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Prof. Dr.

Uwe Wagschal
Seminar für Wissenschaftliche Politik
Universität Freiburg
Sommersemester 2018
Vorlesung 2
Das politische System Deutschlands im Vergleich
„Demokratie – Autokratie - Demokratiemessung“
• Dienstag 12-14 Uhr
• KG I, HS 1010
Übersicht

1. Einführung

2. Demokratische Legitimität

3. Theoretische Grundlagen der Demokratiemessung

4. Indizes der Demokratiemessung

5. Policy-Wirkungen von Demokratien/Autokratien

6. Das direktdemokratische Paradoxon der


empirischen Demokratiemessung
Leitfragen

1. Wie werden politische Systeme legitimiert?

2. Wie lassen sich Demokratien und Autokratien (ver-)messen,


d.h. für einen Vergleich handhabbar machen?

3. Wie lassen sich institutionelle und politische Unterschiede


innerhalb eines Systems messen?

4. Hat das politische System einen Einfluss auf politische


Entscheidungen?

5. Sind Demokratien „leistungsstärker“ als Autokratien?

6. Defizite der empirischen Messung


2. Demokratische Legitimität

• Habermas 1976: „Legitimität bedeutet, dass der mit


einer politischen Ordnung verbundene Anspruch als
richtig und gerecht anerkannt zu werden gute
Argumente für sich hat (…). Legitimität bedeutet die
Anerkennungswürdigkeit einer politischen Ordnung.“

• Fritz Scharpf (2004: 3): Legitimität ist die funktionale


Voraussetzung der Möglichkeit von zugleich
effizienter und liberaler Herrschaft
Unterstützung im politischen System nach
Easton (1979)

„How do any and all political


systems manage to persist in a
world of both stability and
change?“ (Easton 1979: 17)

“Specific support”:
(Konkrete) Zufriedenheit mit den
wahrgenommenen Outputs und
der Leistung der politischen
Entscheidungsträger

Quelle: Easton, David (1965): A Systems Analysis of Political Life, S.32.


“Diffuse support”:
“Reservoir” zustimmender
Einstellungen, die es den
Unterstützern leichter machen,
prinzipiell unerwünschte
Outcomes zu akzeptieren
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Verschiedene Legitimationsformen
• David Easton: Inputlegitimation (Unterstützung, „diffuser support“,
„spezifischer support“)
• Dolf Sternberger: Verfassungspatriotimus
• Throughput-Legitimation (Vivian Schmidt): „Throughput’ legitimacy
concentrates on what goes on inside the ‘black box’ […], in the space
between the performance-oriented legitimacy of policy output and the
participation-oriented legitimacy of political input.
• Niklas Luhmann: Legitimation durch Verfahren
• Outputlegitimation (Fritz Scharpf): Der Kerngedanke dieses Ansatzes
ist, dass ein politisches System umso mehr Legitimität besitzt, je mehr
die Bürger von dessen Leistungen profitieren und ihm entsprechend ihre
Unterstützung zusichern.
„No one pretends that democracy is perfect or all
wise. Indeed, it has been said that democracy is the
worst form of Government except all those other
forms that have been tried from time to time.”

Sir Winston Churchill (11.11.1947)


Demokratie als Systematisierungsobjekt

• Demokratie versus Autokratie und Totalitäre Systeme


(Systemaspekt)
• Direkte, Räte- und Repräsentative Demokratie
(Legitimationsaspekt)
• Parlamentarische versus präsidentielle Demokratie
(Strukturaspekt)
• Konsens- versus Mehrheitsdemokratie (Prozessaspekt)
• Demokratien mit Einschränkungen („Attributs“ bzw.
Bindestrich-Demokratien)
• Input- und Outputperspektive (Funktionalaspekt)
Autoritäre und Totalitäre Systeme I

• Nach Juan Linz gibt es drei Kriterien zur Unterscheidung von


Herrschaftsformen:
1) der Grad der politischen Mobilisierung der Massen
2) die Herrschaftslegitimierung
3) der Grad des politischen Pluralismus

• Bindestrich-Demokratien = verminderte Subtypen (diminished


subtypes) Diese verletzen Definitionskriterien der Demokratien
(= Grauzone zwischen Demokratien und Autoritarismen)

• Ausgehend von einem „root concept“ für vollwertige Demokratien


sollen „Defekte“ demokratischer Systeme identifiziert werden (z.B.
Exklusive D., Enklavend., Illiberale D., Delegatvie D.)
Autoritäre und Totalitäre Systeme II

• Totalitarismus-Modell nach Friedrich/Brzezinski:

1. eine umfassende, allgemeinverbindliche Ideologie mit Wahrheitsanspruch

2. eine einzige, hierarchisch organisierte Massenpartei

3. ein Terrorsystem

4. Monopol der Massenkommunikationsmittel beim Staat

5. Monopol der Anwendung der Kampfwaffen beim Staat

6. eine zentrale, bürokratisch koordinierte Überwachung und Lenkung der


Wirtschaft

• Alternativ: Arendt; Kielmansegg

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3. Theoretische Grundlagen

Die theoretischen Grundlagen


der Demokratiemessung
Dahl als „Gründungsvater“ der modernen
empirischen Demokratieforschung

Preface to democratic
theory (1956)

Polyarchy – Participation
and Opposition (1971)

Democracy and its critics


(1989)

On Democracy (1998)
Acht Grundvoraussetzungen für eine
Demokratie nach Dahl
1. Organisationsfreiheit
2. Recht auf freie Meinungsäußerung
3. Aktives Wahlrecht
4. Passives Wahlrecht
5. Das Recht für Politiker, um
Unterstützung/Wählerstimmen zu werben
6. Informationsfreiheit
7. Freie und faire Wahlen
8. Institutionen, welche die Regierungspolitik an die
Wahlen und andere Ausdrucksweisen der
Präferenzen der Bürger knüpfen
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Institutionen als Vorbedingungen von
Demokratie (nach Dahl)
Demokratische Kriterien

Institutionen der Stimmen- Effektive Aufgeklärtes Agenda-Kontrolle Inklusion


Polyarchie gleichheit Partizipation Verständnis

Gewählte Offizielle X X X X X

Freie und faire Wahlen X X X X X

Inklusives Wahlrecht X X X X X

Recht zu kandidieren X X X

Redefreiheit X X X X

Alternative Informationen X X

Versammlungsfreiheit X

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Wettbewerb und Partizipation: die zwei
fundamentalen Dimensionen der Demokratie

Quelle: Dahl, Robert (1971): Polyarchy: participation and opposition, S.30.

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Elemente der Demokratie

1. Freiheit (bürgerliche & politische Freiheitsrechte)

2. Gleichheit

3. Rechtsstaat

4. Freie und faire Wahlen

5. Keine anderen Machtzentren, außerhalb der


demokratisch Legitimierten

6. Die 15-Felder-Matrix der Demokratie: Möglichkeiten


der Indexbildung nach Lauth
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Dimensionen Freiheit Gleichheit Kontrolle

Institutionen

Entscheidungs- • Freie Wahlen und • Gleiche • Kontrolle durch


verfahren Plebiszite Partizipationschancen Wahlkommission

• Stimmengleichheit

Intermediäre • Organisationsfreiheit • Gleiche Organisations- • Kontrolle durch Verbände,


Vermittlung und Handlungsrechte Parteien, Zivilgesellschaft

Kommunikation / • Kommunikationsfreiheiten • Gleiche • Kontrolle durch Medien


Öffentlichkeit Beteiligungschancen (unabhängiger
Journalismus)

Rechtsgarantie • Freier Zugang zur Justiz • Gleiche Rechte • Effektive Rechtsprechung

• Gleiche Behandlung durch • Verfassungsgericht


Justiz

Regelsetzung und • Effective government • Gleiche Behandlung durch • Gewaltenteilung


Regelanwendung • (Parlament, rationale Parlament und Verwaltung • (Parlamentarische

Bürokratie ) Opposition, zweite


Kammer, Rechnungshof)
Typen politischer Systeme

Kriterium Autokratie Demokratie

Macht Totalitäre Autoritäre Defekte Stabile


Autokratie Autokratie Demokratie Demokratie

Legitimation Ideologie Mentalität Souveränität des Souveränität


Volkes des Volkes
Zugang Geschlossen Restriktiv Offen Offen

Anspruch Unbegrenzt Weit Limitiert Limitiert

Monopol Führer/Partei Führer/Oligarch Gewählte Gewählte


Autoritäten (evtl. Autoritäten
eingeschränkt
durch
Vetomächte)
Struktur Monistisch Semipluralistisch Pluralistisch Pluralistisch

Einstellung Arbiträr/repressiv/ Arbiträr repressiv Defekter Rechtsstaat


terroristisch Rechtsstaat

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an: Merkel, Wolfgang (2013): Vergleich politischer Systeme: Demokratien und Autokratien, S.227.
4. Indizes der Demokratiemessung

Indizes der Demokratiemessung


Kriterien zur Messung der Demokratie
Die generellen wissenschaftlichen Gütekriterien
•Validität
•Reliabilität
•Objektivität
•Repräsentativität
In Anlehnung an die Evaluation von Demokratiemessungen entsprechend
eines dreistufigen „concept-tree“ beurteilt (Munck/Verkuilen):
•Konzeptualisierung
•Eher sparsame Definition
•Passgenaue Operationalisierung
• Messung
•Validität, Reliabilität sowie Replizierbarkeit
• Aggregation
•Probleme der Gewichtung sowie Replizierbarkeit
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Wie lässt sich Demokratie messen? –
Verschiedene Ansätze
Urheber
Vanhanen-Index Tatu Vanhanen
Polity IV Marshall, Jaggers und Gurr
Freedom House Index FH gegr. von Wendell Willkie,
Eleanor Roosevelt, seit 1973 FHI
Democracy and Dictatorship DD, Alvarez, Cheibub u.a.
Kombinierter Demokratieindex Lauth und Kauff (2012)
Sustainable Governance Indicators (SGI) Bertelsmann-Stiftung

Bertelsmann Transformation Index (BTI) Bertelsmann-Stiftung

Index of Democracy The Economist Intelligence Unit

The Democracy Ranking of the Quality of Campbell und Pölzlbauer


Democracy
Demokratiebarometer Bühlmann, Bochsler, Merkel

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Zur Konstruktion des Freedom House Index

• Der Rating-Prozess basiert auf einer Checkliste von


zehn Fragen zu politischen Rechten sowie 15 Fragen
zu Bürgerrechten
• Civil Liberty Index (Range von 1-7)
• Political Rights Index (Range von 1-7)
• Was bedeutet ein Rating von 7/7?
“Countries and territories with a rating of 7 have few or
no political rights because of severe government
oppression, sometimes in combination with civil war.
They may also lack an authoritative and functioning
central government and suffer from extreme violence
or warlord rule that dominates political power.”
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Zur Konstruktion des Freedom House Index

• Der höchste Wert, der in der Political-Rights-


Checkliste erzielt werden kann, beträgt 40 (bzw. vier
Punkte für jede der Fragen).
• Der höchste Wert, der Civil-Liberties-Checkliste
erreicht werden kann, beträgt 60 (bzw. vier Punkte für
jede der Fragen).
• Jeder Staat wird klassifiziert in: “Free”, “Partly Free”,
oder “Not Free”.
• „Free“ Werte zwischen 1 und 2,5, „partly free“ (3 bis
5) und „not free“ (5,5 bis 7).

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FH Entwicklung über die Zeit
Bertelsmann Transformationsindex 2018
BTI – Atlas (Ukraine (blau) im Vergleich mit
Polen (rot) 2012

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Demokratie (D) Autokratie (A)
1. Die Wettbewerbsintensität politischer Partizipation
a. freier Wettbewerb 3 0

Polity IV b. Transitionsstufe
c. fragmentiert
2
1
0
0

Jaggers/Gurr d. beschränkt
e. unterdrückt
0
0
1
2

2. Die Regulierung politischer Beteiligung


a. unreguliert 0 0
b. fragmentiert/transitional 0 0
c. fragmentiert/beschränkt 0 1
d. beschränkt 0 2
e. institutionalisiert 0 0

3. Der Wettbewerbsgrad der Rekrutierung der Amtsinhaber


a. Wahl (unreguliert) 2 0
b. Transitionsstufe 1 0
c. Erbfolge, autoritäre Selektion 0 2

4. Die Offenheit des Rekrutierungsprozesses von Amtsinhabern


a. Wahl 1 0
b. Dualismus: Erbrecht/Wahl 1 0
c. Dualismus: Erbe 0 1
d. geschlossenes System 0 1

5. Das Ausmaß an Begrenzung der Exekutive


a. Teilung der Exekutivmacht 4 0

b. Übergangskategorie 1 3 0
c. umfangreiche Begrenzungen 2 0

d. Übergangskategorie 2 1 0
e. leichte bis mittelstarke Begrenzungen 0 1

f. Übergangskategorie 3 0 2
g. Unbegrenzte Exekutivmacht 0 3

MAXSumme 10 10
Demokratisierungsindex nach Vanhanen

Formel für Partizipation:


Z Formel für den
Demokratisierungsindex:
P = -------- x 100
B
(Z = Zahl der aktiven Wähler) (P x W)
(B = Gesamtbevölkerung) D = ---------------
100
Formel für Wettbewerb:

W = (100 – S)

(S = Stimmenanteil der stärksten P = Wert der Partizipation


Partei bei der letzten Wahl zur W = Wert des Wettbewerbs
nationalen Volksvertretung)
5. Policy-Wirkungen von
Demokratien/Autokratien

Policy-Wirkungen von
Demokratien/Autokratien
Funktionen von Indizes

Indikatoren lassen sich für nutzen für…

- Evaluationen

- Benchmarking

- „Best-Practice“-Studien

- (Betriebswirtschaftliche) Investitionsentscheidungen

- Empirische Forschung (hypothesentestend)

- Politische Zwecke („blaming and shaming“)

Seminar für Wissenschaftliche Politik - Prof. Dr. Uwe Wagschal - VL Das politische System Deutschlands
Entwicklungshilfe und Demokratie
(BTI Statusindex 2006)
Nicaragua
Sambia
20 Kamerun
Entwicklungshilfe pro Kopf in EURO (nach BMZ)

15

Serbien Montenegro

Mongolei

10
Jordanien

Albanien
Georgien
5 Bosnien-Herzegowina

Côte d'Ivoire
Botsuana
Chile
Kongo Dem. Rep. Costa Rica
Uruguay
Somalia Myanmar
0
Mauritius

1 2 3 4 5 6 7 8 9
Status Index für Demokratie und Marktwirtschaft

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Entwicklungshilfe und Demokratie
(BTI Management-Index 2006)
Nicaragua
Sambia
20 Kamerun
Entwicklungshilfe pro Kopf in Euro (nach BMZ)

15

Serbien Montenegro

Mongolei
10
Jordanien

Albanien
Georgien
5 Bosnien-Herzegowina Bolivien

Côte d'Ivoire
Botsuana
Eritrea
Chile
Somalia
0 Mauritius
Turkmenistan

1 2 3 4 5 6 7 8
Management Index
Der „demokratische Vorteil“

HALPERIN, Morton et al. (2010): The Democracy


Advantage. How Democracy Promotes Prosperity and
Peace:
• Machtteilung erschwert Machtmissbrauch
• Offene Entscheidungsprozesse
• Möglichkeit der Korrektur falscher Entscheidungen
• Politischer Wettbewerb stimuliert Lernfähigkeit und
Anpassung.
• Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit sind
Frühwarnsysteme für Krisen
Empirische Befunde I

Deutliche Vorzüge von Demokratien:


• Hohe sozialpolitische Ausgaben und hohe
Sozialversicherungsleistungen (ILO 2010 S.258ff,
SCHMIDT 2005, S.233ff)
• Höherer Lebensstandard für ältere Menschen
(HOCKERTS 1998, S.19)
• Bessere Gesundheitssysteme (MCGUIRE 2010)
• Demokratischer Frieden (e.g. LEVY 1988, S.662; RAY
2003, S.44ff)
• Geringere ökonomische Ungleichheit (MERKEL &
KRÜCK 2003)
Empirische Befunde II

Manfred G. SCHMIDT (2013): Staatstätigkeit in Autokratien


und Demokratien
• Höhere HDI-Werte
•Geringere
Geschlechterungleichheit
• Geringere Armut
• Höhere
Forschungsausgaben
• Höhere
Gesundheitsausgaben
• Geringere
Militärausgaben
• Höhere Ausgaben für
soziale Sicherheit
Empirische Befunde III

Stefan WURSTER (2011): Sustainability and Regime


Type (1/2)
H1: Im Vergleich mit Autokratien sind demokratisch
verfasste Staaten durch eine höhere Performanz
in allen Zieldimensionen nachhaltiger
Entwicklung gekennzeichnet, da sie (1) höhere
insitutionelle Stabilität, (2) stärkere
Regierungskontrolle, (3) Fehlerkorrektur, (4)
Lernfähigkeit sowie (5) stärkeren politischen
Wettbewerb aufweisen.
H2: Innerhalb jedes Regimetyps können weitere
systematische Leistungsunterschiede
ausgemacht werden.
Empirische Befunde IV

Stefan WURSTER (2011): Sustainability and Regime


Type (2/2)
H2a: Parlamentarische Systeme schneiden besser
ab als präsidentielle Systeme, da sie eine
höhere Reformfähigkeit und zugleich eine
geringere Dichte von Vetospielern aufweisen.
H2b: Monarchien schneiden besser ab als andere
autokratische Regierungssysteme, da in ihnen
Machtwechsel i.d.R. reguliert wird.
Empirische Befunde V

Multivariate
Regression
mit 126
Staaten
Empirische Befunde VI

Zu H1:
Im Vergleich mit Autokratien sind demokratisch verfasste Staaten durch
eine höhere Performanz in allen Zieldimensionen nachhaltiger Entwicklung
gekennzeichnet.
 Demokratien sind leistungsfähiger hinsichtlich sozialer und
umweltexogener Nachhaltigkeit, aber nicht hinischtlich wirtschaftlicher
Nachhaltigkeit, da sie insbesondere im Bereich der
Haushaltskonsolidierung schwächer abschneiden.
Zu H2:
Innerhalb jedes Regimetyps können weitere systematische
Leistungsunterschiede ausgemacht werden.
Parlamentarische Demokratien weisen eine geringfügig bessere
Leistungsfähigkeit als präsidentielle Demokratien auf.
 Monarchien schneiden deutlich besser ab als militärische Diktaturen
6. Das direktdemokratische Paradoxon in
der empirischen Demokratieforschung

Das direktdemokratische

Paradoxon in der empirischen

Demokratieforschung
Direkte Demokratie in der
empirischen Demokratiemessung

1. Inwieweit wird direkte Demokratie in der


empirischen Demokratiemessung bisher
berücksichtigt?

2. Wie sollte direkte Demokratie


berücksichtigt werden?

3. Welche Probleme ergeben sich bei der


Messung?
Index und Autoren Berücksichtigung der Direktdemokratie im Index Position der Schweiz
(Platz, Jahr)
Vanhanen-Index In der Version ab 2003 wurde die Häufigkeit von 5 von 187 (2010)
nach Vanhanen Volksabstimmungen additiv berücksichtigt
Polity IV Polity Score Keine systematische Berücksichtigung, sondern (in 1 von 162 (zusammen
nach Marshall, Jaggers neueren Fassungen) lediglich in Form von Wahl des mit 33 weiteren Staaten
und Gurr Regierungschefs und als Spezialfall für 2010)
Konsensarrangements
Freedom House Index Keine Berücksichtigung, starker Fokus bei den 1 von 195 (zusammen
unter Führung von David politischen Freiheitsrechten auf Wahlen und Parteien mit 47 weiteren Staaten
Kramer 2011)
Democracy and Keine Berücksichtigung in Konzeption und Messung Demokratie wie 117
Dictatorship (DD) weitere von 192
nach Alvarez, Cheibub Staaten im Jahr 2008
u.a.
SGI- Sustainable Keine Berücksichtigung in Konzeption und Messung Status Index: 6 von 31
Governance Indicators OECD-Staaten (2011)
Bertelsmann Stiftung
Index of Democracy Keine Berücksichtigung in Konzeption und Messung 7 von 167 (2011)
nach Laza Kekic, The
Economist Intelligence
Unit
Demokratiebarometer Berücksichtigung von Direktdemokratie als ein 9 von 30 (2007)
nach Bühlmann, Teilindikator von 100, deutlich untergewichtet
Bochsler, Merkel gegenüber Wahlindikatoren, keine konzeptionelle
Berücksichtigung
Ergebnisse

• Die am häufigsten verwendeten


Demokratieindizes (Freedom House,
Polity IV) sind auf „direktdemokratischem
Auge“ blind
• Vanhanen (2003) vergibt max. 70 Punkte
für repräsentative Demokratie und max.
30 Punkte für direkte Demokratie.
Aufteilung jedoch arbiträr
• Neuere Indizes berücksichtigen direkte
Demokratie gar nicht oder nur sehr
rudimentär
Beispiel Demokratiebarometer

• Direkte Demokratie als einer von 100 Indikatoren

• Der Indikator „Einstellung zum Schwarzfahren“ weist


höheres relatives Gewicht auf als die Existenz eines
fakultativen oder obligatorischen Referendums

• Die Autoren betonen, dass sich ein Großteil der


Schweizerinnen und Schweizer nicht an Politik
beteiligen, berücksichtigen dabei aber Abstimmungen
nicht. De facto gibt es daher wohl eher größere
Beteiligung in der Schweiz.
Direktdemokratisches Paradoxon

• Massiver Ausbau der


Beteiligungsmöglichkeiten („rules in form“) und
der Häufigkeit der Beteiligung („rules in use“)

• Aber überwiegend wird ein Rückgang der


Demokratiequalität v.a. in etablierten
Demokratien diagnostiziert (CROUCH 2008:
„Postdemokratie“)
Wie sollte direkte Demokratie
berücksichtigt werden?

• ABROMEIT (2004) kritisiert zu Recht Dahl: Das größte


Defizit der empirischen Demokratieforschung liege
demnach in der „Verknüpfung der Demokratie mit einer
ganz bestimmten Institutionalisierungsform und in der
Orientierung an einem konkreten Realmodell“

• Abromeit fordert eine konzeptionelle Unterscheidung der


Beteiligung nach Umfang Relevanz, Effektivität u.a.

• Abromeit bietet jedoch keine Indexkonstruktion an


Wie sollte direkte Demokratie
berücksichtigt werden?

• Grundlegende Skepsis bei FUCHS (2004): „Die


Messung von Demokratie muss sich zwangsläufig auf
deskriptive Merkmale in der Realität beziehen, und
das Konstrukt von Demokratie besteht vor allem aus
einer präskriptiven (normativen) Definition.“
• Kritik an Abromeit: keine Spezifikation im Sinne des
‚leaves of the concept tree’ von MUNCK und VERKUILEN
(2002) und abstrakte Demokratiedefinition
Hängt die Qualität der Demokratie
von direkter Demokratie ab?

• Fallauswahl: neue osteuropäische Demokratien mit


annähernd ähnlichen Startbedingungen 1990/91

• Korrelationsanalyse (tentativ)

• Messung der Qualität der Demokratie über addierten


Freedom House Index (FHI) (2-14) und Bertelsmann
Transformation Index (BTI) (1-10)

• Messung der direkten Demokratie über IRI-Index und


ergänzten IRI-Index (Nachkodierung fehlender Werte)
Direktdemokratische Entscheidungen
und Demokratiequalität in MOE
IRI-Index Ergänzter IRI-Index Häufigkeit Direktdemokra-
(hohe Werte = (hohe Werte = direktdemokra- tisches Parti-
schwach ausgebaute schwach tischer Entscheide zipationsangebot
Direkte Demokratie) ausgebaute Direkte (1989-2008) („rules in form“)a
Demokratie) („rules in use“)
FHI (2006) 0,667 0,194 -0,187 -0,047
n 11 21 21 21
FHI (2007) 0,524 0,170 -0,193 -0,036
n 11 21 21 21
FHI (2008) 0,563 0,185 -0,210 -0,058
n 11 21 21 21
BTI (2003) -0,564 -0,250 0,195 0,319
n 11 18 18 18
BTI (2006) -0,489 -0,172 0,047 0,136
n 11 18 18 18
BTI (2008) -0,472 -0,165 0,108 0,113
n 11 20 20 20

Anmerkungen: Spearman-Rangkorrelationskoeffizienten; a = Summe der direktdemokratischen


Partizipationsmöglichkeiten (Obligatorisches Referendum, Plebiszit, Fakultatives Referendum, Alternativ-
Vorschlag beim FR sowie Volksinitiative).
Ergebnisse

• Bei geringer Fallzahl zwar mittelstarke Korrelation in


vermutete Richtung, aber bei größerer Fallzahl nur noch
schwacher Zusammenhang
• Weißrussland und Kosovo haben z.B. formal breites
direktdemokratisches Instrumentarium
• Auch mit „rules in use“ nur schwache Korrelation
• Insgesamt kann die These, dass eine höhere Zahl an
direktdemokratischen Abstimmungen mit einer höheren
Qualität der Demokratie einhergeht, nicht bestätigt werden
Welche Probleme ergeben sich?

• Validität fast aller Demokratieindizes ist massiv


eingeschränkt, da sie weder konzeptionell noch in
der Messung Volksabstimmungen erfassen
• Auch die einzige Ausnahme, der Vanhanen-Index,
birgt Probleme
 Direktdemokratisches Paradoxon:
Rückgang der Demokratie wird konstatiert, obwohl
sowohl Beteiligungsmöglichkeiten als auch Nutzung in
letzten Jahrzehnten gestiegen sind
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

ENDE
Kontaktdaten
Prof. Dr. Uwe Wagschal
Seminar für Wissenschaftliche Politik
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Werthmannstr. 12
79085 Freiburg

Tel: 0761 – 203 9365 (Sekretariat)


Fax: 0761 – 203 9373
uwe.wagschal@politik.uni-freiburg.de
http://portal.uni-freiburg.de/politik/seminar/mitarbeiter/wagschal

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