hr. Stritter L 739. Einige Schriften haben Arten
-
für Anten, aber nur durch einen Schreibfehler.
-
312 XXXIII.Buch. Aelteste
eine beträchtliche Menge seinerKriegesleute verließihn,
und gieng zu dem kaiserlichen Heere über. Dieses
sollte vermöge des kaiserlichen Befehls im Wendlande
überwintern; allein die Soldaten schützten die Kälte,
die Unsicherheit, den Mangel der Pferde und Fütte
rung, und andere Dinge vor, und weigerten sichjen
seits der Donau zubleiben. Ihre Hartnäckigkeit war
fo groß, daß Petrus fie aus Furcht verließ, und
zwanzig Stunden weithinter dem Lager in Mösien fein
Standquartier nahm. Er bemühete sich, sowohl fie
als auch den Kaiser vonihrem Entschluffe abzubringen;
allein er kam nicht zum Zweck. Der Kaiser wollte
die Fütterung undSpeise, die sie aus einem Magazin
empfangen mußten, sobald sie diesseits der Donau
fanden, ersparen, und das eigenwilligeHeer war nicht
geneigt, in Unruhe zu einer Zeit zu sein, in der es
keine Beute machen konnte. Das letztere warf einen
gewiffen Phokas zu seinem Anführer auf, gieng vor
Afema überv) nach Clarica, vernichtete daselbst einige
Wohnungen der Ausländer, bauete sich Schiffe, setzte
mit selbigen über die Donau, kam nach Konstantino
pel, nahm den Kaiser Mauritius gefangen, und
setzte seinen Führer Phokas im Anfange des Novem
bers aufden kaiserlichen Thron. Der avarischeChan
folgte ihm umd verheerte Thracien, bis daß Phokas
ihm ein so großes Jahrgeld versprach, als er for
derte.
Dalmatien Seit dieser Zeit fieng der Chan an, sich in die
wird von den
Abaren ero
italienischen Begebenheiten zu mischen, und es scheint
bert. daß er kurz zuvorzuden völligen Besitze Dalmatiens
durch
v) Hr. Stritter II.70. Alema scheint Anfamus, und
Clarica Securifa zu feyn. Beyde Oerter waren im
zweyten Mösien oder in der Bulgarey. Jener in der
Gegend, wo der Lom in die Donau fließet, dieser am
Somnovikerfee.
Hungarische Geschichte. 313

durch folgende Begebenheit gekommen fey, von der


wir das eigentliche Jahr nicht wissen x). Die dal
matischen Besatzungen pflegten alle Jahr tausend
Reuter nach Dioclea (ohnweit Ragusa) zu finden,
welche von dortaus amOsterfestan die Donau rückten,
und andere tausend Mann, die die Wächterdes vori
gen Jahrsgewesen waren, ablöseten. Dieser Ge
brauch blieb, nachdem Dioclea verwüstet war; nur
wurde der Sammelplatz nach Salona verlegt. Von
hierab pflegten die Gränzbewahrer nach Clausura oder
U 5 Kliffa

x) Der Kaiser Constantinus Porphyrogennetagiebt in


feinem Werke von der Regierungdes römischen Reichs
zweymal, c. 29 und30, Nachricht von dieser Begeben
heit, weicht aber in den Erzählungen bey Nebendingen
öfters ab. Die Begebenheit sollgeschehenfeyn, ehe die
Chrobaten nach Dalmatien kamen, und nachdem die
Sclaven fchon alle dem Chan gehorchten. Einige fe
zen sie in das Jahr 598, da der Chan wirklich Dal
matien eroberte, aber auch wieder verließ. Aber da
mals war keine folche Ruhe an der Donau, daß die
falonischen Wachen unbemerkt im Lande der Avaren
raubenkonnten. Vielmehr stand da, wo diesesgeschehen
feyn foll, Priscus mit feinem Heere. Ueberhaupt hat
aber die ganze Erzählung dasAnfehen einer Sage oder
Volksüberlieferung. Dioclea gieng im Jahr 598 an
die Avaren über, und warb wahrscheinlich gänzlich
zerstört und verwüstet. Cliffa war sehr weit von der
Donau, und zum Standquartier eines Beobachtungs
heeres nicht fehr geschickt, weil es diesseits der Gebirge
lieger. Nach dem neuern Bericht des Archidiaconus
von Spalatro, welcher im 13ten Jahrhundert schrieb,
(Hr. von Schwandtner Script. rer. Hungar. T. III.
p. 545.)flohen die Salonitaner, welche dem awarischen
Schwerdte entrinnen konnten, aufdie Inseln, kehrten
aber bald nachher in die alten Paläste des K. Diocle
tianus zurück, in welchen sie alle Platz hatten. Die
neue Stadt, die daraus entstand, behielt den Namen
Palatium, und heißt jetzt Spalatro.
314 - XXXIII.Buch. Aelteste
Kliffa zuziehen, und dann einzelne Partheyen an die
Denau zu schicken. Diese glaubten, daß das nächste
Land eine Wüsteney fey, weil sie keine Häuser sahen,
und die Abaren vermutheten eben dieses von demge
birgigen Dalmatien. Die Abaren trenneten sich daher
im Sommer von ihren Weibern undKindern, ließen
diese für die Fütterung sorgen, und giengen aufgutes
Glück und Raub aus. Die falonitanischen Wächter
wurden von einer Neubegierde angetrieben,das Land
jenseits der Donau zu untersuchen, und stießen auf
einige Wohnungen oder Meiereyen, welche fiel aus
plünderten und verheerten. ImHerbste kehrten die
Männer zu ihrer Heimat zurück, fanden die Verwü
fung, undkonnten nicht erfahren, wohin ihreWeiber
gekommen waren. Sie faßten daher den Anschlag,
im nächsten Sommer fich zuverbergen, und aufdie
Räuberzu warten. Diesesgeschahe. Die neue rö
mische Wache kam wieder über die Donau, und ward
von den Abaren aufgehoben. Die Abaren kleideten
fich in den erbeuteten Anzug, prefften den Gefangenen
die geheimen Wahrzeichen ab, kamen zu der bestimm
ten Ablösungszeit als Römerzurück, wurden in Kliffa
und nachher in Salona eingelaffen, und nahmen diese
Festungen nebst allen dalmatischen Oertern, außer den
Seestädten Ragusa, Spalatro, Trau, Zara und den
Inseln, Arbe, Viglia und Osorno, in Besitz,
J. Chr. 605.
Die Avaren
Diese Eroberungmachte die Abaren und Longobar
fechten in Ita den abermalszu Nachbarn. Der longobardischeKönig
lien. Agilulfzogvon diesem Umstande einigen Nußen; denn
er erhielt vom avarischen Chan einige clavische Hülfs
völker, mit deren Hülfe er den Griechen in Italien
verschiedene Oerter, unter andern Cremona undMan
tua abgewann y). Aber baldnachher änderte sich die
Gesin
y) Paulus Diaconus de gestis Longob. IV.29 edit.Murat.
I. 462.
Hungarische Geschichte. 35
Gesinnung desChans; denn der Chan brach mit einer J. Chr. 6ne.
sehr großen Macht in Oberitalien ein, und erlegte den
longobardischen Herzog Giulfvon Friaulz). Die
geschlagenen Kongobarden retteten sich in sieben feste
Plätze, welche der Chan nicht anzugreifen wagte.
Nachdem er alles platte Land verheeret hatte, zog er
vordie StadtFriaul, um zuversuchen, ob er selbige
nicht erobern könnte. In dieser Festung hielt sich
Romhild des Herzogs Wittwe mit ihren Kindern auf,
und die Neubegierde verleitete diese Prinzessin öfters
in dasFeldzu sehen, um ihren Feind kennen zu lernen.
Seine Jugenda) und Größe nahmfiebald so sehr ein,
daß sie sich bis zur Unvernunft verliebte, und ihren
Trieben und Begierden ihre Kinder und Unterthanen
aufzuopfern beschloß. Daher ließ sie dem Chanins
geheim die Ehe unter der BedingungderOeffnung der
Stadt antragen. Der Changab ihr Gehör, ward
eingelaffen, machte alle Einwohner zu Sklaven, und
legte die Stadt in die Asche. Daraufführte er die
- Gefan
z) Ib. IV. 38.p.466. Die Veranlassung dieses Ueber
falles fcheint von den Sclaven herzurühren, von wel
chen einige durch die Herzoge von Friaul unterjocht
waren. Diesengehörte diefogenannte wendische Mark
oder das Land zwischen den Flüffen Gurk, Kulp und
Sau, Gifulfs Söhne herrschten über das LandZellia
bis Medaria, oder nach Hr. P. Cäsar Auslegung in
Annal. Ducat.Styriae T. 1.Se&t.VII, von Zilley bis
an das Mednitzerthal, welches damals vielleicht mit
zu der wendischen Mark gerechnet ward. Da der Chan
der Avaren einiger Oberherr aller damaligen Sclaven
war, fo konnte ibm die Errichtung der wendischen
Mark nicht gleichgültig feyn.
a) Dieser Chan war nicht jenerBajan; denndessen Name
wird seit 582 bey keinem Schriftsteller gefunden. Weil
die Abendländer den Ehrentitel Chagan oder Chan für
einen Namen hielten, fo haben sie die Nachfrage nach
den wirklichen Namen aus der Achtgelaffen.
316 XXXIII. Buch. Aelteste
Gefangenen nach der Donau, und täuschte sie mit der
Hoffnung, daß er ihnen in ihrem alten Vaterlande
Pannonien Wohnungen anweisen wollte. Allein er
verfuhr gegen die Verrätherin und gegen die Verra
themen gleich treulos. Jene nahm er auf eine Nacht
in sein Bette, übergab sie nachher einigen Soldaten
zum Muthwillen, und ließ sie endlich lebendig spießen.
Die gefangenen Männer undJünglinge ließer in einer
Gegend, die das heilige Feld hieß, umbringen, und
die Frauen, Mädchen und Kinder verkaufte er. Den
noch entrannen drei Söhne des Herzogs, die nachher
ihre Nation an ihm rächten.
Der Chan In Konstantinopel hatte inzwischen ein großer,
fucht zum er
ftenmal Kon muthiger und kriegerischer Feldherr,Heraklius, den
stantinopel
erobern,
zu Phofas gestürzt, und das Reichan sich gebracht. Der
Chan beschloß zu versuchen, ob es ihm nicht möglich
fey ein Reich zu erobern, welches eine Zeit her nur
dem Stärkern ohne Rücksicht auf Erbfolge oder freye
Wahlzugefallen war. Hierzu dachte er sich einen
listigen Entwurfaus,derihmbeinahe gelungenwäreb).
J. Chr. 619 Er ersuchte den Kaiser um die ErneuerungdesFreund
schaftsbündniffes, und bat um eine Unterredung mit
ihmzu Heraklea. Der Kaiser, der alle seine Gedan
ken aufdie Ueberwindung derPerfer richtete, bewilligte
beides sehr gerne, und machte große Zurüfungen zum
prächtigen Empfange des Chans in Heraklea. Er
ließ sogar Anstalten zu Schauspielen und Wettrennen
machen, welche alles, was man in der Residenz bis
her gesehen hatte, übertreffen sollten, undzog im kai
ferlichen Schmuck mit einem großen Gefolge der
Reichsten und Mächtigsten des Reichs dem Chan bis
Heraklea entgegen. Zu seinem Glücke merkten einige
aus der Begleitung, daß in den Wäldern, durch die
erziehen mußte, Avaren versteckt lägen, und gaben
ihm
b) Hr. Stritter ITh. S. 741.
Hungarische Geschichte. 317

ihm davon Nachricht. Erbegriff sogleichdieGefahr,


und die Absicht desChans, verkleidete sich geschwind,
und jagte aufdas eilfertigste zurück. Die Avaren
fielen ein wenig zu spät aus dem Hinterhalte, und
verfehlten zwar den Kaiser, bekamen aber alle kaiser
liche Kleidungen und Geräthschaften, die theatralischen
Maschinen, und eine große Menge der reichsten kon
fantinopolitanischen Einwohner, die, ausBegierde die
Feyerlichkeiten zu sehen, nachHeraklea eilten, in ihre
Gewalt. Die Avaren hieben nach ihrer Weise viele
von diesen unglücklichen Vorwitzigen nieder, nahmen -
über 2,00 Personen gefangen, und eilten nach
Konstantinopel, um mit den Flüchtigen in die Stadt
zukommen. Diese Absicht wurde durch die Besatzung
vereitelt, daher begaben sie sich zurück, und zogen mit
sehr großen Schätzen nach ihrem Lande. Der Kaiser
war ein so großer Staatsmann, daß er die Rachbe
gierde dem Staatsnutzen aufopferte, und durch Ge
fandte an einem dauerhaften Freundschaftsbunde arbei
ten ließ. Der Chan schien sichzu schämen, versprach
eine Genugthuungfür seine Treulosigkeit, und vollzog
den Bund. - Von diesem hoffte der Kaiser, daß er
dauerhaft seyn werde. Daher hörte er auf,in Betracht
feiner europäischen Staaten besorgtzu seyn, und gieng
nun mit seiner ganzen Macht nach Perfen. Um die
Sicherheit an der Donau auf das vollkommenste zu
befestigen, lieferte er dem Chan viele vornehme grie
chische Kinder und selbst einen natürlichen Sohn zu
Geißeln aus,verschriebihm ein Jahrgeld von 200.000
Aureis, und empfahl ihm die Beschützung seines J.Chr. 6a,
Thronfolgers während seiner Abwesenheit aus Eu
ropa.

nichtDer Chan
sowohl hieltsich nunund
ausEhrlichkeit vierJahrehindurch ruhig,z:
Treue, als aus Noth Des Chans
Vers

denn er hatte mit den Böhmen zu kämpfen, sch


- LINE
313 XXXIII. Buch. Aelteste
seinerHoheit entzogen. Am Ende dieser Frist wandte
sich der persische König an ihn und die Bulgaren,
Sclaven und Gepiden c), und bat, die kaiserliche
Residenz von der europäischen Seite alsdann anzugrei
fen, wenn ein eigner Feldherr, Sarbarus, die von der
Seeseite belagern würde. Sarbarus kam im nächsten
Jahre bis Chalcedon, und schloß diese Stadt ein,
weil sie ihn vom Uebergange nach Europa abhielt.
I.Chr. 626. Der Chan führte 30,000 Mann auf ausgehöhlten
Bäumen über die Donau, hinterließ einen Theil der
selben vor Melantias in Thracien am See Marmara,
und berennete mit dem andern am 20. Julius Kon
fantinopel. Am dritten Tage darnachfellete er eine "
Menge nackterSclavinen oderWenden um dieStadt
mauer,hinter diese einige Glieder gewaffneterMänner,
und endlich feine gesamte avarische Kriegesmacht, in
der Hoffnung, die Bürger entweder durch Schrecken
zu der Uebergabe, oder auch zu einerSchlacht zu ver
leiten. Da ihm dieses nicht gelang, führte er die
damals gewöhnlichen Belagerungshürme auf, und
that öfters den Belagerten den Vorschlag, ihm ihre
Güter zu übergeben, wogegen er fie frey zum Sarba
rus geleiten, und dort für ihre Sicherheit sorgen
wollte. Die Bürger, welche wußten, daß ihr Kai
fer überall fiegte, und die Treulosigkeit des Chans
kannten, auch noch keinegroße Gefahr sahen, wiesen
feine Abgeordnete ab, und demüthigten ihn durch List
und Tapferkeit. Er hatte den Sclavinen befohlen,
die Stadt, sobald er auf einem gewissen Thurme ein
Zeichen durch angezündetes Feuer geben würde, an
der Wafferseite zu stürmen; allein der Patricius Bo
nofus, der die Vertheidigungder Stadt übernommen
hatte, erfuhrden Anschlag, ließ dasZeichen zu früh
geben,
c) Chronicon pafchale, Theophanes u. a. bepm Herrn
Stritter ITh. S.745. II,71.
Hungarische Geschichte. 319
geben, und bekam die Sclavinen insgesamt gefangen,
oder fegelte sie in den Grund. Gleich daraufmußten
andere Sclavineneinen ähnlichen Versuch machen,der
aber eben so unglücklich für sie ausfiel, nur mit dem
Unterschiede, daßdiejenigen, die an das Ufer kamen,
zum Theil den armenischen Hülfsvölkern der Griechen
in die Hände fielen, zum Theil aber im Lager derAva
ren auf Befehl des ergrimmetenChans niedergehauen
wurden. Der Chan begriffendlich, daß er die Stadt
nichtwerde erobern können, und verließ sie mit großen
Drohungen. Allein er konnte diese nicht erfüllen,weil
mit diesem Zuge die avarische Machtgänzlichgebro
chen wurde. Viele schatzpflichtige Nationen, die,
weil der Kaiser die Perser durchviele Niederlagen de
mühlgte, eine Zuversicht zu dem Glück der griechi
fchen Waffen bekamen, kündigten ihm die Unterhä
nigkeit auf, und er konnte sie nichtzum Gehorsam zu
rückführen. Sein Reich hatte bisher alles Land zwi
fchen dem dalmatischen Meere, dem Montenegro,dem
Drino undSau, den Alpen, derKulp, der norischen
Gränze, der Donau,und der heutigen oberpfälzischen,
fränkischen, obersächsischen und lausitzischen Gränze,
ferner das Meiste vonPolen, etwasvon Rußland und
das tatarische Land zwischen dem Don und schwarzen
Meerebegriffen; allein nun riffen sichvon selbigem alle
flavinische Völker in Böhmen und Mähren ab. An
dere Sclavinen nahmen ihm Szlavonien, Bosnien
und Dalmatien. Die hungarischen, fiebenbürgischen Das avarische
und moldauischen Sclavinen entzogen sich der Schatz- “
pflichtigkeit, giengenzum Theil tiefer im Norden hin
ein, wo sie nachher das russische Reich stifteten, und
die Kutriguren oder Unnogonduren begaben sich unter
den Kaiser. Die Avaren behielten daher nur Panno
nien, Hungarn und Siebenbürgen, und wurden so
fehr
320 XXXIII. Buch. Aelteste
sehr entkräftet, daß sie gegen den griechischen Kaiser
nichts weiter unternehmen konnten. -

Die Böhmen Die wendische Empörung brach zuerst in Belo


und Sorben
machen, fich Chrobatia, oder dem weißen und großen Kroatien,
frey. welchesjezt Böhmenheißt, aus. Die Avaren, die
nach der Weise aller ungesitteten Menschen eine Größe
in der Härte des Jochs fuchten, welches sie ihren Un
terthanen auflegten, pflegten jeden Winter im Lande
der Chrobaten oder Hruaten zuzubringen, und dann
sich aller Weiber undTöchter zu bemächtigen, bis daß
fie sich gesättiget hatten, und mit den eingetriebenen
Schatzgeldern zurückkehrten. Sie achteten ferner die
Sclavinen so geringe, daßfiefie, so wie noch in der
letzten konstantinopolitanischen Belagerung geschehen
war, angefährlichen Oertern allein fechten ließen, und
erst zutraten, wenn sie merkten, daß ihre Niederlage
zu stark werde d). Sie gaben ihnen sogarden roma
mischen Spottnamen Bifulci (Ochsentreiber), sagten
den Kaisern bei ihren Unterhandlungen öfters öffent
lich, sie wollten ihr Reich durch solche Leute verwüsten
laffen, deren Verlust, wenn sie erschlagen würden,den
Avaren sehr unwichtigfey, und fandten, wenn sie die
Drohung erfülleten, blosSclavinen über die Donau.
Die östlichen Sclavinen in der Walachey und Moldau
rächten sich an ihnen bei jeder Gelegenheit durch Wei
gerungdes Zinses; allein die westlichen in Böhmen
und Mähren warengeduldiger. Aus der Vermischung
der Avaren mit den böhmischen Frauen entstand ein
neues Geschlecht unehlicher Kinder, die von den ava
rischen Vätern verkannt und von den Anverwandten der
Mutter gehaft wurden. Diese rotteten sich zusam
men, und brachten endlichalleHruater in die Waffen.
Mitten unter den Zurüfungen zum Zuge gegen die
Avaren, kam ein fränkischer oder brabandischer '
dels
d) Fredegarius c.48. Hr. Pray 1. c.p. 242.
Hungarische Geschichte 321
delsmann Samo nach Böhmen, welcher sich erbot, -

die unerfahrnen Kriegsleute in der fränkischen Kriegs


kunftzu unterrichten, und selbige so geschickt anführte,
daß die Avaren alle Schlachten verloren e). Die
Hruater erwählten diesen Mann aus Dankbarkeit zuJ. Chr.,63.
ihrem König, und er fochte in denfünfund dreißig
Jahren, in welchen er herrschte, unaufhörlich und
mik

e) Das Reich des Samo wird von einem alten Schrift


feller, der aber wenigstens zweyhundert Jahr nach
Samos Tode geschrieben hat, in Kärnthen, von eini
gen neuern im Gegentheil in Pommern gesucht. Die
letzte Meinung gründet sich auf den Namen eines
Schloffes des Samo, Wogaft, welches einige für
Wolgast in Pommern halten, von andern aber, weil
es an der flavifch-avarischen Gränze lag, richtiger in
Steyermark, Kärnthen, oder Oesterreichgesucht wird.
Kärnthen mag nordlich der wendischen Mark wohl zu
Samos Reich gehört haben; allein da dieses Reich an
die Alemannen, Baiern, Franken, Thüringer, Sach
fen und Sorben gränzte, undKräfte genug hatte,die
fen Völkern und den Königen der Avaren und Franken
zu widerstehen, so muß es mehr als Kärnthen, und
wenigstensBöhmen undMähren, in sich gefaffet haben.
Mehrere Gründe für diesen Satz hat Hr. Gercke im
Versuch in der alten Geschichte der Slawen, be
sonders in Deutschland S. 5ou.f, beygebracht. Daß
Böhmen, oder, wie es K. Constantin nennt, Weiß
kroatien, fchon im J.495 den Wenden gehört, '
Norden und Westen zu aber mit unbewohnten Wüste
umgeben gewesen ist, lehrt des Procopius Nachricht
vom Rückzuge der Heruler. Damals schienen auch
noch keine Sorben oder Sürben allhier vorhanden ge
wesen zu feyn, die vielleicht später durchPolen gekom
men sind, und von den Serviern abstammen mögen,
die Plinius und Ptolemäus an der Wolga und dem
azowischen Meer fetzen. S. Schöttgen und Kreyfig
Diplomat. und Curieuse Nachlese der Hist. von
Obersachsen II Th. S. 177.
AllgemxweltgXVB.I.Abth. 3
322 XXXIII.Buch. Aelteste
mit großem Glücke, bald gegen die Avaren,bald aber
gegen die Longobarden, die Könige der Franken, und
der letztern Unterthanen oder die Sachsen, Thüringer
und Alemannen. Viele wendische Völkerschaften
wurden durch feine Thaten mit einer so großenHoch
achtung gegen ihn erfüllet, daß sie sich ihm unterwar
fen. Vorzüglichaber verstärkte seineMacht Derwan,
ein Fürst derSorben oder Surben, die in der Lausnitz
undzwischen derElbe undPleiße in Obersachsenwohn
ten, und bisher fränkische Unterthanen gewesen
waren. -

Swischen 623 A Wie es scheint, gab es doch einige unter Samos


und 64I. “Unterthanen, die seinerHerrschaftüberdrüßigwurden;
denn es meldeten sich erst Kroaten, nachher auch
Serbier, bey dem Kaiser Heraklius, und baten um
„'' Aufenthalt in einem Reichef). Die kroatischen
Kroatien in Kolonisten wurden von fünfBrüdern,Klukas,Lobelos,
Dalmatien.
Koenzes,MuchloundChrobat,undzwei Schwestern,
Tuga und Buga, angeführt, undbemächtigten sichmit
den Waffen, die ihnen der Kaiser gab, des Theils
von Dalmatien, der jetzt noch Kroatien heißet, und
zum Theilverwüstet, zum Theil aber mit Avaren be
fetztwar. Diese Avaren wurden bis aufdiejenigen,
welche sich ihnen unterwarfen, ausgerottet. Allein
- - es

f) Confantinus Porphyrog. de Administrando Imp.


c. 3c. 31. Diese Wanderungaefchahe zu K.Heraklius
Zeit, und nachdem die weißen Kroaten sich von den
Avaren losgeriffen hatten. Der Kaiser sagt zwar,
Chrobati heißen in flavischer Sprache, Leute die viel
Land besäßen; allein Banduri und andere wendische
Gelehrte leugnen dieses, f. Hr. Stritter a. O. IIB.
1 Th. S. 389, und behaupten, der Name, der eigent
licb Hrouati oder Hruatigeschrieben werden müffe,habe
gar keine Bedeutung. Im Jahr 1086fanden sichnoch
einige Distrikte oder Gauen in Böhmen, die diesen
Namen führten.
-

Hungarische Geschichte. 323


eszeigte sichbald ein neuer Feind, nämlichderKönig
der Franken, der gewaffnet seine Hoheitsrechte über
die Kroaten behauptete, und ihnen fränkische Start
halter vorsetzte. Diese verfuhren gegen die dalmati
fchen Kroaten nicht nur strenge, sondern tyrannisch;
denn sie tödteten bei einer unbekannten Veranlassung
viele von ihnen, und warfen ihre Säuglinge Hunden
zur Speise vor. Die Kroaten rächten sich durch eine
allgemeineEmpörungundErmordung aller fränkischen
Beamten. - Diesen Aufstand fuchten die fränkischen
Könige durch Schlachten zu dämpfen und zu ahnden.
Allein dasGlück war aufder kroatischen Seite. Der
fränkische Heerführer Goßilin blieb, und die Kroaten
fiegten in einem siebenjährigen Kriege so oft, daß die
Franken ihre Ansprüche aufgeben mußten. Darauf
wandten sich die Kroaten an den Kaiser Heraklius,
und verlangten christliche Lehrer. Dieser ließ vom
Pabsie zu Rom Bischöfe, Priester und andere Geist
liche, wie auch einen Erzbischoffür sie weihen, und
fie, nebstihrem Fürsten Porin, wie auch dessen Sohn
und Nachfolger Porga,taufen. Sie betrugen sich
daraufgleich den eifrigsten Christen, und giengen in
ihrer Frömmigkeit so weit, daß sie sich dem Schutz
des Apostels Petrus unterwarfen, und dem Pabste
die beurkundete Versicherung gaben, fich aller Räu
berey zu enthalten, und gegen keinen außerhalb den
Gränzen ihres Gebiets zufechten. Durch diese Ein
richtungward ihr Reich der erste wendische Staat, der
nicht blos auf Krieg gegründet war, sondern seine
Stärke durch bürgerliche Nahrungszweige zu erhalten
trachtete. Sie legten sich aufdie Handlung, baueten
zweyerley Gattungen von Schiffen, und besuchten mit
selbigen die griechischen und erwischen Handelsstädte
und Inseln. Sie sorgtenzugleich für die Wiederher
stellung der verwüsteten Oerter ihres Bezirks, und
- - 3E 2 . wohn
-
324 XXXIII. Buch. Aelteste
wohnten in den Städten Nona, Belgrad oder Zara
vechia, Belizin, Scardona, Chlebena, Stolp bey
Bifriza, Tenen, Karin und Klaboka oder Klapaz.
ursprung des Nachher heilten sie ihr Land in eilf Provinzen oder
: S“Zupanien, und dehnten es soweit aus, daß es von der
- Zentina und Chlebena an, biszu der Stadt Albona
in Servien am Meere, und nordlich von Servien bis
an die Drau und bis inKärnthen oder ein wenigüber
die griechisch- istrische Provinzialgränze am Gebirge
reichte g). IhrFürst fand unter dem Schutz des
Kaisers, und war mehrentheils einBundesgenoffe der
Bulgaren. Eine Schaar feiner Unterthanen, welche
zwischen der Drau und Sau im alten Pannonien oder
Schwabenland und Szlavonien sich setzte, wählte sich
zwar einen besondern Fürsten; allein dieser war nicht
unabhängig, sondern erkanntebei seinerErhebung den
kroatischen Fürsten durch eine besondere Gesandtschaft
feyerlichfür seinen Schutzherrn h).
urterung des Die Serbloi, Sürben oder Servier, welche
'chs Sere sich nach Dalmatien begaben, wurden durch einen
Thronfolgerzwist aus ihrem Vaterlande s i).
wey

g) Diejenigen Kroaten, die in den nachfolgenden Zeiten


durch die Griechen oder Seestädter, Venetianer und
andere Eroberer vom Seeufer in das Gebirge zurück
getrieben wurden, heißenjetzt Morlachen oder Moro
Uläh(Edle vom Meere). Eine andere Kolonie dieser
dalmatischen Kroaten fcheint die wendische Nation der
Dalmatier oder Daleminzier in Deutschland zu feyn,
welche schon in dem Jahre 856 (Annales Fuldenfes
h. Anm.) in Meißen zwischen den Böhmen und Sorben
wird. S. Schöttgen und Kreysig a. O.
III Th.
h) Confantinus Porph. c.30.
i) Confantinus c. 32. DieserKaifer nennt das deutsche
Sorbenland das große oder weiße Serbloi, und also
hieß das hungarische Servienvermuthlichdas se: EPs
Hungarische Geschichte. 325
Zwei Brüder zankten sich um die Beherrschung des
weißen Serblia, welches in Boici oder Böhmen,
zwischen Großkroatien und Frankenland, nach dem
Berichte der griechischen Schriftsteller lag, und also
das Sorbenland im heutigen Obersachsen war. Der
schwächere glaubte mit feiner Parthey, nachdem der
stärkere den Thron behauptet hatte, nicht mehr im
Norden sicher zu sein, und flohefast mit der Hälfte
feiner Nation zum KaiserHeraklius, welcher ihm eine
Gegend im theffalonichischen Thema anwies, die nun
Serblia genanntward. Nach einiger Zeit bekamen
diese Serblier eine Sehnsucht nach ihrem Vaterlande,
und der Prinz begab sich mit Vorwiffen desKaisers
wieder zurück. Diesernahm zwar die mehresten seiner
Nation mitfich; allein einige versagten ihm den Ge
horsamk), blieben in der neuen Stadt Servia oder
Serviza, und wurden nachher die Stammväter der
Druguwiten und Sagudaten. Kaum war der Prinz
mitfeinen Leutenüber die Donau gekommen, als ihn
die Reue antrat; und da sein Volk sich gleichfalls nach
Griechenland zurücksehnte, so wandte er sich an den
Prätor von Belgrad, um durch selbigen die kaiserliche
Erlaubniß, ferner in Griechenland wohnenzu dürfen,
zu erhalten. Der Kaiser ließ sich bewegen, gab aber
dem Prinzen nicht sein macedonisches Gebiet wieder,
sondern wies ihm das heutige Servien, Bosnien und
Dalmatien, soweit es neuerlich von den Avaren ver
3E 3 wüstet,
Serbloi, nach der Weise anderer asiatischen Völker,
die einen größern Theil den weißen, und einen kleinern
den schwarzen nennen. Die Wortableitung desKaisers
von Serbulla,einerArt Schuhe,die die Knechte tragen,
ist offenbar falsch, zumal, da das Land Serblia oder
#t. und die Einwohner Srbgli, ehedem genannt
ind.

b) Hr.P. Thunmann a.O. 1 Th.S.334,


326 XXXIII.Buch. Aelteste
wüstet, und von den Kroaten noch nicht besetzt war,
zu seinem Aufenthalte an. Vermuthlich geschahedie
fesunter der BedingungdesUebergangszuder christ
lichen Kirche. Denn der größte Theil der Serblier
ließ sich sogleich taufen, und zwardurch Priester, die
von Rom deswegen berufen wurden, weil das Land
ehedem zum abendländischen Kaiserthum gehöre
hatte.Die Nation heilte sich entweder sogleich oder doch
Paganen.
innerhalb einer sehr kurzen Frist in fünf abgesonderte
Völkerschaften, nämlichdie eigentlichen Servier, die
Paganen, die Zachlumen, die Terbunier, die Kana
liter und die Diocleater, welche aber insgesamt mit
dem Tode des Kaisers Heraklius sich der kaiserlichen
Hoheit entzogen, und freye unabhängige Leute wurden.
Die Paganen blieben Heiden,und sollenihren Namen
dem lateinischen Beynamen Paganus,welcherzuweilen
einen Heiden anzeigte, zu verdanken haben 1). Die
Griechen nannten sie Arentaner, weil sie Arenta oder
Narenta besaßen m). Außer dieser hatten sie noch
mehrere Städte, nämlich Mokro, Berullio, Ostrog
und Kabinetta, nebst den Inseln.Brak (Brazza),
Pharia (Lezzina), Karkar (Kurzola ) und Melita
(Melada). Sie waren aber böse Nachbarn, und
raubten auf den benachbarten Inseln so arg, daßdie
Griechen diese verlaffen mußten. -

Die

1) Der Abbate Fortes versichert in feiner Reise in Dal


matien deutsch.Ueberfetz. Bern 1776. II Th. S. 148,
daß Paganin in illyrischer Sprache einen Heiden an
deute. Pagania heißt jetzt flavisch Primorie.
m) Confantinus e. 36. Im Leben Basili Macedonis
c.38. werden zu den Nationen in Dacien und Panno
nien, die sich nach K.Heraklius Tode dem Kaiserthum
entzogen haben, auch Skütoi, Phämi oder Phimi und
Rentanoigenannt, dagegen fehlen die Pagani.
Hungarische Geschichte. 327
Die Zachlumen n) und Terbuniaten o)fließen Zahlumer.
bey der Stadt Ragusa zusammen, deren Bürger bey
den einen jährlichen Zinsfür gewisse Weinberge außer
halbden Mauren bezahlen mußten. Die Zachlumen
wohnten westlich, und berührten die Paganen, Kroaten
und Servier. Ihre Städte waren Stagno, Mokri
fik, Jofle, Gaflumaenik, Dobristik und Bona.
Die letztedieserStädtefand aufeinemHügel (Chlumo
oder Cholm), undgab Veranlassung zu ihrem Namen,
welcher nach der griechischen Uebersetzung Leute hinter
dem Hügel andeutete. Die Tervumiaten hatten Terbuniaken
ihren Namen von der flavischen Benennung einer
Festung (Terbunia); denn ihr Land war mit festen --

Plätzen angefüllet. Ein Theil ihres Landes hieß Ca- - *

nale von einer schönen römischen Wafferleitung, die


vor ihrer Zerstörung gutes Trinkwafferzwanzig Mei- -
len weit nach Epidaurus oder Ragusa geführet hatte.
Die Landschaften Canale und Terbunia hatten einen ge
meinschaftlichen Zupan oderVorsteher,dem die Städte,
Terbunia (Trebiger), Ormor, Rizano, Lukabete und
Zetlaba, wie auch alles Land von Dekatera bis an
das Gebirge gehorchten. An die Terbuniaton fließen
die Diokleer oder Diokleater p), welche zwischen Ka- Diokleater
taro, dem Meere,dem Hafen Durazzo und dem Lan
de Servien wohnten, und die Städte Dekatera (Ka
taro), Antivari, Helcynium (Dulcigno),Cliffus(Alef
fio), Lontodokla, Nugrede, Gradetai und Dioklea be
faßen. Von diesen ist derHauptort Dioklea, der zwi
fchen Ragusa und Rizano seitwärts im Lande am
Lygnisterischen See lag,jetztzum Theildurch Waffen
zerstört, zum Theil aber in den See herabgestürzt.
ZE 4 Die

n) Constantinus c.30.
o) lb. c.34. p) Ib. c. 35.
328 XXXIII. Buch. Aelteste
-
Die Avaren wurden bald nach dem Verluste der
wendischen Länder durch innere Unruhen noch mehr
J. Chr. 630. geschwächt q). Sie hattenihren Chan verloren, und
wollten einen neuen aus ihrer Nation erwählen. Die
Bulgarisch
avar t | cher fes misfiel den Bulgaren, die eben so stark zu feyn
Krieg. schienen als die Avaren, und daher für diesesmal die
Wahl aufeinen Mann ihres Stammeszu leiten such
ten. Beide Nationen bestandenaufihremEntschluß,
und es wardzugleich einavarischer und einbulgarischer
Chan ernannt. Der avarische hatte das Glück seinen
Gegner zu überwältigen, und der besiegte nahm mit
achttausend Männern, Weibern und Kindern seine
Zuflucht zum fränkischen Könige Dagobert. Dieser
Monarch verheilte die Flüchtlinge in Baiern, und
veranstaltete,daßjederWirth seine Gäste in einer be
stimmten Nacht umbrächte. Etwa siebenhundert hat
tendasGlück zu entrinnen, und sichunter der Führung
einesgewissen Altiausin diewendische Mark zu retten,
in welcher sie der ehrlichere wendische Fürst Wallaco
aufnahm, schützte und versorgte.
Avarische Be- Die Absicht der Baiern, durch diese nichtzu ent
festigungen.
fchuldigende That alle GelegenheitzumKriege mit den
Avaren abzuwenden, wurde nicht erfüllet; denn die
Avaren streifen nach alter Weise unaufhörlich in ihr
Land; und ohngeachtet der baierische Herzog Theodo
fie öfters schlug, so breiteten sie sich dennoch bis an
die Ens aus, und verwandelten die feiermärkischen
Gegenden an diesem Fluffe in eine Einöde, die kein
Mensch betreten durfte r). Aufden Plätzen, auf
welchen vorher volkreiche Städte undDörfergestanden
hatten, wuchsnun ein Wald und ein Dickigt, durch
die kein Wandersmann dringen konnte; und die Ava
ren gaben sorgfältig acht, daß keiner sich an diesem
Gehölze
q) Fredegari Chron. c. 72.
r) HanfizGerm. acra T.I. p. IO5.
Hungarische Geschichte. 329
Gehölze vergriffe. Diese Art von Landwehre gabihrem
Lande zwar gegen Baiern eine hinlängliche Sicher
heit, aber sie beruhigten sich nicht mit ihr, sondern
-
führten einen kostbaren und mühsamenBau auf, von
dem man kein Gegenbild in den alten und neuen Ge
fähichten findet, nämlich ein Werk, durch welches
Steiermark, Oefierreich, Hungarn und Siebenbür
gen gleichsam in eine einige Festungverwandelt wurde.
Diese große Anstalt wird von den fränkischen Zerstö
rernderselbenfolgendermaßen beschrieben. Ihrganzes
Gebiet war in lauter Kreise verheilt, welche die Fran
ken Gehäge (Hegin) und Ringe (Rhingos), die
LongobardenKampe, fiel aber wahrscheinlich Var oder
Läger nannten. Der Durchmeffer eines der größten
Ringe war der Entfernung von Zürch bis Kotniz
(fieben geographische Meilen) gleichs). Der vor
derfe Ring lag von dem nächsten zwanzig deutsche
Meilen ab, und neun solcher Ringe fülleten das ganze
Avarenland aus. Zwischen den Ringen fanden
Dörfer und Häuser, und zwar so nahe bey einander,
daßman in jedem den Ton einer Posaune aus verschie
denen Dörfern zugleich hören konnte. Der Bau der
Ringe oder Wälle war sehr sinnreich angegeben und
auffolgende Artverfertiget. Man hatte viele Ständer
in der Höhe von zwanzig Fuß verschränkt und genau
3E 5 Ver

s) LebenKarls desGroßenvon einem Mönch v.S.Gallen


in Hahni Collect. Monum. Vol. II. p. 568. Herr
Severinus bemerkt in feiner Pannonia p. 337, daß
man 1751 zuPresburg diese Ringe aufeiner in Kupfer
gestochenen Charte zu bestimmen gesucht habe. Zu
Karl des Großen Zeit zerstörte man diese Ringe mit
solcher Alemfigkeit, daß keine Spur davon übrig blieb.
Dennoch kann der bekannte Wall am Zusammenfluffe
der Theyß undDonau, den man den Römern gewöhn
lich zuschreibt, wohl einer dieser Ringe feyn; ab Eck
hart Comm. de reb. Franciae oriental.T. I-p.774.
330 XXXIII.Buch. Aelteste
verbunden, aufgerichtet und wohl befestiget, dann die
innern Lücken mit Stein und Kreite ausgefüllet, und
endlich denKörper an den Abdachungen mit Erde be
worfen, mit Rasen befleidet und mit allerley weichem
Holz bepflanzet. Die Kappe hieltzwanzig Fuß. Vor
dem äußern Fuß war ein tiefer Graben gezogen, und
der Zugang war sehr enge und schmal. Innerhalb
diesen Ringen lagen die wichtigsten Dörfer und Land
güter sehr nahe beieinander; denn die Nachbarn konn
ten sich abrufen. Einer dergrößefen Ringe schloß die
Wohnung des Chagans mit einem unermeßlichen
Schaße in sich. Zwey kleinere aber, die vielleicht
nicht mit zu jenen größern neun Gehägen gehörten,
deckten die Donau, und waren Gränzfestungen gegen
die Deutschen, die die Avaren für ihre gefährlichsten
Feinde hielten. Außer den Deutschen oder vielmehr
den fränkischenUnterthanen waren ihnen die Longobar
J.Chr.662. denfurchtbar. Dieses fahe man, als der longobar
dische vertriebene Thronerbe Bertarid seine Zufluchtzu
ihnen nahm; denn ohngeachtet sie diesen Prinzen bey
ihren Götzen Sicherheit und Unterstützungversprochen,
und dem Anerbieren des Königs Grimoald einen
Scheffel voll Goldstücke t) für seine Auslieferung zu
zahlen widerstanden hatten, so wagten fiel esdennoch
J. Chr.670. nicht, ihm mit den Waffen zu helfen, und nöthigten
ihn endlich, da ein longobardischer Krieg unvermeid
lich zu sein schien, sie zu verlaffen u). Bald nachher
half der Chan demKönige Grimwald bey der Bezwin
gung seines auffäzigenHerzogsvon Friaul Lupus;und
da er nach dessen Befiegunggeneigt war, Friaulzu
behalten oder auszuplündern, so ließ er sich dennoch
durch longobardische Drohungen zu einer geschwinden
Rückkehr bringen. Dem griechischen Kaiser wagten
die
t) Paulus Diac. IV. 53. p.474.
u) Paulus V. 19. Hr. Prayp.261.
Hungarische Geschichte. 331
die Avaren nach der Demüthigung der Perfer nicht
mehr nahe zu kommen, sondern sie fluchten vielmehr J. Chr. 634,
die Freundschaft der Griechen zu erhalten, als zu
brechen. Daher sandte der Chan die Prinzen des
kaiserlichen Hauses, die bei ihm als Geißel waren,
gegen ein Geschenk zurück, und nachher, da die Siege
über die Araber oder Saracenen den Griechen noch
eine größere Achtung verschaffen, bat er nebst vielen J. Chr. 677.
andern abendländischen benachbarten Königen, Her
zogen, Fürsten, Gastalden und Nationalältesten um -

ErneuerungderFriedensverträge. Diese wurde ohne -

Anstand bewilligetv), und derKaiser vergaß nicht in


den Urkunden sich den Titel eines Herrn dieserFürsten
beizulegen. Bald nachher ward die Verbindung der
Griechen und Avaren durch eine neue Nation, die sich
zwischen ihnen drängelte, völligaufgehoben. -

Diese Fremdlinge aus Asien gehörten zu denBul.„ hinn


garen oder Wolgaern, und wohnten, ehe sie an die ganzen Kö
Donau kamen, im alten Lande der Avaren. Ihr uigs Kurat
KönigKuvrat oder Kovrat beherrschte verschiedene
Stämme, und hieß daher König der Hunnogun
durer oder Hungarn, der Rotragorer oder Kutur
gurer und der Bulgaren. Dieser Mann stand an -

fänglich in einer so genauen Verbindung mit dem ava


rischen Chan, daßdieser ihm die Herrschaft über ein
gewiffes Volk anvertrauete; allein er ward der ava-J. Chr. sz.
rischen Hoheit überdrüßig, vertrieb dieses Volk aus -

feinem Lande x), vielleicht um die Bulgaren, welche


von den Avaren vier Jahr zuvor aus ihrem Lande ver
jaget worden waren,zu rächen, ließ sich taufen, und
Tat

v) Theophanes p. 296.
z) Hr. Prof. Thummann vermuthet, dieses Volk könn
ten die Slaven gewesen feyn, welchezu dieser Zeit nach
dem Norden hinabzogen, und die nordländischen Ruffen
überwältigten. S.f. Untersuchungen 1 Th. S.97.
332 XXXIII. Buch. Aelteste
trat in ein Bündniß mit dem Kaiser Heraklius,
Seine Söhne erhielten von ihm beim Sterben abge
sonderte Reichstheile und den Rath in ihrem Lande zu
bleiben, sich gemeinschaftlich gegen jede auswärtige
"Gewaltzuverheidigen, und sich inkeine Lehnspflicht
“ zu begeben. Diese Lehren wurdenvon den feurigen
Jünglingen verachtet, und nur die beiden ältesten
Söhne blieben im väterlichen Lande an dem Ufer des
Don. Der fünfte Sohn begab sich nach Italien.
Der vierte kam über die Donau indas avarische Pan
nonien, und wurde des Chans Unterhan oder Bun
desgenoffe. Der dritte (Asparich) schiffe vor den
Ausflüffen des Dneepers und Dnesters über, und
fetzte sichzwischendemHoglon-, Onklon- oder Onglon
frome und Dnester nordlichder Donau, in einer Ge
gend, die durch Moräfte, Flüffe und Berge unzu
gänglich gemacht wurde y).
ursprung des Der Prinz Asparuch behielt den bulgarischen
'', Nationalnamen, und daher werden seine Leute in der
# ' Geschichte nicht Ungren, sondern Bulgaren genannt.
Er fiel, sobald er sich am Onklon (Pruth) niederge
laffen hatte, in Thracien ein, und verheerte dieses
Land aufdie grausamste Weise z). Der KaiserKon
fantinus glaubte seine Feindseligkeiten mit der größe
Bºb“ften Schärfe ahnden zu müssen, und führte ihm sein
Heer, welches erst kürzlich die furchtbaren Araber oder
Saracenen gezähmet hatte, mit einer großen Flotte
Ents

y) Ein neuer Beweis, daß die Sclavinen kurz zuvor


nordlicher gerückt waren. Im Jahr 657 bezwang
Constantin die Sclavinen und führte viele Ausländer
mit fich in fein Reich. (Theophanes p. 288. franz.
Ausg.) Vielleicht gab dieses Unglück eine Nebenwer
anlaffungzur Entweichung von der Donau.
z) I.p.440. Hr. Stritter Mem. T. II. P. H.
P. 5C0.
Hungarische Geschichte. 333
entgegen. Diese Macht schien für ihre Bestimmung
zugroßzu feyn, und der Prinz Asparuch ward schon
durch dasGerüchte von ihrerAnkunft so sehr erschreckt,
daß er sich mit allen feinen Schätzen und Unterthanen
eilfertigzurückbegab, und in einem festen Orte im Ge
birge verschanzte. Der Kaiserfolgte ihm, und schloß
den Ort ein. Allein weil die Belagerung langweilig
zu werden schien, und er heftige podagrische Anfälle
bekam, so befahl er dem Feldherrn der Festung mit
Nachdruck zuzusetzen, und gieng, um seiner zu pfle
gen, nach Meembria(Miffviria), dem nordlichsten
thracischen Seehafen zurück. Seine Abreise verbrei
tete eine fothörichte Furcht unter der griechischen Reu
terey, daßfie, ohne den Feindgesehen zu haben, in
Unordnung über die Donau flohe. Das übrige des
Heeresfolgte ihr; die Bulgaren fetzten den Flüchtlin
gen nach, und schloffen die Stadt Barna oderVarna,
in welche sich vermuthlich die mehresten retteten, ein.
Diese Stadt hatte sowohl von der See- als Landseite
eine solche Stärke, daß sie den Angriffen einer in der
Belagerungskunst so unwissenden Nation sehr leicht
widerstehen konnte. Die Bulgaren merkten sehr bald,
daß sie keine Zeit verlieren dürfen, um ihren Sieg
vollkommen zu machen, hoben die Belagerung auf,
und wandten fich zu den Sclavinen und Seberern,
welche in Scythien, Möia secunda und dem Uferda
eien saßen. Die Sclavinen bestanden aus sieben
Stämmen, und ließen sich von ihnen westlich und
südlich vom beregabischen engen Wege aba), bis an
die

a) Der Paß der Beregaber muß die fogenannte Pforte


des Trajans, nicht weit vom Ursprunge des Iskers,
feyn. Denn dieser ist der älteste und bekannteste Weg
durch den Hämus. Nahe bey selbigem fetzt Antonini
Itinerarium eine Stadt Burduraca, deren Einwohner
:
(RPEN.
den Namen Bergaber veranlasset
-
-
334 XXXILBuch. Aelteste
die abarische Gränzeversetzen, wo sie mit den Serbiern
zusammenstießen. Die Seberenfer, welche von den
sogenannten fabirischen Hunnen am kaspischen Meere
und kaukasischen Gebirge abstammeten, und bereits
unter dem Kaiser Heraklius an der Donau im griechi
fchen Gebiete wohnten b), unterwarfen sich den Bul
garen gleichfalls, und bekamen das Land östlichdem
beregabischenPaffe und dem Ifker. Daraufdrangen
die Bulgaren in Thracien ein, und verwüsteten dort
alle Städte und Dörfer mit einer solchen Wut, daß
der Kaiser, der zu gleicherZeit in einen neuen perfi
fchen Krieg verwickelt wurde, und daher sich ihnen
nicht genug widersetzen konnte, denFrieden unter der
J. Chr. 630. harten Bedingung eines Tributs erkaufen mußte.
Sein Nachfolger Justinianus hob nach sechs Jahren
JChr, "diesen Frieden auf, und versuchte das Glück der
Waffen; allein dieses entsprach weder seinem Muthe,
noch seiner Einsicht. Im ersten Feldzuge schlug er
zwardie Bulgaren und Sclavinen, und führte von
den letztern viele, die theils gefangen waren, heils
aber sich ihmfreiwillig unterworfen hatten, nach Ma
cedonien in die Gegend von Strymon und über Aby
J. Chr.687. dus nach Kleinasien. Allein auf dem zweiten Zuge
verlor er im Gebirge eine entscheidende Schlacht, und
3. Chr. 638.die Bulgaren blieben im Besitze ihres Landes, welches
N

b) Die Saberer oder Saviren waren schon im Jahr


516machtig und angesehen (Hr. Stritter a.O.I.578),
und dienten bald den Griechen, bald aber den Perfern.
Die Abaren bezwangen sie im Jahr 558. Die Donau
Saberer oder Severier waren vielleicht Nachkommen
gewiffer Schaaren derHauptnation, die sich 578dem
Kaifer ergaben. Der Fürst dieser Donaufeverier er
hielt,feines Dienstes gegen die Perfer wegen, vom K.
Heraklius das Vorrecht, unter einem Thronhimmel
Lager Gehör zu geben. S.Hr. Thunmann a. O.
IOZ- - - - - - -
Hungarische Geschichte. 335
noch ihren Namen führt, ohngeachtet esjetzt von fla
vischsprechenden Nationen allein bewohnet wird. Die
griechischenKaiser konnten dieses Land nie wieder ero- - -

bern, und entschloffen fichdaher, eine neue Provinz


Thracien diefeits des Hämuszu errichten, und
in felbiger einen besondern Prätor zu bestellen.
Die Avaren versuchten nun ihre Gränzen gegenAvarisch-frän.
Deutschland auszubreiten, und überfielen den Fürsten" ands
der Kärntherwenden Boruth, der fiel aber mit Hülfe Zwischen an
des baierischen Herzogs Hugbert zurücktrieb. Der und 737.
Tod dieses Herzogs veranlasfete sie zu einer neuen Un
ternehmung, undaufdieser gelang esihnen,die Stadt J.Chr,7gs.
Lorch, welche bisher allen Angriffen widerstanden
hatte, gänzlich zu zerstören c). Der lorchische Erz
bischof rettete sichzeitig, und flohe zu dem Bischof
von Paffau, daher esgeschahe, daßdie erzbischöfliche
Aufsicht dem Bischof von Paffau nachher zu Theil
ward. Wie es scheint, gelang es den Baiern inner
halb den nächsten zehn Jahren einige Gegenden des
Gränzwaldes an der Ens auszuhauen und anzu
bauen d). Allein Kärnthen blieb noch in Gefahr;
denn es streiften die Ungern oder Hungaren durch die- J.Chr.750.
fes Land bis in das Graubündnerland, und stifteten
sich ein Denkmal durchdie Niedermetzlungder Mönche
des Klosters Diffentis e). Diese Feindseligkeit war
die erste, die den Deutschen von den Hungaren wi
derfuhr, und vermuthlich gehörten diese, damals im
Westen noch unbekannten Leute, zu den Anhängern
des obengedachten fünften Sohns desKönigs Kuvrat,
der sichunter den Schutz des avarischen Chansbegeben
hatte.
c) Hanfiz Germ. facra T.I.p. 121.
d) Spuren vom Jahr 746 und 778 in Hr. Pray Ann.
Hunnor.p.266. - -

e) Ača fan&torum ad d. XI. Iul. p. 239. Hr. Thun


mann a. O. 1 Th. S.234.
336 XXXIII. Buch. Aelteste
hatte. Auch scheint es, daßdiese Hungarn oder Un
garn einen besondern Theil der Nation, so wie zuvor
2. Chr.78s. die Hunnen,ausgemachthaben. Dennalsdie Avaren
esfür nöthighielten f), sich mit dem fränkischen Kö
nige Karl auszusöhnen, foward eine Gesandtschaft im
Namen des Chagans und Jugurrus abgefertiger,von
welchen der letztere vielleicht der Fürst der Ugurer oder
Ungern, so wie der erstedas Haupt der Avaren war.
Diese Gesandtschaft erhielt ihren Zweck sehr leicht;
allein ihreHerren änderten bald nachherihreGesinnun
gen, und verbanden sich mit dem baierischen Herzog
J. Chr.,738. Tafilo gegen den KönigKarl. Karl entdeckte diese
Gefahr zeitiggenug, und nahmden Herzog gefangen,
ehe er etwas unternehmen konnte. Allein die Avaren
ließen sich nicht irre machen, sondern fielen zu der ver
adredeten Zeit in zwey abgesonderten Heeren in die
Mark Friaul, zuder damals Kärnthengehörte, und
in Baiern. Beyde wurden geschlagen, undzwar
das letztere bey Hibosa oder Ibs, hart an der avari
schen Gränze, die damals bey Mölk vorbeiliefg).
Die Avaren wollten die Niederlagen rächen; allein da
fie in einer neuen Schlacht am Ufer der Donau zehn
tausend Mann einbüßten, so beruhigten sie sich, und
fiengen mit dem Könige Karl friedfertige Unterhand
lungen über ihre Gränzen an.
Diese Gränzen hatten ehedem die Ens berühret;
allein die Baiern hatten ihre verlornen Besitzungen
erst bis an die Erlaf, nachher aber fast bis an die
Kam und Trafen wieder erobert. Die Avaren konn
ten fich nicht überwinden, dem verlornen Lande zu
Ents

f) Ann. Franc. ap. du Chefinium S. R. Franc. T. II.p.


32. Der Jugurrus heißt in einigen Handschriften Ju
gurgus. Hr. Pray hält ihn S. 266 für Jgur, einen
Fürsten einer hunnischen Horde.
g) Regino und Ann. Egolin. ad Ann.788.
Hungarische Geschichte. 337
entsagen; Karl aber war begierig, sie nochweiternach J.Chr. 790.
Osten auszubreiten. Daher mußte endlich die Ent
scheidung den Waffen anvertrauet werden, die Karl
im folgenden Jahre ergriff. DieserHerr, dergrößte
Feldherr feiner Zeit, machte einen unverbefferlichen
Entwurf zu der Eroberung aller avarischen Länder,
und ließ zwey Heere nordlich und südlich neben der
Donau, und zwischen denselben auf der Donau eine
baierische Flotte mit Lebensmitteln, nach Avarien
gehen h. Er selbst blieb bey dem südlichen Heere,
und eröffnete den Feldzug im September bey Regens- J.Chr: 79
burg mit einem dreitägigen Fasten und Gottesdienste.
Die beyden avarischen Donaufestungen in Kamp, oder
am Einfluffe der Kamp in die Donau, und inChun
berg, oder in der Gegend der niederösterreichischen
Stadt S. Andrea, waren verlaffen und wurden ge
schleift. Ein Sieg, der gleich darauferfolgte,öffnete
den Weg bis an die Rapha oder Raab, und der Kai
fer ließ,weil nur Weiber und Kinder in diesem Theile
Pannoniens gefunden wurden, die Gegenden zwey und
funfzig Tage lang verheeren, einige Ringe schleifen,
und alles Lebendige in die Gefangenschaft, oder viel
mehr in westlichere Gegenden führen. Pipin, des -
Kaisers Prinz, drang zu gleicher Zeit von Friaul aus
durch Kärnthen bis in Szlavonien, erfocht schon am
23. August einen sehr großen Sieg an der Sau, zer
störte einige Ringe oder Befestigungslinien in Panno
nien oder Szlavonien, dessen wendische Einwohner da
mals den Avaren gehorchten, und kehrte durch Dal
matien und Illyrien zurück. Eine Pferdeseuche, die
in dem fränkischenHauptlager ausbrach,und die vielen
Moräfte
h) Annales Laurishan ad Ann. 791. Regino und andere
Annalisten, von welchen man Auszüge bey Hr. Pray
S. 270 u.f. antrifft. -

Allgem.Weltg.XV.B.I.Abth. P.
333 XXXIII. Buch. Aelteste
-

Moräfte und Flüffe, die unaufhörlichim Zuge hin


derten, veranlasfeten den König Karl nach Regens
burg in die Winterquartiere zurückzukehren, und den
Feldherren des nordlichen HeeresMeginfrid und Theo
dorich den Befehlzu erheilen, durch Böhmen nach
Sachsen und Frieslandzurückzukehren. Dieser glück
liche Feldzug schreckte nebenherdie nordlichen ündwest
lichen wendischenNachbarn der Avaren,undverschaffte,
wie es scheint, dem K.Karleine gewisse Hoheit über
Kroatien und einen Theil von Dalmatien. Der
Königfann in Regensburg eine Art von Brücken aus,
die man auseinander nehmen und bequem fortbringen
konnte, und hoffe durchfelbige im nächsten Sommer
ganz Avarien zu bezwingen i). Allein eines Theils
hinderten ihn die Avaren durch eine Empörung, die
fie unter den Friesen und Sachsen im nordlichen Nie
derlande undWestphalen erregten; andern Theils aber
zwang ihn ein natürlicher Sohn Pipin durch eine
-
Verschwörunggegen fein Leben, die avarische Unter
J, Ch.793. nehmung ruhen zu laffen. Im dritten Jahre brach
der sächsische allgemeine Aufstand durchdie Ermordung
des Grafen Thiderichs, der das sächsische Reichsfon
tingent nach Baiern führen sollte, aus, und Karl
-
mußte mitdem Heere zur ZüchtigungderSachsen nach
dem Norden gehen. Dennoch setzte eine Schaar
BaierndieVerheerung der avarisch-pannonischenGe
J.Chr. 794. genden fort. Im nächsten Jahre focht Erich,der
Herzog oder Markgraf von Friaul, im Hunnenland
oder Avarien diesseits der Donau, und feinZugwurde
durch einen bürgerlichen avarischen Kriegbegünstiget.
Dieser unweise innere Zwist entspann sich durch eine
Kette von Ungerechtigkeiten, die Eigennutz und Geiz
der

i) ab Eckhart Comm.de reb. Francine orientiTI. P.745 -

fequ. 775fequ.
Hungarische Geschichte. 339
der reichern Avaren veranlafft hatte k). Die avari
fchen Richter unterdrückten die Aermern durch unges
rechte Aussprüche, verkaufen ihre Urtheile, nahmen -

öfters die eingeklagten Güter für sich selbst in Besitz, -

und bemüheten sich, aus Begierde nach Sporteln,die


Streitigkeitenzu vermehren. Gegen gerechteUrtheile
fetzten sich die mächtigern Verurtheilten mitGewalt,
und trieben auch wohl die Vollstrecker der Sentenzen
mitdem Schwerdte von sich ab. Der Geschmack am
Weine und die Völlerey nahm überhand, und veran
laffte eine Menge von Beleidigungen, Ahndungen,
Schlägereien, Befehdungen und Mordthaten. Die
Nationverwandelte sichausKriegesmännern in Kauf
leute, und studierte die Kunst zu hintergehen so ämfig,
bis daß sie endlich alle Treue und Ehrlichkeit vertilget
hatte. Und überhaupt war nur derjenige Avare in
einer erträglichen Verfassung, der das Vermögen
hatte, sichAnhänger durch Gaben, und Gönner durch
Bestechungen zu erkaufen. Der Groll, der unter
einzelnenLeutenvon solchen Gesinnungenentstand, ward
bald allgemein; und es thaten sich Partheyen hervor,
die nurgegen sich arbeiteten, und ihr Reich, Landund
Freyheit den feindseligen Nachbarn preisgaben. Der -

Chan der Abaren Lhundun, der das Haupt einer


dieser Partheyen war, trat mit seinem Anhange zum
friaulischen Herzogüber,undnahm mit seinem Anhange J.Chr. gj
den christlichen Glauben an. Im nächstenJahre
breitete sich der innere Krieg noch mehraus, und einer J.Chr. 79s,
der beiden Chane, oder der Jugurro, ward von seinen -

Leuten getödtet. Der Herzog von Friaul und der


wendische Fürst von Kärnthen Wonomir, zogen im
Frühjahre nach Avarien, eroberten einen der wichtig
ften Ringe,underbeuteten einen unermeßlichen Schatz,
von dem Karl vielen Kirchen, treuen Bedienten und
Y) 2 tapfern
k) Svidas Eclogae hit.de rebus Byzant.p.37.38.

- -
340 XXXIII.Buch.Aelteste
tapfern Männern so große Summen gab, daß die
fränkischen Schriftsteller versichern, ihre Nation fey
vor der avarischen Eroberung arm gewesen, ohnge
achtet sie sich für reich gehalten habe. Im Sommer,
folgte Karls Sohn, der italienischeKönig Pirin, dem
friaulischen Herzog, und vollendete die avarische Ero
berung. Denn er schlug den neuerwählten Cyan Faram
Karl der Große
erobert Ayg oder Kajam, der nach der Hinrichtung verschiedener
renland, Parthey-Chane erwählet war, erlegte den größten
Theil der Mächtigern und Edlern der Nation, stürmte
einen sehr wichtigen Ring zwischen dem Drau und
Raab, erbeutete den zweiten Theil des alten Natio
nalschatzes, zerstörte die Residenz des Chans, und
verfolgte die flüchtigen Avaren bis über die Theyß.
Der König Pipin hatte von seinem Vater den
Befehl erhalten, das eroberte Land in eine Provinz zu
verwandeln, und sorgte daher für neue Pflanzbürger,
die das im eigentlichsten Verstande entvölkerteHunnien
und Avarien bewohnen sollten. Diese nahm er vor
züglich aus den Baiern und Kärnthern, zum Theil
aber auch aus heidnischen andern benachbarten Natio
nen. Er errichtete für das Land zwischen dem Pelifa
(Neusiedler-)See, der Donau, der Drau und dem
obersten Armedes Raabtromes eine besondere Diöcese,
deren Aufsicht er dem Erzbischof Arn von Salzburg
anvertrauete, und verordnete für Sclavonia ), oder
das

l) Historia Converf Carenth. in Flacii CatalogoTest.ve


ritatis L. IX. und du Che/ne Scr. rer. Francic. II. p.
220. Diese Stelle enthält die älteste Spur des Na
mensSzlavonien, der bis jetzt sich erhalten hat. Die
spätern griechischen Kaiser fiengen seit dieser Zeit an,
die ganze dalmatische Seeküste mit diesem Namen zu
belegen. Vor Karls des Großen Zeit war Sclavinien
das Land zwischen der Donau, der Aluta und dem
Dneeper. Der neue Bischof von Szlawonien heißt in,
jener
--

/
Hungarische Geschichte. 341
das wendische Land westlich und südlich der Donau und
des Draues, einen zweiten Bischof Thiderich, der J.Chr.798.
den dortigen wendischen Fürsten und Vorstehern vom
ErzbischofArn und Grafen Gerold mitgroßer Feyer
lichkeit zum Schutz übergeben ward. Die nordlichere Stiftung,ava
Diöcese, oder das heutige Niederhungarn, wurde ' ''
vom Erzbischof Arn dem neuerwählten BischofUrolfthümer
von Passau anvertrauet, und gerieth dadurch unter ein
anderesErzstift. Denn Urolf machte von den Urkun
den und Vorrechten des zerstörten Erzbischofhums
LorchGebrauch, und erhielt vomPabste die erzbischöfe
liche Würde. Er bemühete sich darauf, die vernich
teten sieben bischöflichen Kirchen, die zum Erzstifte
Lorch gehöret hatten, wieder herzustellen, und stiftete
vier neue Bischofhümer, nämlich das Speculunische
und Nitraver in Mähren, und das Favianische (Wie
nerische) und Vetvarische in Pannonien m). Diese
Y) 3 Bischof
jener HistoriaConverfionis, EpifopusCarenthanorum,
- und feine Diöcefe oder Szlavonien wird vonden spätern
Griechen auch wohl mit dem Namen Franko-Chorion,
oder Frankenland, beleget. Sein und das pannonische
neue Bischofthum wardvomKaiser Karl im Jahr 803
bestatigt.
pm) Hanfz Germ. facra I. p. 147. Speculunum wird
für Olmüz, Nitravia für Neutra in Oberhungarn,
und Wetvar bald für Altenburg bey Petronel, bald
fürVeszprun, für Wetaw in Mähren undfür Weltfrad
bey Hradecz (dem nachherigen mährischen erzbischöfli
chen Sitz) gehalten. Hr.Pray Ann. Hunnor. T.I.
p. 147. Inchofer Ann. ecclefiaft. R. Hung. p. 37.
Dasfünfte Bischofthum der lorchischen Diöces folz
Oragitura oder Turnau, das sechste in Pannonien,und
das siebente in Mötiengewesen feyn. Man hat eine
Bulle des Pabstes Eugenius vomJabr 826,die wahr
fcheinlich acht, und dem Episcopo Favianenfi, S.Spe
culi, Iuliaceni five Soriguturenfi, Nitravienfi et Vet
VAT1
342 - XXXIII. Buch. Aelteste
Bischofhümer erhielten Güter, aber keine Zehnten;
denn Karl unterließ nach dem Rathe seines gelehrten
Rathgebers Alcuins die Einführungder Zehnten,weil
die Versuche, die man in Sachsen mit selbiger ge
macht hatte, unglückliche Folgen hinterließen. Die
Avaren waren zwar zum Christenthum getreten, aber
nicht aus Ueberzeugung, sondern aus Furcht. Daher
J. Ehr. 799 begab sich der Chan Thudun wieder zum Heidenthum
zurück, sobald er glaubte, Karl werde im Kriege mit
den Sachsen unterliegen. Dieses geschahe mit vieler
Vorsicht; denn er veranlaffte verschiedene Verschwö
rungen gegen die tapfersten karolinischen Feldherren.
Durch diese kam zu gleicher Zeit der friaulische Herzog
Erich zu Terato in Liburnien,und der baierischeMark
grafGerold u)bey der Musterungim Angesichte seines
Heeres, um. GeroldsHeer wardzwar dem Thudun,
entgegen geführt, zerstreutete sich aber nach einer schwe
ren Niederlage. Diese rächte Karl, nachdem er erster
Kaiser des abendländisch-römischen Reichs geworden
war, durchverschiedene Feldzüge, in welchen Thudun
nach dem Ausdruck gleichzeitiger Schriftsteller, nach
Verdienstgestraft ward. Zodan, ein anderer avari
fcher Fürst von Pannonien, der hartnäckigste Verfech
J.Chr. 803.ter seiner Nation, fahe sich endlich gezwungen, mit
vielen vornehmen Avaren und Sclaven sich vor des
Kaisers Thron niederzuwerfen, und um Gnade zu
bitten. Aber der Kaiser wollte sich aufihn und seine
/
-
Nation nicht mehr verlaffen, und verheilte “ ErfC

varienfi, ingleichenTutundo ac Moymaro, ducibus et


optimatibus exercitibusque plebis Hunniae quae et
Avaria dicitur et Moraviae, zugesandt ist. In dieser
findet mandie Bestätigungdes Prolphs alsErzbischofs
von Lorch und feiner Aufsicht über Avaria, Moravia,
Pannonia und Mösia.
n), Eginhard Vita CaroliM. c. 13.
--
Hungarische Geschichte. 343
berte pannonische Land nach fränkischer Weise in fünf
Grafschafteno). Vieravarischeundflavische Fürsten,
Prinmiflaauga, Ceincias, Hroymar und Elgar, die
inAvarien blieben, wurdenden Grafen untergeordnet,
und mußten unter ihren Fahnen den kaiserlichen Lehn
dienst leisten. Allein nicht lange nachher fielen die
Länder dieser Fürsten an den Kaiser, und wurden in
drey baierische Grafschaften verwandelt, die endlich
nebst den übrigen Landschaften einigen Markgrafen der
avarischen Gränze zur Oberaufsicht unterworfen wur
den. Man machte einen Unterschiedzwischen Avaria
und Humnia, nannte aber beyde Provinzen zusammen
das Reich der Hunnen p). Das eigentliche
Hunnien begrifffast das ganze heutige Oesterreich,
- P) 4 und

o) Diese Einrichtung scheint Gelegenheit zu den heutigen


hungarischenComitatibusoder Gespannschaftengegeben
zu haben: wenigstens hatten die fränkischen Grafen
eineBestallung, die denen der hungarischen Oberge
spanne ähnlich war. In dem Pannonien, worin Karl
fünfGrafen fetzte, find jetzt eilfGespannschaften.
p) Pez Seript. rer. Austriac. Diff. II. p.21. Hr. Pray
S. 286. Zuweilen wardHunnia fast bis an denKah
leuberg ausgedehnet; denn man hat Urkunden, in
welchen auch Wien und Tuln dazu gerechnet ist. Im
Jahr 979 beißt Oesterreich terraquondan Avarorum,
(Hr. P. Cäsar Ann. Ducatus Styriae T. I. p. 322.)
985 aber Orientalis plaga et Marca undBavaria orien
talis, ingleichen Ostarrichi. Avarien bekam endlich "
feinen alten Namen Pannonia wieder, welchen auch
die hungarischen Könige noch einige Jahrhunderte lang
beibehielten. Zu diesem Pannonien ward in einigen
Urkundenauch jenes Tulln gerechnet. Die achten Hun
nen, die mit den Avaren aus dem kuthurgurischen
Lande gekommen, zum Theil aber von Attilas Zeit
noch übrig geblieben waren, verschwinden mit dem
Namen Hunnia im achten Jahrhunderte, und haben
fich vermuthlich unter die Slaven und Hungarn ge
mifchet.
344 XXXIII. Buch. Aelteste
und wurde von der Ens, Donau und Erlaf einge
fchloffen. Avarien im Gegentheilwar dasöstlichere
Oesterreich und Hungarn bis an die Donau, vielleicht
auch bis an die Theyß.
Die Mähren In dem Lande der Avaren nordlich der Donau
und Bulgaren
erobern das und östlich der Theyß schwärmten noch einige kleine
öfliche undavarische Fürsten oderChaneumher, die aber von den
: "böhmischen und mährischen Wenden auf einer, und
dem bulgarischen Chan Krumus aufder andernSeite
bekrieget, und bey den fortdauernden innern Zwistig
keiten leicht überwältiget wurden. Der bulgarische
Chan fand die unterjochten Abaren so gesittet, daß er
ihre Kleidung bey feiner Nation einführte, und nach
dem Rathe einiger avarischen Gefangenen die ersten
bulgarischen Gesetze entwarf q). Lecho, ein Fürst
J.Ehr. 305. böhmischer Sclaven, oder richtiger, ein Anführer der
Wenden, die an der Morawa wohnten, überfiel den
christlichen avarischen Chan Theodorus, und vertrieb
ihn ausdem Lande der Hunnen, welches vermuthlich
Oesterreich nordlich der Donau war r). Allein der
Kaiser strafte ihn durch seinen Sohn Karl, welcher
fein Heer in Böhmen von dreyen Seiten herzugleich
einbrechen ließ, denLecho tödtete, und dasplatte Land
vierzig Tage langverwüstete. Dem Theodor gab der
Kaiser zwar neue Wohnplätze zwischen Sabaria und
Carnuntum, oder Stein am Anger und Petronell in
Hungarn. Allein der Chan farb, ehe er sie inBesitz
nehmen konnte. Seine Nation wählte einen neuen
Chan,
q) Sridas Ecl. hist. de rebus Byzant. p.38. Die bul
garische Eroberung erstreckte sich wahrscheinlich durch
Siebenbürgen und Hungarn östlich der Theyß, und
ward zwischen 803 und 813 gemacht. In dem letz
tern Jahre gebrauchte der bulgarische Chan fchon feine
Averen und Sclavinen gegenden Kaiser Leo.
r) Annales Metienf. ad An. 805.
HungarischeGeschichte. 345

Chan, welcher durch Abgeordnete um die kaiserliche


Bestätigung bat, von dem Kaiser nach dem alten
avarischenGebrauch feyerlich eingesetzet ward, und sich
unter dem Namen Abraham zu Fischa ohnweit Paffau
taufen ließ. Die Böhmen wurden im nächsten Jahre 3.Chr.gos.
noch einmal vom kaiserlichen Heere feindlich besucht,
und verhielten sich darauf ruhig, ohngeachtet sie noch
immer aufeinen Theil des avarischen ReichsAnspruch
machten. Der Kaiser sandte Leute, die die hunnisch-J. Ehren
flavinischenGränzirrungen belegen sollten, miteinem
Heere nach Pannonien s), und hoffte durch diese das
böhmische Misvergnügen zu tilgen; aber diese Leute
fanden so viele Schwierigkeiten, daß sie nichts entschei
den wollten, sondern die Fürsten der Avaren, nämlich
die Chane Zauchus und Thudun, nebst den Vornehm
fien der Donauwenden mit sich nach Aachen nahmen,
wo der Kaiser Karl selbst ihre Gränzen bestimmete.
Avarien und Hunnien wurde nunmehr ein Theil des „'',
Herzogthums undKönigreichs Baiern,dessenHaupt-'n'
stadt RegensburgdasStapelrechtdes avarischen Han- “fe Pro
dels erhielt t). Der Kaiser legte dieses seinem Sohn, ehr, Zo6
dem italienischen Könige Pipin, bey, welcher es, so 8".
lange er lebte, besaß. Nach K.Karls Tode (814)
gab esKaiser Ludewig erst seinem ältern Sohne Lothar,
darauf aber (817), nebst Böhmen, Kärnthen und
allen dalmatischen Slaven, dem jüngern Prinzen
Ludewig, der es in der Erbtheilung zu Verdün(843)
bis aufKroatien und Dalmatien behielt, und alles
Land innerhalb der Donau, Drau und Sau, nebst
der wendischen Mark und Liburnien zu einem neuen
Y 5 König
s) Annales ap. Pray I. c.p. 288.
t) Capitulare Caroli M. de An. 805. Cap. 9. Lorch ward
-in diesem Capitulari zum Gränzhandelsort für die
Sclaven angewiefen; allein es konnte sich von der
letzten Zerstörung nicht wieder erholen,
346 XXXIII. Buch. Aelteste
Königreiche Ostfranken oder Deutschland legte.
Ludewigs älterer Sohn Karlmann, trennete es von
diesem (876), und besaßPannonien, Kärnthen und
Szlavonien alseinen Theildes Königreichs Baiern,
welches ihm in der Theilungzufiel. Aber sein Nach
folger und Bruder, Kaiser Karlder Dicke,vereinigte
es mitdergesamten karolingischen Monarchie und den
Ländern Kroatien und Dalmatien, die er von des
Kaisers Lotharius Nachkommen als Zubehöre des ita
liänischen Reichs ererbt hatte. Unter ihm herrschte
J.Chr. 387 Arnolf, Karlmanns Sohn,über Kärnthen als Lehn
herzog; und diesem Prinzen gelang es, nach feiner
Stürzung, das deutsche Reich mit Pannonien und
allen östlichen karolingischen Befizungen an sich zu
bringen. -

Dalmatien
kommt zum
Mit der Errichtung des abendländischen Kaiser
Theil an das hums war die völlige Absonderung der griechischen
abendländische und lateinischenKircheverbunden, welche einengroßen
Kaiferthum.
Einfluß aufdie Verfaffung der illyrischen Provinzen
hatte. DerPabst, der seit dem Jahre 726 mitdem
griechisch-kaiserlichenHofe und dessenPatriarchen über
die VerehrungderBilder und Reliquien zerfallen war,
verdammete die griechische Kirche, und der abendlän
dische Kaiser gab seinen Ercommunicationen durch die
Waffen ein Gewicht. Durch diese wurden die dem
morgenländischen Kaiser getreuen Unterthanen aus
Italien vertrieben, und viele von denen, die in Dal
matien nochnicht von den Kroaten und Sorben unter
jocht waren, so sehr geschreckt, daß sie sich frey
willigunker Kaiser Karls Schuß begaben. Ein ge
wiffer Willerus, der sich zum Herzog von Venedig
aufgeworfen hatte, und, wie es scheint, mit der See
stadt Jadera oder Zara in Verbindungwar, trat, als
J. Chr.805. des Kaisers Nicephorus Flotte in dem adriatischen
Meere erschien, inGesellschaft der dalmatischen Abge
- fandten
Hungarische Geschichte. 347
fandten oder des jaderischen Herzogs Paulus und Bi
fchofs Donatus aufdem Reichstage zu Diedenhafen
unter Kaiser Karls Hoheit. Die griechische Flotte
war noch glücklich, und Karlblieb im Besitz deszarai
fchen Gebiets. Erbrachtezu selbigem auchLiburnien,
Istrien und dasübrige Dalmatien, bis aufdie See
städte, deren Hoheit er vermöge eines Bündniffes,
welches er mit dem griechischen Kaiser schloß, nicht in J. Chr. 31.
Anspruch nahm u). Durch dieses Bündniß bekam
der griechische Kaiser, wie es scheint, Zara zurück;
allein es bestimmte die Gränzen zwischen dengriechi
fchen und fränkischen Sclaven nicht genau genug.
Daher entstand ein neuer dalmatischer Gränzwist,
deffenEntscheidung dem friaulischen Herzog Chadolach JChr. 37.
aufgetragen ward x). DieserMannfandGelegenheit
bey der Untersuchungdrey flavische Nationen von der J. Chr. 88.
bulgarischen zuderfränkischenHoheitzubringen,näm-"
lich die Timozianer und Gudufkaner in Bulgarien Wenden unter
und Servien am Timoch, Mhauna- und Morava. "
from, und die Abotriten oder Präcenecenten näher
an der Donau. Diese Nationen hatten einen gewissen
Borna zum Anführer, welcher bald daraufdemKaiser
Ludewig bey der Demüthigung eines gewissen Rebellen
Liudewits half. Liudewit war desKaisers Dur und
Rector von Niederpannonien oder Szlavonien, und
gerieth in Misvergnügen gegen seinen Herrn, weil
- dieser
u) EginbartVita CaroliM. c. 13. de Eckhart Comm.de
reb. Franciae orient. T. II. p. 40. Die Seestädte
waren Justinopolis in Istrien, Tragurium (Trau),
Spalatro, Ragusa und die Wohnplatze aufden libur
mischen Inseln. Lucius de Regno Dalm. edit.Schwandt
ner.p. 89. Jadera war 82 1 wieder griechisch, und
und hatte einen kaiserlichen Dux mit einer Flotte.
z) ab Eckhart Comm.de rebus Fr.Orient.T. II.p. 135.
Lucius . c. p.85.
348 XXXIII. Buch. Aelteste
dieser ihm in einem Zwiste mit demHerzog Chadolach
abfiel. Er beschuldigte nämlich den Herzog vieler
Beleidigungen und Grausamkeiten, und der Kaiser
ließ seine Klage untersuchen, undfand, daß sie unge
gründet sey. Liudewit ergriffdaraufdie Waffen, ward
von einem kaiserlichen Heere unterBaldrichs, desfla
vischen und friaulischen Markgrafens, Anführung am
Drau geschlagen, und stieß ander Kulp auf ein neues
Heer jenes Borna, der kurzzuvor zum Herzog von
Dalmatien und Liburnien erhoben war. Erfand Ge
legenheit, die Gudufaner zur Flucht zubewegen,und
schlug daraufden Borna. Borna wandte sich gegen -

die Gudufkaner, holte sie ein, undzwang sie aufdas


Neuezum Gehorsam. Liudewitverwüstete des Borna
Land; aber Borna zog seine Unterthanen mit ihren
Gütern in feine Festungen, fiel aus selbigen unver
muthet auf Liudewits Leute, und tödtete von ihnen in
3. Ehr. 3a.einem einigen Winter über dreitausend Mann. Bald
nachher starb Borna, und das Volk wählte zu einem
Nachfolger seinen Enkel Kadaclav, den der Kaiser be
stätigte. Liudewitwar so sehrgeschwächt, daßer dem
Kaiser Friedensvorschläge hat, die aber nicht ange
I.Chr.82.nommen wurden. Ein dreyfaches kaiserliches Heer,
welches aus Italien, Oberpannonien und Kärnthen
aufihn eindrang, veranlasfete ihn, zu dem Fürsten
der Sorben zu fliehen, der einen beträchtlichen Theil
vom damaligen Dalmatien, oder das Meiste vom
heutigen Serbien, vielleicht auch etwasvon Bosnien
besaß. Dieser Fürst nahm ihn in seine festeste Stadt
auf, ward aber für feine Freundschaft sehr schlecht be
lohnt; denn ein Gast ermordete ihn, und machte sich
zum Herrn derStadt. Weil er diese nicht behaupten
J. Chr. 823. konnte, flohe er zum Liudemuflus, einem Vetter des
Borna in Dalmatien, und der Erfolgzeigte, daß er
hierbeysehrunvorsichtigverfuhr: denn Liudemil nahm
ihn
Hungarische Geschichte. 349
ihn auf, und erschlug ihn, um seinen Vetter zu rä
chen. Sein Tod erschreckte viele wendische Nationen,
die sich mit ihm eingelaffen hatten, und nicht nur die
südlichen oder predenecentischen Abotriten, pannoni
fchen Avaren und Böhmen, sondern auch dieSorben,
Willen undmeklenburgischen Abotriten fanden sich mit
Geschenken bey dem Kaiser ein, und baten um
Gnade.
Die predeneeentischen Abotriten riefen den Kaiser J.Chr. zu.
gleich daraufum Hülfe gegen die Bulgaren an, weil ''
diese fe wieder unter ihre Gewalt zu bringen suchten, monien.
Der Kaiser befahldempannonischen Markgrafen Bal
drich und Gerholt genau aufdie Bulgaren acht zu
geben,und von der geringsten Bewegungderselben auf
dasgeschwindefte ihm Nachrichtzu geben. Aber die
Markgrafen versicherten im folgenden Jahre, man
habe nichtszubefürchten. Gleichdaraufkamplötzlich
eine große Schaar Bulgaren zu Schiffe auf der Drau
in Pannonien, und zwang die dortigen Wenden, ge
wiffe Herzoge von ihnen als ihre Herren anzunehmen,
und dem bulgarischen Chanzu huldigen. Der KaiserJ. Chr. 327.
bestrafte jene Markgrafen für ihre Sorglosigkeit mit
der Absetzung, verheilte das Herzogthum Friaul,
welches Baldrich gehabt hatte, in vier Grafschaften,
und vertrieb die bulgarischen Fürsten durch den öster
reichischen MarkgrafRatbod.
Gegen Norden hatte Pannonienzu diesen Zeiten Mährische Be
Feinde, die durch den Fall der Avarenplötzlich groß gebenheiten
und mächtig wurden. Diese,die Mähren, scheinen
ein von den Böhmen oder weißen Chrobaten abgefon
derterwendischer Stammgewesen zu seyn, und hatten
ihren Namenvondem jetzigenhungarischen Gränzstrom
Morawa erhalten. Man findet ihren Namen zuerst
in der Urkunde, in welcher die obengenannten zwey
neuen mährischen Bischofthümer bestätiget sind, und J. Chr. 325.
die
-
350 XXXIII. Buch. Aelteste
die Lage des einen dieser Bischofhümer zu Neitra
zeigt, daß die Mähren damals schon außer demjetzigen
Markgrafhum Mähren auch Niederhungarn nordlich
der Donau beseffen habeny). In ihrem Lande herrsch
ten damals zwey Fürsten. Moymar, welcher Her
zogder westlichen Moraver, und ein Freund derBul
garen war, und Priwina, der Herzog der östlichen
Moraver. Derletzte hielt sich zu den Franken, nahm
-- J. Chr. 328,die Taufe mit dem Namen Bruno anz), und ward
vom Kaiser dem pannonischen Markgrafen Ratbod
empfohlen. DieserFürst, der mitihm in alterFeind
fchaft lebte, schilderte ihn bei Hofe mit so widrigen
Farben ab,daßder Kaiser ihm ungnädigward. Er
flohe daher zu Salacho, dem Markgrafen an der Sau,
welcher ihn aufnahm, desKaisers Unwillen hob, und
ihm von selbigem ein Land ander Saane zwischen der
Drau und Sau in Niederpannonien auswirkte. Seit
dieser Zeit sorgte er für die Ausbreitung des Christen
-- thums, den Anbau eines Landes, und die Sicherheit
J.Chr. 850, der abendländischen Reichsgränze, und stiftete sieben
zehn Kirchen, von welchen eine in Petau, eine zu
Fünfkirchen, und drey in seiner neuen Residenzstadt
im Fluffe Selede (Mosburch) waren. Die westli
chen Mähren oderMoraversuchten sichder kaiserlichen
J.Chr. 34%. Hoheitzu entziehen; allein der Kaiser demüthigte sie,
setzte
v) Pessina de Czechorod fängt im Marte Moravico die
mährische Geschichte mit dem Jahre 690 an, und
dehnt das mährische Gebiet über ganz Polen, Panno
nien und Dacien aus. Allein gleichzeitige Urkunden
enthalten nicht nur nichts von dem, was er vorbringt,
fondern widersprechen ihm vielmehr. Die Urkunde
von $26, die wahrscheinlich ächt ist, findet sich am
richtigsten in Hanfiz Germ.facra T. I.p. 148
z) Hift. de Converf, Carenthanor. ap. du Che/neSeript.
rer. Franc.T. II. p.221. Hr. P. Cäsar a. O. S.
328.
Hungarische Geschichte. 351

setzte Moymaren ab, und verordnete dessen Enkel


Rastices an einer Statt zum Herzog. Dieser war
eben so ungetreu alsMoymar, schütztesichdurcheinen J. Chr. sf
großen Wall, den die kaiserlichen Völkernicht ersteigen
konnten, und verheerte Pannonien. Der Kaiser
mußte die Ahndung eine geraume Zeit hindurchzwar
aussetzen, überfiel ihn aber nach neun Jahren unver
muthet, und zerstörte eine Hauptstadt Dovina, die J.Chr. ss4.
man für dasjetzige Dievina oder Teben in Hungarn
hält. Rastices rächte sich im folgenden Jahre durch
einen Zug, aufwelchem er den östlich-mährischen
Fürst Priwina tödtete, und trat nebst den Böhmen
und fächsischen Sorben zu dem misvergnügten kaiser
lichen Prinzen Ludewig, der sichdamalsgegen feinen
Vater auflehnte. Dieser Bund stürzte ihn; denn er J. Chr.369.
ward geschlagen, und hatte das Misvergnügen, daß
fein Enkel Zwentibald dem kaiserlichen Prinzen Karl-J.Chr.870.
mann huldigte. Diesesgeschahe nichtfreiwillig; denn
Karlmann hatte den Zwentibald durch Verheerung
feines Reichsdazu gezwungen. Dennochgerieth Ra
ficesdarüber in einen so heftigen Zorn, daß er ihm
nach dem Leben trachtete. Zwentibald, der dieses
merkte, bemächtigte sich feiner durch List, und fandte
ihnden Kaiserlichen,die ihnblendeten.
Rastices war kein blinder Verehrer einer Natio- ursprung des
„nalvorurtheile, sondern strebte vielmehr nach dem ";
Ruhme, ein festes Reich gegründet, und eine noch d'
rauhe Nation gesittetergemachtzu haben. Erbemerkte Schrift.
die großen Vortheile, die ein Regent und überhaupt
die Staatsverfaffung aus der christlichen Religionzog,
und bemühete sich diese in seinem Reiche einzuführen.
Der Pabst und die Abendländer hatten zwar schon für
zwey mährische Missionsbischöfe geforget. Allein da
diese bei ihren Lehren und dem Kirchendienste nur die
lateinische Sprache gebrauchten, die den Wenden un
Pßs
352 XXXIII.Buch. Aelteste
verständlichwar, und da fie ferner von dem abendlän
dischen Kaiser seinem gefährlichsten Feinde abhiengen,
und ihm schädlich werden konnten, so nahm er sich
ihrer nicht an, sondern bat vielmehr den griechischen
Kaiser um einengewissen verdienstvollen Lehrer Con
J. Chr. 863. fantinus oder Cyrillus, welcher durch die Bekehrung
der Chazaren berühmt geworden war, und gezeigt
hatte, daß erfähigfey, eine fremde Landessprachezu
lernen und Unterricht darin zu erheilen. DerKaiser
fandte diesen Mann zugleich mit seinem Bruder Mie
thodius, der einen eben so großenEifer für dasChri
fenthum als er selbst äußerte; und Cyrillus wandte
dengrößten Fleiß aufdie Erfüllung der Pflicht, die
er übernommen hatte. Er übersetzte die Kirchenge
fänge und Texte in die wendische Sprache, fann für
die den Wenden eigenthümlichen Töne besondere Buch
staben aus,die er zu dem griechischenAlphabethe setzte,
und brachte die erste Kenntniß des Lesens unter die
Wenden. Gewife unbekannte Ursachen veranlafeten
J. Chr. 867. ihn, sich dem Pabste zuunterwerfen, und inRom die
bischöfliche Weihe undBestätigungzu suchen. Diese
wurde ihm ohneAnstand verliehen; und der Pabst be
fahl sogar im zwölften Jahre nachher, daß ein wen
disches oder illyrisches Officium in allen mährischen
Kirchen gültigfeynund das lateinische vertreiben sollte.
Der Fürst der östlichen Moraven an der SaaneChozil
gab diesem gleichfallsden Vorzug, undführte es auch
in seinem Gebiete in Krqin, Zilley, Steyermark,
Szlavonien undNiederhungarn am Drau ein. Die
fes misfiel dem Erzbischof von Salzburg, zu dessen
Stiftssprengel er sich bisher gehalten hatte. Allein
derPabst wiesdiesenPrälaten ab, und unterwarfdas
östliche oder flavonische Mähren dem vorgedachten
Cyrillus.

Jener
Hungarische Geschichte... 353
Jener Herzog
Gefangenschaft Zventibold,
gebracht hatte, der
fielden Rastices
gleich in die
nachher ''
in nomische Krieg

den Verdacht einer Untreue gegen den abendländischen


Kaiser, und ward vom Könige Karlmann gleichfalls
in ein Gefängniß eingeschloffen. Er vertheidigte sichJ. Chr. 37t.
aber so wohl, daß man überführet ward, es sei ihm
unrecht geschehen. Daher ließman ihn nichtnurfrey,
sondern gab ihm auch ein Heer, um einen gewissen
Sclagomar, den die Mähren inzwischen zum Herzog
erwählet hatten,zu unterdrückena). An diesemHeere
ließ er seine Rache aus: denn er hieb es nieder, fo
bald ermit selbigem indes Raftices Burggerückt war,
und es in feine Gewalt bekommen hatte. DieBaiern
und der Kaiser konnten diese Grausamkeit nicht ahn
den, sondern mußten ihm nach einem dreijährigen J.Chr. if.
Kriege das Land nordostlich der Donau bis gegen den
Ausflußder Drau über abtreten, und sich mit einem
geringen Zins begnügen. Sie verordneten zwar zwey
mährische Markgrafen, die daspannonische Donauufer
verwahren sollten. Allein diese veranlasseten vielmehr,
daßPannoniengleichfallsdem Zwentibold zufiel; denn
da diese Markgrafen gestorben waren, und ihreKinder J.Chr. 884
die Markgrafschaften zu erben und den neuverordneten
kaiserlichen Markgrafen Arbo zu vertreiben fichten,
nahm Zwentibold sich des Arbo, so wie der kärnthische
HerzogArnolfder Kinder an. Er setzte daher über
die Donau, und verheerte Pannonien östlich dem
Raab mit so großer Grausamkeit, daß er den Gefan
genen die Hände und andere Glieder abschneiden und
die Augen ausstechen ließ, um sie die Wirkungen feiner
Wut ihr ganzes Leben hindurch empfinden zu laffen.
DerHerzog Arnolfreizte zwar die Bulgaren zum Ein
bruch in eine östlichsten Länder, alleiner schlugfie und
a) v. Jordan de Origin.Slavicis T. II.p.279. U)ls
h

Allgem WeltgXV.B,1.Abth. Z
--
354 xxxII-Buch. Aelteste
ihn. Endlich kam der Kaiser Karl selbst an die
J.Chr. 385.Donau, und Zwentibold,der nur um einen kaiserlichen
Markgrafen dem Vorgeben nach bei seinem Amte zu
schützen die Feindseligkeiten verübt haben wollte, ward
von dem Kaiser als Freund aufgenommen, mit dem
Herzog Arnolf ausgesöhnt, und als Lehnmam ver
pflichtet b). HerzogArnolfverordnete schon ein Jahr
zuvor den ostmährischen Fürsten Brazlaw, der ver
muthlich des vorgedachten Chozils Sohn war, zum
pannonischen Vorsteher oder Markgrafen gegen die
Hunnen oderHungarn, und mit diesem Fürsten starb
nachher der östlich-moravische Stamm aus.
Mähren wird. Der Fürst Zventiboldtratnunmehr in eine so enge
" Freundschaft mit Arnolfen, daß dieser von ihm einen
- feiner unehlichen Prinzen aus der Taufe heben ließ,
3.Chr.890.und ihm, da er fich zum deutschen König gemacht
hatte, das Herzogthum Böhmen gab. Dieses war
ein großer Staatsfehler und bewies, daß Arnolf sich
nicht aufdie Wirkungen des Stolzes und Ehrgeizes
verstand. Die Böhmen geriethen in heftigen Zorn,
weil ihnen keinFürst ausihrer Nation vorgesetzetward;
aber Zwentibold verachtete diesen, und hoffte durchdie
vereinigte böhmisch-mährische Macht fich unabhängig
zu machen. Er äußerte schon im ersten Jahre seiner
böhmischen Regierung einen Ungehorsam gegen den
König
b) P. Hansiz glaubt nicht ohne Grund in Germ.facra T.I.
p. 165, daßZwentibold feitdieserZeit ganzPannonien
als ein Reichslehn befeffen habe. Dennoch waren
Liutpeld und Arbo, ja selbst H. Arnolfzn gleicherZeit
Markgrafen in Pannonien, welches sich mit der Han
fizischen Muthmaßung nicht wohl vergleichen läft.
- Brazlaw heißet in dem Additamento Annal. Fuldenfium
ad Ann. 884: Praefečius universae Pannoniae et Urbis
Paludarum. Der letzte Ausdruck soll wohlMosburch,
die vom Privinna erbauete Stadt und Festung, anzei
gel
Hungarische Geschichte. 355
König Arnolf, ward aber sogleich durch eine Verhee
rung des mährischenHerzogthums gedemüthigt. Im Jahr.
zweiten Jahre machte er einen neuen Versuch, und “
der KönigArnolfbotgegen ihn den mährisch-panno
nischen Herzog Brazislav, denbulgarischen König Lau
dimir und die Hungaren oder Magyaren auf. Da
durch ward er diesesmal, und da er gleich wieder fich
empörte, auch im folgenden Jahre,zum Frieden ge-J. Chr. 39a
zwungen. Dennoch verlor er den Muth nicht, und "9393.
da ihn der Tod gleich nachher übereilte, so bemühete J.Chr. 29,
er sich auf dem Sterbebette seinen drei Söhnen die
Einigkeit, Fortsetzung seiner Unternehmungen, und
Ausführung seines Entwurfs recht sehr an das Herz
zu legen. c). Diese Prinzen suchten die Böhmen,
welche sich sogleich einen Nationalherzog wählten, unter
ihre Herrschaft zu bringen; allein Arnolf, der nun J. Chr. vor,
Kaiser geworden war, eilte den Böhmen zu Hülfe,
und dieHungaren verheerten das moravische Reich auf
der andern Seite so sehr, daß die Prinzen den Kaiser
zu besänftigen suchen mußten. Der älteste dieser
Prinzen Moymir strebte nach der einigen Gewalt, die
er bisher nur geheilet mit seinen Brüdern befeffen
hatte, und trieb den jüngsten Bruder Zventobolch in
eine feste Stadt. Die Baiern und der Kaisernahmen
fich des bedrängten Jünglings an, streiften einigemalJ Chr. 89.
in Mähren, eroberten und verbrannten die Stadt, in
welcher Zwentobolch verwahrt ward, und nahmen die
den Prinzen mit sich. Die Mähren rächten sich zwar zehn „
und zerstörten alle Kirchen und Häuser durch ganz Zerstörung des
Pannonien; allein sie konnten sich gegen ihre östlichen # Mäh

und westlichen Nachbarn nicht vertheidigen. An die


„westlichen oder die Baiern verloren sie, wie es scheint,
- Z 2 das

c) Confant. Porphyrogen.de Administ.Imp. c.41. In


- dieser Stelle wird Großmoravia fehr weit nachSüden
ausgedehnet, nämlich bis an Sirmium und Belgrad.
-
\ -
356 XXXIII. Buch. Aelteste
das jetzige Oesterreich nordlich der Donau; undfiebe
auemten sichendlich,wiewohlzu spät,zueinem Friedens
J.Chr. 90,vertrage mit dem Kaiser Ludewig, Arnolfs Sohn, weil
ihnen die Madgiaren oderHungaren zu schwerwurden.
Diese Nation hatte im nächst vorhergehenden Jahre
das moravische Reich mit so vieler Grausamkeit ver
heeret, daß es größtentheils in eine Einöde verwandelt
ward, und die Einwohner, bis aufeinigewenige, die
noch jezt in Hungarn unter dem Namen der Slaven
vorhanden sind,das Landverließen und zuden nächsten
J.Chr. 899 Kroaten und Bulgaren flohen. Siehatten schonzuvor
Szlavonien oder Ostmähren öde gemacht, breiteten
fich nun auchin Ober- und Niederpannonien aus, und
J.Chr.900.giengen endlich auch nach Italien. Die Deutschen,
die sie zuerst durch ihr Bündniß gegen die Mähren in
die westlichsten illyrischen Gegenden gelockt hatten, ver
loren durch sie alle wendische undpannonische oderhun
garische Besitzungen östlich dem Leytastrom, und ge
riechen nachher öfters in Gefahr, gänzlich von ihnen
'“ überwältigetzuwerden. Die neuen Bischofhümerin
Reichs. Kärnthen, Niederhungarn und Oesterreichverschwan
den, und mit ihnen verlor das Bischofhum Passau
feine lorchische erzbischöfliche Würde. Von Mähren
blieb kaum ein Viertheil in seiner altenVerfaffung und
wurde den böhmischen Herzogthum einverleibt.
Das alte regierende mährische Haus aber wurde im
Westen und Osten gänzlich vertilget.
Die „zmit. Der südliche Theil des alten Illyriens oder Dal
F" matien litte in dieser Zeit eine eben so große Verän
"derung, obgleich in selbigem nicht so vieles Blut als
inPannonien vergoffen ward. Die griechischenKaiser
hatten noch einige Gewalt in den großen Insel- und
Seestädten Spalatro, Zara, Osorno, Arbe und
Veglia, und hielten zu Zara einen Dur oder Prätor,
der von allen dalmatischen Einwohnern ein
- ahr
--
Hungarische Geschichte. 357
Jahrgeld von 710 Goldstücken für den Kaiser hob.
Allein die Kroaten und narentanischen wendischenSee
räuber ängstigten diese Oerter so sehr, daßder Kaiser
ihnen erlaubte, dasJahrgeld denKroaten und übrigen -

wendischen Dalmatiern für denSchutz zu geben, und -

sich nur mit einer geringen Abgabe, die ein Zeichen


der Anerkennung seiner Hoheit sein sollte,begnügte d).
Die östlichen Seestädte hatten sich schon zuvor mitden J. Chr.sz.
Kroaten, Serbiern, Zachlumen, Tribuniaten, Dio
kleaten und Paganen oder Narentanern von der grie
chischen Hoheitzueiner dazu sehr bequemen Zeit losge
riffen, da nämlich der griechische Kaiser feine Flotte
aus ihren Gewäffern abrufen, und gegen die Saraze
nen senden, der römische Kaiser aber mit den Bulga
ren inPannonien fechten e)mußte. Diese Empörung
brachte die Herrschaft des adriatischen Meeresgewisser
maßen aus der griechischen in die dalmatisch-venetia
niche Gewalt; denn auf diesem Busen erschienen
seitdem nur Geschwader unter venetianischer und ragu
fanischer Flagge f). Nicht lange nachher schien eine
afrikanisch-farazenische Flotte diese Hoheit zerstören zu J.Chr. 367.
wollen; denn sie warfdie Anker vor Budua, Roffa
und Kataro, und nachdem sie diese Städte erobert
hatte, auch vorRagusa. Die Ragusaner fleheten den
- - - Z3 grie
d) Confant. de Admin, Imp. e. 29. - - - - -
e) ab. Eckhart Comm.de reb. Francine oriental.T. II.p.
- 2 I 5. --

f) Lucius de reg. Dalm. ed. Schmandtner. p. 89. Ve


nedig entstand zufällig im fünften Jahrhunderte aus
den Flüchtlingen, die aus derProvinz der Veneter sich
aufdie Inseln gerettet hatten. Es war im Jahr 726
fchon machtiggenug, um für feinen Kaiser Ravenna
zu erobern, und erhielt darauf einen griechischen Dux.
Seine Flotte bekam dasUebergewicht, da die Griechen
den Hafen von Ravenna im Jahr 752 wieder ein
büßeten. -
358 XXXIII. Buch. Aelteste
griechischen Kaiser Michael um Hülfe an, und erhiel
ten selbige im funfzehnten Monate der Belagerung von
deffelben Nachfolger Basilius dem Großen.“ Sobald
diese erschien, hoben die Sarazenen die Belagerung
auf, segelten nach Neapoli, und brachten Bari in
ihre Gewalt g). Die dalmatischen freienStädte und
wendischen Völkerbegriffen nun, daß sie durch eigene
Kraft sich nicht erhaltenkonnten, und unterwarfen sich
daher dem Kaiser Basilius mit solchem Eifer, daß
diejenigen Nationen, die bisher noch Heiden gewesen
waren, durch die Taufe zum Christenthum traten.
Darauf folgten sie dem Kaiser auf raguanischen
Schiffen nach Neapel, und halfen ihm bey der gänzt
lichen Verjagung der Sarazenen aus den europäischen
Gewäffern. Dieses war der letzte Blitz, den die
verlöschende griechisch-römische Herrschaft in diesen
Gegenden von sichgab. Denn nicht lange nach die
fer Begebenheit ward der konstantinopolitanische Hof
fo fehr entkräftet, daß die Dalmatier von seinem
Schutze keine Sicherheit weiter erwarten konnten.
Daher warfen sie das Joch abermals ab, und in der
folgenden Zeit versuchten die Hungaren, die Venetia
ner und die Türken es ihnen wieder aufzulegen, wel
ches ihnen nach vielerley Abwechselungen endlich
gelang.
Das größere Illyrien wurde, nachdem es über
neunhundert Jahr unter mannichfaltigen Gefahren
fich als einen großen und abgesonderten Theil der rö
mischen Monarchie und des ganzen Europens erhalten
hatte, endlich ein Raub einer asiatischen Nation, die
nicht wie die Römer ihm die Cultur mittheilte, fon
dern vielmehr sie von ihm empfieng. Diese

g) Constantinus c.29. Hr. Stritter a. O. T. II. P. I.


P. 9O.
Hungarische Geschichte. 359
hat esjetztfast so lange wie die Römer beseffen, und, ,
wo nichtweiter und menschenfreundlicher, wenigstens
ruhiger beherrscht. Sie ist zwar öfters in Gefahr
gewesen, von denTürken verschlungenzu werden, und
hat auch durchinnerliche Unruhen sichöfters dem Ver
derben fast eben so nahe als die Griechen, Avaren
und Mähren gebracht. Allein Nationaltugend und
Güte ihres Charakters, Weisheit der Regenten und
der Wille der Vorsicht habendie Gefahr abgewendet,
und der Verfaffung des Reichs eine solche Stärke ge
geben, daß man sich noch eine lange Dauer desselben
versprechen darf,

Z4 xxxiv.
360 XXXIV. Buch. Aelteste
---+-------++++++++++++++++++++++++

XXXIV. Buch.
Geschichte des ReichsHungarn unter der Herr
fchaft der Magyaren. '

Ursprung der De älteste Geschichte des hungarischen Volks im


Hungaren. dem Zeitraume, der vor ihrer Eroberung des
pannonischen Reichs vorausgehet, ist bisher ein Ge
genstand vieler gelehrten Untersuchungen und Zwistig
keiten gewesen a). Bey diesen wird man von den
ältesten
n) Der älteste Stammname der Nation wird fehr ver
fchieden von alten gleichzeitigen Schriftstellern geschrie
ben, namtlich Onogoren, Unnogunduren, Onogun
duren, Uniguren, Unmoguren, Hunugaren, Un
nogunen, Uguren, Ungri, Uituren, Ungroi. S.
Hr Prof. Joh. Thunmanns Untersuchungen über
die Gesch. der östlichen europäischen Völker S.
135. 28. Der K. Stephan I, von dem die ältesten
Urkunden der Nation gegeben sind, nennet sich felten
Regem Ungarie, öfterer aber R. Hungarie. Die
letztere Rechtschreibung, die durch jene Lesearten eben
nicht gebilliget wird, ist in den Kanzleyen geblieben;
daher ich ihr folge. Hepidanus nennet gewife Hun
garen Algarener oder Saracenen. Andere lateinische
Annalisten, die sie nicht recht kannten, verwechselten
sie bis indie Mitte des 10.Jahrhunderts mitdenHun
nen und Avaren. Die Morgenländer und die Grie
chen nannten sie Türken, letztere auch wohl Hunnen.
Sie felbst aber legen sich aus unbekannten Urfachen den
Namen eines untergeordneten Stammes, der nur ein
Achttheil der pannonischen Hungaren ausmachte, bey,
nämlich Magyar, oder nach alter hungarischerRecht
fchreibung Moger, und nach anderer Europäer Aus
sprache Madschar oder Madgar. Eben diesen Namen
:
- PLII.
fie bey den Polen, Türken, Perfern und Ara
Hungarische Geschichte. 361
ältesten hungarischen Schriftstellern völlig ver
laffen, oder vielmehr auf Irrwege geleitet. Denn
diese, welche beyderArmuth ihrer Nationalnachrichten
fich in griechischen und lateinischen Jahrbüchern nach
Nachrichten umsahen, und in solchen den Attila fan
den, gaben ihr Volk für Nachkommen der Hunnen
aus, um mit den attilanischen Thaten ihre Geschichte
ausschmücken zu können. Ihre Meinung ward für
authentische Nachricht fast bis in die erste Hälfte des
jetztlaufenden Jahrhunderts gehalten; aber sie ward
verworfen, als man die griechischen alten Schrift
steller genauer prüfte, und aus ihnen lernte, daß
gewiffe Oguren oder Ugren aus Asien nach Dacien ge
kommen wären, welche gewisser Kennzeichen wegen,
wohl für die Stammväter der heutigen Hungaren ge
halten werden könnten. Herr de Guignes unter
stützte die ältere Muthmaßung der hunnischen Abkunft
durch feine Erklärungen der chinesischen Nachrichten
von den Hiongnu, und brachte die Hungaren in eine
Verwandtschaft mit den Türken b); allein der Herr
Z S. Pro
b) Des Hrn. de Guignes Lehrgebäude ist vom Herrn
Pray in den Annalibus vet. Hunnorum P. III. p. 295,
und in Differtatt. hit. crit. angenommen und werthei
digt. Das Ogurische System ist vom Hrn.Hofrath
Bel in einer Disputation de vera Origine et epocha
Hunnorum, Avarum et Hungarorum in PannoniaLipf
1757 entworfen, und von Hr. Prof. Thunmann in
den vorgedachten Untersuchungen vollständiger ausge
führet. Die Herrn Sajnovics und Hell, welche auf
ihren gelehrten Reisen nach Wardöehuus in Finmar
ken die schon von andern zuvor bemerkte Aehnlichkeit
der finnischen und hungarischen Sprache fanden,
fchloffen aus felbiger, daß die Hungaren aus Karelien
ekommen wären, und vermutheten, daß das Vater
and der Finnen oder Samelein und Lappen in der
fchinesisch-tatarischen Wüste Lop oder Samozu
-
:LP 3.
-
--
362 XXXIV.Buch. Aelteste
Professor Thunmann entdeckte bei einer neuen Un
tersuchungausficherern Urkunden, daß die Hungaren
zu den nordlichen, nicht aber zu den östlichen Völkern
Asiens gehörten.
Die ältesten Hungaren oder Ugern hatten keinen
Begriffvon Schrift und Nachruhm, und lebten, so
wie nochjetzt ihre Vettern und Nachkommen in Sibi
rien thun, blosfür einen Tag. Daher ist es nicht
möglich, in ihrerGeschichte höher als bis in dasfünfte
Jahrhundert hinaufzusteigen, in welchem sie auf Na
tionen, die besorgterfür die Zukunft waren, fließen,
und ihr Name in den Jahrbüchern dieser Völker auf
genommen wurde. Durchdie Sprache der heutigen
Hungarenbekommt man zwar eine Spur, die tiefer
indas Alterthum leitet; allein man entdeckt durch fel
bige nichts weiter, als daß einst eine Nation zwischen
dem Eismeere,der Ostsee und dem kaspischen Meere
vorhanden gewesen ist, von welcher die Ugern einen
untergeordneten Stamm ausgemacht haben.
Finnische Ver Die heutigen Finnen und Lapländer, vorzüg
wandte der
Hungaren. lich aber die Karelier, haben sich nach gleichen Regeln
mit den Hungaren von der altenStammsprache dieser
großen unbekannten Nation, zu welcher auch fiege
hörten, entfernt, und daher find die heutigen Spra
chen dieser Nationen einander so ähnlichgeblieben,daß
ein Hungar den Karelier, und mit etwas mehrerer
Mühe auch den Lappen verstehen kann. Mit den
Finnländern find in Betracht derSprache, derSitten
und des Götzendienstes verwandt c) die Esten,
Liven,
fey; S. Hoannis Sajnovics S. IS.Demonstratioidioma
Ungarorum et Lapponum idem effe, Editio II. Tyrna
viae 1772. p. 47.
c) Hr. Prof.Büttner Vergleichungstafeln der Schrift
arten verschiedener Völker 1 Stück S.6, Hr. Pr.
Schlözer im 31 Theil der Allgem. Welthit. S. 246,
und vorzüglich Hr. Pray inder Diff. hit. critical.
Hungarische Geschichte. 363
Liven, Ishoren in Ingermanland, Syranen,
Permeken, Woraken, Czeremiffen und Mord
winen im europäischen Rußland zwischen derWolga,
Dwina und dem Eismeere, die Czuwaschen im
fibirischen Reiche Attrakan, die Wogulen oder
Hungritschen und Samojeden westlich dem Oby,
die kondischen Ostaken an dem Oby herauf, und
die Jukagiren d), welche vielleicht von den Samo
jeden abstammen, und weit von allen vorgenannten
Völkern entferntsind, ineiner der östlichsten sibirischen
Gegenden des Eismeeres. Zu den Hungaren und
Finnen scheinen auch die Türken zugehören. Denn
die Sprache der oeschmannischen Türken hatte schon
vor dem sechszehnten Jahrhunderte (da die Türken
den Hungaren so nahe kamen, daß sie öfters ihre Her
ren wurden,) eine sehr große Aehnlichkeit mit der
hungarischen Sprache e), und auch ihre bürgerliche
- Ver

d) S. Büttner a. O. S. 6, wo aber die Czuwaschen


zu den Türken gerechnet werden, zugleich mit den
Baschkiren, den kafanischen, kuzurzifchen, katfchischen,
tschakschischen, tschulinischen und tobolischen Tatarn,
den Teleuten, den Barabinzen, den Jakuten, den Bu
charen, den Turkomannen, denKarakalpaken und den
Kirgisten oderKafaken,die in Persien Chazaren heißen,
und für die Stammväter der heutigen Türken oder
Ofchmannen gehalten werden.
e) Verzeichniß vieler Wörter bey dem Hrn. Pray Diff
hist. Crit.p. 106. Eben dafelbst find S. 27 und 43
auch tatarische und mogolische Wörter, die sich in der
hungarischen Sprache finden, angegeben. Allein diese
haben bey dem Aufenthalte dieser Nationen in Dacien
das hungarische Bürgerrecht gewonnen. Hr. Pray
glaubt (S.296) mit dem Herrn de Guignes, daß
die Türken Hunnen aus Korea und Leatong gewesen,
die sich im Jahr 572 in die östlichen und westlichen
Türken getrennet hätten. Von den letztern n die
rey
364 XXXIV Buch.Aelteste
Verfaffungf), und dertürkische Name, den die Grie
chen ehedem den Hungaren belegten, scheinen Spu
ren einer türkisch-hungarischen Verwandtschaft zu ent
halten. Allein, da die TürkenHerrender Oguren, ehe
fie dasheutige Hungarn eroberten, gewesen sind, und
zwischen ihnen am azowischen Meere und dem Don
gewohnet haben, so bleibt noch immer der Zweifel
übrig, ob nicht blos diese Vermischung der Ungren
und Türkenjene Aehnlichkeit veranlasfet habe?, Eben
dieses gilt von den alten Hunnen, deren Könige
lange vor der Ankunft der Hungaren in dem Lande
verschwanden, in welchem nachher die Hungaren er
schienen,deren Länder die alten Ungren an der Wolga
im fünften Jahrhunderte, sowie die neuern.Hungaren
an der Donau im neunten Jahrhunderte in Besitz
nahmen, und von welchen noch jetzt Nachkommen vor
handen seyn müffen, ohngeachtet sie längst ihre Na
tionalkennzeichen verloren haben, und zu Slavinen,
Avaren, Hungaren und Bulgaren geworden find.
Das erste Zu welcher Zeit sich die Ugren von den Fennen
Alt - Ungern.
getrennet haben, läßt sich nicht bestimmen. Allein es
muß lange vor des Heilandes Geburt geschehen feyn,
weil damals die Fennen schon am fennischen Meerbusen
wohnten, und ihren besondern Nationalnamen führ
teng). Etwa vierhundert Jahr später saßen sie im
Lande
dreyfhinesischen Kaiserstämme, die nach 633 regier
ten, abgeleitet. Im Jahr 742 foll der Ueberrest nach
dem Don und Wolga getrieben feyn, und von diesen
sollen die Hungarn und heutigen Türken herkommen.
f) Hr. Thunmann a. O. S. 37.
g) Die heutigen Finnen nennen sich Somalaine, die
Ruffen aber Venna-Laine. Hieraus fcheint fast zu er
hellen, daß sie nicht die Finnen des Tacitus find, fon
dern vielmehr die Ruffen. Allein da die Ruffen ein
Gemische von nordischen Deutschen, Slaven und “
(0)211
Hungarische Geschichte. 365
Lande derBaschkiren imorenburgischen Gouvernement
zwischen den Quellen des Tobol, der Wolga und dem
Jaik, und dieses Land ward noch im dreizehnten
Jahrhunderte Großungarn genannt h), und von
Ungern bewohnt, die hungarisch redeten, nach alter
Weise mit ihrem Viehé in völliger Unabhängigkeit
am Jaik hin- und herzogen, und nichts von Polizey
undStaatsverfaffung wußten. Westlich ihrem Lande
lag das große oder weiße Bulgarien oder Bergend,
deffen Hauptstadt Bulgar im Jahr 968 von den
Ruffen zerstört ist, aber ihren Namen noch in ihren
Bruchstücken bis aufdiese Zeit erhalten hat i). Aus -

diesen Ländern wurden drey onogurische Haupt- Aelteste un


stämme durchdie Sabiren vertrieben, damals als"
diese von den wahren Avaren, so wie die Avaren von J. Chr. 46a.
den Türken verdränget wurden. Die Urogen, der
erstedieserdrey Hauptstämme,fielen aufdie Chaßaren,
behaupteten sich unter dem Namen der Wurgunder
oder Bulgaren in der krimischen Tartarey innerhalb
dem Don und Bog, und drangen endlich, wie oben
gemeldet ist, in Dacien und Mösien ein. Dennoch
blieben viele Bulgaren in jenem alten oder weißen
Bulgarien, und in der Nachbarschaft des kaspischen
Meeres, aus welcher schon vor ChristiGeburt Bul
garen

lichen Finnen sind, fo fiehet man leicht, daß die Fin


nen in Schweden ihren Nationalnamen auf ihr altes
Vaterland geheftet, und damit Nationen, die von
ganz anderer Herkunft waren, die aber die alte Fun
nenheimat eroberten, belegt haben. Ihr eigener Name
ist auch local, und beziehet fich blos aufdas schwedis
fche Finnland: denn er deutet Leute, die in Moräften
und Sümpfen wohnen, an.
h) Voyage de Rubriquis Ch. 23. Hr.Thunmann angef
Orts S. 168. Dieses Land war ungrich bis 1243,
da es die Mogolen bezwangen.
i) Hr. PrayAnn.p.253.
366 XXXIV.Buch. Aelteste
garen nachArmenien gekommen waren. DieSara
garen, Zalen oder Sarfelt k) setzten sich am Aus
fluffe der Wolga, und zwischen dem kaspischen und
schwarzen Meere und dem Kaukasus. Die Onogu
ren oder mächtigsten der vorgedachten drey Haupt
fämme theilten sich nach ihrer Entfernung aus Alt
ungern in die neuesten Onoguren oderHunugaren, in
die Utriguren, und in die Kutriguren. Von den
Urriguren und Kutriguren ist oben bereits bemerkt,
daß sie durch den Don von einander getrennet, von
den Hunnen, den unächten Avaren und den Türken |
beherrscht, undvon den Griechen durch Erregung in
nerer Zwistigkeiten beynahe vernichtet sind. Die
Humugaren oder neuern Uger nahmen ihren Aufent
J.Chr. 570.halt in Lesgien, und gränzten bei dem Fluffe Kophen
oder Kuma und der Wolga mit den Türken ). Diese
machten sich baldzu ihren Herren, und breiteten ihre
Herrschaft auch über die Avaren und Utri- undKutri
3. Chr. 76.guren, bis an die krimische Halbinsel aus. Es ist
daher nichtunwahrscheinlich, daßdie Griechen zu die
fer Zeit anfiengen, die Hunugaren für Türken zu hal
ten, weil sie mit den Türken,ihren Oberherren, auf
jedemfeindlichen Zuge bey ihnen erschienen.
3. Chr. sto. Unter den Ungern, die zwischen dem schwarzen
Ungreiches
nigreich.
Kö-endlich
und azowischen Meere undKopfauf,
ein unternehmender derWolgader
wohnten, stand
seine Lands
leute vermuthlich durch List unterjochte m), nachKon
- fanti
k) Hr. Thunmann a. O. S. 42.
l) Hr. Tbummann S. 86. Die Hunugaren machten
fich durch denZobelfangzu diesen Zeiten denEuropäern
merkwürdig. Fornandes de reb. Geticis c. 5.
m) Hr. Stritters Mem. Populor. ad Danub. incolent.
T. II. P. I.p. 502. Hr. Tbummann vermuthet fehr
wahrscheinlich S. 96, dieser König fey der Organas,
deffen Enkel K. Kuvrat war.
Hungarische Geschichte. 367
„fantinopelreitete, dasChristenthum annahm,Patri
tius ward, und durch des Kaisers Macht sich bey
der königlichen Würde erhielt. Sein Enkel oder
Nachfolger Kuvrat oder Kovrat, König der Un
nogunduren, Bulgaren und Kutriguren riß
sich von der Hoheit des Chans der Avaren los, trieb I. Chr. 8.
die von diesem Chan ihm anvertraueten Völker, weil
fie ihm nicht gehorchen wollten, aus feinem Gebiete,
herrschte vom azowischen Meere bis an den Kaukasus
und das schwarze Meer, und ward des KaisersHe
rakliusPatritius und Bundesgenoffe. Dieser Mann,
der dieErhaltung seines Reichsrechtfehnlich wünschte,J.Nach dem
Chr. 66o.
verheilte kurzvor seinem Tode sein Land oder vielmehr
feine Unterthanen unter seine fünf Söhne, und er Zertheilung
des Reichs.
mahnte sie in dem Lande, welches erjedem bestimmte,
zu bleiben, sichgemeinschaftlich gegen jeden Angriff
zu vertheidigen, und sich vorjeder Art von Knecht
fchaft oder Unterwürfigkeit zu hüten. Dieser Rath
ward mit dem Leichtsinne,der muthigen und ehrsüchti
gen Jünglingen eigen ist, verworfen, und die natür
liche Folge war, daß das ugrische Reich am Don
untergieng. Alzek, der jüngste Sohn, wandelte
nach Oberitalien, nahm die Taufe an, und ward des J. Chr. ss.
longobardischen Königs Gastald, oder Dur zu Penta
polis und Ravenna. Der vierte Sohn zogzudem
avarischen Chan nach Pannonien, und ward fein
Lehmmann oder Unterthan n). Derzweite Sohn
Cotragus oder Cathargus gieng über den Don in
dass

n) Hr. Thunmann a. O. S. 99. Es ist wahrscheinlich,


daßdieses 4 Sohns Unterthanen den Namen der Ono
goren und Hungaren behalten, und eine abgesonderte
Nation in der avarischen Monarchie geblieben sind,
weil aus den pannonischen Gegenden fchon im Jahr
750 Hungaren in Deutschland streiften, die wohl für
ihre Nachkommen gehalten werden müffen.
363 XXXIV.Buch. Aelteste
das alte Land der Utiguren, und nur allein der erste
Prinz Bajan oder Barbajagas blieb diesseits des
- Dons, in dem vom Vater ihm angewiesenen Lande.
Vor 679. Aparuch der dritte Sohn begab sich mit feinen Ogu
ren oder Ungarn aufdas schwarze Meer, schiffe vor
- den Mündungen desDneper und Dnesiers über, und
- landete zwischen den Flüffen Onklos und Dnester nord
lich der Donau in der Moldau, wo er sich in einer
Gegend, die vorne durch Flüffe und hinten durch
Berge gesichert wurde, festsetzte. Man fand seitdem
die Ungren in der krimischen Tartarey oder von der
Spitze des azowischen Meeres bis etwa am Pruth,
anfänglich als eine freie Nation, bald aber alsUnter
thanen der Chazaren.
Von den Cha- Diese Chazaren oder Agezireno) waren sehralte
zen. Bewohner der Gegenden zwischen dem Kaukasus
und den beyden daran stoßenden Meeren, und scheinen,
Nachkommen der alten Siraken zu feyn, die im drit
ten Jahrhunderte zu den merkwürdigen Nationen ge
hörten. Sie beunruhigten in den ältern Zeiten öfters
die Armenier. Nachher kamen sie unter die Hoheit
der Fürsten und Nationen, die am schwarzen Meere
J.Chr.42,die größte Machthatten, nämlich des hunnischen Kö
nigs Attilas und der Bulgaren, Ungern und Satra
guren. Endlich wurden sie durch eine unbekannte
Unternehmung wieder frey, und schloffen in diesem
Zustande öfters Bündniffe mit römisch-griechischen
J.Chr. 65.Kaisern, insbesondere mit demK.Heraklius, dem sie
große Dienste leisteten. Schon zuvor hatten sie sich
in Mawaralmahar oder der Bucharey ausgebreitet,
und nun erhoben sie sich gegendieUngern, die ehedem
J.Chr. 68. ihre Herren gewesen waren p). Zu diesen kamen fie
- (U8
o) Hr. Tbunmann S 109 u.f. S. 133. ",

p) Constantin giebt drey Jahr an, welche Zeit zu kurz


für viele Züge ist, die sein Ausdruck vermuthen laßt.
Daher
Hungarische Geschichte. 369
ausBerzilien, oder den Gegenden zwischen der Wolga
und den Gränzenvon Derbent; und das Land desBat.
bajas war die erste europäische Provinz, die ihnen
zufiel. Sie giengen bald weiter nach Norden und
Westen, und machten fich die übrigen Ungern nebst
den Polanen, Seweriern, Wotitschen und Radimit
fchen im russischen Reiche zinsbar. Dann setzten sie
fich auch zwischen der Theiß, Marosch und Samosch
im alten Dacien oder Siebenbürgen, Ungarn,Moldau
und Wallachey q), und herrschten von der Theiß bis
an die Pforten desKaukasus und die persischen Ufer
des kaspischen Meeres. In ihrer Hauptstadt Atel
oder Balangiar am Ausfluffe der Wolga (Astrakan)
blühete
Daher glaubt Hr. Thunmann S. 1c6, der Abschrei
ber des Constantinischen Werks, welches wir jetzt bei
fitzen, habe für "ENIATTOT2 XET, Svavrovs
rpst ganz ausgeschrieben, und das End-S, wie es
ehedem fehr oft in alten Schreibereyen geschahe, mit
dem 2 (200) verwechselt. Dann aber hat Constan
tin von 203 Jahren geredet, welche gerade in die Zeit
des Verfalles der ungrich - krubatischen Monarchie
treffen, und das Jahr 680 bestimmen.
q) Diese Nachricht beruhetnur aufrussischen und hunga
rischen Ueberlieferungen, die abernicht unwahrscheinlich"
find. Jene stehen in desheil. Mestors ältesten Jahr
büchern der russischen Geschichte nachHr. Scherer
Ausgabe S.45, und diese in des Anon. Notari Regis
Belae Chron.cap. 11. Die Bulgaren und Avaren,die
in diesen Gegenden waren, zahlten den Chafaren viel
leicht Zins. Von den chafarischen Christen, die viele
heidnische, jüdische und muhämmedanische Lehren mit
dem christlichen System vermischten, scheint nach Hr.
Thummanns Bemerkung der deutsche Name Ketzer,
entstanden zu feyn. Wenigstens findet Herr Thun
mann (S. 164) die erste Spur desselben in der Nach
barschaft der Chatzaren, nämlich aufder presburgis
fchen Kirchenverfammlung 1346.
Allgem. weltgXV. BI. Abth, Aa
370 xxxiv Buch. Aelteste
blühete der Handel, und gegen ihre nordlichen Nach
barn wurden sie durch die Festung Sarcel, (Szar
hely oder Belgorod,) an den Quellen des Donetz ge
J.Chr. 839.fichert, welche ihnen die Griechen aufbaueten. Sie
nahmen endlichdasChristenthum von dem mährischen
J. Chr. 35. Apostel Constantinos oder Cyrillus an. Allein viele
von ihnen traten zu der Religion des Muhämmeds
und der Juden über. Dieses hinderte, daß sie nicht
genau genug mitden christlichen europäischen Monar
chen bekannt wurden, und von ihnen nicht die Künste
erlernten, durch die fie ihrem Staate eine recht feste
Verfaffung geben konnten.
Sitten der Unter der chasarischen Hoheit geriethen die ungri
ältesten
J4TM.
Hun-schen Nationen in Gefahr, unterzugehen; denn sie
wurden ihrer Regenten beraubt, durften keine feste
Plätze in ihren Ländern anlegen, mußten dem chafari
fchen Chane auf einen Heereszügen folgen, und beka
men von diesem gewisse Anführer (Archonten) oder
Boeboden (Woiwoden), welchen fie gehorchen
mußten. Sie lebten übrigens nach der Weise ihrer
Vorfahren, oder nachdenSitten derjenigen Nationen,
die nur einige Stufen über die größte Wildheit erha
ben sind. Dieseszeigt folgende Schilderung, die der
Abt Regino von Prüm im zehnten Jahrhunderte
von denen ungrischen Stämmen giebt, die sich zu
Herren des Reichs Hungarn gemachthatten. „Die
„Hungaren,“ sagt dieser glaubwürdige Zeitgenoffer),
„irreten bei ihrer ersten Erscheinung an den deutschen
„Gränzen inpannonischen und avarischen verwüsteten
„Einöden herum, und fuchten ihren täglichen Unter
„halt nur durch Jagd und Fischfang. Bald darauf
„freifen sie auch wohl über die Gränzen,und endlich
„fiengen sie an,ihreNachbarn durch beständige Ueber
„fälle
r) Chronicon Reginonis Lib. II. ad A.889. in Piflori
S. R. Germ.T.I. p.65.
HungarischeGeschichte. 371
„fälle zu beunruhigen. Bei diesentödtetenfielwenige
„mit dem Schwerdte, aber viele tausende mit Wurf
„spießen, die sie mit so großer Gewißheit, und so
„vielem Geschick vermittelthörnener Bogenzu schießen
„wußten, daß man ihnen kaum ausweichen konnte.
„In der Nähe, oder in Schlachtordnung zu fechten,
„und belagerte Städte zu erobern, verstehen sie nicht.
„Sie gebrauchen ihre Waffen auch, wenn sie mit
„verhängtem Zügel fliehen, und begeben sich öfters
„zum Schein in die Flucht; denn sie können nicht
„lange fechten. Uebrigens würde sich kein abendlän
„disches Kriegesheer gegen sie halten können, wenn
„ihre Kräfte und Standhaftigkeit der Heftigkeit ihres
„Angriffs gleich kämen. Sie verlaffen fast immer
„das Schlachtfeld in der größten Hitze desKampfes,
„und kehren plötzlich von der Flucht zum neuen An
„griffe zurück. Daher geräth der Deutsche gerade
„dann, wenn er völliggefiegtzu haben glaubt, in die
„größte Gefahr. Sie ernähren sich fast nach der
„Weise wilder Thiere vom rohen Fleische, wie das
„Gerichte gehet, und vom Blutes). Das Herz
Aa 2 9,84

z) Einige spätere fränkische Jahrbücher versichern, daß


die Hungaren aufdem Schlachtfelde auch wohl Men
fchenblut getrunken haben. Diese Erzählung hat eine
gelehrte Streitigkeit einiger neuenHungaren, die sich
durch die Barbarey ihrer Vorfahren beschimpft zu feyn
glauben, veranlasset. S.Hr.Severini Comm.hit.de
vet. incolis Hung. cisdanub. p. 107. Ich finde den
Genuß des Bluts und rohenFleisches fast bey allen
alten und neuen asiatischen Landsleuten der Hungaren,
ja selbst bey den Lappen,ihren nahenVettern in Europa:
MPildheit und Barbarey entfernter Vorfahren kann
keiner Nation zum Nachtheil gereichen, da keine Na
tion vorhanden ist, die von diesem Fehler ihrer Ahnen
freygesprochen werden darf. Das Trinken des '
getod
372 XXXIV. Buch.Aelteste
„gefangener Menschen wird öfterszerstückt undgleich
„fam als eine Arzney verzehrt. Sie werden vom
„Mitleiden niemals gerührt, und noch weniger kennen
„fie die Empfindungen, die die Furchtfür Gott oder
„die Pflicht gegen die nächsten Blutsfreunde veran
„laffet. Ihre Haare scherenfiel aufdas forgfältigste
„ab. Sie kommen fast niemals vom Pferde, selbst
„nicht einmal dann, wennfie fich in Gespräche ein
„laffen wollen. Ihre Kinder und Knechte unterrich
„tenfie mit unverdroffener Sorgfalt in der Kunst zu
„reiten und gewißzu schießen. Ihre Gemüthsart
„ist aufbrausend und stolz, zur Empörungund Hin
„terlist geneigt, und stets übereilt. Ihre Weiber
„find ebenfo rauhund wild, alsfie felbst. Sie find
„immer unruhig, und erregenunterfichBefehdungen,
„wenn es ihnen anGelegenheitfehlet gegen ihre Nach
„barn zu fechten. Sie machen kein großesGeräusch
„von ihren Absichten, sondern reden wenig, und find
„immer ihrer Natur nach, mehr bereitzu thun alszu
„reden.“ Mit dieser Erzählungdes Reginofimmer
eine andere der Dominikaner-Missionarien, welche
im dreizehnten Jahrhunderte zu denHungaren andem
kaspischen Meere und der Wolga gesandt wurden,
überein t). Denn in dem Missionsberichte dieser
Männerfindet man folgende Stelle: „die Ungarn am
„Etel find insgesamt so grobe Heiden, daß sie nicht
„die mindeste Kenntniß vom einigen Gott haben.
„Sie
getödteter Menschen ist nicht einmal in unsern Zeiten
ein Merkmal der Barbarey, da es öfters epileptischen
Personen verstattet wird, sich aufden Richtplätzen ein
zufinden, und das warme Blut enthaupteter Miffe
thater zu verschlingen.
t) Dieser Bericht ist eingerückt in Deferici Comm. de
Initis acMajoribus Hungarorum T.I.p. 170, und in
Hr. Pray Ann. Hunnorum p. 316.
Hungarische Geschichte. 373
„Sie verehren nicht einmalGötzenbilder,sondern leben
„fo unbesorgt, als das Vieh. Sie ackern kein Land,
„speifen Fleisch von Pferden, Wölfen und andern
„Thieren, und trinken Pferdemilch und Blut. An
„Pferden und Waffen haben sie einengroßen Ueber
„fluß, und in ihrenKriegen bezeigen fiel sich außer
„ordentlich tapfer.„
Einer der Woiwoden der hungarischen Nationen. Die Hungarn
Lebedias, erwarb sich durch seine Treue gegen den "
chafarischen Chan, durch eine Tapferkeit und durchgen vertrieben.
den Adel seiner Vorfahren, eine so große Achtungbey
dem Chan, daß ervon ihm eine chasarische Gemahlin
und, wie es scheint eine Art von Oberaufsicht über
alle ungrische Stämme bekam. Vielleicht war die
Absicht des Chans, ihnzum erblichenKönig derCha
faren zumachen; denn es war ihm unangenehm, daß
Lebedias keine Kinder zeugte. Des Lebedias Wohn
platzwar am Fluffe Chydmas oder Chingylus,und be
kam von ihm feinen Namen, den er auch nachfeinem
Tode behieltu). Allein er war nicht stark genug, um
diesen Ort undfein übriges Landzu behaupten, sondern
mußte es einer schon geschlagenen und geschwächten
Nation überlassen, Diese hieß das Volk der Petsche
Aa 3 negen

u) Confantinus Porphyrog. angef, Orts e. 38. Des


Lebedias Ort kann Lebedham oder Lebedjan am Don
im russisch-woroneczischen Gouvernement, oder auch
Lebedyin in der polnischen kijowischen Woiwodschaft
feyn. Die letztere Stadt lieget am Fluffe Pingul, und
fcheine daher, wie Herr Thunmann S. 142 bemerkt,
die wahre Residenz desLebedias zu fern. Von derEx
zahlung des Kaisers weichen die hungarischen ältesten
Nachrichten ab; allein, da der Kaiser-nur 5o Jahr
von der Zeit des Lebedias, wie er felbst schreibt, ent
fernt gewesen ist, so verdient seine Nachricht mehr
ä TOMI.
, alsdie vierhundert Jahrjüngere hungarische
374 XXXIV.Buch. Aelteste
negen oderPatzinaziten, nannte sich selbst die Kangli
oder Kangar, gebrauchte die türkische Sprache, war
mitden Chafaren und Usen oder Barziliern verwandt,
und faß zuerst zwischen dem Jaik und der Wolga,
nachher aber (J.839) an den Quellen des Donez,
und etwas später (i. J. 807) in der Gegend von
Kijow. In diesen wurden sie von ihren Vetternden
J. Ehr.88a. Chazaren und Ufen angegriffen und geschlagen. Einige
bequemten fich zur Unterhänigkeit, und blieben in
ihrem Lande. Die mehresten flohen nach Asien, und
giengen über den Jaik nach Kowaräfin oder in das
heutige Turkomannenland, andere aber fürzten über
dieUngern her. Diese mußtenihnen ausweichen, und
kamen zum Theil nach Dacien, zum Theil aber an
den Don v). Jene setzten sich am Atelkufu oder dem
Fluß Kufus zwischen dem Bog und der Donau fest,
und befanden ausfieben ungrischen und einer fremden
Horden. Die ganze Nation war bisher von den
Griechen die Sabarroiasphaloi genannt, nun aber
bekam der dacische Theil den Namen der Türken,
und der alte Name blieb nur bey denen, die sich nach
der persischenGränze gezogen hatten x). Diese letz
tern

v) Confantinus, welcher 947 oder 949 fein Werk über


die Staatsverwaltung fchrieb, fagt,die Niederlage der
Patzinaziten fey vor 50,unddie der Türken (Hungaren)
vor 55 Jahren geschehen. Die letzte Bestimmung
kommt mit dem Jahr 889 überein, welches die fast
gleichzeitigen Annales Metemfes haben. Der älteste
hungarische Schriftsteller,oder der NotariusRegis Belae,
fetzt die Wanderung in Dentumoger in das Jahr 818,
und die aus diesem Reiche nach Pannonien, in das
Jahr 884.
x) DerName Sabartoiasphaloi stehetzweymal im Con
stantinus; dennoch könnte er wohl verschrieben sevn.
Der Kaiser fagt, die Ungren wären aus
- -
seit # (Muh)
Hungarische Geschichte. 375 A

tern erhielten sichzwischen dem Lande der Alanen,der Hungarn im


Wolga, dem mäotischen Meere, dem Kaukasus und zweyten. U19-Nr.
Als

der persischen Gränze durch ihre Tapferkeit, undblieben


bey ihren alten und rauhen Sitten, hatten aber den
noch am Einfluffe des Kuma in den Byruma eine
große und feste Stadt, deren prächtige Ruinen jetzt
Madschar heißen y). Ihr Land wardnun Groß
oder Altungarn, und in den ältesten hungarischen
Jahrbüchern Dentumoger genannt; (eine Benen
nung,die ausMoger oder Magyar,und Denten, einer
unbekanntenNation,zusammengesetztzu sein scheint;)z)
und ohngeachtet dieser Staat sehr weit vonPannonien
entfernt war, so unterhielten fiel dennochdurch öftere
- Aa 4 Bot

fachen fo genannt, verschweigt aber diese Urfachen,


oder wußte auch vielleicht sie nicht. Hr.Pray vermu
thet Diffp. 100. Ann.p. 3C6, daß unter dem Namen
die Saviren und Entaliten oder Taliten verborgen sind,
und bemerkt, daß Sabora in iberifcher Sprache nord
lich, und Talit auf mogolisch, Leute die auf dem
Felde wohnen, andeutet.
y) Hr. Collegien-Rathmüller russische Sammlungen
IV B. S. 22. Die Kuma verliert sich nicht weit vom
füdlichsten Ausfluffe der Wolga, einige Meilen vom
kaspischen Meere im Moraste. Man findet sie im ruf
fischen Atlas undaufder kleinen Stähelinischen Charte
in HaigoldsBeylagen zum neuveränderten Rußland,
1770,2 Theil. Am Ende des vorigen Jahrhunderts
waren hier noch Leute, die Ungari oder Madfcharen,
wie es scheint, genannt wurden. Hr. Pray Diff, p.
35. -

z) Der sogenannte NotariusBelä meldet, Dentumoger


liege zwischen dem Don und schwarzen Meere, habe
viel Zobel, Gold, Silber und Edelgesteine, und fey
niemals unter des Kaisers Hoheit gewesen. Die thu
roczische Chronik fetzt drey Provinzen zusammen, Bo
fardia,Dencia,Magaria undHr.Prayglaubt(Diffp.76),
in diesem Dencia-Magaria liege jenes Dentumoger,
Bofardia aber fey das Land der Bakschiren.
376 xxxv-Buch. Aelteste
Botschaften und durch die Handlung eine Verbindung
mit den dacischen oder europäischen Hungarn. Diese
ward zwar im eilfen oder zwölften Jahrhunderte un
terbrochen; allein die pannonisch-hungarischen Könige
erneuerten sie 1237 durch ausgesandteMissionariena),
wiewohl etwaszu spät; denn die asiatischen Hungaren
hatten sich zwei Jahr zuvor den Mogolen unterwerfen
müffen, und konnten ihren europäischen Landesleuten
keine Dienste leisten. Die mogolischen Oberherren
ließenihnenihre bisherigemonarchischeVerfaffung,und
fie hatten noch im Jahr 1323 einen König Jeretanny,
der zu der römisch-katholischen Kirche trat b).
Die europä- Die Chasaren wurden durch einen bürgerlichen
:: Krieggehindert, fich ihrer bedrängten hungarischen
archische Unterthanen anzunehmen c); denn es hatten sich unter
Fä ihnen drei Stämme, die man die Kavaren nannte,
empört, und fuchten den Chan zu stürzen, und die
monarchische Regierung aufzuheben. DieserAufstand"
erregte ein großesBlutbad; allein die königliche Par
they fiegte, und die Kavarenflohen zuden europäischen
Ungarn, welche sie willig aufnahmen, und ihnen das
Recht des ersten Angriffs im Treffen, eine Ehre, die
bei einer blos kriegerischen Nation sehr wichtig war,
zugestanden. Diese Kavaren machten daraufdie erste
Horde der gesamten hungarischen Nation aus, und
unterschieden sich durch eine besondere Sprache, die
vermischt chasarisch-hungarisch war. Die folgenden
sieben Horden oder Stämme, deren Andenken sich
auch bei den ältesten hungarischen Schriftstellern d)
- - erhal
a) Miffionsbericht in Hr.Pray Annal. Hunn.p. 316.
b) Od. Raynaldi Ann. ecclefiaficiT XIII p. 96.
c) Hr. Thunmann S. 147. Constant. Porph. c. 39.
-
d) Der älteste jetzt vorhandene hungarische einheimische
Geschichtschreiber ist P. Notarius Belae Regis, oder,
wie
Hungarische Geschichte. 377

erhalten hat, waren nach dem Berichte desKaisers


Constantinus der Stamm Meki (ver), Megeri,
Kurtyrgermatoi, Tarianu, Genach, Kari
undKafi, und es scheint, daßwenigstensdrey davon,
nämlich die Megeri, Kurtyrgermatoi und Tarianu,
gleichfalls Ueberbleibsel besonderer verbündeten Völ
kerschaften gewesen finde). Die Megeri (usyéen),
a 5 Moger,
wie Hr. Pray(Diffp. 71) wahrscheinlich macht, Pau
lusPofoniemfis Praepolitus,welcher 1256Notariusoder
Kanzler war. Seine Historia Ducum Hungariae ist
öfters, zuletzt in des Hrn. Io. Georg die Schwandtner
Scriptoribus rerum Hungaricarum,Viennae 1746.T.I.
undabgefondertzuClaufenburg 1747gedruckt. Sie ent
hält blos die Eroberungsgeschichte bis aufden König
Geysa, und ist aus den alten Volksliedern verfertigt.
Denn ohngeachtet der Verfaffer es zu leugnen fcheint,
und diese Gedichte falfasfabulasrufticorum etgarrulum
cantum ioculatorum nennet, fo beruft er sich doch in
einigen Stellen darauf, und verwirft sie nur dann,
wenn sie den metenfischen Annalen und einigen griechi
fchen Chroniken,die er hatte, widersprechen. Seine
Erzählung enthält daher fehr viele Erdichtungen;
allein öfters kommt sie doch dem Bericht des Kaisers
Konstantins nahe. Ich will daher das, was wahr
cheinlich ist, daraus anführen, und zwar nach der
olioausgabe der schwandtnerischen Scriptorum. Die
nächste hungarische Chronik des Johann Archidiacoa
mus von Kikullew, die 1358geschrieben ist, und M.
Johann von Thurocz 1488zum ersten und zweyten
Buch feiner Chronicae Hungarorum gemacht hat, ist
gleichfalls in der fchwandtnerischen Sammlung, und
hat abweichende Erzählungen, auch folche, die der
Notarius (S. 27) für Erdichtungen erklärt. Man
fiehethieraus, daß vor dem dreyzehnten Jahrhunderte
keine gleichzeitige Annalen in Hungarn vorhanden ge
wefen sind. Nachher mußte zwar der Comes Taverni
corum einJournal über alle Begebenheiten zum Dienst
des Königs halten (Hr. Pray S.74); allein dieses
ist verloren.
e) Confantinus c.40. Hr. Thunmann S. 143.
378 XXXIV. Buch. Aelteste
Moger, oder, wie jetzt der Name geschrieben wird,
Magyar, scheinen mit den finnischen Meschtscheren,
deren in den russischen Jahrbüchern gedacht wird f),
verwandt gewesen zu sein, weil nicht nur beyde Na
men,sondern auch diefinnische undhungarische Sprache
eine Aehnlichkeit haben. Wahrscheinlich waren sie die
mächtigsten, oder die ältesten, oder die edelsten unter
allen hungarischen Nationen, weil nicht nur die Hum
garen überhaupt in Europa fich nach ihnen nannten,
sondern auch der asiatische hungarische Zweig feiner
vornehmsten Stadt ihren Namen beylegte. Die
Kurtyrgermatenfind dieoftgenanntenKurturguren,
oder Kutriguren, und unter den Tarianu scheinen
die Tarniach verborgen zu liegen, von welchen einige
Horden im Jahr 598zu den Avaren nachPannonien
kamen. Jedes der achtungrifchen verbündetenVölker
hatte seinen eigenen Woiwoden, und faß an einem
großen Strome für fich und von den übrigen abgefon
dert. Der Woiwode war nach alter deutscher Weise
kein Herr, sondern vielmehr nur der erste Staatsbe
diente und Heerführer. Lebedias, und nachher der
regierende Nachkomme des Arpad, wurde zwar für
den Herzogoder Oberwoiwoden aller achthungarischen
Nationengehalten; allein seine Macht warnichtgrößer
als die der übrigen Woiwoden. Denn fiebestand nur
darin, daß er bei der gemeinschaftlichen Vertheidi
gung, zu welcher alle Horden verpflichtet waren, die
Hauptanführung hatte, und daß bey ihm sich der
Gylas oder oberste Richter, und der Karchats oder
Unterrichter aufhieltg). Wie es scheint, besorgte der
chafa
f) Hr. Thunmann S. 143. -

g) Die Benennung Karchas oder Sarchas für Iude


findet sich noch in S.Ladislavs Urkunden. S.Herrn
So. Pelcz Hungariam fub Vaivodis et Ducibus. Sem
pro
Hungarische Geschichte. 379
chafarische Chan, daß die von den Hungaren aufge
nommenen Kavaren eine neue Feindseligkeit gegen
ihn erregen möchten; denn er bemühete sich, den Ober
woiwoden Lebedias durch eine vorzügliche Ehrenbezei
gung in feiner guten Gesinnung gegen fichzu erhalten,
Er forderte daher diesen Lebedias, seinen bisherigen
Statthalter,zu fich, und erklärte ihm, daß er geneigt
fey, ihn feiner Vorzüge wegenzum Fürsten aller Hun
garenzu erheben, wenn er ihm ferner unterhänig zu
bleiben verspräche. DieserAntrag schiendem Kebedias
bedenklich, weil es daraufankam,daßdie hungarische
Demokratiein eine Monarchieverwandelt werden sollte,
Daher entzoger sich, unter dem Scheine der eigenen
Empfin
proni 1755, eine Abhandlung, die einen Commen
tarius über K. Constantinus 38bis 41 Kapitelenthält.
Der Notarius Belae redet (ap. Schwandtner T.I.p.2)
nicht von sieben Nationen, fondern von Sieben Hun
garn (Hetu Moger), worunter vermuthlich die fieben
Woiwoden, die zuerst in Dacien kamen, verstanden
werden sollen. Diese heißen bey ihm Almus, Eleud,
Cundu, Oundu, Tofu, Huba und Tuhut um, und
werden für die Stammväter gewisser zu feiner Zeit
blühenden hungarischen Stämme angegeben. Der Ar
chidiaconusJohann nennetdiefe fepten Hungaros (wie
er das hungarische Wort Hetu Moger übersetzt,)Almuz,
Zabolch Eleuds Sohn, Gyula, Oundu, Leel Tosus
Sohn, Verbulch und Urs(vielleichtdesNotariHorca
Tuhutums Sohn). Dieser letztere fetzt gleich hinter
den siebenhungarischen alten Geschlechtern noch zwey
ursprünglich apulische, ein frankisches, und neun
deutsche Geschlechter, die zu den hungarischen Magna
- ten gehörten. Man siehet daraus, daß feine Nach
richten nur aus neuern Familienlieder geschöpft sind,
die keinen großen Glamben gewöhnlich zu verdienen -
pflegen. Dennoch kommenvonfeinen unddesNotarius
genannten althungarischen Herren einige als Woiwo
den ingriechischen undlateinischengleichzeitigen Schrif
LEIN VOP.
330 XXXIV.Buch. Aelteste
Empfindung feines Unvermögenszu einer so wichtigen
Würde,der Gefahr von seiner Nation mishandeltzu
werden. Er schlug aber zu selbiger einen gewissen
Almutzis, der der nächste Woiwode nach ihm war,
vor, und ward von dem Chan bevollmächtigt, nebst
einigen chatarischen Gesandten die Nationen zu der
Wahl eines allgemeinen Fürstenszu überreden. Die
fesgeschahe; aberdas Volk nahm nicht den Almuzes,
sondern seinen Sohn Arpades zum Archonten an,
und hob ihn nach chasarischer Weise auf ein Schild
empor, welche Handlungdie spätere Huldigungs- und
Krönungsfeierlichkeit vertrat. Es beschloß zugleich,
daß man künftigdie Fürsten aus Arpads Nachkommen
nehmen sollte, welches auch, so lange fein Stamm
dauerte, beobachtet ist h).
Der

h) K. Constantinus nennt die drey merkwürdigenMän


ner As 3sätag, "Autor und "Agraröy. Der No
tarius Belä kennetjenen nicht, fchreibt diese aber Al
mus undArpad. Sowohl der Notarius als auch der
Archidiaconus behaupten, daß Arpad ein männlicher
Nachkomme desAttilas fey, und als defen Erbe alles
Land, was Attilas gehabt, erobert; auch feine Refi
denz (für die sie Buduvar oder Eilburg irrig halten,)
und den noch vorhandenen prächtigen Palast des Attila
zu feinem Aufenthalt erwählet habe. Dieses ist offen
bare Erdichtung, ohngeachtet es nicht unmöglich ist,
daß, da die Kuthurguren bey den Hungaren waren,
auch ein Nachkomme des Attilas unter ihnen vorhan
den gewesen feyn kann. Der Archidiaconus hat feine
Unwiffenheit vorzüglich durch eine mitgetheilte Stamm
tafel des Almus verratben. Denn in dieser fetzt er
bis zum Attila 100, und bis zum Noa noch mehrere
Jahre für eine Zeugung. S. Hr. v. Schwandtner
S. R. Hungar.T.I. p.758 und 81. Die Geschichte des
Almus hat der Notarus Belä fehr ausführlich, aber
auch völlig romanhaft beschrieben; denn er legt ihm
Eroberungen, Staatseinrichtungen und andere Hand
- lnngen
Hungarische Geschichte. 38n
Der neue Fürst Arpad hatte von feinem Volke HerzogAmads
das Zeugniß erhalten, daß er an Tapferkeit, Klugheit # gegen die
und Gabe, einen guten Rath zu erheilen, alle Hun- UlgMeII.
garen überträfe, und er zeigte diese Eigenschaftengleich
nachfeiner Erhebung durcheinige merkwürdige Thaten.
Er vereinigte sich mit dem Kaiser Leo gegen den mäch-J. Chr. ggs.
tigen bulgarischen KönigSymeon,fuhr aufkaiserlichen
Schiffen über die Donau, schlugden Symeon, trieb
ihn nach Silistria, plünderte sein Land bis hinter
Prethlaba aus, und kehrte über die Donauzurück i),
- nach
lungen bey, die erst nach ein paar Jahrhunderten sich
zugetragen haben. S.Hr.Hofrath Bel Diff de Almo
Duce deque Ducibus Hungarorum in universum, Lipf.
1766. Hr. Pray Diff, hift. critic.V.p.82 fequ. Der
Notariusversichert, Almus fey in Dentumoger oder
in Ungarn an der Wolga zum Fürsten gewähler;
darauf hätten die Hetu Moger ihr Blut in ein Gefäß
zusammenlaufen lassen und es getrunken, um denfünf
neuen Gesetzen eine verbindende Kraftzu geben. Diese
Gesetze hätten enthalten,daß des Almus Geschlecht die
Thronfolge, aber jede principalis persona nebst ihren
Erben Confilium ducis et honorem regis haben folte;
daß die Beute und Eroberung unter alle gleich ver
theilt; und endlich, daß jeder, der untreu gegen den
Herzog handelte, getödtet, und jeder, der den Eid
bräche, des Landes verwiesen werden follte. Aber
auch dieses kann man dem Notarius nicht fo geradezu
glauben, da es mit des Constantinus Berichte nicht
übereinstimmet.
1) Constantinus schreibt diesen Zug einem Sohne des
Arpad Liuntica zu, den er aber nachher bey derErzäh
lungder arpadischen Kinder übergehet. Andere gries
chische Schriftsteller (Hr. Pray Annal.p. 325)fagen,
Arpad selbst undCusan hätten den Zug unternommen.
Der Notarius Belae nennet einen gewissen Cadufa,
Zuards Bruder, und Huleks (des Mutterbruders des
Almi) Sohn, welcher vielleicht der Cusan war. Eben
dieser Notarius erzählt die Geschichte des Almus fol
gender

-
382 XXXIV. Buch. Aelteste
nachdem er alle Gefangene dem Kaiser verkauft hatte.
Symeon fand im folgenden Jahre eine Gelegenheit,
- fich
gendergestalt, Almus gieng über den Etel und Telbu
nach Susudel in Rußland, dann über den Dneeper bey
Kyeu. Hier fehlug er den Herzog von Kyeu nebst fie
ben cumanischen Herzogen, und legte ihnen und den
russischen Fürsten einen großen Jahrzins an Geld und
Naturalien auf. Er gieng ferner mit vielen Ruffen
und fieben cumanischen Fürsten zu den Herzogen von
Lodomirien und Galicien, die sich ihm unterwarfen,
und endlich durch den Wald Houos in Dacien In
diesem herrschten viele Fürsten, nämlich Reanus der
Großfürst der Bulgarey (SalaniGroßvater)zwischen
der Theiß, Donau und demHovos (mehrentheilsüber
Slaven, die sich dem Almus gleich ergaben); ferner
der Herzog Morout überdasLand zwischen den Flüffen
Theiß, Morus und Zomus, und dem Walde Jgfon,
in dem Chafaren wohnten; dann Herzog Gaad von
Bundyn, ein Komaner, in der Gegend vom Fluffe
Morus bis zum Schloffe Urfcia; ferner der Duca oder
Comes Laborty in der Gegend des Schloffes Hung,
von welchem die Hungarn ihren Namen haben, weil
Almus den Arpad darin zum Herzog erhob; unddann
die Blachi five pastores Romanorum mit den Slaven
umter derHerrschaft eines gewissen Gelou in terra ultra
filvana. Arpad eroberte fast alle diese Lander, und
der DuxSalanus, welches wohl der Symeon feyn foll
und in der Wüste Olpar wohnte, trat ihm freywillig
zu drey verschiedenen Zeiten das Land an der Theiß,
Sotnoy, Budrug und 5ogeua ab. Nachher verband
sich Salanus mitden Griechen (S.24) und Bulgaren
zwischen 903 und 907, verlor aber ein Treffen an der
Teifel und fein ganzes Land. Er rettete sich nach Alba
Bulgariae; allen, da Arpad den griechischen Entfatz
abschlug, so mußte er fich zur Unterthänigkeit und -
zum Jahrzins bequemen. In diesen Geschichten mag
viel wahresfeyn; denn manches kommt mit dem Be
richt des K. Constantinus überein, allein noch mehre
res ist erdichtet, oder wenigstens aus den Liedern nach
- '
etzt.
chronologisch - irrigen Ordnung zusammenge
Hungarische Geschichte. 383
sich an den Hungaren zu rächen, und richtete unter
ihnen jenseits der Donau ein großes Blutbad an.
Darauf forderte er von ihnen feine Gefangene, und
da er vernahm, daßdiese in der Gewaltdes Kaisers J. Chr.289.
wären, so zoger zurück, und zwangdiesen Monarchen
fie freyzulaffen. Die Hungaren ließen sich nun in ein
Bündniß mit dem deutschen Könige Arnolfgegen die
Mähren ein, und halfen ihm aufdemZuge gegen den
böhmisch-mährischen HerzogZwentibold. Allein schon
im folgenden Jahre wandten sie ihre fürchterlichen J.Chr. 89a.
Wurfspieße gegen ihre Bundesgenoffen,die Baiernk).
Inzwischen hatte der bulgarische Chan Symeon ein
gefährliches Bündniß mit ihren ältern Feinden den
Patzinaziten gegen sie geschloffen, und plötzlich ihr
Land Atelkusu überfallen, die zurückgelassenen Gränz-J.Chr.,39.
wächter, Weiber und Kinder erschlagen oder wegge- -

führt,und alle Wohnungen eingeäschert und verheertl).


Da sie also ausMähren zurückkamen, fanden sie eine
solche Einöde, daß sie ihr neues Vaterland verlaffen
mußten, in welchem sich nun die Patzinaziten fest
setzten, -

Dieses
k) Annal. Hildenf op. Leibnit. Script. Rer. Brunfv.T.I.
ad An. 893. Lamb. Schafmab. h Ann. Der Herr
von Eckhart hatin denComin de rebus Franciae orient.
T. II.p. 749die Muthmafung geäußert, daßin dieser
Stelle für Baioarios etUngaros gelesen werden müff,
Baioarios et Moravos,
1) K. Constantinus meldet, diese Begebenheit fey 55
Jahrvor dem Jahre,da erfie beschrieb (947 oder949),
und also 892 oder 894 geschehen. Die Annales Meten
fes scheinen auf das Jahr 889 zu zielen, und Leo
Grammaticus nebst einigen andern Griechen fetzen
das Jahr der Welt 6412, welches entweder 892 oder
902 ist. Hr. Stritter Mem.popul.T. II. P. I.p. 581.
Der mährische Zug fcheint 892 oder 893 zu bestim
NIEM.
334 XXXIV.Buch. Aelteste
DiePatzina Dieses Land Atelkufin oder Hungerie hatte wahr
ziten erobern scheinlich einen peitschenegischen oder patzinazitischen
Siebenbürgen "Namen; denn in der petschenegischen Sprache heißt
und Moldau.
Atelein Fluß,undOuzu(russischJoza)die Donaum).
Es begriff die Moldau und Wallachey, Beffarabien
und die Provinz Otschakow, und ward nachden Haupt
flüffen Sereth,Pruth, Trullos(türkischTurlu, dem
Dnester), Kuvu (vielleicht Liman) und Waruch, in
fünfHauptgegenden getrennet. Durchdie Eroberung
dieses Landeshatten die Patzinaziten ihre Herrschaft
von der Aluta ab, bis an den Dneper südlich am
schwarzen Meere, und dann nordlich im Lande vom
Dneper bis an die chasarische Gränzfestung Sarcel
und weiter bis am Don ausgebreitet n). Sie ver
eheilten sich in acht Themata oder Hauptprovinzen,
zugleich aber indreizehn Geschlechter. Eine derHaupt
provinzen bestand öftersaus40 Theilen, und jeder von
diesen wieder ausvielen kleinenFürstenthümern. In
einer andern Rücksicht machte man einen Unterschied
zwischen den vier Hauptnationen östlich, und den vier
Nationen westlich dem Dneper. Jene trugen kurze
Kleider ohne Ermel, gränzten an dieUzen,Chazaren,
Alanen und Chersoniten, in den Hauptprovinzen o)
Talmat,
m) Hr. Tbummann a. O.S. 145. Der Name Hungerie
ist vom gleichzeitigen englischen Könige Aelfred infeinen
Schriften gebraucht.
n) Charte in Banduri Imp. Orient. undHr. Pr. Schlözer
31 Th.der allgem. Welthifi. S. 513. Confantinus
Porph. c. 37. verglichen mit Hr. Pray Annal. S.
323. Die Chafaren hatten vermuthlich durch die Em
pörung der Kavaren, und durch diese patzimazitische
Wanderung ihre Herrschaft zwischen dem Dneper und
Don eingebüßet.
o) Tauer, r&röv, wer und wer ), r&g,
priju, yya, 2xapaßöy, xoröv. Giazichoponwird
- geschrie
-

Hungarische Geschichte 385


Talmat, Zofpon, Kulpee und Tzur. Diese
faßen in Brtem, an den den Ruffen zinsbaren Ulti
nen, Derblinen und Lenzeninen jenseitsGalicien,ferner
in Gyla an der türkischen oder hungarischen Gränze
in Siebenbürgen, dann in Charaboe bey Rußland,
vielleicht am Bog, und endlich in Chopon oder in
der Moldau, vielleicht auch in der Walachey. Die
Geschlechter der Provinzen Ertem, Tzur und Gyla
waren Kankar oder Kangli, und wurden für die edel
fen und tapfersten der Nation gehalten. JedeProvinz
änderte ihren Namen durch die Hinzufügung des Rea
gentennamens, und daher haben fünfvon jenenPro
vinzen in des Kaisers Constantinus Schrift folgende
zweifache Benennungen, Kohfantalmat und Boro
talmat, Batantzopon und Bulatzofpon, Ipaonkulpei
und Syrukalpee, Kuelzur und Kuarzitzur, Maitza
nirim und Jabdiertim. Drei andere Provinzen,
nämlich Kurkutangyla, Kaidum charaboi und Giazi
chopon, die nur unter einem Namen erscheinen, be
hielten diesen wahrscheinlich daher,weil vielleicht inner
halb dem ersten und letztenAngriffe der Hungaren nur
ein Regent über sie geherrscht hatte. Diese Regenten
wurden zwar aus einem gewissenStamme genommen,
aber man fahe nicht aufdie Geburt, sondern auf das
Alter, daher sehr oft die Brudersöhne den eignen
Söhnen des letzten Regenten in der Herrschaft vorge
zogen wurden. Zu den Petschenegen oder Patzinazi- NVon den Kür
ten gehörten auchdie Ulzen,Gazen oder Kunnanen, lanen.
welche in spätern Zeiten die Walachey und Moldau
besaßen, -

geschrieben Yuaxorov und Pixarxgorov. - In Ertem


dder Jrtim fcheint fast der heutige hungarische Name
des Großfürstenthums Siebenbürgen (Erdely) zu
liegen, welcher Erdeel, Erdenwelwe und Erdeelew im
vierzehnten Jahrhunderte geschrieben ward
Allgem weltg. XVB. L, Abt Bv
386 xxxv. Buch. Aelteste
besaßen, bey der Einrückungder Patzinaziten in Sie
benbürgen aber zwischen der Wolga, dem Don und
dem westlichen Ufer des kaspischen Meereswohntenp).
Die Vermischung dieser Uzen oder Kumanen mit den
hungarischen Stämmen an der persischen Gränze läßt
vermuthen,daß einegewisse Erzählungder alten hun
garischen Meistersänger nicht völlig ungegründet sey,
vermöge deren einige kumanische Stämme in der Ge
gend von Kijow zu den Hungaren gekommen, und
mitdiesen nachder Donau gezogen feyn sollen. Der
älteste hungarische Schriftsteller giebt als kumanische
Fürsten einen Ed, Edumen, Etu, Bunger, Oued,
Boyta und Retel an, und schreibt einigen von ihnen
die Eroberung der mährischen Provinzen zu. Da
dieser Mann in der Mitte des dreizehnten Jahrhun
derts

p) Hr. Pray macht es Diff, p. 112 wahrscheinlich, daß


die Kumaner schon im 10.Jahrhunderte in der Moldau
gewohnt haben. Andere glauben, daß sie ihren Namen
vom Strome Kuma (im zweyten Altungern), an wel
chem die Stadt Magyar lieget, erhalten haben. Hr.
v. Suhm, der ihre Geschichte hinter Hr. Scherers
Uebersetzungder Jabrbücher derrussischen Geschichte
des H. Nestors beschrieben hat, vermuthet S.276.
aus der Namensgleichheit, daß sie zu den fchinesischen
Ou-fiun gehören, die nach dem de Guiznes fchon
174 Jahr vor Christi Geburt Könige gehabt haben
follen, und bemerkt, daß der Dneeper in tatarischer
Sprache Ouzi heißet. In Hungarn ist diese Nation
auf lateinischCumani, und auf magyarifch Jaß und
Jasok genannt. Der letzte Name kommt mit dem
Namen Gaz und Gazieh, den sie bei andern orienta
lischen Völkern führen, überein, bedeutet aber in ma
gyarischer Sprache auch einen Bogenschützen. Im
dreyzehnten Jahrhunderte, da die heutigen oder neuern
Kumanen nach Hungarn kamen, hat man angefangen,
ihm in lateinischen Urkunden die lateinische Endigung
Ijászil und Iazyges zu geben. S. Hr. Thunmann a.
D. S. 157. Hr. Pray Diff,p. 111. 112. 122.
Hungarische Geschichte. 387
derts lebte, und gewife alte hungarische Geschlechter
nennet, die von diesen kumanischen Fürsten abstamme
ten, so müffen diese älternKumanenfichwohl einpaar
hundertJahr vor ihm, etwa im zehnten Jahrhundert
in Hungarn niedergelaffen haben.
Der Verlust des Landes Atelkuzu setzte enn
die da
Ma-oennen
feh aroße
gyaren in keine fehr 9 h
g ß Verleaenheit. D alles“
es setzen sich ins
an der Theiß, Donau und Morawanochgenugfrucht Szlavonien
bare Einöden gab, und sie auf ihren Pferden undfest.
unterfreiem Himmelfast lieber als in Hütten sichauf
hielten, hinderte sie nichts, auch außer Atelkuzu ver
gnügtzu leben. Sie zogen an den Bächen und in
den Wälderndeswestlichen Dacienszufrieden umher,
und ernährten sich vom Fischfange und der Jagd q).
Sie streifen auchwohlin diebenachbarten mährischen,
kärnthischen und bulgarischen Länder, und wurden von
den kärnthischen Szlaven zuweilen gegen andere Chris
fen gebraucht. Denn diese Szlaven waren den
Baiern nicht geneigt, und ließen öfters einzelne Hun
garen durchihr Land, um Beute ausBaiern zu holen,
die sie bey der Rückkehr mit ihnen heilten. Sie ver
fuhren hierbey so arglistig, daß sie den Hungaren
gleich christlichen Unterthanen die Haare stutzten, um
diebaierischen armen Landleute deftogewifferzu hinter
gehen, und in ihre Gewaltzu bekommen r). Allein
diese Treulosigkeit gegen ihre Glaubensbrüder wurde
durch eben diese Hungaren bald an ihnen bestraft.
Denn die Hungaren verheerten nach einiger Zeit alsJChr. 397
Bundesgenoffen des Kaiser Arnolfs ihr Land, und
brachten den Theilvom großen Mähren, der diesseits
der Morawa lag, in ihreGewalt. Die Mähren oder J. Chr. 899
Szlaven mußten nun selbst in die Gebirgefliehen, oder "ººº
sich alsKnechte von den Hungaren behandeln laffen,
Bb 2 und
q) Annales Metenfes ad An. 889.
r) S. Hr. Pray Diff, p. 127."
388 XXXIV.Buch. Aelteste
und ihre baierische Beute gieng mit ihren eigenen Gü
tern, Weibern und Kindern an die Hungaren ver
loren s).
einleidenin Dieses Kriegesglück und der Tod des den Hun
Pannonien. garen furchtbaren Kaisers Arnulfs veranlasfete die
Hungaren, fich über die Donau zu wagen, und
Pannonien, das kärnthische Mähren und etwas
von Baiern zu verwüstent). Sie verfuhren hier mit
einer so großen Wildheit, daß sie alles, was Odem
- hatte, schlachteten, und alles, was sich nicht verbren
3.Chr.900.nen ließ, niederriffen. Aus Baiern stürzten sie in
Oberitalien, in welchem sie über tausend Menschen
ohne Widerstand erschlugen, und eine große Beute
machten. Ein anderer ihrer Haufen gieng ausPan
monien vermuthlichzu Waffer in die Ens, breitete sich
an allen Seiten aus, und verheerte in einem Tage
Baiern auf 50 , italienische) Meilen im Umkreise.
Darauf eilte er nach Pannonien zurück; allein der
baierische Markgraf oder Herzog Luitpold und der
- paffau
a) Herr Pray bält angef, Orts Diff VII. die vielen in
Hungarn fast aufjeder Anhöhe befindlichen Slaven
oder Szlaven für Nachkommen der Maleren. Sie
müffen ehedem einen großen Theil der hungarischen
Nation ausgemacht haben, weil die heutige maya
rische Sprache mit vielen flavischen oder wendischen
Wörtern untermischt ist. S.Hr.SeveriniComm.p.
IO4. IC7. -

t) Hr. Pray (der in den Annal. Hunnor. p. 337, die


Stellen des Regimonis, des Chronici Nonantulani und
anderer gleichzeitigen Jahrbücher mitheilt,) bemerkt
daß die pannonische Verheerung in die Jahre 899, 9co
und 901, vermuthlich nach der ehedem verschiedenen
Art das Jahr anzufangen, gesetzt werde, und erklärt
sich für das Jahr 900. Von dem Zuge nach Aquileia
findet sich eine Stelle in de Rubeis Monum. ecclef
Aquilegienf, welche Hr. Pray in den Dissertationibus
p. 235 nachgeholet hat.
Hungarische Geschichte. 389
paffauische BischofRicharius holten ihn ein, tödteten
über 1200 Mann, theils durch das Schwerdt, theils
aber durch die Donau, in welche fie fetrieben, und
legten zu einerVertheidigunggegen künftige Ueberfälle
eine neue Gränzfestungam Ausfluffe der Ens an. Im
folgenden Jahre rächten die Hungaren dieses Unglück J.Chr. 9at.
an den kärnther Mähren, gerade als ihrFürst Mounir
fich bey dem deutschen Könige Ludewig aufdem Reichs
tage zu Regensburgbefand,und drangendurchSerblia
oder Servien inSzlavonien undKärnthen ein. Aber
der Patriarch von Aquileja Friedrich brachte ihnen
wieder eine Niederlage bey, die sie zum Rückzuge
zwang. Demohngeachtet wagte sich ein hungarischer J. Chr. 9a.
Fürst Chuffol im nächsten Sommer abermals in das
Herzogthum Baiern, in welchem er mit dem größten
Theil seines Heeres durch das baierische Schwerdt ge
tödtet wardu). Zwey andere hungarische Könige oder
Bb 3 Heer

u) Aepidannus nennet in feiner Chronik die Hungaren


Agatener, undden Chuffol ihren Könia (vermuthlich
fo wie die ältern Römer einen jeden deutschen Heerfüh
rer Rex hießen). Hr. Pray glaubt S. 343, Chuffol
fey ein Karchan oder Oberrichter genwesen. Der No
tarius desKönigs Bela fand in den alten Volksliedern
weder ihn noch Durfak, fondern nur den Bugat. Un
ter dem Namen Algarener verstebet3onaras die Sara
: cenen; und da dieser Schriftsteller Anna. T. III. be
merkt, daß die Algarener Theffalonich im Jahr 900
belagert haben, fo ist es wohl möglich, daß die Aga
rener des Chuffols wahre Saracenen gewesen sind, die
von Thessalonich ab Gelegenheit gefunden haben, fich
mit einer Rotte hungarischer Ebentheurer zu verbinden.
Man findet auch eine Spur von folcher Vereinigung
im Notario Belae aus den hungarischen Volksliedern
(S. 38). Denn dieser erzählt, Thecfun, Arpads
Enkel, habe nobilisimos Dominos Hifinaheitarum Billa
et Bocsu und den Miles Keten, die ausdem LandeBular
Mit
390 XXXIV. Buch. Aelteste
Heerführer,DurakundBugat,versuchten ihr Glückin
Oberitalien, gewannen eine sehr blutige Schlacht gegen
denKönigBerengarius, bemächtigten sich vermittelt
kleiner ausFellgemachtenKähne einiger venetianischer
Seeörter, litten durch die Flotte des venetianischen
Herzogs Petrus eine schwere Niederlage, und ließen
sich endlich nach einer Jahr langen Verheerungvom
König Berengarius durch Geld zum Rückzuge bewe
gen v). Daraufgenoß man inDeutschland und Ita
lien einerzweijährigen Ruhe. Allein im dritten Jahre
JChr,906 freiften die hungarischen Freybeuter schon wieder in
Mähren; und ohngeachtet die hier geschlagen wurden,
fo drangdennoch der Ueberrest bis in Sachsen durch.
Ein anderer Haufen machte sich die Griechen zins
barx), und scheint derjenige gewesenzu sein, von
deffen Thaten die alten Volkslieder.Folgendeserzählen.
Ein bungari-Zuard und Radusa, Herzog Arpads mütterliche
cher Stamm
etzt fich in Vettern, fetzten über die Donau, nahmen den Bull
garen und Macedoniern die Städte Borons und
den Scereducy, und den Griechen Philippopel ab, und
eroberten alles Land zwischen Kleopatra, Durazzo und
Rachy oder Racy, Zuard behielt dieses Land, und
vermählte sich mit einem griechischen Frauenzimmer.
Nach seinem Tode blieb sein Volk in der Eroberung,
und wurde, weil es nicht in sein Vaterland zurück
kehrte, das hörichte Volk oder Sobamogera von
den

mit vielen Leuten gekommen, aufgenommen und ihnen


viele Plätze in Hungarn, unter andern Peft,gegeben.
Bular ist wahrscheinlich Pulia oder Apulien, wo die
Saracenen damals anfäffig waren.
v) Luitprand L. II. c. 11. ap. Murator.S.R. Ital. II.440.
Andr. Danduli. Chron.Venetum ed. Murator. T. XII.
p. 198. S. Hr. Pray Ann. Hunn.p.345.
x) Luitprandi Chron. ad An. 906. Not. Belae R. ed.
Schwandtnerianae p.29. Jenes Luitprandische Chro
nion ist bekanntermaßen untergeschoben und neuer.
Hungarische Geschichte. 391
den Griechen genannt. Von den dacischen Hungaren
giengen andere Haufen nach Baiern, wo der Herzog J. Chr. em.
Luitpold mit verschiedenen Bischöfen in einem Treffen
von ihnen getödtet ward, und ferner nach der Buga
rey; und der Fürst der Bulgaren mußte damals, wie
ein fränkischer Geschichtschreiber versicherty), sich zu
einem Jahrzinse bequemen, der aber nicht lange ent
richtet zu seyn scheint.
Mitten unter diesen letztern Siegen soll Arpad, HerzogArpad
der erste Oberregent der Hungaren,gestorben seyn,"
ein Mann, dem die hungarische Nation, wenn wir
ihren alten Barden glauben wollen, sehr vieleszu ver
danken hat. Diese erzählen nämlichvon ihmz), daß
er fast das ganze größere Illyrien erobert,gegen Polen,
Moldau undBöhmen eine Wand oder einen Wallvon
Bäumen und Steinen, mit ein paar gemauertenfei
nernen Thoren aufgeführet, das Land mit festen
Schlöffern versehen und in Gespannschaften verheilt,
im Walde Gemellen am Morate Kurtueltou oder zu
Sceri (vermuthlich Alterin) die ersten Landesgesetze
gegeben und vielen Edeln Erbländer zugetheiler, und
die Residenz desReichs erst aufder InselCzepel,nach
her aber in der StadtBudwar gegründet habe. Die
ferinischen Gesetze betrafen den Lehndienst, der dem
Herzog und desselben erstenBedienten geleistet werden
b4 sollte,
y) Sigeb. Gemblacen/ h, an. Der Notarius Belä fetzt
(S. 28) ohngefähr in diese Zeit die hungarische Be
zwingung eines Herzogs Glad, welcher zwischen den
Strömen Morus, Temes und Horom herrschte; und
nachdem er in einer Schlacht außer vielen Walachen
auch zwey kumanische Herzoge und drey bulgarische
Fürsten (Renezy) verloren hatte,fich mit dem Schloffe
Reuee ergeben mußte.
z) Notarius Belae R, p. 17. 22. 26. Hrn. Senators
Pelcz Hungaria fub Waivodis et Ducibus p.27.
392 XXXIV. Buch. Aelteste
sollte, und die BestrafungderVerbrechen. Die Vor
nehmern wurden vom Arpad in alle Gegenden, um
Eroberungen zu machen, ausgesandt; er selbst aber
wohnte selten denZügen bey, ohngeachtet er stets mit
einem großen Lager in seinem Lande umherzog. Diese
Züge wurden geendiget, sobald der angegriffene Theil
Zinsversprachund Geißelngab, unddie Siegerwohn
ten dann der Opferung eines Pferdes, und großen
vieltägigen Schmausereyen im Hoflager bey. Den
Günstlingen ließ Arpad nicht selten das eroberte Land,
und die alten Einwohner wurden dann des Schloßge
feiffenen Jobagyones oder Erbknechte und Leibeigene.
Ohngeachtet ArpadsGewalt sehr groß war, fo zwei
felte er dennoch an der Sicherheit der Erbfolge seines
Sohns Zulta. Daher nahm er bei der Vermählung
feinesPrinzen mit der Tochter des Herzogs Menu
morut der Gelegenheit wahr, und veranlasfete die
Vornehmsten zur eidlichen Huldigung und zur Erhe
bungdes Prinzen aufdem Schilde. Diese Vermäh
- lungverdiente diese Gefälligkeit des Adels; denn sie
verschaffte den Hungaren das Herzogthum des vor
gedachten Menumorut, welches vom Fluffe Zomus
(Samos) bis zum Nyr und Kurug (Körös) über
Mezeyna, Bphor, Bellarad und den Wald Ygfon
sich erstreckte, und weit mehr als die jetzige Biharer
Zulta, zweiter Gespannschaft begriffenzu haben scheint. Arpad ver
Oberregent. schied,da sein Sohn Ruita kaum vier oder fünfJahr
alt war, oder im zweiten Jahre nach Menumoruts
-
Tode, durch welchen dieser Zulta Herzog seines Für
fenthumsgeworden war. Er ward an der Quelle
eines Bachs nicht weit von Budwar begraben, und
seine christlichen Nachfolger hatten soviele Achtung für
seine Asche, daß sie über selbiger die Kirche S. Ma
rien aufführten. So weit gehet die Erzählungder
hungarischen ältesten Geschichtschreiber, die aber '
l
-
Hungarische Geschichte. 19
lich mit vielen Begebenheiten untermischt ist, die in
eine weit spätere Regierung gehören. Nach diesen
GeschichtschreibernbliebZulta, derzweyte hungarische
Oberherzog, biszu dem zwölften Jahre seines Alters
unter der Vormundschaft einiger Edeln, die die Ge
richte verwalteten, und dreierReichsfeldherren, näm
lich Lelu, Bolsuu und Bogat.
Die griechischen ältern Nachrichten fimmen in Arpads Nach
Betracht des Erbfolgers des Herogs Arpad mit den folger
hungarischen Hausgeschichten nicht überein. Denn
nach diesen folgte eingewisser türkischer Karchas oder
Oberrichter Bulzo, der Sohn des Karchas Kale,
dem Arpad aufdem Throne, und zwar als dritter
hungarischer Regent a). Sollte bei dieser Zahlder
Lebedias nicht mit in Betrachtung gezogen seyn, so
kann der Zulta, deffen der Kanzler desKönigs Bela
in seiner Geschichte erwähnt, wohl derzweite Beherr
- fcher der Hungaren gewesen feyn. Arpad hinterließ
vermöge der Versicherung des Kaisers Constantinus
vier Söhne Tarkatz, Jelech, Jutotzas und Zal
tas. Des Tarkaz Sohn Tebele zeugte einen Ter
matzos, welcher mitdem vorgedachten Bulzuslange
über die Oberherrschaft kämpfte, und endlich sich mit
ihm aussöhnte. Jelech hatte einen Sohn Ezelech,
Zaltas Sohn war Taxis. Jutozas Sohn Phalitzis
war, als Constantinus schrieb (J. Ch. 949), der
einige Fürst der Hungaren. Damals lebte außer
ihm nur nochder Prinz Taxis, der vermöge der hun
garischen Geschichten ihm als fünfter Beherrscher der
Hungaren gefolget seyn muß. Die arpadischen Nach
kommen hatten zwar, wie es scheint, einen Vortritt
vor den übrigen Magnaten; allein ihre Gewalt war
sehr unbedeutend, auchwann sie als Oberregenten von
der Nation erkannt wurden. Daher stellete ein jeder
Bh 5 Fürst
a) Constantin. Porphyrog. de Adm. Imp. c.40.
-

394 XXXIV.Buch. Aelteste


Fürst oder Richter einen König vor; und wenn er
einen Haufen Freybeuter zusammenbringen konnte,
schwärmte er ohne Vorwissen des Oberregenten in den
Ländern der Nachbarn umher, und ward dann von
feinemHeereals uneingeschränkterMonarchoder König,
so lange das Heer beysammen blieb, betrachtet.
Hungarische Die Griechen,Italiener und Deutschen empfanden
9“ diese schlimme Verfassung durch die traurigsten Wir
kungen, die sie hervorbrachte; denn sie wurden unauf
hörlich durch die freifenden größern und kleinern hun
garischen Räuberbanden gequält, geplündert und
mitFeuer undSchwerdt verfolget. Am meisten litten
die Baiern, Sachsen und Thüringer, zu welchen den
Hungaren der Weg stets offen fand, weil die benach
barten wendischen Nationen ihnen gern den Durchzug
durch ihre Länderverstatteten. Im ersten Jahre nach
J.Chr. 90.Arpads Tode ward Thüringen und Obersachsen ver
wüstet, und Burchard, der Herzog der Thüringer er
' schlagen b). Im folgenden Jahre mußten die Fran
ken, Baiern undSchwaben ihr Land preisgeben, und
im dritten litte Kaiser Ludewig bei Augsburg eine
J. Chr. 93. schwere Niederlage. Bald hernach erlegte der baie
rische Herzog Arnolfzwar am Inn ein großes hunga
risches Heer, welches aus Schwaben mit vieler Beute
J. Chr. 9a zurückkam; allein ein neuer Haufen drang gleich her
"es" nach wieder inSchwaben. Wieder eine andereRotte
verheerte Thüringen, Sachsen und Heffen bis an
J.Chr. 97,Fulda; und abermals eine andere legte die schwäbi
schen, elsafischen und lotharingischen Wohnplätze im
- näch
b) Die Beweise zu der Geschichte der hungarischen Strei
ferenzen aus gleichzeitigen Quellen findet man in Herrn
Pray Annal Hunnorum von der S. 346 an, und in
Simon Fried. Hahns vollständ. Einleitung zu der
Deutschen Staats- Reichs- und Kaiserhistorie.
Halle 1721, 1 Th. S. 296 u.f.
n
Hungarische Geschichte. 395
nächsten Sommer in die Asche. DieseVerwüstungen
geschahen fast allemal ohne Gefahr auf Seiten der
Hungaren, weilder deutsche KönigKonrad durch die
Empörungen der mächtigsten Herzogegehindert wurde,
die Waffen gegen die Hungaren zu wenden. Einer
von diesen Herzogen, der vorgedachte baierische Arnolf,
trat sogar in ein Verständniß mit den Hungaren, und
flohe mit einem ganzen Hause zuihnen, als ihm die -

Hand seines Königszu schwer war. Die HungarenJ. Chr.97.


eroberten ganzMährenc),undgiengen vondiesem Lande
aus durch Böhmen sehr oft nach Sachsen, wo ver
muthlich der Mangel der Festungen ihre Absicht sehr
erleichterte. Der sächsische Herzog Henrich, welcher J. Chr.,19.
nachKonrads Tode zum deutschenKönig erwähletwar, -

fand zwar Mittel, die unruhigen Großen und selbst


den Herzog Arnulf, der nach der Krone strebte, zu
demüthigen; alleingegen die Hungaren war er nicht
glücklich. Er merkte, daß er Deutschland nicht eher
werde verheidigen und von den wütenden Morgen
ländern befreyen können, bis daß er die wendische Na
tionalregierung innerhalb Deutschland vernichtet, und
die wendischen Zinskönigreiche in deutsche Lehnfürsten
thümer werde verwandelt haben; daher griff er die
Dalemincier an. Diese, die im heutigen Meißen
wohnten, mietheten einenHaufenHungaren,der viele J.Chr. 9a.
thüringisch-fächsische Gegenden auf das grausamste
verheerte. Aufdem Rückzuge stieß dieser auf einen
andern Haufen feiner Landsleute, der nach Dalemin
cien eilte, um die Dalemincier dafür zu strafen, daß
fie nichtauch ihn gedungen hatten d). Beyde Haufen
geriethen ineinen Zwist, endigten ihn aber ohne Blut
Wer's

e) Ruotgerus vita Brunonis ap. Hahn. II.p.25.


d) Witichindus Corbeienfis und Sigeb. Gemblacenfa
nach der Vergleichung, die Hr. Pray in den Annal,
Hunnorum p.351 angestellet hat,
396 - XXXIV.Buch. Aelteste
vergießen auf Kosten der Sachsen und Thüringer.
Denn der erste Haufe kehrte nach den Daleminciern
zurück, und blieb bei diesen so lange, bis daß der
zweyteHaufengleichfallsSachsenheimgesucht hatte.Im
J.Chr. 9a,folgenden Jahree)ward Schwaben, Franken, Elsaß
und der nordliche Theilvon Frankreich verwüstet. Im
J. Chr, 924 nächsten Jahre giengen die Hungaren unter der An
führung eines gewissen Salard durch Schwaben vor
dem Bodensee über nach Italien, verbrannten die
Stadt Pavia f), und zogen sich über die Alpen nach
Frankreich. Hier schloß sie der französisch-burgun
dische König Rudolf nebst dem Grafen Hugo von
Vienne so genau ein, daß sie kaum entwischten; und
in Gothien oder Languedok, wohinfie entrannen, rieb
fie die Pest auf
Hungarische Die Sachsen, oder wie andere wollen, die deut
“ fchen Könige, hatten versucht, die hungarischen Strei
nigeHenrich freien durch ein Jahrgeld abzukaufeng). Allein der
KönigHenrich weigerte sich dieses zu zahlen, weiles
die hungarische Nation nicht beruhiget hatte. Daher
zog ein rehtgroßes Heer von Hungern nach Sachsen,
um seine Forderungmit reichlichen Zinsen zu erpreffen.
J.Chr. 96. Der König Henrich ging diesem entgegen, litte aber
eine schwere Niederlage zu Peuchen ohnweit Wurzen,
und mußte sich in der Pfalzfestung Werle ohnweit
Goslar einschließen. Das platte Land, welches nun
mehr völlig preisgegeben war, wurde nun sofehr übel
* behandelt, daß man glaubte, es werde gänzlich ver
wüstet, und aller feiner Einwohner beraubt werden.
Zum Glücke für die Sachsen gerieth ein hungarischer
- -
- ange

e) Pray Diffp. 238.


f) Hr. Pray Diff, p. 239. Luitprandus L. III. c. 1.
g) Gundling de Henrico Aucupc Franiae orientalis Saxo
nunque rege P. 1 17. Hahn a. Orts II Th. S.26,
Note i.
Hungarische Geschichte. 397
angesehener Fürst, vielleicht ihr Oberherzog selbst, in
die Gewalt einiger Sachsen, und ward in einen so
festen Platz gebracht, daß die Hungaren keine Hoff
nung hatten ihn befreien zu können. Sie erboten
fich daher zu einem außerordentlich großen Lösegelde;
allein der König Henrich wies sie ab, und verlangte
für seine oslaffung einen allgemeinen neunjährigen
Stillstand, der endlich von den Hungaren bewilliger
werden mußte. Diesen hielten sie mit einer sogenauen
Pünktlichkeit, daß innerhalb demselben auch nicht
einmal in andern Reichen gemubt ward h). Der
König Henrich gebrauchte diesen Stillstand, um das
sächsische Land in einen beffern Vertheidigungsstandzu
fetzen, und bei seinem Heere eine veränderte Krieges
kunft einzuführen. Er ließ daher sehr viele Flecken
mit hohenMauren umgeben, die alten Festungen ver
färken, und neue Städte und Schlösser aufführen.
Er nahm jeden neunten Mann in die Städte, und
ließ ihn von acht Rüsthaltern oder Landwirthen des
Dorfs, aus welchem er genommen war, mit Waffen
und Nahrung versehen. Er begnadigte alle Straßen
räuber, brachte sie in gewisse Rotten, und übte sie
nebst jenen im Gebrauch der schweren Waffen, und
im Gefechte im Harnische Er fetzte besondere Vor
rechte auf den Kriegesdienst, und gebrauchte end
lich dasneue Heer unablässig inKriegen mit den wen
dischen Völkerschaften. Er besiegte mit ihnen die J. Chr. an.
Havelländerwenden, ferner die Dalemincier und J. Chr.929.
Milzener, darauf die Kufizer und Böhmen, und
enda

h) Man findet nur von einem Heereszuge zwischen 926


und 934 Nachricht, auf welchem Capua im Jahr 927
verbeeret ward. Hr. Pray Diff, p.239. Vielleicht
waren die Hungaren,die diesen unternahmen, schon vor
der Rückkunft der Hungaren, die den Stillstand ge
schlossen hatten, aus ihrem Vaterlande gezogen.
398 XXXIV.Buch. Aelteste
3. Chr. sc.endlichalle nordlichere Wenden. Die Länder der Ha
veller, Dalemincier, Milzener und Lufizer verwan
delte er in die Markgrafschaften Brandenburg, Meißen
und Laufnitz; und da diese nach deutscher Weise einge
richtet, deutschen Feldherren übergeben, und durch
vieleFestungen im Gehorsam erhalten wurden, so war
esden wendischen Einwohnernnun nicht mehrmöglich,
die Hungaren zu unterstützen. Die Hungaren ver
langten nach Ablaufdes Stillstandesden Tribut, und
J.Chr. 934,wurden abgewiesen. Dieses schien ihnen nicht unan
genehm zu feyn; denn fie waren mehr nach Beute als
nach einem bestimmten Jahrgelde, welches nur den
Vornehmern zufiel, begierig. Daher rüsteten sie fast
alles, was die Waffen führen konnte, aus, und fand
ten einen HaufennachItalien, undeinen andern nach
Griechenland. Der letztere kam fastbis vor Konstan
tinopel, ließ sich aber von dem griechischenProtovefia
rius durchGeschenke zum Rückzuge bewegen i). Der
zweyte Haufe ward auf gleiche Weise vom Könige
Hugo beruhigt und gegen die Saracenen gedungen,
gieng aber, weil ihm der Zugdurch einigeSandwüsten
zubeschwerlich ward, nachPannonien zurückk). Das
Hauptheer endlich, welches überhunderttausend Mann
stark war, rückte nach dem Lande der Dalemincier,
und hoffte in diesem Gehülfen zu erlangen I). Allein
die Dalemincier wiesen es mit Verspottung ab. Es
rückte daraufin Thüringen, undzerheilte sich inzwey
Haufen. Der KönigHenrich war bei ihrer Ankunft
krank; allein er zogdennoch in dasFeld, und schlug
- - das

1). Cedrenus (S. 629 der Pariser Ausgabe).


k) Luitprandus L. IV. c. 8.
1) Witichindi Corbeienfis Chr. ap. Meibom. S. R.Germ.
T. I. p 641. Gundling . c.p.219. Die Hungaren
hatten bey diesem Treffen zum Feldgeschrey die Worte
Huy! Huy! ib.p. 224.
Hungarische Geschichte. 399 -

das eine Heer, welches sich nach Westen gewandt


tte, bey der Stadt Wokronin m), (vermuthlich
öckrenim Magdeburgischen,)mitsolchem Nachdrucke,
daß 36000 Mann auf dem Platze blieben, und der
Ueberrest gefangen oder in verwachsene Wälder ge
trieben ward, in welchen er gleichfalls umkam. Das
südlichere Heer suchte in Ostsachsen einzudringen,
wandte sich aber vom Wege ab nach einer nicht ge
nannten Stadt, welche Merseburgzu feyn scheint, um
eine Halbschwester desKönigs nebst einem bey ihr nie
dergelegten Schatz in seine Gewaltzu bekommen. Die
Besatzung schlugden Sturm mit Mühe ab, undward
nur durch den UntergangderSonne gerettet. In der
nächsten Nacht erhielten die Hungaren von desKönigs
Ankunft und der Niederlage ihres westlichen Heeres
Nachricht, daher gaben sie den ausgesandten plün
dernden Haufendurch angezündete Holzstöße das Zei
chen zum Rückzuge, und entwichen mit Hinterlaffung
ihres Lagers undihrer Beute, sobald sie das königliche
Heerzu Gesicht bekamen.
Diese Niederlage demüthigte die kriegerischen J. Chr. gsy.
Hungaren nicht so sehr, als man hoffe; denn es
zeigten sich gleich im folgenden Jahre Hungaren in
Burgund (Helvetien), und giengen, als ihnen der
König Rudolfentgegen kam,nach Italien n). Bald I-Ehr: 937
nachher ward Ostfranken, das Rheinland, nebst
Worms, Elsaß, Lothringen, Frankreich, bis an das
Weltmeer, und auf dem Rückzuge Burgund und
- Italien
m) Annal. Hildes. ap. Leibnit.S. Rer. Germ.T.I.p.711.
Das Chron. Mindenfe ap. Meibom.T.I.p. 558 nennt,
den Ort Lichen. Ob diefes der Ort Luchehobey Mors
tern, oder ei: anderer füdlicherer Platz fey, kann ich
nicht bestimmen. Vielleicht ist er gar erdichtet; denn
die Chronik ist neu und aus dem 15.Jahrhunderte.
a) Leo Otienfis L. 1. c. 58.
400 XXXIV. Buch. Aelteste
Italien von ihnen verwüstet o). - Zu gleicher Zeie
versuchte sich ein anderes hungarisches Heer, weil
König Henrich gestorben war, in Sachsen. Dieses
theilte sich in zwei Haufen p), von welchen einer
Stederburg in der Gegendvon Braunschweigfonach
läffigbelagerte, daßdie Besatzung ihn bei einem Aus
falle schlug. Diese Niederlage schwächte ihn so sehr,
daß er zurückeilte. Aber aufdem Rückzugeward er
von den Besatzungen der Schlöffer, vor welchen fein
Weg übergieng, nachund nachaufgerieben, und end
lich mit seinem Heerführer in einen Morast gejaget, in
welchem er erstickte. Dennoch waren einige von die
fen HaufennachWestenzu entronnen, und hinterließen
ihr Andenken bey dem Nonnenkloster Obernkirchen (in
der westphälischen Grafschaft Schauenburg), dessen
Bewohnerinnen fiel ohne Mitleiden niedermetzelten.
Daszweite Heer war eben so unvorsichtig; denn es
vertrauete sich einem Wenden an, der es durch den
morastigen großen Wald Drömlingführen wollte,ward
verrathen, und kam theils durch die Waffen der säch
fischen und wendischen Einwohner, theils aber durch
den Morast dieses gefährlichen Forstes um. Der
Heerführer dieses Haufens ward gefangen, mußte sich
mitvielemGelde lösen, und brachte ein folchesSchre
cken vor den Sachsen in fein Vaterland zurück, daß
das nordliche Deutschland in den nächsten dreißigJahr
J.Chr. 943. ren von keinem Hungaren betreten ward. Baiern
war nicht so glücklich; denn es litte nach sechs Jahren
von den Hungaren sehr viel, bis daß esfeinem Herzog
J.Chr. 944. Berthold gelang, am Traun einen wichtigen Sieg zu
erfechten. Dieser sollte an den Kärnthern gerächet
werden. Allein diese erlegten in einer blutigenSchlacht
fast
o) Herm, contractus ad An. 937. - -

p) Herm. contractus, Witekindus bepm Hahn a. Orts


II Th. S. 58. -
Hungarische Geschichte. 401
fast das ganze Heer. Daraufverließen dieHungaren
das sogenannte große oder heidnische Mähren (Szla
vonien), welches ehedem den östlichen Moraven ge
höret hatte q), und ihrGebiet bestandnunmehr nur aus ungarische
dem Lande zwischen der Donau, dem großen Mähren, tzen im
bey Sirmium, dem Gebiete der Franken, westlich10 Jahrh.
Molk und der Erlaf, dem Gebiet derChrobaten gegen
Süden, dem Lande der Patzinaziten in Siebenbürgen
und am karpathischen Gebirge gegen Norden, und
dem Reich der Bulgarengegen Osten. Sie wohnten
in dem Lande, in welchem die Bruchstücke der Brücke
des Trajans waren, und an den Flüffen Timefes,
Crisius(Köres) und Titza (Theiß), und besaßen also,
nach unserm gegenwärtigen Sprachgebrauche zu reden,
fast ganzOberhungarn und die Walachey, wenigstens
bis an die Aluta, dann Niederhungarn, und fastdie
Hälfte von Oesterreich südlich der Donau 1). Die
Gränzen
q) Confantinus Porphyrog. de Admin. Imp. C. I I.

Hr. Pray Ann. p.362.


r) Constantinus c.40. Der Notarius Belä, den man
hier aber nicht hören darf, ziehet die Gränzen dieser
Zeit von Güntz, welches die Ruffen gegendie Deutschen
verwahren mußten, an dem Fluß Morawa gegen die
den Hungarenzinsbaren Böhmen, dannüberdenBerg
Tatur gegen die Polen, ferner über die Pforte Wazil
und das Land Racy gegen die Griechen, und endlich
über Spalatro gegen das Meer. Wenn für porta
portus im Original gestanden hätte, fo könnte Vacil
Waizen feyn; allein dann hätte es nicht zur Gränze
gegen die Griechen gedient. Vielleicht ist esPorta Vas
lapa oder der Paß des Eifenthors an der hungarisch
fiebenbürgischen Granze. Die Siebenbürger waren
damals Patzinaziten, Picener, oder, wie sie der Nota
rius nennet, Biffen. Von diesen foll ein Anführer
Somizoba mit einigen Horden zum bungarischen Re
Allgem.WeltgXV.B.I.Abth. Cc gen
402 XXXIV. Buch. Aelteste
Gränzen gegen Deutschland hofften die Hungarennach
jenesbaierischen HerzogsBertholdsTode zu erweitern;
Chr. „ allein sie wurden so nachdrücklichgeschlagen, daß sie
3. Chr.,43 zurückkehren mußten. Sie wandten sich daher nach
Italien, wo sie glücklicher fochten, und vom Könige
Berengarjus eine starke Brandschatzung eintrieben.
Aufdiesem Zugeführte sie ihr OberfürstTopus,Zultas
Sohn und ArpadsEnkel, selbst an,und es scheint,daß
dieser Prinz erst kurzzuvor dem Phalizes in der Re
gentenwürde gefolget war s).
J.Chr. 943. Die Griechen wurden von einigen andern Hunga
ren, zu der Zeit, da die mehresten hungarischen Krie
gesleute nach Baiern gegangen waren, so sehr geäng
figet, daß sie einen fünfjährigen Waffenstillstand mit
großen Geschenken erkaufen. Vermuthlich bekamen
Zwei bunga-zu dieser Zeit zwey vornehme Hungaren, nämlich der
''HerzogBolesodesundderFürstGlaseineNeigung
rie
"äh" zum Christenthum; dennfie giengen nachKonstan
- tinopel, ließen sich taufen, und kehrten als kaiserliche
Patricien mit großenGeschenken zurück. Der Herzog,
dessen Namen auch Bolofludes, ingleichen Bologudes
UN

genten gekommen, und von ihm als Gränzbewahrer


ultra lutun Mufun gegen Deutschland zu gefetzt feyn.
Unter diesemMoraft wird vielleichtderaltepalushiulca
bey Murfa oder Effek verstanden. Notar. Belae edit.
Schwandtnerianae p. 37.
s) Luitprandus nennt ihn L.V. c. 15 Taxis Ungrorum
Rex. Sigebertus Gemblacenfis giebt ihm ad An. 949
den Namen Tapis. Constantinus Porphyrog. der in
eben diesem Jahre fchrieb, allein von feiner Thronbe
feigung noch nichts wußte, heißt ihn Toxis, und der
Notarius Belä Torus. Nach des Notari Erzählung
heirathete er eine Kumanerin, und fieng drey Jahr vor
des Vaters Tode, vermöge einer feyerlichen Abdankung
feines Vaters, an zuherrschen. Er foll im Jahr 931
geboren seyn.
Hungarische Geschichte es
inden griechischen Jahrbüchern geschriebenwird,scheint
der obengedachte Oberrichter Bulzo gewesen zu feyn,
welcher eine Zeitlang nach der Oberherrschaftder Na
tiongestrebt, endlichaber sichdem RegentenTermaßes
unterworfen hatte. Diesem Manne war es wohl mehr
um griechische Hülfe zur Ausführung seiner ehrgeizigen
Absichten, als um die Aufklärung feines Geistes und
Vorsorge für die Zukunftzu thun. Denn fobald er
merkte, daß der griechische Kaiser ihm nicht helfen
würde, so kehrte erzu dem Heidenthume zurück, und
verheerte die christlichen Länder im morgenländischen
und abendländischen Kaiserthume, so lange er lebte.
Gylas, der Fürst eines Theils der Türken oder Hun
garen, war aufrichtiger, und fuchte die Aufnahme in
die christliche Kirche aus wahrem Triebezur Gottselig
keit. Er nahm auch einen Mönch Hierotheos, den
der konstantinopolitanische Patriarch Theophylaktos
zum ersten Bischof der Türken oder Hungaren wei
hete, mit sich t), und verbot nicht nur alle Befehdun
Cc 2 gen

t) Die Nachricht von den Bekehrungen des Gylas und


Bolefodes ist aus des Johann Scylitzes Curopalata
1081 etwa geschriebenen Jahrbüchern, in fast alle
fpätere griechische Chroniken gefloffen. Doch findet
sich in einer Ausgabe der Umstand von dem Hierotheus
nicht. Daher Herr Rath Rolar ihn bezweifelt. Der
Herr Doktor und Prof. Gottfried Schwarz zu Rin
teln wollte aus diesen Begebenheiten darthun, daß das
heutige hungarische Christenthum nicht von der römi
fchen, fondern von der griechischenKirche gestiftet fey,
ein Umstand, der katholischer Seits für gefährlicher
gehalten und unanständiger widerlegt ward, als es
nöthig war. Die Schwarzische Meynungfindet man
in feiner Differtatione, in qua Initia religionis Christia
nae inter Hungaros ecclesiae orientali afferumtur, Halae
1740,4to, und Widerlegungen in Ioh.StiltingiS. S.
L Conumentario advitan S.Stephani,(in ActisSancto
TULN
-

404 XXXIV. Buch. Aelteste


gen und Räuberzüge, sondern lösete auch viele erbeu
tete Christen aus, und schenkte ihnen die Freyheit.
Allein sein Eifer fand bey seinen Unterthanen keine
Nachfolge, wenigstens entstand unter ihnen keine
Kirche, und es blieb fast gar keine Spur von seinem
Christenthume nach ihm zurück. Man glaubt, daß
er derGylas fey, dessen Tochter Sarolta eine Christin
war, und ihren Gemahl den Oberregenten Geysa zum
Christenthume brachte. Ist diese Muthmaßung und
der Berichtder alten hungarischen Barden, welchem
der Kanzler des K Bela bei seiner Geschichte gefolget
ist, gegründet, so lagdesGyla Land in oder an Sie
benbürgen, und war von seinem Großvater Tuhutum,
einem der siebenhungarischen Landeroberer und Woi- -
woden, schon zu Arpads Zeit an feinen Stamm der
Moglut gebracht worden u).
Unter

rum ad d. 2. Sept.) in Hr. Pray Ann. Hunnorum p.


395, und in Hr. Rath A. F. Kollari Historia diplo
matica Iuris patronatus Apostolicorum Hungariae Re
gum Vindob. 1762,p. 8-20. Daß des Gyla Bischof
ein bloßer Bischof in partibus geblieben ist, erweiter
der Umstand, daß man nichts von ihm und feinem
Bfhofthum bey den griechifchen und lateinischen
Schriftstellern weiterfindet. WeilConstantinus feiner
nicht gedenkt, fo muß er zwischen dem Jahr 949, da
er schrieb, und 956, da Theophylaktos starb,geweiher
fyn. Da Dacien fchon öfters abwechselnd ganz grie
chisch- und ganz römisch-chriftlich gewesen und immer
wieder heidnisch geworden war, so kann des Gylas
Zutritt zu der griechischen Kirche keinen stärkern Ein
flußin dasheutigeStaatsrecht der bungarischenKirche,
' die Bekehrung der Awaren, Gothen oder Hunnen,
(NVLIN.

u)AWotarius Belae edit.Schwandtnerianae Cap.6. p.6.


c. 2C. p. 15. c. 22. p. 17. c. 24. p. 17. c. 27. P. I9.
Der Stamm Moglut befand aus folgenden Personen:
Cuhutun, einer der sieben Hungaren, die den '
gle
Hungarische Geschichte. 405
Unter dem Kaiser Otto dem ersten fielen die Hun-J.Chr.95e.
garen abermals in Baiern ein; allein des Kaisers
Bruder HerzogHenrich empfiengfie nach alterWeise,
und zwang sie durch eine große Niederlage zur Rück.
kehr. Bald nachher zeigte sich ihnen ein günstigerer
Zeitpunkt, den sie auch sehr gut gebrauchten v). Es
empörte sich nämlich Herzog Ludolf von Schwaben,
desKaisers Sohn,gegen feinen Vater, und zog seinen
Schwager den Herzog Konrad von Lothringen, wie
auch den baierischen Pfalzgraf Arnolf, in feine
Verschwörung. Die Verbundenen warben bey den
Hungaren, weil sie vorzüglichdem baierischen Herzog
Henrich des Kaisers Bruder zu schaden trachteten,J.Chr. 95
Cc 3 und

begleiteten, Horka dessen Sohn, Gcula der ältere,


und Zubor Herkas Söhne, Geula des altern Töchter
Karold und Sarolt, von welchen die letztere des Kö
nigs St. Stephan Mutter war , Zubors Sohn
(Bcula der jüngere, und dieses Geula Söhne Bue
und Bucue Geula der jüngere war ein fo eifriger
Heide, daß St. Stephan ihn, so lange er lebte, gefan
gen hielt, und ihm fein Land nahm. Dieses Land be- -
stand aus Eroberungen, die zum Theil dem Herzog
von Byhor, zum Theil aber dem Walachenkönige ent
wriffen waren. Zujenen gehörte die Gegend am Zomos
uud Kores nebst der Stadt Gyula, dem Wald Nyr,
und dem Lande zwischen Umufouer und Zylok. Dieses
war das oberwaldigte Land bis an Almas. Gyula
der ältere,der der Chrift gewesenzu feyn scheint, hatte
vermuthlich nicht allesStammland,welches überhaupt
etwas weniges von Siebenbürgen, die Walachey bis
an dieAluta und das Landzwischen Almas,Temeswar,
Großwaradein undHer Szamos begriffen haben mag,
fondern nur den Theil, zu dem die Stadt Giula ge
hörte. Weil er nur Töchter hinterließ, und seine Vet
tern heidnisch blieben, fo mußte das Christenthum
mit seinem Tode in dieser Gegend wieder untergehen.
v) Hahn Einleit. zur deutschen Staats- Reichs- und
Zaiserhistorie II Th. S. 51 u.f.
405 XXXv-Buch. Aelteste
und gaben denen,die zu ihnenkamen, geschickteKrie
gesbediente zur Anführung. Diese brachten sie nach
Franken und in die Rheinländer, und veranlasfeten,
daßdiese Länder so lange aufdas grausamste verheeret
wurden, bis daß die bedrängten deutschen Fürsten zu
Worms sich durch Geschenke den Frieden erkaufen,
und die Hungaren sich entschloffen, durch Frankreich
nach ihrem Vaterlande zurückzukehren. Im folgen
I-Chr,935 den Jahre schickte der hungarische Oberfürst eine Ge
fandtschaft an denKaiser unter dem Scheine an einer
Aussöhnungzu arbeiten, eigentlich aberum die Stärke
und Verfaffung der kaiserlichen Kriegesmacht zu er
Hungarische forschen. Der Kaiser, der bey selbiger keine Arglist
#iesen vermuthete, gab ihr eine günstige Antwort. Allein
- ehe sie noch in ihr Vaterland zurückgekommen seyn
konnte, erfuhr er, daßüber hunderttausendHungaren
in Schwaben eingefallen wären, und bis an den
Schwarzwald das Land verwüsteten. Er eilte diesen
fogleich entgegen, und trieb siedurchfeine Ankunftvon
der Belagerung derStadt Augsburg ab. Einer ihrer
deutschen Bundesgenossen Herzog Konrad erschrak
über des Kaisers Muth so sehr, daß er um Gnade
bat; und er erhielt diese nicht nur, sondern zugleich die
Befehlshaberfelle über die fränkische Reuterey. Der
Kaiser ordnete darauffein Heer mit großer Vorsicht in
acht Treffen,von welchen erdas erste,zweyte und dritte
den Baiern,das vierte den Franken, das fünfte seinen
eigenen Hausvölkern, dieer selbstanführte, das sechste
und fiebente den Schwaben, und das achte den Böh
men anwies, welche letztere das Gepäcke verwahren
sollten. Die Baiern fanden voran, weil sie mit der
hungarischen Weise zu fechten am besten bekannt wa
ren; allein die Hungaren, die sie dieser Ursache wegen
fürchteten, schlichen sichhinter das Heer herum,fielen
auf die Böhmen und Schwaben, und warfen sie
- zurück.
Hungarische Geschichte. 407
zurück. Der Kaiser wandte sich, als er dieses erfuhr
folgeschwind, daß er die Nothleidenden nicht nur un
terstützte, sondern den größten Theil der Hungaren
überflügelte. Diese suchten nun zu entrinnen; allein
fie wurden zum Theil erschlagen, zum Theil in den
Lech getrieben, zum Theilmit den Dörfern, in welche
fie sich setzten,verbrannt, undzum Theil aufderFlucht
von den Besatzungen der Städte gefangen. Der
Herzog Konrad blieb im Treffen, und die drey feind
lichen Könige oder Herzoge, Bulu oder Bulzo (der
christliche hungarische Mitregent), Leel und Azzur,
wurden gefangen, und, nach dem Ausspruche des kai
ferlichen Kriegesgerichts, alsbundbrüchige Leute und
Söldner eines rebellischen Lehnsfürstens zu Regensburg
aufgehangen x). Man versichert, daß nur sieben an
Cc 4 gesehene
z) Hepidanus, welcher 1072 fchrieb, nennt in den An -

nalen ad An. 955 (im T. III. der Scriptorum des du


Chesne) den einen gehangenen Fürsten Puff oder
Bulfu; und die griechischen Schriftsteller bemerken von "
ihrem Proselyten Bulzu, daß er aufdes Kaisers Otto
Befehlgehangen fey. Weit ungewisser sind die Namen
der beyden andern Fürfen. Das alte Leben Kaiser
Henrichs des Heiligen nennt zwey Könige Lelium et
-Affur, und eine neuere baierische Chronik in Pez
Anecdot.T.III. stimmt damit überein, nur mit einiger
Veränderung der Rechtschreibung in Bell Duxfur Rex,
fetzt aber noch sieben gleichfalls gehangene ungenannte
Könige hinzu. Daß Lecl von den Böhmen in einem
andern Zuge dieses Jahrs gefangen fey, meldet auch
Hepidanus. Vom Azzur vermuthet Herr Pray, fey
der wahre Name nicht bekannt (Diff, p. 72), weil
Az Ur in hungarischer Sprache einen Herrn andeutet.
In den Annal. Hunnorum p. 367. äußert er, er könne
der Botond gewesen seyn, den der Notarius Beläoft mit
dem Bolzu und Leel in einer Verbindung anführt, und
von dem er S.35 und 36 meldet, daß er mit Bolzu
undLeel Vormund des minderjährigen Regenten Zulta
gewe
428 xXXIV Buch Aelteste
-

gesehene Männer beim Leben erhalten, und nach Ab


fchneidung der Ohren nach Hungarn zurückgesandt
find, um ihren Landesleuten die gänzliche Vernichtung
ihres Heeres zu verkündigen.- Die Hungaren sollen
diesen Unglücklichen dieErhaltung ihres Lebens als ein
Zeichen der Furchtsamkeit verarget, und zu einer Be
strafungihnen ihre Güter, Weiber und Kinder abge
nommen haben. Dennoch sollen sie ihr Geschlecht
mit andern Weibern fortgepflanzt, unddie Gesellschaft
der Bettler gestiftet haben, welche St.Stephanus aus
Polizeygründen dem Stift S. Lazarus zu Gran zum
Eigenthum schenkte, von welchem sie den Namen der
S. Lazarusarmen (Zenthlazar Ziginy) erhiel
ten y). Nach dieser Schlacht wagten sichdie Hun
garen nicht wieder so tief in Deutschland, sondern ihre
Streifereyen wurden, so lange der Oberregent Torus
lebte,aufdie österreichischen Gränzen eingeschränktz).
J. Chr. 966. Weil die hungarische Nation in dieser Zeit noch
Hungarische
Kriege mit den keine Ruheertragen konnte, sofuchte siesicheinenFeind,
-

Bulgaren
Griech LIN,
und dem sie gewachsen zu sein schien,gegen Morgen auf,
und

gewesen, und in der Schlacht am Lech getödtet fey.


Leels Vater Tofu war einer der Hetumoger, undhatte
vieles Land zwischen der Theiß, Donau und Voyos,
dem Walde Nyr und um Sarwar und Thof.
3)Hr. Pray Diff, p. 240.
z) Aloldi de Pecklarn Notulae anecdotae adan.955. Die
fer Mann, über dessen Alter und Anfehen noch fehr
gestritten wird, nennt den König Urzus, und man
vermuthet, daß er dadurch den Namen Torus nach
dem deutschen Wortklange Dachs habe überfetzen
wollen. Näher könnt diesem Namen Ursuur Onfa
dunets Sohn, ein kumanifch-hungarischer Magnate,
dem ein großes Gebiet zwischen den Wäldern Scepus
und Matra, und denStrömen Theiß, Körös, Pforos
und Naragy, nebst dem Schloffe Puroziou gehöret
haben soll. Not. Belaep. 21. -
Hungarische Geschichte. 409
und fiel auf die Bulgaren. Diese forderten vom
griechischen Kaiser Nicephorus Phokas Hülfe; und da
fie selbige nicht erhielten, sozahlten sie den Hungaren
Geld, und errichteten mit ihnen ein Bündniß, wobey
fie versprachen, sich nie mit den Griechen gegen die
Hungaren zu vereinigen. Die Hungaren giengen im
nächsten Jahre in dasGebiete desKaisers, und ließen
ihrer schon langeunterdrücktenRaub- undZerstörungs
begierde in Thracien völlige Freiheit. Der Kaiser
bat nundie Bulgaren um Hülfe; allein der bulgarische
Fürst Petrusgebrauchte das Wiedervergeltungsrecht,
und stellete ihm vor, daß ihm der Frieden, zu dem
er durch die griechische Weigerung der Unterstützung
gezwungen sey, nicht erlaube, den Hungaren den Ue
bergang über die Donau zu verweigern a). Diese
Antwort versetzte denKaiser ineinen sogroßen Zornb),
daß er den russischen Oberfürsten Swätoflaw ersuchte,
den Bulgaren in den Rücken zu fallen. Dieses ge
schahe, und nach zwei Jahren waren die Bulgaren
fast ganz von den Ruffen überwältigt. Während
dieser Begebenheit wurde Nicephorus ermordet, und
fein Nachfolger Johannes Zimifkes, welcher eine
größere Gefahr von der russischen als von der bulga
rischen Nachbarschaftbefürchtete, verlangte vomSwä
toslaw, daß er ihm das Land der Bulgaren abliefern
sollte. Hierzu wollte sichSwätoflawum destoweniger
verstehen, da er beschloffen hatte, zu versuchen, ob er
nicht Griechenland selbst erobern könnte? Er nahm
daher ein großesHeer Patzinaziten, die wahrscheinlich
von ihm zuvor überwältiget waren, und sehrviele Hun
garenzu sich, und rückte gegen Konstantinopel. Allein J.Chr.970.
Cc 5 der

a) Hr. Pray Ann. Hunn.p. 368.


b) Des H. 17efors älteste Jahrbücher des russisch.
Reichs, übersetzt von J. B. Scherer S. 85. Herr
Stritter Mem. Pop. T. II. Vol. II.p. 987.
410 XXXIV. Buch. Aelteste
der griechische Feldherr überlistete ihn bey Adrianopel
fo geschickt, daß alle Patzinaziten erschlagen oder ge
fangen wurden, und er die bulgarischen Eroberungen
verlaffen mußte.
Im zweiten Jahre nachdieser Niederlage soll der
- e" hungarische Oberregent Torus verstorben, und sein
hungarischer
Regent. SohnGeizza in seinenPlatz gerückt seyn c). Dieser
Prinz war zwar grausam undjachzornig, aberdennoch
gesitteter alsfein Vater: denn erüberredete seine Na
tion, denKrieg nicht mehr für die würdigte Beschäf
tigungzu halten, sondern sich mit ihren Nachbarn in
Freundschaft undHandlungeinzulaffen. Er hatteeine
sehr schöne und männliche Gemahlin d), welche den
Christen
c) Ditmarus Merseb. (in Leibnitii Seript. T. I. p.420)
nennet den Geisa Dejux. Vom Geifa ist folgende be
fondere Geschichte vorhanden, die aber eigentlich ein
altes hungarisches Staatsrecht ist. Hungaria fub
Geisa, fiuehistorica de rebusGeisae, ultimi Ducis, et
primi Regis Hungarorun, Domi, Militiaeque geftis
commentatio, a Ioh. Pelcz, causarum per Incl. Re
gnum Hung. For. Vtr. Iurato Advocato, et ejusdem
civitatis Sempronienfis interioris ordinis Senatore in
publicum propofita 1769. Der Hr. Pelcz hält den
Geisa für den ersten König und Urheber der heutigen
Staatsverfaffung, aus Gründen, gegen welche in Hr.
Severini Pannonia p. 373 fehr viel erhebliches einge
wandt ist.
d) Ditmarus nennet diese PrinzessininflavischerSprache
Beleknegini (Bela Knezina), die schöne Fürstin, be
fchreibt sie aber nichtfehr vortheilhaft. Denn ermel
det, daß sie übermäßig stark getrunken, mit dem ge
übtesten Kriegesmann in die Wette geritten, und einst
einen Mann im Zorn erschlagen habe. Ihr flavischer
Name war offenbar nur ein Beyname, und dientzum
Nebenbeweise, daß die Anzahl der Wenden zu dieser
Zeit die Menge der Magyaren übertroffen habenmüffe,
weil ihr Beyname aus der flavischen und nicht aus
der hungarischen Sprache genommen ward. Es
NE's
- -

Hungarische Geschichte. 411


Christen gewogen war, übertrug derselben die Regie- -

rung in feinem Namen, undbefahl aufihr Verlan


gen,daß man die reisenden Christen beherbergen und
bey Strafe anderer dem Staate zugefügten Beleidi
gungen nichtverletzen sollte. Er verstattete auch den
Ulissionarien der benachbarten christlichen Bischöfe,
in seinem Lande ungehindert zu lehren e). Diese Ge
fälligkeit gab dem Bischof von Paffau, welcher
gerne die lorchische erzbischöfliche Diöcefe an sein Stift
bringen wollte, Veranlassung, einen neuen Versuch
zu Errichtung einiger Gemeinen inPannonien zu ma
chen, ohngeachtet ein älterer, den fein Vorfahr (J.
Chr.939) unternommen hatte, mislungen war. Er
fandte daher S. Wolfgang, einen Mönch aus Ein-J. Chr. 971,
fiedeln nach Hungarn. Dieser Mann fand zwar we
nig Beifall, und wurde nach anderthalb Jahren durch
feine Beförderung zum regensburgischen Bischof
thume vonfeinem Berufe abgezogen; allein er behielt
seine Begierde, die Hungaren zum Christenthumzu
bringen, auch nach dieser Zeit, und ließ im Lande der
Avaren verschiedene Dörferfür baierische Pflanzbürger
anlegen, und zu deren Schutz mit kaiserlicher Erlaub
niß das Schloß Zwifila zwischen Groß- und Klein-J.Chr. 979.
erlaf erbauen. Die Hungaren wurden durch dieses"
und durch die Waffen des österreichischen Markgrafensterreich.
Leopold immer weiter zurückgetrieben, ohngeachtet fie
noch immerfortführen, in Baiern und Oesterreichzu J.Chr. 983
freifen,und mußten endlich dasSchloß Mölk nebst
- allem

merkwürdig, daß diese fo kriegerische Frau das vor


nehmste Werkzeugder glücklichern und ruhigern Natio
nalverfaffung geworden ist. Doch ihre Fehler find
von der Gattung derer, die man bey mehrern Genies
antrifft.
e) ChartuitiiVita S. Stephani feripta ad Colomannum
R. in Hr. von Schwandtner S. R. Hung.T. I. p.414.
412 XXXIV.Buch. Aelteste
allem LandejenseitsdemkomagenischenoderkahlenBerge
denDeutschen laffenf). Das Bekehrungsgeschäftewurde
nicht nur von dem vorgedachten paffauischen Bischof
Pilgrim, sondern auch von dem Kaiser Otto dem ersten
betrieben, welcher letztere, nicht nur um die Hungaren
durch das Christenthum von der immerwährenden
Raubbegierde abzuziehen, sondern auch vermöge seines
Amts eines obersten Beschützers der Religion,dieVer
tilgung des Heidenthums begierigwünschte. Man
fandte einen gewifen BischofBruno als einen kaiser
lichen Staatsbotschafter nach Hungarn, und erhielt
eine hungarische Gesandtschaftzurück, welche aufdem
J.Chr.973. quedlinburgischen ReichstagefehrgünstigeGesinnungen
gegen diechristlichenGlaubensgenoffen äußerte. Dieser
Wink veranlasfete die deutschen Bischöfe, aufdem
Wahltage desKaisers Ottodes anderneinenEntschluß
überdie Weisezu faffen, nach welcher die Hungaren
bekehret werden sollten, und der BischofPilgrim führte
diesen durch eine Menge von weltlichen und Ordens
priestern aus, die er fogleich nach Pannonien fandte.
Diese wurden sehr wohl aufgenommen, und fanden
unter den hineingeschleppten ausländischen Leibeigenen
eine große Menge Christen, deren Kinder bisher von
der Taufe abgehalten waren, nun aber getauft wur
den. Diese Leutegeriethen über die Ankunft derPrie
fer und die Erlaubniß des öffentlichenGottesdienstes
in eine sehr große Freude, gaben ihr Vermögen willig
zum Dienste der Religion her, und erbaueten viele
Bethäuser und Kapellen. Ihr Beyspiel hatte eine
Wirkungaufdie heidnischenHungaren, und die ersten
Missionarien rühmten sich, daß sie fünftausend der
edelsten Hungaren in den Schooß der Kirche aufge
nommen hätten. Allein nicht diesem, sondernjenem
Bruno
f) Coaeviap. Pray Ann. Hunnor. p. 382. 383. Hanfix
Germ.facra p. 228. -
Hungarische Geschichte. 413
Bruno gelang es,den OberherzogGeisazutaufen;und Geist
wenn wir einergewissen gleichzeitigen französischen Ge- se". wird
fähichte trauen dürfen, so überredete Brunoden Fürsten,
feinenNamenmitdem NamenStephanuszu vertau
scheng), und sich vomKaiser Otto,als ortder
abends

g) Ademarus Chabonenfis ap.Labbe Biblioth. MS.T. II.


p. 198. Dieser Mönch, der im eilften Jahrhunderte
inAngouleme lebte, meldet, daßS.Bruno Bischofzu
Augsburg aus heiligem Eifer fein Amt S.Ulrichen ab
getreten, fich unter K. Otto III. Regierung nachAlba
Ungaria begeben, dieses bekehret und den König Geiz
getauft habe, ferner zu den Patzinaziten gezogen, von
diefen getödtet, und darauf in Hungarn als ein Heili
ger verebret fey. Der Kaiser Otto habe bey Geitz Ge
vattersstelle vertreten, ihn zum König ernannt, ihm
eine Reliquievon S. Moriz Lanzegeschenkt, und erlaubt
folche in einer Lanze faffen, und sich nach kaiferlicher
Weife vortragen zu laffen. S.Bruno folle des Kai
fers Vetter gewesen feyn, und auch des Königs Geifa
Sohn getauft haben. Gegen diesen Bericht hat P.
Hansiz in der Germ.facra T. I. p.2c 9 sehr vielesein
gewandt, und es ist gewiß, daßderMönch Ademarus
einen Bruno, der in Rußland umkam, aber lange
nach S. Ullrich lebte, mit einem andern unbekannten
Bruno verwechselt hat;ingleichen daß unter S. Ulrichs
Vorgängern kein folcher Bruno gewesen feyn kann.
Aber ganz erdichtet istdesAdemars Bericht nicht;denn
manfindet ein EmpfehlungsschreibendesKaisersfür ei
nenBischofBruno im Hansiz S207,in welchemderHerr
der Ungarn wirklich Rexgenannt wird. Man weißferner,
daß Pilgrim und Adelbertden Geisa nicht getauft ha
ben, wodurch es wahrscheinlich wird, daßdieses vom
Bruno geschehen ist; und ferner wußten die Deutschen
und Franzofen zu Ademars Zeiten nicht, daß es ein
weißes und ein schwarzes Ungarn an der Donau gebe,
und da dieser Umstand vom Ademar angeführet
wird, fo muß er wohl aus einem Missionsbericht ge
nommen feyn. Es ist endlich auch fehr natürlich, daß
ein Mifflonarius, der in Hungarn herumzog, 'in
- IEDLI
414 XXXIV.Buch. Aelteste
abendländischen Welt, zum König erklären zu laffen.
-
Vermuthlich kam auchdurchdiesen Bruno die Verlo
bungdes hungarischen Prinzen Waik mit des Kaisers
Otten BrudersEnkelin zuStande, durch welche nach
her das Christenthum in Hungarn vollkommen befesti
3. Chr. 97a, get ward. Der BischofPilgrim hatte den Verdruß
gehabt, daß der Pabst Benedikt V1 die Länder, die
unter der erzbischöflich - lorchischen Aufsicht gewesen
waren, demErzstifte Salzburgzugeleget hatte. Nun
aber wandte er sich mit einer weitläufigen schriftlichen
Vorstellung, in welcher er die Arbeiten, die er bey der
Bekehrungder Hungaren gehabt, beschrieb, und die
auf ein Stift vererbten lorchischen Vorrechte zu erwei
fen suchte, an den Pabst, und bat umdie Verleihung
3. Chr., der erzbischöflichen Würde. Dieses Gesuch ward fo
gleich bewilliger,und Pilgrim erhielt eine Bulle, die
an den Kaiser, an den Herzog Henrich von Baiern,
und an alle deutsche Erzbischöfe gerichtet war h), in
welcher ganz Hungarn, oder Avaria, Pannonia,
Möfia, Moravia und alle favische Länder,
die aufPilgrims Betrieb bekehret werden würden,
demStifte Paffau unterworfen wurden. Diese Bulle
3. Chr, 98,hatte aber keinen großen Nutzen; denn da gleich nach
felbigerHerzog Henrich sich gegen den Kaiser empörte,
Pilgrim aber dem Kaiser getreu blieb, so mußte Pil
grum

Siebenbürgen unter die Patzinazitengewagt habe. Und


auch dieses wußte Ademar gewiß nicht aus den Geo
graphien feinerZeit, daß die Patzinaziten undHunga
renfo nahe beyfammen wohnten.
h) Die Bulle, welche an verschiedenen Orten, und unter
andern in M. Inchofer Annal. ecclefiaft. Hung.T. I.
p. 2og und Hanfiz Germ.Sacra T.I.p.211 abgedruckt
ist, hat zwar kein Datum; allein die darin genannten
Personen haben beyfammen nur im Jahr 974gelebt.
Der Kaifer Otto war demnach der zweyte, und der
Pabst Benedikt der fechfe feines Namens.
Hungarische Geschichte. 415
grim das Bekehrungsgeschäfte mit der gewaffneten
Vertheidigung seines Stifts gegen den Herzog ver
tauscheni). Die Hungaren, die außer den äußerli
chen Zeichen nicht viel vom Christenthum hatten lernen
können, vermischten heidnische und christliche Gebräu
che, und da sie von der rebellischen Parthey, wie es
scheint, zum Bündniffe aufgefordert wurden, so fielen -
fie in Oesterreich, und schnitten den Missionarien den
Zugang zu ihrem Lande ab. Gerade als sie einen J.Chr.933.
großen Theil der österreichischen Markgrafschaft aus
brenneten,wagte sich ein italienischerBischofS.Adel
bert unter fie, welcher in Verona die Bischofsweihe
in der Absicht erhalten hatte, daß er die Hungaren
und Preußen bekehren sollte. Dieser kam zum Geisa
zu einer recht gelegenen Zeit, da nämlich feineGemah
lin Sarolta, des hungarischen Fürsten Gylas Tochter,
ihm einen Sohn Waik geboren hatte, und ward mit
vieler Freude empfangen, weil es an einem Priester
fehlte, der denPrinzen taufen konnte. Adalbert voll
zogdiese heilige Handlung, undgab dem Prinzen den
Namen Stephanus k). Er hinterließ einen ge
wiffen Radla oder Pappates, einen Böhmen, alsHof
priester bey dem Regenten, und reitete daraufnach
feinem zweiten Bestimmungslande Preußen. Allein
weder er noch Radla fanden Anhänger in Hungarn,
daher riefer den Radla zu sichzurück, und befahlihm,
weil Geisa ihn nicht verabschieden wollte, heimlichzu
entweichen. - Geisa wandte zwar strenge Mittel an,
um dasChristenthum auszubreiten; alleindiese hatten
keine große Wirkung, vermuthlich, weiler selbstdem
Heiden
i) Hansiz a. O. S. 224.
k) Chartuitivitas.Stephani in Schwandtner Script.T.
I. p.415. Annalifa Saxo ad an. 1038. ap. Eccard.
T.I. P.469.
416 XXXIV.Buch. Aelteste
Heidenthum nichtgänzlich entsagte 1); und ohngeach
tet der Prinz Stephan nach christlicher Weise erzogen
wurde, so mischte sich dennoch so vielHeidnisches in
seine Denkungsart,daßdiebaierische Prinzessin Gisela,
J. Chr. 995, seine bestimmte Braut, sich weigerte, ihn, ehe er
und seine Nation bekehret feyn würde, ihre Hand zu
geben m). Diese Bedingung erregte den Bekehrungs
eifer des alten Geisa, und nachdem der Vorwurf,den
- man dem Stephanus machte, gehoben, die Vermäh
Hungarn
bekehrt.
wirdlungvollzogen, und demVolks
eidliche Huldigungdes Prinzen die Thronfolge
verfichert durch
war, ließ er
Mönche aus Italien kommen und den Grund zu eini
gen Klöstern legen, die in diesen Zeiten die einigen
J. Chr.997.
Pflanzschulen geschickter Heidenbekehrer waren n). Er
starb aber ehe er diese vollenden konnte.
K. Stepha- Der Prinz oder Herzog Stephanus o) fuhr
MUs I. nicht nur indem Klosterbau fort und behielt die väter
- lichen

1) Ditmarus Merfeb. ap. Leibnit. T.I.p.420. Dieser


Mann erzählt, daß Geisa zugleich dem wahren Gotte
und den Götzen geopfert, undaufdie Vorstellung seines
Bischofs aeantwortet habe: daß kann ich thun; denn
ich bin reich und mächtig.
m) Sigeb. Gemblacenf. ad An. 10.10.
n) Hr. Pray Annal. Hunnorum p. 383.
o) Hr. Pray Annales Regum Hungariae Viennae 1764.
T. I.p. 1 fqu. Von dem Leben des K. Stephanus
ist eine besondere Geschichte ChartuitiEpiscopi vorhan
den, welche Surius in veränderter Schreibart in Actis
SS. ad d. 20 Aug. p. 243, aufrichtiger aber Herr von
Schwandtner in S. R. Hungar.T.I.p.44, hat ab
drucken laffen. Vor dieser Schrift ist eine Dedication
ad Colomannum Regen, für welchen einige den Kolo
mann halten, der von 1 103bis 11 14 herrschte; allein
viele Unrichtigkeiten, felbst im Sterbejahre des Königs,
und Anspielungen auf spätere Verfaffungen zeigen, daß
der Clbartuitius bey dem hallzischen König Kolomann
(K. Bela IV Bruder), welcher von 1208 bis "
EN
Hungarische Geschichte. 47
lichen Maaßregeln bey, sondern dehnte diese leßtern
viel weiter aus, und gründete zuerst die ganze hunga
rischeStaatsverfaffung. Zu diesem großen Unterneh
men hatte ihm die Natur alle nöchige Gaben erheilt:
denn er gebrauchte mit eben der Leichtigkeit das
Schwerdt, mit welcher er die Feder führte. Er war
äußerst strenge gegendie Miffthäter und Rebellen,und
dennoch großmüthiger gegen seine Feinde als irgend
ein Regentfeiner Zeit p). Er duldete keine Unge
rechtigkeit, sorgte unermüdet für gute Gesetze, Polizey
und Aufklärung seiner noch sehr verwilderten Nation,
verfuhr stets mit vieler Weisheit und Staatsklugheit,
und hatte ein innige und davidische Gottesfurcht. Ein
folcher Mann war das einige Werkzeug, durch wel
chesdie mächtigsten europäischen Reiche von der stets
fortdaurenden hungarischen Noth, unter welcher fie
fast erlagen, konnten befreyet werden, und Stephan
mus gebrauchte die zu einer Bestimmung ihm vers
liehenen Gaben mit so vieler Geschicklichkeit, daß die
fes Unglück völlig gehoben ward. Er verdiente daher
die Achtung, in welche ihn seine Heiligsprechung in
der römischkatholischen Kirche versetzet hat, auch bey
denen Menschenfreunden, die außer dieser lebten, und
diese schätzten ihn schon bei seinem Leben so hoch, daß - - - --

sein Name bald einer der ehrwürdigsten feiner Zeit


wurde, und viele reizte, nach Hungarn zu reisen,um
den großenStephan kennenzulernen. SeineNation
betrachtete ihn im AnfangefeinerRegierung aus einem
unrech
den Königstitel führte, sich aufgehalten hat. Timon
Imago novae Hungariae ed.Wien. 1762.p. 34. Man
hält ihn bald für einen Vefzprimifchen, bald für einen
bosnischen Bischof, vermisstet ihn aber in Urkunden.
p) Ditmarns ap. Leibnitium Scr. rer. Brunfv.T. I.p.
42O. -

Allgem.WeltgXV. B.I.Abth. Dd
413 XXXIV.Buch. Aelteste
unrechten Gesichtspunkte, undhielt ihnfür ihrengrößten
Feind, weil er ihr ihrenGötzendienst undihre Raubbe
gierde nahm, und fiel gewöhnen wollte, in Häusern
zu wohnen, und bürgerliche Gewerbe nebst dem Land
haushalte zu treiben. Daher rottete sie sich unterder
Anführung großer und kleiner einzelner Fürsten oder
Oberherren öfters zusammen; allein Stephan war
fetsglücklich, demüthigte die Misvergnügten endlich
durch eine Schlachtbey Veszprim, einer neuen Festung,
die fie belagerten, und entkräftete sie völlig durch die
Besiegung des schimegher Fürfen Kupa, welcher den
Anschlaggefaffet hatte, fich mit Geisas Wittwe zu
vermählen, und die Oberherrschaft an sich zu reißen. -

Nachden alten hungarischen Gesetzen gehörte das Ver


mögen der Rebellen dem Regenten; allein Stephan
trennete es von dem Krongute, gebrauchte es zu der
Errichtung und Bewidmung der nöthigen geistlichen
Stiftungen, undverwies diejenigen, welche er begna
digte, an das neue Kloster des heiligen Berges oder
S. Martin, mit dem Befehle, daß sie selbigem den
Zehnten von allem, sogar von ihren Kindern geben
sollten q). ,
Dieserfein christlicher Eifer veranlasfete denKaiser
S. Stephan
“- Otto III, welcher durch seine Verbindung mit der
Prinzefin Gisela sein Vetter geworden war, zu dem
Vorschlage, daß er von ihm die erbliche königliche
Würde unddie Krönung annehmen, und sich mit der
abendländischen Kirche genau vereinigen möchte r).
Dieser
q) Chartuitiusp. 416. Die Stiftungsurkunde desKlo
fers ist 1co1 ausgefertigt.
r) Ditmarus Merfeb.T.I. p. 360. Imperatoris autem
praedicti gratia & hortatu, gener Henrici Dueis Be
varioruun, Waic in regno fuimet, Epifopales cathe
dras faciens coronam ac benedictionem accepit. “PIN
Hungarische Geschichte. 419
Dieser Antrag war dem Herzog so nützlich, als dem
„Kaiser. Jenem, weil er ihm eine mächtige Hülfe
gegen die Gefahr, die ihm seine heidnische Untertha
nen droheten, verschaffte; und diesem, weil er die
Hungaren von dem morgenländischen Kaiserthum ab
zog, und dem abendländischen Reiche eine neue Stärke
gab. NachdenGrundsätzendes damaligen Zeitalters
war es unumgänglich nöthig,daß einchristlicherKönig
sich zu einem der Kaiser hielte, und man glaubte,daß
nur ein Kaiser Königswürden erheilen könne, dann
aber auch verpflichtet sey, den von ihm ernannten
König gegen eine Feinde, insbesondere wenn diese
nichtzuder christlichen Kirche gehörten, zu verheidi- r -
gend). Stephans Vater hatte vermuthlich schon die “ : "
persönliche Königswürde vom abendländischen Kaiser
angenommen, und welches eine nothwendige Folge
dieser Handlung war, sich zu der lateinischen oder rö
mischen Kirche gehalten. Die Hungaren wußten aus... … -
ihren letzten Kriegen, daß der abendländische Kaiser -

mächtigerim Felde, als der morgenländische Monarch


fey. DerRegent selbstfand einen neuenBewegungs
- - d2 grund
Prinzessin Gisela foll nach dem Sigeb. Gemblacemfis
1010, nach andern aber 1001 mit dem Könige ver
mählet feyn. S. P. Xufti Schier. Reginas Hungariae
primae Stirpis, Viennae 1776 p.35. Vermuthlich
war sie schon seine Ehegattin bey feiner Krönung,
welche die Vorrede des Decreti S. Stephani in das
Jahr 983, alle übrige hungarische Schriftsteller aber
in das Jahr 1ooo fetzen.
) Verschiedene deutsche Rechtslehrer haben der Erthei
lung des Königstitel eine falsche Deutung gegeben,
gegen welche Foannis Hony Schediafina de auspicio
regio Stephani I. Hungarorum apostoli Ienae 1717, in
gleichen des Hrn. Senators Ho/eph BenczurUngaria
femper libera fuique Iuris, numquam vel principivel
genti alicui externae obnoxia (Vindob. 1764)gerichtet
ist.
420 XXXIV. Buch. Aelteste
grund in seiner Verwandtschaft mit dem Kaiser Otto
und den Wünschen seiner Gemahlin, und alles dieses
bewegte ihn, dem abendländischen Kaiser Gehörzu ge
ben und von ihm die Krone anzunehmen. Er
begab sich aber dadurch nicht in eine Lehnspflicht des
deutschen Reichs, wie einige neuere deutsche Regenten
geglaubt haben; sondern eine Verbindung bestand
blos darin, daß er den Kaiser als obersten Schutz
herrn der christlichen Kirchen den Vortritt gab, ihm
auf Religionskriegenfolgte oder eine Geldsteuer gab,
und der lateinischen oder römischen Kirche, wie auch
dem Pabste, in Religionsgrundsätzen beipflichtete.
ird g
"Vermöge
den Abt desderS.
hungarischen Ueberlieferungen
Martinsklosters fandte
Astrich, einen Böh er

"men, an den Pabst Silvester I, um von selbigemdie


Krone nebst der Weihe feierlich zu enpfangen; und
dieser bevollmächtigte einen angesehenen Geistlichen
3. Chr. 1000,zu der Vollziehung dieser Handlung. t) Mam
gebrauchte dabey eine griechische kaiserliche Krone, tt)
- . . ." Ye
-- ,

) ChartuitiusVita S.Stephani, dessen Erzählung aber,


weil die drittehalb Jahrhundert jünger als diese Bege
benheit ist, auch einen polnischen König Misico, der
im Jahr 1000 nicht vorhanden war, angiebt, nicht
fehr zuverläßig feyn kann. Dieser Chartuitius be
hauptet, daß der Pabst die Krone für den vorgedach
ten Mifico habe verfertigen laffen, durch einen Engel
im Traume aber befehligt fey, fiel dem Könige Ste
phan zuzusenden. Diese Anekdote hat Veranlaffung
gegeben,die Krone Coronam angelicam zu nennen, und
feit ein paar hundert Jahrenzwey fliegende Engel,die
die Krone tragen, dem hungarischen Wappen zuzu
ordnen.
tt) Daß die bungarische Krone kein römisches, fondern
ein griechisches Werk fey, zeigen ihre Form und die
Zierrathen, die aus Brustbildern griechischer Kaiser
mit griechischen Umschriften bestehen. M. Schmeizei
de
Hungarische Geschichte, 421
welche jetzt in einem so großen Werthe gehal,
ken wird, daß man ihr die Beinamen der heili
Dd 3 -
-
, gen,
de Infignibus vulgo Clenodis Regni Hungariae et rieu
inaugurandi Regen Hung, und der Kronbewahrer,
Petrus de Rema, Comes comitatus de Turocz,in
der Commentatione de facra Corona Hungariae, Regnd
Ungariae virtute, victoria,fortuna, (beyde in Hr. v."
Schwandtner Ser. rer. Hung.T.II.p.488 und416)
halten die Krone für päbflich, und letzterer gar für
ein übermenschliches Kunststück, und ihr wichtigster
Grund ist, daß Chartuitius und ein diesem gleich
zeitigerKönig 1233 es fagen. Im Gegentheil fim
met die Krone mit der alten Beschreibung der griechi
fchen kaiserlichen Hauptkrone, welche die Prinzessin
Anna Comnena in ihren Schriften hinterlaffen hat,
und mit den Kronen aufden kaiserlichen Münzen auf
das genaueste überein. (Hr. Ratb Kollar Hift. di
plomat. Juris Patronatus Apostolicorum Hung. Re
gum Vien. 1762 p. 23.) Auch ist die Geschichte von
der englischen Bestimmung griechischen Ursprungs,
-
und gehörte zu dergriechischen Reichskrone. (Confian
tinus Porphyrog.de administr. Imp. c. 13. Hr.Prof.
Miller de corona Hungariae apostolica Ulmae 1759).
Man hat von der hungarischen heiligen Krone noch
keine genaue Beschreibung oder Zeichnung, wird sie
auch nicht leicht erhalten, weil die Duumviri coronae
protegendae, die 1493 verordnet sind, eidlich ver
pflichtet werden, sie keinem zu zeigen. Sie ist erst zu
Stuhlweiffenburg, nachher zu Wiffgrad, endlich zu
Presburg mit den übrigen Insignien verwahrt, und
mag, wenn sie wirklich vom Pabfe herrührte, wohl
von den Chan der Avaren im Jahre 619 nebst dem
übrigen kaiserlichen Ornate dem K. Heraklius abge
jagt, darauf aber mit dem avarischen Schatze vom
Kaiser Karl dem großen erbeutet und nach Rom ge
fandt worden sein. Ist dieses, so ist sie nicht die
alte konstantinianische Reichskrone, denn diese trug
Heraklius noch auf der Flucht davon, fondern eine
geringere Hauskrone. Es ist zweifelhaft,ob sie gleich
beyder ersten Krönung in Hungarngewesen ist; denn
auf
" -
422 XXXIV. Buch. Aelteste
gen apostolischen Krone belegt, ihr die Kraft zu
schreibt, daß der mit ihr gekrönte Monarch allerley
unheilbare Krankheiten durch die Berührung vertrei
ben könne,u) und behauptet, keiner könne eher für
einen rechtmäßigen Königgehalten werden, bis daß
fe ihm auf das Haupt gesetzt fey.v) Vermuthlich
wurden bey dieser Krönung auch die übrigen Reichs
infignien gebraucht, die größtentheils noch vorhan
den find, nämlich die heilige Lanze, welche Kaiser
Otto I. schon dem K. Geisa gegeben hatte,w) das
-- -- - Zepter,
aufdem alten Siegel des Capituli Strigonienfis vom
Jahr 1141 (Peterffy sacra Concilia Ecclef Romano
cathol. in Regno Hungariae celebrata. Viennae 1742
T. 1. p. 1.), auf welchem die Krönung des Regis
Ungrie durch den Erzbischoff von Gran abgebildet
wird, ist eine abendländische Lilienkrone. Dennoch
findet sich ein ihr ähnliches Bild auf den Häuptern
des Königs Stephans und feiner Gemahlin auf den
1031 verfertigten zwey Meßgewanden (Cafulae S.
Stephani Regis Hungariae vera Imago et Expofitio
P. Erafmi Froelich Vien. 1754.p.27), und im Sie
gel des K.Andreas, der in der ersten Hälfte des 13
"Jahrhunderts herrschte. Die alte Krone S. Ste
"phans ward nebst der Lanze nicht lange nach S. Ste
phans Tode vom Kaifer erbeutet und nach Rom zum
Grabe der Apofel gefandt, wo sie 1074 wenigstens
noch vorhanden war, -

u) Inchoferi Hit. ecclef Hung.p.264.


v) Schmeizell. c. ap.Schwandtner. p.492.494.
w) Mit dieser Lanze und dem Reichsapfel ist S. Ste
phan aufder vorgedachten Cafula abgebildet. Das
Zepter aufden Siegeln und Münzen ist stets ein Li
lienzepter, und weicht also von dem wirklichen, das
eine mit Edelgefteinen befetzte Streitkolbe ist (Rewa
p. 470), fehr ab. Daß diese Streitkolben aber
„ nebst Säbeln, runden Schildern und Speren die
wahren alten hungarischen Waffen zu S. er:
eit
-

Hungarische Geschichte. 423


Zepter, das S. Stephansschwerdt, mit dem der Reichsinsig
Monarchgegen alle Weltgegenden an demKrönungs-" -

tagezu hauen pflegt, das Schwerdt des Attila, der


Reichsapfel, die bischöflichen Handschuhe und einige
andere Kleidungsstücke, und endlich das jetzt verlor
ne Kreuz, welches sich der König nach der damaligen
Weise des griechisch-kaiserlichen Hofes und der bul
garischen und englischen Könige im Treffen vortragen
Jieß.X)
- Dd 4 Die

Zeit gewesen sind, zeigt jene Casula, aufder man


auch fpitze Helme oder hungarische Mützen, kurze
Kleider und Schiffe, die ein Kerl auf dem Haupte
forttrug, wahrnimmt. u den Reichskleidungen
gehört ein Mantel, ein Gürtel, Schuhe und ein Mo
nile. Aufdem Granischen Stiftssiegel von 1141 fie
het man den Gürtel und Hermelinmantel, letzteren
weit kürzer alsaufdesKönigsAndreas (12o1- 1235)
und Bela IV (1243) Siegeln. (S. die Abbildung
von jenem in M. Beli Hung. antiquae et novae pro
dromop.66, und von diesem in Hr.KolariDié.Dipl.
Jurispatronatus p. 42.) Ein älteres Reichskleinod,
nämlichdas angebliche Schwerdt des Königs Atti
- las, ward 1063 dem Herzoge von Baiern geschenkt.
Schier. Reginae Hung.p.61. -

x) Chifletius Op. hift.polit.p. 239. Auf bungarischen


Münzen findet sich ein Kreuz kurz nach K.Stephans
Tode, und auf Siegeln zu des Königs Andreas Zeit,
welcher von 12o1 bis 1235 herrschte, anstatt des
Zepters. Dieses Kreuz war aber nur einfach. Zwey
fach führte es als ein Reichswappen König Bela IV
1243, vermuthlich, weil damals erst die Meynung,
daß es das Apostolat oder die patriarchalische Ge
walt andeute, aufgekommen war. Das Reichswap
pen ist nicht viel älter als Bela IV Regierung. Im
Anfange des XIV. Jahrhunderts fügten die Könige
des anjouischen Stammes zum Kreuze drey Hügel,
und zum alten Schilde noch einen andern, der acht
mal von Roth und Silber gestreift ist. Von
IL
424 XXXIV. Buch. Aelteste
Einrichtung Dieses Kreuz, deutete blos aufdie Religion, für
der Kirchen
verfaffung, welche der König kämpfte, und sollte, seitdem Con
fantinus der Große unter selbigem die römischen Hei
den überwältigt hatte, eine geheime Verstärkung der
christlichen Waffen enthalten. Allein Stephans
Nachfolger legten selbigem eine geheime Bedeutung
bey, und glaubten, daß es dem heiligen Stephan
vom Pabst Sylvester zum Zeichen des Apostolats
oder der höhern Gewalt in Kirchensachen gesandt wor
den fey. y) Diese Meynung hat in neuern Zeiten
Gele

diesem Stamme rührte der Reichshelmzierratb,


nämlich ein Strauß zwischen zwey Federn, her, der
nun nicht mehr gebraucht wird. Aufden Münzen
findet man, ehe die Wappen aufkamen, in den älte
fien Zeiten das Bild S. Michaels (Sec. XL) und
nachher der h. Maria feit 12o1, Das letztere muß
vermöge einer Erinnerungder Reichsstände vom Jahr
1550 noch auf Münzen gesetzt werden. S. des neu
eröffneten Groschencabinets II Supplement, Leip
zig 1750. Beyde Schutzheilige waren die vornehm
ften Heiligen des griechischen Hofes; und es ist da
ber fehr unwahrscheinlich, daß S. Stephan fein
Reich, wie der Pabst Gregorius VII behauptete, dem
h. Apostel Petrus übergeben haben sollte, weil dieser
den erhabenen Vorzug, den ihm der päbfliche Hof
beylegt, nur im Abendlande erhalten hat, der König
Stephan aber dem morgenländischen Ritual folgte.
y) Chartuitius p. 418. Ein gewisser F. Raphael Le
vakovicz, (welcher unter dem Vorwande eine bun
garische Geschichte zu fchreiben, und in der Absicht,
Documente, die den päbflichen Zumuthungen der
Annaten entgegen fanden, zu vernichten, fich in die
Archive drang,) hat eine Bulle Pabst Sylvesters II
vom Jahr 1000 erdichtet, durch welche Kreuz, Kro
ne und Apostolat dem K. Stephan verliehen werden.
S. Hr. R. Rolar de Originibus et vu perpetuopo
testatis legislatoriae circa sacra apostol. Regum Wien.
1764 p. 155. Von eben diesem Manne scheinen ver
- fchiedene
Hungarische Geschichte, Z125
Gelegenheitzu dem Titel der apostolischen Maje
tät gegeben, welchen die Kaiserin-Königin Maria
Theresia im Jahr 1753 von dem Pabste Clemens
dem dreizehnten angenommen hat.yy) Der König
Stephan, welcher fast eben so viele griechische als
lateinische Christen unter feiner Hoheit hatte, war
fehr besorgt, beide mit den nöchigen Lehrern zu ver
fehen. Daher stiftete er in Konstantinopel und in
Rom Hospitäler für Hungaren, und dort ein Mönchs
kloster, hier aber ein Chorherrenstift. Ferner legte
er ähnliche Hospitäler, Herbergen und Stifte in Ra
venna und in Jerusalem an, die aber nachher, da die
--- Dd 5 Nation

fchiedene andere fephanische Stiftungsurkunden her


zurühren, die einer vom Pabst verliehenen Gewalt
gedenken, und die dem Style nach nicht aus dem
eilften Jahrhunderte feyn können. Einige von die
fen sind ausdem Museo historico des Jesuiterordens
auszugsweise im Peterffyschen Werke S.4, andere
durch des Levakovics Mittheilung in des Jesuiten
Inchofer Hit. Ecclef p. 290. 256. eingerückt. Alle
sind lateinisch. Dennoch versichert Hr. Pray in den
Annal. R. Hung.T. 1.p. 14, daß die meisten fepha
nischen Urkunden in griechischer Sprache ausgefertigt
wären. Incbofer gestehet (p. 270), daß er einige
Fehler in den Urkunden ausgebessert habe. -

yy) Mir ist der Titel in keiner alten Urkunde vorgekom


men. In den ältesten Zeiten bedeutete er einen recht
gläubigen Monarchen, wie das Beyspiel des westgo
thischen Königs Reccared zeiget, auch wohl den Kö
nig einer Nation, die von den Aposteln felbst zum
Christenthum gebracht worden war. In beyder Be
deutung konnte S. Stephan ihn führen, wenn man
nämlichaufdieältesten pannonisch-illyrischenChriften
achtet, und feinen Eifer, den er in der Schrift an
feinen Sohn gegen die Irrgläubigen äußert, in Er
wähnungzieht. Eine andere Vorstellung macht sich
J. C. S. in den unvorgreiflichen Gedanken vom Ur
sprunge des Titels Apostolisch, Hildesheim 1764
426 XXXIV.Buch. Aelteste
Nation genug Lehrer im Reiche fand, aus der Acht
gelaffen wurden, und zum Theil eingiengen.z) Er
leitete ferner den Zug der Frommen, die nach dem
heiligen Grabezu Jerusalem wallfahrteten, durch fein
Land, und bewirthete und beschenkte diese Leute so sehr,
daß nicht nur alle italienische und französische Pilgri
me, die bisher zur See gereift waren, durchHun
garn giengen, sondern überhaupt die Anzahl der Je
rusalemsfahrer vermehrt, und der Grund zu den nach
herigen Kreuzzügen gelegetward. a) Dadurch erhielt
- er
z) Inchofrus ad An. 1007p. 284. Vom ravennifchen
Stifte ist eine Stiftungsurkunde bey dem Hr.Pray
Ann. Reg. H. I.41, wo auch beym Jahre 1023 p.36.
vom S. Georgenhospitio zu Jerusalem gehandelt
" wird.
a) Rud. Glaber Hift. fui temp. ap. du Chefine Script.
hift. Francor. T. IV. Die Pilgrimschaften verwan
delten sich bald in Karawanen, und aus diesen ent
fanden nach fast hundert Jahren die Kreuzzüge.
Einige dieser Karawanen hatten so viel Waffenträger
bey fich, daß die Könige fiel nicht durch ihr Land laf
fen wollten, oder wenigstens fiel durch ein Beobach
tungsheer begleiten ließen. Wppo ad An. 1027. Vi
ta Lietberti Comeracenf. Epic. ap. Dachery Spicileg.
Scriptor. T. II.p. 145. ' gebrauchte die Waf
fen bey den Pilgrimschaften gegen gewife grausame
Räuber, die in den bulgarischen Wüsteneyen und
Waldern verborgen lagen, in Höhlen oder aufBäu
men wohnten, die männlichen Reifenden umbrachten,
* die Weiber und Kinder aber mit sich vereinigten, und
alles, was sie faffen konnten, fortschleppten. Diese
Leute hatten keine gottesdienstlichen Gebräuche und
keine Religion. Doch waren sie beschnitten. Sie
können mohammedanische Katzaren, oder Saracenen,
oder gar fchon ein Zusammenfluß aus mancherley Na
tionen, oder welches einerley ist, Stammväter der
Zigeuner gewesen feyn. (Vita Lietberti cit. loco.)
Der Name Zigeuner ist wenigstens in Hungarn ent
standen, wo Ziginy einen umherstreifenden Bettler
andeutet.
Hungarische Geschichte. - 427
er den Vortheil, daßfeine Nation sich an bessere Sit
ten unvermerkt gewöhnte, auch mancher Ausländer
im Lande blieb, der feine Künste und Wissenschaften
in selbigem fortpflanzte. Deutsche und Italiener wa
ren bereits durch hungarische Menschenräuber als
Knechte hineingebracht, andere freye aber, die zum
Theilvon guten Geschlechtern abstammten, hatte Ste
phans Vater und seine eigene Gemahlin hineingezo
gen,b) und Stephan hielt es, wie er selbst in dem
Unterrichte für feinen Sohn meldet, für ein nochwen
diges Stück der äußern Pracht, viele Personen aus
mancherley Sprachen an feinem Hofe zu haben, und
solchen ihre Sitten und Waffen zu laffen. Er war
auch niemals strenger als bey Bestrafung derjenigen
Beleidigungen, die den Ausländern zugefügt waren,
und fahe bey seiner Mildthätigkeit gegen die Fremden
auf keinen Religionsunterschied. Vorzüglich richtete
er aber sein Augenmerk aufPriester, Mönche und
Gelehrte, die er aus Griechenland, Böhmen, Baiern,
Oesterreich, Sachsen und Venedig verschrieb. Er
verordnete, daß zehn Dörfer eine Kirche aufgemein
fchaftliche Kosten erbauen, und mit liegenden Grün
den zum Unterhalte des Gebäudes und der Geistlichen
versehen sollten, und verpflichtete die Bischöfe zu der
Herbeyschaffung der geschicktesten Diener und der nö
thigen Bücher, die königliche Kammer aber zu dem
Ankaufe der Zierrathen, Gewande, Meßkleidungen
und Geräthschaften. Weil der mährische Bischofdes
illyrischen Officii über Szlavonien, und der Erzbi
schof von Lorch-Paffau über Pannonien eine vom
Pabst und Kaiser bestätigte Jurisdiction erhalten hat
ten, sofand St.Stephan es nöthig,von dem Pabste
die Genehmigungzu der Absonderungvon diesen aus
ländi
b) Dipl. R. Andreae de An. 1231 ap. Schier. I. c.
P- 41
A28 XXXIV.Buch. Aelteste
ländischen Geistlichen und zu der Errichtung neuer
hungarischer Bischofhümer zu verlangen, die er auch
gleich erhielt. Daraufgründete er das Erzstift zu
Strigonium oder Gran und einige Bischofhümer, c)
wie auch drei neue Klöster. d) Die Bischöfe traten
durch
c) Cbartuitius meldet, daß S. Stephan 12 Bischof
thümer errichtet habe; allein das Breviarium Strigo
niemfe, welches 1484 gedruckt ist, redet nur von
zweyen. Timon Imago novae Hung.p.40. Hr. Pray
hat im Specim. Hierarchiae hungaricae P. 1 (Pofoni
et Caffoviae 1776.) aus Mangel der Urkunden den
MPiderspruch nicht völlig heben können, ohngeachtet
er aus neuern Handschriften Bischöfe von 1009 ah
anführt. Die ältesten Nachrichten von den Bischof
thümern Tschanad, Groswarasdein und Weiffen
burg oder Siebenbürgen find vom Jahr 1156, die
von Erlau (Agria) von 1102, und die von Mitra
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Vatz ist 1075
(Hr. Pray p. 331), Zagrab 1091, Sirmium 1252,
Milkov und munkatz im XIV und XV. Jahrhun-,
derte gestiftet. Von Veßprin und Fünfkirchen
fcheint es gewiß, und von Raab (Jaurinum) fehr
wahrscheinlich zu feyn,daß es 1009 vom S.Stephan
errichtet worden ist. (Hr. Pray 1. c. p.261. 225.)
Das zweyte Erzstift Bacs entstand 1085, und ward
1 156 mit dem eben fo alten Erzstifte Kalocza ver-,
.bunden. Die unirten griechischen Bischöfe in Bos
nien und Walachey find erst in neuernZeiten hinzuge
kommen. Noch neuer ist die griechische Kirche, die
aus den Bischöfen von Temeswar,Karanfebes, Bacs,
Arad, Ofen, Pakracz und Karlstadt bestehet, und dem
ehemaligen Patriarchen von Belgrad, jetzt Karlor
wis, unterworfen ist; denn diese ward nach 1690
aufgenommen. S. Hv.v.Taube bist, und geograph.
Befähr.des Königreichs Slawonien 1 B.p. 74.
d) Die Klöster derStiftung S. Stephans sind S. Mars
tin oder Monsfacer, S.Marien zu Veszprim, Pecs,
Warad oder S. Mariae montis ferrei, S. Maria im
Walde Bakon, und Szala. Nachher ist die Anzahl
der
Hungarische Geschichte. 429
durchdie Verleihung der ihnen zugeheilten Güter in
diejenige Pflicht, der alle übrige begüterte Reichsun
terthanen unterworfen waren, und mußten im Kriege
dienen und demweltlichen Richterstuhle gehorchen. Der
König setzte sie ein und ab, bestrafte ihre Verbrechen,
hielt Synoden und ordnete neue Kirchengebräuche an.
Allesdieses thater, so wie die Kaiser imMorgen- und
Abendlande, vermöge der Befugniß, die ihm sein
oberherrliches Amt erheilte; und sein Beispiel hatte
bey denjenigen feiner Nachfolger, die in einer Zeit,
da man sich andere Begriffe von der weltlichen Ge -
- -
-- - -

waltmachte, lebten, die Wirkung, daß sie sich den


Versuchen despäbstlichenHofes, diese Rechte von der
Krone an den päbflichen Stuhlzuziehen, nachdrück
lichwidersetzten. e) Die
der Klöster fo fehr vermehrt, daß in dem Verzeichnisse
in Peterffy Concil.p.273. inHungarn und Szlavonien
416 (außer einer vielleicht großen Anzahl, deren Na
men nicht mehr bekannt sind, und außer den Jesuiten
klöstern) gefunden werden. Die Griechen haben in
allen österreichisch-hungarischen Provinzen zusammen
nur 30 Klöster.
e) Daßzu St. Stephans Zeit der Pabst noch in keinem
Reiche die alleinige Gerichtsbarkeit und Hoheit über
Geistliche befeffen hat, ist eine fchon oft erwiesene
Wahrheit; und in Betracht Deutschlands find einige
Beyspiele,die dieses erweisen, in Habns Reisegeschich
se II Th. S.276 beygebracht. Daß die hungarischen
Könige sich den Eingriffen des Pabsts Gregorius VII
und feiner Nachfolger mit Nachdruck widerfetzt haben,
ist in den vorgedachten beyden Schriften des Herrn
R. Kollar (Hift. dipl. Jurispatronatus Apofolicorum
Hung. Regum und de originibus et ufu perpetuopote
fatis legislatoriae cirea facra Ap. Reg) urkundlich dar
gethan. DennochhabendieKönige den Geistlichen 1222
eine besondere Gerichtsbarkeit, und 1 106 dem Pab
fte das Recht der Genehmigung bep eine oder
eiter
430 XXXIV. Buch. Aelteste
Der König Die Verheilung des Reichs unter die Aufsicht
erobert
äum, der Bischöfe veranlasfete einen bürgerlichen Krieg;
gMM. verschiedene
denn es gab noch mächtige Magnaten
oder Woiwoden, die im Herzen dem Glauben ihrer
Vorfahren getreu blieben, und sich nicht gutwillig
dem Diöcesanjoche und den Kirchenbußen unterwer
fen wollten. Das Haus Moglut, dessen Stamm
vater ein Hetumoger gewesen war, und pelches über
Byhor, über die nächsten Gegenden in Siebenbür
gen, über das hungarische Land zwischen der Theis
und Donau, und über den Ober- und Unterwald der
J. Chr. 103 Walachey fast unumschränkt herrschte, f), schien Ge
walt genugzu haben, um sichden Christen widersetzen
-,
-, - . . . .. zu
Weiterbeförderungen der Bischöfe zugestanden. Hr.
Pray hat in den Annalen ITh. S.29. eine Fundations
urkunde desKönigs Stephans wieder abdrucken laffen,
worin er dem Abte des Klosters Szala eine Inful Au
toritate apostolica nobis annuente verstattet. Allein
diese Urkunde muß untergeschoben feyn, weil die das
maligen Landesherren pabfliche Bullen über folche
Infulrechte nicht einmal zuließen, fondern verbrennen
ließen; Herm. Contrakt. ad A. 1032. Man findet
auch in einem Ausdrucke der Urkunde (Sigilli nostri
autentici corrigie appenfione) eine Spur der Verfäl
fchungszeit. Denn die Corrigie sind vor dem 13.Jahr
hunderte nicht üblich gewesen. -

f) Not. Belaep. 19. Chron. Hilde/ ap. Leibnit. Seript.


rer. Brunfv.T. 1. p.722. Annal. Saxo ad An. 1C03
ap. Eccard. Corp. Hit. medi Aevi T. I.p. 393. Die
deutschen Schriftsteller nennen den Anführer Julum
regem, avunculum fuum, und legen ihm zwey Söhne
bey, die bey dem Notarius Belä Bue und Bucue heis
fen. Ditmarus Merseb. gedenkt eines vertriebenen
Avunculi Proeui, welcher wahrscheinlich der Bucue,
fo wie Julus der jüngere Geula, (ein mütterlicher
Großvaters-Brudersohn des Königs Stephans) ist.
Sein Land nennetAdemarus ChabanenfisUngriam ni
gran nach asiatischer Weise, da des StephanusHun
garn
Hungarische Geschichte 431
zu können, und warf sich daher zum Haupte der Mis
vergnügten auf. Allein der König siegte und nahm -
das Haupt des Hauses oder den Fürsten Giula nebst
feinen Söhnen gefangen. - Der Fürst beharrte bey
feiner Abneigung gegen das Christenthum, und fann
aufErregung innerlicher Unruhen. Daher behielt
ihn der König bis an seinen Tod in Verwahrung,
und vereinigte seinen Staat oder das fiwarze Un
gern mit einem Reiche. Der ältere seiner Söhne
Procui entflohe zu dem polnischen Könige Boleslav,
der ihm die Verwahrung einer Gränzstadt anver
trauete. Dieser Procui wünschte seine zurückgelaffene
gefangene Gemahlin wieder zu erlangen, allein der
Mangel des Lösegeldes raubte ihm alle Hoffnung dazu.
Seine Sehnsucht ward endlich dem Könige Stephan
angezeigt, welcher sie befriedigte und ihm seine Ge
mahlinzusandte. Durch diese Großmuth ward Pro
cui so sehr gerührt, daß er sich dem Könige unter
warf, und ihm die polnische Festung, überdie er zu
befehlen hatte, öffnete. Sein Beispiel machte einen
großen Eindruck bei den übrigen Schwarzhungaren,
und alle nahmen, theils aufdas Zureden ihres neuen
Herrn, desKönigs, theils ausFurchtvor seinen Waf
fen,das Christenthum an.
- - Nun
garn, als das größere,Ungria alba heißen mußte. Daß
es nicht. Siebenbürgen gewesen fey, zeigen die Nach
richten von dem Geschlechte Mohut aus dem Notarius
Belä, die oben beygebracht sind. Auch ist es gewiß,
daß die Patzinaziten oder Biffeni noch lange nachher
an der Donau,gegen Thracien über, am walachischen
MPalde und nicht weit von der Theiß, also in Sieben
bürgen, in völliger Unabhängigkeit gewohnt haben.
S. Hr. Pray Diff, hist. crit. p. 169. 387. 112. Auf
die Eroberung des schwarzen Ungarn scheint sich der
Titel des Königs im Siegel der achten Urkunde von
1007, beym Hr. Pray An. R. Hung.T.I.p. 20. Ste
phanus D.G. rex totius Hungariae zu beziehen.
432 XXXIV.Buch. Aelteste
Errichtung der Nunmehr warf der König die ganze alte Reichs
Gespannschaf
L2 -
verfaffung um, und hobden Unterschied der acht Na
tionen, nebst der Einrichtung der besondern Staaten
hetumogrischer Geschlechter auf. Er verheilte alle
feine Staaten nach der deutschen Weise in Gespann
fchaften oder Grafschaften, entweder weil er es
für ratham hielt, dem Muster der abendländischen
Staatsverfaffung zufolgen, da er einmal ein Mitglied
des abendländischen Kaiserthums geworden war, oder
auch weil in Pannonien noch Spuren der alten Graf
fchaften vorhanden waren, welche Kaiser Karl der
Große errichtethatteg). Diese Grafschaften (Comita
- tus,
g) S. Hr. Hofrat C. A. Bel Commentatio de Archioffi
cis Regni Hungariae; HungariBaronatus vocant, Lipf
1749.p. 14. Hr. Pelcz Hungaria fub Geisa p.29.
Verzeichnisse aller hungarischen Gespannschaften, von
- , welchen einige Schriftsteller, 61, andere 65 angeben,
sind bey dem Herrn Pelcz S.31, und inHerrn Pray
, Ann. Reg. Hung. T.I. p.2. Jetzt find 10 Gespann
fchaften erblich. Vieleandere sindmit Bischofthümern
und den Reichsbaromaten verbunden, und nur noch
einige wenige werdenvom Könige verliehen. Injeder
Gespannschaft lag ein Hauptschloß (Var), zu welchem
die Megye (terminus Pelczp. 31) gleichfam gehörte,
undjede Megye war in mehrere proceffus oder Paro
chien verheilt. Unter S. Ladislaus Regierung findet
man Comites confiniorum und untergeordnete Gränz
bewahrer, die zum Theil Ewrii (Hr.Pelcz S. 45)
nachher aber Szekely (Hr. Pray Ann. P. III. p. 388)
genannt wurden. Diese hielten sich (wenigstens fit
dem 13. Jahrhunderte) am Wagfrom, nachher aber
auch in Siebenbürgen, auf, und genoffen einer Frey
heit von allen Abgaben. Die Grafen der Gespann
fchaften Polony (Presburg) und Tenneswar hatten
größere Vorrechte als die übrigen Gespanne,undkamen
in neuern Zeiten unter die Baronen oder hohen Kron
bedienten der zweiten Klaffe, weil sie die Gränzen,
dort gegen Böhmen und Oesterreich, hier s '
Plds
-
HungarischeGeschichte. 433
tus, Mega oder Var Megye in hungarischer, und
Stolze in illyrischer Sprache) bekamen einen Haupt
grafen (Fö Ispan) und einen nachgeordneten Grafen
(Ifpan), und der König verpflichtete sich, stets in
jeder Gespannschaft mit Zuziehung der zwey Megal
richter das Recht zu sprechen, die Beschwerden des
Volks gegen diese Richter aber dem Pfalzgrafen zum
Rechtsspruche zu überlaffen. Das Amt des Pfalz Reichspala
illUß.
grafen (Mandor-Ispan) entstand aus der Würde
des alten hungarischen Oberrichtersoder Gylas,ward
aber nach deutscher Weise umgeändert, und mit dem
deutschen Ehrennamen belegt. Dieser Pfalzgrafh)
wurde
Walachen, Moldauer undTürken vertheidigenmußten.
Hr. Bell. c.p. 54. Man findet zwar in einigen Ur
kunden desH.Stephans Marchiones angeführt; allein
diese find verdächtig."
h) Das Wort Nandor Jspan wird von einigen der vor
zügliche Richter, von andern aber nach flavischer
Wortableitung Naddwur-Ifpan,Aulaepraefečius,
übersetzt. Cinamus schreibt es S. 125. Maranos.
Der erste Palatin foll in einer Urkunde von 1001 ge
funden werden, welches aber Herr Pray leugnet. Von
feinergroßen Gewaltin neuern Zeiten seit dem Jahre
1222, handelt Herr Bela.O. S. 9. Er ist der erste
Baron und der Reichsverweser und Generalis Capita
neus in Abwesenheit des Königs und bey der Throner
ledigung, geht allen Herzogen vor,forgt für die öffent
liche Sicherheit und Bestrafung der Miffthäter, hielt
bis unter K. Ludewig I. Regierung die königlichen Ge
richte öffentlich aufden Hügeln jeder Grafschaft, und
war einiger Richter der Kumaner. Der König fetzte
ihn nach Gefallen alle Jahr ein oder ab, bis daßMa
thias Corvinus ihm ein stets dauerndes Amt gab, wel
ches nachher durch die mehrten Stimmen der Stände
und des Königs besetzt wurde. Dieser Pfalzgrafwar
auch, fo wie der alte deutsche Pfalzgraf, Richter in
Zwistigkeiten, die fich zwischen dem König und der
Nation erhoben. Daß fchon zu S.StephansZeit der
Allgem MPeltg.XVB, I. Abth, Ee Pfalz
434 XXXIV. Buch. Aelteste
wurde gleichsam der Gehülfe des Königs, wiewohl
nur in dem Verhältniffe, welches zwischen Königen
und Bedienten stattfinden kann, und erhielt, wo nicht
vom H.Stephan, dochvon seinen nähern Nachfolgern
einen Vicarius, welcher in den Platzdes alten Unter
richters oder Karchas trat. Dieser führte etwa hun
dertJahr nach S.Stephans Tode den Namen Judex,
curiae regiae, ingleichen Orßag- Biraja (Reichs
richter) und Udvari, Kyralyi-Biro (königlicher
Hofrichter), weil er stets bey dem Könige blieb, und
sobald derPfalzgrafden Hof verließ, das Reichssiegel
bekam, und dessen richterliche Geschäfte verwaltete ).
DerPalatinus und viele Gespanne wurden von dem
Könige Stephan zu den geheimen Rathschlüffen gezo
gen; allein fie erlangeten dadurch keine mitregierende
Reichsräthe Gewalt. Der König wählte seine Räthe aus den
oder Baronen. Aeltesten, Weitesten und Vornehmsten seiner Unter

thanen, ohne Rücksicht auf hungarische, flavische,


deutsche oder italienische Abkunft. Er gebrauchte fie
auch zu besondern Geschäften, und einer von ihnen
war Kämmerer oder Aufseher über eine Einnahme
- und

Pfalzgraf feine große Macht erhalten habe, schließet


man daraus, daß Cinamus ihn am Ende des elften
Jahrhunderts den nächsten nach dem König nenner.
i) Hr. Bel S. 23. Der erste Iudex Curiae, den man
jetzt kennet, ist in einer Urkunde vom Jahr 1137 ge
nannt. Dieser Juder istder zweyte große Baron der
ersten Klaffe, und trägt bey Krönungen dasSchwerdt,
fo wie der Palatinus die Krone. Ihm folgten die
Bane (Herren)von Dalmatien, Kroatien, Szlavo
nien seit dem 12. Jahrhundert, und diesen (noch um
anderthalbhundert Jahr später) die Waywoden von
Siebenbürgen, Moldau und Walachey, die die Ord
nung der hölzern Reichsbarone oder Adjutorum regiae
Majestatis befchloffen. Die Despoten waren nur Lehn
fürsten, allein keine Reichsgenoffen. Hr. Bel S. 27,
35, 37. -
Humgarische Geschichte 435
und Ausgabe k). Er befahl ihnen, bei ihren Vor
schlägen aufdie Nationalgebräuche zu sehen, und die
Griechen, Lateiner und Hungaren nach ihren eigens
thümlichen alten Sittenzubeherrschen. Diesesschwere
Geschäfte glaubte er so glücklich in Ordnung gebracht
zu haben, daß er in einem Unterrichte, den er für
seinen Sohn niederschrieb, diesem öfters einschärfe,
beyjedem Falle fich nach dem, was er gethan habe,
zu richten. Die Stände, aus welchen er die Räthe Stände :
Ee 2 nahm,
k) Camerarius five Confiliarius Dipl. Stephani S. ap.
Dn. Pray Ann. R. Hung.T.I.p.41. Daß der regalis
Senatus die Urtheile fand oder angab, die der König
durch feinen Ausspruchgültig machte, fiehet man aus
S. Stephans Gesetzen C.6. Im Jahr 1291 hieß der
Kämmerer schon Tavernicorum Magister, oder Tarnak
Mester (Schatzmeister), und hatte die Aufsicht über
das Salz, die Münzwerkstätte, die königlichen Kam
mergüter und die Archive. Die Urbes tavernicales
oder einige der freyen königlichen Städte mußten ihn
als ihren obersten Richter erkennen, und er war der
erste der Reichsbaronen zweyter Klasse. In diese
gehörten auch die hohen Hofbedienten, die wahrschein
lich S. Stephan auch verordnet hat, nämlich derMa-,
gifter pincernarum regalium (Pobarnok - meter),
der Magifter Dapiferorum, dem auch die Jagd unter-
geordnet war, (Alztalnok-Meffer und Magnus Sene-“
falcus); ferner der Agazonum regalium Magister -
(Oberstallmeister) und der Ianitorum regalium Ma
gifter. Dieser letzte hatte aufden Reichstagendas
Recht, Ordnung unter den Ständen zu halten und -
ihre Zwistigkeiten beizulegen; undfeine untergeordneten"
erblichen Thürhüter waren russische und lodomirische
Pflanzbürger, welchenK.Kolomann die Last aufgeleget
haben soll. Einen Theil feines Amtes bekamen unter
demK.Vladislav II.der Magister Cubiculariorumregio
rum(Fö. Komornik-Meffer), und später der Magister
curiae regiae (Udvary Kapitany, Hofhauptmann,
oder Oberceremonienmeister), welche nun auch zu den
Baronen und Reichsräthen gerechnet werden. S.Hr.
Belangef, Orts S.39,42,47, 48, 50. . . . . .
236 XXXIV. Buch. Aelteste
nahm, waren Geistliche, Barone, Milites und No
biles. Die Geistlichen hatten keinen weitern Vorzug,
als daß sie dreimal bei einemVerbrechen vom Könige
insgeheim gewarnet wurden, ehe man sie nach dem
Gesetze strafte 1). Die Barone machten die Gesell
fchaft der geheimen Räche, die Comitesden Richter
stand, und die Milites und Edeln den Kriegesstand
aus; doch mußten auch die Baronen, Comites und
Geistliche dem Heereszuge folgen. Der Grafward
fünfmal höher als ein solcherMiles, dem eine Tapfer
keit Ansehen erworben hatte,dieser aber zweimal höher
als ein gemeiner Freyer geachtet, mußte aber auch bey
einem Verbrechen ein fünfmalgrößeresStrafgeld ent
richten. Alle waren, nach altdeutscher Artzu reden,
Dienstmänneroderedle Leibeigene,durftenaber,wie St.
Stephan seinem Sohne meldet, nicht als Knechte ge
halten werden. Die königlichen Milites gehörten,
fö wie die königlichen Güter undKnechte,zudenKron
gütern. Allein es gab noch viele andere Milites, die
einzelnen Senioren oder freyen Herren zustanden;
denn jeder Senior mußte vermöge des hungarischen
Gesetzes einen Miles haben, den er, wenn er entlief,
als sein Eigenhum zurückfordern konnte. Diesen Be
dienten waren die Gäste oder Miethlinge entgegen
gesetzet, die nur so lange sich mit keinen Fremden ein
laffen durften, als sie Unterhalt bei einem Senior ge
noffen. Unter diesen letztern waren öfters Ritter,
welche auch Milites, wiewohlin einer andern Bedie
nung
1) Die Stände heißen in der griechischen vom K.Kolo
mann 11C9 übersetzten Stiftungsurkunde des St.
Marienklosters zu Veszprem (Hr. Pray Ann. T.I.
p.20.) rex, principes, belli duces, Episcopi, und in
dem Regierungsunterrichte S. Stephans Barones, Co
mites, milites, mobiles. Im letztern findet man auch
wegna, confulatus, ducatus, comitatus, pontificatus.
(Hr. „Pray-Annal. R. H. T, I.p.30.)
HungarischeGeschichte. 437
nunggenanntwurden, und den Gebrauch des Wehr
haftmachen vermittelt des Schwerdtschlages in Hunt
garn einführten. Diesen Gebrauch veranlasfete S.
Stephan selbst m),weil er sichnochbei seines Vaters
Lebzeiten, nach einem Siege, der am Granstrome er
fochten war, von zweyen Ausländern zum Ritter schla
gen ließ. Uebrigens bekamen alle Bedienten, auch
die vornehmsten, den Titel"Jobagiones, der jetzt nur
den Bauern und Lohnknechten gegeben wird n). Die
wirklichen königlichen oder gräflichen Knechte,welche
eine Aufsicht überGüter odergeringere Knechtehatten,
waren halbfrey; denn sie konnten in gewissen Fällen,
ein Zeugnißzwischen den Grafen ablegen. Dieses
war nicht einmaldenUdwornik, oderden zum Schloß
gehörigen Bedienten verstattet,diedoch bei Bestrafung
verschiedener Verbrechen als Freye betrachtet wurden. n

Die Knechte und Mägde lebten nicht in der glücklich“


lichstenVerfaffung; denn sie waren der Tyranney ihrer
Herrschaften ganz und gar überlaffen, und konnten,
nicht einmal eine Klage gegen diese beydem Richter
anbringen. Man hatte erbeutete, geborne und ge
kaufte Knechte und Mägde. Allein auchfreye Hun
garen konnten in Knechtschaft gerathen, wenn fie
Mägde heiratheten, oder einenfreien Menschen fah
len, oder sich nicht zum Christenthum bekehren lassen.
wollten, oder auch wenn ihnen ein blutiges Schwerdt
zum Zeichen eines Aufgebots zum Heereszuggebracht
war, und sie sich nicht im Felde einfanden o). Die
Ee 3 Unter
m) Hoh. Archidiaconide Kikulen Chron. Hung. c. 13.
ap. Dn. de Schwandtner. Script.T.I.p. 87.
n) Tinon Imago novae Hung.p.28. - -

o) Hr. Pray Diff. p. 128. Decretum S. Stephani. Kö


nig Kolomann fähränkte etwa hundert Jahr nach S.
Stephan die Knechtschaft dadurch ein, daß er verbot,
Knechte, die in Hungarn geboren waren, zu
- -
t: R
438 XXXIV Buch. Aelteste
Unterthanen überhaupt wurden durchfreye Ausländer,
nochmehr aber durch hineingebrachte Knechte, eine so
fehr gemischte Nation, daß man öfters kaum eine
Meile weit ohne Dolmetscher reisen konnte.p) Die
zahlreichsten waren die ältern Einwohner, nämlichdie
Illyrier und die Slaven. Diesen folgten diewirk
lichen Hungaren oder Magyaren, daraufdie Ku
manen und Patzinaziten, welche sich an der mäh
rischenGränze angebauet hatten, und dann die Laut
fchen. Die letztern sorgten vorzüglich für die Wie
deraufbauungder ältern, und fürdie Gründung neuer
Städte. Dahergeschahees, daß die mehrestenhun
garischengroßen Wohnplätze außer ihremhungarischen
oder illyrisch-flavischen auch einen deutschen Namen
führten. Die vornehmste Reichsstadt ward zu St.
- Stephans Zeit Szekes-Fejer-Var oder Stuhlweiß
fenburg (Alba regalis). Denn in dieser hielt der
Königfich auf, und empfiengauchin selbiger dieKrö
mung. Der Sitz der Reichsstände war bei Buda
(Ofen),
Dennoch trieb man noch lange einen Handel mit aus
ländischenKnechten, derendlich mit der frengen Knecht
'rte,
am Ende des dreyzehnten Jahrhunderts auf

p) ManhobdieUnordnung,die diese Mannichfaltigkeit der


Sprachen verursachte,dadurch,daß man die lateinische
Sprache zur Reichssprache in öffentlichen Angelegenhei
ten machte. Viele Ungelehrtegewöhnten sichausgleicher
Urfache an diese, und verwandelten sie also gewisser
maßen in eine lebendige Sprache. K. Stephan und
feine Nachfolger Peter, Samuel und Andreas behiel
ten fogar den alten lateinischen LandesnamenPannonia
aufihren Münzen, ohngeachtet ihr Reich fast eben so
viel von Datien als Pannonien begriff, und ein Theil
von Pannonien, nämlich Sirmium, nicht ihnen, fon
den griechischen Kaifern gehörte. S. Hr. Stritter
Memor, populor.T.II.p.400 und 649,bey denJah
ren 1019 und 1026.
Hungarische Geschichte. 439
(Ofen), wenigstens hielten sie ihre Zusammenkünfte
aufdem Felde Rakos bei Pest q). Ueberhaupt wa
ren dieStädte nicht viel beträchtlicher als unsere Fle
cken. Denn noch jezt giebt es in Szlavonien viele
Städte voll elender, mit Stroh gedeckten, leimernen
Hütten ohne Fenster und mit nicht gepflasterten Gas
fen r); und die deutschen Schriftsteller des zwölften -

Jahrhunderts versichern, daß diese Bauart im gan


W
zen Hungarnzu ihrerZeit allgemein gewesenfey.
Die neue Verfaffung erforderte eine Vorschrift, Geseke
oder ein geschriebenes Gesetz; denn fie war zuge
künstelt, als daß man sich auf mündliche Fortpflan
zung der Nationalfatzungen, so wie es bisher gesche
hen war, verlaffen konnte. Daher versammelte St. J. Chr. 106.
Stephan die vornehmsten der Nation, und gab mit
ihrer Zuziehung das sogenannte Decretum St. Ste
phani. Dieses ist in fünfund funfzig Hauptstücke
verheilt, und mit einerziemlichen Unordnungzu Pa
pier gebracht. Ein Theil, der die geistlichen Ge
fchäfte betraf, ward wörtlich aus den ältern abend
ländischen Gesetzen, und insbesondere aus dem Capi
tularider fränkischen Könige, und aus denmainzischen
Kirchenschlüffen der Jahre 847und 888 entlehnet s).
Ee 4 Ein
q) Hr. Pelcz Hung.fub Geyfa p.73.
r) Hr. v. Taube Beschreibung des Königreichs Slavo
nien, ITh. S. 51.
s) S.Hr. Kollar de Originibuspotestatis legislatoriaep.
26. 41. Das Decretum St. Stephani ist am vollstän
digten in einem Werke, welches in gr.Folio zu Tir
nau 1742, und abermals 1751 unter folgendem Titel
abgedruckt ist:Decreta,ConstitutionesetarticuliSerenifl.
et apostolicorum Regum ac inclytorum Statuum et Or
dinum Regni Ungariae Partiumque eidemannexarum.
T. I. Aus dem Decreto St. Stephani hat Peterffy
die 13 Kapitelvon Kirchenfachen ausgezogen, undals ein
besonderes Werk in feine Sacra Concilia aufgenommen.
Jetzt
440 XXXIV Buch. Aelteste
Ein anderer aber gründete sich aufältere Nationalver
faffungen. Dieser letztere verdienet eine vorzügliche
Aufmerksamkeit, weil er die Begriffe verräth, die sich
eine noch nicht völlig gebildete Nation, wie die Hun
garn damals waren, vom Recht und Unrecht machte. .
Für die gröbsten Verbrechen wurden die Verschwö
rung gegen desKönigs Leben, die Flucht in ein frem
des Reich, und die Verrätherey des Landes an die
Feinde gehalten. Denn nur diese konnten nicht ab
gekauft werden, sondern wurden mit dem Verlust al
ler Güter und des Lebens, oder ewigerVerweisungbe
straft. Dann folgte der Mord, der vermittelt eines
Schwerdtes verübt war, welcher allemal das Leben
kostete. Aufdie Zuckungdes Schwerdtes ohne Ver
wundung fand die halbe Geldstrafe für Mord.
Ward der Angegriffene verwundet undwieder geheilet,
fo mußte die ganze Geldstrafe bezahlet werden: hatte
aber der Beschädigte ein Glied verloren, so schnitte
man eben dieses dem Thäter nach dem Vergeltungs
rechte ab. Ein Mord, bey dem kein Schwerdt ent
blößet war, wurde, wie es scheint, für zufällig ge
halten, und daher gelinder geahndet. Denn seine
Strafe bestand aus zwölfPenta Goldes, wenn der
MörderdenZufallvollkommenerweisenkonnte,oder aus
110Pensa,wenndiesesnichtmöglichwar. Die Ermor
dungder Ehefraudurch den Mann kostete dem Thä
ter, wenn er ein Grafwar 5o, wenn er zu den an
gesehenen Militibus gehörte 10, und wenn er ein ge
meiner

Jetzt wird das Decretum inzweyBücher verheilt, und


das erste enthält des Königs St. Stephans Unterwei
fung für feinen Sohn Emmerich, welche fowohl die
Einrichtung der Regierung, als auch die moralische
Güte des Königs betrifft. Am Schluffe ist, vermuth
lich von einem neuern Verfaffer, die Anmerkung: Pro
mulgatum Strigoni 1035 gesetzet. -
-

- -
Hungarische Geschichte. 441
meiner Freyer war, s Kühe, nicht als eine Strafe für
ein begangenes Verbrechen, sondern als ein Wehr
geld, welches den Verwandten der Erschlagenen gege
ben werden mußte. Die Schwängerung einer Magd
ward dem Mordegleichgeschätzt;dennwenn die Magd
über der Geburt starb, so mußte der Verbrecher ih
rem Herrn eine andere Magd schaffen; und war der
Verbrecher ein Knecht, so warder verkauft, und sein
Werth zwischen einem und derMagdHerren geheilt.
Die Entführung einer Jungfrau ward, auch wenn
fie zurückgeliefert war, und die Aeltern sich mit dem
Mädchenräuberausgesöhnet hatten, mit einem Wehr
gelde von zehn bis fünf Kühen gebüßet. Die Er
mordung einesFreyen durch einen Knecht kostete dem
Herrn desKnechts 110 Kühe. Die Raubung eines
freyenMenschenwarmitder Strafe desMordesbelegt.
Andere Arten von Diebereyen wurden vorzüglichbey
FrauenundKnechtengeahndet. Jeneverloren,wennsie
zum drittenmale ergriffen wurden, ihre Freiheit,diese
aber bei dem erstenmale die Nase, oder fünfKühe,
bey dem zweytenmale dieOhren, und bey dem dritten
male das Leben. Ein Graf, der königliche Gelder
unterschlug, mußte das Entwandte dreyfach ersetzen.
Nahm er aber feinem Miles etwas, so ward er zu
zweyfacherErstattung verurtheilt. Eine Hofverleum
dung von der Art, die ein Paar Grafen in Zwist
bringen konnte oder gebracht hatte, wurde mit Ab
schneidung der Zunge, und, wenn sie zum Nachtheil
desKönigs geschehen war, mit dem Verlust des Le
bensbestraft. Wandte sich ein Miles von dem Ur
theilsspruche seinesGrafen ohne rechtmäßige Ursache
an den König, so mußte er dem Grafen eine Strafe
von zehn Pensen geben. Ein Meineid kostete die
Hand, aber der Reichere konnte diese mit 50, und der
Aermere mit 12 Kühen lösen. Aufder Schändung
Ee 5 einer
442 XXXIV.Buch. Aelteste
einer Magd haftete die Strafe des Haarabscherens.
Ein Mordbrenner erstattete nur den Werth des einge
äscherten Hauses undHausgeräths, nebst einer Strafe
von 16Kühen. Ueberfall im Hause ward von einem
Miles mit 10, von einem andern mit 5 Kühen, und
wenn der Miles nicht felbst, sondern durchfeine Leute
die Gewaltthätigkeit verübt hatte, mit 100 Kühen
gebüßt. Hexen und Zauberer waren der Züchtigung
der Priester ihrer Gemeine unterworfen, und empfien
gen, wenn siezum zweitenmale bey der That ergriffen
wurden, ein Brandmark der Kirche. Bey dem drit
tenmale wurden sie bey dem Bischofe gepeitscht oder
dem Richterzu einer willkührlichen Strafe übergeben.
Glaubte man aber,daß sie einen Schaden erreget hät
ten, so überließ man fiel den Beschädigten zu einer
Selbstrache. Fast alle Verbrechen wurden zugleich
auch von der Kirche mit Verurtheilung zum Fasten,
nicht aber mit Gelde, wie in neuern Zeiten, gerüget.
Münzwesen. Aus denStrafen, die in diesem Gesetze bestimmet
wurden, erhellet, daßHungarn nocharm amGelde
war, ohngeachtet seit langer Zeit die Münzen derGrie
chen, Römer und Deutschen in beträchtlicher Menge
hineingebracht waren.t) Eine Kuh galt eine Unze,
oder
t) Das Decretum S. Stephani gebraucht den Ausdruck
p. 13O.fedecimjuvencos, qui valent fexaginta folidos.
Es fetzt ferner den Mord bey einem Freyen auf 110
penfas auri, und bey einem Knechte auf eben fo viele
Kühe. Ein Pensum, welches eine Unze Gold (die
Mark zu 10 Unzen gerechnet) war, schien daher 60fo
lidos zu enthalten, und folidus und denarius müffen
in diesem Decreto gleichgültige Ausdrücke feyn. Der
deutsche Münzfuß war von dem hungarischen etwas
verschieden; denn er zählte 12 Unzen auf die Mark,
heilte jede in zwey Goldschillinge, und jeden dieser in
40 Silberdenarios. Nach der hungarischen Mark
fcheidung hätten 66 denarii, oder nach S. Sie:
UH
--
Hungarische Geschichte. 443
oder ein Zehntheil Pfund Gold, und der Wertheimes
Menschen ward auf 110 Kühe angeschlagen. Vom
geprägten Gelde findet man nur eine Spur, nämlich
die Erwähnung der Solidorum oder Schillinge.
Diese Schillinge, oder richtiger Pfennige, ingleichen
güldene Solidos, ließ S. Stephan selbst zu Stuhl
weißenburgprägen u), und er wählte dabei die deut
- fchen
Ausdrucke solid eine Pensa ausmachen müssen, wenn
der Stephanische Münzfuß vollkommen deutsch gewe
- fen wäre. Die neuern hungarischen Rechtsgelehrten
rechnen für eine Kuh eine Mark, oder 4 Gulden, oder
400 denarios, (CorpusJuris Hung.T.I. p. 143. 160.)
theilen aber die Mark bald in 10,bald in 12 Unzen.
Jetzt hält sie in Ungarn 7bis 8 Unzen. Vermuthlich
waren die Silbermünzen des H. Stephans und feiner
nächsten Nachfolger, die noch vorhanden sind, Dena
rii oder hungarische Solidi; denn sie betragen ohnge
fährden 66Theil einesGoldschillings, oder einen meiß
nischen Grofchen.
u) Münze in M. Belii Exercit. de Vet. Literatura Hun
no-Scythica Tab.aen. n. 3. Auf einer Seite ist zwar
dasPatriarchalkreuz, allein dieses scheint aus einem
Irrthum des Kupferstechers entstandenzufeyn. Die
Legenden heißen: Stephanus rex. Regia civitas. Aehn
licher Münzen der nächsten Könige, und der Gold
münzedesKönigsStephans,gedenktHr. D.Schwarz
in feiner Abhandlungvom K.Samuel, S. 14, 52, 53.
und Joachims neueröffnetes Münycabinet 1 Th.
S.327. Die altesten Bucaten sind vom KönigLude
wig, der am Ende desXIV.Jahrhundertsherrschte,nach
venetianischem, und die ältesten Thaler von Vladis
lav II. 1506 nach böhmischem Fußgeprägt. Der K.
Karl Robert (jenes Ludwigs Vater) setzte das Geprä
ge venetianischer Ducaten auf feine Silbermünzen.
Zanetti de Nummis regum Myfie feu Rafiae pag.28.
Andere Veränderungen findet man in Joachims neuer
&ffneten Münzcabinet a. O. und III Tb. S. 24, im
zweyten Supplement des neueröffneten Groschenca
binets, Leipzig 1750, undin Hac.a Mellen Series regum
Hunga
444 - XXXIV. Buch. Aelteste
fchen Münzen zum Muster. Seine Nachfolger ge
brauchten nach etwa hundert Jahren bei den größern
kupfernen Pfennigen griechische Vorbilder, und wand
ten sich in einer noch spätern Zeit zum neapolitani
fchen und venetianischen Münzfuße. Dieser ward
endlich wieder mit dem böhmischen und deutschen ver
taucht, oder vielmehr vermischt, und daher findet
man jetzt Ungrische, Pulgroße und hungarische Gul
den, neben Ducaten, Thalern, rheinischen Gulden,
Groschen und Kreuzern. -

Baierische Ohngeachtet der König Stephan fich sehr bemü


Fehde.
hete, mit seinen Glaubensgenoffenjenseit der Morava,
Leyta und Save in einer genauen Freundschaft zu le
ben, so ward er dennoch durch einige Vorfälle ge
zwungen, erst mit den Herzogen von Baiern, und
nachher auch mit dem Kaiser Konrad zufechten. Die
Ursache des baierischen Zwistes ist nicht bekannt; fie
scheint aber ineiner baierischen VorenthaltungderErb
güter derKöniginGisela gelegen zu haben, wenigstens
gestehet ein gleichzeitiger deutscher Schriftsteller v),
- daß
Hungariae e numis aureis ins Deutsche gebracht und
fortgesetzt von G. 5. Burghardt. Breslau 1750.
v) Wippo de vita Chunradi falicip.436.T.II.Ser. rer.
Germ. Pistori. Es war zu dieser Zeit der Königin
Bruder BischofBruno von Augsburg in Regensburg
verstorben, von dessen Erbschaft vielleicht die Königin
ihren Theil forderte. In einer gewissen Schrift, die
den Titelführt: Notae anecdotaele chronica illustrisfir
pis Babenberg.in Osterrichia dominantis, quam Aloldus
de Pecklarn Austriae marchionis Adalberti ab a. 1032
uque ad an. 1056Capellanus conferipfit, a Fr.Ortilone
uno e primis Monachis Campililienf fubfinem Sec.XII
excerptae; ediditC. Hanthaler Crembf. 1742.findetman
zwar deutlich, daß die baierische Fehde über eine For
derungdes Erbguts entstanden fey; allein diese Noten
sind schwerlich gleichzeitig, wenigstens höchst unzu
verläffig.
-

Hungarische Geschichte. 445


daß die Baiern ungerecht gegen den König verfah-J. Chr.102.
ren sind. Der König befehdete die Baiern, und ver
heerte einige Gegenden aufverschiedenen Streifzügen.
Diese Gewaltthätigkeit beschloßder Kaiser zu ahnden,
und er gieng daher plötzlich mit einem großen Heere J.Chr. 103.
in Hungarn hinein. Dem Könige kam dieser Ueber
fallfo unerwartet, daß er seinem Feinde nicht entge
gengehen konnte; und, wie es scheint, fielzu gleicher
Zeitder böhmische Herzog Brziecziflav von Norden
ab infein Reich, und verwüstetedieGegenden zwischen
derMorava und der StadtGranx). Zu Abhelfung
dieser zweifachen Nothfetzte der Königeinen Fasttagan;
und da der Kaiser gleich daraufzurückkehrte, so fand
man eineVeranlassung, hier eine wunderthätigeKraft
des Königs zu vermuthen. Der Kaiser ward aber
durch sehr natürliche Begebenheitenzum Rückzugege
zwungen. Denn er hatte geglaubt, ein offenes Reich -

zu finden, und stieß aufwohlbefestigte Wälder und -


Flüffe, die er, weil er sich nicht lange aufhalten durf
te, nicht anzugreifen wagte. Er beschloß, nachdem
er alles Land, welches er erreichen konnte, verheerer
hatte, den Zug mit mehrerer Vorsicht im nächsten
Jahre zu wiederholen. Allein der König Stephan
hielt ihn durch List davon ab. Denn er fandte infei
ner Abwesenheit an seinen Thronfolger undSohn den
römischen König und baierischen HerzogHenrich, und
bewegte diesen und feine zugeordneten Reichsfürsten,
daß sie mit ihm einen Frieden schloffen, welchen der
Kaiser im nächsten Jahre genehmigen mußte und be
fchwören ließ.
Zu eben dieser Zeit starb ein einiger Sohn Hen. Der Thronfol
rich oder Emmerich, den er mit größter Aufmerk- '“
famkeitgebildet, und als einen Erhalter seiner neuen I. C-1030
Einrich
x) Annalista Saxo h. an.
446 XXXIV.Buch. Aelteste
Einrichtungen betrachtet hattey). Dieser Todmußte
ihn umdesto heftiger kränken, da er ein sehr eifriger
Christ war, undnun aus Mangelanderer Söhne die
Thronfolge nach altemhungarischen Herkommen den
nächstenheidnischgesinnten Prinzenausarpadischem Ge
blütelaffenmußte. Diesewaren LadislavMichaelsfei
nes Vaters Bruders Sohn, und defen drey Söhne,
Andreas, Belaund Leventa. Erbeschloßdiese zuver
drängen, und ihnen einen feiner Schwesterföhne vor
zuziehen. Von seinen Schwestern war eine aufeine
kurze Zeit die Gemahlin des polnischen Königs Bo
leslav Chrobry gewesen z), hatte aber nureinenSohn,
welcher nach der polnischen Krone strebte, aber wäh
rend der Ueberlegung des Königs Stephans erschla
genward. Eine andere Schwester, Starolta, war
mit Samueldem Pfalzgrafen vermählt, welcher bey
der Nation in großem Ansehen stand, weil er von
zweyen
y) Chartuitius pag. 423. Von St. Emmerich ist eine
neuere Lebensbeschreibung in den Scr. rer. Hung. des
Hr. v. Schwandtner ITh. S.429. Diese und der
Chartuitius find zuerst am Ende desXV. Jahrhunderts
in einem Folianten, der den Titel hat: Legende fan
&torum quorundam regni hungarie que in lombardica
historia non continentur, abgedruckt. Hr.Abt Kerr
felich de Corbavia halt diesen Emmerich für den er
ftenHerzog von Szlavonien,(Notae praelim.de Regn.
Sclavon. Dalm. Croat.p. 103.) und glaubt der Aussage
des Archidiaconus Johann, (welcher im XIV. Jahr
hunderte lebte,) daß der König Stephan dem dalma
tisch-kroatischen Könige Krefzimir Szlavonien vom
Einfluffe der Kulp in die Save bis an die Zusammen
flüffe der Trebes,Czernytz und Drave abgetreten, und
deffen Tochter 1031 mit Emmerich vermählt habe;
ibid.p. 101.
z) Ditmarus Merf. ap. Leibnit. I.p.360. nennt sie blos
Befperi aus Hungarn, Ottonis Mutter. Neuere
polnische Schriftsteller versichern,daß sieS.Stephans
Schwestergewesen fey, und Judith geheißen habe.
Hungarische Geschichte. 447
zweyen berühmten alten Helden(Edunek und Edume
nek) abstammelte, die mit dem Herzog Arpad in das
Land gekommen, undvon selbigem mit einembeträcht
lichen Schloßdistrickte am Walde Matra beschenkt
warena). Von der dritten Schwester, welche mit
demvenetianischen Herzog Andreas Dandulo (1009)
vermählet worden.b), waren zwei Kinder vorhanden,
ein Sohn Petrus, und eine Tochter Trouitza, des
Markgrafen Albrechts von Oesterreich Gemahlin.
Von allen
zug, diesen
aber der erhielt der PrinzPetrus
Königbestimmte den Vor- Der
ihm die Thronfolge '' “:
Pe

nur unter gewissen Bedingungen. Denn wenn man Thronfolger.


einem neuern Schriftsteller c) glauben darf, so sollte
er der Königin Gisela die Regierunglaffen, und sich
bey ihrem Leben nur mit dem Titel und den Thronfol
gerrechten begnügen. Der König erhob ihn sogleich
zum Dur oder Feldherrn, vielleicht auch, wie einige
Neuerewollen, zum Herzog von Szlavonien. Diese
Veranstaltung erregte ein geheimes Misvergnügen
Unter

a) Notarius Belaep.21. Vielleicht war eine Tochter des


Samuels diejenige Prinzessin, die S. Stephan dem
englischen Prinzen Edmund zu einer Gemahlin gab.
Denn der Name des Vaters dieser Prinzessin Salomo
muß bey dem Simeon Dunelmenfis verschrieben feyn,
weil Salomo nach Edmunds Tode geboren war. Die
hungarischen Schriftsteller halten diese Prinzessin für
K. Stephans Tochter; wenn sie aber dieses gewesen
wäre, so würde Stephan wohl dem englischen Prin
zen oder feinem Bruder Eduard, die er beyde von Ju
gend auf erzogen hatte, und beyde bis 1057 in Hun
garn blieben, zum Throne verholfenhaben. Vonmeh
rern Kindern redet Herm.ContraHus ad an. 1044.
b) Andr.DanduloinMuratoriS.Rer.Ital,TXIII.p.235.
Herm. Contractus ad an. 1038. Schier. Reginae Hum
gariae p.47.
c) Ioh.Archidiac. de Guerrfe ap. Dn. Kercflich, 1. c.
pag. 1OI. - - - - -
448 XXXIV.Buch. Aelteste
unterden Hungaren, unddie vornehmstenhohenHofbe
dientenverschworenfichgegen desKönigsLeben. Der
Königwurde zu dieser Zeit durch eine Krankheit im
Bette gehalten, und sein Tod schien unvermeidlichzu
fyn. Alleindas böse GewisseneinesderMitverschwor
nen rettete ihn. Denn der Baron, der den Mord
vollführen sollte, verlor bei demEintritte in dieKam
mer fein verborgenes Schwerdt, gerieth dadurch aus
seiner Faffung, und warf sich vor den König, der
feine Absicht nicht einmal argwöhnte, auf die Knie.
Der König erkundigte sichgenau nach den Umständen
und den Mitschuldigen des Verbrechens, und verziehe
allen, die daran Theilgenommen hatten d). Zu den
Verschwornen schienen die arpadischen nächsten Ver
- tern gehört zu haben; denn Andreas, Bela und Le
venta flohen aufdes Königs Rath nach Polen, ein
vierter aber, Vazu, den einige Schriftsteller für die
fer Prinzen Oheim haltene), foll aufBefehlder we
niger großmüthigen Königin geblendet feyn.
15. August 1c:38. Der KönigStephan lebte nach dieser Begeben
heit noch einige Jahre in beständigenSchmerzen, und
verschied mit der Achtung eines Wunderthäters und
Heiligen, die der Pabst nachfünfundvierzig Jahren
durch eine Bulle bestätigtef). Die Königin Gisela
trat die Regierung an, allein Petrus sperrete fie,
sobald er fich festgesetzet hatte, ein, nahm ihre Güter
zu

d) Chartuitiusp.423.
e) Ioh. Archid. de Kikillew Chron. ap. Schwandtner.S.
R. Hung.T. I. p. 97.
f) Das Jahr der Verschwörung läßt sich nicht angeben;
weil aber Chartuitiusfagt, S. Stephan fey in den letz
ten3Jahren feines Lebens nicht vom Bette gekommen,
fo mag es das Jahr 1034gewesen feyn. Stephans
Todeszeit bestimmet Wippo. Von einer feiner Reli
quien handelt. Herr Pray in einer besondern Abhand
lung de facra dextra S.Stephani.Vien. 1771. -
Hungarische Geschichte. 449
zu sich, und herrschte selbstg). Einige der Vor-Petrus wird
nehmsten widersetzten sich; allein Budo, der dama-König.
lige Pfalzgraf, stärkte den Petrus in seinem Vorfaße.
Darüber entstand ein Auflauf, in welchem Gisela be
freyet ward. Diese Prinzessin verlor nunmehr den
Geschmack an der Regierung, und begab sich nach ei
niger Zeit(042)nach Baiern, wo sie in einem Klo-,
fer zu Paffu als Aebtiffin ein sehr hohes Alter er
reicht haben soll h). Ihr Mitregent überließ sich al
len Ausschweifungen der Wollust, und keine wohlge
bildeteFraufandvor ihm und seinenHöflingen Schuß.
Er liebte die Pracht und fieng den Bau einer Kirche
S.Petrizu Bozvar mit einem solchen Aufwande an,
daß seine Nachfolger sich nicht getrauerten ihnzu vol
lenden. Zu diesem und andern Ausgaben erpreffte
er vielesGeld, und wenn dieses nicht zureichte, zog
er fremde Güter an sich. Um das Maaß der Unge
rechtigkeiten gleichsam voll zu machen, begegnete er
den Eingebornen mit größter Verachtung, und zog
ihnen feine Landesleute die Venetianer vor. Dieses
Betragen ward einer Nation, die bisher gewohnt ge
fen war, andern die Beleidigungen zuzufügen, die sie
nun selbst erdulden mußte, äußerst unerträglich, und
esfanden sich sehr bald einige Aufwiegler, die ein in
merlichesKriegesfeuer zu entzünden fuchten. Dieses
geschahe nicht so geheim, daß es nicht verrathen wer
den konnte. Allein der König hielt sich für stark ge
nug, nichtdaraufachten zu dürfen, und mischte sich
als Bundesgenoffe des böhmischen Herzogs Brziec
zislaw inden Krieg, den dieser Fürst mit dem deut-J.Chr. 1040
fchen

Z Hr.
g - Pray An. reg. Hung. I.p.44fequ.
Hund Metrop.Salisb, T.II. p. 585. Ihr Sterbetag
wird aufNonas Maji 1C95 gefetzet. Bis zum 15ten
Jahrhundert hielt sie das Volk für heilig. - -
Allgem. Peltg.XV.B. I.Abth, Ff
456 XXXIV.Buch. Aelteste
fchen Kaiser Henrich führte i). Seine Reichsstände
verlangten die Abstellung der Ausschweifungen und
Unterdrückungen feiner ausländischen Räthe; alleiner
antwortete ihnen so hart, daß sie den Schwager des
Samuel Abaverstorbenen Königs, oder den Pfalzgraf Ovo Sa
wird", muel,zuihrem König wählten. Dieser Mann be
"“zeigte sichsopatriotisch,daß erden Namen Obo(Apa)
oder Vater k) vom Volke erhielt, griff seinen König
an, fiegte, und ließ den Budo, der ihn von derPfalz
grafenwürde verdränget hatte, lebendig zerreißen.
Eben so grausam verfuhr er erst mit den ausländi
fchen Freunden des Königs, bald aber auch mit an
dern Mächtigen, die ihn einstfürzen konnten. Denn
von diesen ließ er alle, die in feine Gewalt geriethen,
spießen ) Darauf zog er mitfeinen Anhängern zum
J. Chr. 1042.Krönungsorte, und weilder Bischofvon Kalocsafich
weigerte, so übernahmen einige andere Bischöfe das
Geschäffte der Krönung.
Der König Petrus flohe aus dem Reiche zu fei
nemSchwager,dem Markgrafen von Oesterreich, und
ward durch diesen mit dem Kaiser ausgesöhnt. Er
erhielt auch von selbigem Hoffnungzu einer Unterstü
zung. Allein diese konnte nicht eher erfolgen, bisdaß
der obengedachte Krieg mit Böhmen geendiget war.
Der KönigSamuel befürchtete, daß ihm des Kai
fers Heer zu schwer fallen möchte, und suchte seinen
Gegner durch einen Einfallin Baiern und derzu die
fem Herzogthum gehörigen Markgrafschaft Oesterreich
1N

a) Herm. Contraktus ap.Urtifium Scr. rer. Germ.T.L.


p. 323 fequ.
k) Samuel Rex Hungariae qui vulgo Aba audit; fübfecivo
studioGodof. Schmarz. Lemgov. 1761. p.34. Viel
leicht war Aba blos feinzweiter Taufname; denn daß
er ein hungarischer Vorname gewesen fey, sieht man
aus einer Urkunde bey dem Lucius S.187.
1)Vita S.Gerardi bey dem Hrn. Pray Anp46.
Hungarische Geschichte. 451
in feine Gewaltzu bringen; allein der Markgraftrieb
ihn durch einen Sieg, den er am nordlichen Ufer der
Donau über ihn erfochte, nach Hungarn zurück. Der J. Chr. 1042.
Kaiser demüthigte den böhmischen Herzog gleichfalls,
und drang noch im Herbste desselbigen Jahrs in Hun
garn ein, zerstörte zwey feste Städte, Brecisburg
(Presburg) und Haimburg, eroberte noch mehrere,
und zwang die Hungarn zur Unterwürfigkeit. Er
wollte daraufden Petrus wiederzum König einsetzen,
allein der Widerspruch der Stände war so stark und
dringend, daß er ihnen einen andern PrinzenzumHer
zog verordnete. -. -

Diesen vertrieb Ovo, fobald der Kaiser nach J.Chr. 1043.


Deutschlandzurückgekehret war, nach Böhmen. Aber
der Kaiser fand sich im nächsten Jahre wieder ein,
und gebrauchte seine Uebermacht so nachdrücklich, daß
Ovo um Frieden bat, und eine hinlängliche Schadens
ersetzung anbot. Diese nahm der Kaiser nach einiger
Weigerung an. Der Frieden ward demnach geschloss
fen, und nachdamaliger Sitte beschworen. Ovo war
zu dieser Handlung nur durch die Noth gezwungen,
und machte sich daher kein Bedenken, den Eid, fo
bald dieGefahr verschwunden war, zu brechen. Um
bey diesem Wiederrufe recht ficher zu gehen, brachte
er die ganze hungarische Kriegesmacht in das Feld,
vermuthlich um mit selbiger in Deutschland einzufallen.
Allein der Kaiser kam ihm zuvor, und begab sich mit
einem kleinen aber tapfern Heere nach Niederhungarn.
Diesem gienger entgegen, und als er esbey Raab in
das Gesicht bekam, glaubte er, es sei sehr leicht zu
überfliegeln, und beschloß es bis aufden letzten Mann
niederzuhauen. Aber dieDeutschenzogen die fehrüber
legene Anzahl der Hungaren in keine Betrachtung,
fondern setzten voll Wut über den Fluß, und trieben3.Junius 1044.
die Feinde in die Flucht. Daraufgiengen eine große
- Ff 2 Menge
452 XXXIV.Buch. Aelteste
Menge Hungaren, die durch des Königs Ovo oder
Samuels Grausamkeitbeleidigetwaren, zu dem Kai
fer über, und boten ihm die Huldigung an. Der
Kaiser lehnte diese ab, und redete ihnen zu, sich wie
der ihrem ehemaligen Könige Petrus zu unterwerfen,
welches sie auch endlich thaten.
Petrus wird. Der König Petrus ließ dem flüchtigen Gegen
n "könige OvoSamuelnachsetzen, bekam ihn mit seiner
Gemahlin und Kindern in feine Gewalt, und befahl
ihn zu enthaupten. Alleinfein Unglück hatte ihn noch
nicht weiter und tugendhafter gemacht, denn er ver
fuhr nach feiner ehemaligen Weise. Die hungari
fchen Magnaten beschloffen ihn wieder zu stürzen, und
fuchten, die arpadischen Prinzen, Andreas, Bela und
Leventa, welche fich noch immer in Polen und Ruß
land aufhielten, zu ihren Anführern zu bekommen.
Diese Absicht merkte Petrus, und da er glaubte, er
werde sie ficherer durch Grausamkeit und Schrecken,
als durch Milde und Erwerbung der Liebe vereiteln
können, so verfuhr er gegen jeden Verdächtigen mit
größter Schärfe. Er trat ferner in die genaueste
Verbindung mit dem Kaiser, lud ihn zu der Feye
J. Chr. 104 rung des Pfingstfestes ein, beschenkte ihn, gab ihm
' fein Reich vermittelt der heiligen Lanze, und empfieng
Reichslehn. es durch diese als ein Lehn zurück m). Diese
Handlung schien den hungarischen Vornehmern nicht
unangenehm zu feyn, denn fie baten den Kaiser um
die Verleihung des baierischen Rechts, und leisteten
ihm undfeinen Nachfolgerneineeidliche Erbhuldigung.
Allein ihre Gefälligkeit war eine bloße Verstellung,
undzu eben der Zeit, da sie sich gegen den Petrus fo
“ sehr unterhänig bezeigten, ließen fiel den Prinz An
Haus. dreas aus Rußland holen,wählten ihn zu ihrem Kö
NG
m) Herm. Contraktus h. an. ed. Canifianae. Cf Pray
An, R, Hung. I. p. 49.
Hungarische Geschichte. 453
nig im Nachfahre, n) und krönten ihn. Der König
Petrus riefden Kaiser zu Hülfe. Allein dieser Mon
arch war im Begriff, mit einem Heere nach Italien
zu gehen, und durfte diesen Zug nicht unterlaffen.
Die hungarischen Misvergnügten hatten einen fehr
reichen Magnaten Vacha vom Schloffe Belus zum
Anführer angenommen, und verlangten vom Könige
Andreas, daß er ihnen erlauben sollte, nach den heid
nischen Sitten ihrer Vorfahren zu leben und die christ
lichen Geistlichen und Ausländer zu vertilgen. Die
feswurde ihnen desto leichter bewilliger, da desKönigs
jüngster Bruder und Gehülfe Leventa ein abgesagter
Feind der Christen war, o) und ihren Antrag unter
füßte. Darauf nahm eine unglaubliche Menge an
geblicher Christen ihre Larve ab, beschor ihre Häupter
bis aufdrey Haarzöpfe,die sie herabhängen ließ, und
gebrauchte diesen altenhungarischen Putz zum einzigen
Verschonungszeichen bey der ausbrechenden Verfol
gung. Diese war sehr heftig, denn man fiel mit
größter Wut über alle unbeschorne Häupter und über
alle Mönche und Bischöfe her, und ließ keinen, der
gefangen oder mit dem Gewehre erreichet ward, bey
dem Leben. Man äscherte auch die Kirchen und Klö
fer ein, bis aufeinige, welche zu fest waren oder zu
Ff 3 gut

n) Hermannus Contra Rus fetzt die Empörung in das


Jahr 1046; allein Hr. Pray hat aus einer Urkunde
erwiesen, daß sie sich 1045 zugetragen hat. Von des
K. Andreas Bruder Bela melden neuere polnische Ge
fchichtsschreiber, daß er Pommern (Westpreußen) für
den polnischen König erobert, und alsHerzog regiert
habe. Allein die altern Chroniken des XIII und XIV
Jahrh.fchweigen hiervon. Joh. de Kikullerw (Chron.
Hung. ap. Dn. de Schwandtner p. 103.) ist unter den
hungarischen Geschichtsschreibern der älteste, der des
Bela pommerische Regierung berührt.
o) Soh. de Kikullem p. 105.
454 XXXIV. Buch. Aelteste
gut vertheidigt wurden. Der König Petrus gerieth
mit feiner Gemahlin nach einer verlornen Schlacht
aufderFlucht in seiner Feinde Hände, und mußte sich
unter steter Verhöhnung umherführen laffen, bis es
endlich einigengefiel, ihnzu blenden und in ein Schloß
mit seiner Gemahlin einzusperren.p) Die heidnischen
Grausamkeiten dauerten, so lange Leventa lebte, der
aberzum Glück für die christliche Religion bald nach
ihrem Ausbruche verschied. Darauf bekam der Kö
nig Andreas freyere Hände, und er gebrauchte seine
Macht ganz unerwartet zu der Bestrafung derer, die
den gefangenen König Petrus so sehr gemishandelt
hatten. Zugleicher Zeit hob er die Erlaubniß, heid
mich zu feyn, auf, und befahl, einemjeden, der nicht
aufdasgeschwindelte zum Christenthume und Gesetze
desh. Stephanszurückkehren würde, sein Leben und
Vermögen zu nehmen. q) Diesem Gesetze gab er
durch seine Waffen den nöthigen Nachdruck, und da
her wurde Hungarn eben so geschwind wieder zum
Christenthume zurückgeführt, als esvon selbigem ab
gefallen war.
Kaifeilich
hinngarischer Den Kaiser schmerzte zwar das Unglück feines
Krieg. Lehnkönigs Petrus, und er war auch als ein Lehnherr
'
und Erbe verpflichtet, eszu rächen; allein mancherley
Unruhen in Italien und Deutschland hielten ihn ab,
sich gegen Hungarn zu wenden. Der König Andreas
J. Chr., 1047. wandte die Frist, die ihm diese Hindernisse verschafft
ten, zu gütlichen Unterhandlungen an, schob die
Schuldder VerdrängungdesKönigsPetrus und der
Chri
p) Alold de Pecklarn meldet, Petrus fey 1047 verschie
den; allein Cosimas Pragensis, ein glaubwürdigerer
Schriftsteller, versichert, daß er noch im Jahr 1055
gelebt, und des Markgrafen Henrich von Schweinfurt
Tochter Judith geheirathethabe. Mencken.Script. rer.
Germ.T. I.p. 2035
q) CorpusJuris Hung. T. L. P. 133
-

Hungarische Geschichte. 455


Christenverfolgung auf einige Rebellen, versicherte,
daß er viele dieser Meuchemacher bereits getödtet habe,
die übrigen aber ausliefern wollte, fobald der Kaiser
es verlangte, und erbot fichr)zur Lehnspflicht, zur
Unterhänigkeit undzum Tribut, wenn ihm der Kai
fer das hungarische Reich laffen wollte. Allein der
Kaiser erklärte sich darüber nicht entscheidend, sondern
schob nur den Zug gegenHungarn noch aufeinige Zeit
auf. Endlich veranlasseten die baierischen Reichs
fände, nämlich der regenspurgische BischofGebhard,
der baierische HerzogKonrad, und der österreichische
MarkgrafAlbrecht, denAusbruch desdeutsch-hunga-J. Chr. zoo.
rischen Krieges durch die Wiederherstellung der den
Hungarn entriffenen und geschleiften Festung Haim
burg. Diese drohete den Hungaren vermöge ihrer
vorheilhaften Lage eine stete Gefahr, und sie bemühe
ten sichden Bau zu hindern. Allein sie wurden ge
schlagen, und mußten einen Theil ihres Landes den
Siegern zu der Ausplünderung überlassen.s) - Wie
es scheint, wurde der König Andreas durch die Nie
derlage so sehrgeschreckt, daß er sich nicht getrauete,
alleindem Kaiser entgegen zugehen. Denn er übet
redete, wie die einheimischen Schriftsteller versichern,
feinen Bruder Bela, Pommerellen und die polnisch
Dienste zu verlaffen, und trat ihm unter dem Tite
eines Herzogs den dritten Theil seines Reichs ab. t)
Der Prinz, der sich aufden Krieg sehr wohlverstand,
trafmitdem Könige die Verfügung, daßdashunga
rische Heer in den Gränzgegenden verheilet und an
gewiesen wurde, die Lebensmittel fortzubringen oder
Ff 4 zu.

r) Herm. Contr. ad An. 1047 p. 329. edit.Urstif


s) Gesammlete Stellen gleichzeitiger Schriftsteller in
Hahns Einleit.zu der deutsch. Reichshistorie II. Th.
S. 13.
t) Joh. de Kikullewp. 108.
456 XXXV Buch. Aelteste
J. Chr. 105. zu vernichten, eine Schlacht aberzu vermeiden. Diese
Einrichtung hatte die gehoffte Wirkung. Denn der
Kaiser, der im nächsten Jahre durch Kärnthen mit
einer beträchtlichen Macht in Hungarn kam, konnte
sich nicht lange erhalten, sondern mußte aus Mangel
der Speise sich zurückziehen. Die Hungarn hatten,
um ihn gefangen zu bekommen, die Ausgänge aus
ihrem Lande stark besetzt. Allein die Deutschen schlu
gen sich ohne großen Verlust durch, und der Kaiser
gab darauf den Friedensvorschlägen des hungarischen
Königs Gehör. Diese wurden aufVermittelungdes
Markgrafen Albrechts bewilliger, waren aber, wie es
scheint,nur aufeinen Waffenstillstandgerichtet. Denn
der König Andreasforderte den Pabst Leo IX auf, ei
nen Kriegzu endigen, der der hungarischen schwachen
achriftlichen Kirche nothwendig gefährlich feyn mußte,
J. Chr. 1052. und das kaiserliche Heer drang im nächsten Jahre mit
mehrerer Vorsicht in Hungarn ein undbelagerte Pres
burg. Der Pabst Leo begleitete den Kaiser aufdie
fem Zuge, und bemühete sich, einen immerdauernden
Frieden zu stiften.u) Der König Andreas hat Vor
fchläge, die dem Kaiser fehr vortheilhaft waren, und
erbot sich, den rückständigen Zins nebst einer großen
Geldsumme für die Schadloshaltungzu entrichten, ei
nen Theil seines Landes abzutreten, und sich demdeut
fchen Reiche zu Heereszügen, außer nach Italien, zu
verpflichten, alles unter der Bedingung, daß dasVor
gefallene vergeffen und nicht weiter gerüget werden
sollte. Er führte zu gleicher Zeit die Vertheidigung
feiner belagerten Festung mit so vieler Klugheit und
Tapferkeit, daß die ganze deutsche Kriegskunst nichts
gegen felbige vermochte, und fand an demPabst einen
nachdrücklichen Vorsprecher. Der Kaiser nahm die
-
Vor
u) Otto Frisingenis L. 6. c.33. WibertivitaLeonisIX.
d. 8. Hahn a. O. S. 14.
Hungarische Geschichte. 457
Vorschläge auch endlich an; allein nun hatte sich die J. Chr. 105.
Lage zu des Königs Andreas Vorheile so sehr geän
dert, daß er sein Wort zurücknahm. Der Pabst
fuchtezwar durch alle Mittel, die in seinerGewalt wa
ren, den Königzufeinen Friedensvorschlägen zurückzu
führen. Allein ein entsetzter baierischer HerzogKonrad,
welcher durch die Hungarn sein Herzogthum wiederzu
erlangen hoffte, arbeitete ihm mit so vieler Geschick
lichkeit entgegen, daß der König beschloß, sich dem
Glücke der Waffen gänzlich anzuvertrauen. Der Her
zoghatte davon den Vortheil, daß der Königfür ihn
einen Theil von Kärnthen erobern ließ. Allein diese J. Chr. 1054.
neue Veranlaffung zum Kriege mit den Deutschen
ward nach einigen Monaten durch die Vergiftung des
Herzogs Konradgehoben.v) Der Kaiser föhnte sich
bald hernach auf unbekannte Bedingungen mit dem
Könige aus, und verlobte dem hungarischen Kron
prinzen Salomon seine Tochter Judith, welche noch
nicht das zehnte Jahr zurückgelegt hatte.z) Bald J. Chr. es.
nachher verschied der Kaiser Henrich III; und da fein
Nachfolger ein Knabe von sechs Jahren war, und
feine Vormünder nur aufihren Vortheil fannen, das
deutsche Reich aber durch viele bürgerliche Kriege und -
Fehden schwächten, so gelangten die Hungarn uner
wartet zu einer beträchtlichen Stärke in Rücksicht auf
die ihnen bisher so furchtbaren Deutschen.
Der König Andreas gebrauchte nun seine Macht,Hungarisch
wie es scheint, gegen seine nordlichen und südlichen #
Nachbarn; denn die hungarischen Jahrbücher ver- “
fichern, a) daß er die Böhmen, Polen und Oester
reicher drey Jahr langfich zinspflichtig gemacht habe,
Ff 5 und

v) Monachi Brunwilerenfis vita Ezonis Palatini c. 1.


Hahn a. O. S. 22.
z) Lamb.Schafmab. ad An. 1061.
a) So.de Kikulempp. 108.
458 XXXIV. Buch, Aelteste
Chr. ross, und aus der Stiftungsurkunde eines Klosters, wel
ches der PfalzgrafRado zu Demetrowiz an der Save
(1057) stiftete, b) erhellet, daß kurz nach Endigung
des deutschen Kriegs vieles Blut am Ufer der Save
vergoffen, und ein beträchtlicher Theil dieses Landes
erobert fey. - Vermuthlich hatte dieses Gebiet den
Griechen und deren Unterthanen, den Serviern, ge
I. Chr. 1058. hört; dennder griechische Kaiser Isaak Kommenos be
schloß nach einigen Jahren, c)die Hungaren und Pa
zinaziten feindlich zu überziehen. Die Hungarn be
fänftigten ihn durch Gesandte. Allein die Patzinazi
ten, welchen noch immer Siebenbürgen gehörte, er
warteten desKaisersAnkunft. Sobald diese erfolgte,
erboten sich die mehresten Stämme mit ihren Fürsten
gleichfalls zum Vergleich, und nur ein einziger
Stamm des Heerführers Seltes ließ sich mit dem
Kaiser in ein Gefechte ein, in welchem die Griechen
fiegten. Sirmium blieb damals in der Gewalt des
griechischen Kaisers,der sich sorgfältigbemühete, diese
Grenzfestung und das ganze bulgarische Donauufer
fehr wohl zuverwahren.
Der Herzog Während dieser Kriege stieg bey dem Herzoge
'“ Bela der Gedanke auf, daß er ein eben so großes
Recht als fein Bruder,der König,zu dem Throne
habe, und daß ein Versuch, sich die völlige Mitre
gierung und feinen Söhnen die Thronfolge zu ver
fchaffen, wohlgelingen könnte, wenn er mit gehöriger
Vorsicht unternommen würde. Zum Unglücke für
J,Chr. 1058.das Reich verfielder König in eine schwere Krankheit,
und ward dadurch veranlasfet, feinen fiebenjährigen
Sohn Salomon zum Mitregenten anzunehmen und
- krönen zu laffen. Bela empfand nun die natürliche
- - Härte,
b) Peterffy Concil. Hung.T.I.p. 13. Hr. Pray Annal.
T. I. p. 59. n. x. -

c) Joh. Zonaras T. III. in Itaat Conneni Leben.


-
-

Hungarische Geschichte. 459


Härte der erblichen Monarchien, und konnte es nicht
ertragen, daß er, als ein alter tapferer und um das
Reich verdienter Kriegsmann, einem Kinde unter
worfen sein sollte, welches ihn injeder andern Rück
ficht als seinen Oheim verehren müffe. Er eröffnete
fein Misvergnügen dem Sohne seines ehemaligen
Herrn, oder dem polnischen Herzoge Boleslav, und
ward von ihm zum Gebrauch der Waffen ermuntert.
Bela veranstaltete darauf eine Versammlung hunga
rischer Misvergnügten in Polen, und zog, da diese J.Chr. 106e.
zahlreich genuggeworden waren, an ihrer Spitze ge
gen feinen Bruder aus, um ihn vom Throne zu stoßen.
Dieser,demdie Empörung sehr unerwartet kam,fand
te auf das eilfertigte seine Gemahlin, feinen Sohn
und seine Schätze an den Kaiser Henrich,e) und ver
langte von ihm Hülfe. Der Kaiser befahl dem thü
ringischen Markgrafen Wilhelm, dem BischofEppo
von Zeitz, den Baiern und dem böhmischen Herzoge,
sogleich nach Hungarn zu eilen. Allein da der Mark. Der K. An
graf und Bischofzu muthig und ungeduldig waren, '
und den böhmischen Herzog nicht erwarteten, so fiel
dieser Zug sehr unglücklich aus. Nach einem großen
Siege, den die Deutschen erfochten, wurden diese -
durcheinneuesHeerBelaischerAnhängereingeschloffen,
und zum Theil niedergemacht, zum Theil aber gefan
gen. Der König Andreas gerieth unter die Füße
und wurde zertreten, und der Bischofund Markgraf
mußten sich ergeben. Der letzte hatte durchfeine Tap
ferkeit sich eine so große Hochachtung erworben, daß
der Herzog Bela ihm die Freiheit schenkte, und ihm
feine Tochter Jojada zu einer Gemahlin anbot, die er
gerne annahm. - -

Nach diesem Vorfalle war es dem Belaleicht,die König Bela


Huldigungund Krönungzu erlangen; allein die Fol
gen
e) Lamb. Schafmab. ad An. 1961 und 1063.
460 XXXIV. Buch. "Aelteste
gen des Schrittes, den er gewagt hatte, fetzten ihn
nicht ohne Ursache in Sorgen. Sein nun gegebenes
Beyspiel und die Gewißheit, daß es leicht fey, einen
hungarischen König, der der Nation nicht verhaßt
war, blos durch die Veranstaltung eines Auflaufs
vom Throne zu stürzen, konnte leicht Nachahmer fin
den, und andere ehrgeizige Männer zu einer Ver
fchwörunggegen ihn selbst ermuntern. Daher befand
er sich in einer Gefahr, gegen die er nichtgenug Mit
tel vorkehren zu können glaubte. Dennoch gieng er
nicht bei ihrer Wahl so weit als sein Bruder, der die
christliche Religion, welcher er gleichwohl eifrigzuge
than war, seinem Eigennutze aufopferte; sondern er
bemühete sich nur, sich feine Nation aufKosten der
Kroneinkünfte zu verpflichten. Daher hob er viele
Zölle und Steuern auf. Er verbefferte die Münze,
und setzte den Marktpreis der Lebensmittel so niedrig
als möglich herab. Er beschenkte die Vornehmern
und Mächtigern, ohne zu untersuchen, ob sie für oder
gegen ihn gefochten hatten, und brachte nach damali
gen Religionsgrundsäßen die Stimme des vergoffenen
brüderlichen Bluts durch die Stiftung eines Klosters
J. Chr. 1062. in Szekzardzum Schweigen. Das Volk merkte aus
diesen Anstalten seine Furcht, und war geneigt, von
feiner Entdeckung Gebrauch zu machen, sobald ihm
eine Gelegenheit aufstieße. Diese erhielt es nacheiner
kurzen Frist durch eine gewisse Handlung des Königs,
die er aus einer zu großen Freundschaft für seine Na
tion unternahm. Er beschloßnämlich, das Volkge
wiffermaffen in die Mitregierung aufzunehmen, und
befahl, daß zu einem nach Weißenburg ausgeschrie
benen Reichstagejede Dorfschaftzwey der ältesten und
weitesten Einwohner absenden sollte. Die Bauern
gaben diesen zweyen Abgeordneten noch viele andere
unbesonnene und dreiste Leute zu, und schärften diesen
Eln,
Hungarische Geschichte. 461
ein, daß sie den König bitten, und im Weigerungs
falle zwingen sollten, daß er die altenSitten nebst dem
Götzendienste gutheiße, und zu der Zerstörung der
Kirchen und Vertilgung der Geistlichen Befehl er
theilte. Diesem Auftrage kamen die Abgeordneten
getreulich nach, und der König, welcher,weil er eine Neuer Aufruhr
solche Bosheit nicht erwartet hatte, unbewaffnetjeder"
Gewaltthätigkeit ausgesetzt war, mußte versprechen,
nach drei Tagen eine bestimmte Antwort zu erheilen.
Der Königbrachte innerhalb der Bedenkzeit mitgröße
ter Vorsicht eine zureichende Menge wohlgeharnischter
Kriegsleutezusammen, und versteckte sie in der Nach
barschaft des Versammlungsfeldes. Bey der neuen
Eröffnung des Reichstages wiederholten die Landleute
ihr Begehr mit noch größerm Ungestüme. Der Kö
nigfuchte sie zu beruhigen, und von der Ungerechtig
keit ihrer Zumuthungen zu überzeugen. Allein das
Volk nahm keine Vorstellungen an, und war im Be
griff Gewaltzu gebrauchen, als den versteckten Krie
gesmännern das Zeichen zum Angriffgegeben ward.
Diese fielen aufdie pochenden Landleute, zerstreueten
fie, hieben die Anführer der Rotte, weil sie sich wi
dersetzten, nieder, und nahmen viele gefangen, ver
schiedene aber fürzten vor Schrecken von dem Felsen
und tödtetenfich selbst. Die Gefangenenwurden nur
nach dem Inhalte des Gesetzes S. Stephans als
heimliche Heiden öffentlich ausgestrichen, und darauf
nach Hause gesandt. Dieses Verfahren fellete die
allgemeine Ruhe wieder her, undder Königfand diese
fo sicher, daß er anfieng, in Oesterreich zu streifen,
um den Markgrafen zu der Auslieferung des vertrie
benen Mitregenten Salomo zu zwingen. Aber die- J. Chr. 106.
fer Vorsatz gelang ihm nicht, weil er durch den Ein
sturz eines Hauses in Hungarn sein Leben zu früh
einbüßete. -

Nach
462 XXXIV. Buch. Aelteste
Der König Nach feinem Entwurfe sollte von seinen drey
Salomon
kommt auf Söhnen, welche Joas oder Geisa, Ladislav und
den Thron. Lamperthießen, der älteste ihm aufdem Throne fol
gen; allein dieser Prinz war entweder zu tugendhaft,
oder auchzufurchtsam, um dem rechtmäßigen Thron
erben das Reich zu vorenthalten. Er trugdaher dem
Kaiser und dem Könige Salomon das Reich und
feine Unterhänigkeit unter der Bedingung an, daß
man ihm eine anständige Ehrenstelle geben sollte,f)
und die hungarischen Stände verbürgten fich für die
Erfüllung seines Anerbietens. Der Kaiser begab
sich aufdiese Einladung mit einem Heere, dem Kö
nige Salomon und seiner Schwester Judith So
phia g) nach Hungarn, fahe der Salomonischen Be
fiznehmung des Throneszu, vermählte seine Schwes
fer mit dem Könige, und schaffte die Männer, die
dem Könige durch bösen Rath oder durch Falschheit
und Untreue gefährlich werden konnten, aus dem
Reiche. Die Geschichte meldet nicht, ob Geisa und
die übrigen Söhne des Königs Bela zu diesen Per
fonen gezählet find, oder ob sie eine größere Beloh
nung ihrer Unterwürfigkeit erwartet, als erhalten ha
- ben,
f) Lamb. Schafmab. ad An. 1063, ap.Pftorium S. Rer.
Germ.T. I.p. 170. Der Ausdruck: Ita rex Henricus
Ungariam--- ingreffus,Salomoneminfoliumpatris re
fituit---blatique omnibus quae regiferupulum moue
re, vel regni fatum labefacare poterant, in pace
reneauit Gallias, wird von einigen übersetzt: nachden
er die alte Lehnshoheit und Ansprüche aufdas Erb
recht und den Zins, welche dem Könige Unruhe und
im Reiche Empörungen erregen konnten, vernichtet
hatte, gieng er zurück. Mir scheint es, daß diese
Stelle fich auf die Hinwegschaffung der verdächtigen
Personen, und einiger Fehler in der Verfaffung, die
zum Zwist zwischen König und Ständen Anlaß geben
konnten, beziehet.
g) Koeler de familia augusta Franconica p. 57.
Hungarische Geschichte. 463
ben, und daher in Unwillen gegen das Reichgerathen
find. Man weiß nur dieses, daß sie im folgenden J. Chr. 106,
Jahre zu ihres Vaters altem Freunde, dem polni
fchen Herzoge Boleslav, flohen, von diesem bald
mit einem Heere zurückkamen, und weil ihnen viele
Hungaren zuliefen, dem Könige Salomon entgegen
giengen. h) Der König schloß sich in Mosony oder Der König
Wieselburgein, und erbot sichzum Vergleich. Die "
fer wardvon den Bischöfen endlich vermittelt. Bey-Geist.
de Theile legten die Waffen nieder. Die drey Prin
zen des Bela bekamen ein Drittheil des Reichs als
ein Lehnherzogthum, und der KönigSalomon wurde -

zum drittenmale feierlich gekrönt. Die Gewalt J. Chr.: 06s.


der neuen Herzoge war der königlichen Macht gleich,
undzeigte sich durch einen Vertrag, den sie mit dem
Könige Kreßimir von Dalmatien gegen die Kärnther
fchloffen, und durch einen,wiewohl unglücklichen Zug
gegen diese vollzogen. i)
Zu eben
matiern undder Zeit, da kämpfen,
Kroatiern die Kärntherfielen
mit den Dal-Einbruch
60.000 F“ der ing

Uzen aus der jetzigen Moldau in die Bulgarey und


in Thracien ein, und plünderten viele bulgarische und
griechische Städte und Wohnungen aus. k) Der
griechische Kaiser blieb bey diesem Unglücke seiner Un
terthanen ruhig, bis endlich das Geschrey über seinen
Geiz sogroß ward, daß er aus Scham einige hundert
Mann ausrüstete, und den Räubern entgegen führte.
Die Uzen wurden inzwischen von der Pest, die fie
durch ihr Morden und Verwüsten veranlasfet hatten,
ergriffen und so sehr geschwächt, daß die Bulgaren
und Patzinaziten fie gänzlichvertilgten, und ihre An
führer
h) 8)o. de Kikullem p. 114.
i) Hr. Pray An.p.65. -

k) Zonaras T. III. S. Hr. Stritter Mem. Popul


T. II.p. 660. -

- , /
-

464 XXXIV. Buch. Aelteste


führer kaum über die Donau entrinnen konnten. Wie
es scheint, fanden die Uzen oder Kumaner nach fünf
Jahren Gelegenheit, sich an den Patzinaziten zu rä
J. Chr., 1070. chen. Denn sie drangen indas patzinazitischeSieben
bürgen, undferner in Hungarn unter der Anführung
eines Heerführers Oflu ein. Dieser brachte sie durch
den Pas oder die Pforte Mezes, und verwüstete die
Gespannschaft Bihor, nebst andern Gegenden am Sza
mos aufdie grausamste Weise. 1) Der König Sa
lomon und die Herzoge boten aufdas eilfertigte ein
beträchtliches Heer auf, ritten, denn damals befand
ein hungarisches Heer blos aus Reutern, nach den en
gen Wegen, durch welche die Kumaner fich wahr
fcheinlich zurückziehen mußten, und setzten sichbei der
feindlichenStadt Dobuka in Siebenbürgen. Erst nach
sieben Tagen bekamen sie ihre Feinde zu Gesichte,
welche mit einer sehr großen Beute an Menschen und
Vieh beladen waren, und nicht mehr vermutheten
ein feindliches Heer zufinden. Ihr Anblick schreckte
die Kumaner zwar, dennoch schlugen diese das Ge
fechte nicht aus, sondern bedienten sich der Vortheile,
die ihnen die Kenntniß der gebirgigen Gegend dar
bot. Allein die Hungaren drängten sich aufdie Gipfel
der Gebirge, die die Kumaner besetzt hatten, und
eroberten alle Beute nach einer sehr blutigen Nieder
lage
1) 5)o.de Kikullew und Hr. Pray p. 67. Jener redet
immer von Kumanern, und verstehet darunter dieje
nigen Leute, die die Griechen Uzen oder Jazen nann
ten. Die Kumaner blieben fast bis in die Mitte des
XIII. Jahrhunderts in der Moldau, (Hr. Pray Diff,
p. 112. 139.) fo wie die Biffener oder Patzinaziten in
Siebenbürgen (ib.p.387). Hierauserhellet, daß die
Komaner, ehe sie nach Hungarn kommen konnten, die
Patzinaziten besiegt haben mußten. Die Patzinaziten
unternahmen, wenn man dem Alold v. Pecklarn
glauben will, 1021 einen ähnlichen Zug in Hungarn.
Hungarische Geschichte. 465
lage ihrer Feinde. Vielleicht kam bei dieser Gele
genheit ein Theil vonSiebenbürgen in die hungarische
Gewalt, denn der Sieg ward von den hungarischen
Dichtern für außerordentlich wichtig ausgegeben.
Diese waren in ihren Liedern mit dem Lobe gegen die
Herzoge Geisa und Ladislav so verschwenderisch, daß
der König eifersüchtigdarüberward, und dem schlimm
ften Argwohne und Haßgegen diese Prinzen Raum in
feinem Herzengab.
Die Biffener, oder Patzinaziten, hoben sichDie Sungarn
nach dreien Jahren wieder empor, und ließen ihre : ela

Mord- und Raubbegierde an den Griechen aus, dieJ.Chr, oz,


inder Bulgarey, Thracien und Macedonien wohnten.
Zu gleicher Zeit riffenfich die Dalmatier undServier
von der griechisch-kaiserlichen Oberherrschaft ab m),
und griffen die griechischen Besatzungen, die in den
kleinen festen Plätzen an der Save und Donau, wie
auch in Sirmium lagen, an. Der griechische Kaiser
Michael verordnete einen sehr erfahrnen Kriegsmann,
Nicephorus Bryennios, zum Herzog aller Bulgaren,
und dämpfte durch diesen die servische Empörung,
nachdem es ihm gelungen war die griechischen Fe
fungen zu entsetzen. Vermöge der neuern hungari
fchen Nachrichten n)vereinigten sich nun die Patzina
ziten mit den Griechen, und verheerten das hungari
fche Gebietzwischen der Save und Drave. DerKö
nigSalomonfandte ihnen feinen Günstling Vid mit
den Walachen entgegen, welcher, ohngeachtet ihm
viele Schiffe durchdas griechische Feuer inBrand ge
fetzt wurden, dennoch über die Save drang, und das
bulgarische Alba (Griechischweiffenburg oderBelgrad) -

belagerte. In dieser Stadt hatte ein gewisser Nico- -


-* laus
m) Stritter Memor.populor.TII.p.665.
n) Io. de Kikullewp. 117. - -
Allgem. Weltg.XVB. IAbth. Gg
A
466 XXXIV,Buch. Aelteste
laus die Aufsicht, welcher die griechische Partheyer
griffen hatte, aber ein hungarischer Lehnmann war.
Dieser verlangte von den Griechen Hülfe, und be
kam das Versprechen, daß der patzinazitische Heer
führer Kazar ihn entsetzen sollte. Die Patzina
ziten drangen auch wirklich über die Save; allein fie
wurden geschlagen und zurückgetrieben. Zu gleicher
Zeit führte der König seine ganze Macht ausdem La
gerbey Zalankemen vor Belgrad, und ließ um diese
Stadt nach alter römischer Weise eine Belagerungs
wand mit vielen Thürmen aufführen, durchwelche die
Belagertenfofehr eingeschränkt wurden, daß sie sich
ergaben. Der Befehlshaber Nicolaus bedung sich in
der Kapitulation ausdrücklich aus, daß er des Her
zogs Geisa, nicht aber desKönigs Gefangener feyn
wollte, weil er diesen Herrn für fanftmüthiger undge
linder als denKönig hielt; und feine Forderungmußte
bewilliget werden.
Misverfänds Dieses neue Kennzeichen vorzüglicher Achtung
miß zwischen
dem Könige brachte den bisher unterdrückten GrolldesKönigszum
und den Hers Ausbruch. Er forderte die beiden Herzoge zu fich;
109km.
allein es erschien nur Geisa, welchen desKönigs Rä
the gefangen zu nehmen riechen. DerKönig gab die
fem Vorschlage zwar kein Gehör, weil er wußte, daß
der Herzog Ladislav fich mit einem Heere in der Nähe
gelagert hatte, um seinen Bruder im Nothfalle zu
schützen. Allein er wußte feine schlimmen Gesinnun
gen fo wenigzu verbergen, daß Geisa fie entdeckte,
und, sobalder entlaffenwar,auf seine Sicherheitdachte.
Er sandte daher feine Brüder, Ladislav und Lampert,
in dasnächste Rußland oder Rohreußen und in Polen,
um Hülfsvölker zu erlangen, und trug eine Beschwer
den den hungarischen Ständen vor. Diese veranstal
reten mit vieler Mühe eine persönliche Zusammen
kunft auf einer Insel bey Gran, in welcher sie aber
keine
-

Hungarische Geschichte - 467


keine Aussöhnung, sondern nur einen kurzen Still
fand bewirkten. Der Herzog Ladislav war in feinem
Gesuche nicht glücklich, und kam ohne Hülfe zurück.
AlleinGeisaließdenMuthnichtfallen, sondern bat seinen
SchwagerdenMarkgrafenOttovonMährenum Hülfe,
die diesergleichbewilligte. DerKönigbefand sich, da
diesesgeschahe, in dem Kloster S.SalvatorzuKesz
thely, und beschloß, den Herzog Geisa aufder Jagd
überfallen und erschlagen zu laffen. Dieser Ent
wurfward mit so vieler Sorgfaltveranstaltet,daßman
die vornehmsten Bedienten des Herzogs in die Ver
schwörung zog, und alle Hindernisse unvermerkt auf
dieSeite räumte. Allein einige der königlichenRäthe
brachten ihn durcheineunvorsichtigeUnterredungzuder
Kenntnißdes Abts, der sogleich dem Herzoge Nachricht
davongab, undalsermerkte,daß desHerzogs Bediente
feine Anzeige verdächtiggemacht hatten, selbst zum
Herzog reisete, und ihn von der Wirklichkeit der Ge
fahr, die ihm drohete, überzeugte. DerKönig schloßJ.Chr. 1974.
aus der Fluchtdes Abts und aus einigen Winken der
herzoglichen Räche, daß die Hinterlist verrathen fey,
und eilte dem Herzog mit den Waffen zuvorzukom
men. Er glaubte feines Sieges ziemlich gewiß zu
feyn, weil er nicht nur ein größeres Heer hatte, fon
dern auch von der Ergebenheit einiger herzoglichen
Kriegsbedienten überzeuget war, die bei einem ge
wiffen Zeichen zu ihm übergehen wollten. Aber da
es nach einigen Tagen bey Waizenzum Gefechte kam,
fahe er, daß die besten Zurüfungen durch einen Zu- -

fallvernichtet werden konnten. Denndieherzoglichen.Der Herzog


Feldherren traten zwar zu ihm über; allein in der "at
Hitze desGefechtes achtete man nicht aufdasverabre- 0
dete Kennzeichen ihrer Untreue, nämlich die Erhe
bung der Schilder, und gab dem Herzoge Zeit, fich,
indem man mit ihrer Ermordung beschäffiget war,
Gg 2 ZU
468 XXXIV.Buch. Aelteste
zu retten. Dieser Prinz eilte nachMähren, fandauf
dem Wege den Markgrafen Otto mit dem Hülfsheere,
und kehrte mit selbigemzu dem Könige zurück. Die
fer stand am Gebirge Mongorod, und ließ sich von
ihm, oder vielmehr seinem Bruder Ladislav, in einen
Hinterhalt locken und überwältigen.
Der Pabst Gre Der König gieng nach dieser Niederlage über die
orius VII
rebt nach der Donau nach Mosony oder Wieselburg, und bat nebst
Oberherrschaft feiner Gemahlin nicht nur den Kaiser Henrich IV, fon
über Europa.
dern auch den Pabst Gregorius VII, um Hülfe oder
Vermittelung. Allein diese Fürsten konnten ihm nicht
beystehen: jener, weil er durch die Arglist des Pabstes
in die größte Gefahr verwickelt war; und dieser, weil
er seineganze Aufmerksamkeit aufdie Ausführung ei
mes sehr wichtigen Entwurfs wenden mußte, durch
welchen er hoffe, die unumschränkte Herrschaft über
alle Monarchen und Staaten der lateinischen Kirche
an den päbstlichen Stuhl zu bringen. Dieses war
eine Erfindung des Pabsts Alexanders III, und ward
zuerst durch eine Eifersucht der italienischen Nation auf
die deutsche veranlafet. Denn man hatte bemerkt,
daß der päbstliche Stuhl, seitdem das römische Kaiser
thum mit dem deutschen Reiche verbunden gewesen
war, fast immer von Deutschen befeffen worden war,
und es schien unmöglich zu sein, diese Veranlassung
des italienischen Misvergnügens hinweg zu räumen,
fo lange dem Kaiser das Recht die Päbfe zu ver
ordnen zukam. Daher war es nöthig, dieses Recht
dem Kaiser zu entziehen, und es schien, daß sich dazu
eine sehr bequeme Gelegenheit den Römern darbot.
Denn die deutschen Reichsstände waren über den Ei
gennutz, den der Kaiser Henrich bey Vergebung der
Bischofthümer und Abteyen bewies, misvergnügt;
und ein beträchtlicher Theil der Nation, nämlich die
Sachsen, führten einen heftigen Krieg mit dem Kai
fer,
\

Hungarische Geschichte. 469


fer, und waren zu allem bereit, was diesen kränken v
oder ihm schaden konnte. Man nahm daherzu Rom
einen Vorwand von dem übeln Verfahren des kaiser
lichen Hofes bey den Bischofsernennungen, fetzte einen
deutschen Bischof ab, und forderte den Kaiser zur
Verantwortung auf die Anklage wegen Simonie, als
einenUnterthan,vordenpäbstlichen Richterstuhl. Diese
Dreistigkeit fand an einigen mächtigen deutschengeist
lichen Fürsten ihre Vertheidiger, und ward durchdiese
den weltlichen Fürsten so sehr angepriesen, daßdiese
sich gegen den Kaiser erklärten. Endlich hielt der
Pabst Gregorius VII zu Rom eine feyerliche Ver-J.Chr. 107.
fammlungverschiedener Prälaten, in welcher beschlos
fen wurde, daß kein Laie, er feyKaiser, König, Her
zog, Markgraf, GrafoderUnterthan,ferner dasRecht
haben sollte, Bischofhümer, Abteyen und Pfründen
zu vergeben, oder durch die Belehnung mit dem Sta
be zu verleihen, und daßjeder, der diesem Ausspruche
nicht gehorchte, für einen Götzendiener gehalten und
mit der Strafe des Bannes belegt werden sollte o).
Dieses Gesetz ward gleich vollzogen, und nach drey
Jahren entsetzte der Pabst vermöge desselben den Kai
fer feierlich des Throns, und schloß ihn von aller Ge
meinschaft mitder Kirche aus. Die deutschen Reichs
fände waren zum Theil so eigennützig und treulos,
und zum Theilfo abergläubisch und gutherzig, daß
fie ihren Kaiser gleich einem Irrgläubigen vermieden,
und endlich bisauf die Zeit, da der Pabst ein Urtheil
über ihn gesprochen haben würde, von seiner Würde
suspendierten. -

Sobald man am päbflichen Hofe den glücklichen


Erfolg der genommenen Maaßregeln fahe, so dehnte
man diese weiter aus, und bemühete sich, in jedem
Gg 3 andern
-

o) Arnulphus Mediolanenfis L. III. c.29. Gestor. Medio


lanenfium.
470 XXXIV Buch. Aelteste
andern europäischen Reiche aufgleiche Weise die Prä
laten in das römische Intereffe zu verwickeln, und
dann durchdiese auch sich der übrigen Stände und des
Regenten zu bemächtigen. Der Kaiser war bisher
für den Oberherrn allerKönige gehalten worden, und
hatte nur allein die königlichen Titel erheilt. Jetzt,
da der Pabst sich der Welt als einen Oberrichter des
Kaiserszeigte, war es eine natürliche Folge, daß der
Pabst auch Oberherr und Verleiher königlicher Wür
denwurde. Zum Glücke für die Erfinder dieserneuen
Lehre fand der König der Kroatier und Dalmatier,
DemetriusSvinimir, sichgeradezudieser Zeit (1076)
in Rom ein, und nahm, weil er sich von der griechi
fchen Hoheit losgeriffen hatte, den Schutz der lateini
fchen Kirche und die päbstliche Bestätigung der Kö
nigswürde nebst derKrönung an. DieserKönig war
ein Schwestermann des Herzogs Geisa p); und da
eine andereSchwester des Herzogs mitdem sächsischen
Herzog Magnus, dem alten Feinde des Kaisers, in
der Ehe lebte, so wurde es dem päbstlichen Hofe sehr
wahrscheinlich, daß Geisa derpäbstlichen Parthey ge
neigt seyn werde. Diese Wahrscheinlichkeit wuchs
durch die Betrachtung, daß dieser Herzog, vermöge
feiner Empörung, eines fremden Beystandes bedurfte,
und sich wohl werde bequemen müffen in dieser Rück
ficht den päbstlichen Zumuthungen zu gehorchen.
Der Pabst er,
klärt Hungarn - In dieser Lage befand sich das abendländische
für se in Eigen Staatssystem, als die Briefe des Königs Salomon
th UN
und seiner Gemahlin dem Pabst Gregorius VII über
bracht wurden. Der Pabst beantwortete diese durch
verschiedene Brevenq), die an denKönig,die Königin
und

p) Schier. Reginae Hung. p.66.


q) Harduini Concil. T.VI. col. 1310. Hr. Pray An
mal. R. Hung. T.I.p.73 fequ.
Hungarische Geschichte. 471
und den Herzog Geisa gerichtet waren. Der Königsam. „.
gin, die dem Pabste durch ihre Mutter Agnes, als
feiner großen Freundin, sehr empfohlen war, erheilte
Gregorius nur Trost und Versprechungen r). Dem
Könige wurde ein Verweis gegeben, daß er sein Reich
vomKönige der Teutonen, wie der Pabst den Kaiser
nannte, und nicht vompäbstlichen Stuhl zu Lehnge
nommen habe, undgerathen, esfichaufdas eilfertigte
vom Pabfe als Lehnsherrn auszubitten. Den28Oet,107,
Herzog Geisa aber behandelte man freundschaftlicher;
denn man erinnerte ihn, daß dashungarische Reichfrey
und keinem Könige unterworfen feys), und daß die
Verdrängung des Salomon für eine göttliche Strafe
der Sünde, daß er das Reich nicht von dem Apostel
Petrus und dem päbstlichen Stuhle zu Lehn genom
men habe, gehalten werden müffe. Man empfahl
ihm die hungarische Kirche, und verlangte endlich,
daß er den Legaten der heiligen römischen Kirche, die
nächstens zu ihm kommen würden, gehorchen sollte.
Diese Abgesandten hatten vermuthlich den Auftrag,
die Hungarn einzuschläfern und sie zu überreden, ihr
Reich dem Pabste zu schenken. Der Pabst verließ
fich, wie es schien, bey diesem Versuche aufdie Un
ordnung, die in der hungarischen Kanzelley vorhan
den feyn mochte, oder gar auf den Mangel öffentlich
verfaßter Protokolle. Denn es war in diesen Zeiten
in neugebildeten christlichen Staaten noch nicht ge
wöhnlich, Nachrichten für die Nachkommen zu ver
wahren, und man sparte die sehr theuern Schreibe
materialien nur zu Gesetzen und Kontraktbriefen auf,
verzeichnete die übrigen Vorfälle aber in Wachstafeln,
in welchen man sie nur so lange stehen ließ, bis sie
, Gg 4 abge
r) Schier. Reginae Hung. p.72.
s) Dipl.ap. Dn. PrayT.I.p. 74.
4 xxxvBuch. Aelteke
abgethan waren. In diesen waren gewiß die Me
moriale aus der Regierung des H. Stephans nicht
mehr vorhanden, und daher wagte es der Pabst öf
fentlich zu behaupten, daß St. Stephan sein Reich
dem heiligen ApostelPetrus und der römischen Kirche
zum Eigenthum übergeben habe. Als einen Neben
beweis für sein Hoheitsrecht fügte er hinzu, daß die
Gültigkeit des päbstlichen Eigenthums vom Kaiser
Henrich durch die Uebersendung der Lanze und Krone
erkannt sein, welche er bei der Eroberung deshunga
rischen Reichs erbeutet, und zum Grabe des heiligen
Petrusgesandt habe. DieseGründewurdenvermuth
lich mitDrohungen undVersprechungen begleitet, und
wahrscheinlich enthielt die daraus gezogene Forderung
das Vornehmste in der Vorschrift der Legaten, wel
cher der Herzog Geisa nach des Pabsts Befehl ohne
Widerrede gehorchen sollte. Die hungarischen und
römischen Schriftsteller melden nichts von den Wir
kungen dieser päbstlichen Briefe. Allein die folgen
den Handlungen der Könige und der Nation zeigen,
daß die hungarischen Stände zu beherzt und zu ge
lehrt gewesen seyn müffen, um sich durch die List des
päbstlichen Hofes hintergehen zu laffen. Die Köni
ginbegriff, daß der Pabst nicht geneigt feyn werde,
feinen großen statistischen Entwurf aus Achtung für
ihre Mutter nach dem Vortheile ihres Gemahlsabzu
ändern; und da sie sichzu Regensburg in Sicherheit
befand, übrigens aber bei aller Freundschaft gegen
ihren Gemahl, ihm so wenig als er ihr, in Absicht
auf eheliche Pflichten getreu verblieb, so rührte sie
die Verstoßung vom Throne nicht gar sehr. DerKö
nig hoffte bald durch des Kaisers Macht über seine
J. Chr.ro74. Feinde zu fiegen, und erbot sich unter der Bürgschaft
von zwölfGeißeln zum Zins, zum Gehorsam und
zu der Abtretung sechs fester Städte. Dieser Vor
A schlag
Hungarische Geschichte. - 473
schlag machte des Kaisers Aufmerksamkeit regelt).
Daher bot er die Lehnsfürsten zum Zuge gegen die
Hungarn auf, und da diese sich entschuldigten und sich
zu erscheinen weigerten, warb er aufeigene Kosten
ein Heer, und drang mit diesem in das hungarische
Reich ein. Der Herzog Geisa wollte sich mit diesem
in kein Gefechte einlaffen, sondern sorgte nur dafür,
daß vor seiner Ankunft alle Leute und Sachen aus
den ihm nächsten Gegendenfortgeschafft wurden, und
setzte sich auf einer befestigten Insel. Dadurch er
regte er im kaiserlichen Heere eine Hungersnoth und
eine Pest, und der Kaiser mußte, ohne den gering
ften Vortheil erhalten zu haben, zurückkehren. Er J.C.1075.
wollte zwar den Zug im nächsten Jahre wiederholen,
umd brachte dazu ein großes Reichsheer zusammen;
allein feine wahre Absicht war, die Unterstützung des
Königs Salomon nur zum Vorwande zugebrauchen,
und wenn er durch selbige die ihm folgenden getreuen
Fürstengetäuscht und die Sachsen ficher gemacht ha
ben würde, plötzlich aufdie Sachsen zu fallen. Die
fen Entschlußführte er auch aus; und da Salomon
fein Heer in Hungarn erwartete, kam anstatt dessel
ben die Nachricht, daß der Kaiser nach Böhmen
und ferner nach Sachsen gegangen fey. Salomon
erhielt sich dennoch in den beiden Oertern Polony
(Presburg) und Mosony (Wieselburg) noch eine ge
raume Zeit. -

Der Pabst Gregorius fahe, daß Salomon nicht 14April 1975.


wieder aufden Thron gelangen werde, und stellete sich
dennoch, als wenn er begierig fey den Salomon mit
Gg 5 dem

t) Lamb. Schafmab. ad an. 1074. 1075. ap. Pftorium


S. R. Germ.T.I.p.21c. 225.
u) Dipl. ap. Dn.Pray T.1.p.76. & Dn. Kolarium Hit.
dipl. Iuris patronat. R. Hung.p. 1oo.
474 XXXIV.Buch. Aelteste
dem HerzogGeisa auszusöhnen u). Er fandte aber
mals einen Legaten und eine Zuschrift, wiederholte in
dieser die Zumuthung der Lehnsempfängniß und
Obedienz, und setzte unmittelbar nach der Aeuße
rung seiner Absicht,den König und den Herzogzu ver
gleichen, dieVersicherunghinzu, daß Salomon das
Reich vermöge seines durch die Huldigung des Kai
fers verübten Kirchenraubes verloren, und daß Gott
dieses Reich dem Geisa übertragen habe. Geisa ließ
fich krönen, und leistete, wie es scheint, dem Pabste
als geistlichem Vater, nicht aber als Oberherrn, die
Salomon
schlägt diePa
Obedienz. Er erhielt eine Botschaft von den Biffe
zinaziten. nern oder Patzinaziten in Siebenbürgen, die zu die
fer Zeit den Hungarn zinspflichtig waren, und fich
jezterboten, den König Salomon, wenn ihnen der
Zins erlaffen würde, aus Presburg zu vertreiben.
Dieser Antrag fand bey dem Könige Geisa Gehör,und
daher erschienen die Patzinaziten unter dem Heerführer
Zulta im Gebiete von Presburg in einer sehr zahl
reichen Menge. Der König Salomon hatte den näch.
ften deutschen Markgrafen Heruft oder Ernst von Oe
sterreich, zu einer Hülfe herbeigerufen. Aber dieser
Fürst äußerte, als er das große bifenische Heer zu fe
hen bekam, daß er sich ein Gewissen daraus mache, in
den Fasten vorsätzlich Blut zu vergießen, und lagerte
sich aufeiner sichern Anhöhe. Der König Salomon
ließ sich dadurch nicht zurückhalten, sondern schlug die
Feinde so nachdrücklich, daß nur ein kleiner Theilent
rann v). -

Der KönigGeisa wagte es seit diesem Siegenicht,


ihn in seinen Festungen anzugreifen, sondern beschloß
vielmehr, ihm das Reich zurückzugeben, wenn er ihm
- Einen

u) Dipl. ap. Dn. PrayT. I. p. 76. et Dn, Kolarium Hüft.


dipl. Iuris patronat. R. Hung, P. ICO.
v) Ioh. de Kikullew p. 126.
HungarischeGeschichte, 475
einen Theil desselben als ein Herzogthum laffen, und
aller Rache entsagen wollte. Er eröffnete diesen Vor
faß,zuwelchem ihn blos eine Gewifensunruhe trieb,
den Bischöfen, und gebrauchte diese zu Vermittlern.
Allein der König Salomon wies diese ab, und wollte
nicht neben oder mit dem Geisa herrschen. GeisasTod, 25. April 1977.
der vier Monate nachher erfolgte, schien den bürgerli- -

chen Kriegzuendigen, weil Ladislav, der jüngere


Bruder des Geisa, keine Begierde nach dem Throne
äußerte. Die Reichsstände wählten zwar diesen Herrn
zu ihremund
migen, König; allein erdaß
beheuerte, wollteerdie Wahl nichtgeneh
wenigstens S. Ladislav
sich nicht" König.
I.

eher wollte krönen laffen, bisdaß alle Verfiche zu ei


ner Aussöhnung mit dem Könige Salomon völligver
eiteltwären. Der Pabst Gregorius wandte sich, fo
bald er des Ladislavs Wahlvernahm, an den Erzbi
schofvon Gran x), und verlangte von ihm, daß er,8. May 1c77.
außer einigen geheim und mündlich angezeigten Din
gen,vorzüglich die DemüthigungdesneuerwähltenKö
nigsvor dem päbstlichen Stuhle, vermittelt einerfey
erlichen Gesandtschaft,besorgen sollte. Wie es scheint,
erregte dieser und der mündliche Auftrag, dessen In
halt man jetzt nicht weiß, eine Unruhe in der Ver
fammlungder Stände; dennzwey Obergespanne wur
den,weil sie dem römischen Stuhle nach dem päbfli
chen Ausdrucke, getreublieben, als Hochverräther des
Landes verwiesen. DerKönig Ladislav bequemte sich
endlichzu der Absendung der Gehorsamsgesandtschaft,
und die Reichsstände versicherten den Pabst, daß er
bereit fey, dem heiligen Petrus zu dienen und dem
Pabste zugehorchen; allein der Pabst schien sich auf
diese Betheurung nicht zu verlaffen, sondern verlangte
die Zurückberufungder beiden Gespanne, mit sichtba
ren Zeichen einer Furcht, daß ein Befehlnichtgeach
ke

z) Hr. R. Kollar Hift. Iuris Patron. Hung. R.p. 103.


476 XXXIV.Buch... Aelteste
er. März 1979.tet werden möchte. Er wagte es auch nicht, dem Kö
nige dasPatronatrecht mit der Strenge, die er gegen
den Kaiser gebrauchte, abzusprechen. Wenigstens
behauptete es der König im weitesten Umfange, zu
gleich mit der Oberaufsicht über alle Kirchen und Re
ligionssachen. Ohngeachtet der König ein eifriger
Des Königs Christ und ein sehr rechtschaffener Mann war, so ließ
'' er sich dennoch durch den Aberglauben der damaligen
Zeiten nichtfortreißen. Dieseszeigteer bey demVor
falle, der fichzu diesen Zeiten inPolen zutrug. Ein
polnischer Bischofunterfieng fich nämlich seinen Herrn
den Herzog Boleslav in den Bann zu legen, und die
fer rächte dieses aufrührische Verfahren durch seine Ex
mordung. Der Pabst Gregorius ahndete diese That
durch die Loszählung der Unterthanen vonihrer Huldi
gungspflicht, unddurch den Bannfluch, den er über
die ganze Nation aussprach. Die vornehmern und
geringern Polen glaubten, daßdaspäbstliche Verfah
ren rechtmäßig fey, und vermieden nicht nur ihren
Oberherrn, sonderntrachteten ihn sogar durch Meu
I-Chr'º chelmord fortzuschaffen. In dieser Nothflohe erzum
König Ladislav, welcher ihn, ohngeachtet der vom
Pabst auf seine Beherbergung gesetzten Strafe, auf
nahm, und nach feinem bald erfolgten Tode seinem
Sohne Mjelko durch hungarische Waffen zum väterli
chen Herzogthume verhalf
des . DerKönig Salomon schiengegen den König La
F" dislav nicht eine so große Abneigung, als gegen fei
nen verstorbenen Bruder,zu haben; denn er ließ sich
durchdie Reichsstände überreden, dem Königreiche zu
feinem Vortheile zu entsagen und fich nur einen kö
B. Chr" niglichen Unterhalt auszubedingen. Dieser Vertrag
ward, da er kaumgeschloffen war, wiederum gebro
chen. Denn der KönigLadislav erfuhr, daß Salo
mon Meuchelmörder gegen ihn gedungen hatte, und
- gab
/

Hungarische Geschichte. 477

gabihm mit möchiger Vorsicht Gelegenheit diese zu


gebrauchen. Da diesesgeschahe, ließ er ihn ergreifen
und in Viffegrad oder Plindenburg einsperren y).
Dem ohngeachtet blieb er nochimmergeneigt, sich mit
einem Herzogthumezu begnügen, und dem Salomon
das Reich zurückzugeben, wenn er seine Wildheit
fahren lassen würde. Im nächsten Jahr befahl der JChr“
Pabst, daß man die Gräber der Stifter der hungari
fchen christlichen Kirche öffnen,und die Asche des Kö- ,
nigs Stephans und des Prinzen Emerichs zu einer -
öffentlichen Verehrung aussetzen sollte. Bei dieser -

Feyerlichkeit schien die Gegenwart aller Verwandten


des nunmehr geheiligten Stephans nöthigzu seyn,und
der König Salomon ward daher einer Gefangenschaft
wieder erlaffen, begab sich aber nach geendigter Fey
erlichkeit zu seiner Gemahlin nach Regensburg, und
von dort durch einen weiten Umweg nach der Moldau
zu den Kumanern. Diesen bot er für ihre Hülfe
Siebenbürgen, nebst aller Beute, die aufdem Zuge
den Hungarn abgenommen werden würde, an, und
ihren Chan Kutesk gewann er durch das Versprechen,
sich mit seiner Tochter zu vermählen. Dieses reizte
die Kumanen, undfielzogen unter feiner Anführung
nordlich um. Siebenbürgen bis an das rechte Ufer der
Theis, an welchem sie aber, ohnweit Ungwar, vom
K. Ladislav empfangen undgeschlagenwurden. Nach
dem dieser Zug mislungen war, gieng Salomon mit
einigen ihm ergebenen Hungaren und mit dem kumani
fchen Fürsten Tzelga über die Donau, um gewisse
freifende patzinazitische und kumanische Haufen, mit
wel
y) Io. de Kikullem p. 129. Bertholdus Constantienfis ap
Urftifium S. R. Germ. p. 352, 353. Die Lebensge
fähichte des K. Salomon in den Actis Sanctor.T 45.
oder T VII. Menf, Sept. 1760. habe ich nicht zu Ge
fichte bekommen können, - -
48 xxxiv Buch Aelteste
welchen die Griechen fochten, zu vergrößernz). Bey
diesenwar er aber eben so unglücklich. Denn Tzelga
ward mit feinen mehresten Leuten erschlagen, und er
mußte sich nach einem beträchtlichen Verluste in einer
verfallenen Bergfestung gegen das ganze griechische
J. Chr. 1085. Heer vertheidigen. Endlich wagte er es fich durch
zuschlagen, und da ihmdieses gelungen war, eilte er
über die Donau zurück, verlor sich aber in einem
Walde, in welchem er sichere Wege auffichen wollte.
J. Chr. 1087. Nach fastzweyen Jahren kam die Nachricht nachRe
gensburg, daß er von seinen eignen Leuten ermordet
fey, und feine Gemahlin vermählte sich darauf mit
dem polnischen Herzog Vladislav a).
Ohngeachtet der bürgerlichen Kriege unternahm
der König Ladislav, aus unbekannter Veranlaffung,
gleichfalls einen Zuggegen die Griechen und Kroaten,
J.Chr. 1979 auf welchem er bis Naiffusfreiste, und Sirmium
S.Ladislav nebst verschiedenen andern Donaustädten unter feine
" "Hoheit brachte b). Dieses mußten die griechischen
Kaisererdulden,weil sie ohnehin in diesen Gegendenmit
zweyen mächtigen rebellischen Unterthanen zu kämpfen
hatten, nämlich mit dem Herzogvon Durazzound Dal
matien.Johann,undmit dem servisch-dalmatischen Kö
nige Bodinos. Der unbeerbte Tod des Königs von
Kroatien und Dalmatien, Demetrius Svinimir,gab
nach etwa neun Jahren Gelegenheit, die hungarische
I,Chr.108. Herrschaft auch über einen Theil von Kroatien und
Dalmatien auszubreiten. Denn die Nationzerfiel in
eine
s) Io. de Kikullewp. 130. Von dem Einbruch der Pa
zinaziten und Kumanen in Griechenland (1084) f.
Hr. Stritter Mem. II.670.
a) Schier. Reginae Hung. p.75. Annalifta Saxo ad An.
1087. Der gemeine Mann glaubte noch eine gerau
me Zeit nach feinem Tode, daß er in einem Kloster
verborgen lebe. Hr. PrayAnnal.T.I.p. 86.
b) Hr. Pray Diffp. 84. -
Hungarische Geschichte. 479
eine Anarchie, und jeder Mächtige riß so vieles Land
an sich, als er nur erlangen konnte. Die kleinen Ty
rannen versuchten ihre Kräfte aneinander, und verwü
feten, mordeten und brenneten in allen Gegenden, in
welchen schwächere Nachbarnwohnten. Es warf sich undKroatien.
zwar ein kroatischerPrinzStephan zum Könige auf;
allein dieser ward von keinem, außerdem Bischofe Lo
renzvon Spalatro, feinem Beförderer, geachtet, und
brachte bald durch seine Grausamkeit das ganze Land
gegen fich in die Waffen c). Die Wittwe des ver
storbenen Königs nahm, um die ihr vom Stephan
entzogenen Rechte und Güter wieder zu erlangen, ihre
Zuflucht zu dem Könige Ladislav ihrem Bruder, und
dieser brach aufihr und vieler bedrängter kleiner kroa
tischer Herren Verlangen inKroatien ein. Bei den
innern Unruhen war es ein leichtes Geschäfte, hier zu
fiegen, wo kein Nachbar dem andern half, oder von
dem andern Hülfe erhielt. Daher unterwarf sich La
dislav gleich im ersten Feldzuge dasflache Land und
die mehresten Bergfestungen der Alpen, und verordne
te d) Almus, den Sohn eines Bruders Geisa, zum
König von Kroatien. Allein da er im BegriffI. Chr. 109.
war auch die Seeküste zum Gehorsam zu zwingen,
riefihn ein Bote ab, welcher ihm meldete, daß der
komanischeCham Kopulch,KrulsSohne),Siebenbür
gen verwüstete, und auch indie Gespannschaft Bihor
eingefallen fey. Er eilte diesen Barbarensogleich ents
gegen, erreichte sie am Temestrome, und befahl in
der Schlacht, die er liefern mußte, mehr aufGefan
gennehmung als Mord bedacht zu feyn. Diese ward
ge“
c) Hrn.Abts Kerfelich de Corbavia notitiae praelimi
nares de Regnis Dalm.Croat. et Sclavon.p. 116. u. f.
Hr. Pray An. R. Hung. I.p. 85.
d) Urkunde von Zara bey dem Hrn. Pray. 1. c.p. 88.
e) Io. de Kikulew-p. 132. -
-

-
480 XXXIV.Buch. Aelteste
Die kleinern gewonnen, und die Gefangenen bekamen die Wahl,
“ zwischender Annehmungder christlichen Religion und
nach Hungarn der
verfehlt.
Knechtschaft.
erklärten, Die,
wurden in dasdie
altesich fürder
Land dasChristenthum
Jazygen zwi
fchen der Theiß und Donau versetzt, und scheinen die
Stammväterderheutigen kleinen Komanen, und der
mit ihnen vermischten Ulzen oder neuern Jazygen
zu feynf). Ihre zurückgebliebenen Landesleute such
ten sie zubefreien. Allein der König Ladislav wies
ihre drohenden Abgesandten mit Verachtung zurück,
und schlugfie, als sie wirklich einen Zugunter derAn
führung eines gewissen Akus unternahmen, an der
Donau. Diese Siege setzten ihn in den Stand, sich
des Kaisers Alexios Kommenos zu erwehren, wel
cher vergeblich sich bestrebte, ihm Kroatien wieder zu
J.Chr,1091. entreißen. Dennoch blieben die dalmatischen großen
Seestädte, die bisher die Schutzhoheit derKönige von
Kroatien und des griechischen Kaisers zugleich erkannt
hatten, noch in ihrer Freyheit. -

J,Chr. 1092. Im nächsten Jahre vereinigte sichder König mit


den Reichsständen zu der Abfaffung eines neuen
-

f) Es ist bereits oben aus einem Werke des Herrn


Kaprimai bemerkt, daß der neue Name der Jazygen
eine verderbte lateinische Uebersetzungder Wörter Ijaz
und Ji(Schützen mit Bogen) ist, und zuerst Iosones
geschrieben fey. Vermuthlich waren die Jaß oder Gas
alte Uzen die mit den Komanern vereiniger waren, und
weil sie sehr geschickt mit dem Bogen umzugehen wuß
ten, die erste Veranlassung gaben, daß man Ijaz einen
Bogen nannte. Vielleicht aber ist auch dieses Wort
älter, und noch aus der ältesten ugrifchen Sprachezu
urückgeblieben. Hr. Pray Diff, p. 122. Jetzt heißen
die Jafzer in den 14 Oertern, in welchen sie wohnen,
Philifier oder Philitaei, gleichfalls durch eine verderb
te Aussprache der lateinischen barbarifcheu Uebersetzung
des Worts Jafzij durch Balitarius und Balitaeus. Sie
haben gleiche Vorrechte mit denKumanern. Hr. Kapri
nai Hung. temp.Mathiae de Hunyadp.312.
Hungarische Geschichte. 481
Gesetzesg), welchesvorzüglich dieStrafen des Dieb-Neues Gesetz
fahls schärfte, demnächst aber auch die Amtsverrich
tungen des Pfalzgrafen und der Richter, die Ehen der
Priester, die man anfieng für unchristlich zu halten,
und einige Gegenstände desGottesdienstesgenauer be
fimmte. Die Neigungzum Heidenthum war, ver
möge dieses Gesetzes, noch gar nicht vertilget; denn
man mußte die Nation durch schwere Strafen zu der
Beobachtungder christlichen Fasten,zum Begräbniß
der Toden in den Kirchen, und zu der Unterlaffung
der Opfer bey gewiffen Steinen, Bäumen und Flüf
fen zwingen. Man befahlden Juden, daß sie an den
christlichen Feiertagen sich aller Geschäfte enthaltensolle
ten, und setzte aufden spätern Anfang der Fasten ei
niger lateinischer oder römischkatholischer Fremdlinge,
die Landesverweisung und den Verlust desVermögens.
Den ifmaelitischen Kaufleuten, welche sich hatten tau
fen laffen, und wieder zum Gesetz des Mohämmed
zurückkehrten, ward das Bürgerrechtgenommen, und
fiemußten sich nachdenenGegenden im Reiche begeben,
inwelchen ihreübrigenGlaubensgenoffenwohnten.Den
Handelsleuten ward untersagt, Pferde und Ochsen,
nicht aber Menschen, aus dem Reiche zu führen;
denn
g) Diefes Decretum S Ladislaibefehet aus 3 Büchern,
von welchen das erste zu Szabolcs in der Gespann
fchaft Nyir, das 2 und 3 aber in monte Sančto gege
ben ist. Ganz stehet es im Corpore Iuris Hung. p.
134. auszugsweise aber mit den fehr entbehrlichen
Anmerkungen des Melch. Inchofer in Peterffy Sacris
Concilis T.I.p. 15. Das erste Buch fängt an: An
"no 1092, 13 Kal. Iuni inCivitate Szabolch fanča fyn
odus habita est praesidente Christianissimo Ungarorum
Rege Ladislao, cum univerfis Regnifui Pontificibus et
Abbatibus nec noncunctis Optimatibus, cum testimonio
totius Cleri etpopuli.
Allgem. weltgxv.B. LAbch. Hh
482 XXXIV.Buch. Aelteste
denn man verurtheilte noch in diesem Gesetze unges
rechte Richter, Diebinnen, undPriester die Beyschlä
ferinnen unterhalten, zum Verkauf in die Knecht
fchaft. Der Mord einer Ehefrau, die Ehebruch ge
erieben hatte, ward nichtgerügt. Dennoch bekam ein
jeder Miffe häter einen Aufschub der Strafe, wenn er
in eine Kirche, oderzu den Füßendes Bischofs, oder
in den Hof des Königsflohe. Die Reichsstände be
fanden aus denBischöfen, Alebten, hohen Hofbeam
ten undGrafen. Allein die niedere Geistlichkeit und
die weltlichen Freyen machten gleichsam ein Unterhaus
aus, defen Genehmigungzu der Gültigkeit der Gese
ze gewissermaßen nöthigwar. DerKönig vermehrte
die Anzahl der Bischöfe durch die Gründung eines
neuen Hochstifts für Szlavonien zu Agram oder Za
J.Chr, 1092. grab h), und nahm zum ersten Bischof einen Böh
men; denn er fand mit der böhmischen Nation ver
mittelt seines Vetters, des böhmischen Herzogs
Brziecziflav, in einer sehr genauen Verbindung. Er
unterstützte diesen Fürsten gegen feinen Vater und
Oheim, mit welchen er heftigzerfallen war, und war
im Begriffihm auchgegen den mährischen Markgra
fen Borziwoy Ulrich mit einem großen Heere zu
30. Julius 1095. Hülfe zu kommen, als ihn der Tod übereilte. Sein
Andenken ward seinen Unterthanen so schätzbar, daß
fie fein Grab mit Ehrfurcht besuchten. Man hielt
ihn baldfür wunderthätig, und sorgte nach sieben und
NEUN

h) Hr.Abt Kerc/elich de Corbavia. Historiarum ecclef


Zagrabienfis T.I. cap.2.3. In des Herrn Thumherrn
zu Wardein Ganoczy Diff. de S. Ladislao fundatore
episcopatusVaradienfis, wird Ladislav auch als Stift
ter der Kirche, in welcher er begraben liegt, dargestel
let, und gezeigt, daß er nicht der Vater feiner Nach
folger Kolomann und Almus gewesen fep, wie einige
Neueve behaupten.
Hungarische Geschichte. 45
neunzig Jahren dafür, daß er feierlichvom Pabste
heiliggesprochen wurde i).
Ihm folgte in der Regierung Kolomann, der K. Kolomann.
Sohn eines Bruders Geisa, ein herzhafter, kluger,
tugendhafter, gelehrter und christlicher Fürstk), der
aber, entweder weil er sichdem ausschweifendenStol
ze einiger Geistlichen widersetzte und feinen treulosen
Bruder strafte, oder weil erdenkreuzfahrenden Räu
bern und den venetianischgesinnten Dalmatiern hart
fiel, in verschiedenen Geschichtsbüchern einen sehr
schlechten Nachruhm erhalten hat l). Gleich nach dem
Antritte seiner Regierung führte Peter, der Eremite,
denerstenZugder Kreuzfahrer durchHungarn, welcher I.Chr. 1096.
von ihm mitvorzüglicher Achtungempfangenwurde, als
Hh 2 lein

i) Der K. Ludewig ehrte den heiligen Ladislav fo fehr,


daß er ihn dem h. Stephan vorzog, und fein Bild auf
Münzenprägen ließ. Groschen-Cabineta O. S.656,
Dieses ist nachher stets auf die Ducaten gefetzet wor
den, bis daß die Stände den K. Rudolf veranlafften,
es mit dem Marienbilde zu vertauschen.Ladislavs Hei
ligsprechunggründete sich vornehmlich auf die Vertil
gung des Heidenthums in Szlavonien. Hr. Pray An.
R. Hung.T. I.p. 91. Vita S. Ladislai in Actis SS.ad d.
27. Iuni.
k) Albericus,ein Geistlicher, der ihn kannte, in Ep. ad
Archiep. Strigon.Corp. I. Hung. T. I. p. 145. Hr.
2bt Kerc/elich not.praelim, de regnis Dalm. Croat. et
Sclavon. p.234.
1) Io. de Kikulew p. 137. Daß Kolomann gelehrt, oder
wenigstens ein Freund der Wiffenschaften gewesen fepn
muß, siehet man aus feinem Beynamen, der Büchers
träger Kolomann (Rönyves Kalmanya), Schierp.
86. Man glaubt,daß er fogar Bischofvon Waradein
gewesen fey: allein Hr. Abt Kercselich widerlegt die
fe Sage, Notit. p. 132. und muthmaßet, daß er in
kroatischen Kriegesdiensten gewesen sey, aus einerUr
kunde von 1105, die aber höchst verdächtig ist; ib. p.
414
484 XXXIV Buch. Aelteste
lein bey dem Abzuge eine jetzt unbekannte hungarische
Festung Malawilla besetzte und behielt. Der zweite
Haufe, welcher aus 15000 Deutschen unter der An
führung eines gewissen Gondechar bestand, verübte al
le Arten von Gewaltthätigkeiten, und verfuhr gegen
die Nation, welche ihn freundschaftlich aufnahm und
bewirthete, so viehisch, als die wildesten und ungefit
tetsten Feinde nur thun konnten. Daher eilte Kolo
mann dem Gondechar und feinen Leuten mit einem
Heere nach; und als er ihn bey Belgrad erreichte, so
gab er ihm durch Abgeordnete die stärksten Verweise
über seine Treulosigkeit und höchst unchristliches Ver
fahren. Diese schreckten ihn so sehr, daß er und seine
Leutedie Waffen wegwarfen und fich aufGnade er
gaben. Vermuthlich geschahdieses in der Zuversicht, -

man werde ihrer aus Mitleiden schonen. Allein die


fes fand bei einer so heftig beleidigten Nation keine
fatt; und weil fast ein jeder Hungar entweder eine
geschändete Tochter, Schwester oder Frau, oder ei
nen ermordeten Freund, oder den Verlust eines ver
wüsteten und geraubten Gutszu rächen undzu ahnden
hatte,folgeriethdas hungarische Heer in Wut, und
hiebden wehrlosen Haufen nieder. Dem dritten Hee
re, welches fast zweimal hundert tausend Menschen
ausgemacht haben soll, schlugder König den Durch
zug ab; und da es sich mit Gewalt den Weg öffnen
wollte, foward es vom Könige, zwischen Mosburg
und Weilsberg, außerhalb der Gränze, in Kärnthen
angegriffen und zerstreuet. Endlich zeigte sich der
oberste Heerführer aller Kreuzzüge, Herzog Gottfried
von Lothringen oder Bouillon, mit einem viertenHee
re, unddieser erhielt nach einer persönlichen Unterre
dung mit dem Könige, und nachdem er Geißeln für
die Beobachtung einer guten Mannszuchtgegebenhat
te, Erlaubniß, sich durch Hungarn nach
- -
0:nd
-
Hungarische Geschichte. 485
land zu begeben m). Zu diesen frommen Unterneh
mungen trugen auch die Venetianer etwas durch eine
Flotte bey, deren Abwesenheit, wie es scheint, dem
Könige Veranlaffung gab, auf die Eroberung des
griechischen Dalmatienszu denken.
Dieses Dalmatien bestand aus dengroffen See- Ursprung des
städten, die durch ihre Seefahrt eine solche Stärke er-"
langet hatten, daß sie sich aller Versuche der Griechen,Herzogthums.
Kroaten und Deutschen sie zu unterjochen erwehren
konnten. Zwar zahlten sie den kroatischen Königen
eine gewisse geringe Steuer, wie oben angeführt ist,
und setzten den Namen dergriechischen Kaiser, als ihr
rer Oberherren, in ihre Urkunden. Allein sie gehorch
ten weder jenen Königen, nochdiesen Kaisern. Eine
von ihnen, nämlich Narenta,die mehrentheils von
Kroaten und andern Wenden bewohnt ward, genoß
einer ganzvollkommenen Freiheit, und misbrauchte
diese, um in den italiänischen Häfen und im adriati
fchen Meere zu rauben n). Sobald die Bürger von
Venedig ihren Handel zu einer beträchtlichen Größe
gebrachthatten, empfanden sie die Unbequemlichkeiten,
die ihnen die narentanischen Freibeuter verursachten,
fo sehr, daß sie sich entschloffen, kein Mittel, welches
zu ihrer Vertilgung dienen konnte, unverficht zu laf
fen. Sie wandten sich daher an den griechischen Kai
fer Constantinus, und baten ihn um die Handelsfrey
Hh3 heit
m)Hr. PrayAn.p. 96. aus dem Bernhardo Thesaurario.
n) Andreae Dandulo Chron. Venet. ap. MuratoriScr.
rer. Italic.T. XIV. p.223,227, 250, 254. Dandu
lofchrieb zwar lange nach diesen Begebenheiten, näm
lich zwischen 1343 und 1354; aber da er ein aufrich
tiger Mann ist, und als venetianischer Herzog alle ge
heime Staatsschriften befaß, fo verdienr er allerdings
den Glauben, den ihm doch die dalmatischen Schrift
feller Lucius L. III. c. 4. 5. und Hr. Abt Kercflich
p. 118. ohne zureichenden Grund absprechen.
436 XXXIV. Buch. Aelteste
heit in seinen dalmatischen Städten, die sie sehr leicht
erhielten. Daraufkreuzten sie aufdieSeeräuber,und
nahmen dem nächsten kroatischen Suppan oder Ober
richter, der feine Unterthanen zu vertheidigen suchte,
die Insel Kiffa. Die Einwohner der mächtigen Stadt
Jadera (Zara) schloffen mit ihnen ein ungleiches
Hülfsbündniß; und die übrigen großen Seestädte
J.Chr. 998. nahmenzu ihnen bald hernachihre Zuflucht, und fuch
ten ihren Schutz, weil der kroatische König und der
narentanische Fürst gegen sie den Krieg erklärten. Der
venetianischeHerzogbefragtediegriechischenKaiserBa
filius und Constantinus über ihren Antrag; und diese
genehmigtenihn,und verstattetendemHerzog, dieSee
örter, die fie selbst nicht verheidigen konnten, von
der Gefahr zu erretten. Daher besuchte der Herzog
die Städte und Inseln Zara, Trau,Spalatro, Kur
zola, Lezina und Ragusa mit einer starken Flotte,
fchloß mit ihnen das Schutzbündniß, und nahm dar
aufden Titel einesHerzogs von Dalmatien an. Er
trieb auch die kroatischenHeerezurück, und seine Nach
folger vereitelten alle Versuche der spätern kroatischen
Könige, ihre Oberherrschaft, die bisher nur aufdem
bezahltenSchutzgeld beruhet hatte,vollkommen über ei
ne oder andere Seestadt auszubreiten. Endlich verei
J.Chr. neß. nigten sich die Seestädte, auch das Richteramt über
ihre Angehörige dem venetianischen Herzog zu übertra“
gen; und da der griechische Kaiser Alexius hierzu
gleichfalls eine Einwilligung erheilte, und dem Her
zog darüber eine Bestallungunter einer güldnen Bul
le zusandte, so hielten sichdie Venetianer für die Lan
desherren des dalmatisch-kroatischenSeeufers,und ihr
Herzog nannte sich nunmehr einen Herzog von Dal
matien und Kroatien o). Die Anarchie, in
(al8
o) Diploma de An. ro94. ap. Muratoril. c.p. 254.Vi
talis Faletro de Divinaegratiae largitate Venetiae Dal
matiae et Croatiae Dux Imperialis protosevafon.
Hungarische Geschichte. - 487
das kroatische Reich gleich nachher verfiel, befestigte
die neue Macht der Venetianer; und ohngeachtet der
hungarische König Ladislav sich dem Seeufer näherte,
um nach der Eroberung des kroatischen Reichs auch
dieses an sichzu bringen, so wurden die Seestädteden
noch nicht angegriffen, weil der Königdurchdie Ku
maner zum Rückzuge gezwungen ward.
Der König Ladislav hatte den Prinzen Almus. Die Hungaren
zum König über Kroatien verordnet; allein Petrus, ",“
ein Fürst ausdem kroatischen regierenden Haufe, ver
drängte ihn und warf sich zum Königauf. Dieser
mußte vertrieben werden, wenn Kroatiender hungari
fchen Krone versichert werden sollte. Daher rückte
der König Kolomann gegen ihn, erlegte ihn, und
nahm nun auch Dalmatien, oder das Land jenseit J. Chr. 1099.
dem Meere in Besitz. Darauf sandte er einige Rä
the nach Venedig, welche mit dieser Republick eine
Freundschaft errichteten und ein Bündniß gegen den
normannischen Grafen von Apulien schloffenp). Ver
möge deffelben ließ er aufvenetianischen Schiffen nach
Apulien einen Theil seines Heeres übergehen, welcher
für ihn Brindisi und Monopoli eroberte, aber nicht
behaupten konnte. Aber diese Freundschaft der Hun
garen und Venetianer ward schon im dritten Jahre z. Chr. noz.
geendigt; denn der König zog abermals nach dem
dalmatischen Gebirge, um die noch frey gebliebenen
Kroaten zu überwältigen. Diese versammelten sichzu
H h4 ihrer
p) Dandulop.259. und Johann von Kikullew geden
ken beide des Bündniffes gegen Roger den Herzog von
Apulien;alleindienormannischenGeschichtsschreiberüber
gehen die Eroberungen, die es foll veranlafft haben.
Ist es wirklich geschloffen, fo muß der König fich mit
feinen Schwiegervater, Graf Roger von Sicilien,def
fen Tochter er 1C97 geheirathet hatte (Schier Regi
nae Hung.p. 86), entzweytgehabt haben; denn die
fer war jenes Grafens oder Herzogs Oheim.
438 XXXIV. Buch. Aelteste
ihrer Verheidigung, und kamen ihm bereits bey
Kreuz in Szlawonien entgegen. Ihr Muth schien
ihm ein Treffen gefährlich zu machen; denn er be
schloß es zu vermeiden und nicht Waffen, sondern
Milde und Ueberredunggegen sie zu gebrauchen. Da
her lud er sie zu einem freundschaftlichen Gespräche ein,
und suchte ihre Zuneigung durch auszeichnende Ehren
bezeigungen, die er ihnen erweisen ließ, zugewinnen.
Durch diese wurden diese Leute, die einen vielleicht
noch stärkern Nationalstolz, als ihre heutigen Nach
kommen die Morlachen besaßen, gewonnen, und
unterwarfen sich aufdie Bedingung, daß sie als Bun
desgenoffen, nicht aber als Unterthanen der Hungaren
gehalten, und zu keiner Steuer oder Pflicht, außer
dem Heeresdienst eines jeden Edlen undzehn von ihm
befoldeter Reuter, verbunden feyn sollten. Nachdem
dieses berichtiget war, führtenfiel den Kolomann als
ihren König nach Belgrad oder Zara vecchia, und
ungleichen, die festen ihm die Krone ihres Reichs auf q). Die
venezianischen Seestädter weigerten sich,den König als ihren Ober
Seite herrnzuerkennen; er aberverlangte als Besitzer aller
kroatischen Kronvorrechte ihre Unterwerfung als eine
- Pflicht.
q) Lucius p. 180. In den königlichen Urkunden kommen
fchon in diesem Jahre der Bischofvon Trau und zehn
Grafen vor. Vielleicht ward Kroatien nach hunga
rischer Weise in Gespannschaften vertheilt, Der ge
wöhnliche Titel des Königs war feit dieser Zeit: Colo
manus D. G. Rex Vngariae Croatiae atque Dalmatiae,
Lucius führt p. 181. aus einem spalatronischen Gna
denbriefe den Titel, Hung. Dalmatiae Chroatiae Ramae
que Rex 1103 an. Allein da Rama oder Bosnien in
keiner nachfolgenden Urkunde gefunden wird, fo hedarf
es noch einer Untersuchung dieser Urkunde, ehe man
daraus auf die Eroberung Bosniens schlieffen darf,
Eben dieses gilt von der Urkunde mit dem Titel: Rex
et DuxSclavoniae,in des Hrn. AbtKerfe ich not,prae
lim, P. 123. - -
*-
'

Hungarische Geschichte. 48)


Pflicht. Nach verschiedenengütlichen Versuchen ger,
brauchte er endlich Gewalt. Allein die Belagerung J.Chr. ic3.
der vornehmsten Stadt Jadera (Zara) wurde durch
die geschickteste Gegenwehr vereitelt. Er nahm daher
feine Zuflucht wieder zu seiner Ueberredungskraft, und
öffnete sich durch diese die Thorer). DieStadtTrau
folgte dem zaraischenBeyspiele erst nach drei Jahren, J.Chr. no8.
und erhielt eine Bestätigung der ihr zustehenden ge
fetzgebenden Macht, der Freyheit von allen Abgaben,
des Rechts, daß ihregeistlichen und weltlichen Einwoh
ner den Bischof und Comes wählten, und daß der
König in ihrer Stadtgekrönt werden mußte, und dem
Befugniß, keinen Hungaren oder Ausländer inner
halb ihren Mauern zu dulden. Der König behielt
also nur das Bestätigungsrecht bey wichtigen Hand
lungen, den Kriegesdienst, undzwei Drittheile vom
Hafengelde, nach Abzug des bischöflichen Zehntens.
Er bemühete sich die Kroaten undSeestädter sich recht
sehr geneigtzu
ficht machen,
den dalmatischen und erheilte
Geistlichen, in dieser
deren MachtRück- - Chr, 11.11,
über *
die Weltlichen ihm bekannt war, das neue Vorrecht -

der hungarischen Geistlichen, nämlich die Befreiung


des niedern geistlichen Standes von der weltlichen Ge
Hh5 richts
r) Diese Belagerung gehört in das Jahr 1105, vermöge
der Inschrift und Urkunde bey dem Lucius p. 184.
Dandulo scheint fiep.263. in das Jahr 1 1 1 1 zu fe
zen. Der venetianische Herzog war in Jadera bisher
als kaiserlicher Statthalter betrachtet worden, und
daher fetzte man nicht feine, fondern die griechisch-kai
ferlichen Regierungsjahre in die Urkunde. Nun aber
rechnete man nach des Königs KolomannsJahren,und
zählte diese von dem Tage feinesEinzuges in die Stadt
an. Da die griechisch-dalmatischen Städte sich nur
unter der Bedingungdes Schutzes der Republick Vene
dig unterworfen hatten,diesen aberjetzt nicht erhielten,
fo war ihr Verfahren eben nicht zu tadeln,
490 XXXIV. Buch. Aelteste
richtsbarkeit, und das Recht die Bischöfe und Aebte
ohne sein Vorwissen zu wählen und in ihre Würde
einzusetzen. s) Dieser Gnade ohngeachtetgereuete den
Seestädtern ihr Vertrag. Denn sie sahen es sehr un.
gerne, daß der König sich öfters bei ihnen aufhielt,
und dann eine hungarische Besatzung bei sich hatte.
Ihr Unwille kam, wie es scheint, sogar zum Aus
bruche. Denn der König,welcher nicht allemalfeinen
Zorn mäßigen konnte, gerieth kurz nach der Ausstel
lung des letzten Gnadenbriefes zu Jadera in eine fo
große Hitze, daß er die Stadt anzünden und schleifen
laffen wollte.
Zwistigkeiten Die kroatische Eroberung erregte zufällig einen
des Königs bürgerlichenKrieg zwischen dem Königund feinen Bru
mit feinem
Bruder Al der Almus, welcher lange dauerte, öfters ausbrach,
MUs. und eben so oft wieder gedämpft ward. Die nächste
Veranlaffungzu selbigem war folgende: Almus hatte
Kroatien unter der vorhergehenden Regierungverwal
tet, und verlangte entweder dieses Reich, oder einen
andern beträchtlichen Theilvon Hungarn,als ein Lehn
herzogthum zu einem Unterhalte. Der König wußte
aus der Geschichte seines Vaters, daß dieses Gesuch
nicht ohne die größte Gefahr einer eigenen Sicherheit
bewilliget werden konnte, und lehnte es ab. Es fehl
te nicht am Hofleuten, die dasMisvergnügen desHer
zogs über diese Fehlbitte vergrößerten, und daher griff
J. Chr. 1098 der Herzog zu den Waffen. Der König eilte, ihm
zuvorzukommen. Allein da die Reichsstände sich be
strebten die Brüder auszusöhnen, und der Königzu
der Verzeihungder Empörung seines Bruders geneigt
war, so vereinigten fich die beiden Heere, die bey
Varkun an der Theiß sich eine Schlachtzu liefern ge
dachten, plötzlich alsFreunde. t)
Gleich
s) Lucius p. 187.
t) So.de Klkullewp. 135. Hr. Pray An.p. 99.
Hingriffe Geschichte. 491
Gleich darauf zog der König nach Rohreußen,
vielleicht in der Absicht, eine gegen ihngerichtete Ver
einigung der Ruffen undKumanenzu ahnden oder zu
zerstören. Er fand bey dem Eintritte in das Land die
Beherrscherin der Ruffen, oder die Fürstin Lanka,
und den kumanischen Chan Mirkod bereit ihre feind
lichen Absichten aufzugeben, und die Prinzessin gieng
in ihrer Verstellung soweit,daß sie ihn aufdenKnieen
um Vergebung und Frieden bat. Allein erwies bey
de ab, und machte der letztern über ihre Demüthigung,
weil sie für eine Königin äußerst unanständig fey,
Vorwürfe. Er und seine Kriegsleute schloffen aus
den Bitten der Feinde, daßdie Ruffen und Komanen
weder Kräfte noch Muth besitzen müßten, und verfie
len in eine sehr große Sorglosigkeit. Der Chan beob
achtete sie inzwischen sehrgenau, und trafden rechten
Augenblick zum Angriffe. Diesen wagte er in einer
dunkeln Nacht mit so vieler Vorsicht und Ordnung,
daß erdasLagerbereitsin seinerGewalt, undvielefchla
fende Hungarenermordet hatte, ehe die Gefahrbekannt,
und die hungarischen Kriegesleute durch das Getöse
aufgeweckt wurden. Er wußte auch die Vereinigung
dieser Unglücklichen so geschickt zu hindern, daß es gar
zu keiner Vertheidigung kommen konnte, und fast alle
gegenwärtige Bischöfe, Barone und Anführer nieder
gehauen wurden, der König aber fast nur durch ein
Wunder entrann. - -

Der Herzog Almusverhielt sich nun eine geraume J. Chr. mo7.


Zeit ruhig; allein endlich erwachte seine alte Herrsch
begierde wieder, und er begab sich zu dem polnischen
König Boleslav, um von selbigem Rath oder andere
Mittelzu ihrer Befriedigungzu erlangen. Bey die
fem fand er ein hungarisches Heer, welches ihm der
König Kolomann ausFreundschaftzum Kriege gegen
die böhmischen undpommerischen Herzoge gesandt hat
- ke,
492 XXXIV. Buch. Aelteste
te, welches er aber, weil es zu spät gekommen war,
nicht gebrauchte. Boleslav ließ sich leicht bewegen,
ihm dieses, weil es ihm schonzu einer Last gereichte,
nebst eben so vielen Polen zum freien Gebrauche ab
zutreten, und er führte selbiges sogleich über die Gren
ze, und brachte es in die Festung Aba Uyvar. u) Al
lein sein Bruder überfiel ihn weit früher, als er es er
wartet hatte. Daher verzweifelte er an einem glück
lichen Fortgange seiner Waffen, begab fich, voll von
Zutrauen aufseines Bruders weiches Herz, zu diesem
ins Lager, und bat um Verzeihung für sich und feine
Hungarn. Diese erhielt er, undzwar, wie der Ex
folgzeigte, zu des Reichs Schaden. Denn er begab
fich, sobald die Gefahr verschwunden war, zu dem
Kaiser Henrich V, und forderte von ihm Hülfe, um
zu einem angeblichen Erbtheil zu gelangen. Der Kai
fer, welcher ohnehin verpflichtetzu feyn glaubte, eini
ge dalmatische Seegegenden, welche seit Kaiser Karls
des Großen Zeit von den abendländischen Regenten
in Anspruch genommen wurden, vom Könige Kolo- , -

J. Chr. 1108. mann zurückzufordern,v) giengmit dem Reichsheere


vor Presburg. Aber da er seine Belagerungzu einer
fehr unbequemen Jahrszeit, nämlich im Oktober, an
fieng, und ferner die in feinem Heere fechtenden
Reichsfürsten den Sieg und die Eroberung vermöge
ihrer Abneigung gegen ihn zu hintertreiben suchten, so
mußte er bald, ohne den geringsten Vortheil erlangt
zu haben, zurückkehren. Der Herzog Svätopluk von
Böhmen, sein Bundsgenoffe und Lehnmann, verwü
fete zwar die Gegenden zwischen der Morawa und
Neitra, eilte aber wieder in sein Reich zurück, sobald
er

u) Hr. Pray a. O. S. 106.


v) Otto Frising. L VII. e. 13.Ann.Sax. h. an. und andere
“s Schriftsteller in Hahns Reichshist. IITh.
135
Hungarische Geschichte. 493
er eine beträchtliche Beute gemacht hatte. Der pol
nische Herzog wollte an seinen Grenzen eine ähnliche
Verheerungunternehmen; allein der KönigKolomann
brachte ihn zu einerpersönlichen Unterredung, auswel
cher er nicht nur als sein Freund, sondern auch als
fein Blutsverwandter zurückkehrte. Denn er schloß
eine Eheberedungzwischen dem Mitregenten Stephan
- und feiner Tochter, und gab dem Könige, dem er
Landzu entziehen gedachte, nun ein Stück seines eige
nen Gebiets, nämlichdie Kastellaney Spiff,als einen
Brautschatz.x) Alles dieses schlug den Almus end
lich nieder, und er versprach nun, sich zu beruhigen
und nach Jerusalem als ein Kreuzfahrer zu wandern. J.Chr. nur9.
Diese Entschließung schien aufrichtigzu feyn, weil er
noch ein anderes öffentlichesZeichen seiner Reue durch
die Stiftung derAbteyDömöß gab. Allein diedauerte
nicht lange. Denn nach etwa vier Jahren unternahm
er eine neue Empörung, wie man aus dem harten
Verfahren des Königs schließen muß, welcher ihm J. Chr. Inz.
und

z) Spiff ist der Name von Stepus und von einer Ka


fellaney in Prokutien oder Halicz. Für letztere erklärt
sich Hr. Joh. Berczur (Ungaria femper libera suique
Jurisp. 65.) und Schier (Regin. Hung. p. 93), weil
Scepus oder Zips diffeits der karpathischen Gebirge
liegt, die fchon 1088 in einer Urkunde als die hunga
rische Grenze gegen Polen angegeben werden, und folg
lich 11C9 nicht in der Gewalt des polnischen Herzogs
feyn konnte. Boguphalus, der älteste polnische Ge
schichtsschreiber, fetzt das Spiffz in Zalitien, und ver
sichert, Stephan, oder wie er ihn nennet, Kolomann,
fey zum Bönig von Halicz durch den polnischen und
hungarischen König eingesetzt und gekrönt; Spiz fey
feit dieser Zeit stets bey Hungarn geblieben, Halicz
aber fey ein Erbtheil der Mutter der vermählten Prin
zefin gewesen, namlich der Tochter des russischen Groß
fürsten Svätopolk, einer Schwester der zweyten Go
mahlin des Königs Kolomann. - -
494 XXXIV. Buch. Aelteste
und seinem ältesten Sohne Bela die Augen ausstechen,
und ihn in ein Kloster einsperren ließ. Einige Ge
fähichtschreiber vermuthen, daß diese Strafe mehr aus
Furcht für ein künftiges widriges Schicksal des könig
lichen Prinzens Stephans, als wegen eines neuen
Hochverraths an ihm vollzogen sey. (Denn der König
ließzu der Zeit, da er geblendet ward, einem Prinzen
Stephan huldigen, und dachte also wirklich aufdie
Befestigungder Erbfolge in feiner Linie.) Allein da
der König nach den ärgsten Vergehungen ihn liebreich
behandelt hatte, so ist es nicht wahrscheinlich, daß er
nun ohne rechtmäßige Ursache fich gegen ihn so grau
fam werde bezeigt haben. Des Königs Mitregent
Stephan war von der ficilianischen Prinzefin geboren,
und hatte keine Brüder. Sein Vater gab ihmzwar
kurz vor seiner Krönung eine Stiefmutter Prädila
va; allein diese Prinzessin brachdie Ehe, und ward
ihrem Vater, dem russischen Großfürsten Swätopolk,
zurückgesandt. Bei diesem gebar sie einen Prinzen,
2Borris oder Borrichius, den aber der König nicht
' seinen Sohn erkennen wollte, und der nachher die
rsache vieles Blutvergießens wurde.
ei Der König hinterließ seiner Nation ein immer
/ währendes Denkmal feiner Vaterlandsliebe; denn er
verwandte sehr vielen Fleiß aufdie Verbefferung der
Gesetze, bevollmächtigte einen gewissen Alberich ein
ausführliches Decretzu verfaffen,y)und gab selbigem
nachher die nöthige Rechtskraft. Durch dieses De
kret wurde den Hungaren und übrigen Unterthanen
das Mittel,zu ihren Rechten zu gelangen, erleichtert;
denn es ward injedem Bischofthume ein Obergericht
oder Synodus verordnet, welches zweymal im Jahre
gehal
y)Corpus Juris Hung. L. I.p. 144. Albrich schrieb zwi
“ fchen den Jahren 1096 und 1104. S. H. Kollar de
Orig.Juris circa sacrap. 89. -
- - -

Hungarische Geschichte. 495


gehalten werden, und dem königlichen Gerichte im
Hoflager gleich geachtet werden sollte. Weil der Kö
nigfand, daßdie Kroneinkünfte durch die Schenkun
gen seiner Vorgänger zu sehr vermindert worden wa
ren, so ließ er den Kirchen nur die Wälder, Wiesen
und Weinberge, nahm ihnen aber diejenigen Mühlen
und Fischweiher, die sie nach S. Stephans Zeit un
entgeltlich erlanget hatten. Diese Strenge gegen die
niedern Geistlichen wurde durch verschiedene Vorrechte
gemildert, die erden Bischöfen und ihren Archidiaco
nis erheilte, und zu welchen vorzüglich die Bestra
fung aller Weiberräubereyen und Ehebrüche, dann
aber auch die Aufhebung aller Gewalt, die weltliche
Personen bisher über einzelne Kirchen ausgeübt hat
ten, gehörte. Viele harte Strafen, die in Enthaup
tung, Knechtschaft und Verstümmelung bestanden
hatten, wurden gemildert und in Kirchenbußen ver
wandelt. Vorzüglich aber wardgegen die Ismaeliter,
die entweder Sarazenen oder bulgarische Freybeuter,
oder auch mohämmedanische bekehrte Patzinaziten und
Kumaner waren, hart verfahren. Denn diese wur
den gezwungen, ihren Gästen Schweinfleisch vorzu
fetzen, ihre Töchter mit keinem ihrer Nation, sondern
blos mit Hungaren zu verheirathen, in ihren Dörfern
Kirchen zu erbauen, selbige aus ihrem Vermögen
mit den nöchigen Aeckern, Knechten und Gebäuden
zu versehen, dann aber aus den Dörfern bis aufdie
Hälfte auszuwandern und neue Dörfer anzulegen.
Jene Reduktion der veräußerten Krongüterdiente Zwistigkeiten
dem Könige bei dem römischen Hofe zu keiner Em''“
pfehlung; allein sie war nicht die einzige und größte
Sünde, wodurch der König den päbstlichen Grund
fäßen zu nahe trat. Der Pabst forderte als ein Un
terscheidungszeichen derlateinischen von der griechischen
Kirche, daß keine Priesterehe geduldet werden
-
#
allein
496 XXXIV. Buch. Aelteste
allein der König fand es bedenklich, diese Satzung
anzunehmen, und sein Ansehen hielt sogar den Erzbi
schofvon Gran ab, diese Ehe geradezuzu verbieten.z)
Ein neuer Versuch des Pabsts Paschalis II zu der
Unterjochungder königlichen Macht ward eben so hart
J. Chr, tro2. näckig abgelehnt. Der Pabst verlangte nämlich,daß
die hungarischen Bischöfe einen gewissen Eid ablegen
sollten, in welchem sie sich verpflichteten, fogar mit
ihren Kriegsmännern die Rechte der Kirche oder des
päbstlichen Stuhls zu vertheidigen. Diesen Eid fuch
te er einem neuernannten Erzbischof von Kolocza,
vermittelt der Vorenthaltung des Palli, aufzudrin
gen. a) Allein die Nation war muchigundweise ge
nug, um sich der Zumuthungzu widersetzen, und die
Bischöfe ließen sich weder durch das angeführte Bey
spielder dänischen und fächsischen Bischöfe, noch auch
durch die Versicherung, daß ihre Widerspenstigkeit
eine Verletzungder göttlichen Rechte und der Religion
fey, von ihrem Widerspruche ableiten. Der päbst
liche Hof gebrauchte nun die List, die künftigen Bi
schöfe infeinen Vortheilzu verwickeln, und sprach dem
Erzbischof das Recht Bischöfe ohne desPabsts Vor
wiffen zu verdammen, und dem Könige das Recht
felbige zubestellen oder zu versetzen, unter verschiede
NET

z). Decretumfynodale Archiep.Strigonienf,Laurenti de


A. 1114 in Peterffy Concil.p. 54. Dieses ist das äl
teste hungarische bischöfliche Synodalstatut. Ver
muthlich kam es den weltlichen und dem Könige
nicht zu Gesichte: denn es ward darin den Alebten und
Geistlichen hart verboten, sich an ein weltliches Ge
richt, oder an des Königs Hof mit Vorbeygehung des
bischöflichen Gerichts, in geistlichen Sachen zu ver
wenden, und denen, die vor der Diakonat- oder Prie
sterweihe keine Ehegattin gehabt hatten, ward das
Heirathen unterfagt.
a) Hr. R. Kollar Hift. Diplom.Juris Patronat. Apost.
Hung. Regump. 106.
Hungarische Geschichte. 497
nen Scheingründen ab. Allein da sein Ansehen in
diesen Gegenden, weil sie an Griechenland gränzten,
noch nicht die Größe erlangt hatte, daß er sich einen
blindenGehorsam gegen feinen Bannfluch versprechen
konnte, so fehlten ihm die Mittel seinen Behauptun
gen den nöchigen Nachdruck zu geben. Dennoch ge
lang es ihm, dem Könige eines feiner Kirchenrechte
gleichsam aus den Händen zu winden, nämlich das
Recht der Investitur oder Uebergebung dergeistlichen
Gewalt an neuerwählte Prälaten. b) Dieser Verlust J. Chr. ues.
war aber nicht sehr groß. Denn der König behielt -
das Recht der Ernennung, Versetzung, Absetzung,
Belehnung, Huldigung und Aufbietung zum persön
lichen Kriegsdienste über alle Bischöfe und hohe Prä
laten, und blieb dadurch seinen Geistlichen wichtiger
als der Pabst.
Der König Kolomann endigte sein Leben mitten 3. Februar um,
unter den Zurüfungen zu einem Kriege mit den Ruf
fen. c) Dieser kam aber nicht zum Ausbruche. Denn
die Vornehmsten des Reichs, welche für die Regie
rung des minderjährigen Königs Stephan f inner
halb den nächsten neun Jahren sorgten, mußten einen Kriegemit D
möchigern Feldzug nach Dalmatien unternehmen, wel- “
chenfie dem unbesonnenen Eifer des Erzbischofs und -

hungarischen Hebungsbedienten zu Spalatro zu ver


danken hatten. Der Erzbischofhatte nämlich einen
gewiffen Anschlag des Hebungsbedienten, die Bürger
fchaft plötzlich zu entwaffnen und die Stadt dem Kö
nige zu unterwerfen, gebilliger, und wollte, um die
fen auszuführen,die Einwohner durch die Einweihung
ENNE

b) Königliche Entfagungsurkunde bey dem Hr. Kollar


angef, Orts S. 112. -

c) Die richtige Bestimmung des Sterbejahrs findet man


in Schier. Regin. Hung.p. 90.
Allgem.WeltgXV. B.I.Abth. Ji
493 XXXIV. Buch. Aelteste
einer Kirche, die vor der Stadt lag, aus dem Thore
locken; dann sollte der Beamte aus einem Thurme,
in welchem eine königliche Besatzung war, ausfallen,
die Mauern besetzen, und vermittelt verborgener Ge
hülfendie Thore verschließen. Diese Absichtaber ward
verrathen. Die Bürger giengen zwar aus der Stadt,
hinterließen aber in ihren Häusern viele kroatische und
trauische Soldaten, die, sobald die Hungarn sich fe
hen ließen, alle Feinde und Verschworne ohne Gnade
niederhieben. d) Die Spalatrenter riefen nun ihre
ehemaligen Bundesherren, die Venetianer,zuHülfe;
J. Chr. 1115, und da es den Hungaren an Schiffen fehlte, so koste
te esder Flotte des venetianischen HerzogsOrdelaphus
nicht viele Mühe, die hungarischen schwachen Bes
faßungen aus den dulmatischen Inseln und einigen
Seestädten zu vertreiben. Dennoch erhielten sich die
jenigen, die im Schloffe zu Zara waren. Gegen
diese rüsteten die Venetianer im nächsten Jahre eine
neue Flotte aus, aufwelche der Kaiser HenrichVund
Alexios einige Hülfsvölkerfandten. Der hungarische
Ban vonKroatien e) eilte seinen Unterthanen, die im
Schloffe
d) Thomae Archid.Spalatr. Historia Salonitanor. Pontif
ap. Dn. de Schmandtner T. III.p. 557. Hr. Pray An
nalesp. 115. und die dafelbst angeführten Stellen aus
dem Dandulo und Lucius. …“

e) Dieser Ban, dessen Name aber nicht vom Dandulo


genannt wird (ap. Murator. 1. c. p.266), ist der erste,
welcher in alten Nachrichten gefunden wird. Georg
Rattkay hat in der Memoria Regum et Banorum Dal
matiae, Croatiae et Sclavoniae Vindob. 1652 (1774
Ed. 2), fo wie fein Epitomator Anton Hellmar in
der Serie Banorum (Tyrnaviae 1737), aus hungari-,
fchen Urkunden viel später, nämlich erst bey dem Jah
re 1212, Bane angegeben. Ban oder Pan ist ein
altdeutsches und wendisches Wort, welches einen fast
unumschränkten Herrn andeutet, und fchon von alten
- roati
Hungarische Geschichte. 49
Schloffe zu Zara lagen, zum Entfaß entgegen; allein
er verlor eine Schlacht gegen die Venetianer und
ward gefangen. Die zaraische Besatzung mußte sich30Jun.11ns,
nun ergeben. Dasfeste Schloß Sebenico ward zer
stört, und Spalatro und Trau erkannte wiederum die
venezianische Schutzherrschaft. Darauf sandten dieJ. Chr. 17.
Venetianer, welche stets Staatsunterhandlungen mit
ihren Kriegsoperationen zu verbinden pflegten, eine
Gesandtschaft an den hungarischen Hof, und erlangten
durchfelbige, wie sie glaubten, einen Waffenstillstand
auf fünf Jahre. Allein fie wurden hintergangen.
Denn ohngeachtet der Vergleich von allen hungari
fchen hohen Staatsbedienten genehmigt war, so glaub
te man dennoch am hungarischen Hofe, daß es nicht
nöthig fey ihn zu beobachten, weil die Venetianer -

ohne Veranlaffung die kroatischen Hungaren überfallen


hatten. Daher ließ man noch in selbigem Jahre ein
Heer nach Zara gehen, welches zwar die Venezianer -

besiegte, und den berühmten Herzog Ordelaphus er


schlug, allein keinen der verlornen Pläße wieder ero
bern konnte. Man versuchte, die kroatischenGrän
zen, welche gegen die Seezu fo sehr verengert waren,
gegen Westen auszubreiten, und streifte in Oesterreich. J. Chr. ttts.
Allein man gewann zwar eine Schlacht am Leitha
- Ji 2 - from
kroatischen Königen zu einer Bezeichnung ihres Statt
halters gebraucht wurde (Dipl. de A. 107o ap. Lucium
p. 161). Die hungarischen Banne hatten gleiche Ge
walt und Vorrechte mit den Pfalzgrafen. Jetzt ist nur
der Banus Illyrici vorhanden. Allein im 13. Jahrhun
derte fand man in Hungarn einen Ban von Szlavo
nien, einen von Bosnien, einen vonSirmium, einen
von Machov und einen von Severien. Alle gehörten -
zu den höchsten Reichsbaronen, und verschiedene Ba
nate wurden auf einige Zeit in Titularkönigreiche und
Ducatus verwandelt. S. Timon Imago Hung. novae
p. 23. und Hr. Hofrath BelComm. de Archiofficiis
Regni Hungariaep. 27.
500 XXXIV. Buch. Aelteste
strom und viele Beute, aber kein Land. Der öster
reichischeMarkgraf Leopold ahndete vielmehr, mit Zu
ziehung des böhmischen Königs, den ihm zugefügten
Schaden durch eine Verheerung der Gegend zwischen
der deutschen Grenze,und Eisenstadt und Oedenburg,
und legte aufder Spitze des Kahlenbergs ein Schloß
an,f) deffen Besatzung die hungarischen Streifereyen
für die Zukunft vereitelte.
Dominicus Michael, der neue venetianische Her
zog,fuchte bey dem griechischen Kaiser Johann Kom
menos oder Kalo-Johann um die güldene Bulle, oder
die Ertheilungdes dalmatischen Herzogstitels an; al
lein der Kaiser schlug ihm diese ab, und entzündete
dadurch einen heftigen Zorn der Republikaner gegen
J. Chr. n23. feine Unterthanen. Der hungarische König Ste
phan II unterließ von diesem Zwiste Nutzenzu ziehen,
und kündigte vielmehr dem Kaiser den Krieg an, weil
dieser fichweigerte, den geblendeten Herzog Almus,
der zu ihmgeflohen war,auszuliefern. g) Der Feld
zugward von hungarischer Seite mit der Zerstörung
der Stadt Belgrad an der Donau eröffnet, deren
Mauern man abbrach, und zu der Befestigung der
Stadt Zeugmen oder Sirmium verbrauchte. Die
Griechen schlugen die Hungarn bey Chramos oder Ha
vam, und bestigten Branizova oder Panzova jenseit
der Donaugegen Belgrad über. Diese Festung fiel
nachder Griechen Rückzuge in die hungarischeGewalt,
und
f) Otto Frisingenfis L.VII. c. 15.
g), Jo. Cinnamus de reb. geftis Imp. Jo. et Man.Comme
norum Trajecti 1652. L.I. p. 6. Cinnamus begehet
fehr große Fehler gegen die Stammgeschichte und Sit
ten der hungarischen Könige. Er hält z. E. den Ste
phan und Almuzes für Ladislai Söhne, und glaubt,
man habe allen Prinzen die Augen ausgefochen, fo
“- dem regierenden König ein Sohn geboren
W9pden,
Hungarische Geschichte. So
und ward geschleift. Die Griechenwolltendiesen Ver
lust im nächsten Jahre ersetzen; aber die Hungaren J. Chr. ms.
trieben sie in die Flucht, und verfolgten sie tiefin Ser
vien hinein. Bald daraufföhnten sichderKaiser und
der Königaus. Almuz blieb bis an seinen Tod, wel
cher nach drei Jahren erfolgte, in Griechenland h),
und die Griechen wurden nun mit den Hungaren fo
vertraut, daß sie ihnen ihre Flottezum feindlichen Be
fuch der dalmatischen abgefallenen Inseln undStädte
hergaben. Diesen konnten die Venetianer nicht ab
wehren, weil ihre Kriegsschiffe in den frischen Ge
wäffern zum Dienste der Kreuzfahrer gebraucht wur
den. Spalatro, Trau und Belgrad unterwarfen fich
den Hungaren, und beschickten die Krönungsfeyerlich
keit des Königs,die in Belgrad oderZaravecchia voll
zogen ward. Nur allein Zara oder Jadera wider
fand den hungarischen Waffen und blieb den Vene
tianern getreu. Dieses geschah vielleicht nur aus
Staatsklugheit; denn es war nicht wahrscheinlich,daß
eine bloße Landmacht, wiediehungarischewar,dieSee
örtergegen eine der vorzüglichsten Seemächte damali
ger Zeit werde behaupten können. Der Erfolg zeigte
auch die Gründlichkeit ihrer Einsichten in vollem Lichte;
denn sobald der syrischeKreuzzug geendigt war, wur- J. Chr. rs.
den alle entzogeneSeeplätze vondenVenetianern, ohne
daß es die Hungarenhindernkonnten, wieder in Be
fitz genommen i).
- Ji 3 Der
h) Hr. Pray S. 119. 122.
i) Die hungarischen Schriftsteller versichern, daß derKö
nig, als dieses geschahe, in Rußland zum Besten eines
Prinzen Bezenus, den feine Brüder von der Herrschaft -
verdrängen wollen, gefochten habe, und daß der Zug
durch die Ermordung des Prätendenten fruchtlos ge
worden fey. Nach den russischen Jahrbüchern müßte
dieser Bezenus der Stiefmutter Bruder des
- - -

502 XXXIV.Buch. Aelteste
Bela II wirh Der König Stephan war ein sehr eigenwilliger,
Thronfolger. wollüstiger und flüchtiger Fürst, der stets einen blin
den Gehorsam verlangte und keinen Rath annahm.
Er schweifte in der Liebe so sehr aus, daß er frühzei
tig entkräftet ward und in eine unheilbare Krankheit
gerieth. Die Stände drangen auf seine zweite Ver
mählung; denn seine erste Gemahlin, die polnische
Prinzessin, war früh verstorben; allein er konnte
ihre Wünsche, in Rücksicht auf einen Kronerben,
J. Chr. 1127. nicht erfüllen. Als ihn einst seine Schwachheit
dem Tode sehr nahe führte, entstand über die Thron
folge eine sehr schwere Mishelligkeit; denn einige
Stände wollten Saul, des Königs Schwestersohn,
zumKönig ernennen, andere aber waren zweyenmäch
tigen hungarischen Magnaten, Bors und Jan gün
fig, welche die Krone an sichzu reißen trachteten k).
Bey dieser Gefahr wagte es der Abt von Dömöß
Paulus und der Graf Othmar dem Könige den
Vorschlagzu thun, daß er seinem Vetter Bela, dem
Sohn des Herzogs Almus, die Thronfolge zuwenden
möchte. Dieser Prinz war, wie man am Hofe bis
her geglaubt hatte, bey feiner Blendung entmannet
worden, und bald nachher verstorben. Allein die bey
den vorgedachten Männer versicherten, daß der Voll
zieher des königlichen Befehls ihm nur die Augen ge
nommen habe, und daß er noch lebe, von ihnen aber
erzogen und verborgen gehalten fey, weil sie den Fall,
der nun eintrat, stetsbefürchtet hätten. DemKönige
war diese Entdeckung so angenehm, daß er den un
glücklichen Prinzen aufdas eilfertigte vor sich führen
ließ,
Fürst Jaroslav vonKiew,gewesen sein, der aber schon
im Jahre 1123 umkam.
k) Bors war vermuthlich des Königs angeblicher Stief
bruder, welcher nach feinem Tode viele Versuche sich
aufden Thron zu drängen machte.
Hungarische Geschichte. 503 --
ließ, und gleich in die Mitregierung aufnahm. Er
befahl, ihn sogleich zu krönen undzu vermählen, und
trat ihm die tolnaerGespannschaft ab. Es schien aber
ein etwas schweres Geschäfte zu feyn, eine Prinzessin
auszuforschen, die verständiggenugwar, um ihn bey
der Regierungeines so schwerzu beherrschenden Reichs
zu unterstützen; die ferner folche Anverwandten hätte,
die mächtiggenugwären, um ihm den nöthigen Bey
fandgegen die Versucheder übrigen Kronbewerber zu
verschaffen;unddiebei diesenVortheilensich entschließen
könnte, den Verlust seiner Augen aus der Acht zu
laffen. Endlich fand man diese in der Tochter des
Oberzupans, oder Fürsten der Servier, Urofius des
Großen; und dieBegebenheiten dieser Prinzessin (He
lena)zeigen, daß man sich nicht betrogen hatte; denn
fie war sehr herrschsüchtig und schlau, und hatte Muth
genug, um bis zu der Grausamkeit frenge zu feyn.
Der König lebte nach dieser Handlung noch vier Jahr,
nicht für dasFeld oder für das Kabinet, sondern für
dasFrauenzimmer. Eine Empörung inKumanien,
bey welcher der kumanischeKönig umgekommen war,
brachte viele Kumaner nach Hungarn, und derKönig
nahm diese Flüchtlinge auf und versetzte sie zwischen
der Theisund Donau, wo schon mehrere kumanische
Kolonien waren. Bey diesen Kumanern fahe er
Mädchen,die ihn so außerordentlich rührten, daß er
ihnen und ihren Landesleuten nichts abschlagen konnte.
Daher fanden sich immer mehrere dieser Nation in
Hungarn ein. Aber die Hungarn geriethen über die
Vorrechte und Gaben, die sie erhielten, in einen so
heftigen Zorn, daßihre Magnaten kurzvor dem Tode 28April inz.
desKönigs ein großesBlutvergießen unter ihnen an
richten ließen.
Der König Bela eröffnete seine Regierungmit '' II wird
einem Reichstage zu Arad, '
welchem eine Gemah-"
Ji 4 lin
504 XXXIV. Buch. Aelteste
lin eine sehrgebieterische Rolle spielte. Sie trat näm
lich, gegen den Gebrauch der in Hungarn herrschte,
öffentlich auf, und forderte,daß man diejenigen zur
Strafe ziehen sollte,die ihrenGemahlgeblendet hatten.
Sie gebrauchte bei diesem Vortrage alle weibliche
Künste, und zeigte ihre Kinder vor, um Mitleiden
zu erregen. Dadurch erhitzte sie die Gemüther des
größten Haufens fo sehr, daß ein Auflauf entstand,
acht und sechzig Personen, die man für Theilnehmer
des gegen Almus und Bela gefällten Strafurtheils
hielt, sogleich erschlug, noch mehrere aber gefangen
nahm, und diese entweder mit ihren Weibern, Kin
dern und Angehörigen aus dem Reiche verwies, oder
auchzum ewigen Gefängniß verdammte. DieGeist
lichkeitzog aus diesem harten Verfahren den größten
Nutzen; denn man verheilte die Güter der Unglück
lichen unter die bischöflichenKirchenl). Es war na
türlich,daß bei dieser Begebenheit vieles aus Eigen
nutz und Neid unter der Larve desEifers für die Rä
chung desKönigs vorgenommen ward, und daß man
cher Unschuldiger sein Leben oder fein rechtmäßigesEi
genthum dadurch verlor. Daher ließ sich das Be
tragen der Verwiesenen nicht sehr tadeln, welche einen
neuenKönig aufden Thronzu setzen und den Belazu
Boris sucht den stürzen suchten. Diese fanden zu ihrer Absicht den
König zu vers obengenannten Prinzen Boris sehr bequem, weil die
drängen.
fer nicht nur von vielen für des Königs Kolomanns
Sohn gehalten ward, fondern auch von verschiedenen
auswärtigen Fürsten.Hülfe erwarten konnte m). Der
Prinz nahm ihren Antragbegierigan, und bekam von
dem griechischen Kaiser Kalo Johannes, mit dessen
Ver
I) Mo. de Kikullewp. 142.
m) Ottonis Frisingenfis Chron. apud Urflifium Ser. rer.
Germ. p. 151. Contin. Cosmas Pragemfis, Viennale
1753. ad an. 1132.
Hungarische Geschichte 505
Verwandtin er vermählt war, so wie von den rusfi
fchen Fürsten feinen mütterlichen Blutsfreunden, und
dem polnischen Herzog Boleslav beträchtliche Unter
stützungen. Sein Anzug machte den König Bela
so unruhig, daß er sich bei seinen beiden Schwester
männern, Adelbert dem Markgrafen von Oesterreich
und Sobieslav dem Herzog von Böhmen, um Hülfe
bewarb, dem Bruder des letztern, Konrad Mark
grafen von Znoim, zu einer Verstärkung des neuge
fchloffenen engen Bündniffes,feine dritte Schwester zu
einer Gemahlin gab, und den Herzog vonPolen bey
dem deutschen Kaiser, als Lehnsherrn desselben, ver
klagte. Jene beyde Fürstenfanden sich getreulich ein,
und Bela stieß mit seiner ganzen Reichsmachtzu ihm.
Diese schien ihm und seiner Gemahlin fast eben so ge
fährlich als heilsam zufeyn, weilviele mächtige Hun
garen in selbiger dienten, die die Begebenheit des er
fen Reichstages verabscheueten, oder auch dem Boris
nicht abgeneigt waren. Allein die Königin half sich J. Chr. mza
durch eine neue Grausamkeit. Der König mußte
nämlich, ehe er dem Feinde nahe kam, eine allgemei
ne Versammlung halten, und in selbiger die Frage
aufwerfen: ob Borisfür einen rechtmäßigen oder für
einen untergeschobenen Prinzen des verstorbenen Kö
nigs zu halten fey? Die Antwort fiel, sowie es die
Klugheit erforderte, oder nach der Erwartung des
Königs, gegen den Prinzen aus. Allein verschiedene
der Anwesenden konnten sich nicht enthalten, im ge
heimen Gespräche zu äußern, es fey der verstoßenen
Mutter des BorisUnrecht geschehen, und man habe
fie aus Nebenabsichten bey dem Könige in den Ver
dacht des Ehebruchsgebracht. Des Königs Freunde
faffeten diese Anmerkungen auf, und gaben dem Kö
nige davon Nachricht, welcher sogleich alle Unvorsich
tige niederstoßen oder gefangen nehmen ließ. Darauf
Ji 5 z09
506 XXXIV. Buch. Aelteste
zog er gegen feinen Feind, welcher nach einem kleinen
Gefechte fliehen mußte, weil der polnische Herzog ihn
verließ, fobald er aus einigen deutschen Worten, die
er hörte, vernahm, daß Deutsche bey dem Belawa
-
ren. Der böhmische Herzog setzte den Krieg gegen
die Freunde des Boris einige Jahre hindurch, ver
mittelt.Verheerungenpolnischer Landschaftenfort, und
J. Chr.1137. erst im fünften Jahre wurden die Polen, Hungarn
und Böhmen mit einander ausgesöhnt.
Dalmatische Von mehrern Thaten des Königs findet man
und bosnische
Eroberun zwar weder in den hungarischen,noch in deutschen, ita
0EN, liänischen und griechischen Jahrbüchern etwas aufge
zeichnet; allein gewisse Begebenheiten zeigen, daß
der Königdie venetianischen Besatzungen aus verschie
denen dalmatischenSeeörtern müffe vertrieben haben.
Zu diesen gehört, daß er den Bischofvon Belgrad,
oder Zaravecchia, als feinen Unterthanen behandelte
und in Gefandschaften gebrauchte; daß er gegen den
Pabst Innocentius das Vorrecht, den Bischofvon
Spalatrozu ernennen, behaupteten); und daß er dem
Stifte Spalatro Gnadenbriefe erheilte, in welchen er
sich den neuenTitel, König von Rama,beylegteo).
Dieses Rama schien ein noch neuer Staat zu feyn,
und hatte sich von Servien getrennt. Es erhielt fei
nen Namen von einem Strome, vertauschte ihn aber
öfters mit demNamen eines zweitenStroms Bofina,
und enthielt schon damals das ganze heutige Bosnien
bis an den Drino. Vielleicht war ein großer Theil
dieses Bosniens durch die Gemahlin des Königs an
Hungarn gebracht; denn diese mußte ein Erbtheil in
Servien haben, und der König ernannte feinen und
- ihren
n) Hr. Pray Annal. I.p. 129.
o) Lucius ap. Dn.de Schwandtner p. 203.
Hungarische Geschichte. 507
ihrenjüngsten Sohn Ladislav zum Herzog von
Bofina p). -

- Der ältere Sohn, Geiza II, welcher ihm auf13 Febr. 14.
dem Throne folgte q), scheint dasReichgegenMorgen Gefan König
ausgedehnet, und die Patzinaziten enger eingeschränkt
zu haben; denn er riefviele Sachsen, Flandrenfer
und andere Deutsche indas Land, und gabjenen ver
schiedene Wüsteneyen an der Gränze der Biffener (Pa
zinaziten)undKumaner r)zum AnbauderAecker und
* Wein
p) Fundatio Mon.S. Mariae Katharienfis. ap. B. Pez'Thef
anecdotorum T.VI. P. I. p.355. Geiza gab nachher
dem Belos von Servien feinem Oheim das Herzog
thum; ib. Eben dieser Geisa hatte den Boritzes, ei
nen Fürsten von Bothna in Dalmatien zum Bum
desgenoffen, welches Bofibna von den Serviern durch
den Fluß Drüna abgesondert ward, und dem Archizu
pan von Servien nicht unterworfen war, sondern ei
ner besondern Nation gehörte, die ihre eigene Sitten
und Gebräuche hatte. Dieser Bericht des Cinamus
(p. 102. 103. 142.) enthält die erste Nachricht von Bof
nien, und berechtiget uns zu der Muthmaßung, daß
Bosnien von Kroaten den Serviern entzogen, undauf
den Fuß der dalmatischen Seestädte mit Hungarn ver
einigt gewesen fey. -

q) Geiza nennt sich Geisa fecundus fecundi Belae regis


filius 1 148. Dipl. ap. Prayp. 136. Bey den Griechen
hatte er den Namen Jazas; bey den Deutschen aber
hießerzuweilen Kautse und Devia; Schier p. 111. 112.
r) Hr. Pray Diff, p. 169. Die Biffener wurden nicht
völlig unterdrückt, fondern waren noch 1224 in Sie
benbürgen. Außer den Flandrern, die man damals
auch in den nordlichen deutschen Provinzen zum Anbau
wafferreicher, niedriger Gegenden verfchrieb, waren
auch Lütticher fchon 1052 nach Hungarn gekommen.
Ibid. p. 165. Daß die Sachsen Obersachsen gewesen
find, scheint daraus zu erhellen, daß sie sich Detschen,
und andere Deutsche Muefr (oder Moseler) nennen;
eine Eintheilung undAussprache, die nur im oberfäch
fisch-gebirgischen Lande stattfindet. Dennoch sind sie
- 1.
508 XXXIV. Buch. Aelteste
Nimmt die Weinberge, undzum Auffichen der Metalle. Diese
Sachsenauf Aecker hatten bisher der Krone gehört, und bekamen
daher ihren heutigen Namen Königserd. Ihre neuen
Einwohner erhielten sehr große Vorrechte, die voll
kommenste Freyheit, einen eigenthümlichen National
richter, die Bestätigung des nürnberger Stadtrechts,
welches sie zu ihrem Gesetzbuch erwählet hatten, und
die Ehre, bey Heereszügen die Ritterdienste in einer
eigenthümlichen Rotte als eine abgesonderte Nation zu
leisten s). Zuerst wurden sie als Bergleute in die
Grafschaft Zips, bald aber auch zwischen der Drau
und Sau in die Gespannschaft Walpoversetzt. End
lich aberzogen sie sich alle nach Siebenbürgen, und
- erbaueten dort die Hauptstadt Zibin oder Hermann
stadt. Ihre wichtigen Vorzüge und Gerechtigkeiten
laffen vermuthen, daß Hungarn noch nicht inder be
ften Verfaffung war, und daß man daher die Aus
länder um einenjeden Preis in dieses Reich zu ziehen
trachtete. Man muß ferner aus selbigen schließen,
daß diese Ausländer den Preis so hoch als möglich
herauftrieben, und daß sie sich eine schlimme Vorstel
lung entweder von der Nation oder von der Reichsver
faffungmachten.Von der letztern haben wireinegleich
zeitige Beschreibung in des Bischofs Otto vonFreysin
gen Jahrbüchern, ohngefährinfolgenden Ausdrückent).
Die
in neuern Zeiten mit Niedersachsen fo fehr vermischt,
daß ihre heutige Sprache mehr nieder- als oberfläch
fisch zu feyn scheint. Origines Nationum etpraecipue
Saxonicae in Transylvania erutae a Val. Franckio Ci
bin. 1696. Eine Inschrift zu Braffova fetzt die An
kunft der Sachsen in das Jahr 1143. König Geiza
hatte schon 1154 eine besondere Rotte Sachsen in fei
nem Heere. Cinamus p. 141.
z) Dipl. confirm. de ann. 1224. Hr. Praya. O.
t) Otto Frisingenfis de geftis FridericiI. Imp. L.I. c.31.
ap.
Hungarische Geschichte. 509
Die Provinz Hungarn ist überall mit Wäldern, Hungarische
Bergen und Alpen umgeben, und dennoch in der Berufung
Mitte flach, und mit vielen Gewäffern und Forsten
angefüllet. Sie hat einen solchen Ueberfluß an aller
ley Wildpret, eine so große Fruchtbarkeit der Aecker
und so reizende Gegenden, daß sie wohl mit dem Pa
radies verglichen werden kann. Die Natur hat sie
mit den schönsten Aussichten versehen, welche aber,
weil das Volk noch zu rauh ist, nur an wenigen Stel
len durch Mauern und Gebäude neue Zierden von der
Kunst erhalten. Die Grenzen sind nicht über Berge
und durch Wälder gezogen, sondern nur durch das
Bette großerStröme ohngefährbestimmt. Esistöße
aber das Reich gegen Morgen, wo der bekannte Fluß
Sowa in die Donaufließe, an Bulgaria, gegen We
fen an Mähren undan diedeutscheöstliche Mark, gegen
Süden an Kroatien, Dalmatien, Histerreich oder
Kärnthen, gegen Norden an Böhmen, Polen, Ru
tenien (Reußen), gegen Südostan Rama, undgegen
Nordost an dieGefilde der Pecenarorum (Patzinaziten)
und Faloner (Walachen) u), in welchen vortreffliche
Jagden, aber keine Pflüge und Rechen angetroffen
werden. Da dieses Land beständigen Ueberfällen der
Barbarenunterworfen ist, so darfman sich nicht wun
dern, daßin felbigem Sitten und Sprache bäuerisch
und ungeschmückt bleiben. Es haben aber die Hun
garen
ap. Muratorium Ser. rer. Ital.-T.VI.p. 666. Herr
Rector Severini Pannonia p. 336.
u) Diese Stelle bestätigt den Satz, daß die Patzinaziten
noch am Ende des 12. Jahrhunderts einen Theil von
Siebenbürgen befeffen haben. Vielleicht find die letz
ten von ihnen die heutigen Szekler oder Siculi, die an
dere für Kumaner halten. Der den Walachen gegen
bene Name fcheint deutscher Herkunft zu feyn; denn die
Deutschen nannten Ausländer, insbesondere romani
fche Fremde, wie z.E. die Italiener und Gallier, Falen
oder Walen.
50 xxxiv Buch. Aelteste
garen ein fürchterliches Gesicht, tiefliegende Augen,
einen kleinen dicken Körper, wilde Sitten und eine
rauhe Sprache; dennoch ahmen fiel der Geschäfftigkeit
der Griechen darin nach, daß sie keine wichtige Sache
ohne vorgängige öftere und lange dauernde Berath
fchlagungen unternehmen. Da es bei ihnen nur sehr
elende Wohnungen in Dörfern oder Städten giebt,
und diese meistens aus Rohr, feltener aus Holz, und
äußerst selten von Stein verfertiget find, so geben fie
den Zeltenden Vorzug, unter welchen fielden ganzen
Sommer und Herbst hirchfichaufhalten. Zum
Hofe des Königs kommen die Vornehmern täglich,
um das Beste des Staats in Erwägung zu ziehen,
und jeder bringt seinen Stuhl mit. Eben dieses thun
die Nachbarn im Winter bey dem,der eine Wohnung
besitzt. Alle find ihrem Fürsten mit einer sehr großen
Unterhänigkeit unterworfen, sogar daß es einfchwe
res Verbrechen ist, ihn durch Widersprüche in Zorn
zu setzen, oder ihn durchgeheimesGeschwätz zu tadeln.
Von dieser Unterhänigkeit rührt es her, daß, da das
Reich in mehr als siebenzigGrafschaften verheilet ist,
zwei Drittheile der Gerichtssporteln der königlichen
Kammer, und nur ein DrittheildemGrafen zufallen,
ingleichen daß keiner in einem so geräumigen Bezirke
sich unterfängt, außerfür des Königs Kammer, eine
Münze zu prägen oder Zoll zu fordern. Beleidiget
ein Graf den König auch nur durch ein unbedeutendes
Versehen, oder wird er verleumdet, so kann ihn ein
jeder vom Hofe gefandter niedriger Bedienter mitten
unter feiner wohlbewaffneten Leibwache gefangen neh
men, in Banden schließen und zu mancherley Peini
gungen fortreißen. Der König spricht nicht, so wie
in Deutschland mit Zuziehung der Personen von glei
chem Stande ein Urtheil, auch darfkein Angeklag
terfich vertheidigen; sondern blos der Wille des Kö
- - nigs
Hungarische Geschichte. "511
nigs wird für die Stimme der Vernunft gehalten.
Beschließet der König ein Heer in dasFeldzuführen,
fomüffen sich alle ohne Widerrede in einen Haufen zu
sammensetzen laffen. Von den Landleuten, die in
den Dörfern wohnen, muß der neunzehnte oder acht
zehnte mit allem zum Zuge nöthigen Geräthe abgege
ben werden, die übrigen aber bleiben zum Ackerbau
zurück. Von denen, die zum Ritterstande gehören,
darf keiner, außer bei einem sehr schweren Hinder
niffe, zu Hause verbleiben. Die Ausländer oderGä
fe heißen bei den Hungaren Principes, sind sehr zahl
reich und umgeben den König in der Schlacht. Die
Hungarn erscheinen im Treffen schmutzig und garstig,
und gebrauchen auch sehr schmutzige Waffen. Den
nochfangen fie nun an, den Fürsten und Gästen, die
wir jetzt Söldner (folidarios) nennen, in der Fecht
kunst und in der Reinlichkeit des Gewehrs nachzuah
men, entweder weil viele von ihnen dergleichen Gäste
zu Vätern haben, oder auchweil sie sich von ihnen un
terweisen laffen müffen. Doch fieht man es ihnen
noch immer an, daß ihnen diese Reinlichkeit nicht na
türlich ist.
Der Bischof Otto von Freysingen erhielt diese Neue unruhe
Nachrichten wahrscheinlichdurchdiejenigenHungaren,"
welche dem hungarischen Kronprätendenten Boris an
hiengen; denn dieser Fürst fand sich gleich nach Gei
zas Thronbesteigung an dem Hofe des deutschen Kai
fers Konrad III ein, und riefden Kaiser alsSchutz
herrnder ganzen Welt um Hülfe an. Man gab ihm
aber kein Gehör. Einmal weil des Kaisers Sohn
und Thronfolger Henrich mit des Königs Schwester
verlobt war v); und ferner weil der König Geisa den
baieri

v) Das Verlöbniß gefchahe 1139 in der Kindheit des


Prinzen und der Prinzeffin; (Contin. Cosmae Pragensis
P. 35
312 XXXIV. Buch. Aelteste
baierischen Herzogzu Ravensburg Welf,welcher nach
dem Herzogthume Baiern strebte, insgeheim unter
füßte, und durch selbigen den Kaiser in Teutschland
J. Chr., 1145. zurückhielt. Boris bekam dennoch einige Hülfe von
den Herzogen Vladislav von Böhmen und Henrich
von Oesterreich, und der letztere ließdurch Ratold, ei
nen feiner Gränzschloßgefeiffenen, plötzlich Presburg
überfallen und für den Boris in Besitz nx).
EN

p.35. Hr. Pray Annal. reg. Hung. I.p. 131) daher


ward die Prinzessin in dem steiermärkischen Kloster Ad
mont bis zu ihrer Vermählung erzogen, die aber nicht
erfolgte, weil ihr Bräutigam 1 150 verstarb. -

x) Otto Frißng. de gestis Frid. I. L.I. c.30-32. ap. Mu


ratori T.VI.p.664. Fast scheint es, daß aus dem
baierischen Herzogthume noch ein anderes Heer deut
fcher Unterthanen in Dalmatien gedrungen fey, und
einige kleine Eroberungen gemacht habe, denn es fin
det sich in Urkunden feit dem Jahre 1146 ein gewisser
baierischer Graf Konrad von Dachau, unter dem Titel
Herzog von Dalmatien und Kroatien. Dieser Titel
ist von feinen Nachfolgern und von deren Erben, den
Grafen von Andechs, bis aufdasJahr 1189 geführt.
Jener Konrad war Markgraf von Istrien. (S. meine
Geschichte der erblichen Reichsständein Deutschland
1Th. S. 186) Zu einiger Erläuterung dient die geo
graphische Beschreibung,welche desKaisers OttodesIV
Senefchal Gervafius Tilberienfis, etwa vierzig Jahr
nach dem ersten Gebrauche des dachau-dalmatischen
Titels, aufgefetzet hat (Leibnitii feript. rer. Brunfv.
T.II.p.769); denn nach dieser besaß der Markgraf
von Istrien vieles, und der König vonHungarn nichts
von Dalmatien. Dalmatien begriff nämlich die Diö
cefe des Patriarchen vonAquilegia, oder diejetzigenve
netianischen Bischofthümer in Oberitalien, Mantua,
Beluno, Cabo d'Itria, Triefe, Comaclo, Parenza
und Pola. Zu Istrien gehörten die Bischofthümer
desPatriarchsvon Grado. Dann folgten Ducatus II.
Regis Hungariae, nämlich 1) ladrenfis nebst Osorno,
Veglia, Arda, Novi undZeng, und 2)
-
- TMU,
Hungarische Geschichte. 513
Dem Könige Geisa war die Nachricht von diesem
Vorfalle sehr unerwartet, weil ihm kein Krieg ange
kündigt war. Allein er fammlete aufdasgeschwinde
fe ein sehr großes Heer, und schloß mit selbigem Pres
burg ein. Die Oesterreicher vertheidigten sich; allein
da fiefahen, daß sie keinen Entfaß erwarten durften,
fo nahmen sie dreitausendPfund Silber vom Könige
an, und verließen die Stadt. Der König wandte J. Chr. 1146.
fich darauf mit etwa70.000 Mann gegen die Leita,
die damals sein Reich von Oesterreich absonderte, er
focht einen Sieg über den österreichischen Markgrafen . . . - -
oder Herzog Henrich, und verheerte das Land bis an
die Fischa. Im nächsten Jahre drang der Kaiser in '“
Hungarn, gieng aber, nachdem er vom Könige die
Einwilligung zum freien Durchzuge erhalten hatte,
durch Griechenland nach Jerusalem. Ihm folgte der
König Ludewigvon Frankreich, welcher den Boris in , . . . . .
feinem Lager hatte. Dieser hoffte einen Anhang im
Reiche zufinden, und durch selbigen fich zum König
zu erheben; allein er ward ausgekundschaftet, gerieth
in Gefahr ausgeliefert zu werden, und entrann nach
Konstantinopel.
Der König Geisa mischte sich während der vorer- Krieg mit el
zählten Begebenheiten in gewisse russische u: nigen Rufen,
- 1110i). "
Trau, Scardona und dem Bischofthum Croatia. An
diese stießSclavonia oder das Erzstift Ragufa, mit den
Bischofthümern Stagno, Trebigno, Bosna, Cataro,
Roffa, Budua, und das Erzfift Antivari nebst den
Diözesen von Dolcigno, Suacinium, Drivafo, Po
la, Scotra, Albinum, Sarda und Scodro. Dasje
zige Königreich Szlawonien ward zu Hungarn gerech
net, und Bulgarien, welches an jenes Sclavonia
gränzte, enthielt ohngefehrdie heutigeBulgarey, näm
lich Archiepiscopatum Ternovo, Prithlaba und Ehud
five Nelesbud, und den Episcopaeum Brunfiberensem,
Loniffenem, Budienfem, Priftinenfen undScopionfeu,
Allgem.Peltg.: KVB,1.Abth. K. -
54 xxxiv-Buch. Aelteste
nicht nur weil er mit den regierenden Häusern, die dar
an Theil nahmen, verwandt war, sondern auch weil
er des russischen Beystands gegen die Polen und ge
gen diejenigen russischen Fürsten, die desBoris Vet
tern waren, öfters bedurfte. Die damalige Verfas
fung des russischen Reichs war nicht die glücklichste;
denn es herrschten viele kleine Fürsten, aus welchen
der Großfürst zu Kiew gewählet ward, mit gleicher
Macht in ihren Staaten, und die Unterthanen hatten
das Vorrecht, diese Fürsten, wenn sie ihnen nicht ge
J.Chr. n144. fielen, abzusetzen. Der König Geisa sandte einem
-, Fürsten Wolodimir von Galiß oder Halisch Hülfe ge
gendenGroßfürsten Wsewolody); allein Wlodimirbe
freyete sich durchGeld, ohne die Hungarn gebrauchtzu
haben. Nicht lange darnachgaberdemGroßfürsten.Ist
jaslawzuKieweinbeträchtlichesHülfsheerzum Dienste
J. Chr. 1149. gegen den Fürsten von NovogorodGeorg Wolodimierz,
welcher ihn von der Oberherrschaft verdränget hatte. -

Aber dieses wich dem Gefechte aus, gab dem Groß


fürsten denRath, sich freundschaftlichmitdem Fürsten
Georgauszusöhnen, und giengin sein Vaterlandzurück.
Wie es schien, gefiel dem Könige Geisa dieses Ver
II. Chr., 11:5, fahren feines Heeres nicht, denn er ließ im nächsten
Zuge ein neueshungarisches Heerzu dem Großfürsten
Iljaslaw stoßen, welches mit Muth und Glück fochte
und den Gehülfen des Großfürsten Georg, oder den
Prinz Wlodimirko von Halicz oder Galizien schlug.
Sein Sieg ermunterte den Ijaslaw zu der Schlief
fung eines recht festen Bündniffes mit dem Könige
Geisa, und sein Sohn Mstislaw, den er zu dieser
Absicht an den König fandte, nahm den König fo
fehr ein, daßfelbiger sich mit feiner Enkelin oder Mi
stislaws Tochter Euphrosina vermählte, und selbst mit
E1NEN

v) Sammlungrussischer Geschichte 1ThS458uf 462.


-
Hungarische Geschichte. 515
einem starken Heere nach Rußland giengz). Dieser
Zugwar entscheidend; denndie Hungaren trieben den
Wlodimirko aus Halitsch, verfolgten ihn bis Pere- I. Chr. ng.
misl, und zwangen ihn zum Frieden. Die Ruhe, - - - - - -
die nun erfolgte, dauerte aber nur folange als Geisa
in Rußland verblieb, und ward vom Wlodimirko noch -

in selbigem Jahre unterbrochen. Allein da Wlodt


mirko einen vergeblichen Versuch auf Kiew, sowie im
nächsten Frühjahre Ijaslaw aufHalicz,gewagt hatte,
fofanden beide Partheyen, daß ihre Kräfte sichgleich
wären, und fanden von der Fortsetzung der Feindse
ligkeiten ab. - - - - - -

Der KönigGeisa konnte an den spätern russischen Servlich grie


Begebenheiten keinen weitern Antheil nehmen, weil chischer Kriege
er sich in die Streitigkeiten eines andern Nachbars
verwickelte, und durch selbige mit dem griechischen
Kaiser in Krieg gerieth. Hierzu ließ er sich von sei
nem Mutterbruder Bela oder Belofis überreden, dem
er gernefolgte, weil er mit ihm von Jugend aufer
zogen war, und ihn sehr liebte a). Belos war mit
einer Schwesterdes Archizupan von Servien Bakchi
nos vermählt, welcher zu Scutari unter griechischer
Hoheit herrschte, aber dieser die hungarische Hoheit
vorzog. Bakchinos bat den Belos ihm hungarische
Hülfsvölker zu verschaffen, um ficher eine Empörung
- Kk 2 gegen

- ) Ich binhier den russischen gleichzeitigen Annalifen ge


folget, welchezuverläffiger als Johann von Kikullew
sind. Nach dem Johannward Mstislaw, oder wie er
ihn nennet Minoflaw, schon 115o vom Könige gegen
andere Ruffen undgegen die Kumaner, aber fehr um
glücklich, unterstützt. DieEuphrosina foll schon 148
vermählt feyn. S.Schier a. O. S. 11o. -

a) Bela war damals Mapanos von Päonien, oder Pala


tinus Hungariae, (Cinamus edit. Traject. ad Rhenum
1652.p. 1C9) und Dux Boanenfis (Pez Thef anec
dot.T.VI. P.I. p.355).
-

516 XXXIV. Buch. Aelteste


gegenfeinen Kaiser unternehmen zu können, und fand
um so viel leichter Gehör, da der Kaiser Manuel in
Dalmatien gefallen war, und ein hungarischesSchloß
3. Chr. 11st. Rasa (vielleicht Ragusa)eroberthatte. Man bot da
her sogleich ein Heer in Dalmatien und Hungarn
aufb), und rückte so eilfertig als es nur möglich war
an den Taranstrom. Allein der Kaiser Manuel, der
desBakchinos Neigungzu der Empörungzufrühzeitig
entdeckte, kam ihm zuvor, schlug die Hungaren durch
feinen Protosebastos Johannes, und ließ dem Bak
chinos so heftigzusetzen, daß er sich demüthigte, um
Gnade bat und sichzu einem größern Lehndienste ver
- pflichtete. . . ..»
S.CH, 1152, DerKaiser Manuel fand es nöthig, die Hunga
ren für den Antheil, den sie an des Bakchinos Em
pörung genommen hatten, zu bestrafen, und kün
digte ihnen eine Entschließung nicht nur durch ein
Schreiben voll Drohungen an, sondern gieng inSer
vien über die Donau und eroberte und schleifte die
Mauern der Stadt Sirmium oder Zeugmenc). Der
König Geisa verspätete sich, und zog sich, weil er eine
Schlacht vermeiden wollte, zurück. Sein Gegner
Borisfolgte ihm bis Branizova (Panzova bey Bel
- - grad)
b) Das hungarische Heer bestand, wie Cinamus (L.Il.
.. p. 115) meldet, aus christlichen Hungaren, aus mo
faischen Chalifiern und ausPatzinaziten. Die Chali
- sier sind die, die in den hungarischen Schriften Ismae
liter heißen. Der Notarius Belä versichert, man
habe den Ismaelitern Land bey Pest gegeben. Allein
der Name Chalis scheint aufHalicz zu deuten, und
- dann müffen die Mohamedaner (denn von Juden fin
... det man gar keine weitere Spur) Kumaner gewesen
feyn. Die Chalifi erscheinen bey dem Cinamus noch
einmal S.269 bey der Vertheidigung Sirmiens 1 i65.
g) Griechische Schriftsteller bey dem Hrn. StritterT.II.
- p. 175. und Cingmus . c. p. 131. 141. - -- - -
Hungarische Geschichte, st
grad), und verheerte die benachbarten Gegenden; er
aber arbeitete an einem Vergleiche und föhnte sich mit
dem Kaiser aus. Branizova blieb nun griechisch,
und erhieltzugleich mit Naiffuseinengriechischen Her
zog, nämlich Andronikos einen nahen Verwandten
des Kaisers. Dieser Fürst ward vom Kaiser für ei
nen sehr getreuen Unterthan gehalten; allein er war
es nicht; denn er wünschte denKaiser vom Thronezu
stoßen, und ließ sich mit dem Könige Geisa in ein J. Chr. 115.
Hülfsbündniß ein, um durch hungarische Waffen zu
feinem Zweck zu kommen. Er hoffe zwar den Kaiser
überlisten zu können, und eröffnete ihm seinegeheimen,
Unterhandlungen mit dem Könige, die, wie er vor
gab, zur Absicht hatten, die vornehmsten Hungaren
in feine unddes Kaisers Gewalt zu bekommen. Al
lein der Kaiser war ihm zu schlau, und ließ ihn, fo
bald er merkte,daß seine Empörung zum Ausbruche
reiffey, einsperren. Inzwischen rückte der König
Geiza, dem diese Gefangennehmung verborgen blieb,
mit hungarischen, zechischen (böhmischen) und fäch
fischen Soldaten vor Branitzoba, und Borizes, der
Fürst oder Band) von Bothna (Bosnien), mußte
sich gleichfalls in Bewegung setzen. Allein da der
Kaiser gegen den Königzog, und ein Feldherr Ba
filius den Borizes angriff, fo mislung dieser Zug.
Die Hungaren mußten die Belagerungaufheben und
giengen über die Donau zurück nach Belgrad, welche
Festung sie aber den Griechen nicht entreißen konnten.
Ihr König hatte den Verdruß, daß sein Bruder.Der Prinz
Stephan zu dem griechischen Kaiser übertrat und fein ' Ells
Söldner ward, und daß diesem Beyspiele auch der””
Kk 3 zweyte
d) Daßin Kroatien zu dieser Zeit schon ein Banvorhan
den gewesenfey, erhellet ausUrkunden. Daher scheint
es, daß der bosnische Fürst diesen Titel auch gefüh
ret habe. - - - - - - -
518 XXXIV.Buch. Aelteste
zweite Bruder Ladislaus folgte, Borizes ward so
geschwächt, daß er den Hungaren keine Hülfe leisten
konnte. Dennoch gelang esdem Könige,diesen Feld
zug mit einem Siege zu endigen.
J. Chr. ns4. Im nächsten Frühlinge ließ derKaiser eine be
trächtliche Anzahl von Schiffen die Donau hinauf
bringen, und begab sich selbst über die Sau nachSir
J.Chr.m35.mium. Allein da ihm der KönigdiegriechischenGe
fangenen unter der Bedingung der Aussöhnung anbot,
so entschloß er sich diese anzunehmen, und untersiegelte
den Frieden. Aufdem Rückzuge büßte der hungari
fche Kronprätendent Boris durchdie Faust einesKu
maners, der über den unerwarteten Ausgang dieses
Feldzuges misvergnügt war, das Leben ein e).
J.Chr.m38. Der König stiftete gleich nach der Endigung die
- fes Krieges das Bischofthum zu Neitra, bekam aber
bald eine neue Veranlassung zum Kriege mit dem
abendländischen Kaiser Friedrich, der er durch güt
liche Unterhandlungen auszuweichen suchte f). Es
hatte sich nämlich sein Bruder Stephan an den Kaiser
Friedrichgewandt, um durch ihn die Hülfe zu erlan
gen, die ihm dergriechische Kaiser abschlug. Dieser
gab vor,daß er durch den Ban Bela auf den Ver
dachtgebrachtfey, daß er das hungarische Reich an
fich zu reißen suchte und ihm daher nach dem Leben
trachtete, und bat den Kaiser ihm Sicherheit für sich
und sein Vermögen in Hungarn zu verschaffen. Der
Kaiser sandte aus kaiserlicher Machtvollkommenheit,
oder als Oberrichter der Christenheit, Abgeordnete an
den Königund ließihm Vorstellungen thun, welche in
Erwägung gezogen und durch königliche Gesandten auf
dem nächsten deutschen Reichstage zu Regensburg be
antwortet wurden. Der König versicherte, daß der
- Prinz
e) Otto Frisingefs l. c. e.32. -

f) Radevicus de reb. geftis Frid. I. L.I. c. 12.


Hungarische Geschichte. … 519
Prinz fich ohne die geringste Veranlassung zu feinen
Feinden den Griechen begeben habe, und nun erst,
nachdem er bei dem Gebrauch der Waffen untergele
gen fey, über Gefahr und Kränkung klage. Auch
fey ihm der Aufenthalt im Reiche nicht verweigert,
und er könnte sich in selbigem so lange aufhalten, bis
daßdie Richter ihm die Landesverweisungzuerkennten.
DieseGründe, ein Geschenk von tausend Pfund Sit
ber, und der Mangel der Zeit, da der Kaiser im Be
griffwar gegen die Stadt Mailand,die sich empört
hatte, auszuziehen, hinderte den Kaiser ein Urtheil
zu sprechen. Er ließ daher den PrinzenStephan über
Venedig nach Griechenland in Sicherheit bringen,
und begab sich nach Italien. DerKönigGeisa fandte
ihm zu Schiffe und zu Lande einige Hülfsvölker unter
der Anführung einer vornehmsten Baronen und Gra
fen und unter der Oberaufsicht des österreichischenHer
zog Henrichszu, und diese trugen vieles zu der De
müthigung der Mailänder bey. Diese erneuerten ihre
Widersetzlichkeit, sobald der Kaiser nach Deutschland
zurückgekommen war, und der König bot abermals
feine Hülfe dem Kaiser an, der sie aber nicht annahm.
Nicht lange nachher starb der König, und die 31 May m6.
Magnaten eilten, feinen minderjährigen PrinzenSte
phan IIIzu krönen, und erklärten in desselben Namen ' II.
alle Unterthanen aufdrei Jahre frei von allerSteuer.
Der vorgedachte PrinzStephan der ältere behauptete,
daßer nachhungarischem Gebrauche als Bruder den
Sohn des letzten Königs von der Thronfolge aus
fchließen müsse, und fand den Kaiser Manuel geneigt
feiner Forderung einGewicht zu geben. Der Kaiser,
der eigentlich die Absicht hatte Hungarn in eine grie
chische Reichsprovinz zu verwandeln g), forderte daherJ. Chr. 1162.
Kk 4 das

s) Cinnamus L5 p.219 u.f, Stephans Gemahlin,


- --- Maria

--
520 XXXIV Buch. Aelteste
das Reich für Stephan den ältern. Allein die
hungarischen Stände wiesen ihn mit der Entschuldi
gung ab, daß sie keinem Prinzen, der eine griechische
Gemahlin habe und ein kaiserlicher Unterthaney, ihr
Reich anvertrauen könnten. Diese Erklärung diente
zum Aufbruchszeichen für dasgriechische Heer, wel
ches sogleich bis Branizoba und Belgrad vorrückte.
Neben selbigem sandte derKaiser feinen Vetter Alexios
Kontoftephanos mit Geld und Vollmachten zu den
Hungarn, und dieser Prinz wußte die Stände durch
glatte Worte dahinzu bringen, daß sie zwar nicht den
Stephan, aber dennoch dessen Bruder Ladislav
zum König annahmen. Dem Kaiser gefiel diese
Wendung, die ein Antrag genommen hatte, weil La
dislav gleichfalls ein Bedienter war und ihm gehor
chen mußte. Dennoch drang er darauf, daß Ste
phan der ältere zum Thronfolger h) ernannt werden
follte, welches auch geschahe. Der König Ladislav
zerfiel mit feiner Nation gleich nach feiner Krönung
und begab sich nachKonstantinopel. In dieserStadt
14. Jan. 1162, büßte er bald sein Leben ein i), und nun bestieg Ste
phan der ältere oder vierte nach desKaisersWun
fche den Thron k).
Dieser
Maria Connena, war des Kaisers Manuels Bruders
Tochter. Ihr Vater Isaak hatte sich, ohngeachtet er
alter als der Kaifer war, durch fein unordentliches Le
ben um die Thronfolge gebracht. Sie starb unbeerbt.
h) Cinamus fchreibt den Titel Urum, und Hr.Pray be
merkt S. 148, daß er Urunk (Unser Herr!)geschrieben
werden müffe.
i) Schier p. 127.
--
k) Dieser Königgebrauchte in einer Urkunde die Benen
-
nung: Stephanus Belae regis filius. Die Urkunde ist
gegeben. 1163 Ind. XI. anno II. Er muß also über
fünf Monat regiert haben, ohngeachtet Job.de Rikul
lew ihm diese Zeit nur bestimmt. Dieser Johann#
nicht
-

Hungarische Geschichte. 52t


Dieser Prinz verstand die feinere Regierungs-Stenham w.
kunft so wenig, daß er die schon gegen ihn-genugfam
aufgebrachte Nation durch allerley Gewaltthätigkei
ten biszu der größten Erbitterung trieb. Sobald er
diese merkte, entfiel ihmderMuth, und er flohe zufei
nem Herrn,demKaiser Manuel, um vermittelt grie
chischer Kriegesleute in einem Blutbade die Leute zu
vertilgen, die feinem Lebenzu drohen schienen. Der
Kaiser gabihm ein Heer, und weil er an dessen Spi
ze keinen Widerspenstigen in Hungarnfand, fotäusch
te er sich mit der Zuversicht, daß die Bereitwilligkeit
des Kaisers, ihn bey der ersten Gefahr mit Soldaten
zu unterstützen, alle Misvergnügte inSchrecken gef
zet und aufewig gehorsam gemacht haben werde, und
entließ die Griechen. Vermuthlich hatte der Kai
fer diese Kriegesmänner nicht unentgeltlich geliehen,
denn er forderte für den Zug Zeugmen und Fran
kenland, oder Sirmien und Szlavonien; und es
scheint, daß ihm Stephan diese Länder abgetreten hatte. .
Wenigstens bekamen die hungarischen Stände nach - -
dem Abzuge der Griechen eine neue Veranlaffung zu
Beschwerden über Beschädigung ihres Reichs, und
trugen diese fo dringend vor, daß Stephanus aber
mals entwich, und sich in einer dergriechischen Donau
fädte verbarg. Dieses war denhungarischen Reichs
fänden sehr angenehm. Denn nun konnten sie wieder
zu ihremverdrängten minderjährigenKönigStephan
dem III.zurückkehren, welches sie auch sogleich haten. Stephan II.
Sie ordneten diesem Prinzen seine Mutter und die
vornehmsten Prälaten und Baronen zu Vormündern
Kk 5 ZU,

nichts von feinen, und feiner nächsten Vorfahren und


Nachfolger Thaten aufgezeichnet. Stephans IV Bege
benheiten muß man aus dem Cinamus S. 220 u.f.
lernen.
32 XXXIV Buch. Aelteste
zu 1), und setzten sich in einen guten Verheidigungs
fand. Der Kaiser gab dem ältern Stephan IV.
Geld und ein kleines Heer unter des Alexius Anfüh
rung, und folgte ihm selbst mit dem Hauptheere nach,
um ihm aufdas geschwindefte wieder zu seinem Reiche
zu verhelfen.
Derjüngere Stephan III hatte einen Bruder
2Bela, dem sein Vater einen Reichstheil als ein Herz
zogthum im Testamente vermacht hatte. Diesen
Prinzen bestimmete der Kaiser zu seinem Schwieger
fohn und Thronfolger, unter der Bedingung, daß
ihm sein väterliches Erbland sogleich abgetreten wer
den sollte m). Ein Antragvon dieser Art schien den
Hungaren nicht unangenehm zu feyn, ohngeachtet das
Vortheilhafte desselben blos aufder kaiserlichen Seite
war. Daher fand der König Vladislav von Böhr
men, welcher als Hülfsgenoffe des hungarischen Kö
nigs nach Hungarn gekommen war, nun aber die
Friedensvermittlung übernahm, bald Gehör, und der
Kaiser und Königföhnten sich aufKosten des vertrie
J. Chr. 1164. benen ältern Königs Stephans IV aus. Der Prinz
Bela erhielt sein Erbland, welches Sirmium, Szla
vonien und Kroatien gewesen zu seyn scheint n), und
ward in Constantinopel Alexiusgenannt, zum Despo
ten und Cäsar oder Reichsthronfolger erklärt, und mit
der Prinzeßin Maria vermählt o). Kaum war die
- fer
l) Schier. Reginae Hungariaep. 111.
m) Schier p. 124.
n) Hr. Prayp. 150. Cinamus p. 233. Continuatio Cof
mae Prag. p. 57.
o) Schier p. 124. Bela ward seit dieser Zeitam griechi
-
fchen Hofe erzogen, schien aber keinem großen Glücke
entgegen zu sehen: denn feine bestimmte Gemahlin war
fehr gebieterisch, herrschsüchtig und männlich, und
konnte die Wirkungen dieser Fehler um desto mehr
-
EN
HungarischeGeschichte. - 522
fer Vertraggeschloffen, und Bela in den Besitz eines Bela wird D
Landesgesetzet, als auch schon die Hungarn die wah- '
re Beschaffenheit der belaischen Thronbesteigung einzuºtien.
fehen anfiengen. Sie merkten nun, daß der Kaiser
ohne Mühe Provinzen, die er vielleicht mit dem
Schwerdte nicht würde erlanget haben, in seine Ge
walt bekommen hatte,daß es in einer Macht stand,
dem Bela dieses Erbland abzunehmen, und daß er
esgewis als sein Eigenthum und Erbebetrachtenwür
de, wenn Bela ohne Kinder versterben sollte. Ver
möge ihres Nationalcharakters scheueten sie die Weit
läufigkeiten, die mit den Unterhandlungen verbunden
find, und gebrauchten dafür die Waffen. Sirmium
ward demnach von ihnen plötzlich berennet, und nebst
dem übrigen Lande des Bela fast ohne Widerstand er
obert. Der Kaiser eilte, sobald er dieses erfuhr, nach
der Donau, und nebenihm gieng auchStephan IV
nach Hungarn. Der letzte versprach sich einen be- -

trächtlichen Zulauf; allein er fandvielmehr, daßfei- : "


ne Anhänger seinem Gegenkönige geneigter als ihm
waren, und verlor so viele von ihnen durch freywilli
ge Entfernung, daß er dasFeldverlaffen mußte. Das
kaiserlicheHeer schiffte über die Sau und Donau, und
lagerte sich bey Titul undPetrikon (Peterwaradein),
nicht nur in der Abficht Sirmium und des Bela Land
wiederzu erobern, sondern auch um den ältern Ste
phan zu retten. Allein ehe es zum Treffen kam, ver
trug der böhmische Königbeyde streitende Mächte auf
das neue. Der Kaiser versprach dem hungarischen
Reiche eine völlige Sicherheit in Rücksicht des
- te

gen ihn auslaffen, da feine Thronfolge im Kaiserthum


auf ihrer Ehe beruhete. Sie war im Jahr 1163 erft
eilf Jahr alt, von verschiedenen Prinzen aber, und
unter diesen auch vom Kaiser Friedrich II., vergeblich
zur Gemahlin begehret worden.
524 XXXIV. Buch. Aelteste
Stephans, unddie hungarischen Stände lieferten ihm
die Landschaften des Bela wieder ab.
Dem ältern Stephan misfiel dieser Vertrag,
der ihm alle Hoffnung seine verlorne Würde wieder zu
bekommen raubte, so sehr, daß er gegen alle Vorstel
lungen des Kaiserstaub blieb; und der Kaiser glaub
te, die Ehre seines Hauses erfordere, den Stephan
nichtzu verlaffen, weil er mit einer kommenischen
Prinzessin vermählet war. Er gab ihm daher einen
Theil seines Heeres unter der Anführung eines gewis
fen Nicephorus Chaluphes, ohngeachtet er durch diese
Handlungdenkaum besiegelten Frieden verletzte. Cha
luphesgetraute sich nicht etwaszu wagen, weilSte
phans Leute treulos und unsicher zu feyn schienen, und
gab dem Stephan den Rath nach Sirmiumzu gehen.
Dieser ward verworfen. Chaluphes warf sich nun
selbst in Sirmium, undStephan fahe fich bald genö
thigt ihm zu folgen.
J. Chr. 1165. Der Kaiser vermuthete, daß die Hungaren den
Frieden nicht gewissenhafter als er beobachten würden,
und beschloß, außer feinen Unterthanen, alle Nach
barn der Hungaren in das Feld zu bringen, und zu
versuchen, ob es nicht möglich fey, das hungarische
Reichin eine griechische Provinz zu verwandeln. In
dieser Absicht sandte er seine geschicktestenStaatsmän
ner an den Sultan oder Zupan der Servier, an die
Venetianer, an den Herzog Henrich von Oesterreich,
und an den Fürsten Hieroslaosvon Halicz, oder rich
tiger Rostislaw, Fürstenzu Smolensko und Kiewp).
Der
p) Cinamus nennet diesen Fürften bald Hieroflabos Re
genten von Galitzi, bald Primifthlabos, bald Rohfif
labos, und fagt (S.256) in feiner Stadt Riama fey
ein Archieros,der dem griechischen Patriarchen unter
cordnet sey. Er muß also wohl den Rostislaw Für /
' von Smolensko und Kiew anzeigen wollen, “
- er
Hungarische Geschichte. 525
Der letztere versprach nur,daßer demKönigevonHun
garn dasHeer und die Tochter,die erihmverlobthatte, - -

nicht endenwollte,wichaberdem Angriffsbündniffeaus.


Der Zupan mußte als ein Lehnmann dem Kaiser fol
gen, und die Venetianer rüsteten ausStaatsabsichten
zu einer Unterstützung, hundert Galeren aus. Auch
bekam er einen andern russischen Fürsten Vladislav
zum Beistand, welcher mit seinen Anhängern sich in
des Kaisers Dienste begab, und Land ander Donau,
vermuthlich in der Bulgarey, erhielt. Die Hungarn
erhielten gleichfalls von einigen russischen Fürsten, und
dann auch von dem böhmischen Könige eine Verfär
kung. Ein kleines Heer des letztern schloß Sirmium
ein, und betrieb die Belagerungmit dem größten Ei
fer, weil es wußte, daß eine griechische Flotte zum
Entsatz aus dem schwarzen Meere in die Donau kom
men werde. Die Sirmiener vertheidigten sich mit
gleicher Hitze, denn ihr Oberhaupt war der ältere
Stephan, der, wenn er in der Hungaren Hände ge
rathen sollte, sich keine Gnade versprechen durfte.
Endlich entschied eine Verrätherey das Schicksal die
fer beiden Partheyen. Denn die Hungarn bestachen
den Leibdiener desStephans, daß er seinen Herrn bey
einemAderlaffe mit einer vergifteten Lanzette tödteteq),im März urss.
und
cher 1167 starb, und ein Bruder des Isjaslaw des - -- -
beständigen Freundes der Hungaren war. Seine Toch- - -
ter ward zwar mit dem Könige Stephan vermählt, - -
aber im nächsten Jahre wieder verstoßen. Cinamus
p. 285. - -

q) Cinamus p.260. Schier p. 128. Io. de Kikullew


fagt in derChronica Hung. Stephan feyim CastroZem
len (Zeugmen) 1 173 idus Aprilis gestorben und 1172
III id. Febr.gekrönt, und habe nachGeisas Tode, den
er aufdasJahr 1161 pridie Kal. Iunifetzet, eilf Mo
nat geherrscht. Es muß also bey ihm ein Schreibfeh
- ler feyn, und der erste Abschreiber muß für MCLXV,
IIIid.Aprilis gelesen haben MCLXXIII, id.Aprilis.
526 XXXIV. Buch. Aelteste
undboten den Belagerten so viele Vortheile an, daß
Stephan TV, fie die Stadt öffneten. Die Nachricht von dieser Ue
kommt UM
bergabe brachte den Kaiser in den heftigsten Zorn.
Daher sandte er sogleich einHeer unter dem Johannes
Dukas nach Dalmatien, und gieng selbst in Gesell
fchaft des Bela oder Alexius nach der Donau. Er
wandte nun seine Macht gegen Sirmium; und weil
in dieser Stadt sehr viele dalmatische und kroatische
Supane lagen, und diedalmatischen Seestädter stets
geneigt waren, sich dem Mächtigsten ihrer Nachbarn
zu unterwerfen, foward esdem Dukas nicht schwer,
Trau, Sebenico, die Katzikier mit ihrer Stadt Spa
Makro, und überhaupt sieben und funfzig dalmatisch
kroatische Städte der Herrschaft seinesKaisers zu un
Kerwerfen. Die firmische Besatzung wandte alle Mü
he und Kunst an um ihre Stadt zu behaupten, und
ihr Königverließ sich aufdie Stärke ihrer Mauern so
sehr, daß er den Entsatz aufhob, bisdaß er die böh.
mischen und russischen Hüfsvölker erhalten haben wür
de. Allein die Griechen stürzten die Mauern früher
als man es für möglich hielt ein, und eroberten die
Stadtim Sturm. Nach diesem Vorfalle hielt sich
der KönigStephan zu schwach, und fuchte den Frie
. .. . . .
den, welchen er, nachdem er allem Rechte aufdie ver
lornen Länder entsagte, erhielt.
J. Chr. 1166, Nachdem der Kaiser zurückgekehrt war, über
Griechisch
hungarische rechnete der hungarische Königdie Größe eines Ver
- Kriege. lustes, und fand ihn so wichtig, daß er den Frieden
brach, mit Hülfe des servischen Archizupan Deses die
Griechen in Sirmium angriff, und dasfirmische Ge
biet eroberter). Der Kaiser machte nun einen groß
fen Entwurf, und wollte die Hungarn nicht nur von
Siebenbürgen ab angreifen, sondern auch zwischen
zwey Heere bringen. In dieser Rücksicht andte er
den
r) Cimamus P.271. Hr. Praya. O.p. 156.
Hungarische Geschichte ser
den Protofrator Alexiosan die Donau und Sau, mit
dem Befehle ein Treffen zu vermeiden, und durch
falsche Bewegungen alle bewaffnete Hungaren an die
Donau zu locken. Ein anderes Heer unter dem Leo
Batetzes mußte insgeheim zu den Walachen jenseits
der Aluta und ferner mit der Verstärkung, die es von
dieser Nation erhalten hatte, inSiebenbürgen dringen.
Dieses erbeutete eine Menge von Menschen und Vieh,
und nachdem es sehr viel Blut vergoffen und alles ver
heeret hatte, kehrte es mit feiner Beute zum Kaiser
zurück. Der Kaiser, der mehr von selbigem erwartet
hatte, machte einen neuen Versuch, und befahl dem
Johannes Dukas wieder über den Isterzu setzen, und
an der rüffischen Gränze hin nach Hungarn zu wan
dern. * Diesesgeschahe. Dukas verheilte ein Heer
in viele Haufen, und rückte durch große Einöden
(vermuthlich nordostlich) am Pruth hinauf, bis daß
er in eine sehr bevölkerte hungarische Gegend kam, die
er völligverwüstete. Indieser richtete er ein metalle
nes Kreuz mit einer kurzen gebundenen Denkschrift
auf, und sobald dieses geschehen war, kehrte er auf
seinem Wege zurück. Beide Züge hatten demnach
keine weitere Würkung, alsdaß sie eine Menge un
schuldiger und unglücklicher wehrloser Leute in das
Elend bder um das Leben brachten, undkonnten nichts
in diesem Kriege entscheiden. Die gemachte Beute
bereicherte nur den Soldaten, nicht aber den Staat,
und derKaiser schien auch ihrer gar nichtzubedürfen.
Denn er hatte einen so großen Ueberfluß am Gelde,
daß er in den dalmatischen Seestädten es gleichsam
ausstreute, und nicht nur jedem Bürger, sondern
auch den kleinsten Kindern ein Jahrgeld bestimmte.
Hätte eines dieser Heere die Sachsen und Patzinaziten
in Siebenbürgen, oder die Kumaner in der Moldau,
Tatarey und Neuservien angegriffen, so würde “
528 XXXIV. Buch,Aelteste
Ehre und ein Nutzen einen großen Zuwachs gewon
nen haben. Dort, weildie Sachsen die Lehrmeister
der Hungaren in der Kriegeskunst waren, und hier,
weil die Patzinaziten undKumaner stets den Griechen
füdlichder Donau zu einer Lastfielen. Die Patzina
ziten verdienten die Unterjochung um desto eher,da sie
so grausam gegen ihre Nachbarn verfuhren, daßman
sie für die wildestenLeutein Europahielt. Auch schien
kein anderesMittel,fiegesittetzumachen,vorhandenzu
fyn; denn sie lebten nach alter ugrischer und neuer
tatarischer Weise in steter Abneigung gegen wirth
fchaftliche Arbeiten, und voll von Begierde zum Rau
be und Morde. Ein Köcher voll Pfeile, ein Bogen,
undzuweilen auch einige Spieße, machten nebst einem
Schlauche fast ihrganzesGeräthe aus. Fehlte ihnen
die Nahrung, so genossen sie das Blut ihrer Pferde,
welchen sie täglich die Ader schlugen. Kamen sie an
einen großen Strom, so warfen sie ihre Sachen auf
des “ , faßten dasPferd am Schweif,
undnahmen den Schlauchzwischen ' Beine, und
aufdiese Art schwammen sie mit größter Geschwindig
keit über die Donau,zum Untergange ihrer Nachbar
ren, die ihrem unerwarteten Besuch nicht ausweichen
und ihnen aufder Nachjagd nichtfolgen konnten s).
Der hungarische König verband sich zu dieser
Zeitmit Agneten, einer Prinzessin Henrichs von Oe
fierreich, und einer Schwestertochter des KaisersMa
nuel. Dadurch ward abermals ein Friede, oder viel
mehr Stillstand gestiftett). Dieser dauerte nur bis
J. Chr.,1167. zudem nächsten Frühjahre, in welchem Stephan See
benico und Chaluphe eroberte. Jadera oder Zara und
Arbegehörte den Venetianern, und Stephan hielt es
- - - -
da

s) Nicetas Acominatus Choniates in Hrn. Pray Annal, -

Hunnorum. p.387, -

Q Cinamus F. 285, Schier an.


Hungarische Geschichte. 529
daherfür nöthig, sich mit dem Herzog Vitalis Mi
chael in ein genaues Bündniß einzulaffen, welches er
durch die Vermählungzweyer PrinzessinnenfeinesGe
schlechts mit des Herzogs Söhnenzu stärken suchte u).
Der Kaiser ließ seinen Admiral Andronikos Kontoste. J. Chr.16.
phanos mit einem Landheere über die Sau vorrücken,
und hattedas Vergnügen, daß dieser eine Schlacht
über denhungarischen Feldherrn Dionysius in der Ge
gend von Sirmium erfochte. Dieser Sieg kostete
aber den Griechen foviele Leute, daß sie das größere
hungarische Heer nicht erwarten durften. Sie giena
gen daher nach Constantinopel zurück, und weil sie
das Glück gehabt hatten, fünf kleine kroatische Be
fehlshaber oder Zupane gefangen zu bekommen, und
das schwere hungarische Panier, welches nach der da
mals neuen Weise auf einem Wagen geständert war
und gefahren wurde, zu erbeuten, so hielt ihr Kaiser
einenprächtigen Triumph in seiner Residenz.
Seit
u) Dandulo ap. Muratori S. R. Ital. T. XII.p. 292.
Eine der Prinzessinnen war eine Tochter des Defes, des
"Archijupans von Senvien, (eines Grosmutterbruders
des K. Stephans,) und die andere wird genannt Filia
Ladislai de Stirpe regali. War dieser Ladislav der
König Ladislav II, fo mußdie Tochter unehelich gewe
fen feyn, denn Cinanus meldet p. 22c, daß Ladislav
unvermählt gestorben fey. Dennoch gedenkt Nicätas
noch einer Prinzessin,die Stephans des IV Brudern
Tochter gewesen ist, und also ihn zum Vater gehabt
haben muß. Defes scheint ein Lehnmann des Königs
gewesen zu feyn. Wenigstens entdeckte der griechische
Hof in spätern Zeiten bey ihm eine Art von Unter
würfigkeit gegen Hungarn, und trieb ihn daher aus
feinem Lande. Servien hatte damals viele kleine Re
genten, die den Griechen unterworfen waren. Einer
davon herrschte über den morastigen Bulgarenwald,der
zwischen Brandiz (Branizova oder Panzovn) der Sau
und Niffa lag. (Arnoldi Lubecen/. Chron. Slavor.
L. III. cap. IV. edit. H. Bangertip. 245.)
Allgem.weltgXVB.1Abth. . . l
530 XXXIV.Buch. Aelteste
Krieg mit Ve Seit dieser Zeit ruheten die griechisch-hungari
nedig. fchen Feindseligkeiten. - Allein dafür brachen andere
mitder Republik Venedigüber Zara aus. Die Bier
ger von Zara geriethen nämlich in Zorn gegen ihre
Oberherren, die Venetianer, weil sie ihren Erzbischof
dem venetianischen Patriarchen zu Grado unterwerfen
wollten, trieben den venetianischen Aufseher Domini
J. Chr. 170. cus Mauroceno aus ihrer Stadt, und erneuerten das
ehemalige hungarische Schutzbündniß.v) Der vene
tianische Herzog, Vitalis Michael, schloß ihre Stadt
im nächsten Jahre mit einer Flotte ein, und ward
J. Chr. 1172. durch die hungarische Besatzung abgetrieben. Allein
im dritten Jahre kam er unvermuthet wieder, zwang
fie zu der Uebergabe, und riß ihre Mauern nieder.
Die Hungaren verloren dadurch die Hoffnung, die
übrigen dalmatisch-kroatischen Städte wieder zu erlan
gen. Denn diese betrugen sich nun als getreue
griechische Unterthanen,weil sie die Griechen für mäch
tigerhielten.
K.Stephan Ill. Der König Stephan konnte sich nicht gleich nach
Pommt UN Das
Leben.
Dalmatien, um die jaderische Eroberung zu rächen,
begeben, weil er dendamals mächtigen baierisch, fäch
fischen Herzog,Henrich den Löwen, und feinenSchwie
gervater, den österreichischen Herzog, erwartete, um
fie auf ihrem gewaffneten Kreuzzuge durch fein Reich
zu geleiten. Diese Herren kamen zu ihm in Meseritz
oder Mesenburg, und zogen mit ihm nach Gran, wo
12. Febr. 1172. er plötzlich von demGifte starb,welchesihm einer seiner
Brüder aus Rache wegen vorenthaltener oder verwei
gerter

v) Hr. Praya. O. Der Pabst wagte es 1169, sich in


die weltliche Regierung der Reiche Kroatien und Dal
matien zu mischen, und einige weltliche Ordnungen
zu bestätigen. S.Hr.Abt Kercselich de Corbavia No
tit.praeliminaresp. 164.
Hungarische Geschichte. s 31
gerter Reichsländer beigebracht hatte. x). Sobald
sein Tod ruchtbar ward, fand Guitard, einer feiner
Brüder, auf, und bemühete sich, die Krone an sich
zu reißen;y) allein die Nation gab nicht ihm, son
dern dem ältern Bruder Bela Gehör. Dieser PrinzK. Belam.
war seit vier Jahren feiner Hoffnung zur griechischen
Thronfolge beraubt, und hatte nebst seiner Gemahlin
feierlich derselben entsagen müffen, weil der Kaiser,
sein Schwiegervater, , gegen alle Erwartung einen
Sohn Alexius erhalten hatte. Sobald dieses gesche
hen war, nahm ihm der Kaiser seine Gemahlin unter
dem Vorwande einer zu nahen Blutsfreundschaft,weil
er befürchtete, Bela möchte als Ehemann der ältesten
kaiserlichen Prinzessin einen Vorwand, das Kaiser
thum in Anspruch zu nehmen, behalten. Damit er
aber den Bela nicht gegen sich aufbringen möchte,gab
er ihm die Schwester seiner eigenenGemahlin, nämlich
Agnes Anna von Chatillon, die Tochter des Fürsten
L. l 2 Rai
z) J. F. Schmid, Iter Hierofolymitanum Henrici Leo.
nis Helmstadi 1711 p.22. Arnoldus Lubecenfis L.III.
e.3. Henrich des Löwen Zug ist vermöge einiger auf
feiner Reise ausgestellten Urkunden u 172 unternommen.
Eben dieses Jahr hat Schier aus einer Urkunde des
K Bela herausgebracht. „Foh. de Kikulew irret also,
wenn er p. 147. zum Todestag des Stephans 1173
4 Non. Martiferia I befilmmet. Der Mörder war
nicht der Bela, denn der biet sich in Konstantinopel
auf, sondern Guitard. Bonfinius giebt noch zwep
Brüder, Geisa und Arpad, an, und der erste derfels
ben wird durch eine geschriebene Chronik bestätigt.
Der Herr Abt Kercselich glaubt beyde in einer Urkun
de 1 158 (Notit.p. 159.) angetroffen zu baben. Allein
ich vermutbe, daß der Geiza Dux Hungariae Dalma
tiae Croatiae et Ramae, der die Urkunde gegeben hat,
nur aus einem Schreibfehler der vidimirenden Ma- .
gistratsperson entstanden ist, und daß im Originale
für Dux Rex gestanden hat. --

y) Albericus ap. Leibnitz. Accef histor.T. II.p.347.


532 XXXIV. Buch. Aelteste
Raimund von Antiochien.z) Bela ließ sich diesen
Tausch gefallen, weil er dadurch eine gefällige und
fanfte Ehegattin für eine stolze und rachgierige Ge
bieterin erhielt, und nun dem Kaiser nicht mehr
- so genau wie zuvor gehorchen durfte. Der Kaiser
schien sich gegen ihn recht freundschaftlich zu beweisen,
und zog mit einem Heere, sobald er die Throneröff
nung vernahm, nach Sardika. Allein sobald die
Hungaren fich erkläret hatten, daß sie bereit wären,
den Bela als den nächsten Verwandten des verstorbe
nen Königs anzunehmen, so trat er mit seiner wahren
Absicht, aus dieser Begebenheit seinen Vortheil zu
ziehen, hervor, und entließ den Bela nicht eher aus
feiner Residenz, bis daß er beschworen hatte, so lange
er lebte, allesdaszu thun, was dem Kaiser oder dem
Kaiserthume zum Vortheil gereichen könnte. Zu
gleicherZeit nahm er diesem Prinzen sein bisheriges
Erbland; denn man findet eine Urkunde, in welcher
ein kaiserlicher Bedienter den Titel eines Herzogs von
Dalmatien, Kroatien und Szlavonienführt. a)
Der König Bela fand einen Bruder Guitard in
den Waffen; allein er hatte das Glück, ihn in seine
Gewalt zu bekommen, und verurtheilte ihn zu einem
ewigen Gefängniffe. Die hungarischen Stände ord
neten ihm seine Mutter Euphrosine zu einer Mitregen
einzu,b) mehr, wie es scheint, um den Folgen der
eidli

a) Schier. Reginae Hung.p. 141.


a) Hr. Abt Kercselich angef, Orts S. 165. Im Jahr
- 1 172 war ein ungarischer Ban von Szlavonien vor
1 handen, Pray S. 168.
b) Dipl. ap. Schier p. 113. de An. 1 179. Der Pabst
Alexander III verhalfdem Bela durch dieKrönung, die
er dem Erzbischof von Kolokfa anbefahl, und durch
Unterhandlungen mit feinen Brüdern und deren An
hängern zum Throne. Epilt. Innocenti III ap. D. '
- Ill.
Hungarische Geschichte. 533

edlichenVerpflichtung, die er dem Kaiser hatte leisten


müffen, zuvorzukommen, als in Rücksicht auffein Al
ter oder eineVerstandeskräfte. Erbehieltdie Achtung,
mit der er gegen denKaiser alsfeinen Pflegevater von
Jugend auferzogen war, und sahezu, wie die Vene
tianer den Griechen Spalatro, Ragusa und Sebenico
entzogen, ohne einen Versuch zu machen, diese oder
die übrigen griechischen Oerter in Kroatien und Dal
matien wieder an sein Reich zu bringen. Bald her
nach sandte er dem Kaiser ein Hülfsheer gegen die J.Chr. 174.
Türken, welches mit vielem Ruhm zurückkam. Ue
brigens lebte er in Ruhe, und sorgtefür die Verbeff
rungder Gerichtsverfaffung und der Nationalfittlich
keit. In Absicht aufdie letztere erleichterte er den
Cisterciensermönchen den Eintritt in das Reich. Denn
diese wurden in dieser Zeitfür sehr fromm und gelehrt
gehalten. Eine gewisse Unordnung, die sich bey der
geistlichen Verfaffung eingeschlichen hatte, veranlasfete
ihn zu einem merkwürdigen Gesetze, c) wodurch er sich I. Chr. 179
und die höhern Prälaten verpflichtete, keinen Geist.
lichen ohneUeberführungeineskanonischenVerbrechens
abzusetzen, und die Verwaltung des Vermögens ver
storbener Bischöfe keinem weltlichen Manne anzuver
trauen. Der bischöfliche Nachlaß war bisher größ
tentheilszu der königlichen Kammer gezogen worden,
nun aber ward erzum Unterhalte der Armen und der
Kirche bestimmt, und der König behielt nur das
Recht, nachGutbefinden der Bischöfe ihn im höchsten
Nothfalle und zu der Vertheidigungdes Landes anzu
Lil 3 greifen. -

Ann.p. 192. Eine so große Macht hatte der päbstliche


Hof zuvor nicht über die hungarischen Reichsstände
ausgeübt.
c) Hrn. Rath Kolari diplomat.Jurispatronatus aposto
lic. Hung. Regump. 119.
534 XXXIV.Buch. Aelteste
greifen. Nebenher versprach auch derKönig in dieser
Satzung, daß er keinen Bischofohne Genehmigung
J. Chr. I180, des Pabstes abdanken oder versetzen wolle.
Bald nachher verstarb der Kaiser Manuel, und
''al- sein Sohn Alexius trat die Regierung an. Dieser
- -

natien und“Todesfall änderte die Gesinnung des Königs gegen


Kroatien, den griechischen Hof, und die Einwohner von Spa
latro und demgrößesten Theile von Kroatien und Dal
matien entzogen sich der griechischen Oberherrschaft,
und wurden von dem Könige als alte Unterhalten auf
genommen. d) Neben ihnen begab sich auch die vene
tianische Stadt Zara unter die hungarische Hoheit,
"men und wehrte einen Angriff ihrer bisherigen Oberherren
ab. Die Bürger zu Trau waren schwächer oder wan
's kelmüthiger als ihre Nachbarn zuZara, denn sie kehr
ten im nächsten Jahre wieder zu der venetianischen
Herrschaftzurück. Der Königfiel, als dieses letztere
geschahe, in die griechische Bulgarey, und bekam alle
Festungen und Städte in seineGewalt.e) Diese Unter
- nehmung
d) Hr.Abt Kercflich a. O. S. 165. Der neue könig
liche Bann führte den Titel: Marcus Dei et Regis Hun
gariae gratia Comes et totius maritimae provinciae
Exercituator 1 181. Einige Schriftsteller glauben,
Dalmatien und Kroatien fey dem Kaiser Manuel nur
auffeine Lebenszeit vom Bela abgetreten gewesen, und
nun vom Bela zurückgenommen.
e) Schier p. 146. Die Bulgarey deutete in diesen Zeiten
zwar auch die Moldau an. Allein es ist wahrschein
lich, daß hier die heutige Bulgarey verstanden werde.
Die Nachricht von der bulgarischen Eroberung findet
sich im Chron. Australi ap. Pez S. R.Austriac.T.I.
col. 566, allein in keinem griechischen Schriftsteller.
Im Jahr 1185 gehörte die Bulgarey den Griechen
wieder. S. Hr. Stritter Mem.T. II.p. 672. Den
noch meldet der hungarische König, daß das Land fei
ner Schwester von feinem Vater zum Brautschatz bey
ihrer Vermählung mit dem griechischen Kaiser (1193)
gegeben fey. S. Hr. Pray S. 192.
Hungarische Geschichte. 535
nehmung kostete seiner Schwiegerin, oder der verwit
weten Kaiserin Maria, das Leben. Denn sie wurde
eines geheimen Verständniffes mit ihrer Schwester be
schuldigt, und vom Kaiser Andronikus in ein enges
Gefängniß geworfen, nach einigen Monaten aber er J. Chr. 1183.
droffelt. Ihre Schwester,die Königin, härmte sich
über dieses Unglück so sehr, daß sie baldhernachgleich J. Chr. 1184.
falls verschied. Der König bemühete sich darauf,
in ihren Platz eine Prinzessin aus ihrer Nation wieder
zu erhalten, und richtete seine Absicht aufMargare
then, die Schwester des französischen Königs Philipp
Augusts, und Witwe des Königs Henrichs von
Engelland, die ihm endlich nach zwei Jahren beige
legt wurde. Fast scheint es, daß diese Vermählung
verschiedenen Personen des königlichen Hauses nicht
gefallen habe. Denn als sie geschloffen war, und er
seinen Sohn Emerich oder Henrich hatte krönen
laffen,f) brach eine schwere Empörung aus, die er
mit vieler Mühe dämpfte. In diese war seine Mut
ter und Herzog Geisa,einer feiner Brüder,verwickelt.
Die Mutter ward gefangen genommen, und in dem J. Chr. 1185.
Empörung des
Schloffe Bronzverwahrt.g) Geisa aber entrann mit Herzogs Geisa.
vielen Grafen erst nach Oesterreich, und im zweiten
Jahre daraufnach Böhmen. Viele vornehme Schul
dige wurden ergriffen und geblendet, und der Erzbi
schofvon Koloksa ward seiner Würde entsetzet. Der
Herzogfielendlich selbst in des Königs Gewalt, und
ward eingesperrt. Dafür wurde auf die Vorbitte
der neuvermählten Königin und des Kaisers Frie
drichs der bisher gefangengehaltene Bruder Guitard J. Chr. 1186.
freygelaffen, und zum Heerführer über zweytausend
Hungaren bestellt, die den Kaiser auf seinem Durch
Lil 4 zuge

f) Dipl. ap. Dn. Pray An. Reg. Hung.p. 174.


g) Schierl. c.p. 113. aus einer geschriebenen Chronik.
536 XXXIV. Buch. Aelteste
zuge nach dem gelobten Lande begleiten mußten. h)
Der griechische Hof konnte an diesen innern Unruhen
keinen Theilnehmen. Denn der Kaiser ward,als sie
entstanden, vom Isaak Angelus gestürzt, und Isaak
bewarb sich sogleich um die Freundschaft des Königs
und um seine Tochter Margaretha Maria, die ihm
versprochen und im achten Jahre darnach angetrauet
ward. Der abendländische Kaiser erhielt eine andere
Tochter des Königs(Constantia)für seinen Sohn, den
HerzogFriedrich von Schwaben, der aber vor Voll
ziehung der Ehe verschied.
Der König Ohngeachtet der innern Unsicherheit gebrauchte
Bela erobert
Galizien. der König seine Macht außer dem Reiche in Roth
reußen, nicht sowohl, wie es scheint, einigen feiner
dortigen Freunde beizustehen, als vielmehr um ei
nen Theil ihres Landes an sich zu bringen. Diese Be
gebenheit ist noch sehr dunkel, und die ältern und
neuern Geschichtschreiber widersprechen sich bei ihrer
Erzählung so sehr,daß man keine recht sichere Nach
richt von selbiger mittheilen kann. - Boguphalus,
der älteste polnische Geschichtschreiber, der feine Nach
richten von einigen in selbiger verwickelten Personen
erhalten hat, meldet davon folgendes. i) Sventofla
va, die Tochter des polnischen Herzogs Boleslavs,
besaß durch die Erbschaft ihrer Mutter Sbislava ein
Erbrecht auf Halicz oder Galizien, und brachte es
aufden Sohn ihres ersten Gemahls. Dieser war Ko
Iomann, der Sohn des Königs von Hungarn, wel
cher vom Reiche verdrängt ward.k) Sie vermählte
„“
fich
h) Schier p. 154.
i) Bogupbalus ap. de Sommerfberg Script. rer. Sile.
T. II.p. 36,40, 48. Hr.v. Palm Abhandl. von den
Titeln und Wappen, welche Maria Theresia als
apostolische Königin von Hungarnführetp.36. u.f. -
k) Vermögeeiniger russischenStufenbücherund der Jahr
bücher
Hungarische Geschichte. 537
fichin zweiterEhemitWsewolod,dem russischenGroß
fürsten, undgebar vondiesem die Prinzen Wlodimir,
L. l 5 Roma
bücher des H. Nefiors waren zwey Brüder, Jijaslaw I
und Yosewolod I die Stifter der beyden Linien, die
bey dieser Begebenheit vorkommen. Isjaflanws al
tester Sohn Svätopolk hatte unter vielen andern Kin
dern zwey Töchter: Predislava, die verstoßene Ge
mahlin des hungarischen KönigsKolomann, und Mut
ter des hungarischen Prätendenten Boris; und Sbisla
va, die Gemahlin des polnischen Herzogs Boliflav,
und Mutter 1) der Sventoflava, die hier eine der
Hauptpersonen ist, und 2)der Judith, die den hun
garischen Prinz Stephan heirathete, und ihm die ha
liezische Kastellaney Spilz zubrachte. Diese beyden
Prinzessinnen sind, wie es scheint, vom Bogupbalus
unter sich, und mit ihrer Mutter Schwester verwech
felt, (Jof BenczurUng.femper libera fuique juris Vin
dob. 1764 p.65.) und es ist wahrscheinlich, daß der
hungarische KönigssohnKolomann,den die Sventofla
va heirathete, ein Sohn des Prätendenten Boris ge
wesen ist. MOsewolod I, der Urheber der Linie, in
welche Sventoflava nach Kolomanns Tode hinein hei
rathete, hinterließ durch Wlodimiren zwey hier merk
würdige Enkel, Wsewolod II, und Andreas, den
Fürsten von Wlodimir oder Lodimirien. Wsewolod II
(den Boguphalus Swfebold Dux Bofie nennet,) war
der zweite Gemahl der Sventoflava und ein Bru
der des Großfürsten Georg, gegen welchen der König
von Hungarn als Bundesgenoffe des Großfürsten
Isjaflaw II fochte. Isjaflanws II Enkelin Euphrofi
- na war des Königs Bela III Mutter; und Isjaflanws
--
Bruder, Rostislaw, scheint der Schwiegervater K.
Stephans III gewesen zu feyn. Uebrigens war Jijas
laws II Großvater ein Bruder des Svätopolk, und ein
Sohn Isjaflanw I. Man weis nicht, ob Bela III nicht
etwa von feiner Mutter, oder durch eine andere der in
fein Haus verheiratheten Prinzessinnen, ein Recht auf
Halicy erhalten hat. Hr. Benczur vermuthet (p.62),
daß schon Emerich, S. Stephans Sohn, Halicz be
feffen hat, weil ihm dieAnnales Hildes. ad An. 1031
den Titel Dux Rulz.orum beylegen.
538 XXXIV. Buch. Aelteste
Romanus und Wsewolod. Ihr zweiter Gemahl re
gierte als Vormund über Galiß. Allein da die Zeit
der Ablieferung dieses kleinen Reichs herannahete,
überredete er seine Gemahlin,daß sie den hungarischen
Prinzen oder ihren Sohn erster Ehe für ein unterge
schobenes Kind erklärte, und ihn zum Erben des
J. Chr. 182. Reichs bestimmte. Der hungarische Prinz flohe zu
feiner Mutter Bruder, denpolnischenHerzogKasimir,
welcher die lodomirischen und haliczischen Fürsten und
ihren Heerführer, den Fürsten Wsewolod, in einer
Schlacht überwand, und ihn als Königvon Galizien
einsetzte. Seine Feinde gebrauchten nun Gift, und
Wlodimir sein Halbbruder bestieg, nachdem felbi
gesgewirkt hatte, feinen Thron. Der polnische Her
zogKasimir wollte diesen Frevel ahnden, kam aber
mals nach Galizien, und verordnete Romanus den
jüngern Halbbruder zum Regenten. Wlodimir ent
wich, und erbat sich des KönigsBela von Hungarn
Beystand. Diesen erhielt er zwar, aber zu seinem
Untergange. Denn Bela gebrauchte feine Unter
fützung nur zum Vorwande, ließ ihn, nachdem er
den Romanus vertrieben hatte, in einen Thurm ein
sperren, und gab den Galiziern feinen zweiten Prinzen
Andreas zum Könige. Dieser erhielt sich nicht lan
ge. Denn Wlodimir entrann aus dem Gefängniffe,
zog eine Räuberbande an sich, mit welcher er Schätze
J. Chr. 1188. aus Polen holte, und bekam endlich einen mächtigen
Anhänger (Nicolaus) unter den Galiziern, welcher
plötzlich eine Empörung erregte, den König Andreas
über dasGebirge trieb, und dem Wlodimir wieder auf
dengaliczischen Thron half. Nach der Versicherung
des Kadlubko, eines auch gleichzeitigen Schriftstellers,
rückten die Vertheidiger der beiden Regenten, näm
lich der KönigBela und der polnische FürstKasimir,
nun gegeneinander in das Feld, söhnten sich aber aus,
und.
- ------ ------ --
-"-- -- --
-

--------
-

---
->
--

Hungarische Geschichte. 539


-
und vereinigten sich, daß Wlodimir Galicz behalten - - - -
sollte. Dennoch ließ der König Bela so wenig als
sein Sohn sein Recht aufdieses Königreich fahren,
denn beide fügten den Titel einesKönigs vonGalizien
zu ihren übrigen Titeln. l)
Der Prinz Andreas bekam von seinem Vater
zu einer Schadensersetzung die Würde eines Herzogs
über Dalmatien und Kroatien, und eine so aus
gedehnte Gewalt, daß er ein neues Bischofthum an
ordnen, und unter das Erzstift Spalatro legen durf
te. m) Dennoch übte sein älterer Bruder Emerich
als Mitregent eine höhere Landeshoheit in ebendiesen
Reichen aus. Er verordnete einen Ban über fein Ursprung des
Herzogthum, undhatte öfters mit den Serviern und "
Venetianern zu kämpfen. Die Venetianer fuchten
Zara wieder zu erlangen, wurden aber von den Hun
garen überwältigt und zum Vergleich gezwungen.
Nach drei Jahren mislung ihnen ein neuer Versuch.26 Jun. 119e.
Dennoch behaupteten sie Arbe nebst den übrigen In
feln. Der König war geneigt, in Gesellschaft seiner
Gemahlin einen Zug gegen die Besitzer des gelobten
Landes vorzunehmen, und ersparte dazu einen beträcht
" lichen

1) Dipl. ap. PrayAn. R. Hung.T. I.p. 179. Bela D. G.


inviClifimus Rex Hungariae Dalmatiae Croatiae Ramae
nec non Galatiae. Diese Urkunde ist vom Jahr 1190,
und das einzige bis jetzt bekannte Denkmal des Titels. •
Sollte der Frieden mit Polen, wie Cromerus will,
erst im Jahr 1193 geschloffen feyn, fo ließe sich erklä
ren, warum der galizische Titel zwischen 1 190 und
1212 nicht gefunden wird. Andreas nannte fich in
Urkunden: Andreas Belae regis filius Dei gratia Dalma
tiae Croatiae Ramae Culmaeque Dux; 1198,(f. Hr.
Abt Kercselich de Corbavia Notit.p. 169.) nahm aber
den galizischen Titel als König gleichfalls an.
- m) Hr. Praya, O, S. 182. Hr. Abt Kercflich a. O.
54o XXXIV.Buch. Aelteste
sz April 196lichen Schaß; allein der Tod übereilte ihn, n) und er
mußte diese damals heilige Pflicht seinem Sohne An
dreas überlaffen, dem er das dazu bestimmte Geld
vermachte. Seine Gemahlin erfüllete ihr Gelübde
gleich nach feinem Hintritte, und starb im fiebenzehn
ten Monate ihrer Witwenschaft in Palästina.
wift über die
ulgarey
Gleich bey dem Anfange der Regierung bekamen
der König Bnerich und fein Bruder, der Herzog
Andreas, Veranlaffung zum Kriege mit den Ser
viern und deren Unterthanen, den Zachlumern, in
gleichen mit den Bulgaren. Ein Theil der Bulga
rey war von dem verstorbenen König, vermuthlich
weil er ihn nicht behaupten konnte, dem griechischen
Kaiser Isaak Angelos als ein Brautschatz seiner Toch
ter,die mit diesem Kaiser vermählt ward, abgetreten;
allein ein gewisser Johanniza oder Kalo-Johannes,
der sich zum Herrn von Bulgarien nebst seinem ältern
Bruder Peter aufgeworfen hatte, nahm den Griechen
dieses Land. Der KönigEmerich suchte es ihm wie
der zu entreißen, allein er war nicht glücklich. Jo
J.Chr.“1197. hanniza tratzuder lateinischen Kirche, gab vor, daß
er von den alten bulgarischen Königen abstammete,
und bat den Pabst, ihn zum König der Bulgarey zu
ernennen. o) Dieseswurde mit vieler Freude bewil
liger.
n) Schier p. 158. Die Urkunde vom Jahr 12co, die
dem Todestage entgegen stehet (Hr. Pray An. R. H. l.
p. 183), ist vermöge ihrer ganzenEinrichtung unacht.
Hr. Pray hat in der Differt. hift. critica de prioratu
Auranae ( 1773 Vien.) S. 10. ein Privilegium ab
drucken laffen, welches Emerich schon 1198dem Jem
pelorden gegeben hat. Emerich heißt in Urkunden und
Siegeln: HenricusTerciiBele regisfilius. S.Hr.Dob
mer a S. Catharina Monum. historica Bohemica T. II.
Hr. Pray An.p. 184. u.f. In deutschen Annalen be
kommt er auch wohl den Namen Hemerardus.
o) Hr.Abt Kercfelich de Corbavia notit.praelim.p. 179.
Hr. Dobner II S.345. und Hr. Praya. O. S. 192. -
Hungarische Geschichte. 541
liger. Allein der König Emerich widersetzte sich.
Der Pabst, welcher des Königs Hülfe gebrauchte,
verschob die bulgarische Krönung, und veranlasfete J.Chr. 12.or.
ihn, den römischen König Philipp anzugreifen, um
den Kaiser Otto IV zu unterstützen, und dem päbst
lichen Banne einen Nachdruck zugeben. Dieser Zug
gab dem Johannitza eine Blöße und Gelegenheit, als
ein Bundsgenoffe des Königs Philipps etwas von
dem hungarischen Servien an sich zu bringen. Der J. Chr. aon.
König kehrte nun zurück, gebrauchte feine Waffenge
gen den Johannitza, und nahm ihm die Bulgarey
und Walachey. Der Pabst, der feinen Dienst, fo
bald er nicht mehr gebraucht werden konnte, vergaß,
fandte den Kardinal Leo als Legat nach Bulgarien, um I,Chr. mae,
den Johannitza zum König der Bulgaren und Wa
lachen zu krönen. Diese Handlung misfiel dem Kö
nig um so viel mehr,weil er noch des Johannitza Land
besaß. Daher versagte er dem Legaten den Durchzug
durch sein Land. Es entstand ein heftiger schriftlicher
Streit zwischen dem Pabfe und dem Könige; allein
da der Pabst aufeiner Seite drohete, daßer die Krö
nung des minderjährigen Sohns des Königs hinter
treiben werde, aufder andern Seite aber versprach,
den Johannitza zu der Rückgabe des hungarischen Bul
gariens anzuhalten, so ließder Königden Legaten ab
reisen, und gab seine Einwilligungzu der neuen Kö
nigswürde.
Die servischen Angelegenheiten wurden von dem Die Hungaren
Könige mit den bulgarischen in einem Zuge entschie- “
den, und gründeten sich auf einen Geschlechtszwist Ehulm.
der Söhne des Königs Detes. Dieser Defes, der
Aeltermutter-Bruder des Königs, hatte drei Söhne,
Neeman, Miroslav und Konstantinus hinterlaffen,
und war wenigstens eine Zeitlang unter dem hungari
schen Schutze gewesen. Neeman fuchte bei dem Kai
fer
542 XXXIV.Buch. Aelteste
ferFriedrich I (1189)die Königswürde, und trat das
alte kroatische Herzogthum derZachlumen oder Chulm
seinem Bruder Konstantin ab. Nach Konstantins
Tode kam Chulm als eine Grafschaft an Miroslavs
Sohn Andreas, p) welcher aber einen beträchtlichen
Theilvon diesem Lande und von andern kroatisch-dal
matischen Besitzungen an den hungarischen Herzog
J.Chr. 198. Andreas verlor, der daher den Titel eines Herzogs
von Chulm annahm. Simeon Stephan,des Nee
mans Sohn und Nachfolger, zeugte zwei Söhne,
Wksan oder Volkus, und Stephan Vencianus. Der
letzte ernannte den ersten zum Herzog von Dalmatien
und Dioklea, nahm ihm dieses Land aber nach zwey
J. Chr. 12o1. Jahren. Wkan flohe zum König Emerich, fegte
durch defenHülfe, und bekam ganz Servien. Sein
verdrängter Bruder unterwarf sich mit feinen Unter
thanen dem päbstlichen Stuhle, und verlangte vom
J. Chr. 12.03. Pabsie Innocentius die königliche Krönung. q) Ge
gen diese hatte der König Emerich noch mehreres als
gegen die bulgarische einzuwenden; denn er hielt sich
selbst für den Oberherrn des servischen Reichs, und
führte Servien in seinem Titel. Allein die Päbte
siegten auch hier, wiewohl später, und Honorius III
wich dem Einwurfe, daß er durch die fervische Krö
nungder hungarischen Landeshoheitzu nahe trete, da
durch aus, daß er bey der Krönung(12,6)dem Ste
phanus den Titel eines Königs von Rafien erheilte,
den neuen Namen Raften aber dem Lande Servien
stillschweigend beylegte.
- Des
p) Des Andreas Sohn Petrus büßte noch mehreres von
Chulm an die Bürger von Spalatro, an seinen Vet
ter, den König Stephan, und an den Bann von Bos,
nien ein, und nach feinem Tode 1234 verloren seine
Söhne und Enkel den letzten Ueberrest an die Bosnier.
) Hr. Dobner a. O. II. p. 335. Hr. Pray p. 189.
Vita S. Sabae in Actis Antwerp. ad d. 14.Jan.
Hungarische Geschichte. 543

Des Königs Bruder Andreas wurde durch ein Bürgerlicher


kriegerisches Glück und durch feine uneingeschränkte Fä
Begierde zu der Verschwendung verführt, einen -

größern Landestheilzu begehren, oder wohl gar nach


dem ganzen Reiche zu streben. r) In diese Forde
rung mischte sich der Pabst aus Nebenabsichten. Denn
Andreas hatte die Pflicht, ein Heer nach Palästina
zuführen, bisher verabsäumt, und das dazu hinter
laffene Geld bis aufeine mäßige Summe, für welche
er Güter bey Jerusalem zum künftigen Unterhalte
feines Hofstaatsgekauft hatte,verhan. s) Der Kö
nig bezeigte sich geneigt, selbst nach dem gelobten Lande
zuziehen, und die deutschen Fürsten machten zu einer
heiligen Wallfahrt bereits Anstalt, die aber nicht voll
kommen gelingen konnte, wenn ein hungarischer bür
gerlicher Krieg den Durchzug erschwerte. Noch mehr,
die der päbstlichen Macht furchtbaren Waldenser oder
Patarener waren nach Spalatro und Traugekommen,
und hatten sich, nachdem sie aus diesen Städten mit
vieler Mühe vertrieben waren,zu dem Ban von Bos,
nien Kulinus begeben, der sie schützte, und ohne des
Königs Beyfand nicht gedemüthigt werden konnte.
Daher sandte der Pabst einen Abgeordneten nachHun
garn, welcher zuerst verlangte, daß der König die
Patarener mit gewaffneter Hand verjagen, und des
Bans Güter einziehen sollte, nachher aber sich mit
einer Geldstrafe begnügte, die der Bann dem Könige J. Chr. taco,
und Pabste aufden Fall versprechen mußte, wenn die
vom Könige ihm besiegelt erheilten Glaubensartikel
- nicht
r) Hr. Kercflich p. 169. Pray a. O.T.I.p. 187.
s) Urkunde des Herzogs, die zu der Zeit des jerusalemi
schen Königs Almerich, oder zwischen 1198und 1206,
gegeben ist, in Hr. Paoli Codice diplomatico del facro
militare ordine Gierofolimitano oggi di Malta T.I.,
Beylagen n. 45,
544 XXXIV.Buch. Aelteste
nicht von seinen Unterthanenbeobachtet würden. Der
Herzog Andreas hatte sich inzwischen mit dem Herzog
Leopold von Oesterreich verbunden, und einen Theil
des königlichen Gebiets ausgeplündert; allein derKö.
nig hatte ihn zurückgetrieben, und einige österreichische
Gegenden verheert. Diesen Krieg hoffte der Pabst
durch die deutschen kreuzfahrenden Fürsten zu tilgen,
und er veranlaffte daher den vornehmsten derselben,
oder den Kurfürst Konrad von Mainz, daß er sich
nach Hungarn begab, und eine Aussöhnung zu ver
mitteln suchte. Der Kurfürst war zwar in feiner Ab
ficht glücklich, und verabredete zwischen dem Könige
und dem Herzoge, daßbeide ihr Land dem österreichi
fchen Herzoge zum Schutze übergeben, und nach dem
gelobten Lande ziehen sollten. Allein da der Herzog
Mangel am nöchigen Reisegeldelitte, und den Fehler
hatte, daß er sich von seinen eigennützigen Hofleuten
leiten ließ, so konnte der Friede unter den getroffenen
Bedingungen nicht lange bestehen. Der Herzogwarb
daher ein neues Heer, und fand, weil er sehr freige
big undherablaffendwar, einen großen Zulauf. Das
königliche Heer blieb im Gegentheil schwach. Beide
fließen endlich aufeinander, und die königlichen Heer
führer fanden die Anzahl ihrer Feinde so sehr überwie
gend, daß sie aufdem Rückzugbefanden. In dieser
J.Chr. 12.02. Verlegenheit ergriffder Königein sehr klug und kühn
gewähltes Mittel. t) - Er zog nämlich den Harnisch
aus, nahm eine Gerte in die Hand, und verbot feinen
Leuten ihm zu folgen. Darauf gienger ganz gelaffen
zu dem Feinde über. Als er nahe kam, riefer aus:
Ich willdoch sehen, ob es einer wagt, seine Hand an
königliches Geblützu legen! Das Neue dieser Be
gebenheit erregte eine so allgemeine Bestürzung, daß
man

9 Thomae Archid. Hit.Salonitana ap. Da. Schwandt.


ner III. p. 569.
. - -

- Hungarische Geschichte 545


man ihm die Glieder öffnete. Er drang daher ohne
Widerstand bis zu seinem Bruder durch, nahm ihn
gefangen und schleppte ihn zu feinem Heere. Dieses
gab dem herzoglichen Heere Zeichen der Freundschaft,
und da der König merken ließ, daß er den Ungehor
fam und die Empörung nicht ahnden wollte, so schli
chen sich die Anhänger des Herzogs nach ihren Häu
fern, und litten, daß ihr Herr in das SchloßKheene
bey Warasdin eingesperret ward. In dem Herzog
thume dieses Herrn erregten, indem dieses geschahe,
die Venetianer eine Unruhe;denn fie zwangen gewisse
französische Kreuzfahrer desGrafen Simon von Mont
fort, welche auf ihren Schiffen nach Syrien fahren
wollten, die Stadt Zara zu belagern. Die Einwoh
ner von Zara waren zu schwach und mußten sich erg
ben, und die Venetianer schleifen ihre Mauern und
großen Häuser. Vermuthlich schrieben die Franzo
fen sich dasVerdienst bei dieser Eroberung allein zu,
denn sie forderten einen beträchtlichen Theilder Beute,
und zerfielen, als ihnen dieser geweigert wurde, mit
den Venetianern so sehr, daß sie sich trenneten und zu
denHungaren begaben. Dadurch mislung abermals
ein Kreuzzug, und der Pabst rächte dieses durch den
Bann, in welchen er den venetianischen Herzog that.
Im nächsten Jahre fandten die Venetianer ihreFlotte J. Chr. ua,
demgriechischenKaiser Alexiuszu Hülfe, unddie Bür
ger von Zara bemächtigten sich, mit Hülfe des Erzbi
schofs Bernhard von Spalatro und anderer hungari
fchenHerren,des venetianischen Schloffes. . Allein die
Venetianer ließen sie im folgenden Sommer ihre Ue- J. Chr. so.
bermacht so nachdrücklich empfinden, daß sie sich ihnen
uneingeschränkt unterwerfen mußten. Sie verloren
dadurch das Recht den Comes ihrer Stadt aus ihren
Mitteln zuwählen,und ihr Erzbischofmußte die Ober
aufsicht des Patriarchen von Grado erkennen. .
Allgem.Weltg.XVB.I.Ableh. Mm Dem
546 XXXIV. Buch. Aelteste
Dem König,welcher fast immer fiechte, lag nichts
so sehr amHerzen als dieses, daß seinem kleinen Prin
zen Ladislav die Krone versichert werden möchte.
Das konnte, wie es schien, nicht ohne den Zutritt
desPabstes geschehen, unddaherbemühete sichder Kö
nig die Gunst des Pabstes zu erhalten. Der Pabst
J, Chr. 1203. befahl endlich den hungarischen Prälaten die Huldi
gung, drang auf die Loslaffung des Herzogs u), und
ließ erst, nachdem diese erfolget war, den Prinzen La
J. Chr. 12.04. dislav krönen. DerKönig empfand,daß sein Lebens
ende herannahete, verordnete seinen Bruder zum Vor
1 Dec. 1204. mund und Regenten, und starb bald hernachv). Sei
Ladislav III ne hinterlaffene Gemahlin Konstantia hatte keine
wirdKönig, Verwandte in der Nähe, denn ihr Vater war der Kö
nig Alphonsus von Kastilien. Daher glaubte der
Herzog Andreas, daß er ihr ohne Gefahr fo be
gegnen könne, wie esihm seine Herrschbegierde eingab.
Er verwahrte sie und ihren Sohn in einem wohl be
fetztenSchloff,herrschte nach einigemGutdünken, ent
zogder Königin die Einkünfte ihresBrautschatzes und
Witthums, und nahm den Schatz, den der verstor
bene König für feinen Sohn gesammlet hatte, den
Johanniterrittern ab, bei welchen er niedergelegt war.
Die Königin fand unter den Bischöfen einige getreue
Freunde, entkam durchderen Hülfe mit ihrem Sohne
undder heiligenKroneausihremGefängniffe,schlugsich
durch dieGränzwachen mitihren Begleiterndurch,und
ward vondem österreichischenHerzog Leopold inSchutz
genommen. - Dieser Herzog rüstete sogleich ein Heer
für den König Ladislav aus, und drang mit selbigem
- in
u) Hr. Dobner a. O. II. 324-334.
v) Schier p. 172. Andreas bekommt vom Pabst den Ti
tel Dominus Hungariae, und hieß also wohl in Hun
garn Urgm.
-- -
Hungarische Geschichte. 547
in Hungarn ein. Allein als er eben im Begriffwar
eine Schlacht zu liefern, erhielt er die Nachricht, daß -
der König zuWien gestorben fey x). Er gieng daher a Mayaag
zurück, lieferte die Krone ab, und fandte die Königin
mit ihren Schätzenzu ihrem Bruder, der sie nach vier
Jahren mit dem nachherigenKaiser Friedrich dem An
dern vermählte. -

Der HerzogAndreas,der nun ohne Widerspruch 29May 205.


als König erkannt und gekrönt ward, hatte sich erst Andreasu Kö
kürzlich mit einer sehr schlauen, muhigen und herrsch."
begierigen deutschen Prinzessin, nämlich Gertrud der
Tochter Berchtholds, des Herzogs von Meran und -
Markgrafens von Istrien, vermählty), und überließ
aus Liebe zur Bequemlichkeit und zu mannichfaltigen
Zerstreuungen selbiger fast alle Reichsgeschäffte. Bey
ihrer Verwaltung mischte sich eine Liebe gegen ihre
Landesleute und Geschwister ein, und daher geschahe
es, daßzwey ihrer Brüder die beiden erzbischöflichen
Sitze des Reichs, andere Deutsche aber folche Aemter
bekamen, die ihnen den Neid und der Königin den
Haßder Hungaren zuzogen. Dieseräußerte sich bald
so sehr, daßderKönigin Gefahr gerieth vom Throne
gestoßen zu werden. Verschiedene Große beschlossen,
des Königs Prinzen Bela zum Mitregenten zu ernen
nen, und, wenn er gekrönt sein würde, in seinem Na
men eine Regierunganzuordnen,die die königliche auf
wiegen könnte. Dieser Gefahr wich der König da
durch aus, daß er vom Pabste ein scharfes an die Bi
schöfe gerichtetes Verbot der Krönung auswirkte.
Die Königin war nicht so glücklich; denn da fiel mit
deutscher Hülfe einige Raubschlöffer hungarischer Ma
gnaten zerstört hatte, entstand eine Verschwörung,
undeiner derMisvergnügten,nämlichder Obergespann
Mm 2 VON

z) Hr. Rath Kollar Hit. dipl.-Jurispatronat. p. 137.


- v). Schier p. 112. -

-
-
54g XXXIV. Buch. Aelteste
von Waradein Peter, ermordetefie,als derKönig mit
an Sept. 1a13. einem HeerenachHalicz gezogen warz). DieserMord
- Award nicht gerächt, sondern einer der wirksamstenMit
wiffenden, nämlich der Ban von Szlavonien Banko,
wurde vielmehr zum Pfalzgrafen erhoben. Der Kö
nig schien auch durch nichts gerührt zu feyn, außer
durchdie Flucht des Erzbischofsvon Koloksa, der mit
dem Schatze, den feine Schwester für ihre Kinderzu
rückgelegt hatte, nach Deutschland entwichen war.
DochdieserwurdedurchdesPabstsMachtwiederherbey
geschafft, und der Verlust einer Gemahlin ward durch
Beh' die Vermählung mit Jolanthen, einer Tochter der
griechischen Kronprinzefin Jolantha von Flandern
und des französischen Prinzen vom Geblüte Peter von
Courtenay, wieder ersetzeta). Der KronprinzBela,
welcher bey feiner Mutter Ermordung das fiebente
Jahr erreicht hatte b), ward durch seines Vaters
Gleichgültigkeit sehr aufgebracht, undfand viele geist
liche und weltliche Stände, die feine feindselige Ge
finnungen gegen seinen Vater zu vergrößern suchten
und für ihn fechten wollten, bis daßder Pabst sie auf
desKönigs Gesuch durch einen Bannfluch schreckte.
Hallen und Co. Der Zug, den der König nach Halicz unter
än „nahm, hatte zur Absicht, Koloman, seinen zwei
Reich. ten Sohn aufden haliczischen Thron zu bringen, und
- die Rechte wieder gültig zu machen, welchen er als
ehemaliger Regent von Halicz hatte entsagen müffen.
Nach dem Tode des Wlodimirs, der ihn, wie oben
erzählet ist, ausHalicz oderGalizien verdränget hatte,
war durch die Anordnung des polnischen Herzogs Ka
fimirs ein russischer Prinz Romanus zum halie
zischen Reiche gelanger, und hatte mit selbigem ein
bish
a) Schierp.186, 190. Hr. Prayp.203.
e) Schier p. 197. -

b) Id. p. 193.
Hungarische Geschichte. J49
bisheriges Erbland Wlodomir oder Lodomirien ver»
einigt. DieserFürst empörte sichgegen feinen Ober
herrn,denpolnischen Herzog, ward aber in einerbluti
gen Schlacht (1205) bey Zavichot erschlagen c).
Nun drängte sich Mßislav Mfzislaviz, der fein
Enkelgewesen sein soll, durch die Hülfe verschiedener
rufichen Fürstenzuder halizischen Regierung. Allein
er gefiel den Unterthanen nicht, und die galizischen
Fürsten und das Volk baten den hungarischenKönig,
ihnen feinen Sohn Koloman zum Regenten zu ge- J.Chr. 1atz.
bend). Der König kam mit einem Heere und dem
Prinzen zu ihnen, vertrieb den Mßislav, und ver
sprach den Haliczern, einen Vergleich zwischen ihnen
unddem Pabstzu vermitteln; denn sie wollten sichdem
päbstlichen Stuhl unterwerfen, wenn man ihnen ihre
griechischen Kirchengebräuche ließe. Dieses that er
gleich nachfeiner Rückkunft, undzugleich verlangte er J. Chr,rang
eine päbstliche Vollmachtfür den Erzbischofvon Gran
zu der haliczischen Krönung seines Sohns Koloman,
in einer Zuschrift, in welcher er zuerst Galizien und
Lodomirien zu seinen übrigen Titeln fetzte. Der Pabst
bewilligte das Gesuch, und der König machte nun die
Einrichtung, daß sein ältester Sohn Hungarn und
Dalmatien, der mittlere, Koloman, Galizien und
-
Lodomirien, und der dritte, Andreas, einige Land
Mm 3 fchaften
c) Albericus in Leibnitil Acceff, T.I. p.438. Bogupha
lus ap.Sommersberg. S. R.Sileflar.T. II.p. 51. Dlu
offus L.VI. ad ann. 1195, 12.05, 12c8. Des H. Ne
jährlich der ' Geschichte, Leipzig 1774
S.263-265, welche Stellen vor dem Gebrauche mit
den hungarischen Urkunden verglichen find, und durch
diese ihre scheinbaren Widersprüche verlieren.
d) Epift. Andreae R. ad Papam ap. D. Prayp. 204. Um
die Zeitrechnung des Dlugoffus beurtheilen zu können,
bemerke ich, daß Koloman 1213 erst fünf Jahr alt
war. Schier p. 193.
- -
556 XXXIV.Buch. Aelteste
fchaften im Reiche haben sollte." Damit aber der
PrinzKoloman bey dem Besitze eines kleinen Reichs
vollkommen gesichert sein möchte, so brachte er die
Ansprüche, die der HerzogvonPolen von feinem müt
terlichen Großvater Wsewolod (jenes haliczischen Kö
nigs Wlodomirs Bruder) geerbt zu haben glaubte,
vermittelt einer Vermählung an sich; denn er ver
.. mählte den Prinzen Koloman mitder wenigstens sech
- zehn Jahr ältern Schwester des polnischen Herzogs
- - - - - - Salome. Diese Verbindung veranlaßte den vertrie
benen russischen Fürsten Mßislav, daß er ganz Reus
fen durchzog und alle kleine russische Könige oder Für
fen um Hülfe ansprach. Diese, die aus der haliczi
fchen Eroberung eine Geschlechtsangelegenheit mach
ten e), riefen die Polowzer zu Hülfe und folgten dem
- - - - Mßislav
'' - - e) Gruber. Origines Livoniaeferae et civilisad an. 1216.
p. 117. Daß damals in Rußland mehrere Fürften,
- als man in den rufffchen bisher bekannt gemachten Ur
- Kunden findet,vorhanden gewesen sind, sieht man aus
der Nachricht des gleichzeitigen Annalistens in diesem
Buche S. 51, daß 1221 in einer Schlacht, aus wel
cher der König Mstislav von Galizien entrann, allein
funfzig Köuge umgekommen sind. Weil Mfislav
noch 1221 in Galizien herrschte, und der Friede,
durch welchen Koloman das Reich feinem Bruder ab
treten mußte, in eben diesen Jahre geschloffen ist:
“ (Bullapapalis dataVIKal.Febr. 1222 ap.Gruber.p.254.)
fo-find Dlugloffus Erzählungen, die er bey den Jah
ren 1218, 220, 12:21 und 1222 beibringt, wohl nicht
für zuverläßig zu halten. Der Name des Reichs wird
verfchiedentlich geschrieben, nämlich Halitsch, Halicz,
Galicz, Galitien und Galatien. Es heißt auch Po
cutien. Die Geschichte des Reichs findet man auf
verschiedene Meife vorgetragen, in den Recherches fur
Halicz etVlodzimirz, indesHerrn Benczur vorläufigen
Ausführung der Rechte des Königreichs Hungarn
auf Klein- oder Rotbreußen und Podolien, YOien
1772, und in des Hrn. Rath Curtius zwey
e. -

- - US
Hungarische Geschichte. 551
Mßislav mit solchem Eifer, daß ihr Großfürst von
Novogorod seine Regierung einem andern Prinzen ab- J. Chr. 1a16.
trat, um nur dem Zuge beiwohnen zukönnen. Auf
diesem ward Kolomans Heer geschlagen, und Kolo
man selbst mit feiner Gemahlin bey der Eroberungdes
Hauptschloffes Halicz gefangen. DerhungarischeKö
nig Andreas bemühete sich einen Prinzen zu befreien;
allein da erdamalsfosehrvom Geldeentblößt war,daß
er kein Heer ins Feldführen konnte, so mußte er sich
mit dem Regenten Mßislav auf sehr nachtheilige Be- -

dingungen einlaffen, und genehmigen, daß Wßislav


das Reich drei Jahr behalten, dann aber als einen
Brautschaß feiner Tochter Helena mitgeben sollte.
Diese Helena wurde dem dritten minderjährigen Sohn J. Chr. aan.
desKönigs verlobt, der aber, wie es scheint, vor der -

Vermählung starb. Koloman bekam Szlavonien als


ein Herzogthum, und behielt den Titel eines Königs
der Ruffenf). -

Mitten unter diesen Begebenheiten zogder König J.Chr. 127.


mit einem großenHeeremach Jerusalem,undnahm die Des Königs
Herzogevon Oesterreich undMähren, nebstvielenSach- ' Je
fen unddenvornehmstenhungarischen Baronen mit sich.
Bankoward als Ban von Szlavonien zum Reichs
verweser ernannt, und die Venetianer, welche zu der -- - - - --
Ueberfahrt nach Syrien ihre Schiffe vermietheten, -

misbrauchten die Gutherzigkeit des Königs so sehr,


daßder Erzbischof von Koloksa esfür nöthighielt, alle
königliche Veräußerungen der Krongerechtigkeiten noch
Mm 4 PO

nibus de Regno Galiciaefeu, Haliciae in Titulis Regum


Hungariae obvio Marburgi 1769.
f) Im Jahr 1228 hieß er Duxfive Banus totius Sclavo
niae, 1231 Rex et Dux totius Sclavoniae, und 1232
Rex Ruthenorum et Dux Sclav. S.Hr. Abt Kerefe
lich Notit. p. 186. Er kam 1241 um ohne Kinder
zu hinterlaffen.
552 XXXIV. Buch.Aelteste
vor des Königs Rückkunft vom Pabst ungültig. mas
chen zu laffen. Bei seiner Ankunft in Akkaron fand
er keinen Feind; denn der ägyptische Kaliphe Sultan
Salahoddin Joseph hatte sich nach Bagdad zurückge
zogen, und defen Sohn, Moaddam Iffa oder Cora
dinus der Sultan von Syrien und Jerusalem, wich
ihm gleichfalls aus. Dennoch stieß er zudenKönigen
Johann von Jerusalem und Hugo von Cypern, nahm
verschiedene kleine Bergfestungen ein, und belagerte
den Berg Thabor. Bei dieser Belagerung ward er
plötzlich von dem Könige von Jerusalem verlaffen.
Er bekam auch Gift, und entrann nicht ohne viele
-- "
Mühe dem Tode. Er erhieltferner Nachrichten von
.- - - --
fehr großen Unordnungen, die in feinem Reiche vor
giengen und die feine baldige Rückkunft sehr nothwen
dig machten. Alles dieses bewegte ihn auf das ge
fchwindefte zurückzueilen, ohngeachtet der Patriarch
ihn durch den Bannzurückzuhalten suchte. Der Pabst
hatte ihm die Befreiung seines SchwiegervatersPeter
von Courtenay empfohlen, welcher vom Pabste zum
konstantinopolitanischenKaiser gekrönt, auf dem Wege
nachKonstantinopel aber von dem griechischen Kaiser
zu Nicäa Theodor Lafaris gefangen genommen war.
Dem hungari Allein er konnte diesen Auftrag nicht erfüllen, und
schen Prinzen tilgte die Beleidigung die ihm durch diese Gefangen
wird Armenien
desimmt. haltunggewissermaßenwiderfahren war,durchdieVer
mählungseinesKronprinzen BelamitdesKaisersTheo
dor Tochter Maria g). Ein anderer morgenländischer
- - - - Mon
g) Die fogenannte lateinische Regierungzu Konstantino
pel hatte, nach ihres Kaisers Henrichs Tode 1216,den
vorgedachten Peter von Courtenay nebst feiner Gemah
lin Jolantha der Schwester des KaisersHenrichs, zu-:
gleich aber auch den König Andreas als Gemahl der
Tochter der Jolantha erwählt. Der König Andreas
nahm den Antrag zuerst an, empfiengden
-
eine
A
Hungarische Geschichte. 553
Monarch, Leo der König von Armenien, bewarb
sichumeineähnlicheVerbindungmitihm; undselbstein
farazenischer Sultan von Cogni (vermuthlich Azeddin
Kiligarslan) erbot sich zum Christenthum überzutreten,
wenn er ihm eine feiner Töchter zu seiner Gemahlin
geben wollte. Beides ward angenommen, und dem
Pabste zur Genehmigung angezeigt. Der König Leo
war zwar ein wankelmüthiger Herr; denn er verstieß
jetzt seines Bruders Enkel Rupinus, den er doch schon
zum König von Armenien hatte krönen laffen. Die
Prinzessin Isabella, die dem hungarischen Prinzen
Andreas bestimmet ward, war auch schon dem Jo
hann von Brienne, König von Jerusalem, verlobt
gewesen; allein der König Andreas ließ sich durch die-J. Chr. u.
fes nicht irre machen, sondern nahm die Huldigung
der armenischen Baronen für feinen Sohn an, und
wollte den PrinzAndreas nach Armenien abreisen lass
fen, als Leo verstarb, und der jerusalemische König
ihm zuvorkam undfeine Braut sich antrauen ließ h).J. Chr. 1a19.
Mm 5 Am
des Pabstes, ward aber so lange durch den Pabst vom
Zuge nach Konstantinopel abgehalten, bis daß Peter
in Rom eingetroffen undgekrönt war. Jolantha nahm
Besitz vom Kaiserthum, und schloß nebst ihren Söh
nen ihren Tochtermann den König von der Regierung
aus. Der Prinz Bela war bereits Witwer, (Schier
p.209) und bekam nach der Vermählung den Titel:
Primogenitus Regis Hungariae, Dalmatiae, Croatiae /

Gubernator 1222, 1226.(Hr. Kerc/elich p. 126) Sein


nächster Thronfolger gebrauchte den Titel: junior rex
Hungariae,der nachher blieb. S. Eu/ebii WeriniCom
mentatio de Hereditario jure Sereniff. Domus Austria
cae in apost. Regn. Hung. cap. 5.p.83. -
h) Hr. Prayp.2 15. Gebhardi bistorisch-geneal. Ab
handl. I. Th. S.73. Der Pabst Honorius gab feine
Einwilligung zu der Ehe der armenischen Prinzessin
erst am 4.März 12:19, und bestätigte, daß der hunga
rische Prinz Armenien erben folte, wenn auch die'
nicht
\

554 XXXIV. Buch. Aelteste


Am Ende derjerusalemischen WallfahrtgeriethderKö
nig noch in die Gewalt seinesbisherigen Feindes, des
neuen rafischen oder servischen Königs Johann Ac
fan, eines Bruderssohnsdes vorgedachten Johannitza,
und mußte sichvon diesem abermalsdurch eine Tochter
(Maria) lösen, die er ihm als Gemahlin beylegte.
Der Königfand die Verfaffung eines Reichs bey
seiner Rückkunft in der größerten Vewirrung; denn
dieSchwächern waren von den Mächtigern ausgeplün
dert, und derReichsschatz war verschleudert, und er zog
sich durch die Ahndung und Hemmungder Ungerech
tigkeiten einen sogroßen Haßzu, daß er abermals in
J.Chr. 1220.Lebensgefahr gerieth. Ergabzwar einem SohnBe
la eine besondere Hofhaltung und einen Antheilan der
Reichsregierung, und hoffte dadurch diesen Prinzen
von den Empörern abzuziehen. Allein er verschlim
merte dadurch feine Umstände; denn der Prinz, der
nun durch feinen Schwiegervater unterstütztzu werden
- - - - hoffen konnte, zogviele Bischöfe und weltliche Große
an sich, und versagte ihm den Gehorsam. In dieser
Noth nahm er seine Zufluchtzu dem Pabste und ver
anlaßte einige Bullen, wodurch denBischöfen die Be
obachtung ihrer Pflichtgegen ihn anbefohlen, und den
benachbarten christlichenRegenten bei Strafe desBan
nes die Beherbergung hungarischer Misvergnügter
untersagt ward. Er hätte auch gern die Ehe seines
Sohns mitdergriechischen Prinzessin durch einpäbtli
ches Verbot hintertrieben; allein er konnte dieses nicht
erlangen. Seine Kräfte litten durch die innernUnru
hen so sehr, daß er die Seeräuberey feines Untertha
nen,des flavischen Fürsten derKacheter Malducus und
- der

.. nicht vollzogen würde. Hr. Pray 26 Es ist also


- gewiß, daß der Prinz die armenische Prinzessin nicht
- ihrer Ehe mit dem Könige von Jerusalem gehei
allye,
'

Hungarische Geschichte. 555


der Bürger von Almiffa, nicht hemmen konnte, ohn
geachtet bald nachher es ein päbflicher ApocrifiariusI. Chr. aa.
mit Hülfe einiger Bürger von Spalatro that. Der
Thronfolger kränkte seinen Vater durch viele Eingriffe,
die er in sein oberrichterliches Amt hat, und ließ
Streitsachen, die schon von des Vaters Pfalzgrafen
entschieden waren, von seinen Pfalzgrafen von neuem
untersuchen undzumVortheildes, der den Proceßzu
vor verloren hatte, endigen. Die Reichsstände und
Unterthanen klagten ganz laut, daß ihnen der König
die Vorrechte entrifft, die ihnen der heilige Stephan
ertheilet habe; und der König mußte endlich diesen
Beschwerden durch ein merkwürdiges Dekret ab-I.Chr.1aas.
helfen ), welchesgleichsam dieGrundlage der hun-Grundgesetz
garischen Freyheit
Bischöfen und weltlichen und den Reichsständen
ist,Magnatendas oderder
Vorrechtgab, “
chem Ereyheit.

dem Könige zu widersprechen und zu widerstehen,


wenn er diesem Dekrete zu nahe treten würde. In
diesem Dekrete ward ein jährlicher hoher Gerichts
oder Reichstag, unter dem Vorsitze desKönigs oder
feines Palatinus, aufden St. StephanstagzuStuhl
weißenburg angeordnet. Die Dienstmänner oder der
Adelwurden, so wie diegeistlichenUnterthanen,mitih
renWohnplätzenfür steuerfrey erklärt, undbekamendas
Recht, daß sie nicht vor gefälltem Urheil bei einem
verüb

1) Deeretum R. Andreae II. ap. Pray pag. 220, und im


* Corp.Juris Hung.p. 155. Die weltlichenStände heif
fen in felbigem Jobagiones (Dienfmänner) et Nobiles,
ingleichen Servientes. Ich finde eine gewisse Schrift,
die sich aufdiesesDekret zu beziehen scheint, unter fol
gendem Titel angeführt: Ioh. Szegedi Affertor liber
tatis Hungaricae Andreas II. Rex Hierofoymitanus,
Allein ich habe felbige nicht erhalten können. Auch
vermisse ichfie, fowie mehrere Abhandlungen diesesGe
lehrten, in desHerrn Horanyi Memoria Hungarorum
etprovincialium friptis editis notorum.
556 XXXIV. Buch. Aelteste -
verübten Verbrechen eingezogen werden durften. Ihr
Reichsdienst ward gemildert und aufdie Gränzen des
Reichs eingeschränkt; denn außer denselben sollte der
Königfiel besolden und speisen. Dem Comes paro
chianus oder Obergespann, dem Comes Curiä paro
chianus (Schloßhauptmann), dem Palatinus, dem
CurialisComes und andern Richtern ward eine genaue
Vorschrift über ihre Gewalt und ihr Amt gegeben.
Der Palatinus wurde zum einigen Richter über alle
Edele gesetzt, und der König behielt den Ausspruch
überHochverrath und Landfriedensbruchfich selbst vor.
Ganze Grafschaften und hohe Würden sollten nicht
erblich verliehen werden; dennoch behielt der Sohn
oder Bruder eines solchen Jobagio, der vor demFein
de geblieben war, das Recht, ein Amt mit der dazu
gehörigen Rente vom Könige zu fordern. Wichtige
Aemter sollten den Gästen oder Fremden ohne Bewil
ligungderReichsstände nicht anvertrauet werden. Die
Ismaeliten und Juden sollten von allen Aemtern aus
geschlossen feyn. Die Comites camerari,monetari,
falinariund tributari wurden zu dem Adel gesetzet.
Außer den vier Jobagionen oder dem Palatinus, dem
Bann (vom ganzen Szlavonien) und den beyden
Hofgrafen desKönigs und der Königin, sollte keiner
zwey Aemter zugleich befizen können. . . Für die Aer
mern ward durcheine Bestimmung der Zehnten, des
Werths der Münze, und andere Anordnungen ge
forgt. Die niedrigere Geistlichkeit ward von aller
weltlichen Gerichtsbarkeit, von allen Steuern und von
allen Zöllen befreitk), und überhaupt ward die köni
gliche Macht so sehr eingeschränkt, daß der König
aufhörte ein asiatischer Despot zu seyn, und anfieng
ein europäischer Monarch zu werden.
-- Gleich
k) Hr. Rath Kollar de Originibus potet. legisl. circa fa
cra Reg. Hung. P. 97. -- -- -*
Hungarische Geschichte. 557
Gleich nach der Abfaffung dieser merkwürdigenUrs
kunde, brachdas Misverständnißzwischen dem Köni
ge und seinem Thronfolger in eine offenbare Feinde
ligkeit aus. Der Königveranlasfete seinen Sohn den
Thronfolger, daß er seine Gemahlin, mit welcher er
kaum zwei Jahr vermählt gewesen war,verstieß; aber J. Chr. u23.
die Bischöfe bemüheten sich, um eine Gefahr vonSei
ten des griechischen Kaisers von dem Reiche abzuwen
den, den Thronfolger wieder mit seinerGemahlin aus
zusöhnen. Als ihnen dieses gelung, trieb der König
den Thronfolger nebst seiner Gemahlin aus dem Rei
che; und dieser griff nun in Gesellschaft des Herzogs J.Chr. aas.
von Oesterreichzu den Waffen. Der Pabst dämpfte
zwar das auflodernde Feuer, allein nur aufeine kurze
Zeit. Denn noch in selbigem Jahre rückten Vater ''
und Sohn plötzlich in dasFeld, und wurden nicht oh- är"
ne große Mühe durch die Reichsstände wieder beruhi
get. Bey diesem Vorfalle scheinen die Sachsen sich
um den Königverdient gemacht zu haben; denn der
Königbestätigte ihre alten Vorrechte), und hob alle
Gespannschaften in ihrem Lande auf. Er legte ferner
zu ihrem Gebiete alles Land jenseit des Waldes von
Varoß bis Baralt, die Länder Scepus oder Zips und
Darus,den Wald der Blacher und Biffener (Wala
chen und Patzinaziten),und das Land der Siculorum
oder Zekler, verordnete über allesdieses einen Oberge
spannzuCibiniumoderHermanstadt, und errichtete al
fo den besondern Staat, der seitdem Siebenbürgen
hieß, und noch unter seiner Regierung einen eigenen
Woiwoden bekam. DieKumaner und Brodiner,die
an diese Woiwodschaft gränzten, und wie es scheint,
schon die hungarische Hoheit erkannten, bezeigten sich
geneigt das Christenthum anzunehmen, und Boritz,
einer ihrer Fürsten, ließ sichvon dem granischen Erzr I-Chr. az
bischof
1) Dipl. de An. 1224. ap. Dn. Prayp.228. 1. c. -
558 XXXIV.Buch. Aelteste
bischoftaufen. Der Pabst sandte daher einen beson
J. Chr. 1229. dern Bischofzu ihnen, und behielt über selbigen selbst
Die Kumgner
werden christ
die Oberaufsicht. Aber diese Bekehrungveranlasfete
lich. eine neue Unordnung im Reiche. Denn viele Kuma
mer traten äußerlichzum Christenthum über, und blie
ben im Geheim den heidnischen Irrthümern und der
mohämmedanischen Religion ihrerVorfahren getreu.
Der König bekam von ihnen und von den Juden so
vortheilhafte Gedanken, daß er sie zu allen Kammer
geschäftenzog, und ihnen die dazu gehörigen Aemter
gab. Die Gewalt, die mit diesen und besondersmit
dem Steuerwesen verknüpft war, wurde zur Unter
drückung der Geistlichen, so wie aller Christen über
haupt,gemisbraucht; und viele Christen, die von den
jüdischen und mohämmedanischen Steuerbedienten in
Noch gebracht wurden, tratenzu ihrer Religion über,
oder verheiratheten sich mit den farazenischen, bulgari
fchen und kumanischen unchristlichenGeschlechtern. Al
lesdieses schien dem hungarischen Christenthume den
Untergang zudrohen, und war ein offenbarer Bruch
des noch neuen Dekrets. Dahersetztendierechtgläubi
gen MagnatendasVolk und vorzüglich denpäbstlichen
Hofin Bewegung, um die Macht der Unchristen zu
J.Chr. 1225. untergraben. Der Pabst befahl schon vor der kuma
nichen angeblichen Bekehrung dem Thronfolger, daß
er die von feinem Vater ausgestellten Urkunden über
veräußerte Kronrechte und Güter für ungültig erklä
ren sollte, undgab dem Erzbischofvon Gran den Auf
trag, die Gewaltthätigkeiten der Muhämmedaner und
K. Chr. 1231. Juden zu hemmen. Dieser veranstaltete, daß das
Neue Vorrech
te derGeistli vorgedachte Dekret erneuert ward, und daß man den
chem, Bischöfeneinegewisserichterliche Obermachtin selbigem
zugestand m). Er that ferner, welches vor ihm nicht
einmalder Pabst gewagt hatte, alle königliche Rä
-
the
m) Hr. Pray S. 234
Hungarische Geschichte. 559
the und insbesondere den Pfalzgraf Dionysius in den
Bann, und drohete den Priestern, welche vor Auf
hebungdesselben im Reiche gottesdienstliche Verrich- -
tungen vornehmen würden, mit der Absetzung. Er
verbot auch alle Gemeinschaft mit den nicht getauften,J.Chr. aza.
sowohlin Absicht der Ehen, als auch des Handels,
und nahm den Unchristen das Recht, christliche Knech
te oder Mägde zu besitzen. Die Weltlichen waren
durch die Härte der unchristlichen Beamten in eine so
große Verzweiflunggerathen, daß einige Vornehmere J. Chr.1aag.
den seltsamen Anschlag faßten, den König und den
Thronfolger umzubringen, die hungarische Staatsver
faffungaufzuheben, das Land unter sich zu verheilen,
und das Reich in viele kleine unabhängige Staaten zu –
verwandeln. Dieser grausame Entwurfward aufei
ne unbekannte Weise vereitelt. Der König bestrebte
fich, um seiner Ausführungzuvorzukommen, die Zu
neigungder Geistlichen zu erlangen, und diesen eine
Macht zu verschaffen, die der weltlichen gleich fey.
Daher bewilligte er den Kirchen für die entriffenen J.Chr. 1232.
Güter 10,000 Mark Silbers, befreyete die Geistli- - -
chen für ihre Person, nicht aber für ihre Güter, von
aller weltlichen Gerichtsbarkeit, und verordnete fiel zu
einigen Richtern aller Ehe- und Brautschatzwistigkeit
ten. Er verpflichtete sich alle Jahr einen neuenPfalz
grafenzu bestellen, und die Unchristen von allenKam
merämtern ohne Ausnahme auszuschließen; geneh
migte die Aufhebung der Ehe zwischen Unchristen mit
Christen, verbot den Mohämmedanern und Juden
christliche Knechte zu haben, und gab ihnen ein Un
terscheidungszeichen,welches sie an ihreKleider befesti
gen sollten. Gleich darauffielen er und der Thronfol- J.Chr. tazz.
ger in Steiermark und Oesterreich ein, um an dem
Herzog Friedrich die Verstoßung seiner Gemahlin zu
ahnden, die eine Schwester der Gemahlin des Thron
folgers
560 XXXIV. Buch. Aelteste
folgers war. Nachdem diese Unternehmung ausge
führt war, wandte sich der Thronfolger und fein Bru
J.Chr. 1234. der Kolomann aufVerlangen des Pabstes Gregorius
- -
gegen Osten, um die Ketzer und griechischen Glau
bensgenoffen in der Walachey zum Gehorsam gegen
den Pabstzu zwingen, und alle, die von der christli
chen zu der mohämmedanischen Religion im Gebiete
des kumanischen Bischofs übergetreten wären, auszu
rotten. An diesem Kreuzzuge nahm aber der König
keinen Theil, sondern er blieb in Ruhe, vermählte
fich mit einer sehr jungen Prinzessin Beatrix, die eine
Tochter desMarkgrafen Aldrovandin von Estewarn),
und empfand die gewöhnlichen Folgen der Ehen die
J.Chr. 1235.fer Art. Denn er verschied am Ende desnächsten
Jahrs. Seine Gemahlin war bey feinem Tode
schwanger, und ward von dem nunmehrigen Könige
Bela v wird 2Bela IV, welcher bereits beerbt war, und die Ver
König.
mählung seines Vaters sehr ungerne gesehen hatte,
fehr enge eingeschloffen. Allein sie bekam sehr bald
eine Gelegenheit ausdiesem Gefängniffe zu entrinnen.
J. Chr. 1236. Es erschien nämlich eine Gesandtschaft des Kaisers
Friedrichs II,welche vielleicht von ihren Verwandten
veranlafft war, und forderte eine hungarische Steuer
von sieben und vierzig Jahren her, die,wie der Kaiser
glaubte, das hungarische Reich ihm schuldig war o).
Diese Gesandtschaft ward abgewiesen, nahm sie aber
unbemerkt und in einem männlichen Kleide verlarvt
mit sich. Sie gebar daraufeinen Prinzen Stepha
mus, und verlangte für selbigen einen fandesmäßigen
Unterhalt. Allein der König Bela schlug ihr diesen
aufAntrieb seinerGemahlin ab, und ließ sie und ihr
ren Sohn darben. Dennoch war dieser Prinz von
der Vorsehungbestimmet, in seinem Sohne Andreas, -

den
n) Schier p. 203.
o) Albericus ad An. 1236.
Hungarische Geschichte. 561
den er mit einer reichen Venetianerin erzeugte, seiner
Nation den letzten König des männlichen arpadischen
Stammes zu geben.
- Der neue König Bela warzwar geneigt den Zu- Belavin
fand seiner Nationzu verbeffern, allein er folgte den
Anschlägen
lin zu sehr,seiner sehr stolzen und
und veranlasfete grausamen
dadurch Gemah-Staatsverfass
viele Begeben: fung. -

heiten, die für feine Unterthanen sehr traurige Folgen


hattenp). Er fieng seine Regierung mit einem Reichs
tage an, aufwelchem er gegen die getreuen Diener
feines Vaters sehr hart verfuhr, gegen die Landfrie
densstörer strenge Gesetze gab, und den Edlen,außer
den Baronen oder vier höchsten Beamten, den Erz
bischöfen und den Bischöfen,das Recht nahm, infei
ner Gegenwartzu sitzen. Dieses Verfahren erregte
ein so großes Misvergnügen, daß die mächtigsten
Weltlichen dem Herzog Friedrich von Oesterreich die
hungarische Krone und ihr Land anboten, und sich ins
geheim zum Kriege gegen ihren Oberherrn rüsteten.
Dieses hatte der König vermuthet, und daher traf er JChr. a36.
die Anstalt, daß ihm die Boten und Briefe der Mis
vergnügten in die Hände fielen. Als er aus selbigen
die Zeit, die dem Herzoge zur Ueberkunft bestimmt
war,ersehen hatte, brachte er unter einem andern Vor
wande ein Heer zusammen,undhintergieng den Her
zogmit falschen Nachrichten. Durch diese ward der
Herzog verleitetzufrühzu kommen; und da die Ver
- schwor
p) Hr. Pray Annal. T. I.p.244.325. Die Geschichte
vor und in der tatarischen Verheerung findet man,
mit vielen Anekdoten, prosaisch in einer Schrift des
Erzbischofs von Spalatro Rogerius vorgetragen, die
den Titel führt: Miserabile Carmen (inde Schwandtner
Script. R. Germ.T.I. p. 292). Rogerius war, als
er von den Tataren gefangen ward, ThumherrzuWa
rasdin.

Allgem. Weltg.XV. B. 1.Abth. Nn


562 XXXIV. Buch. Aelteste
schwornen aus Unwissenheit sich nicht einfanden, so
geriether, weil er ein fehr heftiger Mann war, in
Wut, und verheerte einige Gegenden und Güter sei
ner Mitverschwornen. Darauf fiel der König nebst
seinem Bruder Kolomann aufsein Heer, verfolgte ihn,
und verfuhr mit den österreichischen Unterthanen sehr
unbarmherzigund hart, bis daßder Herzog eine far
ke Brandschatzungzahlte, und den Frieden heuer er
kaufte. Nach diesem Glücke und der Demüthigung
der Misvergnügten, wagte es der König mit seinen
Neuerungen noch weiter zu gehen, und die ganze alte
J.Chr. 1237. Gerichtsverfaffung aufzuheben,odervielmehr mit einer
neuen Ordnung,die völlig nach derpäbstlichen oder rö
mischen Curialordnung eingerichtet war, zu vertau
fchen. Er schloß den Pfalzgrafen fast von allen Pro
ceffen aus, und hob die Freyheit fich dem Könige zu
nähern, die bisher jeder Hungár gehabt hatte, auf
Er setzte zuder Schlichtung aller Streitigkeiten einen
Kanzler, und behieltfür sichnur das Erkenntnißüber
sehr schwere Streitfragen, oder sehr große Verbre
chen. Dadurch wuchs die Gewalt der Geistlichen und
Gelehrten, wie auch des päbflichen Hofes, zu einer
fehr großen Höhe, und mit ihrer Vergrößerung nahm
auch der Haßgegen den Königzu. Der König ach
tete diesen nicht, weil er sehr große Reichthümer be
faß, undfür diese genug Bundesgenoffenzur Bändi
gung seiner Unterthanen erkaufen konnte. Erbeschloß
aber dennoch die Mächtigern ärmer und biegsamer zu
machen, und ihnen gewisse nochnicht eingezogenegros
fe Kronländereien zu nehmen q). Hierzu hatte er ei
ne sehr bequeme Gelegenheit; denn erstlichbeleidigten
die vier Erbhofbeamten ihre Mitstände durch den grös
festen Trotz und Stolz, und pochten aufihre ansehnli
che Einkünfte, von welchen sie eine Kriegesmacht, die
- -- -
der

n) Rogerius p. 298. - - - - -
Hungarische Geschichte. 563
der königlichen fast gleichwar, unterhielten, und fer- -

ner beschwerten sich die Gespanne, daß sie ihre Mann


zahl bey dem Aufgebote kaum zum Drittheit oder
Viertheil liefern könnten, weil die mehresten Güter
ihrer Grafschaft einzelnen Edlen geschenkt, und vom
Reichsdienst befreyet waren. Daher vollzog der Kö
nig die schon unter seinem Vater beschloffene Einzie
hung der veräußerten Krongüter, und gab keinem ein
eröffnetes Lehn wieder, ohngeachtet die, die in den
Reichszügen ihre Blutsfreunde verloren hatten, felbi
ge vermöge des neuen Dekrets als eine schuldige -

Schadloshaltungforderten. - - -

Dasgriechische Kaiserthum war zu diesen Zeiten Belä Abficht


getheilet, und hatte zwey Oberherren, einen lateini- '' Bull
fchen (Balduin)zu Konstantinopel, und einen grie
chischen (Johannes Vatazes Dukas)zu Nicäa. Der
letztere verband sich mit Johann Asan dem König der J. Chr. a36,
Bulgaren gegen den erstern, und der Pabst suchte den
König Bela gegen die vereinigten Fürfen in die Waf
fen zu bringen. Der König Bela war nicht leicht zu
überreden, weil beide Fürsten feine Schwäger waren,
und der Kaiser Balduin sich nicht entschlieffen konnte,
ihm die Ansprüche des griechischen Kaiserthums an
Bulgarien zu überlaffen. Inzwischen arbeitete der
päbstliche Hofdoch so lange, bis daß Bela sich willig
zum Angriff, und Balduin zur Verschenkung des
bulgarischen Reichs bezeigte. Er bewilligte dem Kö
nige Bela das Recht, dasKreuz sich in der Bulga
rey sowie in Hungarn vortragenzu laffen, und einen J.Chr. 1237.
Geistlichen zu ernennen, der aus päbstlicher übertra
gener Gewalt in des Königs Namen neue Bischof
thümer in der Bulgarey errichten sollte. Er befreiete
ihn auch von verschiedenen harten Gesetzen, die der Le
gat Bischofvon Präneste gegebenhatte, und von dem
Banne,worein das Reich über die Widerspenstigkeit
Nn2 - ge
-
564 XXXIV.Buch. Aelteste -

gegen dieses fremde Recht gerathen war, und hoffe


nach diesengroßen Vergünstigungen fich bald in dem
Besitze der griechischen Länder zu sehen. Allein weil
der Kaiser Johann sowohl als auch der König der
Bulgarey in den nächsten drei Jahren, so oft die Ge
fahr großward, sich stelleten, als wenn siedes Pab
fes Hoheit erkennen wollten, so ließ sich derpäbstliche
Hof hintergehen, und rief den König Bela von der
Zurüfung zum bulgarischen Zuge ab. Endlich aber
vernichtete ein großes Unglück, welches überHungarn
ausbrach, dasganze Unternehmen.
Ankunft der Dieses Unglück nahm seinen Anfang in Sibirien
Mogolen oder
Tartaren. und an der Gränze des chinesischen Reichs, durchdie
ehrgeizigen Entwürfe der mogolischen Regenten, wel
che die ganze Weltzu bezwingen trachteten. Von die
fen Regenten herrschte der ältere, Zagathai Chan,
über die große und kleine Bucharey und das Land der
Eöter und Usbeker, der jüngere aber,UgadaiChan,
über Mogolistan undKapschak oder über die chinesi
fchen Tartareyen und Sibirien, westlich dem Tungus
kastrome. Der letztere beschloß, weil er Oberchan
aller Mogolen, oder, wie diese Nation damals sich
nannte, Tartaren war, und den Europäern näher
als fein Bruder wohnte, die Eroberungen seines Va
ters, des berühmten Penghiz oder Zingis Chan, so
weit als möglich gegen Westen auszudehnen. Daher
J. Chr. 1237. fandte er seinen Sohn Kayuk oder Cuyne, ferner
Baidar den Sohn einesBruders, BatudenSohn
Zuzichan, und langu einen andern Prinzen feines
Geschlechts,mit einemgroßen Heere ausr); und diese
eroberten innerhalb den nächsten drei Jahren Turan,
nebst dem ältesten Bulgarenlande, Althungarn ander
Wolga, das neuere Hungarn und Czirkafien zwischen
dem

r) Abulgafi Bayadur Chan Hit. généalogique des Ta


tars à Leyde 1726,p.364.
HungarischeGeschichte. 565
dem schwarzen und kaspischen Meere, das Land der
Kumaner und endlich Rußland. Der König Bela
vernahm etwas von diesem Zuge, und fandte,gerade
als er angefangenward,zwei Mönche nach Althungarn
am kaspischen Meere, um von selbigem Erkundigung
einzuziehen. Aber diese fanden dasLand erst im zwey
ten Jahre, nachdem es unter die tartarische Hoheit ge
rathen war.
Die tartarischen Eroberer ließen den alten Regen. DerKönig der
ten ihr Land, wenn sie sich freiwillig unterwarfen,und ':
ihre Beamten oder Knechte wurden; aber sie ver- aufgenommen.
fuhren mit der größefen Grausamkeit gegen alle, die
ihr Eigenthum oder ihre Freyheitzu vertheidigen wag
ten. Von der großen Nation der Kumaner, die
auch Polowzer und Usen hießen, und zwischen den
Morduinen, dem Don, dem Dneper undder Donau,
im südlichen Rußland, in der krimmischen Tartarey,
in einigen podolischen Gegenden und in der Moldau
wohnten s), beugte der größte Theil sich unter das tar
rarische Joch. Allein dem kumanischen Oberkönige
Kuchen war dieses unerträglich. Daher flohe er, nach
dem erzweimalgefiegelt hatte,zum drittenmal aberge
schlagen war, zu den Hungarn. Er fandte aber Ab
geordnete voraus, und erbot sich, wenn man ihm und
feinem Volke das hungarische Bürgerrecht erheilen
wollte, zu einer HuldigungundUnterthänigkeit. Sein
AntraggefieldemKönige Bela außerordentlichwohl:
einmal weil Bela noch unbebauete Gegenden in fei
nem Reiche hatte, die die Kumaner anbauen konn
ten; und ferner, weildiesem Fürsten der Gedanke,der
Oberherr eines Königes,den er für mächtiger als sich
selbst hielt, zu werden, außerordentlich schmeichelte. Er
- Nn3 ward

s) Hr. Pray Diff, p. 111. Hr. Prof. Thunmann Unter


suchungen über die Gefäh.der östlichen europ. Völ
ker S. 162.
566 XXXIV.Buch. Aelteste
ward daher begierig angenommen, und Kuchen er
/
hielt große Vorrechte und Vortheile,jedoch unter der
Bedingung, die die verschiedenen kumanischenStäm
me, welche bisher in Hungarn aufgenommen waren,
insgesamt hatteneingehenmüffen,nämlichdaß erzuder
christlichen Kirche treten sollte. Dieses Ansinnenfand
bey ihm keinen Widerstand. Daher ward Kuchen
Chr. 1236. mit funfzigtausend kumanischen Hauswesen in das
Reichgelaffent); und vermöge eines feierlichen Ver
trages, welchen die hungarischen Reichsstände und der
König mit den kumanischen Fürsten fehloffen, ließen
fich die vornehmsten Kumaner nebst dem Kuchen tau
fen, und daraufmit ihren Stämmen in verschiedene
Gespannschaften verheilen. Der König Bela, der
von diesem kriegerischen Volke beträchtliche Dienste ge
gendie Tartaren, vielleicht auch gegen die Misver
gnügten seiner eigenen Nation erwartete, gestand den
Kumanern den Vorzugzu, den er denHungaren ent
zogen hatte, daß nämlichjeder von ihnen freien Zu
tritt zu ihm hatte. Dieses schien ihm um desto nö
thigerzu seyn, weil er merkte, daß die Hungaren die
fe Ankömmlinge beneideten undzu unterdrücken fuch
ten. Er befahl ferner den hungarischen Gespannen,
die Streitigkeiten, die zwischen einzelnen Hungaren
und Kumanern etwa entfänden, nach der genauesten
Billigkeitzu schlichten, und alles aus dem Wege zu
räumen, wodurch die Kumaner gekränkt werdenkönn
ten. Die Kumaner behielten ihre Gebräuche, ver
mieden die Städte und Dörfer, und zogen mit ihren
großen Heerden und filzenen Zelten in den Einöden
zwischen der Theis und Donau umher, ohne die alten
Ein
t) Hr. Pray bestimmet das Jahr 1239 in den Dissertat.
p. 113. Rogerius hatS. 294das Jahr 1242, aber
nur durch einen Schreibfehler, weil er bald hernach
ein Merkzeichen, welches nur auf 1239 trifft, angibt.
Hungarische Geschichte. 567
Einwohner zu beleidigen. Die Aermern von ihnen
aberverdungen sich für eine sehr geringe Kleinigkeit
bei den hungarischen Winzern und Ackersmännern,
die von ihren Arbeiten große Vortheile zogen. Es
schien also, daßdie Kumaner bald mit den Hungaren
vertraut werden würden. Allein da einzelne Kuma- - - -
ner sich allerley Freyheiten gegen hungarische Weiber
erlaubten, und die Hungaren, wenn eine Streitigkeit
vom Gespan nicht nach ihrem Sinn entschieden ward,
die Gerichtsstühle für partheyisch ausschrien und auf
Rache dachten, so entstand bald eine heftige Verbitte
rung gegen die Kumaner, welche endlich eine Verwü
fung der hungarischen Stadt Rodna nach fich zog.
Diese ward nicht weiter geahndet, als daß die Kuma
ner nun geschlechterweise durch das ganze Reich ver
theilet wurden: denn es konnte nicht erwiesen werden,
daß Rodna wirklich vonKumanern, nicht aber von ei
ner freifenden tartarischen Horde zerstört fey; und
es würde daher unbilliggewesen sein, die ermordeten
rodnaer Bürger an denKumanern zu rächen. -

Die Tartaren waren, indem diesesgeschahe, dem ICb.“


hungarischen Reiche sehr nahe gekommen, denn sie hat
ten Kiow zerstört, Polen verwüstet und Sendomir
belagert. Der König hatte schon lange den Pabst
und den Kaiser um Hülfe und um einen Kreuzzug ge
beten; allein da der Pabst mit dem Kaiser Friedrich
II so sehr zerfallen war, daß er gegen diesen Monar
chen das Kreuzpredigen laffen wollte, dieser aber alle
Reichs- und eigene Völker gebrauchte, um sich der
päbstlichen Angriffe zu erwehren, so erhielt der König
nur Versprechungen ohne wirklichen Beistand. Von
feinen Unterthanen konnte er gegen ein so ungeheures
und wildes Volk keinen großen Dienst erwarten: denn
diese waren durch den Ueberfluß, welchen fie genoffen,
zu der umthätigsten Weichlichkeit und Trägheit ver
N n4 füh
368 xxxv Buch. Aelteste
führet. Der Jünglingverabscheuete alle Arbeit und
entzog sich den Waffenübungen,verscherzte die Nächte
bey Wein und Schmäusen, und gebrauchte die Au
genblicke, die ihm nach einer langen Morgenruhe
übrigblieben, zum Nachdenken über dieVerbefferung
feinesPutzes. Die Männer wurden durch ein reife
res Alter nicht klüger, sondern trachteten nur eine we
niger rauschende Wollust zugenießen. Daher baue
ten sie sich abgesonderte Wohnungen aufangenehmen
Wiesen oder in schattigen Gehölzen, und lebtenin die
fen mit ihren Frauen u) in stillerRuhe oder gesellschaft
lichen Freuden. Die ganze hungarische Nation hatte
ein Mistrauen gegen den König, undglaubte, er ma
che die Gefahrgrößer als sie fey, um ohne Verdacht
ein Heer zu der Unterdrückung ihrer Freyheit zusam
menbringen zu können. Einige vermutheten, daß
das Gerüchtevon der Anrückungder Tartarn von den
Bischöfen herrühre, und daßdiese es ausbreiteten,um
fich von der Unbequemlichkeit der Reise zu einer vom
Pabst ausgeschriebenen Kirchenversammlungfrey ma
chen zu können. Andere behaupteten, daßdie Tartaren
von den Kumanern herbeigerufen wären, und daß sie
schonzurückkehren würden, wenn man die Kumaner
entwafnete. Diese letztern brachten es endlich dahin,
daßder König den kumanischen König Kuchen nebst
den Vornehmsten seiner Nation in Buda oder Ofen
verwahren ließ. Der König erhielt inzwischen von
feinem ehemaligen Feinde, dem Herzog Friedrich von
Oesterreich, ein beträchtlichesHeer, welches der Her
zogihm selbstzuführte, bot das ganze Reich auf, fand
te den Reichspfalzgrafen nach der russischen Pforte,
und ließ die Königin mit ihrenKindernunddemScha
ze nach Oesterreich reisen. Die Tartaren erreichten
- den

u) Thomas Archidiac.Hit.Salonit. ap. Dn.de Schwandt


• Mer. III. 1. ÖO2.
/
Hungarische Geschichte. 569
den hungarischenPaß, und ließen durch40.000 Zim
merleute und ähnliche bewafnete Arbeiter die Verhacke
zernichten. Ihr Heer selbst bestand aus 500,000
Mann und hatte acht Hauptanführer, welche in der
Kriegeskunst sehr wohl geübt waren.
Alles dieses schwächte den Pfalzgrafen so sehr, daß
sein Widerstand keinen weitern Nutzen hatte, als daß
er dem Reiche den Kern der tapfern Leute, welche bey
der Stürmung der hungarischen Pforte alle aufder
Wahlfattblieben, entzog. Die Tartaren verwüstet 12 März241.
ten nun alles, was sie erreichen konnten; der König
blieb aber ruhig in dem Sammelplatze Pest. Die
vielen traurigen Nachrichten, die von den tartarischen
Grausamkeiten täglich in diese Stadt kamen, brachten
das Volk so sehr auf, daß es aufdes Königs Träg
heit schalt, undendlich in einem Auflaufe den König
Kuchen in feinem Hause überfiel, und mitfeinenAn
gehörigenniederhieb. Durch diese Rasereywurdedas völ
lige Verderben des hungarischen Reichs befördert.
Denn die Kumaner,die aufdes Königs Befehl zum
Gefechte mit den Tartaren herbeyeileten, begabensich,
sobald sie den schmählichen Tod ihres Königs ver
nahmen, zu den Tartaren, und wüteten gegen die
hungarischen Einwohner weit heftiger als die Tarta
ren selbst. Sie dienten ihnen auch zu Wegweisern,
denn sie hatten sichbereits eine sehr gute Kenntniß des
Landes erworben. Eingroßer Theildes hungarischen
Adelswarfsich in Waizen, und verlor diese Stadt
und fein Leben. Endlich rückte der König, als er sich. Die Tartaren
starkgenugzu seyn glaubte, den Tartaren bis an denfiesenamSao.
Zagywa oder Sajostrom entgegen, begieng" aber
bey der Wahl des Lagersden großen Fehler, daß er \

es aufeinen Platz,der zu der Aufführung des Heeres


zu enge war, aufschlug, und daß er einige seichte Mo
räfte, die esdecken sollten, für undurchdringlich hielt.
Nn 5 Die
570 XXXIV. Buch,Aelteste
Diehungarischen Edeln waren noch so hörigt, daß sie
sich für unüberwindlichund die Tartarenfür unerfahr
ne Kriegesleute hielten, auchzum Theil sichvon einer
Niederlage ihres Königs Vortheile, in Betracht ihr
rer verlornen Mache und Reichsgüter, versprachen.
Daher waren fiel sehr nachläßig. Endlich aber weckte
fie ein tartarischer plötzlicher nächtlicher Sturm des La
gers zu spät aus ihrem Schlafe v). Die Tartaren
giengen nämlich über den Morast, und nahmen Anhö
hen ein, von welchen fie überall in das Lager schießen
konnten. Die Hungaren lagen, als dieses geschahe,
im Traume, und verloren, da sie gewecktwaren,vie
le Zeit mit der Rüstung. Ihre Zeltstricke hielten sie
im Laufen auf, brachten fiel zum Fallen, und veran
laßten eine allgemeine Unordnung. Die, die bis an
den Wall kamen, konnten vor der Menge der Pfeile
keinenfesten Fußbehalten, wandten den Rücken, und
ließen sich, ohne sich zu vertheidigen, erschieffen. Der
König bemühete sichvergeblich, das Heerzusammen
zubringen, und flohe endlich mit seinem Bruder Ko
lomann, in dem letzten Augenblicke da es noch mög
lich war. Die Hungaren vereinigten sich zwar an der
Pforte, um sich durchzuschlagen, und wurden von ih
ren Feinden durchgelaffen; allein da sie in eine gewisse
fumpfige Gegend gekommen waren,wurden sie von
den Tartaren angesprenget und insgesamt ohne Ge
genwehr zu Grunde gerichtet. Aufdiese Art büßten
fast alle Magnaten, nebst den Erzbischöfen und drey
Bischöfen, das Leben ein. Der König oder Herzog
Kolomann eilte nach Pest, befahl den Bürgern ihre
Stadt

v) Dieser Vorfall wird in einem angeblichenGeschlechts


briefe desKönigs Bela vom Jahr 1260, auf eine an
dere Weise beschrieben. S. Hrn. Kersfelich Hit. ec
clef Zagrab. p.329. Alleindieser Briefist dem Style
Nach schwerlich zuverläßig. “
Hungarische Geschichte. 571
Stadt zu verlaffen, und entwich nach Szlavomien.
Der König aber begab sich nach Polen, um von dem
polnischen Könige Hülfe zu erlangen. Allein da dieser
Herr in gleichen Umständen und Gesinnungen ihm auf
dem Wege begegnete, so gieng er nach Oesterreich.
Aus diesem Lande fandte er an den Kaiser, und bot
Hungarn ihm und dem deutschen Reiche als ein Zins
lehn an, wenn er es von den Tartaren befreyen wür
de; allein der Kaiser war noch nicht im Stande diese
Bedingung zu erfüllen. Sein bisheriger einiger
Hülfsgenoffe der HerzogFriedrich gab ihn ganz auf, J. Chr. 1242.
und nahm daher Grundsätze an, die feinen Staatsein
fichten mehr Ehre als feinem Herzen machten. Er
forderte nämlich von dem Könige das Geld zurück, Der Herzog
von Oesterreich
welches er ihm für die ungerechte Verwüstung des erobert etwas
hungarischen Reichs hatte zahlen müffen, und nahm von Hungarn.
ihm nicht nur feinen Schatz nebst allen vorräthigen
Kostbarkeiten ab, sondern verlangte auch einige Ge
spannschaftenzum Pfand, verheerte die nächsten hun
garischen Gegenden, eroberte verschiedene Vefungen,
brachte drey Gespannschaften völlig an sich, und
preffete den Hungaren, die sich in sein Land gerettet
hatten, ein beträchtliches Schutzgeld ab. Der Kö
mig flohe nun mit feiner Gemahlin und feinen Kin
dern, von allen Nothwendigkeiten und Geldern ent
blößt, vor seinem neuen Feinde nach Dalmatien, und
zu gleicher Zeit starb eine vornehmste Stütze, der
König Kolomann, an den empfangenen Wunden.
Ein solcher geschwinder Wechsel war für einen Mon
archen, der vor kaum zwei Jahren fich in einem
Briefe an den Pabst rühmen konnte, daß es ihm we
der an Macht noch an Reichthümern fehle, sehr hart.
Allein der König ertrug ihn mit Muth und voll von
Zuversicht aufeinen höhern Beystand.
Die
572 XXXIV. Buch. Aelteste
Die Tartaren giengen nach dem Siege am Za
gywa vor Pest und Großwaradein, und eroberten
J. Chr. 1241. diese Städte mit Sturm. Einige Züge ihres Heeres
kamen in Böhmen und bis Breslau, undfochten mit
J. Chr. 1242. gleichem Glücke. Im nächsten Jahre fuchte Kayuk
den König in Szlavonien, Dalmatien und Kroatien
auf, fand ihn endlich in Trau und schloß diese Stadt
ein. Allein weiler keine Schiffe hatte, und der Kö
nig aufdie Inseln flohe, so hob er die Belagerung
wieder auf, verheerte Kroatien, Dalmatien, Bos
nien und Servien, äscherte drey Seestädte, Kattaro,
Drivasto und Zuppa, ein, und vereinigte sich mit
dem zweiten Heere des Bathu zu nordlichern Ver
heerungen in der Bulgarey. Nachher brach er durch
die neuen Verschanzungen in die österreichisch-hunga
rischen Gespannschaften, und endlich auch in Oester
reich ein. Allein da er in der Gegend von Wien die
Ankunft eines großen Heeres verschiedener deutscher
Fürsten vernahm, kehrte er zurück, und beschäff
tigte sich nur mit der Besetzung aller zu Hungarn
gehörigen Reiche, Städte und Oerter, die ihm,
bis auf die drey für die Tartaren unbezwinglichen
Bergschlöffer, Stuhlweißenburg, St. Martin und
Gran, insgesamt zufielen. Die Tartaren verübten
an den Einwohnern dieser Gegenden Grausamkeiten,
die selbst die hierische Wut übersteigen; und die Ge
fähichtbücher der damaligen Zeit find voll von den
fchrecklichsten Schilderungen, die auch der gefühllo
feste Mensch nicht ohne Grausen betrachten kann.
Offene Oerter genau einzuschließen und mit ihren aus
geplünderten Bewohnern zu verbrennen, war eine
Kleinigkeit. Sobald man in eine Stadt gekommen
war, ließ man alle Einwohner aufdem Markte und
in die Kirchen treiben und entblößen, um ihre Klei
-
der unbeschädigt bekommen zu können. Dann trieb
MQM
Hungarische Geschichte. 573
man ein Spiel damit, daß man die Unglücklichen"
knien ließ, ihnen den linken Arm aufhob, und ihnen
bedächtlich den tödlichen Stich ins Herz gab. Drey
hundert der vornehmsten und wohlgebildeten Frauen
zimmer verlangten in der Todesangst vor den Ober
heerführer geführtzu werden, und boten sich ihm, um
ihr Leben zu retten,zu Beyschläferinnen an; aber die
fer fandihren Antrag lächerlich, und ließ fie, weil sie
von aller Beute entblößet waren, insgesamt vor fei
nenAugen enthaupten. Dietartarischen Weiber, wel
che neben ihren Männern fochten und sie noch an Nei
gungzum Martern übertrafen, hielten des Abendszu
ihrer Erholung Zusammenkünfte, in welchen sie er
beutete Kinder auf die Erde in Reihen legten, und
selbigen durch ihre Knaben die Hirnschädel unter via
lem Gelächter einschlagen ließen. Diese retteten zwar
verschiedene Gefangene, um sie alsKnechte oderSkla
vinnen zugebrauchen; allein fie zerfetzten den letztern
aus Eifersucht das Gesicht, schnitten ihnen die Nasen
und Ohren ab, und erschlugen sie auch wohl nach ei
niger Zeit ohne Ursache, sobald ihnen die Grille ein
fiel. Die Männer waren nicht minder grausam;
denn sie verheilten die gefangenen Weiber, die ihnen
nicht gefielen, hordenweise zum Verspeisen, und fie
verzehrtenselbstdie,die siefürSchönheitenhielten,wenn
fie durch ihre Unmäßigkeit getödtet waren, mit fol
cher Ordnung, daß sie jedem nach feinem Range ein
fleischigeres Glied zutheilten, und die Brüste für den
Hauptmann zurücklegten. Gemeine fielen über die
Leiber der geschlachteten Menschen her, und ließen den
Raubthieren nichts als die Knochen und das Haupt
zurück. Allein weil die Menge der Erschlagenen zu
groß war, vielleicht auch nicht alle tartarische Horden
oder mit ihnen verbundene Völkerschaften an dem
Menschenfleische Geschmack fanden, so konnten nicht
alle
574 XXXIV. Buch. Aelteste
alle Körper aufgegessen werden, und es verfaulten so
viele,daßdaraus eine Pest entstand. Viele Hunga
ren hatten sich in tiefen Wäldern verborgen, ließen sich
aber durch eine nicht sehr feine List hervorlocken. Der
tartarische Oberfürst hatte nämlich des Königs Siegel
erbeutet, und ließ durch gefangene Geistliche unter fel
bigemAusschreiben in des Königs Namen ausfertigen,
in welchen den Hungaren befohlen ward, wiederzu ih
ren Ländereien zurückzukehren, weil man ihnen eine
vollkommene Sicherheit bei den Tartaren ausgewirkt
habe; und die unvorsichtigen Leute, welche sich nicht
an den Mangel, den siejetzt litten, gewöhnen konnten,
nahmen diese mit so gutherzigem Zutrauen an,daßdas
öde Hungarn in den nächsten drei Tagenfast allgemein
bevölkert ward. Die Tartaren, die durchdieser Leute
Arbeit Korn, Früchte undWein zu erhalten wünsch
ten, gabenjedem Dorfe das Recht fich einen tartari
fchen Vorsteher zu wählen,verheilten die Dörfer un
ter hundert Oberrichter, welche sich wöchentlich ein
mal versammelten und mit großer Unpartheylichkeit
dasRechtsprachen,undschenktenihnenauchdasnöthige
Viehx). Allein als die Erndte vollendet war, trie
ben sie die Einwohner vieler Dorfschaften zusammen,
und schlugen sie tod; andere aber nahmen sie als Skla
ven zu sich und führten sie mit sich nach Asien; denn
als sie sich völligfestgesetzt hatten, und es sehr wahr
fcheinlich war, daß sie Hungarn, Kroatien, Servien,
Bosnien, Bulgarien, die Moldau, Siebenbürgen
und die Walachey nimmer verlaffen würden, eilten sie
J.Chr. 1243. aufeinmal zurück ohne einenMann diesseits demPruth
Die Tartaren
entweichen. zu hinterlaffen. Dieses war eine damals unbe
greifliche
x) Rogerius (p.315), welcher die Dorfvorsteher Reges
und die Richter Balivos five Cancfios nennet. Das
letzte Wort (Knees) ist aber nicht tartarisch, sondern
flavisch, und bedeutet einen Fürsten oder Edelherrn.
Hungarische Geschichte. 575
greifliche Sache; denn die erste Ursache, die man an
gab und in dem Mangel der Lebensmittel suchte, ver
schwand bei einer genauern Untersuchung. Endlich
aber entdeckte sich das Geheimniß, und man erfuhr,
daß die Veranlassung zum Rückzuge durch ein Ge
rücht vondem Tode desChansZagathaientstanden fey.
Denndaeiner der AnführereinSohndieses Herrnwar,
die übrigen tartarischen Prinzen aberzu seinen nächsten
Blutsfreunden gehörten, und in der Tartarey sich sehr
viele Geschwister befanden, die nun Unordnungen an
fangen konnten, fo war die Gegenwart dieser Anfüh
rer in ihrem Vaterlande nöchigy); und da diese sich in
Bewegung setzten, folgte der große Haufen, entwe
der aus Liebe zum Vaterlande oder aus Pflicht, ih
nen nach.
Der König hatte sich bisher in steter Furcht und
Unruhe in den dalmatischen festesten Seestädten auf
gehalten, und wurde von den Bürgern derselben so
fehr geliebt, daß die Bürger von Zara oder Jadera
fich gegen ihrenvenetianischen Podesta empörten undJ.Chr. 124si
dem Könige huldigten. Sobald er Nachricht von
dem unerwarteten Abzuge der Tartaren erhielt, gieng
er mit einem kleinen Heere von Dalmatiern, Johan
niterordensrittern und entflohenen Hungaren nachfei
NEN,

y) Die hungarischen Schriftsteller wollen, der verstor


bene Chan fey Octodayus oder der Oberchan Ugadai
gewesen; allein dieser lebte bis zum Jahr 1246, und
empfieng die fiegreichen Fürfen, die im Jahr 124
aus Hungarn gezogen waren, 1244 in feinem sibir
fchen Residenzlager. AbulgaßBayadur Champ.365.
Zagathay farb 1242, und der Bote, der die Nacha
richt von feinem Tode überbrachte, gebrauchte gleich
falls einJahrzuseiner Reise. BajukChan,derHaupt
anführer, eilte nicht ohne Ursache; denn erfrebte nach
der Oberchanwürde, die nicht erblich war, er aber nach
feines Vaters Tode anfich brachte.
576 XXXIV.Buch. Aelteste
nem Reiche zurück, und überall fand er nichts als
Bruchstücke,verwefete Leichname, Knochen und Heer
denvonWölfenundandernreißenden Thieren. Eska
J. Chr, 1243. menzwarausdenWäldern undFelsenklüften die schwa
chenUeberrestederzuvorsozahlreichenhungarischen Na
tionen wiederzum Vorschein; allein diese littendurch
den Hunger und durch Raubthiere noch eine beträcht
liche Verminderung. Der König sorgte mitgrößtem
Eiferfür die Wiederherstellungdesgleichsam gestorbe
nen Staats, besetzte die eröffneten Bischofsstühle und
obrigkeitlichen Stellen, und ließ die Städte wieder
aufbauen. Die Venetianer belagertengleich nachfei
ner Abreise die StadtZara, eroberten die leerenHäu
fer, (denn die Bürger waren kurz zuvor nach Nona
mit ihren Gütern geflohen,) und bevölkerten diese mit
Unterthanen aus ihrem italienischen Gebiete. Aber
der König durfte es nicht wagen, die Zarenfer zu un
terstützen, sondern trat vielmehr dem Herzogvon Ve
nedig seine Rechte aufZara im folgenden Jahre bey
Gelegenheit eines geschloffenen Hülfsbündniffes ab.
Die Kumaner waren insgesamt unverletzt geblie
ben, und hatten sich nicht zu den Tartaren bey dem
Abzuge gesellet. Diese machten nun einen beträchtli
chen Theil der hungarischen Nation und ihre vornehm
fe Stärke aus. Der König blieb daher seinen ehe
maligen Gesinnungen gegen diese Leutegetreu, erklärte
Q3ela wird Kö sich für ihren König, und gab Elisabeth eine ge
mig der Kuma»
Akt, taufte Kumanerin, vielleicht aus desKönigs Kuchen
Verwandtschaft, seinem Sohn und Thronfolger Ste
phanus zu einer Gemahlin z); dadurch gewann er
- diese
z) Schier p.222. Der Titel Rex Cumaniae findet sich
nicht vor dem Jahre 1243 in königlichen Urkunden.
Hr. Pray vermuthet, (Diffp. 114.) daß er nicht auf
Groß- und Kleincumanien in Hungarn, sondern ' 1E
Hungarische Geschichte. 577
diese Leute so sehr, daß sie ihm willigfolgten, wohin -

er sie nur führte. Eine andere Unterstützung erwar


tete er von dem Johanniterorden, und er schloß mit I, Chr. 1447.
dem Großmeister und dessen Präceptor in Partibus
cismarinis den Vertrag, daß der Orden dasLandZe
verin, oder die Walachey zwischen der Donau und
Olth, und ferner Kumanien, oder die Walacheyjen
seit der Aluta bis an die fiebenbürgischen Alpen, mit
Ausländern bevölkern, und gegen die Bulgaren, Grie
chen, Einwohner desöstlichern Kumaniens undHeiden
vertheidigen, auch durch Bergfestungen in Sicher
heit setzen sollte a). Er versprach dafür dem Orden
die Hälfte der Einkünfte dieses Landes, schenkte ihm
die dalmatische Stadt Scardona und das Kammer
gut Pez, bedung sich aber die Huldigung des Prä
ceptors oder Landkomthurs, die oberste Gerichtsbarkeit
über die Einwohner und die Heeresfolge des Ordens
aus. Die Walachen behielten zwar ihren Woiwoden;
allein dieser bekam nurzwey Kenazate oder Herrschaf
ten,
die Walachey undMoldau sich bezogen habe. Für den
Bischofder Cumaner, der 1247 erscheint, hält Hr.
Pray ibid.p. 138. den, der zu Milkov in der Wala
chey eine Zeit langfeinen Sitz gehabt hat.
a) Dipl. ap. Pray Diff, p. 134. Dieser Vertrag scheint
nicht vollzogen zu feyn; denn das Banat Zeverin war
1264 wüste, und ward dem hungarischen Magnaten
Laurencius zur Vertheidigung gegen die Bulgaren auf
gedrungen, wenn der Familienbrief im Timon wor
in dieses gesagt wird, ächt ist. Eine andere ähnliche
Einrichtungzu der Landesvertheidigung sollBela durch
die Anordnung der zehn sogenannten Lanzenträger
in der Grafschaft Scepus gemacht haben. Diese erb
lichen Lehmhleute, die noch jetzt einen besondern Kreis
mit einer abgesonderten Gerichtsbarkeit befitzen, wur
den zu dem Dienste der Leibwache des Königs aufden
Heereszügen verpflichtet.
2lgen.Weltg. XVB. I. Abth. Oo
578 XXXIV. Buch. Aelteste
ten, und brachte nachher, wie es fcheint, durch Ver
gleiche oder andere Wege dasdem Orden zugesprochene
- Land an sich, welches die heutige Walachey aus
macht.
Der Königgebrauchte die Ordensvölker und die
s. Chr. 24.Kumaner schon im andern Jahre nach der tartarischen
Sungarische Entweichung gegen den Herzog Friedrich von Oester
“sis reich, und fieng einen Krieg an, der nach der dama
ligen Verfaffung sehrgewagt, aber nicht tadelnswür
dig war. Denn wenn er auch die sehr schmerzliche
Beleidigung, die der österreichische Fürst ihm zuge
fügt hatte, nicht in Anschlag brachte, so erforderte es
dennoch feine Pflicht, die von dem Herzoge eroberten
hungarischen Schlöffer und Grafschaften wieder an
das Reichzu bringen. Er verabredete daher mit dem
Könige von Böhmen und dem Herzoge von Kärn
then einen gemeinschaftlichen Angriff der österreichi
fchen Länder, und unternahm ihn zu einer bequemen
Zeit, da nämlichfich der Herzog in Verona bey dem
KaiserFriedrich demandern aufhielt. Allein derHer
zog eilte geschwind zurück, und schlugden böhmischen
König und den kärnthischen Herzog. Der Pabst
hatte ihn, weil er ein getreuer Freund des Kaisers
war, in den Bann gethan, und trug nun die Voll
ziehung dieses Bannes, oder die Eroberung der Län
derOesterreichundSteiermark den Königen von Böh
men und Hungarn aufb). Daherfiel Bela mit den
Ordensrittern und Kumanernwiederin Oesterreich ein.
AufdiesemZuge verlor er eine blutige Schlacht, aus
der er aber die größten Vortheile zog; denn der Her
zogFriedrich ward auf der Nachjagd von einem Ku
is Jul.1246.maner erschoffen, und nun fand sichkeiner,der ihm die
entriffenen Festungen vorenthielt.
Dieser
b) Lambacbers österreichisches Interregnum, Wiens
1773, S. 10 u.f. - -
- Hungarische Geschichte. 579
Dieser TodgabVeranlaffungzu einergroßen Rei- Hungarische
he blutiger Auftritte.Der Herzog hinterließ eine # als
Schwester, nämlich Margaretha die verwitwete rö- gen Oesterreich.
mische Königin, und eine Bruderstochter Gertrud,
aber keine Kinder; und der Kaiser Friedrich zog die
Herzogthümer Oesterreich und Steiermark zu der
deutschen Krone, und ließ sie durch Reichshauptleute
regieren. Dieses misfiel dem Pabste so sehr, daß er
die Unterthanen und Stände dieser Herzogthümer für
Feinde Gottes, derKirche und des Glaubens erklärte,
und den vorgedachtenKönigen einen erneuerten Befehl
zum Kreuzzuge gegen diese Leute zusandte. Der Her-J.Chr. agr.
zog Otto von Baiern, der Herzog von Kärnthen, und
der König Bela gehorchten und ängstigten (letzterer
durch feine wilden Kumaner) die armen Oesterreicher
fo sehr, daß fie fich aus Verzweiflunggegen denKai- -
fer empörten, die Prinzessin Gertrud für ihre Erb- J. Chr. 14.
herzogin erklärten, und sie mit dem MarkgrafHer
man von Baden vermählten. Dieses geschahe mit
Genehmigung desPabsts, und Bela ward nun ange- - -

wiesen den Kreuzzug einzustellen, die Gertrud aber -

nach Vermögen zu unterstützen. Dieses that Bela,


jedoch blos in der Absichtfür sich Eroberungen zu ma
chen; und als der Gemahl der Gertrud feine Gesin
mung merkte, so griff er ihn felbst an, und verschloß
feineOhren gegen alle Verbote undBetheuerungen des
Pabsts und seinesLegaten, daßder päbstliche Hof den
Bann aufgehoben habe und die Oesterreicher und
Steiermärker für sehr gut bekehrte Christen halte. -

Bald darauf starb der MarkgrafvonBaden;und ohn


geachtet er einen Sohn Friedrich und eine Tochter -

Agnes hinterließ, fo wurde doch aufdiese nicht geach


tet, weil man eines erfahrenen und kriegerischen Her- -

zogs bedurfte. Die steiermärkischen Ständewähltenden


HerzogHenrichvonBaiernzuihremHerrn,undhofften,
Oo 2 daß
580 XXXIV Buch. Aelteste
daß dieser, weil er des Königs Bela Schwiegersohn
war, die hungarischen Verheerungen werde endigen
können. Allein der König ließ den Herzog seine Ab
ficht, Steiermark seinem eigenen Sohne Stephanus
zuzuwenden, so deutlich merken, daß er sich entfahe,
J. Chr. 1250. die Wahl anzunehmen. Zu eben dieser Zeit starb der
Kaiser Friedrich, und die Reichsverweser der Herzog
thümer, die sich bisher noch in einem Theile derselben
erhalten hatten, mußten ihr Amt niederlegen. Der
König Bela drang nun der Prinzessin Gertrud fei
nen Enkel, den russischen Herzog Romanus c), zum
Gemahl auf. Allein dieser Fürst gieng in sein Vater
land zurück, und hinterließ sie schwanger mit einer
Prinzessin, die den Namen Maria erhielt. Gertrud
mußte ihre Rechte aufOesterreich, ohngeachtet ihr
J. Chr. 1251.Sohn erster Ehe noch lebte, dem Könige überlaffen,
und bekam dafür einen standesmäßigen Unterhalt in
Judenburg. Dieses fand keinen Beifall in Rom,
und man verfiel aufden seltsamen Gedanken, die ver
3. Chrusa. witwete alte römische Königin Margaretha mit dem
böhmischen Kronprinzen Ottokarzu vermählen. Sel
biges geschahe; und die Folge davon war, daßBela
und seinSohn vielemährischeundösterreichischeGegen
den, sowie derKönig von Böhmen verschiedene hun
garische Gespannschaften, verheerten,bis daßendlichder
J. Chr.1254.Pabst Innocentius durch Drohungen mit dem Banne
den König Ottokar zwang, Steiermark innerhalb
Admont und dem Gebirge Simernigdemhungarischen
Der bungari- Prinzen Stephan, und sechs österreichische Städte
ä. der Prinzessin Gertrud abzutreten. Stephan ward
mark, darauf zum jüngern König oder Thronfolger ge
krönt, und übertrugdie steiermärkische Regierung oder
Hauptmannschaft dem Ban von Dalmatien oder ganz
Szlavonien Stephanus, welcher mit der jungen Toch
- E
c) Lambacher S.31.
Hungarische Geschichte 581
ter der Gertrud verlobt ward. Dieser Ban mußte
fich öfters in Dalmatien aufhalten, und setzte einen
hungarischen und feiermärkischen Unterhauptmann,
welche so hart und eigennützigverfuhren, daßdiefeier
märkischen Landherren sehr bald eine Neigungzu einer
Empörungbekamen.
Diese wußte der böhmische König Ottokar, ein
fehr schlauer und landbegieriger Prinz, fehr geschickt
zu vergrößern; und da eine Reichthümer und tapfern
Kriegsmänner einen sehrglücklichen Erfolgversprachen,
fo wagten es die Landherrenihrehungarischen Beamten
zu verjagen. Der König Stephan drang gleich mit J. Chr. 125
einem Heere in Steiermark ein und belagerte Pettau,
in welchem Schloffe sich die Urheber der Empörung
aufhielten. Allein Ulrich von Kärnthen, ein vom
Pabst verordneter Erzbischofvon Salzburg, welcher
die hungarische Hülfe gebrauchte, um den vom falz
burgischenHochstifte erwählten Fürsten Philipp zuver
"drängen, trat in das Mittel und föhnte die Landher
ren mit dem Könige Stephan aus. Der König be
kam dasSchloß Pettau als ein Pfandgutfür die auf
gewandten Kriegskosten, und hielt in selbigem fein
Hoflager. Er schrieb ferner einen Landtag aus, um I.Chr. 1259. -
die Verfaffung in Ordnungzubringen. Allein Otto
kars Anhänger veranlaßten durchdie Erdichtung, daß
auf folchem die Empörung untersucht und geahndet
werden sollte, einen neuen Aufruhr, trieben die Hun
garen abermals aus Steier, und wählten den König
Ottokarzu ihrem Herzoge. Stephanuswardamals
abwesend; denn es hatte sich eine tartarische Gesand
fchaft bey feinem Vater eingefunden, welche das ganze
Reich mit Schrecken erfüllte, und seine Gegenwart in.
Hungarn nöthig machte. Es fandte nämlich Algu,
der Chan der Bucharey und anderer an Europa grän
zenden Länder, ein Sohn des vorhingedachten Bai
- - Oo 3 - dar,
582 XXXIV Buch. Aelteste
dar,vermuthlich mit Vorwiffen des Oberchans Ko
plai, zwey Feldherren, Nogaya und Teleboga, mit ei
nem großen Heere Tartaren, Kumaner und zinspflich
tiger Ruffen nachPolen, und ließzu gleicher Zeit dem
hungarischen König eine genaue Vereinigung unter
scharfen Drohungen aufdie Bedingung antragen,daß
feine und des K.BelaKindermiteinander verheirathet
würden, und der vierte Theilder hungarischen Nation
für ein Fünftheil der Beute ihm bey der Bezwingung
christlicher Reiche dienen sollte d). Der König wagte
es diesen Antrag mit Muth zu verwerfen, und die
Tartaren unterließen ihre Drohung zu erfüllen. Er
brachte dennoch ein großes Heer von Hungaren, Wen
den, Zeklern, Walachen, Bezzerminen, Ismaeli
tern, Tartaren undgriechischen Bulgaren, Bosniern,
und Ruffen zusammen, und erhielt dazu auch Verstär
kungen von dem russischen oder halizischen Zinskönige
Daniel, von Boleslav dem Fürsten vonKrakau und
Lodomerien, und von Lefko dem polnischen Herzoge zu
Lußke), welches er aber nicht gegen die Tartaren,fon
dern

d) Päbstlicher Briefbey dem Hrn. Pray (S.302), aus


welchem man siehet, daß der Pabst zu dieser Zeit ange
fangen hat,die Besetzunggeistlicher Pfründen den Wahl
herren und dem Könige aus den Händen zu winden,
und selbige feinen getreuen Anhängern zu geben. Der
Pabst antwortete aufdes Königs Vorstellungen blos,
daß er es in andern Reichen viel weiter mit diesen Pro
visionen treibe.
e) Brief des K. Ottokars an den Pabst bey dem Herrn
Pray S. 307. -Der König Daniel, ein Sohn des
obengedachten halizischen Regenten Romanus, hatte
fich 1246 zu der lateinischen Kirche gewandt, und war
vom Pabfe als König der Ruffen zu Kiow bestätigt.
Er zeugte mit desKönigs Bela TochterConstantia drey
Söhne, Mizislav, Leo, der Lemberg erbauete, und
Romanus, der die österreichische Herzogin Gertrud
I259
Hungarische Geschichte. 583 -

dern gegen die Böhmen führte. Diesem fetzte Otto


kar ein andres, zu welchem viele deutscheFürsten tra
ten, entgegen, und es kam bald auf dem Plaße, auf
welchem jetzt die Stadt Marcheckfehet, zu einer sehr
blutigen Schlacht, welche die Hungaren verloren. 13 Jul. 126o.
Die fiegenden Böhmen verwüsteten darauf die hun
garischen nächsten Gespannschaften: allein Bela erbot
fichzu Friedensbedingungen, welche angenommen wur
den, weil sie alles enthielten, was Ottokar verlangte.
nebszt Ste
markPrin
Der Schlnoffe
dempha e sein
mußtPett Herzallen
au mit um Stei
ogthAnsp rücher- “
en wir) verloren,

und Rechten dem Könige Ottokar überlaffen, und trat


mit selbigem in eine genaue Verwandtschaft; denn Ot
tokar versprach seine alte Gemahlin Margaretha zu
verstoßen, und Stephans Schwestertochter Kunigund,
eine geborne Prinzessin von Halicz und Machau, zu
heirathen. Dieses geschahe im nächsten Jahre zu I. Chr. 126.
Wien. Allein gerade als der Frieden durch eine neue
Urkunde bei dieser Gelegenheit sollte bestärkt werden,
entfernte sich der König Bela auf das geschwindelte
Oo 4 VON

. 125o heirathen mußte, aber gleich wieder verließ.


Neben ihm herrschte ein anderer russischer Prinz Ra
dislav in Halicz. Dieser war gleichfalls mit einer
Prinzeffen des Königs Bela vermählt, (Schier p. 220,
222) und hieß in gleichzeitigen Chroniken auch wohl
Rex de Madschau, Dux und Imperator Bulgariae, in
gleichen Banus totiusSclavoniae (1247 Dipl. Dn. Pray
Diff. p. 134), weil ihm der König das Banat Ma
fcbau, welches aus servifh-bulgarischen Eroberungen
befand, anvertrauet hatte. Unter feinen Kindern
war Kunigund, Bela und Michael, von welchen die
Söhne Herzoge zu Machau und Bosnien waren,
und von dem König Stephan aus einer unbekannten
Ursache Brüder genannt werden (Herr Abt Kerflich
Notit. p.205). Außer diesen Prinzen war dem Kö
nige von Hungarn noch ein russischer Herzog W33ul
unterworfen.
584 XXXIV.Buch. Aelteste
vom böhmischen Hoflager. Man zog hieraus sehr
schlimme Vermuthungen, welche doch sehr bald ver
nichtet wurden. Denn man erfuhr, daß sich 52ooo
Tartaren an der hungarischen Gränze gezeiget, der
- König aber fiel insgesamt erleget, und ihr Lager erbeu
tet habe.
seit der es. Der Mitregent oderKönig Stephan verlor durch
"den böhmischen Frieden beträchtliche Einkünfte, und
forderte für selbige eine Ersetzungf), die ihm derVa
J. Chr. 1a62. ter abschlug. Er griff daraufzu den Waffen, und
fein Vater gieng ihm entgegen, um ihm eine Schlacht
zu liefern. Dieses Verfahren schien dem Reich infei
ner damaligen Verfaffung sehr schädlichzu sein. Da
her arbeiteten die Stände, und vorzüglich der Gene
ral der Predigermönche, Bischof Johann von Bof
nien, mit fo großem Eifer an der Aussöhnung, daß
-- solche endlich zu Stande gebracht ward. Der Kö
- nig Bela ernannte den Mitregenten Stephan zum
- Herzogvon Siebenbürgen und Herrn der Ku
6. Dezember. maner, überließihmauch das Banat Zeverin oder
die Walachey westlich dem Olth oder der Aluta, und
bedung sich allein die Herrschaft über alle Szlavonier,
Deutsche und Böhmen aus. Nach zwei Jahren er
NEUEN's

f) Hr. Pray p. 310. In einer Urkunde der Mutter des


Könias Stephans findet man 1262 zum erstenmale
den Titel, Maria D. G. Hung. Regina, Syrie Duciffa.
Schier liefert p. 310 Styriae Duciffa.- Aber da der
Schn nur allein Recht auf Steier gehabt, und
dieses nun abgetreten hatte, fo kann diese Rechtschrei
bung so wenig als jene gebilliget werden. Vermuth
lich stehet im Original Syrmiae Duciffa: denn Sirmien
war ein Banat oder Herzogthum; und ein Vetter der
Königin, welcher 1243 sich Iohannes Angelus-Dominus
Syrmiae et Comes Bacfienfis cognatus Belae R. Hung.
- nannte, hatte es vielleicht als ihr Witthum verwal
tet. Hr. Kersfelich Notit.p. 124. -

-

HungarischeGeschichte. 585
neuerten die Tataren den vorhingeäußerten Vorschlag,
und äußerten, da er abgelehnt ward, daß sie im Be
griffe wären Hungarn zu überfallen. Beide Könige
zogen daher an die Gränze, und blieben daselbst, bis
daß sie gewisse Nachricht vom Rückzuge der Tataren
- - erhielten. Aufdieser Unternehmung geriethen die Kö
nige in neue Mishelligkeiten. Denn Stephanus hat
te seiner Mutter Dotalgüter Bistritz, Zolos und Ki
raly an fich gezogen, weil sie innerhalb seinem Landes
theile lagen, und wollte ein Unrecht nicht erkennen.
Daher rüstete sich der Vater, und rief sogar die heid
mischen Liven gegen feinen Sohn zuHülfe. Stepha
mus fuchte im Gegentheil Unterstützung bey den asiati
fchenKumanern, und es schien schon ein bürgerlicher
Krieg unvermeidlichzu sein, als es dem Pabfe ge
lang, den Stephanvon seiner Forderung abzubringen.
Seine Mutter, die durchden Vorzug, den sie ihrem
jüngern Sohne Belagab,vieleszu dem Zwiste bey
getragen hatte, erhielt für diesen das große Szlavo
nien oder Kroatien und Dalmatien, und begieng im
folgenden Jahre, da sie ihren Sohn bei der Besitz
nehmung begleitete, sehr große Ungerechtigkeiten ge -

gen einige Seestädte g). Nicht lange hernach soll J.Chr. 1266
der König Stephan ein Heer Bulgaren, wel
Oo 5 ches
g) Hr. Abt Krefelichp.338. Bela starb 1269. Ver
möge einiger Urkunden müßte Stephanus 1268 ein
Heer nach Schweden gesandt (Hr. Pray Diff p. 55),
und K. Bela 1263 Krain von der Herzogin von Kärn
then, feiner Matertera, als nächster Vetter geerbt,und
an einen Tobias von Bogud verschenkt haben ( Hr.
Kercflich p. 509). Allein diese Urkunden sind Fa
milienurkunden, und wo nicht erdichtet, wenigstens
- verfälscht. Wenigstens ist es gewis, daß die Herzo
gin nicht des Königs Matertera war,felbst einenSohn
und mehr nähere Anverwandten hatte, und Krain
nicht veräußern konnte.
-

536 xxxiv Buch. Aelteste


Groberung in ches Servien und Hungarn bis nach Raabzu ausge
Bulgarien, plündert hatte, verfolgt und erleget, ihr Land aber
fich unterworfen haben h); und es ist gewis daß er
seit dieser Zeit den Titel eines Königs von Bulgarien
geführt hat.
r-Julius 127o.
KT. Stephans
Der König Bela beschloß sein Leben in einerglück
V. Krieg mit lichen Ruhe. Allein feinem Nachfolger Stepha
Böhmen. mus Vwar diese unerträglich i). Daher suchte er die
veräußerten Ansprüche aufSteiermark wieder hervor,
und schloß mit feinem Schwager, dem polnischen Her
zog Boleslav, einen Angriffsbund gegen den König
Ottokar. Diesen veranstaltete er sogeheim, daß Ot
tokar nichts von Feindseligkeiten argwohnte, und bey
nahe bey dem hungarisch-polnischen Einbruche in Oe
ferreich gefangen ward. Er erlaubte feinen Solda
ten auf diesem Zuge allen Muthwilen, und kehrte,
nachdem er bis Wien gestreift war, mit vielen
Gefangenen nach Hungarn zurück. Im nächsten
J.Chr. 127r. Jahre mußte der Herzog Philipp von Kärnthen, wel
cher noch immer das Erzstift Salzburg zu behaupten
fuchte, nach feinem Entwurfe in Kärnthen rücken;und
als Ottokar fichgegen diesen Fürsten wandte, gienger
selbst mit einem Heere in Mähren. Allein Ottokar
folgte einem Entschluffe, der alle feine Erwartungen
vernichtete. Denn er schlugden Herzog Philipp, fiel
darauf in Hungarn ein, ohne sich um die mährische
Vertheidigung zu bekümmern, eroberte Bibersburg,
Turnau, Raab, Presburg und Neitra, bekam in
Presburgden königlichen Schatz, und wütete mit ei
ner Grausamkeit, die der tartarischen gleich war. Die
fe empfanden vorzüglich die Einwohner von Neitra,
welche in die Thumkirche getrieben und in selbiger mit
vielen Wunden niedergehauen wurden, nachdem man
ihre
h) Hr. Fray Annal. p. 323.
i) Hr. Prayp. 324.
Hungarische Geschichte. 587
ihre Kinder vor ihren Augen an die Pfeiler geschleu
dert und zerschmettert hatte k). Der König Stephan
fand, daß ihm seine mährischen Eroberungen, mum
da er von Hungarn abgeschnitten war, nichts nutzten,
und wollte auch nicht gerne den verlornen Schatz völ
lig einbüßen. Daher gienger eilfertig in sein Reich
zurück, und suchte denFrieden, den er auch bald er-
hielt ). Eine der wichtigsten hungarischen Beschwer- Julius 1271.
den war die, daß Stephans Schwester Anna, die die
Schwiegermutter des Königs Ottokars war, sichbey
des Vaters Absterben derKrone, des Schwerdts,des
Throns, der Halsketten und des königlichenGeschmei
des und Silberzeugs bemächtiget hatte, und daß Ot
tokar dieses nichtzurückgeben wollte. DieKleinodien
blieben alle, vermuthlich weil sie nur einHausschmuck
waren, in Ottokars Gewalt, und der KönigStephan
entsagte seinen Ansprüchen auf selbige und aufdie Län
der Steiermark, Kärnthen, Krain und Windisch
mark, von welchen er einige, wie es scheint, fich von
jenem ErzbischofPhilipp hatte abtreten laffen. Die
alten Gränzen wurden erneuert. Gewife Beamte er
hielten in jedem abgesonderten Staate des Ottokars -
Voll- -

k) Zu einer Geschichte der Sittlichkeit dienet die Be


merkung aus dem Nicephorus Gregoras ( 1 Th. p.
69), daß man am griechischen Hofe zu dieser Zeit die
Regelfestgesetzt hat,man wolle keinen christlichen Feind
außer der Schlacht tödten, oder als einen Sklaven
fortführen, fondern sich nur mit der Beute begnügen.
1) Hungarisches FriedensinstrumentV. Non. Iuli im La
ger vor Presburg, und böhmisches d. D. 1 1 Id. Iuli zu
Prag. Beyde sind merkwürdig, weil sie die erften in
der hungarischen Geschichte sind, in welchen fremde
Mächte, ohngeachtet sie an dem Kriege keinen Theil
genommen hatten, eingeschloffen wurden. Der König
Stephan fetzt hinter feine königliche Titel auch den ei
nes Ducis Sclavoniae, aus unbekannten Ursachen. S.
Hr. Pray Annal. I.p. 327.
588 XXXIV.Buch. Aelteste
Vollmacht, alle kleine Zwistigkeiten der Hungarn mit
den Deutschen und Böhmen abzuthun. Für größere
Uneinigkeiten aber wurden der Bischof von Olmütz
und der Erzbischofvon Gran zu Schiedsrichtern er
nannt. Diesen Vertrag überlebte derKönig Stephan
1. August 1272. nur kurze Zeit m).
Charakter K. Ladislav IV n), sein Sohn und Nachfolger,
Ladislav IV.
hatte, als er starb, erst daszwölfte Jahr zurückgelegt,
und mußte daher derMutter o) und einigen vormund
fchaftlichen Räthen den wichtigsten Antheil der Regie
rungüberlaffen. Dieser Prinzward, entweder durch
feine gar zu große Empfindsamkeitfür das Sinnliche,
oder auch durch Erziehungsfehler, zu der Beherr
fchung eines mit so vielen Feinden umgebenen Reichs
untüchtig gemacht. Er folgte der Neigung zu allen
Gattungen von Vergnügungen so sehr, daß ihn kein
Unglück und keine aus seiner Wollust entsprungeneGe
fahr zu ernsthaften Beschäftigungen bringen konnte.
Er blieb auch stets in seinen Gesinnungen ein Jüng
ling, und konnte nie einen festen Entschluß faffen.
Geriether unter ehrwürdige Männer, die ihm scharf
zuredeten, so pflichtete er ihren Grundsätzen bey, und
bemühete sich mit Eifer diese durchzusetzen. Al
lein nach einer kurzen Zeit verfiel er wieder in seine alte
Un

m) Schier p. 224.
n) Io.de Kikullen» legt p. 152 diesem Prinzen den Na
men Kun Laczlo bey, der von feiner Neigung gegen die
Chmnen oder Kumanen herkommen foll. Deutsche
Schriftsteller heißen ihn Ludovicus und Claudius. Co
dex Epift. Rudolphi I Ron R. editus ab M. Gerberti
p. 154. Das Chron.Auftrale giebt p. 464das Jahr
1262, der zuverläßigere kolmarische Annalif(p.46.)
aber 1260,zu feinem Geburtsjahre an. Man findet
feine Begebenheiten mit den dazu gehörigen Beweisstel
len bey dem Hrn. Pray p. 333 u.f.
o) Schier p. 226.
Hungarische Geschichte. 589
Unthätigkeit, und folgte dann den Vorschlägen lüder
licher Weiber, und eigennütziger und unwiffender Be
dienten, diejenen gerade entgegenarbeiteten, und ihn
und das Reich in das Verderben brachten. Er hatte
nicht nur mit der offenbarenGewalt einiger benachbar
ten Fürsten und verschiedenerfeiner Unterthanen, die
zu mächtiggeworden waren, sondern auch mit der fein
ften Staatslistdespäbstlichen Hofes und des Königs
Karls von Sicilien zu kämpfen. Aber fast immer
fiegte er durch seinen Muth, durch einen guten Ver
fand, und durch den Beifand erfahrner Freunde des
Vaterlandes. Dennoch war er leichtsinnig genug,
Handlungen, die feiner als eines Königs würdigwa
ren, in Urkunden die Benennung jugendlicher Strei
che beizulegen, wenn ihm ein päbstlicher Abgeordneter -

mit Bann und Absetzung drohete. ---

Der KönigKarl von Sicilien war eines der vor-Des K. von


nehmsten Werkzeuge, wodurchder Pabst die Gewalt"
der deutschen Kaiser, wo nicht gänzlich, doch wenig matien.
fens in Italien zu vernichten hoffte. Daher ward
dieser Fürst vom Pabst zum Generalvicarius des rö- - -
mischen Reichs, römisch-kirchlicherHoheit durch Tus
cien erhoben, welche Würde ganz neuwar, aber von
dem damaligen römischenKönige Rudolf Widerspruch
litte. Der verstorbene hungarische KönighatteKarls
Freundschaftfür so wichtiggehalten, daß er dem Kö
nige Ladislav KarlsTochter, Maria, zu einer Ge
mahlin bestimmte, und Ladislav mußte dieseVermäh
lung gleich nach seiner Thronbesteigung vollziehen p).
Karl hoffte, daß diese Vereinigung ihm Gelegenheit -

geben werde, sein Reichsvicariat über Dalmatien aus


zubreiten, und machte ein Bündniß mit den Städten 3. Chr. 1a,
Spalatro und Sebenico, als Bevollmächtigten der
übrigen dalmatischen Städte, gegen die Seeräuber
VON

p)Schier p.229.
590 XXXIV.Buch. Aelteste
vvn Almiffa, die Ladislavs Unterthanen waren q).
Durch diesen Bund hoffte er eine Herrschaft in Dal
matien zu erlangen, zumal wenn er in dem Kriege,
wie es sehr wahrscheinlich war, das almiffanische Ge
biet erobern sollte. Allein dieser Entwurf misrieth.
Die Spalatrenfer setzten in die Verabredungsurkunde,
daß der Vergleich nichtgültigfeyn folle, wenn derKö
nig Ladislav feine oberherrliche Einwilligung nicht er
theilte, und Ladislav weigerte sich diese zu ge
-
ben. Bald nachher fandten die Venetianer nach Al
J. Chr. 1274, miffa eine Flotte, die den Seeraub wenigstens auf
einigeZeit hemmete, und es fehlte nun dem Könige
Karl an einer Veranlassung zum Kriege aufder dal
matischen Küste. Karl soll daher eine Absicht durch
ein anderes Mittelzu erreichen getrachtet, und Dal
matien zum Witthum für seine Tochter gefordert ha
ben. Aber auch dieses hatte die erwartete Wirkung
nicht. Denn Ladislav weigerte sich nicht nur dieses
Witthumzu bewilligen, sondern verstieß sogar seine
Gemahlin,und verheirathetefich miteiner kumanischen
J.Chr. 1279. Königin Avar), welches Unternehmen ihm den Haß
des neapolitanischen Hofes zuzog.
Krieg mit K Einen mächtigern und nicht so geheimen Feind
Ottokar von als Karl war, hatte der König Ladislav an Ottokar
Böhmen.
von Böhmen; allein auch dieser ward, ohne daß
es ihn viel Blut kostete, nicht nur gedemüthiger, son
dern völlig erlegt. Ottokar hatte zwei mächtige hun
gari
q) Lucius de R. Dalmatiaep.290.
" r) Hr.Abt Kerfelich de Corbavia Notit.p. 512. Daß
Ladislav, welcher schon 1275 feine Gemahlin verlaffen
haben soll, feine Beyschläferin Ava wirklich geheira
ehet habe, meldet das Chron. Salisburg. ap. Pez'Script.
rer. Austriac.T. I. p. 381 ad An. 1279. Hungari
fche Scribenten nennen die Ava, Edua. S. Hr. Pray
1. P. 359
Hungarische Geschichte. 591
garische Herren in Schutz genommen, nämlich Hen
rich den Obergespan oder Grafen von Güzingen oder
Nemeth -Ujvar, und Aegidius einen Baron. Der
Letztere, der des verstorbenen Königs Günstling ge
wesen war, und von der verwitweten Königin eine
üble Behandlung erwartete,hatte sich desSchloffes
Presburg bemächtigt, und dieses dem Könige Otto
kar übergeben. Die verwitwete Königin war zu
schlau undzu staatsklug, als daß siehier Gewalt ge
brauchen, und ihrem Haffe da nachgeben sollte, wo
Herablaffung und verstellte Zuneigung fiel geschwinder
zum Ziel ihrer Wünsche bringen konnte. Daher trat
fie mit den Misvergnügten in geheime Unterhandlun
gen, und hatte das Vergnügen, daß beyde nach ei
nem halben Jahre den KönigOttokar verließen, und
Presburg nebst andern Schlöffern ihr öffneten. Der
Grafvon Güfingen ermordete gleich hernach einen J. Chr. 127a.
mächtigen hungarischen Magnaten, nämlich Bela
den Herzogoder Ban von Madschow, der des Kö
nigs Ottokars Frauenbruder war s), und veranlafete
einen hungarischen Einfallin Steiermark, Kärnthen
und Mähren, um die Zurüfungen, die Ottokar zu
der Rächung des Bela und der Wiedereroberungdes
Schloffes Presburg machte, zu vernichten. Allein
Ottokar ließ sich dadurch nicht irren, sondern brach in
Hungarn ein, und brachte Presburg, Tyrnau, Oe
denburg und Raab in seine Gewalt. Die Hungaren
versuchten diese Oerter durch eine Verheerung öster
reichischer Gegenden wieder zu erlangen t). Alleinfie J. Chr. um.
gewannen nichts außer der Beute einiger Dorfschaft
ten,

s) Schier p.225.
t). Schier (p.226)gedenkt einer Friedensurkunde, welche
die verwitwete Königin mit dem Könige foll besiegelt
haben. Aber die Folge zeige,daß diese nicht gültig
geworden ist. -
592 XXXIV. Buch, Aelteste
ten. Der König Ladislav hatte zu dieser Zeit sichbe
reits den Ausschweifungen in der Liebe so sehr ergeben,
daß feine Nation laut über ihn zu murren anfieng.
Seine Mutter leitete, vielleicht aus Geschlechtsliebe,
vielleicht auch aus andern Absichten, feine Begierden
aufkumanische Gegenstände; und diese bemächtigten
sich feiner so sehr, daß er alles hat, was sie nur ver
langten. Die Kumaner waren größtentheils noch
Heiden und Feinde der Hungaren und Christen. Sie
begiengen daher manchen Unfug, und störten den Land
frieden und die öffentliche Sicherheit. Sie blieben in
ihren Zelten und beweglichen Filzhütten, hielten ihre
fieben Stämme oder Geschlechtsordnungen nach der
alten Weise,gehorchten nur ihren sieben Stammfür
fen, und betrachteten die Hungaren, als eine ihnen
entgegengesetzte Nation, mit der fie weiter keine Ver
bindung als die Gemeinschaft eines Königs hätten.
Daher entriffenfie den hungarischen Landeigenthümern
Kirchen und Klöster, Land und Leute, hielten die letz
ten als Knechte und Sklavinnen, zwangen sie auch
wohlzu ihrem Götzendienste, und bemüheten sich recht
vieles christliches Blut bey ihren Befehdungen zu ver
gießen. Die Hungaren forderten Schutz und Gerech
tigkeit von ihrem Könige. Allein sie konnten selten
mit ihren Beschwerden biszu dem Throne gelangen;
und wenn dieses einmal geschahe, so sorgten die ver
witwete Königin, deren nächste Vettern selbst heidni
fche Geschlechtsfürsten waren, und die kumanischen
Beyschläferinnen schondafür, daßder König unthä
tigblieb. Diese schlimme Verfassung erleichterte Ot
tokars Unternehmung, und dieser versuchte Regent
machte von den Blößen, die ihm selbige darbot, den
allerbesten Gebrauch. Er ließ sie durch einen mähri
schen Bischofdem Pabste anzeigen, und vergaß nicht
in dem Briefeauch der Schwägerschaften des Königs
. . . Mit
- Hungarische Geschichte. 59
mit dem Könige von Serbien und dem griechischen
Kaiser Andronikus Paläologus zu gedenken, die beyde
der griechischen Kirche zugethan, und weil sie die
päbfliche Hoheit nicht erkannten, in Rom verhaßt
waren, und bemühete sich die Gefahr der katholisch
hungarischen Kirche so übertrieben zu schildern, daß
der Pabstglauben mußte, Hungarn werde innerhalb
kurzer Fristvölligkümanisch-heidnisch werden. De
Pabst Gregorius X erschrack über diesen Bericht um
"so vielmehr, da die Lage des Reichs ihn damals hin
"derte, einen mächtigen Fürsten hinein zu finden, der
den Ladislavfürzen und die Kumaner vertilgen könnte.
"Er nahm inzwischen feine Zuflucht zu Ermahnungs
briefen, und bat den König Karl von Sicilien, daß
er feinen Schwiegersohn auf einen beffern Weg leiten
möchte. Aber dieser Fürst warin Italien zu sehr be
fchäftigt, und außerdem noch nicht stark genug, um
diese Leitung mit dem entblößten Schwerdte in der - - -- -- - - -

Hand, wie esnöthigzu sein schien,vornehmen zuköl


nen. Dem Könige Ottokar ward diese Lenkung gleich
falls zu schwer. Denn er bekam plötzlich einen Feind,
gegen den er alle List und Kräfte in Bewegung setzen
mußte, und der nicht unterließ mit dem Könige La
dislav in Unterhandlungen gegen ihnzu treten. Die
fer war der römische König Rudolfder erste, ein sehr
weiter, erfahrner und glücklicher Kriegsmann, wel
chen Ottokar aus Stolz nicht für feinen Oberherrner
kennen wollte, und der sich entschloß, die Herzogehü
mer Oesterreich, Steiermark und Kärnchen, die Ot
tokar unbefugter Weise an sich gebracht hatte, dem
deutschen Reiche wieder zu verschaffen. Ottokar ver
achtete zwar diesen Fürsten; allein Herzog Henrich
von Baiern, fein Freund, war klüger, und suchte ihn J. Ght, las,
mit dem Könige Ladislav auszusöhnen, um ihn von
der Gefahr, zwischenzwei Feuer zu gerachen, zu be
Allgem weltgxVB.I.Abch. Pp freyen.
594 XXXIV Buch. Aelteste
freyen. Der König Rudolfmerkte diese Bemühung
des Herzogs, und hemmete fiel durch ein feierliches
Verbot, welches er unter der Strafe des Hochver
raths an den Herzog abgehen ließ. Er arbeitete fer
neran einer recht engen Verbindung mit dem Könige
Ladislav, und brachte diese nach etwa anderthalbJah
uaJulius177.ren zu Stande u). Er nahm den König Ladislav,
und seinen Bruder den Herzog von Szlawonien und
Kroatien Andreas, an Sohnstatt an, und verlobte
dem Letztern seine Tochter Clementia v). Er verpflicht
tete sich,den König Ottokarzu der Rückgabe der ero
„berten hungarischen Gespannschaften anzuhalten, und
die alten hungarisch-deutschen Gränzen wieder herzu
stellen. Er hatte auch allen hungarischen Magnaten
Vorrechte und Ehrenstellen im römischen Reiche oder
„am kaiserlichen Hofe angeboten, und war dadurch
auch ein genauer Freund der hungarischen Nation
ua Nov., 176. geworden x). Sein Heer siegte unter seiner Anführ
rung über Ottokar, und Ottokar mußte alles, was
er erobert hatte, dem Könige Rudolfzurückgeben.
- -- - - - Xte»
- - -- --- -- -
- -

u) Instrum. foed. in Cod. epift. Rudolphi R. P. 206.


- Auctarii. - - - --

v) Der Pabst Nicolaus III gab feine Erlaubniß zu der


Ehe des Herzogs mit der Prinzeffin 1280, allein sie
- vermählte sich nach etwa siebenMonaten mit Karl von
- - Salerno; daher es wahrscheinlich ist, daß derHerzog,
- der stets imZwiespalte mit seinem Bruder lebte, und
1277 schon einmal todgesagt war, kurz vor dem An
fange desJahrs 1281 umgekommen feyn müff. Co
dex epitol. Rudolphi Rom. R. edit. Gerbertinaep.
154, 157, 165. Die polnischen Geschichtschreiber wol
len, daß der König ihn 1290 habe umbringen laffen.
- - Allein wenn dieses Jahr richtig wäre, so hätte seine
Braut nicht ohne päbfliche Dispensation 1281 heira
– then können. - - -" -

- x) Lambacher Gefierreichisches Interregnun S. 156.


-
-
- - - - - -
--
Hungarische Geschichte. 595
Diesen harten Vertragkonnte Ottokar nicht verschmer. "
zen. Daher begab er sich, fobald er nur ein neues
Heer zusammengebracht hatte, nachOesterreich, um
dieses Land wieder zu erobern. Allein Rudolfund die
hungarischen Völker giengen ihm entgegen, und er
mußte denFrieden erneuern, und sich demKönige von
Hungarn auchzu der Rückgabe der nach Böhmenge- 6. März 1a,
brachten Krone und Regalien des Königs Bela ver
pflichten y). Dieser Frieden ward wieder von ihm
gebrochen; und darauf erfolgte die blutige Schlacht,26.Aug. 127.
welche ihm das Leben raubte. -

Dem Könige Ladislav wurde nunmehr alles,was Zwistigkeiten


er an den böhmischen König verloren hatte,zurückge “
geben, und die Gesinnung despäbstlichenHofes gegen
ihn schien freundschaftlichergeworden zusein, weil sein
KlägerOttokar selbst in denBanngefallenwar. Allein
da derpäbstliche Hofstets an derAusführung einesge
wiffen Entwurfs arbeitete, vermöge defen das freye
Hungarn in ein Lehn despäbstlichen Stuhls verwan
delt werden, und die Regierung, wo nicht in weltli
chen doch wenigstens in geistlichen Dingen, dem Kö
nige aus den Händen gewunden werden sollte, der Kö
nig aber nebst den meisten Bischöfen sichdieser Absicht
widersetzte, so konntefichdiese Freundschaft nicht lan
ge erhalten. Nach dem päbstlichen System war es -
unumgänglich nöthig, daßdie Bischöfe die Regierung
in ihrer Gewalt hatten, und dieser Artikel war gewiss
sermaßen schon erfüller. Allein nun mußtendieseBi
schöfe inpäbstliche Bediente verwandelt werden, und
zwar in solche, welchen der Pabst und kein anderer
ihre Pfründen gab und entzog. Dieses Unternehmen
war schwerer auszuführen. Inzwischen versuchte man
nachdem Tode desErzbischofsPhilipp von Gran, wel
: Pp 2 cher
y) Cod. epift. Rud. R. R.p.202. Hr. Prayp.338.
396 XXXIV. Buch. Aelteste
cher 1272 verschied, dem Reiche einen Primaten auf
zudringen, und weigerte zweyen rechtmäßigerwählten
und vom Könige bestätigten Erzbischöfenz) die Con
firmation und Weihe. Man gab daraufinRom vor,
der erzbischöfliche Stuhlfey unbesetzt, und das Reich
fey schon seit sechs Jahren ohne Oberhirten. Man
leitete aus dieser Unordnung eine andere ab, nämlich
- - diese, daß die hungarischen Geistlichen sehr unchristlich
lebten, ohngeachtet diese nicht so lasterhaft als ihre
- - -
- -- -
Amtsgenoffen jenseit der Alpen waren. Einem so
großen Uebel konnte nicht ohne eine unmittelbare Un
tersuchung einespäbstlichen Legaten abgeholfen werden;
und daher fandte der Pabst Nicolaus III den Bischof
-- - -- -
Philipp von Fermo nachHungarn, Dalmatien,Kroa
tien, Rama, Servien, Lodomerien, Galizien, Ku
-
manien und Polen, und gab ihm völlige Vollmacht
um Urtheilsprechen und Strafen. Die europäischen
F" sahen in diesen Zeiten solche Legaten nicht
gerne in ihrem Lande, weil ihr Aufenthalt und ihre
prächtige Begleitung dem Staate große Summen ko
- fete,
Hr. Kolar Hit. Iurispatronat. R.Hungp. 171. Hr.
Pray specimen hierarchiae Hungaricae P. I. pag. 163.
- Eine andere Beschwerde über den König, die man in
Rom als eine große Tyranney und Grausamkeit aus
fchrie, war die, daß er den Bischof Lamprecht von
Erlau mit der Absetzung und Einziehungder Güter be
frafte, weil er ihm nicht gehorchen wollte, ein gewis
fes Kloster zehntpflichtig machte, das vorgezeigte Pri
vilegium des Klosters dem königlichen Richter aus den
Händen geriffen hatte, felbiges dem Könige nicht wie
dergeben wollte, und desKönigs Klage bey demPabste
nicht achtete. Hr. Ker/elich Notit.p.512. verglichen
mit Hr. PraySpecim. Hier. Hung. P. I.p.205. Daß
* übrigens der König ein fehr guter katholischer Christ
- gewesen seyn müffe, zeigen viele Schenkungsbriefe, die
- sich fast bey allen Kirchen nach Hr. Kercselich Versi
cherung finden.
Hungarische Geschichte. 597
fete, und weil sie gemeiniglich noch mehrGeldvon
den Unterthanen erpreffeten, und diese zu mächtig
und unternehmend machten. Der König Ladislav
hatte aber noch eine besondere Ursache sichder Ueber
kunft des Legatenzu widersetzen; denn er wußte, daß - -

derselbe wirklich in der Absicht komme, sein Ansehen


völligzu untergraben. Daher weigerte er sich so lan
ge ihn anzunehmen,bis daß er den Vorstellungen ein
niger gewonnenen oder auch geschreckten Stände nach
geben mußte. Die Ankunft des Legaten schien dem
erwählten,aber vom Pabstenichtbestätigten Erzbischof
von Gran Benedikt und feinem Thumprobste so ge
fährlich zu sein, daßbeide zu dem Könige flohen und
sich in den Schutz der Kumaner begaben a). Aber
… dieser sicherte sie nicht; denn der Probst ward meu
chelmörderisch in seinem Bette erstochen, und der Erz-J. Chr. 1279.
bischofstarb bald nachher. Man schleppte daraufden
Leichnam des letztern vor den Legaten, und gab vor,
daß der Erzbischofdieses in seinen letzten Lebensaugen
blicken befohlen habe. Der Legat erkannte zu Recht,
daßer als ein Irrgläubiger unter den Aussätzigen ein
gescharret werden sollte, und der gemeine Mann ließ
fich durchErzählungen von Erdbeben und einem fürch
terlichen Knall, der bey dem Eingraben gehört feyn - -
sollte,zum heiligen Schauder undfesten Vorsaßbrin
gen alles,wasder Legat befehlen würde,blind zuthun.
Das erste Geschäffte desLegaten war die Bekeh- Bekehrung der
rung der Rumaner; denn ehe diese nicht erfolgte,'“,
halfen alle päbstliche Bannflüche bey der Demüthigung
der Hungaren nicht. Auch war es gewiß, daß die
Nation, wenn durchfelbige die Befehdungen undGe
waltthätigkeiten der Kumaner aufhörten, eine sehr
große Zuneigungzu dem Legaten undrömischenStuhle
- Pp 3 bekom
a) Chron.Salisb. ap. Pez S. Reg. Auftr.T.I. p.381.
598 XXXIV Buch. Aelteste
bekommen mußte. Der Legat forderte daher die fie
ben kumanischen Könige der Stämme oder Horden,
und außerdem noch bevollmächtigte Prokuratoren der
ganzen Nation vor sich, und errichtete mit diesen, den
Oberfürsten Alpra, Uzur, Uzak und Tolon, demKö
- Junius undnige und der verwittweten Königin, zwei Vergleiche,
"79. welche von allen Theilen auf die bündigte Weise be
schworen wurden b). Die Kumaner versprachen, ihre
Götzen und Zelte zu vernichten, in Häusern zu woh
nen, den hungarischen Sitten zu folgen, sich sogleich
taufen zu laffen, den Statuten des Legaten auf das
genaueste zu gehorchen, den Kirchen und andern Ei
genthümern die entriffenen Güter wieder zugeben, und
die innerhalbden hungarischen Reichengeraubtenchrist
lichen Knechte frei zu laffen und keine Christen ferner
zu ermorden. Der Königverpflichtete sich,den päbst
lichen und hungarischen Reichsgesetzen zu gehorchen,
den Legaten mit dem weltlichen Arme gegen die Ketzer
beizustehen, und die Reichsmachtgegen dieKumaner,
wenn es nöthig feyn follte, aufzubieten. Der Legat
verordnete endlich gewisse Inquisitoren, welche stets
bey den ihnen angewiesenen kumanischen Horden und
Geschlechtern nach ihrem Eifer im Christenthum, und
nach Spuren der Abgötterey forschen sollten. Er wies
die kumanischen Horden mit Bewilligung desKönigs
und der hungarischen Stände in ihr altes Land an den
Strömen Kriz, Morus und Theiß, und in die da
zwischen liegende wüste Schlöffer, und verpflichtete
fie zu der Leistung der darauf haftenden Reichslehns
diente der ehemaligen Besitzer, gab den kumanischen
Edeln gleiche Vorrechte mit dem hungarischen Adel,
und verordnete, daß ihre Streitigkeiten in Beyseyn
ihres Stammfürstens vomhungarischen Pfalzgrafen,
- " UN

b) Urkunden in Hr. Pray diff hist. crit.p. 114.fequ.


Hungarische Geschichte. 599
in einigen Fällen aber von dem Stammfürsten allein
sollten entschieden werden. Aber alle diese Vorheile
beruhigten die Kumaner nicht völlig, weil sie nicht
mit einer gewissen Erlaubniß verbunden waren, die
etwas betraf, wasfielhöherals ihre Religion und un
eingeschränkte Freiheit schätzten. Dieses war ihre ei
genthümliche alte Kleidung, ihr langer Bart und ihr
kurzgestutztes Haar, welche drei Dinge fiel durchaus
nicht fahren laffen wollten, Der Legat befürchtete,
daß diese ein solches Unterscheidungszeichen werden,
möchten, welches die gänzliche Zusammenschmelzung
der kumanischen und hungarischen Völkerschaft auf
ewig hindern würde, und wollte sie ihnen nicht zuge
stehen. Allein die Kumaner drangen soheftig in den
König, und dieser bat fo inständig den Legaten, daß
dieser endlichden Gnadenbriefüber die Bärte undver
schnittenen Haare ausfertigen ließ. Nachdem dieses
in Ordnunggebracht war, beriefder Legat alle Präla
ten und Abgeordnete derGeistlichkeit zu einer Kirchen
versammlung nach Ofen, und fertigte mit ihrer Bey
stimmung ein Statut aus c), welcheszwar hauptsäch- 14.Sept. 1279.
lich die Sittlichkeit und Pflichten der Geistlichkeit be- Der egat giebt
traf, aber zugleich sehr vieles enthielt, was dem ks-’“
niglichen Rechte nachtheilig war. Es wurde nämlich
dieses Gesetz ohne des KönigsGenehmigungverfertigt.
Die Prälaten wurden von allen Kriegs- und Lehn
diensten entbunden. Den Laien ward das Patronat
urecht und die Verleihung der geistlichen Pfründen ge
- nommen. Alle Vereinigungengeistlicher Personenzu
gemeinschaftlicher Verheidigung ihrer Vorrechte wur- ,
den aufgehoben. Die Einführung geistlicher Perso
nen durch weltliche Patronen ward untersagt. Den
weltlichen, oder eigentlich dem Könige, wurde das
--- - - Pp 4 Recht
c) Statuta ap. Peterffy Concil.T. L. p. 105. - -
600 XXXIV. Buch. Aelteste
Rechtgenommen in großer Gefahr Steuern von Kirn
chengütern zu fordern. Den weltlichen Gerichten
ward nur eine gleiche Gewalt mit den geistlichen Ge
richten in weltlichen Sachen zugestanden, und der neue
Gebrauch, von weltlichen Gerichten nach Rom zu ap
pellieren, wurde rechtsverbindlich gemacht. Die Ver
ächter des Bannes, und diejenigen,die ercommunicirte
Personen beyfich duldeten, wurden mit den schwer
ften Strafen belegt, und jeder Geistlicher wurde an
gewiesen die päbflichen Rechte zu studieren, um die
fen ein Uebergewicht über die alten hungarischen
Reichsgesetze zu verschaffen. Alles dieses erregte die
Aufmerksamkeit desKönigs, der früh genug von al
len Unterhandlungen der versammelten Geistlichen
Nachricht erhielt, so sehr, daß er die Versammlung
vor der Endigung des Statuts zu zerstreuen fuchte.
Daher befahl er insgeheim den Bürgern von Ofen
keine Speise oder Getränke in die Stadt zu laffen,
und wenn sich dann ein Mangeläußerte, die Geistli
chen auszuweisen. Diesem Befehl kamen die Bürger
fo getreulich nach, daß die Geistlichen binnen wenig
Tagen aus der Stadt entwichen, und der Legat im
urlorung des größten Schrecken nach Polen flohe. Die Gesetze
"blieben alsounvollständig,unddieeinzige gültigeHand
lungdes Conciliwar die, daß der neue granische Erz
bischof Kodomir zum Primas des Reichs ernannt
ward. Dieser Vorfall war dem Legaten äußerst um
angenehm: denn es war noch ein Artikelzurück, def
fen Berichtigung dem päbstlichen Hofe äußerst wichtig
war. Es hatte nämlich der Pabst eine neue Kreuz
zugssteuer, oder ein sogenanntes Christenthumsgeld,
zum Vortheil seiner Schatzkammer in Dalmatien aus
geschrieben d); aber der König wollte diese nicht dul
- - den

d) Hr. Abt Kerflich Notit.p.227.


Hungarische Geschichte. 601
den und gab sie für eine unzulässige Schatzung aus.
-
Diese sollte der Legat nun einführen. DerPabst, der
aus des Legats Bericht von seiner Flucht schließen
mußte, daß die Steuer vom Könige nicht gutwillig
würde zugestanden werden, beschwerte fich über die .
Hartnäckigkeit desKönigs bey dem römischen und fiei
lianischen Monarchen, und bat diese um Rath und
Hülfe. Zugleich sandte er drohende Briefe an den
König selbst, und dieser ließ sich dadurch, noch mehr
aber durch gewisse kriegerische Anstalten des Königs
Rudolph schrecken, und endlich bewegenden Legaten
zurückzurufen und zu schützen. Aber dieser konnte
es mit vieler Mühe nur dahin bringen, daß der Kö
nig anstatt des Christenheitsgeldes eine jährliche Ab
gabe von hundert Mark Silber aus denzipfer Berg
werkenzu einem neuenHospitalinnerhalb eines Reichs
bewilligte e). Zugleich verpflichtete sich der KönigJ.Chr. 1esa.
undfeine Mutter, die damals die Herzogthümer Ma
schow und Bosnien nebst den Gespannschaften Polega
und Valkon befaß, daß sie alle päbfliche gegen die
bosnischen Ketzer gerichtete Dekrete sogleich vollziehen
wollten. Bald nachher gerieth der König wieder un
ter seine Kumanerinnen, und konnte ihren Bitten,
sich nach kumanischer Weise zu kleiden und das Haar
verschneiden zu laffen, nicht widerstehen. Dieseshielt
der Legat für ein so schweres Verbrechen, daß er den
König nebst allen Hungaren, die sich kumanische
Bärte zugelegt hatten, in den Bann that, und zwey
Bischöfe, die dieses Verfahren tadelten, ihrer Würde
entsetzte. Der Königward nun zornig, und verwies
Pp 5 den
e) Hr. Kerflich a. O. Dipl. de d. 15 Kal.Sept. 128c.
ap. Dn. Pray Annal. I. p. 349. Am letzten Ort ist
auch die bosnische Verpflichtungsanrkunde vom 13. Kal.
Sept. worin die Mutter den Titel führt: Elisabethama
jor regina Hungariae, Ducilla de Machow et de Boßma.
\
602 XXXIV.Buch. Aelteste
den Legaten aus dem Reiche; dieser aber hatte schon
den Grundzu einer Gesellschaft von Verschwornenge
Der König leget, die den Königüberfielen und in ein Schloß ein
wird gefangen
genommen.
sperreten. Seine verstoßene erste Gemahlin hoffte
J. Chr, 128I. aus dieserGewaltthätigkeitVortheile für sichzuziehen,
und ließ sich bei ihm einschließen. - -

Sobald dieses geschehen war, versammelten sich


alle Kumaner, um über ihre Angelegenheiten eine Be
rathschlagung anzustellen; denn diese Leute geriethen
über den Bann in Wut, und waren noch so unchrist
lich, daß sie sich nicht wollten überreden laffen, daß
die ewige Verdammniß von der Länge eines Barts ab
hienge. Der erste Vorschlag, den einige ihrer
Stammfürsten thaten, war, man sollte den König
befreien, weil er der König ihrer Nation fey, und ih
rentwegen gefangen liege. Dieser fand großen Bey
fall; allein er ward wieder verworfen, sobald Olda
mur einer der ersten Fürsten auftrat und den Anwe
senden vorstellte, daß der König diesen Dienst nicht
verdiene, weil er zu wankelmüthigfey. DieserMann
schlug vor, die Waffen zu ergreifen, fich durchfelbige
von der hungarischen Herrschaft ganz frei zu machen,
und, wenn es möglich sein würde, die Hungaren und
andere Nationen gänzlich zu unterjochen. DasVolk
genehmigtediesen Rath, und setzte sichgleich in Ver
faffung ihn auszuführen. Zum Glücke für die Hun
garen ward Oldamurs Absicht zu früh bekannt, und
die hungarischen Mächtigen, welche leicht begriffen,
daß ohne des Königs Anführung ihr Widerstand zu
vieler Gefahr ausgesetzt feyn würde, giengen in das
Gefängniß, gaben dem Könige genaue Nachricht von
den schlimmen Gesinnungen, die feine vermeinten
Freunde die Kumaner öffentlich gegen ihn geäußert
hätten, und brachten ihn in einen so heftigen Zorn,
daß er versprach diese undankbaren Günstlinge bis auf
- - - - - - - - - den
Hungarische Geschichte. 603
den letzten Mann auszurotten. Man öffnete ihm dar- J. Chr. nasa.
aufdas Gefängniß, und er lieferte bald darnach den Die Kumaner
werden vertil
Kumanern am See Hood ein blutiges, aber entschei-get.
dendes Treffen. Bey diesem begegnete den Kuma
nern der Unfall, daß ein plötzlicher Regenguß ihreBo
genehmen erschlaffte, und sie die Bogen, die ihr ge
fährlichstes Gewehr waren, nichtgebrauchen konnten.
Dadurch wuchs der Muth der Hungaren, und der
Siegwandte sich aufdie königlicheSeite. Der größte
Theil der Kumaner ward niedergestoßen; die übri
genflohen zuden Tartaren, die, wie es scheint, schon
damals an der bulgarischen und moldauischenSeeküste
fich niedergelaffen hatten, undgaben ihre Weiber und
Kinder den Siegern preis, welche sie insgesamt zu,
Sklaven machten. Der Fürst Oldamur gieng tiefin
die asiatische Tartarey hinein, und brachte endlich ein
unzählbares Heer von Tararen oder Mogolen, No
gayern und andern verbündeten Völkerschaften zusam
men. Dieses
f überschwemmte
fch Humaarn
Hungarn zwar
z nach I'“
„ Tartarischer
drei Jahren. Allein es hatte diesesmal nicht das Einfall.
Glück,was die ältern Tartaren zu des Königs Bela
Zeit gehabt hatten; denn jetzt fand das Land nicht
mehr fooffen wie ehedem. Fastjede Anhöhe war mit
einem wohl bemannten Bergschloffe versehen, und die
Besatzungen derselben vertheidigten nicht nur die Land-,
leute, die mit ihrem Viehe und andern Gütern hinein
geflohen waren, sondern überfielen auch die freifenden
Partheyen, und hieben sie nieder. Viele der tartari
fchen Horden undVerbündeten, die unter einem ge- - -

lindern Himmelstriche geboren waren, kamen durch


Schneejagd, Hagel und Kälte um. Dasgroße Heer,
konnte sich nicht ausbreiten, und litte Mangel an Le
bensmitteln, und alle Tartaren wurden endlich durch,
Hunger, Seuchen und Pest so sehr geängstiget, daß
fie fast ohne einen Feind gesehen zu haben, nach Asien
*- - zurück
- - - --

604 XXXIV. Buch. Aelteste -

zurückeilten. Die hungarischen Magnaten und der


König hatten entweder nichtZeit genug gehabt, die
Reichsmacht zusammenzubringen, oder hielten es
auch für unnöchig. Wenigstens erschien kein königli
ches Heer im Felde. Einige Magnaten achteten auf
den tartarischen Ueberfallfo wenig, daß sie sich in Be
fehdungen mit den benachbarten christlichen Staaten
einließen; denn der Ban von Dalmatien fochte mit
den Venetianern, wie auch mit dem Könige Stephan
Urofius von Servien, die aber, jene verschiedene See
Maschau wird fädte, und dieser das Banat Maschau unter ihre Ho
verloren,
Güffing- öfter heit brachtenf). Der Graf Ivan von Güffingen,
reichische Be ein Sohn des obengedachten GrafenHenrichs, derfast
fehdung. alles Land zwischen der Raab und Donau eigenthüm
lich besaß, suchte sein Gebiet durchdeutsche Eroberun
gen zu vergrößern. Daher fiel er unvermuthet in
Steiermark ein, und verheerte, nachdem er ein klei
nes Herr des Abts von Admontgeschlagen hatte, auch
die österreichischen Gegenden bis Wien. Der dama
lige Reichsverweser und nachherige Herzog Albrecht,
ließ ihm zwar durch ein kleines Herr nachsetzen; allein
der Anführer defelben, Herman von Landenberg,wur
de in einem Hinterhalt gefangen, und der Herzog
mußte sich zu einem Vergleich bequemen,bei welchem
er dem Grafen Ivan Hülfe versprach, so oft er mit
seinem Könige in offenbare Feindseligkeiten gerathen
würde. Dieser Vergleich war nicht aufrichtig; denn
J. Chr. 1287. Albrechthieltihnnur solangebisereinHeervon 15000
Mann zusammengebracht hatte, und eroberte, sobald
ihm dieses gelungen war, Mertensdorf, Rechniz,
Szent Margreth, Oedenburg, Eisenberg, Güns,Or
var und überhaupt vier und dreyßig große Oerter, die
insgesamt dem Grafen gehörten. Güfingen, die
Hauptstadt dieser kleinen Grafschaft widerstand zwar
den,

f) Hr. Pray p.354.


Hungarische Geschichte. 60s
den Oesterreichern in diesem Feldzuge; allein im
nächsten Jahre wurde sie gleichfalls,"nach einer sehr
tapfern Vertheidigung der Männer und Weiber, von 1 Nov. 1aas.
dem Herzoge Albrecht erobert.“
Der König Ladislav verhielt fich bei diesem güEmpörung ger,
fingischen Kriegeruhig, vielleicht weiler kein befferes an den König
Mittel wußte das güfingische Geschlecht, welches ihm
fastzu mächtigwar, zu demüthigen,alsdie österreichi
schen Waffen, und weil es möglich war, daß er den
verlornen Landestheil durch Unterhandlungen an die
Krone bringen und demGrafen Ivan entziehen konnte,
Außerdem befand er sich zu dieser Zeit nicht in der
besten Verfaffung; denn die Nation warabermals ge
gen ihn aufgebracht, und beschuldigte ihn bei dem
Pabste, daß er geneigt fey die christliche Religion zu
verlaffen, weil er mit den Heiden, Tartaren, Sara
zenen und Neugieriern(Nogayern)fehr vertraut ums
gehe,- Verschiedene hungarische Magnaten hatten
schon auf einen Thronfolger gedacht, unu den letzten
Prinzen des alten hungarischen Königsfammes An- -
dreas in das Reich gerufeng). Dieser Prinz, der
der Sohn Stephans, und der Bruderssohn Bela IV
war, befaß große Schätze, und konnte, da seine Mut
ter Thomafina Mauroceno noch lebte, aufdie Unter
füßung der reichsten venetianischen edlen Geschlechter
sicherrechnen. Alleinohngeachtet ihn derKönigfreund
schaftlich aufgenommen und zumBan von Szlavonien
ernannt hatte, so mußte er dennoch bald das Reich
-- PET

g) Hr. PrayAnn.p.355. Dieser Fürst hieß in Venedig


Andreafius oder der kleine Andreas, und in italienischen
"Jahrbüchern Andreas de Morofinis de Venetia. Daß
er bereits 1286 am 6. Junius bey feinem Verlöbniß
mit Clara Euphemia, der Tochter Grafen Albrechts
von Görz, Herzog von Szlawonien gewesen ist, zeigt
Schier p. 236 | | | | -

\
606 XXXIV.Buch. Aelteste
verlaffen, und flohe zu dem Herzog von Oesterreich,
der nebst seinem Vater dem römischen König Rudolf
. . . . . nicht abgeneigt war, ihn gewaffnet aufden Thron zu
-
bringen. Der Pabst Honorius IV nahm jene Klage
, --
der Hungaren mit sehr großer Freude an, und schickte
12. März 1287. dem Könige ein hartes Schreiben, worin er von ihm
forderte, daß er die eingesperrte Königin Elisabeth
loslaffen, und sich desUmganges mitden Heiden,Sa
razenen, Tartaren und Nogayern, und der von diesen
angenommenen Sitten entschlagen sollte. Auch dro
hete er ihm mit dem Banne, den Nogayern aber mit
einer Kreuzfahrt, wenn er fortführe die Königin ge
fangen zu halten, oderdie Nogayer sichankatholischen
Christen vergreifen würden, und gab nicht undeutlich
zu verstehen, daß er schon Mittel wife, die Herzoge,
Grafen, Baronen und das Volk zu der Vollziehung
des apostolischen Bannfluchs anzuhalten h). - - -
: DieseDrohungen schrecken weder den König noch
feine tartarischen und kümanischen Freunde, und der
3. August 1288. päbstliche Befehl, derbald daraufzum Untergang der
Tartaren ausgefertigt ward, hatte keine Wirkung.
Denn der Erzbischof Lodomir von Gran, der vermöge
deffelben das Kreuz gegen des Königs unchristliche
Freunde in Hungarn,Polen, Böhmen, Oesterreich,
Steier, Kärnthen, Istrien und Szlavonien solltepre
digen laffen, unterließ entweder diese Predigt, oder
fand auch kein Gehör. Wenigstens zeigte sich kein
--
. . . - - - - er,
h) Bulla Honorii ap. Dn. Pray p. 356. Die Mogeri
find gewiß die Nogaier, die ihren Namen von dem mo
golischen Feldherrn Nogaya, welcher 1259 Hungarn
angriff, erhalten haben, und mit felbigem an den Ufern
des schwarzen Meeres zurückgeblieben fern können.
Für die Tartaren der Bulle muß man wohl Mogo
len verschiedener Horden, die in der Moldau umher
schwärmten, halten. Unter den Heiden können die
Ueberreste der Kumaner verstanden werden. - -
Hungarische Geschichte. 67
Heer,welches die Tartaren zu beunruhigenfischte. Der
König ergab sich nun gänzlichfeiner alten Neigung ge“
gen die Kumanerinnen, und vergriff sich an den Weis
bern der Kumaner. Drey der edelsten Kumaner Art
buz, Turtule und Kemenech, die durch diese Gewalt
thätigkeit
Rache von ihm
in seinem beleidiget
Blutezu waren,
sättigen, undbeschloffen
erstachen ihre
ihn“ K. ''EUy

mit vielen Wunden, da sie ihn einst des Nachts in 17Jul.1299


feinem Zelte ohne Gesellschaft oder Wache in einem
tiefen Schlafe fandeni). Aber feinMord warddurch
den PfalzgrafMyze, einen getauften Sarazenen, mit
den grausamsten Martern an den Verschwornen ge- - - - - -
rächt, und kostete allen Geschlechtsverwandten der
Verschwornen, ja selbst der Edua, der zweiten Ge- ... …,
mahlindes Königs, das Leben k). . . . . . . . .
, Sobald der Tod des Königs ruchbar wurde,holte
der Graf-Pwan von Güfingenden vertriebenen Herr
zog von Szlawonien Andreas aus Oesterreich, ver- Andreas III
mählte ihn mitFemena, derTochter eines aus seinem"
Erblande verjagten Herzogs vonKujavien l), ließihn
von den Ständen als König erkennen und ausrufen,
und veranlaßte, den Erzbischof von Gran, daßer ihn 3. August 1990
und seine Gemahlin feierlich krönte. Andreas gab
: - dar

W) Skier p. 235. -

k) Ohngeachtet bei diesem Blutbade ein großer Theil


des kumanischen Adels vertilger wurde, fo blieb den
noch die alte Verfaffung wahrscheinlich vermitteltafi
- atischer neuer Kumaner, die wieder nach Hungarn ge
kommen feyn mögen. Denn man findet 1298 in des
hungarischen Königs Heere einenKönig der Kumaner.
S. Hr. Pray An. p. 365. -

1) Schier p. 238. Es ist merkwürdig, daß des Königs


Mutter Thomafina auch den Königintitel und einen
Theil der Mitregierung erhielt. Ib. p. 363. Die Krö
nungszeit bestimmet Dandulo im Chron.Venet.p.402.
ap Muratori S. R. Ital.T. XII, . . - -
608 XXXIV.Buch. Aelteste
daraufsein Herzogthum einem edlen Venetianer, Al
brecht Mauroceno, der seiner Mutter Bruder war.
Der Pabst Nicolaus IV erfuhr den Todzu spät, hoff
te aber durch Drohungen, Ermahnungen und andere
Staatskünfte den Andreaszu verdrängen, und Hum
gawn nebst den dazugehörigen Reichen in eine Provinz
despäbstlichen Stuhls zu verwandeln. Er übertrug
daher dem Könige Rudolf die Verheidigung des
Reichs gegen die Angriffe der Ungläubigen, befahl
dem Erzbischofvon Gran, zu untersuchen, ob Ladislav
als ein Christ, als ein Ketzer, oder als ein Kumaner
Karl Markel gestorben sey? und ließ Karl Martellus,den Kron
lusund Al
brecht Gegen
prinzen des Königs Karls von Sicilien und Neapel,
Bönige. zum hungarischen König krönen. Der römische Kö
nig Rudolfglaubte, daß er als Kaiser und angenom
mener Vater des erschlagenen Königs, Lehnherr und
Erbe des hungarischen Reichsfey, und belieh mit Zu
ziehung einiger hungarischen ihm ergebenen Magneten
seinen Sohn,denösterreichischen HerzogAlbrecht,
mitdem Königreiche Hungarn m). Der Pabst er
fchrack über diesen Schritt des römischen Königs nicht
e Jenner ragt, wenig, und sandte geschwind einen Kegaten ab, der
ihn überzeugen sollte, daß Hungarn ein Reich der rö
mischen Kirche und des päbstlichen Stuhls fey, und
den König Albrecht bitten mußte, nichts feindliches
gegen Hungarn zu unternehmen. Dieses letztere ge
schahe zwar nicht, aber aus einer andern Ursache.
Denn das mächtige österreichische Geschlecht der von
Chunring, hatte in den Staaten des Prinzen Al
brechts eine so gefährliche Empörung erregt, daß Ru
dolfund Albrecht ihre Kräfte blos aufdie Dämpfung
der einheimischen Unruhe verwenden mußten. Die
Empörer hatten ihren Aufstand nach einem gewissen
- - Ent
a) Hr. Dobner mohum. hilft. Bohemica T. II. p. 371.
Codew epift. Rud. Rp. 157. - - -- - -
" -
HungarischeGeschichte. 609
Entwurfe unternommen, der ihren Herren"genugGe
fahr erregen konnte. Denn fie hatten sich mit allen
benachbarten Fürsten in geheime Unterhandlungen ein
gelaffen, und jedem derselben eine gewisse Provinz be
flimmek, um ihn durch eigenen Vortheil in ihre Ver
fchwörung aufdas festeste gleichsam zu verwickeln.
Dem Könige Andreashatten sie die windische Mark
angeboten. Allein dieser Fürst gab ihnen keine ent
fcheidende Antwort, sondern versuchte ob er das Ge
biet des Grafen von Güfingen, welches der Herzog
Albrecht nochimmer besaß, in Güte erhalten könnte.
Da ihm diesesnicht gelang, so bot erdie Reichsmacht
auf, fiel mit selbiger in Oesterreich ein, und verwü
fete das Land zwischen der Leitha und Wien. Die
Verschwornen ergriffen zu gleicher Zeit die Waffen,
aber mehr zu des Andreas als zu ihrem Vortheile.
Denn da der Herzog Albrecht merkte, daß es nöthig
fey, die hungarische Eroberung aufzuopfern, um die
Herzogthümer behauptenzu können, so reichte er dem
Könige die Hand zu der Aussöhnung, gab ihm alles
was zu Hungarn gehört hatte, zurück, und erhielt
von ihm dagegen das Versprechen, daß er den Em
pörern keine Hülfe leisten wollte.
Der Pabst suchte inzwischen feinen Lehmmann den Des Gegenks
nigs Karls
ficilianischen Prinzen Karl von Salerno mit Schicksal.
Gewalt aufden hungarischen Thronzu setzen, und be
mühete sich den europäischen Mächten begreiflich zu
machen, daß dieser Prinz dazu das nächste Recht be
fäße. Er gründete sich bey dieser Behauptung dar
auf, daß Maria des Prinzen Mutter die einige noch
lebende Schwester des Königs Ladislavsfey, und daß
der König Andreas erst im Aeltervater mit diesem
Ladislav zusammenstoße. Dieser Grund gab dem
Könige Stephan von Servien, welcher mit Mariens
Schwester verheirathetgewesen war, Hoffnung, daß
Allgem.XPeltg.XVB. iAbth. Qq / EE ,
610 XXXIV. Buch. Aelteste
er vielleicht auchzu der hungarischen Erbschaftgelaffen
werden würde, wenn etwa Mariens Kinder ohne Er
J.Chr. 129. ben verfürben. Daher trat er zu der römischen oder
lateinischen Kirche, und empfahl sich und fein Land
dem päbstlichen Stuhl. Der Pabsterheilte ihm fo
gleich einen Schutzbrief über alle seine Provinzen,
Städte und Schlöffer, ohngeachtet er wußte, daß
viele von selbigen erst kürzlich dem hungarischen Reiche
entzogen waren. Der Prinz oder KönigKarlfandte
den Bürgern von Spalatro einen großen Gnadenbrief
zu, undforderte von den dalmatischen Seestädten die
Huldigung. Allein ohngeachtet die spalatrensischen
Kaufleute den Brief, wegen der ihnen in Italienzu
gestandenen Handelsvortheile, mit Bezeugung ihrer
Dankbegierde und Unterhänigkeit annahmen, so ent
J.Chr. 129a. fchuldigten sie sich dennoch nebst den übrigen Seestäd
ten mit dem Reichsherkommen, welches sie hindere
feinen Namen eher in ihre Urkundenzu setzen,bis daß
er mit S. Stephans Krone gekrönet fey. Dieser
Vorwand ermunterte ihn mit einem Heere nach Hun
garnzu ziehen. Allein der König Andreas kam ihm
bey Zagrab entgegen, besiegte ihn, und trieb ihn
nach Italienzurück. Er behielt demnach von einem
Reiche nichts als den Titel. Der neue Pabst Cöle
finus Vhielt esfür nöthig, ihn noch einmalin Rom
J.Chr.1294. zum hungarischen Königzu krönen. Allein dieses
J. Chr. 1295. war ohne Folgen, vielleicht weil er zu früh verschied.
Der Pabst Bonifacius VIII sprach nun die hungari
ä fche Krone feinem Sohn Karl Robert zu. Allein
weil dieser minderjährigwar, und er sich nicht getrau
te den König Andreaszu stürzen, so erkannte er die
Regierungdes Königs Andreas für rechtmäßig, gab
ihm aber in seinen Briefen nur denTitel des sogenann
ten Königs der Hungarenn).
-- Der
o Dipl. An. 1299 ap. Dn. Pray p. 366
-
Hungarische Geschichte. 611
Der König Andreas verlor zu dieser Zeit eine Ge
mahlin Fennena, und weil er von dieser nur eine Toch
ter hatte, und eine zweite Vermählung, durch welche
er einen Thronfolger erhalten konnte, daher sehr nö
thig war, so trat er mit Agnes der Prinzessin desHer-J. Chr. urgs
zogs Albrecht von Oesterreich in eine neue eheliche Ver
bindung o). Diese Prinzessin war sehr tugendhaft
und fromm, und bestellte viele neue Prediger, weil -

fie merkte, daß der Unterricht der Religion noch sehr


vernachläßiget werde, und dem Mangel defelben die
Menge der Heiden, die sich noch unter den Ständen
fanden, zugeschrieben werden müffe. Der Königer
hielt mit ihr einen beträchtlichen Brautschatz, und ver
schrieb ihr dafür Presburg. Vermuthlich misfieldie
fes letztere zweyen hungarischen Magnaten, nämlich
Ugrin und einem gewissen Ban Henrich, denn diese
batenden Pabst um einen neuenKönig. Dieses ge
fchahegeheimgenug,aber eswurdedennoch dem Könige
verkundschaftet,und derKönigfandesnöthigsich mitdem
Könige Wenzeslav von Böhmen und seinem Schwie
gervater demHerzogAlbrecht in ein Hülfs- und Ver
theidigungsbündniß einzulaffen, und seine Tochter mit J. Chr. 129.
dem böhmischen Kronprinzen Wenzeslav zu vermäh
len. Wie es schien, nahm die Empörung unter den
Großen bis zu dem Uebergewichte zu. Denn Karl
Robert fähiffe nach Spalatro, und empfiengdie Hul
digungvon dem dalmatischen Ban Paulus, und al-J.Chr. rgeo.
len Dalmatiern und Kroatiern. Der KönigAndreas
rückte ihm entgegen; allein da er nach Zagrab kam,
und merkte, daß auch die Szlavonier geneigt waren
ihn zuverlaffen, so gerieth er über diese Untreue in ei“gab,
nen Gram,
nerhalb einerder ihnFrist
kurzen auf das Bette brachte, und in stirbt
tödtete. 14 Jenner13er.
Qq 2 So
o) Schier p.242.
612 XXXIV. Buch. Aelteste
Sobald er verschieden war, erkannte der Erzbi.
fchofGregoriusvon Gran den Prinzen KarlRobert
als rechtmäßigen König; allein der zweite Erzbi
schofdes Reichs Johann zu Koloksa beheuerte, er
werde nimmerzugeben, daßdas freye Reich Hungarn
ein Lehndes päbstlichen Stuhls werde, oder daß ein
vom Pabst den Ständen aufgedrungener Zinskönig
über felbiges herrsche. Er fand auch eine sehr große
Menge ähnlichdenkender Magnaten, die insgesamtzu
Wenzeslav feiner Parthey traten. Diese trugen dem Könige
wird König.
Wenzeslav von Böhmen ihr Reich an: einmal
weil seine mütterliche Grosmutter Anna (vermählte
Herzogin von Machau) eine Schwester des Königs
Bela IVgewesen war; ferner weil sein Sohn durch
feine künftige Gemahlin der Erbe desKönigsAndreas
geworden war; und endlich weil die Polen ihn zu ih
rem König erwählet hatten, und er dieses Reich mit
vieler Tapferkeit gegen den rechtmäßigen vertriebenen
König, ohngeachtet der Drohungen des Pabstes, be
hauptete. Allein dieser schlaue König wollte es nicht
wagen ihren Antrag anzunehmen. Dennoch verflat
tete er, daß sie feinen Sohn Wenzeslav mit fich
nahmen, und in Stuhlweißenburg mit S. Stephans
Krone krönten p).
Der Pabstgedachte diesen Gegenkönig durch die
Gegenwart eines Legaten zu verscheuchen, und fandte
den Bischof Nicolaus von Ostia und Velletri nach
Hungarn. Dieser hatte den Befehl, den Erzbischof
von Koloksa über feinen Ungehorsam undZudringlich
keit auszuschelten; denn die Königskrönung gehörte zu.
den Vorrechten der granischen Kirche. Allein der
Erzbischof sowohl, als auchder König von Böhmen,
wichen den päbstlichen Drohungen durch das
VEN
-

p) Hr. Pray S. 370. Einige Hungaren gaben dem K.


Wenzeslav den Namen Ladislav.
Hungarische Geschichte. 63
benaus, daß Wenzeslav durch alle Stimmen zum
König erwählet fey, und ein Erbrecht zum Throne
habe. Der König Karl Robert zog sich nach Dal
matien zurück, und fand zwar keinen, der ihm nicht
äußerlich die königliche Ehre erwies; allein er konnte
es dennochnichtdahin bringen, daßdie Urkunden in
feinem Namen abgefaßt worden wären. Sein Be
fchützer, der päbfliche Legat, eilte nach Ofen, und
eröffnete eine Kirchenversammlung, welcher alle Prä- J.Chr. rgor:
laten beywohnen mußten. In dieser verordnete er ihn
im Namen des Pabsteszum einigen und wahren Kö
nigder Hungaren, und befahldem Erzbischof vonKo
lokfa sogleich nach Romzugehen, und fich gegen die
Anklage des Ungehorsamszu vertheidigen. Allein
als er weitergehen und die Widersacher des Königs
Karl Robert in den Bann thun, oder auf andere Wei
fe zur Huldigungzwingen wollte, verloren sich die Bi
fhöfe, und zerstörten durch ihre Flucht die Synode,
die zu dem Scheine eines gesetzmäßigen Verfahrens
unumgänglich nöthigwar. Der Legat versuchte, durch
das Verbot aller gottesdienstlichen Handlungen inner
halb der Stadt Buda, einen Aufruhr zu erregen und
fie zurück zu bringen. Allein die Geistlichen zu Bu
.. da waren zu muthig, thaten alle Anhänger des Kö
nigs Karls, ihn selbst und den Pabst in den Kirchen
bann q), und fügten, mitZuziehung der Weltlichen,
noch die Landesverweisung hinzu. Dieses war ein so
dreistes Unternehmen, daß der Legat alle Hoffnung
durchzudringen verlor, und sich auf das eilfertigte
nach Wien begab. Hier fand er eine Prinzessin, die
eben so misvergnügt als er über die hungarischen
Stände war, nämlich die Witwe des Königs An
dreas, die nach ihres Gemahls Tode in S. Martins
berg gefangen gehalten worden, durch den Graf
- Qq 3 Pwan
q) Ioh. de Kikullew p. 156.
64 Xxxiv. Buch.Aelteste
Pwan und den österreichischen LandmarschallHermann
von Landenberg aber mit gewaffneter Hand befreyet
und nachOesterreich geführet war. Diese Prinzefin
konnte weder zu ihren Brautschatzgeldern noch zu ih
rem Witthumschloff Presburg gelangen,und erwarte
te, daßihr Vater, der nun römischerKöniggeworden
war, ihre Rechte durch ein Heer gültig machen wer
J.Chr. 1303, der). Diesen Umstand nutzte der päbstliche Hof.
Denn er bat den König Albrecht um eine recht nach
drückliche Unterstützung des Königs Karls gegen den
böhmischen Prinzen, undbequemte sich,den Albrechtals
rechtmäßigerwähltenrömischenKönigzu erkennen,wel
ches der Pabst Bonifacius VIIIbisher nicht hatte thun
wollen. Der König Albrecht hatte noch viele andere
Ursachen, die ihn zum Kriege mit dem Könige von
Böhmen, seinem Schwestermann, antrieben, und
unter diesen waren die wichtigsten diese, daß der böh
mische König dem deutschenReiche Meißen undBres
lau vorenthielt s), und als Churfürst mit einem Ent
wurfe ihn abzusetzen umgegangen war. Er bot das
her ein deutsches Reichsheer auf, und errichtete ein
gemeinschaftliches Angriffsbündniß mit dem Könige
Karl Robert. Der Pabst forderte den hungarischen
König Wenzeslav, den KönigKarl Robert und die
Königin Maria von Sicilien (des letztern Grosmut
J. Chr. 13ea. ter)für ein Gericht, um ihre Rechte auf Hungarn
untersuchen und bestimmen zu können; allein Wenzes
lav gehorchte und erschien nicht. Demohngeachtet
30.Jun. 13e3. fuhr der Pabst in derPrüfung der Ansprüche fort,und
erkannte endlich das hungarische Reich demKönigKarl
Robert, alsdemnächsten gebornen Thronerben, :li
r) Schier S.245. Diese Prinzessin ist ihres hohenAl
ters wegen merkwürdig, denn sie starb erst im Jahr
1364.
o) "sebene Justizrath Häberlin Auszug aus der
allgemeinen Welthistorie II Band S. 724u.f.
Hungarische Geschichte. 615
ich zu. DiesesUrtheil ward in Gegenwart des Erz
bischofs von Koloksa und vieler andern hungarischen
Bischöfe bekannt gemacht; und da der böhmische Kö
nig aus dem Aufenthalte dieser Bischöfe zu Rom und
aus andern Vorfällen befürchtete, daß man feinen
Prinzen verlaffen und beschädigen möchte, so zog er
nach Hungarn, und holte seinen Sohn mit der S.
Stephanskrone nach Böhmen. Seine Besorgniß
war auch nicht ungegründet. Denn schon aufdem
Rückzuge stieß er aufviele Kumaner und Hungaren,
die feines Sohns Fahne verlaffen hatten, und als
Unterthanen des Königs Karl Robert ihn angriffen
und beschädigten. Zu diesen gesellte sich nach Wen
zeslavs Entfernung der größte Theil der Nation um J. Chr. 130.
desto williger, da der Pabst alle Freunde des Wen
zeslavs in den Bann that, und dieser Bann damals
sehrgefürchtet wurde. Der Herzog Rudolf von Oes
ferreichfiel gleichfalls bey dem Rückzuge des Königs
Wenzeslav aufdie Böhmen, und verwüstete einige
mährische Gegenden. Ihm folgte der König Karl
Robert mit vielen Hungaren und Kumanern; und
auf der andern Seite drang der römische König
gleichfalls mit einer großen Reichsmacht in Böhmen Septembzo.
ein. Allein diese drey Heere waren nicht glücklich.
Dennfie litten durchdie Vergiftung der Gewäffer in
der Belagerung der Bergfestung Kuttenberg fo sehr,
daß sie entweichen mußten. Im nächsten Jahrefoll-J. Chr. 1305.
te der Zug wiederholet warden. Allein da der alte
König Wenzeslav starb, und sein Sohn der hungari
fche König,der in feinen Platz trat, fich geneigtzum
Frieden bezeigte, so nahm der römische König seine
Ausschreiben zum Aufgebote zurück, und der Friede
wurde unterzeichnett). -

- Q q4 Bey
e) Vermuchlich bekam durch diesen Vertrag die
PEKE
616 . XXXIV, Buch, Aelteste
Bey dem deutschen Reichsheere hielt sich ein Fürst
auf,welcher inden Verdachtgerieth, daß er dem böh
mischen Könige günstigfey, und eine Nebenveranlas
fungzu dem schlechtenAusgange der Unternehmungge
gen Böhmen gegeben habe. Dieser war der Herzog
Otto von Niederbaiern, ein Herr, der als der
Sohn der Vaternschwester des Königs Ladislavs, ein
näheres Rechtzu der hungarischen Krone als Wen
zeslav zu haben glaubte, zumal, da Wenzeslav eine
Braut oder die Prinzefin des Königs Andreas nicht
heirathen wollte. Er bemerkte an dem Könige Wen
zeslav, daß er wohl geneigt fey, die hungarische Kö
nigswürde ihm abzutreten, und bewarb sich vorläufig
bey Wenzeslavs hungarischenAnhängern um ihre Ein
willigung. Diese versprach ihm in ihrem Namen der
GrafYvanvon Güfingenunter der Bedingung,daßer
zuvor ihnendie Krone desheiligen Stephans verschaft
fen sollte. Er tratdaher mit dem Könige Wenzeslav
in Unterhandlungund bekam die Krone zugleich mit
allen Gerechtsamen,die Wenzeslav aufHungarn hat
te u). Allein weil er den König Wenzeslav von ei
ä ner völligen Aussöhnung mit dem österreichischen Her
"zog Rudolfabgehalten hatte, so erschwerte ihm dieser
J. Chr. 13.05. aus Rache den Rückzug, und nöthigte ihn einen wei
ten Umweg zu nehmen, und sich unter der Larve ei
nes Kaufmannszu verbergen. Seine Freunde em
pfiengen ihn mit vieler Freude in Ofen, und zwey
Bischöfe von Vesprin und Canad krönten ihn zu
" - Stuhl
wete Königin Presburg wieder, denn sie wohnte von
13c 5 bis 1308 in Hungarn, und überließ Presburg
tauschweife ihren Brüdern Henrich und Friedrich, die
es 131; halb durch Gewalt nnd halb für die Hülfe
gegen Friedrichs Gegenkönig an den KönigKarl abtre
" ten mußten.
u) Der König Wenzeslav warb im August des nächsten
Jahrs ermordet, und hinterließ keinen Sohn.
Hungarische Geschichte. 617
Stuhlweißenburg, nachdem er von den siebenbürgi
fchen Nationen als König erkannt worden war. Er
vertauschte darauf seinendeutschen Namen mit dem
den Hungaren bekannten Namen Bela.
Sein erster Feind, mit dem er als König eine
Fehde bekam, war der eben genannte Herzog Rudolf
von Oesterreich, welcher als ein Bundesgenoffe des
Königs Karl Roberts eine Veranlassungzum Kriege
gegen Hungarnzu habenglaubte. Dieser streifte bis
an den Raab, und zog sich daraufzurück. Otto
rächte diese Feindseligkeit sogleich durch einen ähnli
chen Reuterzug nach Oesterreich. Rudolf wollte fei J. Chr. 13o6.
nen Streifim nächsten Jahre wiederholen; allein da
der KönigWenzeslavvon Böhmenunvermuthetstarb,
und ihn sein Vater der römische König Albrecht, mit
deffelben Ländern beliehe, so fand er es nöthiger, fich
mit feiner gesamten Macht nach Böhmen zu wen
den, wo der HerzogHenrich von Kärnthen, des Kö
nigs Wenzeslav Schwager, sich aufden Thron zu
drängen und zu erhalten trachtete. Der römische
König suchte bei dieser Gelegenheit die altenAnsprü
che feiner Vorweser aufHungarn hervor, und gab
Hungarn, als ein eröffnetes Reichslehn, nordlich
der Donau dem Könige Rudolf, und südlich derselben
den Herzogen von Oesterreich Friedrich, Leopold,
- Henrich und Otto. Gegen diese Verleihung regten
sich die baierischen Staatsbedienten. Allein der rö
misch- königliche Hof antwortete ihnen: Hungarn
könne, alseindeutschesFürstenlehn, nichtaufdie Prin
zefinnenfallen, und also auch nicht von dem Herzoge
von Baiern, weil er der Sohn einer hungarischen
Prinzessinn fey, in Anspruch genommen werden.v)
Qq 5 Das
v) Briefe in Pez: Thesauro anecdotor. noviff. T. VI.
p. 204. Weil dieses Formulare sind, fo fehlen darin
Jahr
618 XXXIV. Buch. Aelteste
Das Glück der Waffen und andere Zufälle entschieden
diese Zwistigkeit aber aufeine solche Weise, daß keine
der theilnehmenden Personen etwas von Hungarn er
hielt. Denn derrömischeKönigward nachzwey Jah
ren erschlagen; der böhmische König verstarb nach
einem Jahre; und der baierische Prinz Otto verlor
dashungarische Reichzu gleicher Zeit. Der letztere
fuchte dem Könige Rudolf so viele Hindernisse, als er
konnte, inden Weg zu legen, und ließinseinem Erb
lande ein Heer an der Ems zum Einbruche in Oester
reich versammlen; durch feinen Bruder Stephan
aber eine beträchtliche Verstärkung dem böhmischen
Gegenkönige Henrich zuführen. Er selbst wagte es
aber nicht nach Böhmen zu gehen, so lange fein Geg
ner KarlRobert noch in Hungarn war. Die Par
they dieses Herrn war noch immer mächtig, allein
nicht unbeweglich treu; daher beschloß er eine Reise
zu unternehmen, um durch Schrecken oder Ueberre
dung die Mächtigen insgesamt an fich zu ziehen.
Aufdieser Reise kam er zu dem Woiwoden Lacz oder
Ladislav von Siebenbürgen, den er für feinen Ge
treuen und Freund hielt. Aber dieser Mann, der
der Reizung,zu dem Gebrauche der schönen Gelegen
heit eine Umstände zu verbeffern, nicht widerstehen
November
13.07.
konnte, nahm ihn plötzlichgefangen, und bemächtigte
fich der heiligen hungarischen Krone, die er bey fich
führte. Vermuthlich geschahe dieses blos in der Ab
ficht, große Vorrechte von ihm oder auchfeinemGeg
ner zu erpreffen; denn eine der ersten Bedingungen
der Loslaffung war die, daß der König Otto feine
Toch
Jahrzahl und Namen des Kaisers und der Prinzen.
Allein außer dem Jahre 1306, oder 1307, findet sich
keines, in welchem ein König von Böhmen auf diese
Art Hungarn annehmen konnte.
Hungarische Geschichte. 619
Tochter heirathen sollte, welche Otto aber verwarfx)
Nach einiger Zeit gelang es dem gefangenen Könige,
einen Schloßbedienten zu gewinnen, durch desselben
Hülfe zuentkommen, und unter der Larve eines Eben
theurers,der Dienstesuchte,sichdurchRußland,Preus
fen und Schlesien zu schleichen. In dem letzten Lande
warder zwar entdeckt, undzu Breslau von dem re
gierenden Herzoggefangen gesetzt. Allein diesesmal
war er nicht so ekel in Absicht seiner Ehe: denn er
erkaufte sich die Freiheit durch die Vermählung mit -

Agnes, der Tochter des HerzogHenrichs von Glogau, K. Okko vers


läßt dasReich.
eines erwählten Gegenkönigs derPolen. Endlichtraf
er in seinem Erblande Niederbaiern wieder ein, in Im Februar
welchem er bis an seinen Tod, der nach vier Jahren 1398.
erfolgte, ruhig blieb, und,außer dem Titel, nichtsvon
Hungarn weiter in Anspruch nahm.y)
Der Pabst Clemens V. verfolgte ihn und seine
Anhänger mit Bannflüchen, undforderte den Bischof 10.August 307.
von Csanad nach Rom, zu einer Verantwortung.

x) Andreae Ratisbonenf. Chron. Bavar. ap. Kulpium S.


Rer. Germ. ad Am. 1309. Chronicon Salisburg. ad A.
13O8. ap. Pez S. R. Auftr.T.I.p. 402. Die Toch
ter des Laez von Debregezth, wie der Woiwode auch
genennt wird, war vermuthlich die Christiana welche
nachher den König von Servien heirathete. Daß Otto
am ersten November 1308 gefangen wordenfey, fagt
Hr. Abt Kercselich in der HistoriaZagrabienfi p. 100;
das Jahr muß aber nach den baierischen Nachrichten
verbeffert werden.
3) Daß er den Titel eines Königs von Hungarn behal
ten hat, meldet das Chron.Clauftr. Neoburg. ad An.
1308. und Andreas Ratisbon. ap.Pez Anecdot.T.:IV.
' 556, Er muß also wohl nicht in Siebenbürgenauf
as Reich Verzicht gethan haben. Er starb am 9ten
September 13 12, und hinterließ nur einen Sohn und
eine Tochter. Jener verschied ohne Kinder 1333.
620 XXXIV Buch. Aelteste
Er vernichtete auch alle Eide, die ihminnerhalbHun
garngeleistet waren. Alleinfeine Bulle kam zu spät
in das Reich, nämlich erst damalsals Otto bereitsfei
ne Regierung, oder vielmehrfeine Königsreise durch
das nördliche Hungarn geendiget hatte. Er fandte
ferner den Kardinal PresbyterGentilis, einen Mann,
der in Staatslisten geübt war und das Intereffe des
päbstlichen Hofes vollkommen inne hatte, als Legat
nach Hungarn, und diesem gelang es endlich, den
großen und alten Entwurf, Hungarn zu einem päbft
lichen Lehn zu machen, auszuführen.
27 Nov. 13.08. Der Legat beriefdie sämtlichen Reichsstände zu
fammen undhielt den Reichstag im freien Felde bey
Pest,damit das ganze Heer desBansvon Szlavonien,
welches den König oder Prinz Karl begleitete, und ei
ne große Menge anderer Leute der Feyerlichkeit bey
wohnen könnten. z) Mitten in der Versammlung
Karl Robert stellte er den König Karl Robert auf eine Anhöhe,
wird zum Kö
mig gewählt. aufwelcher er von allen gesehen werden konnte. Als
er merkte, daßdie vortheilhafte Bildung diesesjungen
Fürften einen Eindruck machte, fieng er in einer ge
künstelten Rede an, die erhabene Herkunft desselben
aus dem hungarischen, französischen und kaiserlich
österreichischen Geblüte, die großen Eigenschaften die
man an ihm bemerkte, und den Werth des ficiliani
fchen Reichs, welches er aus Liebe zu den Hungaren
feinem Oheim abtreten wolle, mit den lebhaftesten
Farben zu schildern, und endlich bemühete er sich,das
Mitleiden gegen einen so vollkommenen Fürsten, der
feit seinem ersten Lebensjahre stetesUngemach, Gefahr
und Noth blos des hungarischen Reichs wegen er
duldet haben sollte, zu erregen. Dieser Kunstgriff
gelang
z) Akten im Peterffyp. 148. und bey demHerrn Pray
. P. I. P. 382. --- - -
Hungarische Geschichte. 621

gelang ihm; denn die Anwesenden wurden auf das


heftigste gerühret, und streckten schon die Arme aus,
um den Prinzen als ihren König zu empfangen. Die
fen Augenblick wollte er gebrauchen, um zu feiner
Hauptangelegenheitzu kommen. Daher setzteerseinen
Vorstellungen eine nachdrückliche Ermahnung bey,
daß man endlich diesem Fürsten Gerechtigkeit wieder
fahren laffen, und ihn aus den Händen des Pabsts
annehmen möchte. Er bemühete sichzwar, die letzte
Formelfo forgfältigzu verstecken, als es nur gesche
hen konnte. Allein sie verdarb dennoch die Wirkung
feiner fö künstlich angelegten Rüstzeuge. Denn als
die freyen Hungaren hörten, daß der Prinz, dem fie
huldigen sollten, sich für einen Lehnmann und Unter
than des Pabsteshielte, so unterdrückten sie alle auf
wallende Bewegungen, die des Legaten Rede in ihnen
erreget hatte. Sie riefen nun mit dem größten Un
willen aus, es fey unerhört und der hungarischen Ver
faffung ganzzuwider, daßder Pabst hungarische Kö
nigeverordnen dürfe, und beheuerten, daß sie nim
mer diese Neuerungzugeben würden. Der Legatbe
mühete sich, ihren Zorn zu mäßigen und durch man
cherley Vorstellungen zu feinem Zwecke zu kommen.
Allein er erhielt nichts weiter, als daß man sich er- a",
klärte, man wollte höchstensdem Pabste oder der rö-stätigungs
mischen Kirche das Rechtzugestehen, denjenigenPrin-recht.
zen zu bestätigen und zu krönen, den die Bischöfe,
Barone und andere hohe Reichsstände aus den Prin
zen des königlichen Stammeszu ihrem König erwäh
let haben würden. Dieser Vorschlag verhalfdem
päbstlichen Hofe durch einen Umschweifzu dem Rechte,
welches erjetzt noch nicht durchden nächsten Weg er
langen konnte, und ward daher vom Legatfeyerlich an
genommen. Man erkannte daher den Prinzen Karl
Robert als König, und hob ihn zum Zeichen der al
- gemei
W
622 XXXIV. Buch. Aelteste
gemeinen Huldigung auf den Schultern empor.
Der Legat war so vorsichtig, daß er über diese Feyer
lichkeit und Wahl eine ausführliche Notariatsurkunde
aufsetzen ließ.
Der Pfalzgraf. Das Verfahren des Legaten kränkte den alten
Matthäus wis
dersetzt, fich. Pfalzgrafen desKönigs Wenzeslavs, Matthäus von
Trentichin um fovielmehr, daes daswichtigsteVor
recht seines Amts, nämlichdie Zwischenregierung zu
führen und vermöge selbiger den Reichstag zu der
Ernennungund Erhebung eines Königs auszuschrei
ben, gänzlich vernichtete. Dieser Verlust war zu
groß, daher beschloß derPfalzgrafalles zuwagen und
einen Versuch zu machen, ob er fein Recht nicht er
halten, und die päbfliche Parthey zerstören könnte.
Hierzu schrieber einen Reichstag aufdasfolgendeJahr
aus, und meldete vorläufig, daß er auf selbigem die
Königswahlvornehmen wollte. Vermuthlich war er
mit dem Woiwoden von Siebenbürgen darin überein
gekommen, daßdieserdieKrone des heiligen Stephans
nicht ausliefern sollte; und da dieser ihm getreu blieb,
die Hungaren aber seit langen Zeiten dem Grundsatze
folgten, daß der, der nicht mit dieser Krone gekrönt
fey, nicht für einen wahren Königgehalten werden
könne: so war es nicht unwahrscheinlich, daß ein Ge
genkönig, der St.StephansKrone trüge, einen Zu
laufbekommen werde. Diesesglaubte selbstder Legat,
und daher veranstaltete er eine großeKirchenversamm
lungzu Ofen, um ein Gegenmittelgegen dieses Hin
derniß ausfindig zu machen. In dieser Zusammen
so May) 13.09. kunft verfertigte er ein Gesetz zu der Sicherheit des
Königs Karls, und gab ihm für seine Person das
Vorrecht der Geistlichen, daß nämlichjeder, der feine
Hand an ihn legen würde, ohne weitere Untersuchung
gleich in den großen Kirchenbann verfallen feyn, und
alle Aemter, Ehre, Vorrechte und Herrschaft #(LINE
Hungarische Geschichte. 623
feine Unterthanen für fich und feine Kinder verlieren
sollte. Er sprach ferner den Bann über alle die ihn
nicht alsKönig erkenneten aus, und erklärte die wi
derspenstigen Geistlichen für unehrlich, und aller Pfrün
den verlustig. Daraufverordnete er, daß, wenn vor
der nächsten Synode die Krone vom Woiwoden nicht
abgeliefert würde, eineneue Krone von Romgesandt
und geweihet werden sollte. Die Heiligkeit der alten
Krone sollte alsdann so langeaufgehobenfeyn, alsdiese
Krone außerhalb den Händen der Thumherren von
Stuhlweißenburgfeyn würde, zu deren Kirche fielei
gentlich gehöre. Würde die alte Krone künftig ver
loren werden, so sollten die Magnaten untersuchen, ob
es nöthig fey, ähnliche Maasregeln zu ergreifen?
Würden sich diese aber nicht darüber vergleichen kön
nen, so sollte der Pabst die Frage entscheiden. Auf
diese Satzung erfolgte eine andere, die beiläufigder
päbstlichen Provisionen gedachte, den Kapiteln der
Bischofhümer und Klöster die Feyerlichkeiten vor
schrieb, die sie bei den Wahlen ihrer Prälaten beob
achten sollten, und also nebenher den Königen ihr Pa
tromatrecht gänzlich entzog. Die Verfügung über die
Krone war von diesen die einige, die die Hungaren
beleidigte, undzwar so sehr, daß sie unter der Anfüh
rungdes Pfalzgrafen Matthäus das Gebiet des Erz
bischof Thomas von Gran, als des vermeintlichen
Veranlassers derselben, verwüsteten. Sie verehrten
aber diese Krone gleich einemunersetzlichen Heiligthum,
und handelten darin nicht unvernünftig, daß sie dieser
Vorstellung getreu blieben, ohngeachtet der Legat sie
von selbiger abbringen wollte: denn sie erinnerten sich,
daß der Grundsatz, der König könne nur durchfiel ein
unwidersprechliches Recht aufUnterhänigkeit und Ge
horsam erhalten, manchen Aufstand unterdrückt, und
manchen bürgerlichen Krieg zwischen Gegenkönigen
gleich
624 XXXIV. Buch. Aelteste
gleich nach dem ersten Ausbruche geendiget hatte.
Auch hieng es, wenn des Legaten Verordnunggültig
werden sollte, blos von den Thumherren zu Stuhl
weißenburg, oder wenigstens von den Bischöfen ab,
ob sie dem, den die Nation als König erkannte, die
nöthige Machterheilen wollten oder nicht? Der Un
willen ward unterden Hungaren bald foallgemein,daß
die versammleten Geistlichen in Schrecken geriethen,
und fich mit dem Legaten nachPresburgbegaben, um
im Nothfalle nach Oesterreich fliehen zu können.
Aber der Erzbischofvon Gran, der inzwischen nach
Siebenbürgen gegangen war, und dem Woiwoden
die Krone gleichsam abgehandelt hatte, endigte ihre
Angst; denn er brachte die heilige Krone nach Ofen,
s Jänner 1zio. und sobald er angekommen war, vollzog der Legat auf
dem Wahlfelde Rakos bey Pestdie Krönung.
Diese hinderte zwar den PfalzgrafenMatthäus an
der Vollführung einer Absichten, aber sie schreckte ihn
nicht von fernern Unternehmungen ab; denn er hatte
Muthgenug, auf eigene Gefahr den Krieg mit des
Königs Karl RobertsFreunden fortzusetzen. Er er
J. Chr. "3" oberte im nächsten Jahre dieganzeGespanschaftTrent
fhin und die Städte Neitra undSaros. DerKönig
J. Chr.1312.belagerte Saros im dritten Jahre. Allein der Pfalz
graf verheerte zu gleicher Zeit Gran, und fandte fei
nen belagerten Sarofern einen Entfaß. Diesem wich
der Königaus; allein da der Entfaß ihn verfolgte und
am Hernadstrom im Zipferland geschlagen ward, fo
konnten die Belagerten sich nicht länger halten und
mußten sich ergeben. Der Pfalzgraf büßte nun alle
übrige Länder bis aufKomorrn ein, aber der König
J. Chr. 314, mußte dennoch den HerzogFriedrich von Oesterreich
gegen ihn zu Hülfe rufen. Dieser Fürst belagerte Ko
morrn mit feiner gesamten Macht, und brachte diese
starke Festung endlich in des Königs Gewalt. '
dur
Hungarische Geschichte. 625
durchward der Pfalzgraf so sehr geschwächt, daß er
dasFeld verlaffen mußte. Aber da er sich nicht ent
schließen konnte des Königs Gnade zu suchen, so legte
er die Waffen nicht nieder, sondern führte sie als An
führer einer Räuberbande, bis daß er endlich nach
zwei Jahren umkam.
Mitten unter diesen Unruhen wagten es die Bür
ger von Zara fich von der venetianischen Hoheit los-J. Chr. 1311.
zureißen, den venetianischen Grafen nebst den übrigen
Bürgern aus ihrer Stadt zu treiben, und fich dem
Könige zu unterwerfen. Der venetianische Herzog Dalmatische
Marinus Georgius schloß, sobald dieses bekannt wur- dabei
de, mit einer Flotte den zaraischen Hafen ein; da im“
Gegentheil der KönigKarl sich feiner neuen Untertha
nen nur durch Vorschriften und Deduktionen annahm.
Der letztere bemühete sichzwar die Venetianerzu über
zeugen, daß Zara eine alte Stadt feines Reichs fey.
Allein die Venetianer setzten ihnen Zeugniffe aus an
geblichen alten Chroniken entgegen, vermöge welcher
Zara ihnen schon zu einer solchen Zeit sollte gehörtha
ben, in welcher Venedig noch nicht vorhanden gewe
fen ist. Sie versicherten ferner, daß die Herrschafts
rechte der hungarischen Könige blos darin befanden
hätten, daß sie einen Theildesjenigen Thorzolles, wel
cher von hungarischen Kaufleuten bei dem Eintritte in
die Stadt bezahlet werden müffe, durch einen eigenen
Bedienten hätten in Empfang nehmen können; und
fügten hinzu, es fey der hungarischen Krone weitzu
träglicher das Freundschaftsbündniß mit ihrer mächti
gen Republik zu unterhalten, als sich mit dieser über
eine Stadt zu entzweyen, deren Bürger schon so oft
gezeigethätten, daß sie äußerstwankelmüthig und treu
los wären. Inzwischen verdoppelten fiel ihre Kräfte,
um diese unbrauchbaren Unterthanen fobald als mög
lich unter ihre Herrschaft zu bringen. Aber die Za
Allgem. Weltg. XWB. I.Abth. Rr rast
66 xxxv-Buch. Aelteste
J. Chr, 1312. raer wehrten sich so tapfer, und holten sogar den Ad
miral Justinian Beletti mit seinem Schiffe in einer
Nacht mitten aus feiner Flotte als einen Gefangenen
in ihre Stadt. Der König befahl endlich dem Ban
Mladimus, den er zum zaraischen Grafen ernannt -
hatte, fiel zu unterstützen. Aber dieser war aus Ne
benabfichten mehr auf den venetianischen als auf den
königlichen Vortheil bedacht, und endigte die Belage
20. August 1313. rungdurch einen Vergleich, den erzwischen Zara und
Venedig mit Vernichtung der königlichen Hoheit stif
tete. Vermöge deffelben bekamen die Zarenser das
Recht fich ihren Grafen selbst zu wählen, und Vene
dig behielt nur die Bestätigung und einige andere Ho
heitsrechte, die die zaraische Freiheit nichtzu sehr ein
schränkten. Dem Könige ward diese Einrichtung als
sehr nützlichfür sein Reich beschrieben, und er geneh
migte fieldaher. Allein er empfand bald davon den
Schaden, daß mehrere Seestädte, nämlichSpalatro,
Trau, Sebenico und Nona sich in geheimeUnterhand
lungen mit Venedig einließen. Die dalmatische und
kroatische Reichsverfaffungwarzudieser Zeit nichtdie
glücklichste. Denn diese Länder waren mit größern
und kleinern Familienhäuptern angefüllet, von welchen
jedes gerne sichzum Oberherrn des ganzen Landes ge
macht hätte. Daher wurden die Befehdungen und
das Blutvergießenfast niegeendiger, und der König
herrschte nur als Bundesgenoffe dieser Leute, die er
bald in einer, bald in einer andern Gegend schützte
oder schwächte, so wie es sein Vortheil zu erfordern
fähien. Der vorgedachte Mladimus, der zu den
Mächtigsten im Lande gehörte, hatte von seinem Va
ter, dem Ban Paulus, welcherzugleich GrafinSpa
latro gewesen war, ein so großes Erbland erhalten,
daß er den Titel einesFürsten von Dalmatien annahm,
und der König verliehe ihm dazu die Würden eines
- -
-- Bans
-

Hungarische Geschichte. 627


Bans von Kroatien und vom zweiten Bosnien,
Georg, ein Bruder dieses Mladinus war Graf der
dalmatischen Städte und Herr von Trau und Almiffa,
undgab ein Zeugniß von seinemReichthume durchdie
Stiftung eines Bischofhums zu Sebenicoa). Ne
ben dem Mladin herrschte über Bosnien ein gewisser
Stephanus als Ban,vielleicht in einem abgesonder
ten Theile; und auch der König von Servien oder
Rafien Urofius Militinus hatte über einige bos
nich-dalmatische Oerter zu befehlen. In dem Ge
biete dieser Herren befanden sichviele Patarener oder
Waldenser, die bei ihnen Schutzfanden, ohngeachtet
der König als Oberherr aufVerlangen des Pabstes
öfters befahl sie zu vertreiben. Einige dieser Leute
vereinigten fich mit verschiedenen Griechen, Tartaren
und Heiden, und richteten eine arge Verheerung in J. Chr. zu
einigen hungarischen Provinzen an. Der König ver
langte des Pabstes Hülfe um fie zu vertreiben; allein
da die Kreuzzugspredigten ihren Werth verloren hat
ten, so gestand der Pabst, daß er ihm mit nichts als
mit Gebete und Indulgenzen beystehen könne. Die
letzteren, die jedem, der in einem Treffenmit denKe
zern und Ungläubigen umkommen würde, die völlige
Vergebungaller begangenen Sünden versprachen,hat
ten eine gute Wirkung: denn die tartarischen Streife
reyen wurden aufeinige Zeit gehemmet. Der servi
sche König Urosius hatte eine Rotte Türken, die im "e dex
letzten Jahre desdreizehnten Jahrhunderts aus Asien“
in die Bulgarey gekommen waren, infein Reich auf
genommen, undvermehrte dadurch die Horden, die J. Chr, 13.09,
fich es dieseit der Donau zu einer Pflicht machten,
ihre christlichen Nachbarn in das Unglück zu stürzen.
Er zerfielferner mit feinen Großen, und machte sich
Rr 2 durch
-) Luciusep on de Schwandtner Temp37.
628
-
XXXIV Buch. Aelteste -

durchverschiedene Gewaltthätigkeiten feinen Untertha


nen verhaßt. Daher hielt es der König Karl Robert
für nöthigund nützlich, in fein und feiner verbündeten
'' Nachbarn Länder einzudringen. Das Glück der
nien. Waffen war Karln fo günstig, daß er einige griechi
fche und patarenische Heere schlug und Macedoniener
J.Chr. 139. oberte; allein in der Folge verließ es ihn, denn er
konnte sich nicht bei dem Besitze der neuen Provinzen
erhalten b). - -

Nicht lange nach diesen Begebenheiten entstand in


Dalmatien durchdes Ban Mladinus Verschulden ei
ne Empörung, die der königlichen Gewalt in dieser
Gegend sehr nachtheilig wurde. Mladinus verfuhr
nämlich nach griechischer Weise despotisch, und belei
digtedieGeistlichkeit, wie auch die zu dergrößtenFrey
heit angewöhnten Stadtleute durch mancheVerletzung
Venedig ero ihrer Freiheiten. Er nahm den Geistlichen ihre Ge
# "richtsbarkeit, übereilte sich bei dem Urtheilssprechen,
und verdammte oder strafte, ehe er den Beschuldigten
gehöret hatte. Er riß die Güter der Kirchen an sich,
erpreßte von den Bürgern ungewöhnliche Steuern,
und gebrauchte das Schwerdt, wenn diese fich wider
fetzten. DieBürger von Trau und Sebenico, welche
- sich auf ihre Mauern und Tapferkeit, und auf vene
tianische Hülfe verlaffen konnten, verabredeten, daß
fie sich widersetzen und der Schutzhoheit der Venetia
ner gänzlich unterwerfen wollten. Dieser Entschluß
wurde dem Mladinus verrathen, welcher sogleich vor
diese Städte eilte, allein die Mauern nicht zerstören
konnte, und sich damit begnügen mußte, daß er die
Aecker der Städte verheerte. Darauf erfolgte eine
feyerliche Unterwerfung der beiden Städte unter die
Lehns
b) Päbstlicher Brief an den römischen König Friedrich
bep dem Hrn. Pray P. II.p. 14.
Hungarische Geschichte. 629
Lehnshoheit, die Herrschaft, die Regierung und den
Schutz derRepublik, mit Vorbehalt derdem hungari
fchen Könige zustehenden Rechte, die diese Städte 17.April 1322.
vermuthlich nachvenetianischer Ausdeutung nur in der
HebungeinesZollesfürdenSchutzfetzten. Die Stadt
Trauzog einen jüngern Bruder des Mladimus, näm
lich Graf Paul von Bribir, in ihr Bündniß, und
versprach ihm Hülfe, um seinem Bruder das Banat
vom ganzen Szlavonien, jedoch ohne Verletzung der
königlich-hungarischen Hoheit,zu entreißen. Allein
der König endigte den Krieg zwischen den Brüdern
dadurch, daß er dem Mladimus feine Würden nahm,
und selbige einem andern mächtigenKroaten, Johann -

Babonich, anvertrauete. Dieser schlug den Mladi-J. Chr. 132a.


nus, und der König, der mit einem Heere nach Dal
matien kam, nahm ihngefangen und fandte ihn nach
Hungarn. Der König kehrte nach dieser Begeben,
heit zu früh zurück; daher wagte es des Mladimus
zweyter Bruder Georg, die Bürger von Spalatro zu
befehden, weil sie die almiffanischen Seeräuber, feine
Bundesgenoffen, gestraft hatten. Die Spalatrenser
verloren eineSchlacht, und forderten daraufHülfe von
dem Ban Johann Babonich. Dieser war nicht ge
neigt sich ihrer anzunehmen; daher wandten sie sich an
den König, und brachten den Babonich in den Ver
dacht der Untreue. Dadurch ward der König bewegt.
ihn abzusetzen und einen Nicolaus, den Obergespan
von Vesprim, alsneuen Banvon Szlavonienmiteinem
großen Heere nach Dalmatien zu finden. Babonich -
beschloß, sich mit Gewalt bey seinemAmte zu erhalten: -
allein er wurdegeschlagen, und mußte sowie derGraf
Georg sich bequemen, den Verordnungen des Königs
zugehorchen. Dieses Verfahren schien dem dalmati
fchen und kroatischen Adelfo unbillig zu seyn, daß er
sich insgeheim verband, bei einer bequemen Gelegen
Rr 3 heit
630 XXXIV.Buch. Aelteste
heit die hungarische mit der venetianischen Hoheit zu
vertauschen. Der GrafGeorg konnte diese nicht er
warten, sondern vereinigte sich mit den Bosniern und
den Städten Segniund Zara gegen die Stadt Spa
latro. Allein Nelipiz, Graf von Tinen (Khnin),
und Cetina, ein sehr mächtiger kroatischer Herr, und
der Woiwode Georg, überwältigten den Grafen Georg,
I,Chr. 1324. und lieferten ihn den Bürgern von Spalatro aus.
Die Stadt Zara versöhnte daraufdie Gemahlin des
gefangenen Grafen mit der Stadt Spalatro; und Mi
chaelvon Mehacs, ein neuer Ban, zerstreuete nach
zwei Jahren allebabonichische und bribirische Rotten,
die das Unrecht, welches ihrem Freunde widerfahren
feyn sollte, an ihren unschuldigen Nachbarn zu ahn
den gedachten. Bosnien war nach Mladimus Abfe
zung einem gewissen Stephanus erheilet worden, wel
cher aber des KönigsHoheit nicht fehr achtete; denn
er zog ohngeachtet der königlichen undpäbstlichen Ver
bote sehr viele Waldenser an sich, und nannte sich ei
nen freyen Fürsten und Herrn von Bosna, Uffora,
Sala und andern Ländern und einen Grafen zu
Chelm c).
Außer den Feldzügen, die die dalmatischen Unru
hen verursachten, unternahm der König noch mehrere,
in welchen er nicht so glücklich war. Er fandte ein
Heer nach Oesterreich, um den römischenKönig Frie
-
drich gegen die Angriffe des Kaiser Ludewigszu unter
fützen, und bekam es nach der Niederlage bey Mühl
a3. Sept. 1222. dorf sehr beschädigt zurück. Nachher rückte er selbst
J. Chr. 1327. in Oesterreich, und zwang den König Friedrich, sich
mit feinem Bruder Otto über die Erbländer abzu
Im Nov. 133e. finden. Nach ein Paar Jahren folgte er dem Rathe
des siebenbürgischen Woiwoden Thomas und eines ge
wiffen
c) Lucius p.413
Hungarische Geschichte. 63
wiffen Dionysius, und überfiel den Zinskönig der Walachischer
Walachen und Ban von Zevrin Bazarabd), ohne Zug.
ihn seine Ungnade zuvor merken zu laffen. Er ge
wann das Schloß Szörem nebst einigen dazu gehöri
gen Kreisen und wies die Abgeordneten des Bazarabs
ab, welche ihm dieses eroberte Land nebst einem Ge
fchenke von 7000 Pfund Silber und einen erhöheten
Jahrzins anboten, wenn er nun zurückkehren und
die Veranlaffung zu feinen Feindseligkeiten ihnen er
öffnen wollte. Daraufdrang er in den gebirgigen
Theil des Landes, in welchen fich die Walachen mit
ihrem Vieh und Reichthum zurückgezogen hatten.
Allein er ließ sich in gewisse hohle Wege locken, und
ward darin mit so großen Vortheilen aufSeiten der
Walachenangegriffen, daß er kaum für seine Person
ventrann, sein Heer aber, ohne sich verheidigen zukön- -
nen, erlegt und ermordet ward. Nicht lange vor die
fem Unglücke hatte er sich in einer andern ebenfo groß
fen Gefahr befunden; denn als er einst mit feiner Ge
mahlin und feinen Prinzen an der Tafel saß, fiel ihn
einer der vornehmsten Hofbedienten, Felician Zaach
fein Günstling, mit dem Säbel an, verwundete ihn
in die Faust, hieb der Königin die rechte Hand ab,
und beschädigte einige Bediente, die die Prinzen ver
theidigen wollten, so schwer, daß sie das Leben davon
einbüßten. Dieser Mann, der vermuthlich rasete,
wurde gleich niedergemacht, und weil er ein Anhän
ger desPfalzgrafens Matthäus gewesen war, sozwei
felte man nicht, daß diese That überlegt und die Folge
einer Verschwörungfey, ohngeachtet alle Umstände er
gaben, daß sie von keinemgescheuten Menschen konnte
unternommen sein. Daher verfuhr man gegen die
unglücklichen Anverwandten auf des Königs Befehl
Rr 4 äußerst
d) Io. de Kikullewp. 163.
632 XXXIV. Buch. Aelteste
äußerstgrausam. Eine verheirathete Tochter des Fe
liciansward enthauptet. Einer andern im Hoffrauen
zimmer der Königin, deren Schönheit man allgemein
bewundert hatte, hieb man die Finger, die Nase und
die Lefzen ab, und daraufführte man sie in dieser Ge
falt in allen großen Städten zur Schau umher. e)
Viele weiter entfernte Verwandte wurden getödtet,
- und alle übrige bis in das dritte Glied verloren ihre
Güter,und wurden ausdes Königs Staaten geschafft.
J.Chr. 13:0. Nach der Niederlage, dieder Königin der Wa
Russisch tarta-lachey gelitten hatte, versuchten die Tartaren, Kuma
"'“ ner und Ruffen, welche zu den Zinsnationen des
Reichsgehörten, sich völlig freyzu machen, und ver
heerten einige hungarische Gegenden; allein fie wur
den zurückgewiesen und gedemüthiget. Sie erholten
sichzwar wieder,und erhielten einige griechischeHülfs
ISIhr 34 völker zum Beystande. Alleinfie litten abermals ei
3%. nige Niederlagen,diefielzu der Ruhe zurückbrachten.
Die Ruffen hatten nicht nur mit dem Könige Karl,
sondern auch mitden Polen zu kämpfen; denn Karl
stand in einer sehr engen Verbindung mit den Polen,
J. Chr. zzo. seitdem er seine vierte Gemahlin Elisabeth, die Toch
ter despolnischenKönigs Vladislavl,geheirathet hat.
te.f) Diese Prinzessin stiftete eine so genaue Freund
- schaft
e) Der polnische Schriftsteller Dugloß erzählt, daß die
Königin dieses Frauenzimmer durch ihren Bruder in
ihrem Gemache habe gewaltsam entehren laffen, und
daß dieser Frevel den Vater auf den Anschlag, die
Königin zu ermorden, gebracht habe. Allein da der
Vater in diesem Falle den Mord nicht in Gegenwart
des Königs und seiner Bedienten unternommen,
auch nicht so fchlecht für die Sicherheit feiner Kinder
würde gesorgt haben, so ist die spätere polnische Ex
zählung aus dem Gerüchte noch immer zweifelhaft.
f) Schriften der prüfenden Gesellschaft zu Halle
II Band S. 621.
Hungarische Geschichte. 633
schaft zwischen ihm und feinem Schwager Kafimir,
daß er diesem aufden erledigten polnischen Thron ver- J. Chr. 1334
half, und nachher dafür sorgte, daß die Kriege der
Polen mit den preußischen Kreuzherren, und die Zwi- ' auf

figkeiten über die Thronfolge mit dem Könige Johann -

von Böhmen,zum Vortheil des KönigsKafimir geen


digt wurden. Dafür versprach ihm Kafimir das pol
nische Reich, wenn er selbst ohne männliche Erben
versterben sollte; und die Hoffnung, die er aus dieser
Zusage schöpfte, ward gleichsam die Richtschnur, nach
welcher er alle feine Bündniffe und nachbarlichen
Freundschaften einrichtete. Der vorgedachte König
von Böhmen erhielt durch ihn die Lehnshoheit über
die schlesischen Fürsten, weildiesepolnischen abgeheil
ten Prinzen, wenn sie Glieder des polnischen Staats
körpers blieben, ein erbliches Thronfolgerecht zu be
fizen schienen. Er war bisher ein Verbündeter der
Herzoge von Oesterreichgewesen. Nun aber,da diese
mit dem böhmischen Könige über das Erbrecht in den
Staaten des Herzogs Henrich von Kärnthen in Zwist
geriethen, fogesellete er sichzu dem böhmischen Köni
ge, und litte mit diesem durch Kaiser Ludewigs Waf
fen die Niederlage, wodurch sie beyde zum Frieden J. Chr. 1336.
gezwungen wurden. g) Ein paar Jahr hernach
machte er mit Markgraf Karlvon Mähren, des böh
mischen Königs Sohn, einen vorläufigen Vertrag1 März 133.
aufden Fall, wenn Kafimir ihn oder auch den Mark
grafen von Mähren zum Thronfolger ernennen würde,
Rr 5 und
- g) Hr. Pray IIp.37. Der Kaiser Ludewig bevollmäch
tigte die Herzog von Oesterreich, Albrecht und Otto,
1336 die Rechtslehne in Hungarn an des Kaisers statt
zu verleihen. Man weiß aber nicht, ob diese wirkliche,
oder nur prätendierte und erst zu erobernde Lehne gewe
fen find. Daß die Herzoge Schöffer in Hungarn be
faßen, und folche gegen andere austauschen wollten,
ersieht man aus den Annalen des Hr. Pray a. O.
634 XXXIV. Buch. Aelteste
und verlobte zu einer Stiftung dergenauesten Freund
fchaft seinen ältesten Prinzen Ludewig mit des
Markgrafen Prinzessin Margarethe. Endlich
8. März 1939. brachte er seinen Entwurf völlig zu der Ausfüh
rung. Denn der König Kasimir überredete seine
Reichsstände, daß sie ihn zum Thronfolger ernann
ten, und adoptierte darauf seinen Prinzen Ludewig, um
dieser Verfügung eine recht große Stärke zu geben.
Diese Handlung war zwar nicht vollkommen gerecht,
Der '' denn es gab noch viele männliche Nachkommen alter
' '"piastischer Könige, und Kasimir verfuhr desto härter,
folge. weil er selbst seine Schwiegersöhne und Tochter über
gieng. Allein da. Karl Robert die beschrienen Ku
maner zu seinen Diensten und den päbstlichen Hof
zum Freunde hatte, so fand man keinen, der sie öf
fentlich tadelte. Der König Karl Robert hatte zwey
Söhne, die er vorzüglich zu erhöhen gedachte. Dem
J. Chr. 1330. ältern Ludewig verhalfer durch des Pabsts drohende
Briefe vermittelt der Wahl und Krönungzu dem
hungarischen Throne, ohngeachtet, wie es scheint, der
Erzbischofvon Gran es zu hindern suchte und die
Krönung schwer machte. Der jüngere Prinz An
dreas sollte Neapolis erben, und dann Johanna,die
Enkelin des neapolitanischen Königs Roberts, zur
Gemahlin erhalten. Um dieses zu verstehen, muß
man wissen, daß des KönigsKarl Roberts Vater,
Karl Martellus, zwar der ältere Sohn des Königs
Karls II von Neapel gewesen, aber vor dem Vater
verstorben war, und daß daher Robert, Karls II
mittlerer Sohn, das neapolitanische Reich von seinem
Vater geerbt hatte. Dieses geschahe vermöge einer
väterlichen Verordnung,die so bündig war,daß Karl
Robert fie nicht vernichten konnte. Denn daß diesen
Herrn nicht der Besitz des weit reichern hungarischen
Königreichs, auchnicht die Entfernung der neapolita
nischen
Hungarische Geschichte. 635
mischen Küsten von seinem dalmatischen Gestade ab. Der Prinz An
hielt, Neapel in Anspruch zu nehmen, siehet man",
daraus, daß er mit vieler Hitze und großen Drohun- Neapel.
gen zwei kleine neapolitanische Lehne, Salerno und
Monte S. Angelo, von seinem Oheim forderte, weil
fie seinem Vater zum möchigen Unterhalte ausgesetzet
waren. Der König Roberthatte eben das Schicksal,
welches feinem Vater begegnet war, denn er verlor
feinen Sohn, Karl von Kalabrien, sehr frühzeitig,
und behielt von diesem nur zwei Enkelinnen zurück,
von welchen jene Johanna die ältere war. Diese Jo
hanna wurde, nach vielen Unterhandlungen des päbst
lichen Hofes und des König Karl Roberts mit dem
Könige Robert, endlich dem Prinzen Andreas feyer 27 Sept. 1333.
lich versprochen, und zwarzu Neapel in Beyseyn des
Königs Karl Robert, der seinen Prinzen selbst in sein
Vaterland gebracht hatte und nun zurückließ. Es
war sonderbar, daß der König Karl Robert bey Dalmatische
dieser Vereinigung mit einem Seereiche, welches '“
nur durch einen nicht sehr weit ausgedehnten Seebu
fen vonfeinen Staaten getrennet ward, aufkeine Flotte
dachte. Denn wenn er diese sich angeschafft hätte,
so würde es leicht gewesen seyn, Neapel sich und fei
nem Sohne beffer zuversichern, und zugleich die dal
matischen Städte den Venetianern zu entreißen und
in seinem Gehorsame zu erhalten. Aber nun, da ihm
diese fehlte, nahm die Machtam dalmatischen Stran
de immerzu. Nelipiz, der obenangeführte Grafvon
Knin, warf sichzum Herrn von Dalmatien auf, und J. Chr.1538.
verband sich mit Venedig und mit den nun venetia
nischen Seestädten, Sebenico, Trau und Spalatro;
und der König mußte, um ihn demüthigen zu kön
nen, den mit vieler Mühe unterdrückten bribirischen
Stamm, oder die Kinder des Mladimus undGeorgs,
wieder mächtig machen.
Nach
-

636 XXXIV. Buch. Aelteste


Nach der Rückkunft von seiner neapolitanischen
Reise fieng der„König an gewissen harten Staats
regelnzu folgen, die dieStände in einen zwar hefti
gen, aber gewissermaßen unbedeutenden Zorn versetz
ten. Er nahm nämlich den adelichen Bedienten ihre
Aemter, ohne daß sie ihm eine Ursache dazu gegeben
hatten. Er unterließ, die Dekrete der Könige Ste
phanus und Ladislav nebst der darin enthaltenen Na
tionalfreyheitzu erneuern. Er entzog den Bischöfen
das Ansehen, welches sie bisher im Reichsrathe ge
habthatten, und litte nicht, daß sie sich der Kirchen
fachen annahmen. Er ließ das Vermögen der ver
storbenen Bischöfe bei ihrem Tode durch Laien in Be
fitz nehmen und für seine Kammer verwalten. Er
zwang die Erzbischöfe und Bischöfe, daß sie ihm am
ersten Tage desJahrs ein freiwilliges Geschenk,jene
von 2oo, diese aber von so Pfund Silber geben
mußten. Er litte, daß seine weltlichen Staatsbe
dienten die geistlichen Pfründen verkauften, und er
fchwerte die Bereicherung der Klöster und Kirchen
durch die Verordnung, daß eine Kirche kein Gutfolle
fordern, welches ein weltlicher dreißig Jahre beleffen
habe, und kein Gut solle behalten können, auf wel
ches sie kein anderes Recht als den Besitz von noch
nichthundert Jahren anzuführen wisse. Er hielt end
lich die belehnten Geistlichen zu den Reichs-Hof- und
Kriegsdiensten an, und untersagte die Ausschreibung
der Reichstäge, die doch alle Jahr gehalten werden
sollten. Die Stände hatten, da die Reichsversamm
lungen unterblieben,kein Mittel, sich über diese Neue
.Chr. 1338. rungen zu beschweren, wandten sich aber endlich an
den Pabst, und baten ihn um Hülfe, wiewohl mit
einiger Furcht: denn sie fügten ihrer Bittschrift am
Ende das Gesuch bey, daß der Pabst dem Könige
glimpflich schreiben möchte, damit der König in
O'N
Hungarische Geschichte. 637
Zorn gerathe, und sie diesen entgelten ließe. Der
Pabst ließ sogleich ein Schreiben, voll von Ermah
nungen, Bitten, Verweisen und Bestrafungen an
denKönig abgehen. Billig hätten aber anstatt ver
fähiedener Artikel, die mit Unrecht unter die Beschwer
dengesetzt waren, weil fiel gesetzmäßige und dem Kö
nige zustehende Rechte betrafen, die Münzverfälschun
gen aufgeführet werden sollen; denn diese giengen sehr
weit. h) Der König verrief sogar alle fünfJahre
das bisherige Gepräge, und verbot den auswärtigen
Kaufleuten, so wie allen Unterthanen, bei Strafe
des Verlusts der Waare und des Geldes, ältere
Münzsorten bey dem Handel zugebrauchen. Dieses
duldeten und billigten die Stände, weil es auch in an
dernLändern geschahe, ohngeachtet dem Volke dadurch
eine schwere Steuer aufgeleget ward. Vermuchlich
hob der Königjene Klagen seiner Stände, sowie fie
es verlangten, wenigstensfindet man keine Spur von
einer Wiederholungder Beschwerden, ohngeachtet der Karl Robert
König noch vier Jahr nach der Klage den Thron ".
besaß.
"d König Ludewig I, welcher ihm folgte, un-tudent.
ternahm, ohngeachtet er erst das fiebenzehnte Jahr
feines Alters erreicht hatte, gleich bei dem Antritte
der Regierung einen Zug nach der Walachey, um
- feines
h) Hr. Zanetti de Nummis Regum Myfiae feu Rafiae
p. 28. Seine schlechtesten Münzen haben venetiani
sches Gepräge. In dem Corpore Juris Hungarici hat
man seinen Münzpachtkontrakt von Jahr 1342 auf
gehoben (p. 159), vermuthlich, weil er eine weitläuf
tige Münzverordnung enthält, der man noch lange
nachher gefolget ist. Aus diesem fiehet man, daß die
Kammer nach Abzug aller Kosten 800 Mark Silber
für die Münze von dem Comes Camerae regulis de
Kremnyez, oder dem Münzpachter erhielt.
638 XXXIV. Buch. Aelteste
seines Vaters Niederlage zu rächen. i) Aufdiesem
wandte er sich zuerst gegen die fiebenbürgischen Sach
fen, weil sie sich dem Woiwoden Thomas widersetzten,
und dem Könige denZins verweigerten. Die Sach
fen verschloffen ihre Städte; allein er eroberte einige,
strafte die Urheber der Empörung, und bekam darauf
die übrigen durch freiwillige Uebergabe. Durch die
fes Glück ward der walachische Woiwode Bazarabfo
Herzogthum fehr geschreckt, daß erzu dem Heere kam, und ver
Siebenbürgen mittels eines Geschenks von tausend Pfund Gold die
königliche Gnade fuchte, welche er auch erhielt. Dar
auf ward des Königs Bruder Stephan zum Her
zog von Siebenbürgen, Dalmatien und Kroa
tien erhoben. 1)
J. Chr. 1345. Im folgenden Jahre wollte Ludewig Dalmatien
Dalmatische aufgleiche Weise zum Gehorsam zwingen. Daher
ent begab er sich mit einem großen Heere bis an den See
strand; und dadas Schrecken gleichsam vor ihm auf
gieng, weil manden so schleunig gedemüthigten Ba
zarab für unüberwindlich gehalten hatte, so eilten die
Mächtigen dieser Reiche sich ihm zu unterwerfen,
- Und

z) Von K. Ludewigs Leben bat der Archidiaconus Jo


hann von Kikullerw zwar ein ganzes Buch hinterlaf
fen, welches das dritte in Job.v. Tburocy Chronike
ist (ap. Dn. de Schwandtner T.I. p. 173). Allein
dieses berührt die Begebenheiten mehr, als daß es sie
erzählt,wie man aus einerVergleichung mit denpäbt
lichen Urkunden in Odoard ReynaldiFortsetzung der
Kirchengeschichte des Baronius, und mit der fehr
gründlichen Geschichte in Hr. PrayAnnal. P. II.p. 52
156. ersehen kann.
1) Dieser Prinz ward 1344, vermöge der Geschichtbü
- cher, Dux Dalmatiae et Croatiae et totius Sclavoniae,
und führte diesen Titel noch 1353. Allein öfterer
nannte er sich in Urkunden Dux Tranfilvaniae. Hr.
Abt Kercselich notit-praelim.p.247. Muratori Anti
quitat. Ital.T.VI. p. 127. -
Hungarische Geschichte. 69
und nahmen insgesamt seine Besatzungen in ihre
Schlöffer ein.m) Nur allein die Grafen des bribi
rischen Stammes, nämlich der BanPaulus, welcher
Ostrovitza, Kliffa und Scardona befaß, und feines
BrudersGeorg von Trau Sohn,Mladimus, der mit
Trau und Spalatro in einem Vertheidigungsbündniffe
fand, wagten es die Huldigungzu versäumen, und
wurden diesesmal nicht bestraft. Im Gegentheil be
warben sich die venetianischen Bürger von Zara um
des Königs Schutz durch eine geheime Gesandtschaft.
Der venetianische Herzog Andreas Dandulo, der die
Absicht der Zaraer sogleich erfuhr, kam, als wenn es
durch einen Zufall geschähe, mit einer Flotte in den
zaraischen Hafen, behielt die Vornehmsten, die ihm
aufwarteten, als Gefangene am Borde, und ließ eine
Menge zaraischer Handelsleute, die, ohne eine feind
liche Gesinnungzu argwohnen, ihren Geschäfften nach
giengen, in Grund bohren und ermorden. Darauf
verlangte er, daß die Stadt ihrer Freyheit entsagen,
und fich zu der völligen Unterhänigkeit bequemen soll
te. Dieser Antrag ward verworfen. Der Herzog
ließ darauf die Stadt durch zwanzig tausend Mann
von der Landseite zu einschließen; aber der Königvon
Hungarn fandte die Bane Stephan von Bosnien und
Nicolaus von Szlavonien den Belagerten zu Hülfe,
und bat seinen Bruder, den KönigAndreasvon Nea
pel, um eine Flotte. Die letzte konnte zwar nicht er
scheinen, weil Andreas getödtet ward. Allein derKö
nig
m) Der König schenkte aufdiesem Zuge die ehemalige
Kommende der Tempelritter Aurana, welche fchon
lange zu der Krone geschlagen war, dem Johanniter
orden, welcher einen Prior darauf verordnete. Die
fes sollte dem Reiche eine neue Stärke verschaffen,
ward ihm aber fehr schädlich. Aurana lag zwischen
Zara und Sebenico, und istjetzt ein wüster Steinhau
fen. S.Hr. Pray Diff. deprioratu Auranaep, 22.
640 XXXIV. Buch. Aelteste
J.Chr. 1346. nigließ sich dadurch nicht irre machen, sondern gieng
mit einer beträchtlichen Macht vor Zara. Die Vene
tianer suchten ihn durch eine Gesandtschaft zu beruhi
gen, und zu der Rückkehr zu bewegen; allein sie wur
den abgewiesen. Desto glücklicher waren sie durch ge
heime Bestechungbei den Banen,die sie schon einige
Zeit durchGeld von Beobachtung ihrer Pflicht abge
halten hatten. Denn dieseversprachen ihnen, die Za
raer im Nothfalle zu verlaffen. Der König, der
diese Arglist nicht entdeckte,verabredete,daß die Bür
ger von Zara einen Ausfall auf das venetianische La
ger, zu einer Zeit, da er es selbst auf einer andern
Seite bestürmen wollte, unternehmen sollten. Allein
da sie dieses thaten, blieben die hungarischen Feldher
ren nicht nur müßig, sondern hielten ihre zum Kampf
begierigen Leute sogar vom Gefechte ab. Die verlaff
nen Zaraer verloren daher ihre meisten und besten
Kriegsmänner, und erklärten dem Könige, daß fie
nun ihre Stadt nicht länger vertheidigen könnten. Sie
baten zugleich, daß er ihnen erträgliche Bedingungen
zu der Uebergabe von den Venetianern verschaffen
möchte, und erhielten die Versicherung, daß dieses
geschehen sollte. Alleindie Venetianer verwarfen des
Königs Zumuchungen mit vielem Stolze, und da die
Feldherren dem Könige ihr Uebergewicht zu fürchter
lich schilderten, so gieng er, gleichsam ohne ein
Schwerdt gezuckt zuhaben, zurück, und überließ die
Stadt ihrem Schicksale.
Neapolitani Eine der mächtigsten Triebfedern, die ihnzu die
fche Begeben
heiten. fem geschwinden Rückzuge verleitete, war die Be
gierde, den Mord des Königs Andreas zu rächen:
denn erwar ein sehr feuriger und muchiger Jüngling,
der durchaus das Laster aufdas schleunigte und schärft
fe gestraft, und alles Unrecht geahndet wissen wollte;
der einen sehr geliebten Bruder auf die : E1E
Hungarische Geschichte. 641
Weise verloren hatte, und vor Rache brennte, und der
das Reich, welchesdes AndreasGemahlin und Mör
derin Johanna besaß, nun für sein Erbtheil hielt.
Sein Schmerz hinderte ihn, seine Aufmerksamkeit bey
der zaraischen Belagerung gehörigbeysammen zuhal
ten, und er wünschte, daß sie aufdas geschwindelte,
es fey auch wie es wolle, geendiget werden möchte, ,
damit er nur nach Neapel eilen und feines Bruders
vergoffenes Blut rächen könne. Die Begebenheiten,
die den Mord eines Bruders veranlafeten, waren
folgende. Robert, der Königvon Neapel und Groß
vaternbruder des Königs Ludewig, hatte in seinem 14 Jennere
Testamente seine Gemahlin Sanctia und einige ange.“
sehene Räche zu vormundschaftlichen Regenten feiner
Prinzefin Johanna verordnet, mit dem Befehle, daß
fie vor dem fünfundzwanzigsten Jahre die Regierung
nicht antreten sollte. Diese Johanna war, ohngeach
tet ihrer großen Jugend, das allerverschmitzteste und
lasterhafteste Frauenzimmer ihrer Zeit, und fand eine
Menge mächtiger Bedienten aus allen Ständen, die
ihren herrschsüchtigen Absichten aus Eigennutz mit ih
rer Erfahrung zu Hülfe kamen. Daher verstieß sie
nach der Mutter balderfolgtem Tode ihre Vormünder, 28.Jul. 1343.
und herrschte selbst. Sie sollte zwar vermöge des
großväterlichen Testaments ihren Bräutigam, oder
den Bruder desKönigs, sich sogleich antrauen laffen;
allein weil dieser dann in die Mitregierung getreten
feyn würde, so wichfie der Vermählung aus, und be
gegnete ihm auf die schimpflichste Weise, um ihn zum
Unwillen oder zu der Fluchtzu bewegen. Der Prinz
Andreas wandte sich an den Palatin Pipin, welcher
durch Stolz und Eigennutz sich einen allgemeinen Haß
zugezogen hatte, und verdarb seine Angelegenheiten
dadurch so sehr,daßdie Nation aufderKöniginSeite
trat, und diese Gelegenheit bekam, ihn enger als ei
Allgem. Weltg, XWB. I. Abth. Ss NEN
642 XXXIV. Buch. Aelteste
nen Bedienten einzuschränken. Die Klagen, die der
König Ludewigüber dieses Verfahren bey dem Pabste
ClemensVI als Lehnherrn des neapolitanischen Reichs
anbrachte, hatten keinen weitern Nutzen, als daß der
Pabst die vormundschaftliche Regierung übernahm,
das Testament desKönigs Roberts verwarf, undden
KardinalAymerichzum Regenten verordnete. Dieser
Mann sorgte nurfür einen und feines HofesVortheil.
Daher wünschte die Nation so wie die Königin, daß
feine Gewalt bald möchte geendigt werden. Man
wußte in Neapel kein anderes Mittel der Königin die
Regierung wiederzu verschaffen, als die Vermählung
mit dem Prinz Andreas, und man bat demnach des
J- Chr. 1343 Prinzen Mutter Elisabeth, welche nach Neapel ge
kommen war, die Ehe zu beschleunigen. Diese Kö
nigin fand im Gegentheil überall so viele Gefahr für
ihren Sohn, daß sie ihn mitfichzurücknehmen wollte.
Allein die Königin Johanna hintergiengfe und ihren
Sohn durch so viele Schmeicheleyen, daßdie Königin
einen Boten nach Avignon zu Einholung der päbst
lichen Dispensation abfertigte, und mit größter Zu
friedenheit und den glücklichsten Aussichten nach Hun
garn zurückreisete. Der Pabst bewilligte die Ehe,die
Mitregierung des Andreas, und die Aufhebung der
Gewalt des Kardinals Aymerich. Allein er blieb
dem Könige von Hungarn, der ihnhierzu veranlafet
hatte, nichtgetreu, sondern litte nicht nur, daß Jo
hanna einseitigherrschte, sondern verordnete sogar,daß
J. Chr. 1345. Andreas nur den Titel eines Königs, nicht aber die
Mitregierungerhalten, und wenn Johanna ohne Er
benftürbe, ihreSchwester Maria nebst ihrem Gemahl,
dem FürstenKarlvon Durazzo,das Reicherben sollte.
Die Vermählung mit dem Prinzen Andreasgeschahe
zwar; allein die Huldigung oder Ausrufungzum Kö
nige wurde verschoben; und endlich, als dieses nicht
wohl
Hungarische Geschichte. 643
wohlmehr möglich war, litte die Königin, daßge
wisse Mitverschworne ihren Gemahl des Nachts zu
Averso aus ihrem Bette hervorriefen, und gleichsam
vor ihren Augen erdrosselten. Sobald dieser Mord20August gas
in der Hauptstadt bekannt wurde, entstand ein Auf
lauf, undjener Karlvon Durazzo, der die Johanna,
um in ihren Platz durch eine Gemahlin tretenzu kön
nen, gerne fortgeschafft hätte, stellete die schärfsten ge
richtlichen Untersuchungen an, und ließ an den Mör
dern und Mitwiffenden die strengsten Strafen vollzie
hen. Die Königin kam mit in Verdacht, oder wur
de vielmehr von den gefolterten Verschwornen als
Mitschuldige angegeben. Allein Karl mußte den
Theil der gerichtlichen Untersuchung, der fiel betraf,
unterdrücken, weil er ihr Unterhan und Lehmmann
war. Einige misvergnügte neapolitanische Reichs
fände batenden König Ludewig, die Johanna zu ver
treiben, und ihr Reich seinem zweiten Bruder Ste
phanzuzuwenden; und der König nahm diese Einla
dungan, und machte große Zurüfungen. Neben
her versuchte er, ob er durch den Pabst die Königin
stürzen und bestrafen könnte, und bat felbigen, daß
er ihm und seinem Bruder das Reich, weil es ein erb
liches Lehn seiner Vorfahren sey, zuwenden möchte.
Allein die Parthey der Johanna war am päbstlichen
Hofe zu mächtig, und versprach dem Pabste größere
Vorheile, als der König ihm zugestehen konnte.
Daher ward der König durch leere Entschuldigungen
und Versprechungen, daß man den Mord untersuchen
und bestrafen, dann aber ihn belehnen wollte, aufge
halten. Manverordnete auch einige päbstliche Rich
ter, nahm aber dazu Unterthanen, ohne sie von ihrer
Pflicht zu entbinden, und in den Standzu setzen, daß
fie nach dem Verbrechen der Königin forschen durften.
Diese Partheylichkeit brachte den König so sehr gegen
- Ss 2 Den
64 xxxv Buch. Aeitete
den päbstlichen Hofauf, daß er mit dem ärgsten Fein
de des Pabstes, nämlich dem Kaiser Ludewig IV, in
ein enges Bündniß trat m). Dieses dehnte er auch
aufden Herzog Albrecht von Oesterreich aus, und
nachdem er alle alte Gränzirrungen, in welche er mit
diesem letztern Fürsten bisher verwickelt gewesen war,
beygeleget hatte, kündigte er als Gehülfe desKönigs
von Polendem Könige Johann von Böhmen unddes
fen Sohn MarkgrafKarlvon Mähren den Krieg an,
ohngeachtet diese des Pabstes mächtigste Freunde, und
der letzte fein eigner Schwiegervater war. Dieser
Krieg kam nicht zum Ausbruche, aber feine Unter
handlungen mit dem Pabste nahmen eine so ernsthafte
Wendung, daß er sichnicht entbrach dem Pabstezufa
gen, daß er, der Pabst, in Verdachtgerathe, selbst
an dem Morde desPrinzen Andreas Theilgenommen
zu haben,und daß erdiesenselbsthegen werde,wennder
Pabst die Johanna nicht verstieße, oderihrund einigen
andern Prinzen die Erlaubnißzugewissen Vermählun
gen,die zu seinem Nachtheilverabredet wären, versagte.
25 Dec. 1945. Die Königin gebar inzwischen einen Sohn, der nach
des KönigsVater Karl Robert genannt ward, über
ließ diesen aber schlechten Leuten zum Erziehen, um
ein neues Merkzeichen der Geringschätzung ihres Ge
mahlszu geben. Ueber diese neue Beleidigung klag
te des Königs Mutter Elisabeth bey dem Pabste. Der
Königverstärkte das Bündniß mit dem Kaiser Lude
wig, und verabredete mit diesem Monarchen einen
J. Chr. 1346. Entwurf zum gemeinschaftlichen Zuge nach Italien.
* Dieser setzte den Pabst in sehr großes Schrecken, weil
er daspäbstliche Ansehen in Italien zerstören konnte,
und bewegte ihn, den mährischen Markgrafen Karl
zum römischen Gegenkönigwählenzu laffen, ferner ei
NEN

n) Hr. Geb. Justizratb Häberlin Auszug der allgem.


Welthit. III B. S. 389.
Hungarische Geschichte, 645
nen Bischof zu der Untersuchung der Theilnehmung
der Königin an ihres Gemahls Morde zu bevollmäch
tigen, und den Kardinal Bertrand als Legaten mit
dem Befehle nach Neapel zu senden, daß er, wenn
Johannaschuldig befunden und desReichsentfetzetwür
de oder stürbe, ihremSohn auf den Thronhelfen sollte.
DerPrinzKarl von Durazzo ließ sich von der Köni-
gin durch die Abtretung des Herzogthums Kalabrien
gewinnen, und übernahm die Anführung eines Hau
fens, der die Gränzen gegen den König Ludewig ver
eheidigen sollte. Dieser versprach dem Kaiser Ludewig
Hülfe gegendenGegenkönigKarl, undzog daraufmit *Fehr. 347
einem sehr großen Heere durch Deutschland nach Ita
lien. Derpäbstliche Legat Bertrand belegte ihnzwar
mit dem Banne, wenn er über die ficilianische Grän
ze kommen würde, und der Pabst bestätigte nochmals
die Johanna in ihrer königlichen Würde. Allein der
König achtete den Bann nicht, und die neapolitani
fchen Bürger überfielen die Johanna und nahmen fie
gefangen. Darauf huldigten die neapolitanischen Der Königer
Großen dem Könige, und an ihrer Spitze war jenerbert Neapel.
Karlvon Durazzo, der nunsein Heergegenseine Mon
archin gebrauchen wollte. Die Königin entrann
zwar aus ihrem Gefängniffe, alleinfie wagte es nicht
im Reiche zu bleiben, oder sich dem Könige zu wider
fetzen, sondern flohe zu dem Pabste nach Provence,
und vermählte sich mit Ludewigvon Tarente, der nun
den Titel eines Königs von Neapel erhielt. Ihr
Schwager der Herzog Karlvon Durazzo fiel durch
den Erzbischofvon Neapel bey dem Könige in Ungna
de, und in den Verdacht, daß seine Absichtfey, erst
denKönig zu der Vertilgungder Königin und ande
rer Personen des königlichen Hauses zu gebrauchen,
und dann des Königs Anhänger zu unterdrücken und
fich selbst aufden Thron zu setzen, und ward enthau
- Ss 3 " ptet.
646 XXXIV.Buch. Aelteste
23Jenner 1348. ptet. Darauföffnete die Hauptstadt die Thore, und
nachdem sich kein Feind weiter zeigte, der Woiwode
Stephan von Siebenbürgen aber als Statthalter ein
gesetzet war, gieng der König mit dem jungen Prin
zen Karl Robert, und den gefangenen Brüdern des
Prinzen Karls von Durazzo nach Hungarn zurück.
Sein Statthalter rechnete auf die weite Entfernung
der hungarischen Residenz, erpreffte so vieles Geld,
als er nur konnte, undbrachte dadurch das Volk ge
gen den König, den es als seinen Beschützer und
Erretter willig angenommen hatte, so sehr auf, daß
es ihn und seine Besatzungen gerne wieder vertrieben
hätte, wenn ihm nur die Kräfte dazu nicht geman
gelt hätten. Den Vornehmern misfiel die hungari
fche Regierung eben so sehr, aber aus einem andern
Grunde. Denn sie fanden in der Hinrichtung des
Prinzen von Durazzo eine so große Tyranney und Un
gerechtigkeit, daß sie sich keine Sicherheit für ihr Le
ben unter der Regierung eines Königs, der diese
hatte befehlen können,versprachen. Man hatte den
Prinzen, ohne ihnzu hören, verurtheilt, und er hat
te wirklich dem Könige Dienste geleistet, die die größ
ten Belohnungen verdienten. Denn er hatte, sobald
das Gerüchtevon des Königs Andreas Erdroffelung
nur zu seinen Ohren gekommen war, die Mörder,
ohne sichvor ihrer und der Königin Machtzu fürchten,
aufgeflucht, und, so wie esder König Ludewig befahl,
gestraft. Er hatte ferner des Königs Freunde unter
stützt, und dem Könige bei seiner Ankunft die Ero
berung des Reichs erleichtert. Er war endlich von
dem Könige mit denzärtlichstenUmarmungen empfan
genworden,undmußte sich,wenn er gesündiget hattefür
völlig begnadigt halten. Dem ohngeachtet hatte ihn
der König des Abends von der königlichen Tafel hin
wegreißen laffen; und das Verbrechen, welches ' Os

-
Hungarische Geschichte. 647
Todes würdig erkläret ward, befand blos darin, daß
er die Ausrufung und Krönung des Königs Andreas
mit hatte verzögern helfen, und daßdes Andreas Er
mordung nachdes Königs Vorgeben ohne diesen Auf
schubnicht hättevollzogenwerdenkönnen. Diese Zurech
nung war übertrieben, denn blosdie jugendlicheUn
vorsichtigkeit des Andreas, der sich auf ein entferntes
Jagdschloß vermittelt vorgeschlagener Lustbarkeiten
hatte bringen laffen, gab den Mördern Gelegenheit
den Mordzu unternehmen, den sie sich nicht getraut
ten inNeapelselbstzuvollziehen; und man konntewohl
den Mördern nicht so viel Ehrfurcht gegen die Krö
nungzutrauen, daß sie sich dieser Gelegenheit, wenn
fie ihnen nachher gegeben wäre, nicht würden bedie
net haben. Man wußte in Neapel, daß die hunga
rischen ReichsgenoffendemKönige die Hinrichtungdes
Herzogs aus mancherley Gründenwiderrathen hatten,
und daß sie erst am folgenden Tage, da die aufwal
lende Hitze, die den König einigermaßen hätte ent
schuldigen können, bey dem Könige schon verraucht
gewesen seynmußte, vollzogen war. Alles dieses,und
außerdem die Regungder Freundschaft, die sehr viele
Neapolitanerfür den unglücklichen Prinzengehabt hat
ten, und die wohlärgere undwahre Verbrechen würde
entschuldiget haben, veranlaßte die sehr schlimmen
Vorstellungen von der natürlichen Beschaffenheit des
Königs Ludewig, den man nun für einen sehr rach
begierigen und blutdürftigen Fürsten zu halten anfieng.
Zum Glück für Ludewigs Unterthanen war diese Vor
stellungfalsch. Denn die Geschichte des Königs ent
hält kein zweites Beispiel eines Blutdurstes, wohl
aber viele Anekdoten von einer außerordentlichen Treue
gegen feine Unterthanen, und einer nicht gemeinen
Grosmuth und Menschenliebe. Von dieser letztern
waren viele Beyspiele vorhanden, und die neapolita
Ss 4 nischen
643 XXXIV.Buch. Aelteste
nischen Kriegsleute unterhielten sich öfters damit, daß
der König felbst in einen Flußstrudel gesprungen war,
und einen geringen Bedienten mit größter Lebensge
fahr gerettet hatte, weil dieser auf sein Geheiß in den
Strom zu Ergründung der Tiefe geritten war; inglei
chen daßer bey Stürmen aufdie erste Leiter geklettert
war, und denen die ihn warnetengeantwortet hatte, er
fey unterfeinen Leuten nimmer in Gefahr. Daß er
fichzu Averso so sehr vergaß, kam wohlvon seiner zu
lebhaften Empfindsamkeit, und von einer mislungnen
Liebe her. Er sahenämlich damals, als er den Herzog
tödten ließ, züm erstenmal die Zimmer, in welchen
fein Bruder ermordet war, und bekam dadurch die
färksten Eindrücke von Schmerz und Rachbegierde.
Er erinnerte sich ferner, daß der Prinz von Durazzo
ihm die Prinzessin Maria hinterlistig geraubt hatte,
welche ihm von ihrem Grosvater im Testamente zu ei
ner Gemahlin bestimmet war, und die er als feine
Braut von ihrer ersten Kindheit an betrachtet hatte.
Des Königs Kanzler und Abgesandte beschuldigten in
Avignonden ermordeten Prinzen von Durazzo zwar
verschiedener sehrgefährlicher Anschläge gegen desKö
nigs Leben, und fuchten die Eroberungdes neapolita
mischen Reichs gegen des Pabsts Verbot und Bann
durch mancherlei Gründe zu vertheidigen. Allein dem
päbstlichen Hof, der von den kleinsten Begeben
heiten sehr umständliche Nachricht erhalten hatte, war
es leicht, dieseszu widerlegen. Der König erklärte,
er wolle das Reich demjenigen, dem es der Pabstver
keihen würde, abtreten, sobald nur die Königin Jo
hanna des Mordes wegen bestraft fey; denn derPrinz
Karl Robert war bald nachfeiner Ankunft in Hungarn
verstorben, und der König konnte nun als sein Vor
mund nicht mehr das Reich beherrschen. Allein der
Pabst, der der Königin Johannafehr verpflichtetwar
und
Hungarische Geschichte. 649
und fie stets bey fich hatte, antwortete nur, er wolle
versuchen, ob er die Königin zu einem Verzichte auf
ihr Reich überreden könnte. Darauf verlangte der J. Chr. 1349.
König eine Dispensationfür seinen Bruder Stephan,
den er mit der verwitweten Prinzessin von Durazzo
vermählen wollte. Allein diese ward abgeschlagen;
und da man in Provence und Avignon merkte, daß
der Unwillen der Neapolitaner über die hungarischen
Beamten zu einer beträchtlichen Größe gewachsen war,
Neapel wird
fowardJohanna mit ihrem GemahlLudewig nachNe verloren und
apelgesandt. DasVolkempfiengfiemitoffenenArmen. wieder gewon
Derhungarische Statthalterzogzwar seine Leutezusam-men.
men, und erfocht über den Gegenkönig Ludewig einen
entscheidenden Sieg. Allein da fast alle Städte, sobald
ihre Besatzungen geschwächet waren, die zurückgeblie
benenHungarenausstießen,und sichderJohannaerga
ben, folgerieth der Statthalter in eine Hungersnoth,
und mußte mitfeinem Heere nach Hungarn zurückge
- hen. Der König war gar nicht geneigt, eine Ero-
berung, die ihm sogroße Summen gekostet hatte, fo
geschwind fahren zu laffen, und gieng im nächsten
Jahre mit feiner gesamten Reichsmacht wieder nach J.Chr. 1350.
Neapel. Hier fand er abermals alle Thore offen,
und fein Geschäffte bestand in Verzeihung, nicht
aber in Anordnungen zu Schlachten und Stürmen.
Sein Gegenköniggerieth in eine folche Verzweiflung,
daß er ihn nachalter Ritter Weise zu einem gerichtli
chen Zweikampf herausforderte, der aber nicht er
folgte, weil man sich über den Ort des Gefechtesnicht
vergleichen konnte. Endlich rückte der König vor
Neapel. Allein weil er einige Bedingungen, dieihm
die Bürger vorschlugen, nicht bewilligen wollte, so
- mußte er eine Belagerungwagen, die ihm entweder
zu schwer wurde, oder auch zu lange aufhielt; denner 1.April 1351
gieng unvermuthet einen Stillstand ein,der von fol
Ss 5 cher
650 XXXIV.Buch. Aelteste
cher Beschaffenheit war, daßer seine Absichten, Nea
pelzu behalten und mit Hungarnzu verbinden, gänz
lich vernichtete. Er stellete nämlich die Entscheidung
feinesZwistesmit der Königin Johanna gänzlich in
die Gewalt desfür die Johannapartheyischen Pabstes.
Würde dieser erkennen, daß Johanna an dem Morde
ihres ersten Gemahls Theilgenommen habe, so sollte
Neapel ihm zum Lehn gereicht werden. Würde der
Pabst aber die Johanna für unschuldig erklären, so
wollte er ihr eine Eroberungen zurückgeben, und diese
sollte ihm 3co,000 Dukaten zu Ersetzung der Krie
geskosten zahlen. o) Die Entscheidung fiel, so wie
man es erwarten konnte, zum Vortheil der Königin
' aus, und der Königlieferte nun sein erobertes König
"“ reich ab, und entsagte nebst seinem Bruder Stephan
nicht nur allen Ansprüchen auf Neapel, mit Vorbe
halt des väterlichen Erblandes Salerno und Monte
St. Angelo, sondern schenkte der Johanna sogar die
Summe der Kriegeskosten, um zu zeigen, daß er
nicht aus Eigennutz, sondern aus Gerechtigkeitsliebe
den Krieg geführet habe. Sein Bruder hatte sich
kurz zuvor mit Margarethen, einer Tochter des ver.
I-Chr. 33 storbenen Kaisers Ludewig vermählt, starb aber im
dritten Jahre der Ehe, und hinterließ die Herzogthü
mer Szlavonien, Kroatien und Dalmatien seinem
Sohne Johann.
zä Sobald der neapolitanische Krieg geendiget war,
", dachte der König auf die Eroberung anderer Provin
von Polen.
zen, die feinem hungarischen Reiche entriffen waren.
Zu diesen gehörte Rußland oder Rohreußen, Lodo
mirien und Halicz, welche drey Reiche die Lithauer
kürzlich erobert hatten. Der KönigKasimir von Po
len, der schon lange mit den Lithauern fochte, verei
nigte sein Heer mit dem hungarischen Heere, besiegte
die
o) Dipl. ap. Dn. Prayp. 89.
Hungarische Geschichte. 651
die Lithauer, und trieb sie größtentheils aus ihren un
rechtmäßigenBesitzungen. Für diesen Dienst war
der König nicht undankbar: denn er schenkte ihm auf
feine Lebenszeit den Genuß deshungarischen Rußlands,
und versprach, daß,wenn Kasimir einen Sohn erhal
ten würde, dieser von ihmfürdieses Landbey derRück
gabe 100,000 hungarische Gulden erhalten sollte. p) 16. April 1352.
Wie es scheint, hatten beide Könige den Vorsatz, ihr
Rußland noch weiter auszudehnen; denn der König
Kasimir bedungfich drey Jahr nachher aus, daß der
KönigLudewig, vor der gänzlichen Eroberung Ruß
lands, eine gewife daraufhaftende Schuld nicht ab
tragen sollte. Die Lithauer hoffen ihr verlornes Land
durch die Tartaren wieder zu erlangen, und rückten
mit einer unermeßlichen Menge dieser unfäten Leute
gegen die polnische Gränze. Aber der König Ludewig
fandte ihnen den fiebenbürgischen Woiwoden Andreas
entgegen, welcher fiel in Podolien erlegte, gänzlichzer
freuete, und bisanden Dneeper verfolgete. Er wollte
ihnen noch weiter nachsetzen, und das schismatische
östlichere Land, welchesPabst Clemens schonvorläufig
dem Könige geschenkt hatte, erobern; allein er mußte
aus Mangel an Lebensmitteln zurückkehren. Dieser
Zugbefestigte die genaue Freundschaft der Königevon
Polen und Hungarn noch stärker. Beyde schenkten
dem Kaiser Karl IV, als Könige von Böhmen, die J.Chr, 1353.
Ansprüche ihrer Reiche an Schweidnitz, Jaur, Beu
J.Chr. 1354.
ten und Kreuzburg, und giengengemeinschaftlichüber
den Bog, um die krimmische Tartarey zu erobern.
Allein da der Chander daselbst herumirrendenHorden Erneuerung
der polnischen
ihnen einen Zins versprach, und sich bereitwillig zu Erbfolge.
der Annehmungdes christlichen Glaubens bezeigte, so
giengenfie, ohne dasSchwerdtzuzucken,zurück. Dar
auf
p) “Sommersberg Script. rer. Silefiac,T.II. Mantifa
P. 8I
652 XXXIV. Buch. Aelteste
v. 24 Junius auferneuerten sie q) die alte Erbverbrüderung, oder
" dehnten vielmehr des Königs Erbfolgerecht aufden
Fall, wenn Kasimir ohne Söhneversterben würde,auf
Königs Stephans Bruderssohn Johann den Herzog
von Szlavonien aus, und setzten fest, daß, wenn auch
dieser oder KönigLudewigkeine Söhnezeugen würden,
der ganze Vertrag erloschen, und die älteste hungari
fche Prinzessin nur mit einer Brautsteuer von 5000
Schock böhmischerGröschgenabgefundenwerden sollte.
Dieser Vergleich erinnerte den König an die Pflicht
feinem Reiche einen Erbenzu verschaffen und sich wie
derzu vermählen, denn seine erste Gattin war schon
vor sechs Jahren verstorben. Er wählte dazu Elisa
bethen, eine Tochter eines fast unabhängigenStatthal
ters von Bosnien Stephans, und der polnisch-gnie
kowischen Prinzessin Elisabeth, welche aber die Wün
fche der Nation nicht erfüllete, denn sie gebar nur
drey Prinzessinnen, aber keinen Sohn. Der vorge
dachte Herzog Johann starb einige Jahre nachher, r)
wo nichtunvermählt,dennochwenigstensunbeerbt, und
also erlosch der neapolitanisch-hungarische Stamm
schon mitdem zweiten Könige.
Die glücklichen Heereszüge gegen die entfernten
heidnischen Tartaren und Lithauer ermunterten den
König,fich gegen die nähern Schismatiker oder grie
chischen Christen in das Feldzu wagen, und derPabst
InnocentiusVI gabsich alle Mühe ihnin diesemVor
- fatze
q) Hr. P. Dogiel Cod. dipl. Poloniae,T. I. p. 38.
r) Johann muß 1360 gestorben seyn, weil er in den
Bündnißunterhandlungen mit Oesterreich, die 1359
in feinem Namen mit angefangen wurden, nicht nach
diesem Jahre genannt wird. S. Hr. Pray II.p. 113 q.
Im Jahre 1364 bekam seine Schwester Elisabeth das
Erbfolgerechtauf Oesterreich, zum Beweise, daß er da
mals gewiß todt gewesen ist. -
HungarischeGeschichte. 653
saße zu bestärken. Wie es schien, beschloß er zuerst
Rafien wieder zu erobern, und er ließ, um feinem
l f Kriege das Ansehen eines Kreuzzugeszugeben, durch
feinen Abgesandten am päbstlichen Hofe beschwören, J.Chr. 1356
daß er den Zug nach dem Willen des Pabstes und des
Confitori einrichten wolle. Dafür erhob ihn der
Pabstzum Fähndrich der Kirche, und befahl der ge
famten Christenheit,für das Glück seiner Waffen und
für die ErzeugungeinesSohns,der in seine Fußstapfen
treten könne, zu beten. Aber diesmal hintergienger
die listigstenStaatsmänner feiner Zeit, oder dieRäthe
zu Venedig und Avignon. Denn seinewahre Absicht
war, wie die Folge zeigte, nicht auf Rafien, fon- Venetianischer
dern aufdas venetianische Dalmatien gerichtet. Er Krieg.
wußte,daß die Venetianer fich erstkürzlich mit denfast J.Chr.1354.
freyen Städten und mächtigen Herren von Trau, Se
benico, Kliffa und Scardona, ingleichen mit dem
Ban von Bosnien und dem Könige von Rafien, zu
einem wechselsweisen Angriffs- und Vertheidigungs
bündniffegegen ihn vereiniget hatten, und vermuthete,
daß sie den Königvon Rafien, wenn er ihn angriffe,
unterstützen würden. Er konnte dieses um so viel fi
cherer erwarten, weil die Zeit einesachtjährigenStill
fandes, den er mit ihnengeschloffen hatte, sichendig
te, und weil er ihnen erkläret hatte, daß er, ehe sie
nicht Zara und Istrien zurückgegeben hätten, keinen
Frieden mit ihnen schließen wollte. Denn bei diesen
Umständen war es nöthigden rafischen König genau
in das venetianische Intereffe zu ziehen; und dieses
konnte nicht nachdrücklicher geschehen, als wenn die
Venetianer ihn durch ihre Soldaten von der nichtge
ringen Gefahr, die ihm der Königdrohete,befreyeten.
Thaten fieldieses, so wurden sie Uebertreter despäbst
lichen Befehls, und folglich Feinde der Kirche; und
dann durfte der Pabst sich ihrer nicht so annehmen,
- - W96
654 XXXIV.Buch. Aelteste
wie es in jedem andern Falle gewiß geschehen feyn
J.Chr. 1356. würde. Diese Vermuthungen trafen ein. Kaum
- hörtendieVenetianer,daßdasKreuzgegendieRacier
geprediget ward, fo sandten fiel auch schon ein beträcht
liches Hüfsheer diesen Schismatikern zu. s). Nun
wandte sich der König plötzlich nach Dalmatien, ließ
vorjeder venetianischen Stadt eine zureichende Anzahl
Kriegsleute um sie zu belagern, und führte selbst das
Hauptheer durch Istrien vor Friaul. Er schloß ein
Bündniß mit Franz von Carara, dem paduanischen
Herrn und Vicarius des heiligen römischen Reichs,
und bekam die wichtige Stadt Padua zum Waffen
platze. Darauf breitete er sich weiter in Oberitalien
aus, und nahm dasganze platte Land von Trevigo in
Besitz. Einen sofeinen Staatsstreich hattendie Ve
netianer nicht erwartet. Denn da ihr Herzog eine
starke Flotte, der Königaber kein einziges Schiffzu
feinem Gebote hatte, und ihr festes Land durch Strö
me und Alpen vom hungarischen Gebiete abgesondert
ward, so kamen fielgar nicht aufden Gedanken, daß
der König sie in Nothbringen könnte, oder ihnen ihr
festes Land abnehmen wolle, um sie zu zwingen, #
diesesdas ihnen weniger wichtige Dalmatien auszu
tauschen. Daher war im trevigischen und venetischen
Gebiete keine folche Anstaltgetroffen, daß man sich
eines so glücklichen und erfahrenen Kriegesmannes, als
der Königwar, erwehren konnte. Die Bestechun
gen wollten nichtgelingen. Man riefden Pabst um
Hülfe an. Allein der König wollte ich es nicht be
greiflich machen laffen, daß er nur die Griechen in
Rafien zurUnterhänigkeitgegenden päbstlichen Stuhl
zwingen, nicht aber den Ungehorsam der Venetianer
trafen sollte. Und kurz! die Venetianer geriethen
IN

«) Lacius ap. Dnde Schwandtner p. 369. Hr. Pray IL


P. IO3
Hungarische Geschichte - 655
in eine sehr große Verlegenheit. Sie erboten sichder “ : " .
StadtZara ihre alte Freyheit wieder zu geben, von …
ihren übrigen dalmatischen Städten nur ein mäßiges . . .“
Jahrgeld, welches der König bestimmen sollte, zu he
ben, einige Städte dem Könige ganz abzutreten und
die Kriegeskosten zu bezahlen, wenn sie nur Schutz
und Hoheit über Zara behielten. Allein der König
erklärte ihre dalmatische Besitzungen für lauter unge
rechte Eroberungen, und verlangte fiel ohne den ge- - - - - -
ringsten Vorbehaltzurück. Man machte ihm man
cherleyEinwürfe, und es brach auch eine Mishelligkeit --

zwischen feinen Hungaren und den deutschenHüfsvöl- -

kern im Lager aus, die ihm die Fortsetzung des Krie- *** - -
ges bedenklich machen konnte. Allein er ließsichnicht
irre machen; lohnte die Deutschen ab, und sandte fiel
in ihre Heimath, verheilteseine Nationalvölker invier
Haufen, und ließ ein Viertheil davon im Felde bleiben
und nach drei Monaten durchein anderesablösen, und
trafsolche Verfügungen, daßer sicher den Winter in „“.
Hungarn zubringen konnte. Von seinem dalmat- “:.….
fchen Heereward inzwischen die Stadt Zara erobert,
und die Besatzungin das Schloßgetrieben. Darauf aber
geriethen Spalatro und Trau durch Meuterey der
Bürger in die Gewalt der Hungaren, und es ergaben
sich nach und nach alle entfernte venetianisch-dalma
tische Inseln. Der venezianische Herzog, Johann
Delphino, eilte mit einem sehr großen Heere nach Tre-
vigo,ward aber bey Nervefa geschlagen und nach Ve
nedigzurückgetrieben. Daher war nun kein anderes
Mittel vorhanden, als daß man aufdas eilfertigte
Dalmatien weggab, damit man nicht gezwungen wer-
den möchte, allesfeste Land fahren zu laffen. Dieses
geschahe am Ende desJahres vorläufig, und im An-,
fange des folgenden bündiger und umständlicher. Der ä."
* Herzog und die Republik entsagte demherzoglich-dal
AllgemweltgxvB., Abb. - Tt - matisch
656 XXXIV.Buch, Aelteste
Das vene matisch-kroatischen Titel und allem Rechte aufZara,
tianische Dal
matien kömmt Nona, Scardona, Sebenico, Trau, Spalatro, Ra
an Hungarn. gua, Chero, Veglia, Arbe, Pago, Brazza, e
zina und Kurzola, und versprach bei künftigen Zwi
sigkeiten mit den Hungaren nichtzu den Waffen, fon
dern zu dem Ausspruche des Pabstes ihre Zuflucht zu
nehmen. „DerKönig sorgte darauffür die Sicherheit
dieses Vergleichs durch die Erneuerung des wechsels
5 May 1358. weisen Hülfsbündniffes mit dem Reichsvicarius von
Padua, der, wenn etwa die Venetianer sich wieder
an Dalmatien vergreifen sollten, ihnen in den Rücken
fallen konnte. . . . ." -

J, Chr, 1359. ... Nachdem dieser Krieg geendiget war, fandte der
König einen Theil seines Heeres unter der Anführung
feines Pfalzgrafen, Nicolaus Konth, und des Erzbi
schofs Nicolausvon Gran, nach Kascien, mehr um
fein dem Pabste gegebenes Versprechen zu erfüllen,
als um dieses Land in eine Provinz seines Reichs zu
Servien und verwandeln. Diese Feldherren belagerten die Stadt
Bulgarien wird
erobert, Strebernik, und wurden abgeschlagen. Der Landes
herr Uroscius führte zwar den prächtigen Titel eines
- -- - 33 U Kaisers vonServien, allein er hatte erst kürzlich durch:
blutige Kriege mit den Griechen und Türken, und
nachher durch Feindseligkeiten mit seinem Oheim Si
niffa, der sich in die Mitregierung drängen wollte, fo.
schwere Niederlagen gelitten, daß er in die Gebirge
fliehen und einflaches Land den katholischen Christen
preisgeben mußte, welche es arg genug verwüstetent).
Daraufgieng der Kreuzzug gegen die Bulgaren, der
ren Festungen nicht so unüberwindlich waren. Stra
fimir, der König dieses Landes, ein Kumaner von
Geburt, fiel mit seiner Residenz Widin den Hunga
- - - - - -- - - ren,

z)Racham
1o. de Kikulew, meldetbekrieget,
oder Rasien S. 193, daß
und der König
einen öfters
Ban dar
über verordnet habe. --
Hungarische Geschichte. 657
ren in die Hände, wardnachGomnechin Slavonien
abgeführer, und bequemte sich, nachdem er in diesem
Schloffe einige Jahre zugebracht hatte, zu der Huldi
gung, und wie es scheint auch zu dem Uebergange zu
der lateinischen Kirche. Der König erlangte also
durch diese Unternehmung eine Art von Hoheit über
alles das Land, was ehedem zu dem römischen Illyrien
gehöret hatte; allein er gab sich in der Folge keine
Mühe es gegen die Türkenzu behaupten. Daher ge
schahees, daß etwa vierzehn Jahre nach dieser Ero
berung Sisman Marcus, der Bruder und Nachfol
ger des Strafcimirs, von den Türken überwältigt,
und Bulgarien in eine türkische Provinz verwandelt
wurde. Daß ein großer Eifer für die Ausbreitung
des Christenthums lateinischer Kirche den König zu
diesem Kriege nebenher veranlasfethatte, erweitet sein
Verfahren gegen alle, die von dieser Kirche abwichen;
denn er vertrieb alle Juden aus feinen Reichen, ohn
geachtet sie durch ihren Wucher große Reichthümer
zusammengescharret hatten, die sie nun nachBöhmen
und Oesterreich brachten. Er ließ die Patarener oder
Waldenser in Bosnien durch den BischofPeregrin
vonBosnien, und die heidnischen Wenden zu Lipnica
oder Lipna im hungarischen Rußland mit Gewalttau
fen, und sandte auchbewaffnete Minoriten zu den ko
manischen Tartaren, die folche zum Christenthume
brachten und ihr Land in Kirchspiele verheilten.
Diese Tartaren wohnten, wie es scheint, an den bey
den Ufern der Ausflüffe der Donau; denn das Land
zwischen der Donau und dem Dneefer, welches noch
kürzlich von Komanern bewohnt gewesen war, lag innehmunze.
diesen Zeiten wüste, und bekam zufällig neue walachi- Moldan.
fche christliche Einwohner u). Esbegab sich nämlich
- Tt 2 - ein
u) Io. de Kikulen p. 196. M. Cromerus de Origine Po
lonorum
658 XXXIV. Buch. Aelteste
ein walachiser Woiwode, Namens Bogdan, wel
cher bisher an den Quellen der Theiß und aufden Ge
birgen in der hungarischen Gespannschaft Marmarosch
gewohnet hatte, unvermerkt an denMoldaustrom,und
errichtete eine kleine Monarchie, über welche er unab
ängig zu herrschen gedachte. Allein weil er viele
flanzbürger feiner Nation aus Hungarn, der Wala
chey und der Bulgarey anfich zog, auch viele Kuma
men und Hungaren, die als Hirten in dem wüsten
Lande umher geirrt waren, fich zu ihm begaben, so
ward sein kleiner Staat von den hungarischen Beam
-
-
ken
- - -"

lonorum, Baßl. 1568.p.213. Prilufius ap.Pistoriums,


Scriptor. rerum Polonic. p.254. Die moldauischen
Schriftsteller haben von dieser Zeit nur Ueberlieferun
“gen, die mit gleichzeitigen auswärtigen Nachrichten
nicht übereinstimmen, auch sich felbst widersprechen,
. wie man aus des Prinz Kantimirs Geschichte in Hrn.
- Büschings Magazin IIITh. S. 544, und der genealo
gifchen Urkunde in Hrn. Pray Differtat. p. 139 siehet.
Nach ihren Nachrichten war Bogdan der Sohn eines
Johanns, der aus altmoldauischem und gothischem
- Stamme entsprungen feyn foll, und fein Sohn Dra
gosch kam 1352 erst nach Moldau, und gab dem Lande
den Namen feines Hundes Molda. Jener Kikullew,
der zu Bogdans Zeit lebte, hat den Namen Moldau
unter allen Schriftstellern zuerst gebraucht, und es
fcheint, daß er daher entstanden ist, daß Bogdans er
fe Kolonien sich an dem Moldaustrom gesetzt haben.
- Die Hungaren nennen das Land Valachia major, die
Türken aber Ak Iflak (Weißwalachey), welcher Na
me dieselbige Bedeutung hat. Der jetzige türkische
Name Bogdaniist von einem jüngern Fürsten Bogdan
entlehnt, der den Türken zinsbar wurde. Hr. Pray
bemerkt in feinen Differtationen. S. 139, daß dieMol
dauer eine geschriebene Uebersetzung des Kirchenrechts,
welches Kaifer Johann Connenus (vermuthlich der V.
oder der Stammvater verschiedener moldauischer Ge
fchlechter, welcher 1355abdankte) verfertiget hat, ge
brauchen, und darin Ungaro-Valachigenannt werden.
- -
Hungarische Geschichte. 659
ten entdeckt. Der König Ludewig begab sich, sobald
ihm selbiger bekannt ward, mit einem Heere nach der
Moldau, um fein Hoheitsrecht auszuüben. Allein
die tapfern und schon zahlreichen Kolonisten, die nun
Moldauer genannt wurden, vertheidigten ihre Frey
heit, und der König brachte ihren Woiwoden mit vier
ler Mühe blos zu der Huldigung und zu der Bezah
lung einesjährlichen Zinses. Nach Bogdans Tode J. Chr. 139.
gerieth dieser kleineStaat bereits in einen bürgerlichen
Krieg; denn einer der Söhne desBogdans(Johann
Stephan) huldigte dem Könige von Polen, und hoffte
feinen Bruder Petrus aus feinem Erbtheile mit pol
nischerHülfe zuvertreiben. Allein der König Ludewig
unterstützte denPetrus,und verhalfihmzuder ganzen
Moldau. Der Prinz Johann kehrte daraufzu seiner
hungarischen Lehnpflicht zurück, und bekam fein ver
lornes Land durch den KönigLudewig wieder.

In eben der Zeit, da der König diesen kleinen Böhmische


moldauischen Krieg endigte, ward der Grund zu einer Fehde.
andern Fehde an der entgegengesetzten Reichsgränze
geleget; denn es entstand ein Zwist mit dem österrei
chischen Herzoge Rudolfüber einige alte Kriegskosten,
die der Herzog bezahlen sollte, und ferner mit dem
Kaiser Karl IV über die böhmische Gränze und über
gewiffe Ausdrücke des Kaisers, die die Keuschheit der
Mutter des Königs verdächtig machten. Diese Feind- -
feligkeitenwurden aufeine ungewöhnliche Weise unter
halten; denn da der Kaiser eine große Stärke in I.C. ggons,
Staatslisten hatte und den Gebrauch der Waffen gern -

vermied, so bestand der Krieg nur aus lauter Bünd


niffen zum Angriff, und aus vorläufigen Theilungs
verträgen über die zu erobernden Länder, bei welchen
der österreichische Herzog den Vortheil erhielt, daß
ihmfeine Schuld erlaffen und ein verpfändetes Schloß
- Tt 3“ Schwars
660 XXXIV. Buch. Aelteste
Schwarzenbach wiedergegeben wardv). Endlichkam
zwar ein starkes, hungarisches, polnisches und öster
reichisches Heer auf eine, und ein böhmischdeutsches
Heer auf die andere Seite der mährischen Gränze.
Allein Karlgewann denKönigvon Polen, daß er sich
mit ihm aussöhnte, und seinen Bundesgenoffen einen
Waffenstillstand und feine Vermittelung aufdrang.
ze Febr.,1364. Eine Folge der letztern war,daß die so sehr erbitter
ten Feinde sich nicht nur die Hände gaben, sondern sich
auch in einem Theile ihrer Länderzu Erben einsetzten.
Karl verschrieb nämlich Böhmen nach feinem unbe
erbten Abgange den Herzogen von Oesterreich, und
diese machten ihn, wenn ihre und des Königs Lude
wigs Nachkommenschaft ausgehen sollte, zum Erben
ihres Landes. Die neue Freundschaft war aber nicht
dauerhaft; denn ohngeachtet der König nicht lange
J.Chr. 1367. nachherzu einem Bunde desKaisers und des Pabstes
Urban V trat, den diese Herren zu der Unterdrückung
der Viscontivon Mailand fast mit allen oberitalieni
fchen Regentengeschloffen hatten: so errichtete er den
J.Chr. 1369. noch nach fünf Jahren einen geheimen Vertrag mit
dem polnischen König Kasimir gegen denKaiserx).
Ankunft der Der Pabst Urban hatte vieleszujener Beylegung
Türken,
der hungarisch-böhmischen Zwistigkeiten beigetragen,
weil er wünschte, daß der König seine fast immer fieg
reichen Waffen gegen die Türken wenden möchte.
J. Chr. 1357. Diese damals noch nicht sehrfürchterliche Nation war
unter Anführungdes Prinzen Soleiman nach Europa -
gekommen, und hatte Gallipolis und Philippopolis
dem griechischen Kaiser abgenommen. Demohnge
achtet machte sich dieser Kaiser kein Bedenken, diese
wilden Feinde der Christen gegen die Bulgaren in
- Sold
v) Hr. Pray Annal. P. II. p. 112. Hr.Dogiel Cod. dipl.
Polon. T.I.p. 152.
z) Hr. DogielT.I.p.39.
Hungarische Geschichte: 661
Sold zu nehmen. Der Sultan Murat gewann das
durchfoviel,daß er seinen Sitz nach Europa verlegte,I. Chr. gson
und Adrianopel zu feinem Waffenplatz machte, aus
welchem er viele glückliche Ausfälle gegen die Was
lachen, Servier und Bosnier unternahm, vorzüglich
aber die Unterthanen desgriechischen Kaisers Johann
Paläologus drückte und überwältigte. Der griechische
Kaiser, der fich kurz zuvor kein Gewifen gemacht
hatte, diese Leutegegen Christen feiner eigenen Kirche
zu gebrauchen, behauptete nun, da er in Nothgerieth,
esfey eine nothwendige Pflicht der Christen aller Con
fessionen, diesen Feind ihrer Religion zu vertilgen.
Erwandte sich sogar an den Pabst, und da dieservon
ihm den Uebergangzu der lateinischen Kirche forderte,
foerbot erfichzufelbigem. DaraufließderPabstEr-J. Chr. 136s.
mahnungen zum Kreuzzuge an alleHöfe abgehen, und
der KönigLudewig setzte sich gleich in die ''
diesen zuunternehmen. Allein daeraufbrechenwollte,
erhielt er einpäbfliches Verbot, weil man am päbft
lichenHofeVeranlaffungbekommen hatte, in desKai
fers Versprechen ein Mistrauen zu setzen. Darüber
ward Ludewig verdrüßlich, und nachher hielten ihn
eigene Angelegenheiten ab feine Gelübde zu erfüllen.
Die Griechen und übrigen Beherrscher der Länder,die
an der Gränze von Hungarn und Dalmatien lagen,
fähienen auch die Hülfe nicht zu verdienen; denn fie
ergaben sich allen Lastern fo sehr, daß nur we
nig christliches sich bei ihnen fand, und waren un
treu, wankelmüthig und gegen ihre Beschützer un
dankbar. Man hielt dieTürken inHungarnfür keine
fofürchterliche Feinde als die Tartaren, weil sie nicht
fo zahlreich waren, und glaubte, daß man sich ihrer,
wenn sie näher kommen sollten, wo nicht leichter, doch
wenigstens nicht schwerer als der Tartaren erwehren
könnte. Allein man betrog sichin diesen Vermuthun
- - - - - Tt 4 - - 9en,
-

66 xxxiv Buch. Aelteste


gen, weil die Türken keine rohe ungebildete Heidenfo
… wie die Tartaren waren, sondern sich zu der mohäm
medanischen Religion bekannten, mit der sie eine sehr
gute und dauerhafte Kriegs- und Staatsverfaffung
angenommen hatten. Man hätte sie daher billig nicht
so sehr verachten, sondern vielmehr jetzt, da sie noch
schwach waren, nach Asien zurücktreiben, als in ih
ren europäischen Ländern und Festungen bleiben laffen
sollen. - - -

I. Chr. 1967. Der König gebrauchte einige der Völker, die er


Neues Könia-zu dem Türkenkriege bestimmthatte, um die Lithauer
"'“ aus Wlodimir oder Lodomirien zu vertreiben, undfiif
tete zugleicherZeit die erste hungarische hohe Schule
zu Fünfkircheny). Daraufwandte er sich gegen
den bosnischen Ban Twartko, den Vatersbrudern
fohn seiner Gemahlin, welcher nach dem Königs
titel strebte. … Dieser Fürst war ein Zinsmann des
hungarischen Reichs, hatte aber ein Gebiete, wie
es scheint, auf Kosten der Servier so sehr ver
größert, daß er von selbigem den königlichenAufwand
bestreiten zukönnen glaubte. Er bat daher denKönig
um die Erlaubniß sich krönen laffen zu dürfen, und
erhielt diese, nachdem er der Königin die vorenthaltene
BrautschatzgrafschaftChulm abgetreten und sichzu der
fernern Erkennung der hungarischen Hoheit verpflich
tet hatte. Er ließ sich von einem lateinischen Bi
schofe die Krone aufsetzen, nahm den Titel Stepha
vus Myrices an, und erkannte die päbstliche geist
liche Oberherrschaft. Dieses verleitete seine griechi
fche Unterthanen zum Aufstande. Allein der König
Ludewig halfihm, demüthigte seinen Bruder Wchich,
welcher sich an dieSpitze der Aufrührer gestellethatte,
und zwang die Bosnier zu dem römischkatholischen
T- Glauben.
Nicht
) Hr. Pray per, hierarchie Hung. P. L. p. 247
'
Hungarische Geschichte: 663
Nicht lange nachherfielihm vermöge der Erbver-, Mo.,
brüderung seines Vaters durch den Tod desKönigs DerKönigerbt
Kasimir das Reich Polen zu, welches er sogleich ver-Polen. - - -
mittelt feierlicher Krönung in Besitz nahm. Er be
gieng bey der Einrichtung der neuen Regierung zwar
verschiedene Fehler; denn er verdrängte die Prinzen
des altenpolnischen Geblütes nicht nur von der Thron
folge, sondern auch von den Vermächtniffen, die ih
nen Kasimir im Testamente verschrieben hatte, setzte
in die Stelle der abgedankten erfahrnen alten Räche
junge Polen und eigennützige Hungaren, welche sehr
bald ein allgemeines Misvergnügen veranlaßten, und
eilte zu frühnachOfenzurück. Allein da er seine Mut
ter, eine geborne polnische Prinzessin, die fich den
Vornehmern durch viele Lustbarkeiten angenehm zu
machen wußte, als Statthalterin hinterließ, so konnte -
der Unwillen der Niedrigern nicht zum Ausbruche
kommen, und der Herzog Vladislav von Gniekow,
der nach drei Jahren sich zum Gegenkönig aufwarf,
ward ohne viele Mühe nach noch drei andern Jahren
zur Verzicht auf die Krone gezwungen. Einen ge
fährlichern Feind bekam derKönigan dem Woiwoden
der Walachey Dragomer; denn gegen diesen gieng J.Chr. 1371.
er nicht nur selbstzu Felde, sondern ließ ihn auch zu
gleicher Zeit durch den Woiwoden Nicolaus von Sie
benbürgen aufder andernSeite angreifen. DerWoi
wode Nicolausfiegte zwar, fiel aber gleich nachher in
einen Hinterhalt, in welchem er mit fast allen feinen
Leuten blieb. Der König, der sich etwas verspätete,
rächtezwardiese Niederlage und eroberte Zeverin nebst
dem flachen Lande, allein er wagte es nicht in dasGe
birge hineinzudringen und den Dragomer aufzusuchen
und völligzu demüthigen.
In den Platz des aufdiesem Zuge getödteten fie-DesKönigs
benbürgischen Woiwoden verordnete der König einen ä.
- - Tt 5 - gewiffen
664 XXXIV. Buch. Aelteste
--
- -
gewiffen Stephanus, den er sogleich feinem italieni
fchen Freunde, dem Reichsvicariusvon Padua,Franz
J. Chr. 1372, von Carara, gegen die Venetianer zu Hülfe fandte.
DieseHandlung erregte eine große Aufmerksamkeit bey
den nächsten europäischen Mächten. Denn die Venes
tianer hatten den König nicht beleidigt, und brachten
den König in den Ruf eines äußerst ehrgeizigen, un
ruhigen und gefährlichen Eroberers und Nachbarn.
Sie versuchten zwar, ihn von der Ungerechtigkeit des
cararischen Angriffeszu überzeugen, und fandten, um
ihren Vorstellungen einen Nachdruck zu geben, eine
Flotte an die dalmatische Küste. Allein der König
blieb unbeweglich, und die venetianische Flotte konnte
ihn nicht beunruhigen, weil das hungarisch-paduani
fche Heerzu Lande fiegte, und den venetianischen Feld
, J. Chr. 1372. herrn Thadäus Giustiniano erlegte und gefangen be
kam. Der Pabst Gregorius XI bemühete sich, den
König mit denVenetianern auszusöhnen,und zuüber
reden, daß er aufvenetianischen Schiffen fich nach
Macedonien begeben und die Türken, die diese Pro
vinz nun auch erobert hatten, angreifen möchte. Al
lein er fand um desto weniger Gehör, da er in die
Veräußerung verschiedener ficilianischen Provinzen
willigte, welche der König als nächster ficilianischer
Thronfolger nicht zulaffen wollte. Er gab inzwischen
nicht nach, und meldete dem König, daß die Türken
mit den Tartaren verabredet hätten, Szlavonien,
Moldau und Siebenbürgen zu gleicher Zeit anzugrei
fen. Aber diese Nachricht bewegte den König nur,
fich eidlich zu verpflichten, die Türken noch vor Ab
lauf des nächsten Jahrs anzugreifen. Dieses schien
tum desto nöthiger zu sein, da des Königs nächster
Nachbar, nämlich der rafische König Wick, von den
Türken bezwungen und darauf getödtet war, und mit
ihm das servischeKaiserthum untergieng. Da es nun
- - der
Hungarische Geschichte. 665
der venezianischen Besatzungzu Trevigio gelang, in - - ---

einem Ausfalle einen Theil des paduanischen Heeres


zu erlegen, und den fiebenbürgischen Woiwoden ge
fangen zubekommen, foward der König des venetia
nischen Kriegs überdrüssig, und gab seinem Freunde
den Rath, sich mit Venedig auszusöhnen,welches auchJ.Chr. 1979
im nächsten Jahre geschah. - -

Der Pabst brachte, sobald dieses geschehen war,


die Venetianer, die Genueser, die Könige von Sici
lien und Cypern, und den Johanniterorden gegen die
Türken in die Waffen, und der König Ludewig sollte
das Heer anführen. Allein weil er dem Könige die
zu derBeschützungdes ChristenthumsgehobenenZehn
ten nicht überlaffen, sondern selbige zu der Besiegung
der Viscontigebrauchen wollte, fotrat der Königwie
der zurück, und der Kreuzzugkam nichtzum Stande.
Nunmehr überließ sich der König gänzlich dem Der König
Gedanken, wie er seinen drei Prinzessinnen die Erb-’“
folge infeine Reiche versichern,und Sicilien oder Nea
pel an sich bringen wollte. Die nun alt gewordene
Königin Johanna schien aus mancherley Gründen
ohne Hoffnung zu feyn, Prinzen oder Prinzessinnen
zu gebären, und der König verlangte daher von ihr
eine Erklärung, daß er nachihrem Tode ihr Reicher
ben müffe. Er forderte ferner außer Salerno und
Monte S. Angelo, auch Piemont und Forcalquier,
vermöge eines geheimen Vertrags, welchen er mit
den Prinzen von Durazzo errichtet hatte. Beides
ward ihm verweigert, und er erhobdarüber eine Klage
bey dem päbstlichen Gerichte. Weil er keine Söhne
hatte, und daher das neapolitanische Reich, wenn er
es erhielte, durch seine Töchter auffremde Prinzen
gebracht werden mußte: so beschloß er, seine Rechte
bey feinem Leben dem Könige Karlvon Frankreich als
eine Aussteuer seinerPrinzefinn Katharina
-
' allen,
666 XXXIV.Buch. Aelteste
26. April 1774. laffen, und er unterzeichnete eine Urkunde, wodurch
er Neapel und Sicilien seiner Tochter, und mit die
fer ihrem Bräutigam, Ludewig von Anjou, des
Königs Sohn, verschrieb. Die zweite Prinzessin
Maria war schon seit zwei Jahren dem Markgra
fen Sigismund, Kaiser Karls IV Sohne, ver
fprochen. Allein seine Verbindung mit denen baieri
fchen Herzogen, die dem Kaiser die Markgrafschaft
Brandenburg nicht laffenwollten, schien das Verlöb
nißzu brechen, ohngeachtet der Besitz der hungarischen
Königreiche, die der Maria bestimmt waren, den
Kaiser wohl zum Nachgeben reizen konnte z). Um
der dritten Prinzessin Hederwig das polnische Reich
zu verschaffen, gab er Befehl, eine ungewöhnliche
Steuer in Polen zu heben, und nahm diesen zurück,
-
nachdem ihm die Stände eine bündige Versicherung
der Thronfolge der Prinzessin ausgestellet hatten.
J. Chr. 13 7s Daraufverlobte er diese Prinzessin mit dem österreichi
fchen Herzog Wilhelm, der seit dieser Zeit mit ihr
in Ofen erzogen wurde. … Erst nach zwei Jahren
ward die ältere Schwester mit ihrem Markgrafen ver
lobt, und dieser mußte sichgleichfalls am hungarischen
Hofe aufhalten. -

Stiftung der … Polen wurde zu dieser Zeit von dem lichauischen


reuflischen Bi
schofthümer. heidnischen Fürsten Keistuth, Cubart und Georg ver
J. Chr. 1377, wüstet. Allein der König rächte diese Feindseligkeit,
und zwang den Fürsten Georg, ihm Belez zurückzu
geben. Das hungarische Rußland litte bey den lit
thauischen Einfällen stets so sehr, daß es der Herzog
Vladislav von Oppeln, dem es der König vor sieben
Jahren als ein Herzogthum überlaffen hatte, zu ver
tauschen wünschte. Daher nahm es der König gegen
Drzin, Gniekow und Bidgosz zurück, verordnete dar
über
z) Akten in des Hr. Dobner Mon. Bohem. T. II.
P-382-4O1.
Hungarische Geschichte. 667
über einen Woiwoden, und stiftete ein Erzbischof hum
zu Halicz, und drei Bischofthümer zu Przemis,
Chelm und Wlodimir. a) -

Nach diesem Zuge brach ein neuer Krieg mit Ve Dritter venes
nedig aus, welcher die letzte Hoffnung des Pabstes"
zum Kreuzzuge vertilgete. Die Venetianer hatten -

den dalmatischen Seehandel verboten, und wollten LTT - - >


kein mit Salz beladenes Schiffauf dem adriatischen
Meere dulden. Sie suchten ferner in dem mächtige
istrischen Fürstenthume des Patriarchen von Aquile
gia Eroberungen zu machen, und der König, dem
wegen seiner Absicht auf Neapel sehr vieles an der
Freundschaft des muthigen Patriarchen Marquard ge
legen war, hatte sich erst kürzlich verpflichtet, alle2 Jun zys
aquilegische Besitzungen gleich seinen eigenen zu ver
theidigen. Daher waren ihm einige genuesische und
anconitanische Abgesandte sehr willkommen, welche ihm
anzeigten, daß ihre Obrigkeiten, um ihren Seehan
delzu erweitern, Venedig angreifen wollten, ihn um
Beistand ersuchten, und ihm den Gebrauch ihrer
Flotten versprachen, die ihn vielleicht zum Herrn vor
Venedig machen konnten. Diesen Antrag nahm e
begierig an, und nachdem er mit den Städten ein
Angriffsbündnißgeschloffen hatte, forderte er sogleich
seine alten Bundesgenossen in Italien zu der Ausrü
fung ihrer Landmacht auf, und setzte, nach seinem
Ausdruck, den ehemaligen venetianischen Krieg fort,
Denn da einer nicht namentlich in der letzten padua
nich-venetianischen Friedensurkunde gedacht war, so
behauptete er, ein alter Zwist mit Venedig fey noch
nicht beigelegt. Der venetianische Admiral PianoJ.Chr. zy
hatte gleich im Anfange der Feindseligkeiten das
Glück, die nach Dalmatien bestimmte genuesische
Flotte zu besiegen, ihren Befehlshaber gefangen zu
nehmen,
a) De SommersbergS.R. Silesiae.T. II.p. 112.
668 XXXIV.Buch. Aelteste
nehmen, und die damatischen Städte Cataro, Se.
benico und Arba in seine Gewalt zu bekommen, und
bemühete sich auch Zara zu ersteigen. Allein es
- -- - sammelten sicheinige genuesische Kriegsschiffe in Trau,
schlugen ihn, als er sie aufzubringen suchte, ab, und
hinderten ihn bei der zaraischen Belagerung. Im
nächsten Jahre fandte der König den Prinz Karl von
Durazzo mit einem beträchtlichen Heere Hungaren
nachOberitalien, und die genuesische Flotte nebst der
Landmacht der vereinigten Fürsten brachten die Vene
tianer durch viele Siege in die größte Gefahr. Da
her sandte die venetianische Republik an den König,
-
und erbot sich unter jeder Bedingung zum Frieden.
Aber der König machte Forderungen, die sie nicht
eingehen konnte , denn er verlangte die Pflanzung ei
ner hungarischen Flagge auf dem S.Marcusplatze,
das Recht, den venezianischen erwähltenHerzog zu be
stätigen einen jährlichen Schütz und Hoheitszins,
eine feierliche Verzicht auf die Herrschaft des adria
tischen Meeres, und noch mehrere ähnliche Dinge, die
sichaufihreUnterwürfigkeit bezogen. Daher beschloss
fen sie das Aeußerte zu wagen und lieber mit ihrer
Freiheit unterzugehen, alsohne selbige sichim Wohl
stande zu erhalten. Der mächtigste ihrer Feinde war
blosder König, und da dieser die Führung desKrie
ges dem Prinzen von Durazzo überlaffen hatte, so
konnte die Gesinnung dieses Fürsten sehr vieleszuder
Entscheidung des venezianischen Schicksals beitragen.
Dieser Prinz, der auch Karl de Pace von einem
ficilianischen Titularherzogthume, ingleichen der kleine
- - - Karl hieß, war der letzte männliche Nachkomme des
ersten Königs von Neapel aus dem Hause Anjou, und
also ein Erbe des neapolitanischen Reichs nach Lude.
wigs Tode, wenn die weibliche Lehnfolge, wie bey Jo
Hunnen dochgeschehen war, nicht in Betracht gezogen
- - - Werden
Hungarische Geschichte. 669
werden sollte. Der König Ludewighatte ihn, gleich
fam zu einer Vergütung für die Härte, die er gegen
seinen Vatersbruder "den Herzog Karl von Durazzo Kart von Du
razzo erhält ein
bewiesen hatte, zum hungarischen Kronerben bestim Rechtauf Nea
- -

met, wenn er ohne Kinder versterben sollte. Er hat sel,


n
te ihnferner mit Margarethen, der Tochter des ent
haupteten HerzogsKarl(1368)vermählt, und bald “
hernach ihn auchzum Ban von Dalmatien und Kroa „4 - --
tien ernannt. Seine Hoffnung, Hungarn zu erlan
h gen, verschwand zwar schon zehn Jahr vor dieser
Vermählung, durch die Geburt der königlichen
Prinzessin. Auchdurfte er nichterwarten, daß ihm
Neapel zufallen werde, weildieses Reich mit der älte
fen königlichen Prinzessin dem französischenKronprin
zen versprochen ward. Allein der Tod der Prinzessin
-
änderte des Königs Absichten, und leitete diese so sehr
zu seinem Vortheit, daß ihm der König insgeheimsein
Rechtauf Reapel abtrat, nachdem er aufdie bündigte
Weise allen Ansprüchen auf Hungarn, Dalmatien
und den übrigen Reichen des Königs entsagt hatte.
Der König überließ ihm ferner das ihm anvertraute
Heer, um mit selbigem, sobald der venezianischeKrieg
geendiget worden, Neapel zu erobern, und versprach
ihm auch die kräftigsten Unterstützungen mit Geld
und Leuten, so oft er selbiger in der Folge benöthiger
feyn würde. Dieser Umstand machte ihm den vene
tianischen Kriegunangenehm, und er sehnte sich recht
sehr nach seiner Endigung. Der Besatzung der ve
netianischenHauptfestung Trevigio schien sein Wunsch
nicht unbekannt zu sein, denn sie wagte es, ihm, da
fie im Begriff war sich aus Hunger zu ergeben, ein
beträchtliches Geschenk für die Erlaubniß, sich mit
Proviant versehen zu dürfen, anzubieten, und er fand J.Chr. gue
kein Bedenken ihr diese zuzugestehen. Dadurch bei
kam die Lage der venetianischen Verfaffung eine ganz
andes
670 XXXIV. Buch, Aelteste
andere Richtung; und da es zu gleicher Zeit dem ve
netianischen Admiral gelang die genuesischeFlotte in
16.Aug. 1381.
feine Gewaltzu bringen, auch der streitbare aquilegi
sche Patriarch Marquard verstarb, so fahe sich derKö
". . .nig Ludewig gezwungen, den Frieden mit Venedig auf
eine fürdiese Republik erträglichere Weise abzuschlief
„" z- fen. Dennoch war dieser für ihnruhmwürdig genug.
ä. Denn er erhielt eine jährliche Steuer von7000 Duca
ten,die Festung Cataro, und das Versprechen, daß sich
zwischen den Vorgebirgen von Istrien und Zenta, und
aufallen dalmatischen Land- und Inselküsten,kein veneti
anisches Schiffohmekönigliche Erlaunißfehenlaffensolle.
- Der HerzogKarl nahm nun alle deutsche Söldner,
welche in Venedig entlaffen wurden, in seinen Sold,
und zoggerade nach Neapel. Die KöniginJohanna
' ohngeachtet sie mit Otto von Tarento, einem
raunschweigischen Herzog, vermählt war, ihr Reich
dem Prinzen Ludewig von Anjou geschenkt, und die
fen zuihrem Sohn angenommen. Allein dieser Prinz
war noch in Frankreich und warb ein Heer.“ Karl, der -

ihm zuvorkam, wurde vom Pabst Urbanus VI. in


Rom beliehen und zum Königgekrönt; denn des Pab
fes Gegner Clemens VII zu Avignon beschützte und
unterstützte den Prinzen von Anjou. . Er fand daher
keinen Widerstand, als er sich den neapolitanischen
Gränzen näherte, und kam ohne Aufenthaltvor Nea
pel. Der Herzog von Tarentofiel ausder Stadt,um
ihm ein entscheidendes Treffen zu liefern. Allein die
neapolitanischen Bürger ließen ihn aufder entgegen
gesetzten Seite in die Stadt, und verschloffen das
Thor, aus welchem der Herzog von Tarento gezogen
' war. Dieser Herzog kehrte zwar sogleich um, und
nionteapel bestürmte das Thor. Allein die Bürger und Karl
fielen auszwei Seitenpforten, faßten sein Heer in die
Mitte, schlugen es, und nahmen ihn gefangen. Nach
dies
- /

Hungarische Geschichte. 67
diesem Unglücke gerieth die Königin Johanna in eine
fo große Verzweiflung, daß sie sich dem Könige Karl
ergab, welcher fiel in das Zimmer zu Aversa, in wel
chem ihr erster Gemahl getödtet war, bringen, und
aufeben die Art erdrosseln und herabstürzen ließ, wie
es mit diesem Prinzengeschehen war. Der Prinz Lu
dewigvon Anjou landete nicht lange hernach mit einer - -

Flotte aufder Küste, und focht im Anfange seiner - , …,


Feindseligkeiten mitziemlichem Glücke. Allein Karl
fiegte dennoch, und erhielt sich auf dem Throne. -

Der König Ludewig begab sich inzwischen nach„'.


Altsohl, wo er diepolnischen Reichsstände überredete, Thronfolger
dem Markgrafen von Brandenburg Sigismund, als "*
feinem fünftigen Schwiegersohn ihr Reich zu geben,
und selbigem als ihrem künftigen Könige zu huldigen,
Diese Handlung war keine Wirkung einer Wankel
muth, sondern rührte vondesKönigs weiser Vorsorge
für das Beste des Reichs her. Der Bräutigam der - -
PrinzessinHedewig, die zuvor zu einer polnischenErb
königin erkläret war, hatte noch nicht genug Einsicht,
Erfahrung und Kriegeswissenschaft, um ein Reich, in
welchemsich der Herzog von Masovien empöret hatte,
und welches mit einem lithauischen Ueberfalle bedrohet
ward, zu verheidigen. Daher war es ratham, den
tapfern Sigismund undfeine Braut Maria der He
dewig und ihrem verlobten österreichischen Prinzenvor- -
zuziehen. Denn der König, der schon einige Jah
re fiech gewesen war, merkte, daß er nicht wie
der in den Zustand kommen werde, daß er das
Schwerdt führen könnte, und daß ein Ende heran König Ludewi
nahete, wie erdenn auchwirklichnach einigen Mona-"
ten verschied b). Der MarkgrafSigmund hat der im Sept. 1382.
- - Ers
b) Joh. von Kikullew bemerkt von diesem Könige, '
190)
Allgem.WeltgXVB.IAbth. Uu
-
672 XXXIV. Buch. Aelteste
Erwartungeine Genüge, und demüthigte den Herzog
von Masovien. Allein er beleidigte die Nation nach
desKönigs Tode durch einen gewissen Stolz, womit
er ihre Forderung, dem Statthalter von Grospolen
Domaret eine Aemter zu nehmen, undfich zum fe
ten Aufenthalte in Polen zu verpflichten, abwies.
17. September. Die verwitwete Königin Elisabeth ließ ihre älte
Maria 1 wird fe Tochter Maria sobald es möglich war mit derKö
Königin.
nigskrone krönen c), und übernahm als Vormünderin
die Regierung,zu der sie um soviel mehr Recht hat
te, da fiefelbige bey jeder Abwesenheitihres Gemahls
mit allgemeinem Beyfallverwaltet hatte. Ihr Vet
ter, der König Tvartko, oder Stephanus von Bof
nien, glaubte, daßmit ihrem Gemahle die hungari
fche Tapferkeit abgestorben sey, und riß die Grafschaft
Chulm an sich. Eben dieses schienen die hungari
fchenMagnaten, welche in den russischen Vestungen
Roth-Rußland lagen, zu befürchten; denn fiel verkauften dieihnen
fällt an Li
hauen. anvertrauten Schlöffer nebst der StadtKaminieckdem
lithauischen Herzog Lubart, gegen welchen fie fechten
sollten, und kamen mit vieler Dreustigkeit in ihr Va
fer

196.) daß er die Udwornicos oder adelichen Dienstlen


te, fast alle zu Nobilibus gemacht oder ihrer erblichen
Dienstpflicht entlaffen hat.
- c) Von der kurzen Regierung derMaria handelt Johann
von Thwrc.cy, oder Mag. Johann Turozi in feinem
Chronicon,welches er 1482 hat drucken lassen. Nächst
dem aber Hr. Pray P. II.p. 157. fequ. Einige dal
matische und hungarische Schriftsteller behaupten,daß
Maria Rex, nicht aber Regina Hungariae genannt fey.
(J. D. Köhler wöchentl. Münzbelustigungen XIV
Th. S. 121 und XVI Th. S. 417.) Allein die Urkun
den und Münzen sind ihnen entgegen. Hr. Hofrath
Bel de Maria Hungariae non Rege fed Regina, Lipf.
1742, edit. 11. 1744, und vorläufige Antwort auf
die von J. D.ZRöhler gemachten Einwürfe 1744.
Hungarische Geschichte. 673
terlandzurück. Diese Treulosigkeithatte den Tod ver
dienet, und da die Königin fich aufden mächtigen
Pfalzgraf Nicolaus von Gara verlaffen konnte, so
wagte sie es nach desselben Ausspruche, den ruffischen
Schloßhauptleuten die Köpfe abschlagen zu laffen, ihre
Güter einzuziehen, und ihre Kinder für ehrloszu er
klären. So etwaswollte man, weil esineinesFrau
enzimmers Namenzu Recht erkannt ward, nicht für
eine Ausübung des Gesetzes, sondern für eine Tyran
ney aus Nebenabsichten und Eigennutz halten; und
da die zahlreichen Verwandten der Bestraften durch
die Verunehrung der Kinder mit beschimpft zu sein
glaubten, so entstand eine allgemeine Gährung unter
dem Adel, und bald auch eine geheime Verschwö
rung gegen beide Königinnen und den Pfalzgrafen,
unter einigen der vornehmsten Staatsbedienten. Die
fe breitete sich vorzüglich in Dalmatien aus, wo der
DesPriors von
Johanniterprior zu Aurana Johann von Palißma fich Aurana Vez,
öffentlich zum Hauptaufwarf, undder Tochter desje- schwörung
nigen Monarchen die Huldigung versagte, der ihm
und seinem Orden diese einträgliche Priorey geschenkt
hatte. Der Prior zog den Ban Johann von Ma
schov,den BischofPaul von Zagrab, defen Brü
der Johann und Ladislav von Horvathy d), und den
König von Bosnien und Rafien Tvartko Stephanus
an sich, und beschloß, daß die Königinnen gestürzet,
und der neapolitanische KönigKarl aufden hungari
fchen Throngesetzet werden sollte. Die Königin Eli
fabeth warddurch die Obrigkeit der Stadt Zara ge
warnet, und sandte einen geschicktenMann, Johann
den Obergespann von Veszprim,nach Dalmatien,wel
cher, wie es schien, den Aufruhr dämpfte. Die wah
re Absicht der Verschwornen blieb aber diesem Manne,
Uu2 fo
d) Dipl.Alberti Regis de An. 1438in Hr. Pray Diff, de
prioratu Auranaep. 27.
674 XXXIV.Buch. Aelteste
sowie allen Freunden der Königinnen, so sehr ver
borgen, daß die verwitwete Königin dem Könige
Karlzu der Behauptung des neapolitanischen Reichs
eine beträchtliche Anzahl Kriegesleute zusandte, und
dem Bann von Matschov, einem der Verschwornen,
die Anführung derselben anvertraute. Der König
J.Chr. 1333. Tvartko legte zu der Ausführung des gemachten Ent
wurfsdas feste Schloß-Dracavizza an, und versahe
dieses so reichlich mit Salz und Lebensmitteln, daß
die nahen Raguiner in Furchtgeriethen, und ein kö
nigliches Verbot an alle Unterthanen,keinen Proviant
in das Schloßzu laffen, auswirkten. Die Königin
Elisabeth versetzte den Woiwoden von Siebenbürgen,
Stephan Laczkovich, als Bann nach Kroatien, und
gieng mit ihren beiden Prinzessinnen selbst nach
Zara. . . Hier fand sie so viele Freunde, daß sich
keiner ihr zu widersetzen wagte, und daß sogar die
Johanniter-Ordensbrüder ihr das Schloß Aurana
öffneten, und ihr den Eid der Treue ablegten. Der
Prior Johann von Palißma mußte nun entfliehen,
und fein sämtliches Vermögen hinterlaffen, welches
öffentlich verkauft wurde. -

Der neue Ban hatte inSiebenbürgeneinegrößere


Macht und Gewalt gehah, als er in Kroatien wieder
bekam, daher hielter seinen Tausch für unbillig, sich
aber für beleidigt, und tratzu derPartheydes Priors,
der sich in Bosnien bey dem Könige Tvartko aufhielt,
über. Er war aber so unvorsichtig, undverriethfeine
Absicht zufrüh. Daherdankte ihn die Königin ab
J. Chr. 1384. und verordnete einen treuern Mann, Thomas Tem
plin, anfeinen Platz. Zugleich mußte die Königin
Maria aufihr Geheiß eine Bestätigung aller Natio
nalprivilegienfeierlich ausfertigen, damit das Vol
eine stärkere Zuneigungzu derjungen Königinbekom
- - men
Hungarische Geschichte. 675
men möchte. Die Verschwornen glaubten, daß es
nun Zeit fey den König Karlin ihrVerbrechen zuver
wickeln, und der Bischofvon Zagrab, der unter dem
Vorwande, dem Pabste in Rom aufzuwarten, völ
ligunbemerkt nach Italien reisen konnte, übernahm
das Geschäffte den König Karlin das Reich zu ru
fen. „Er vollführte diesen Antrag mit aller Behut
famkeit und Geschicklichkeit, allein er fand ein uner
wartetes Hinderniß beydem Könige. Denn dieser
Prinz, der dem Könige Ludewig und feiner Witwe,
die nun gestürzt werden folte, fein ganzes Glück zur
verdanken hatte, der vermöge eines schweren Eides
alle Absichten aufHungarnunterdrücken mußte, und
der die Wankelmuth der hungarischen Magnaten von
feiner ersten Jugend anhatte kennen lernen, konntesich
lange nicht entschließen, dem BischofGehör zugeben.
Allein fein unmäßiger Ehrgeiz und dasZureden des
Bannes Johann und anderer Mitverschwornen, die
fich bisher nichtgeäußert hatten, nun aber gleichsam
als gleichgültige Zuschauer ein unabsichtliches Gutach
ten zu geben schienen, fiegte endlich über Gewifen,
überdie Freundschaftgegen die jungenKöniginnenund
über die Thränen und das Flehen seiner Gemahlin,
welche sich mit allen Kräften bestrebte ihn zurückzu
halten. Für das Gewifen fand er eine Beruhigung
in dem Banne des Pabstes, in welchen er verfallen
war, der ihm aber noch nichtgeschadet hatte, und mit
deffenAblösung er auch dasVerbrechendesMeineides
zugleichzu tilgen gedachte. Zum Ueberfluffe beschloß
er noch, Hungarn, sobald er es nur fich und feinem
Hause vollkommen versichert hätte, seinem Sohne
Ladislav abzutreten, der nach feiner Meinung nicht
in die Gefahr gerathen konnte, die Strafe eines
Meyneides, den fein Vater begangen hatte, tragen zu
müffen.
Uu 3 Indem
676 xxxiv Buch. Aelteste
Die Prinzes, Indem Maria im Begriffwar, ihr eigenthümli
fin Hedewig
erhält Polen. ches Reich Hungarn durch diese Staatslift ihrer heim
lichen Feinde zuverlieren, wandte ihre Mutter ihre
ganze Sorgfalt nur aufdie Erlangungdes ReichsPo
len. Der MarkgrafSigismund hatte Polen verlas
fen, und die verwitwete Königin fahe sichgezwungen,
die polnischen Stände von dem Eide,den sie ihm und
der Königin Maria geschworen hatten, frey zu spre
chen, und das Reich der jüngern Prinzessin Hede
wig wieder versichernzu laffen. Diese, die für das
fhönste, fittsamste und gelehrteste Frauenzimmer ihres
Alters und ihrer Zeit gehalten wurde, sollte sogleich
nach Polen kommen. Allein die Mutter konnte sich
nicht von ihr trennen, versprach sie stetszu senden und
brach denn ihre Zusage so oft, daßdie Polenendlichim
Unwillen aufdie Gedanken kamen sie auszuschließen
und einen Piaften zu wählen. Daraufbrachte siefie
J. Chr. 1383. bis Kaschau, und die Bildung und Freundlichkeit der
Prinzefingab ihren Vorstellungen bey denPolen, die
nicht gerne eine so schöne Prinzessin von ihrem Hofe
verweisen wollten, ein so starkes Gewicht, daß diepol
nischen Magnatenihre Drohungvergaßen, die Thron
folge nach Hedewigs TodeMarien zusagten, der Prin
zefin Hedewig verstatteten noch bis zum Herbste in
Hungarn zubleiben, und fichnurdieses ausbedungen,
daß sie ohne ihr Vorwissen nicht vermählet werden
follte. Ein Aufstand,den der Herzog Semovit von
Masovien, welcher fich nun von einer kleinen Parthey
zum König hatte wählen laffen, abermals erregte,
brachte den MarkgrafSigismund mit einem hungari
fchen Heere nachPolen; aberdieser eilte wiederzurück,
fobald Semovit gedemüthiget war, und empfiengfei
ne Belohnungvon den hungarischen Ständen, dieihn
zum Vormund und Beschützer ihres Reichs annah
men. Die Prinzefin Hedewig erschien wieder nicht
zu
Hungarische Geschichte. 677
zu der bestimmten Zeit, und die Polen, die nun an
fiengen ihr Außenbleiben für eine Beschimpfung der
Nationzuhalten, bestimmten einengewissen Tagdes
nächsten Frühjahrs, an welchem, wenn sie nicht ge J. Chr., 1384.
kröntfey, ein anderer König gewählet werden sollte.
Um dieseszuhindern, mußte Sigismund mit einem
Heere nach Polenziehen. Allein die Stände kamen
ihm mit ihrer Reichsmacht an der Grenze entgegen,
und droheten ihm mit dem Angriffe. Er suchte fie
zwarzu beruhigen, undhoffte von ihnen zum polni
fchen Reichsbeschützer angenommen zu werden. Al
lein er konnte nichtdurchdringen, und mußte zurück
kehren, nachdem er mit vieler Mühe den Krönungs
termin aufetwa einen Monat verlängert hatte. Die
ges fer ward auch verabsäumt; allein da der Zorn der
Magnaten dadurch auf das höchste getrieben ward,
fo riechen die Freunde der Königin auf das geschwin
dete ihre Prinzessin nach Krakau bringen zu laffen.
Dieses geschahe, und die Krönung ward fogleich nach 15. Oktob. 1384,
ihrer Ankunft vollzogen. Vermöge der Verabredung
sollte die nunmehrige Königin zu ihrer Mutter zurück
kehren, und bis zu ihrer Mannbarkeit unter ihren
Augen bleiben. Allein die Rückreise verzögerte sich,
und die Mutter fand es nun sicherer, ihr geschwind
einen Gemahlzu geben, alsaufihre Rückkunft stark
zu dringen. Sie erneuerte daher die alte Ehebere 29. Jul. 1385.
dungmit dem ihr bestimmtenBräutigam HerzogWil
helm von Oesterreich. Allein die polnischen Stände
verwarfen diesen Prinzen, und nahmen nach mancher
ley Vorschlägen endlich den Antrag des heidnischen
Herzogsvon Lithauen Pagello an, welcher Lithauen,
Szemaiten und einen Theil von Rußland e) aufewig
Uu 4 mit

e) Ob das bungarische Rußland bei dieser Gelegenheit


oder früher wieder von Lithauen an Hungarn s:
ey,

-- -
678 XXXIV. Buch. Aelteste
mit Polenzuverbinden versprach, wenn man ihm die
Hedewig und die Königswürde geben wollte. Die
Königin Hedewigkonnte sich lange nicht entschließen,
ihrer Würde dieses Opfer zu bringen, denn sie liebte
den Prinzen, der sehr wohl gebildet war, undvon ih
rer ersten Jugend an mit ihr aufeinen sehr vertrauten
Fußgelebt hatte, sehr heftig, und man hatte ihr den
Magello als einen fehr ungestalten und ungezogenen
Mann beschrieben. Allein da ihre Mutter ihre Ein
willigung gab, so bequemte siesichendlich, und reichte
dem Yagellooder Vladislav, wie erbey der Taufe am
14. Febr. 1386. Tagevor der Vermählung genannt ward, ihre Hand.
König Karl
bon Neapel er Der KönigKarlvon Neapelgieng, nachdem er
bert Hungern sein Reich genugfam gegen feines Gegenkönigs An
J. Chr. 385 griffe gesichert hatte, nach Dalmatien, und landete
bey Zeng. Seine Freunde hatten schonfür ein Heer
geforget; und da diesesfich immer vergrößerte, fowie
er fortrückte, so kam er plötzlich in die Gegend von
Ofen. Die Königin Elisabeth ließ Maria sogleich
mit dem Markgrafen Sigismundvermählen, unddie
fen aufdas eilfertigte nach Böhmen gehen, um ein
Heer zu der Wiedereroberungdes Reichs aufzubrin
gen. Daraufbeschickten beyde Königinnen den Kö
nig, um ihn zu befragen, ob er mitfreundschaftlichen
oder feindlichen Gesinnungen zu ihnenkäme? Und da
er sich für ihren Freund ausgab, so holten sie ihn mit
größter Prachtein. Er versprach ihnen, Hungarn zu
verlaffen, sobald er nur die ihnen Widerspenstigen un
terdrückt hätte, und sie boten ihm mit eben so vieler
Verstellung die königlichen Zimmer im Schloffe an,
- U1N1

- sey, ist unbekannt; dennoch scheint das letzte wahr


fcheinlich zu feyn, weil man in Mariens Urkunden ei
nen Waiwoda regni Ruffie findet. S. Hr. v. Palm
von den Titeln der ZK. R. Maria Therefia. S.63,
Hungarische Geschichte. 679
um ihm desto näherzu sein. Diesen Antrag lehnte
er aus mancherley Gründen ab. Gleich nach feiner
Ankunft in Ofen mischten sich die beredtesten derVer
fchwornen unter das Volk, und nahmen esdurchman
cherley Erzählungen von Karls Tapferkeit, Klugheit,
Gelindigkeit und Freygebigkeit ein. Darauffiengen
fie an zubedauren, daß Ludwig keinen Sohn hinter
laffenhabe, der ihm gleich fey, und endlich mischten -

fie in ihre Gespräche auch etwas von dem Schimpfe, " -

daß die alte tapfere, männliche hungarische Nation


fich von einer alten Witwe und einem noch kindischen
Frauenzimmer müffe beherrschen laffen. Das Volk
ward dadurch aufgebracht und rief, wir wollen Karl
zu unserm Könighaben! Sobald dieses in mehrern
Gaffen geschehen war, verfügten sich die Verschwor
nen zu Karln, undbaten ihn, die Wahl des Volks
zugenehmigen. Er ließ um
fandte zu den Königinnen, sichihnen
dannanzudeuten, und ab.''
überreden, daß ONI

ihre Regierung nach dem Willen der Nation geendi


get fey, und daß er für ihren standesmäßigen Unter
haltforgen wollte, wenn sie fichfreywilligentschlöffen,
der Herrschaft zu entsagen.f) Dieser Antrag brach
te die Maria so sehr aus ihrer Faffung, daß sie sich
über das Unrecht,welches man ihr anthat, mit vielen
Thränen beklagte, endlich aber in die Absetzung
unter der Bedingung willigte, daß man sie ihrem
Gemahl sogleich nachreisen laffen sollte. Die
H
Mutter, welche weltkluger und arglistigwar, äußerte
Uu 5 nicht
H
f) In den dalmatischen Urkunden ist Karls Regierung
f nicht als gültig angenommen, denn man findet darin
anstatt seines Namens die Formel, Maria Reginaim
pedita. Die hungarischen Gesetze nennenKarin Inter
s
rex, ohngeachtet er, nach feyerlicher Renuntiationder
Königin, mit St. Stephans Krone gekröner war.
630 XXXIV. Buch. Aelteste
nicht die geringste Bestürzung, sondern that als wenn
fie diese Begebenheit schon lange erwartet habe. Sie
gieng in ihrer Verstellung so weit, daß sie sogleich zu
Karln eilete, und ihm mit vielen Glückwünschen ihre
Gewalt übergab. Karlzog mit einemfeierlichen Ge
pränge nach Stuhlweißenburg zu der Krönung, und
begiengdie Unvorsichtigkeit, die Königinnen in feinem
Gefolge mitzunehmen. Diese wandelten, gleich ei
Derenbernem Paar gefangener Rebellen, hinter dem trium
phirenden Sieger in einer Stellung, die ein allgemei
nes Mitleiden erregte, her. Und als sie auf dem
Chore dem marmornen Grabmaale ihres Gemahls
und Vaters nahe kamen, liefen sie plötzlich auf selbi
geszu, und benetzten die ähnliche Bildsäule des Kö
nigs mit ihren Thränen. Diesen Anblick konnte das
Volk nicht ertragen: denn es war stolzauf den Ruhm,
den es durch Ludewigs Thaten bey den Ausländern er
worben hatte, und empfand das Unrecht, daß es die
rechtmäßige Erbin mit Verletzung seines Eides, ohne
--- Ursache, einem meineidigen Prinzen, in dessen Adern
kein Tropfen des Geblütesalter hungarischer Regenten
fließe, aufgeopfert hatte. Daher geschahe es, daß,
da der Erzbischof nach feinem Formular die Frage
that, ob dem Volke der König gefalle? dieses ver
fummete, und nur einige der Verschwornen antwor
teten. Der König hielt dieses sichtbare Kennzeichen
der veränderten Gesinnung nicht für bedeutend: denn
er war zuficher, undverließ sich zu sehr auf seine Par
they unter den Vornehmern. Die verwitwete Köni
gin schläferte ihn ein, undführte sehr bald einen küh
13 Jan. 336 nen Anschlag aus, den der Pfalzgraf Nicolaus von
Gara ihrangab. Sie fandte nämlich am neun und
dreyßigsten Tage seiner RegierungdesAbendszu ihm,
und bat sichfeine Gegenwart aus, um mit ihm und
feinen Räthen über einen Briefzu reden, den sie von
dem
––

Hungarische Geschichte. 681


dem Markgrafen Sigmund erhalten habe. DerKö
nig erschien, und bald nachher trat der Pfalzgrafnebst
dem Oberschenken Blasius Forgacz in das Zimmer,
um sich Erlaubnißzum Verreisen aufeine Hochzeitzu
erbitten. Die Königinverwickelte denKönig mit dem
Pfalzgrafen in ein freundschaftliches Geschwätz, und
unterhielt dieses so lange, daß die italienischen Räthe
ermüdeten und sich aus dem Zimmer schlichen. Dar
aufgab der PfalzgrafdasZeichen, und Forgacz hieb
mit einem verborgen gehaltenen Schwerdteden König
von hintenzu in das Haupt, daß er niederstürzte.
s
Die verwitwete Königin war nicht hart genug, und
s
sankzugleich vor Schrecken in eine schwere Ohnmacht.
j
Des Königs Wunde war schwer, denn der Hieb war
bis durch ein Auge herabgefahren, aber Karl behielt
dennochKräfte genug um aufder Erde fort bis in fein
Zimmer zu kriechen, und starb erst nach einigen Ta
gen, vielleicht mehr von dem Ungemache eines feuch
ten Kerkers, in welchen man ihn legte, und dem
Gifte, welches man in den Verband brachte, als von
der Wunde g). Seine Mörder vollführten ihre Un
s
terneh
g) Diefe Erzählungist aus denglaubwürdigsten undzum
s Theilgleichzeitigen Schriftstellern genommen. Maria
s fand es nöthig sie in einer Urkunde (1386. 31 May,
Hr. Pray deprioratu Auranaep.24) abzuändern und
zu fagen, der K. Karl fey in ihrer Mutter Zimmer
gekommen und würde sie erdroffelt haben, wenn For
gacz ihr nicht zu Hülfe geeilet, und den König
durch viele Dolchstiche gezwungen hätte, den Strick
fahren zu laffen. Von diesen Stichen fey der König
nach einigen Tagen gestorben. Forgacz fey von ihm
fchwer verwundet, aber dennoch beydem Leben erhal
ten worden. In dieser Urkunde wird die Zeit feiner
Regierung auf39 Tage gefetzet. Einige geben den 31 -

December als den Krönungs- und den 13, auch 6Fe


bruar als den Todestag an. Chirurgische Gründe laf
fen
632 XXXIV.Buch. Aelteste
ternehmung durch die Niedermetzelung aller der un
glücklichen Hofleute und Leibwachen, die fich im
Schloffe befanden. Mit dem Anbruche des Tages
fiel man auch über die Soldaten,die inder Stadt wa
ren,her; und es würde wahrscheinlich kein Mann ent
ronnen feyn, wenn nicht Johann von Horvathy ein
Thor besetzet und die Kroaten gerettet hätte. Die
fer Mann und der Prior von Aurana verwüsteten nun
Kroatien und Dalmatien mit einem Heere, welches
fie dem Prinzen Ladislav, Karls Sohne, hatten schwö
ren laffen. Der Pfalzgrafund die Königinnen er
warteten den MarkgrafSigismund, um durch
deffen Heer die Empörer zu vertilgen. Aber dieser
Prinz hatte mit Geldmangelund Geschlechtszwistig
keiten zu kämpfen, und mußte mit den Leuten, die er
endlich zusammenbrachte, fast den ganzen Sommer
hindurch bey Raab stehen bleiben, bis daß er unter
Vermittelungdes Kaisers Wenzeslav feines Bruders
sich mit feinen Vettern Jodocus und Procopius über
gewiffe verpfändete hungarische Güter zwischen der
Wag und Donau und viele andere Dinge verglichen
Sigismund
wird König. hatte. Endlich gelang es ihm im folgenden Jahre
31. März 1387. nach Ofen durchzudringen, und durch Hülfe der vene
tianischen Gesandten die hungarische Krone als Kö
nigzu erhalten. - -

An dieser Feyerlichkeit konnte seine Gemahlin kei


nen Theil nehmen; denn diese befand sich damals in
Dalmatien als eine Gefangene. Die Feindseligkei
ten, welche die Rebellen in Dalmatienverübten,wa
ren nämlich so gefährlich geworden, daß es nöthig
war aufdas geschwindelte alle Mittel zu ihrer Däm
pfungzu gebrauchen. Daher begaben sich die Köni
ginnen, der Pfalzgraf und alle getreue hungarische
- Magna
fen vermuthen, daß der letzte der 16 Jenner gewe
fen ist.
Hungarische Geschichte. 683
-
Magnaten nach Jadera: denn diese Stadt bot den Die '
Königinnen eine vollkommene Sicherheit an, und es’“
war gewiß, daß die Gegenwart der Königinnen die
Dalmatier und Kroatier, so wie es vor ein Paar
Jahren geschehen war,zu der ämfigsten Bemühung
die Rebellen zu vertilgen ermuntern würde. Der
Pfalzgrafführtedie KöniginnennachfeinerStadt Gara,
und war zu unvorsichtig in Absicht des Weges. Da
her gerieth er plötzlich in einen Hinterhalt der Ver
schwornen. Diese griffen die königliche Begleitung
wütend an, und Forgaczward durch den ersten Schuß -,
getödtet. Der Pfalzgraf lehnte sich an den Wagen - \
der Königinnen, und konnte nicht ermordet werden,
weil er die unzählbaren Pfeile, die ihn trafen, zum
„Theil mit dem Schwerdte auffieng, zum Theil aber
aus den Wunden zog und dennoch feine Kräfte be
hielt. Endlich rißihn einKroate, der unter denWa
gen gekommen war, nieder, und sogleich ward er
übermannet, und aufHorvathys Befehlvor den Au
gen der Königinnen enthauptet. Die Königinnen
mußten sich nach der Seefestung Novigrad bringen
kaffen und wurden enge eingeschloffen. Allein ihr dal
matischkroatischer Generalkapitain Ladislav von Lo
soncz rettete ihr Leben durch die Bekanntmachung ei
ner allgemeinen Verzeihung, welche einen so großen
Eindruck aufdie Anhänger der Verschwornen machte,
das Horvathy verlaffen ward, und sich mit feiner zu
schwachen Rotte nach Rafien und an die Temes be-9. Febr. 1387.
gab. Inzwischen starb die verwitwete Königin im
Gefängniffe, wie es scheint vom Gram h), und der
Prior
-

h) Luciusp.409. Hr. Kerflich notit.praelim.p.382.


Einige Chroniken haben das erste Gerüchte, welches
nach Hungarn kam, als wahr aufgezeichnet, daß näm
lich die verwitwete Königin gleich bey der Gefangenneh
mung erfäuftfey.

684 XXXIV. Buch. Aelteste c.
Prior und Bischoffuhren einige Wochen nachher nach
Neapel, und legten der Witwe desKönigs Karls die
Häupter des Palatins und Forgacz zu den Füßen.
Die gefangene regierende Königin Maria war gleich
falls zu einem Schlachtopfer der italienischen Rachbe
gierde bestimmet, aber die Venetianer ließen Schiffe
in dem adriatischen Meere kreuzen, um sie aufzufan
gen und zu befreien. Dieses setzte die neapolitanische
Monarchin in die heftigste Wut, und fiebestand mit
Ungestüm aufihre Ueberlieferung, um ihren Schmerz
über den Tod eines Gemahls, den sie bis zum Unsinn
geliebthatte, durch die heftigste Pein und die Ermor
dungder unschuldigen Marialindernzu können.

Ende der ersten Abtheilung des funfzehnten


Bandes,
Tr

is
T
-
- -
-
-
-
-
-
-
-
- --

-
-
-

-
-
- --

-
-

-
- -

-- --
–-
-

-
-
-

-
-

-
--
-
-

- -
-
-
-
-
-
-
-
-
-
---
-
-
-
-
----
-
-
-
-
-
-
-

You might also like