You are on page 1of 2

Markt

„Den ersten neuen Weizen


hab ich schon verkauft!“
W ir haben doch alle gedacht, dass
es mit den Weizenpreisen immer
weiter nach oben geht. Deshalb
habe ich mir im Frühjahr 2008 auch nicht
die damals sehr guten Getreide- und
Rapspreise abgesichert. Stattdessen liegt
auch heute noch eine größere Menge
unverkaufter Weizen bei mir im Lager.
Denn nach der Ernte sind die Preise ja
immer weiter gefallen, so dass mir das
Warten zunächst noch sinnvoll erschien.
Die letzten beiden turbulenten Jahre
waren mir eine Lehre. Jetzt weiß ich:
Die Agrarmärkte sind keine Einbahn-
straße mit immer weiter stei-

Mein
Vermarktungs- Landwirt Heiko Heiko Jessen (l.), Mitarbeiter Matthias
Tagebuch Jessen berichtet,
wie er attraktive
Marks (m.) und Max-Uwe Hansen

Weizenpreise Erst die Kosten


absichert, ohne lernt, die meine künftige Getreidever-
selbst an der marktung ändern werden: optimiert, dann
Börse aktiv zu ■ Stark schwankende Preise sind nichts
sein. grundsätzlich Schlechtes. Vielmehr bieten die Vermarktung
sich in diesen volatilen Märkten das ganze
Jahr über gute Verkaufsgelegenheiten –
Heiko man muss sie durch die Vermarktung von
Teilmengen aber auch nutzen. D ie Landwirte Heiko Jessen aus
Galmsbüll und Max-Uwe Hansen
Jessen ■ Als spezialisierter Marktfruchtbetrieb aus dem Gotteskoog, Schleswig Hol-
muss man gute Verkaufsgelegenheiten stein, bewirtschaften reine Ackerbau-
das ganze Jahr über nutzen – also auch betriebe. Die Betriebsspiegel:
genden Preisen. Ich brauche künftig eine vor der Ernte – statt mit der Vermark- ■ Betrieb Jessen: 180 ha Ackerbau
klare Vermarktungsstrategie, um auch bei tung bis zum Mähdrusch zu warten. (50 % Pachtanteil), davon 150 ha Win-
starken Preisschwankungen nicht in ei- Vor allem der zweite Punkt ist für terweizen, 30 ha Rapsvermehrung.
nen „Verkaufszwang“ zu geraten. Nichts mich als spezialisierter Weizenanbauer ■ Betrieb Hansen: 203 ha Ackerbau
wäre schlimmer, als z. B. ausgerechnet am wichtig. Mein Vermarktungsrisiko ist (100 % Pachtanteil) mit Winterweizen,
Tiefpunkt der Preise große Teile der Ern- durch die Konzentration auf nur eine Ge- Wintergerste, Winterraps.
te verkaufen zu müssen, weil die Pacht treideart bereits erhöht. Umso wichtiger Vor allem Landwirt Jessen als reinen
bezahlt werden muss. ist daher, dass ich tatsächlich jederzeit auf Ackerbaubetrieb mit der Konzentration
steigende Preise reagieren und Teilmen- auf Weizen und Raps treffen Tiefpreis-
Ich muss das Preisrisiko gen meiner eingelagerten oder auf dem
Halm stehenden Ernte verkaufen kann.
aufs Jahr verteilen! So kann ich mich vor allem vor Preisaus-
Weil mir und meinem Nachbarn Max- schlägen nach unten schützen. Halm“ vorab verkaufen, den Rest dann
Uwe Hansen (siehe Kasten) diese Pla- Nach der Theorie kommt jetzt die Pra- nach der Ernte aus dem Lager heraus.
nung so wichtig ist, haben wir einen ex- xis: Für meinen Betrieb habe ich mir eine Bei einem vorsichtig geschätzten Durch-
ternen Berater engagiert, der sich mit klare Vermarktungsstrategie für das ge- schnittsertrag von 9 t/ha ernte ich auf mei-
neuen Vermarktungskonzepten und Ter- samte Jahr 2009 zurechtgelegt. Und so nen 150 ha rund 1 350 t Weizen. Rund 450 t
mingeschäften auskennt. sieht dieser Plan aus: (ein Drittel) will ich bis zur Ernte ver-
Nach den ersten Gesprächen mit dem ■ Rund ein Drittel meiner für 2009 er- marktet haben, wenn der Preis stimmt.
Experten habe ich bereits zwei Dinge ge- warteten Ernte werde ich „auf dem ■ Beim Vorabverkauf setze ich auf den

160 top agrar 3/2009


Attraktive Preise lassen sich durch ganz- Anfang Dezember 2008 sein Jahrestief
jährige Vermarktung absichern – erreicht hatte, ging es mit den Notierun-
auch weit vor der Ernte. gen fast kontinuierlich nach oben. Mitte
Januar kostete der November-Kontrakt
erstmals seit letztem Herbst wieder mehr
als 160 E/t. Damit war für mich ein inter-
essantes Preisniveau erreicht: Für meinen
B-Weizen konnte ich über den Weizen-
flex einen Preis von mindestens 150 E/t
netto festmachen (Matif minus 10 E/t).

100 Tonnen vom neuen


Weizen sind bereits verkauft
Was die weitere Marktentwicklung bis
zum Frühjahr angeht, bin ich allerdings
nicht ganz so optimistisch. Spätestens im
März rechne ich mit Kursrückschlägen,
sollten sich die Auswinterungsschäden im
Schwarzmeerraum als nicht ganz so gra-
vierend herausstellen, wie bisher befürch-
tet wird. Daher habe ich die ersten 100 t

Foto: Höner
Weizen per VR-Weizenflex (2 Kontrakte)
verkauft, als die Kurserholung beim Ma-
tif-Weizen Ende Januar ins Stocken kam.
Der Auftrag dafür war mit einem Anruf
beim Außendienst meiner Genossen-
marktungsmöglichkeit zu bieten (siehe schaft erledigt. So sieht meine Rechnung
phasen beim Weizen besonders hart, top agrar 2/2009, Seite 129). Vertragsge- nach dem Kontraktverkauf aus:
auch wenn er sich mit der Windmüllerei genstand ist ein deutscher B-Weizen mit ■ Verkaufskurs an der Matif: 162 E/t
ein zweites wirtschaftliches Standbein mindestens 12 % Protein. Abrechnungs- ■ Preisabschlag 10 E/t (Basis)
aufgebaut hat. preis ist der Matif-Preis am Tag des Kon- ■ Nettopreis ab Hof: 152 E/t.
Als ersten Schritt zur Kostensenkung traktverkaufs minus eines vertraglich fest- Wäre der Matif-Kurs zum Monatsen-
gründeten die beiden Landwirte 2005 gelegten Betrags. Dieser Preisabstand – de weiter Richtung 170 E/t gelaufen, hätte
zusammen eine Agrar-Maschinen GbR. Börsenexperten sprechen von der Basis ich den Verkauf der ersten Tranche auch
Die Idee: Eine höhere Auslastung des – beträgt beim VR-Weizenflex einheitlich weiter hinauszögern können. Dazu hätte
eigenen Maschinenparks. Inzwischen für alle Lieferanten 10 E/t. ich einfach meine gedankliche Grenze
bieten die beiden auch Lohnarbeiten („die 150 E/t müssen stehen“) – weiter
wie Aussaat, Pflege und Ernte an. nach oben ziehen müssen.
Beim Weizenverkauf stehen Jessen
Preise im Internet verfolgen Nach diesem ersten Erfolg plane ich
und Hansen zwar in einer relativ kom- Besonders letzteres macht die Preisab- bereits weiter: Bei künftigen Vorabver-
fortablen Verhandlungsposition: Neben leitung für mich einfach. Ich kann „mei- käufen will ich auch Kostenüberlegungen
dem genossenschaftlichen Agrarhandel nen“ Weizenpreis täglich im Internet (z. B. mit einbeziehen. Denn ob ein an der Ma-
gibt es an der Küste mit dem Landhan- www.liffe-commodities.com) verfolgen, da tif abgesicherter Weizenpreis auch kos-
del ATR und der Getreide AG zwei sich mein Nettopreis ab Hof ja aus „Matif tendeckend ist, kann ich bei stark schwan-
starke Vermarktungspartner. Schwäche- minus 10 E/t“ ergibt. Klar: Letztlich muss kenden Preisen für Diesel oder Dünge-
re Partien sind vor Ort für die Mischfut- ich aber die Entscheidung allein treffen, mittel erst dann berechnen, wenn ich
terproduktion gefragt. Stimmen die Pro- wann ich mich von meinem Weizen tren- die Betriebsmittel tatsächlich eingekauft
teinwerte, geht der Weizen als Brotware ne. Um die Preise beurteilen zu können, habe. Da ich die Feldarbeiten – von der
nach Dänemark oder über Hamburg in gehört daher eine intensive Marktbeob- Aussaat über die Pflege bis zur Ernte –
den Export. Um aber über das gesamte achtung einfach dazu. Um immer auf dem vollständig über die mit meinem Nach-
Jahr und auch schon vor der Ernte Wei- Laufenden zu sein, schaue ich regelmäßig barn gegründete Agrar Maschinen GbR
zen vermarkten zu können, setzen die in Fachzeitschriften und im Internet nach erledigen lasse, kann ich die Maschinen-
beiden Landwirte auf ein ausgeklügel- neuen Entwicklungen auf den Bezugs- kosten mit Marktpreisen ansetzen.
tes Vermarktungssystem und börsenge- und Absatzmärkten. Zusätzlich bekomme Tagebuch aufgezeichnet von
stützte Vorkontrakte. -us- ich täglich zwei Markttelegramme mit ak- top agrar-Autor Dr. Uwe Steffin
tuellen Betriebsmittelpreisen.
Die Börse ist für mich zwar kein abso-
lutes Neuland. Der Vorteil meines Weizen- Wann Landwirt Hansen seinen ersten
„VR-Weizenflex“, einen Vorkontrakt, den Basiskontraktes ist aber, dass ich kein eige- Weizen der Ernte 2009 verkauft,
meine Genossenschaft vor Ort anbietet. nes Börsenkonto eröffnen muss. Dadurch welche Überlegungen er dabei als
Mit diesem börsengestützten Prämienkon- muss ich auch keinen Nachschuss zahlen, reiner Pachtbetrieb anstellt und ob
trakt ist die VR Bank eG Agrarhandel im sollte der Börsenkurs nach dem Kontrakt- Landwirt Jessen schon im Februar
schleswig-holsteinischen Süderlügum seit verkauf weiter steigen. weitere Verkaufsgelegenheiten genutzt
2007 auf dem Markt, um ihren Kunden aus Die Terminpreise für Weizen haben hat, lesen Sie in der April-Ausgabe
der Landwirtschaft angesichts immer tur- sich in den letzten Monaten recht erfreu- von top agrar.
bulenterer Agrarmärkte eine flexible Ver- lich entwickelt. Seit der Matif-Weizen

top agrar 3/2009 161

You might also like