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Miszellen 131

Onesimus erro
1 Zur Vorgeschichte des Philemonbriefes* 1
von Peter Arzt-Grabner
(Universitätsplatz 1, A-5020 Salzburg)

Die beiden Briefpartner haben offensichtlich gewusst, welche Geschichte Philemon


und sein Sklave Onesimus hinter sich hatten, als letzterer mit Paulus zusammengetroffen war
und schließlich mit dem als »Philemonbrief« bekannten Schreiben zu seinem Herrn geschickt
wurde. Für Paulus und Philemon war es deshalb unnötig, die Details im Brief genau darzu-
stellen – zum Leidwesen der Bibelwissenschaft, die sich deshalb von jeher mit einigen wenigen
Hinweisen begnügen muss, die entsprechend kontrovers gedeutet wurden und werden.1

*1 Für wesentliche Anregungen zu diesem Beitrag bin ich dem Salzburger Althistoriker
Herbert Graßl zu großem Dank verpflichtet.
1 Die neuere Literatur zur Frage nach der Ausgangssituation des Phlm hat J.A. Harrill,

Using the Roman Jurists to Interpret Philemon. A Response to Peter Lampe, ZNW 90
(1999) 135–138, hier: 135 Anm. 2, angegeben; siehe ferner J.M.G. Barclay, Colossians
and Philemon, Sheffield 1997, 98–102; D.E. Garland, Colossians and Philemon, Grand
Rapids 1998, 294–302; P. Lampe, Der Brief an Philemon, in: N. Walter/E. Reinmuth/
P. Lampe, Die Briefe an die Philipper, Thessalonicher und an Philemon (NTD 8/2), Göt-
tingen 181998, 203–232, hier: 205–207; M. Barth/H. Blanke, The Letter to Philemon,
Grand Rapids/Cambridge 2000, 128–150; R.A. Horsley, Paul and Slavery. A Critical
Alternative to Recent Readings, Semeia 83/84 (1998) 153–200, bes. 178–182; C.J. Martin,
»Somebody Done Hoodoo’d the Hoodoo Man«. Language, Power, Resistance, and the
Effective History of Pauline Texts in American Slavery, ebd., 203–233, bes. 217–218;
O. Patterson, Paul, Slavery and Freedom. Personal and Socio-Historical Reflections,
ebd., 263–279, bes. 266–271; A.C. Wire, Reading Our Heritage, ebd., 283–293, bes.
288–291; St.K. Stowers, Paul and Slavery, ebd., 295–311, bes. 302–303; S.R. Llewelyn,
The Government’s Pursuit of Runaway Slaves, in: ders., New Documents Illustrating
Early Christianity VIII, Macquarie University 1998, 9–46, bes. 40–46; St.E. Porter,
Is Critical Discourse Analysis Critical? An Evaluation Using Philemon as a Test Case,
in: ders./J.T. Reed (ed.), Discourse Analysis and the New Testament Approaches and
Results (JSNT.SS 170), Sheffield 1999, 47–70; B.W.R. Pearson, Assumptions in the Cri-
ticism and Translation of Philemon, in: St.E. Porter/R.S. Hess (ed.), Translating the
Bible. Problems and Prospects (JSNT.SS 173), Sheffield 1999, 253–280; J.A. Fitzmyer,
The Letter to Philemon (AncB 34C), New York u.a. 2000, 12–23; Ch. Frilingos, »For My
Child, Onesimus«. Paul and Domestic Power in Philemon, JBL 119 (2000) 91–104; S. Bie-
berstein, Disrupting the Normal Reality of Slavery. A Feminist Reading of the Letter to
Philemon, JSNT 79 (2000) 105–116, bes. 107–109.

ZNW 95. Bd., S. 131–143


© Walter de Gruyter 2004
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Der Stand der Forschung


Die traditionelle und Jahrhunderte lang vertretene These, beim Onesimus des Phlm
handle es sich um einen entflohenen Sklaven, ist erstmals durch John Knox in seinem Kom-
mentar zum Phlm (1935)2 ernsthaft in Frage gestellt worden. Bereits im ersten Kapitel seines
Buches stellt Knox die Erwägung an, ob Onesimus vielleicht von seinem Besitzer mit einer
Nachricht oder einem Geschenk für Paulus oder für einen der Mitgefangenen des Paulus ge-
schickt worden sei. Von einer Sklavenflucht des Onesimus zu sprechen, bezeichnet er als »ten-
tative theory«, für die es kein »explicit statement« gäbe. Onesimus sei nur »possibly a runa-
way«3. Die Argumentation von Knox wurde viele Jahre später von Sara C. Winter wieder
aufgegriffen, die sich nun ausdrücklich gegen eine Sklavenflucht des Onesimus aussprach:4
Onesimus sei – vielleicht von Archippus – im Auftrag der ganzen Gemeinde zu Paulus ge-
schickt worden. An eine Sendung des Onesimus durch Philemon selbst denkt z.B. Wolfgang
Schenk5.
Richtig an der von J. Knox angeregten Position ist sicher, dass es im ganzen Phlm
tatsächlich keinen einzigen eindeutigen Hinweis auf eine Sklavenflucht des Onesimus gibt.6
Damit ist aber die Sklavenflucht-Hypothese noch nicht endgültig widerlegt. John G. Nord-
ling sieht das Fehlen solcher Hinweise im pastoralen Anliegen des Paulus begründet, der es
tunlichst vermeide, Philemon zu erinnern »of the all too obvious fact of Onesimus’s past
flight«7. So könne doch z.B. Phlm 12 auf dem Hintergrund einer Flucht interpretiert werden,
nämlich in dem Sinne, dass Paulus den entflohenen Sklaven Onesimus zu seinem Herrn zu-
rückschickt.
Eine dritte These geht auf Heinz Bellen zurück und wird vor allem von Peter Lampe
vertreten: Demnach sei die Situation des Onesimus mit dem mehrfach von römischen Juris-
ten (iurisprudenti oder iurisconsulti) besprochenen Fall zu identifizieren, dass ein Sklave we-
gen eines Konflikts mit seinem Herrn einen möglichen Fürsprecher aufsucht; dieser vorüber-
gehende Ausbruch aus der unmittelbaren Kontrolle des Sklavenbesitzers wäre nicht als

2 J. Knox, Philemon among the Letters of Paul, Chicago 1935 (rev. ed. New York/Nash-
ville 1959).
3 Knox, Philemon (s. Anm. 2), 17–18.
4 S.C. Winter, Paul’s Letter to Philemon, NTS 33 (1987) 1–15; dies., Methodological Ob-
servations on a New Interpretation of Paul’s Letter to Philemon, USQR 39 (1984)
203–212. – Siehe dazu auch J.M.G. Barclay, Paul, Philemon and the Dilemma of Chris-
tian Slave-Ownership, NTS 37 (1991) 161–186, bes. 163–165. Kritisch z.B. H.-J. Venetz,
Stephanas, Fortunatus, Achaikus, Epaphroditus, Epaphras, Onesimus & Co. Die Frage
nach den Gemeindevertretern und Gemeindegesandten in den paulinischen Gemeinden,
in: A. Kessler u.a. (Hg.), Peregrina Curiositas. Eine Reise durch den orbis antiquus
(NTOA 27), Freiburg/Göttingen 1994, 13–28, bes. 21–22.27.
5 W. Schenk, Der Brief des Paulus an Philemon in der neueren Forschung (1945–1987),
ANRW II.25.4 (1987) 3439–3495, hier: 3460–3461; ähnlich C.S. Wansink, Chained in
Christ. The Experience and Rhetoric of Paul’s Imprisonments (JSNT.SS 130), Sheffield
1996, 179–188.
6 Allerdings ist anzumerken: Es gibt auch keinen einzigen eindeutigen Hinweis darauf,
dass Onesimus von der Gemeinde zu Paulus gesandt worden sein soll.
7 J.G. Nordling, Onesimus Fugitivus. A Defense of the Runaway Slave Hypothesis in Phi-
lemon, JSNT 41 (1991) 97–119, hier: 118 (s. auch S. 107.119).
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»Flucht« bewertet und bestraft worden.8 Eine ähnliche Ansicht vertritt Brian M. Rapske:
Onesimus habe den Apostel als amicus domini angesehen, von dessen Fürsprache er erhoffte,
dass die Beziehung zu Philemon wieder erneuert werde; Onesimus könne daher nicht als
flüchtiger Sklave gelten9.
Kritisch gegenüber diesem Ansatz haben sich zuletzt S.R. Llewelyn und J.A. Harrill ge-
äußert.10 Es sei höchst zweifelhaft, dass die Meinung römischer Rechtsgelehrter auf den kon-
kreten Fall, den Paulus im Phlm beschreibt, angewendet werden könne. Die von P. Lampe
beigebrachten Belege würden von »academic lawyers« stammen, »whose training and modes
of argument were not the same as those of advocates, the practicing attorneys in actual court
paid to use rhetoric to win their clients’ case«11. Darüber hinaus müsse die »synthetic and
prescriptive nature of the legal source material«, das großteils auf der Kompilation unter Jus-
tinian im 6. Jh. beruht, Anlass sein zu großer Vorsicht »against its uncritical use as social des-
cription in the exegesis of any Pauline letter«12. Insgesamt warnt Harrill davor, die Rahmen-
bedingungen antiker Sklaverei allein auf der Grundlage des römischen Rechts zu erklären,
und meint: »Rather, we need to relocate the issue of slavery in the letter from a predominately
legal question to one that stems from social, economic, and familial considerations.«13

Untersuchung der innerbrieflichen Hinweise auf die Vorgeschichte des Phlm


Streng genommen finden sich nur an drei Stellen des Briefes direkte Hinweise auf seine
Vorgeschichte: in Phlm 11 wird Onesimus im Verhältnis zu Philemon als ποτω σοι
ξρηστο« charakterisiert, nach V. 18 rechnet Paulus mit der Möglichkeit, dass der Sklave
seinem Herrn ein Unrecht zugefügt hat (ε δω τι δκησων σε) oder ihm etwas schuldet (
φελει), und in V. 15 stellt Paulus fest: ξρση πρ« ραν, was traditionell als »er
wurde für eine Zeit getrennt« übersetzt und als passivum divinum gedeutet wird.14 Im Fol-
genden sollen diesbezüglich die entscheidenden Textstellen auf ihren Aussagegehalt hin über-
prüft werden. Den Vergleichspunkt bilden literarische und dokumentarische Texte, die mehr
oder weniger dem zeitlichen, geographischen und sozialen Umfeld des Paulus angehören,15
von denen die meisten aber bisher für die Klärung der genannten Fragen nicht berücksichtigt
wurden.

8 Siehe H. Bellen, Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich (FASk 4), Wies-
baden 1971, 18.78; P. Lampe, Keine »Sklavenflucht« des Onesimus, ZNW 76 (1985)
135–137; ders., Philemon (s. Anm. 1), 206; siehe ferner J. Murphy-O’Connor, Paul. A
Critical Life, Oxford/New York 1996, 177; J.D.G. Dunn, The Epistles to the Colossians
and to Philemon, Grand Rapids/Carlisle 1996, 304; Frilingos, Child (s. Anm. 1), 91–92.
9 Vgl. B.M. Rapske, The Prisoner Paul in the Eyes of Onesimus, NTS 37 (1991) 187–203.
Zur Position von Lampe und Rapske siehe auch Wire, Reading (s. Anm. 1), 289.
10 Llewelyn, Pursuit (s. Anm. 1), 41–43; Harrill, Jurists (s. Anm. 1); vgl. auch Barclay, Co-
lossians (s. Anm. 1), 101–102.
11 Harrill, Jurists (s. Anm. 1), 136; vgl. Llewelyn, Pursuit (s. Anm. 1), 42.
12 Harrill, Jurists (s. Anm. 1), 136.
13 Harrill, Jurists (s. Anm. 1), 138.
14 Siehe dazu u. Anm. 34.
15 Zur Vergleichbarkeit dokumentarischer Papyri und Ostraka mit neutestamentlichen
Texten siehe P. Arzt-Grabner, Philemon (Papyrologische Kommentare zum NT 1), Göt-
tingen 2003, 49–56.
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Vor der Einzelunterschung mag zunächst ein Hinweis auf einen privaten Papyrusbrief
aus dem späten 1. Jh.n. Chr. hilfreich sein, der die Problematik der diesem Beitrag zugrunde
liegenden Fragestellung verdeutlichen kann:
Der Absender von SB XXII 15708 (mit BL 11,240)16, der sich zu Studienzwecken in
Alexandria aufhält, schreibt an seinen Vater über den Sklaven Heraklas, dessen Einkünfte zu
Lebensunterhalt und Studiengeldern des Sohnes beitragen sollten – Z. 40–44: ττε µν γρ
πρ« !µωρα« | ξρ"σιµο« ’ Ηρακλ»«, κακ« κακ$«, βολο&« π. [ε]ισ|ωφερεν, ν'ν δ (µα
τ) δε*ναι +π - Ισιδ/ροψ, . σ. [π]ε. ρ | 1ν 2ιον, 3φψγεν κα4 5ν*λεν, 6« δοκ$, πρ«
σω. 8ν | ε9 :σι µηδ; <ν κν"σοντ= σο ποτε πιβοψλε'σαι (»dann brachte der nütz-
liche Heraklas – ein ganz Böser – für einige Tage einige Obole zusätzlich ein; jetzt aber, als er
gerade von Isidoros gebunden werden sollte, wie es recht wäre, ist er geflohen und, wie ich an-
nehme, bei dir oben eingetroffen. Was ihn betrifft, sollst du genau wissen, dass er nicht zögern
würde, gegen dich zu beliebiger Zeit zu intrigieren«).
Das Verhältnis zwischen dem Sklaven Heraklas und seinem Herrn ist also in höchstem
Maße getrübt. Der Sklave hat die Konsequenz auf seine Weise gezogen und ist seinem Herrn
davongerannt, aber nicht irgendwohin, sondern er hat, wie sein Herr glaubt, inzwischen bei
dessen Vater Zuflucht gesucht. Der »nützliche« Heraklas könnte also einerseits durchaus zu
den Fällen passen, die Lampe und Rapske im Auge haben, andererseits spricht der Herr des
Sklaven selbst von Flucht (3φψγεν). Wie allerdings die Situation von den Beteiligten in recht-
licher Hinsicht beurteilt und eventuell abgehandelt wurde, ist unklar. Bei dem Schreiben han-
delt es sich genauso wenig um ein offizielles Dokument mit exakter Rechtsterminologie wie
beim Phlm. Beide sind als Briefe persönlichen Charakters zu sehen, in denen es weniger um
juristische Bestimmungen als vielmehr um Bewertungen und Zuschreibungsphänomene
geht. Im Phlm geht es um die persönlichen Beziehungen im Dreieck Philemon – Onesimus –
Paulus und darum, wie diese drei Personen ihre Beziehungen zueinander einschätzen. Über
Philemons Einschätzung sagt der Brief nur aus: Onesimus war für ihn einmal ein ξρηστο«.
Dass der Sklave seinem Herrn ein Unrecht angetan hat oder ihm etwas schuldet (V. 18), ist
eine Möglichkeit, mit der Paulus rechnet. Die deutlichste Aussage zur Ausgangssituation,

16 Siehe dazu W. Eck/J. Heinrichs, Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römi-
schen Kaiserzeit (TzF 61), Darmstadt 1993, Nr. 185; J.R. Rea, A Student’s Letter to His
Father. P.Oxy. XVIII 2190 Revised, ZPE 99 (1993) 75–88; E.G. Turner, Oxyrhynchus and
Rome, HSCP 79 (1975) 1–24, hier: 5–9; zur Interpretation vgl. auch P. Schubert, Philos-
trate et les sophistes d’Alexandrie, Mn. 48 (1995) 178–188, bes. 184–188. – Die Angabe
der Papyrusbelege richtet sich nach der Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic
and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, ed. J.F. Oates u.a. (BASPap.S 9), Atlanta 52001
(eine aktualisierte Fassung ist im Internet einsehbar: <http://odyssey.lib.duke.edu/papy-
rus/texts/clist.html>). BL = Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus
Ägypten. Bd. 1, hg. v. F. Preisigke, Berlin/Leipzig 1922; Bd. 2, in zwei Teilen hg. v. F. Bi-
label, Heidelberg 1929/1933; Bd. 3, hg. v. M. David/B.A. van Groningen/E. Kießling,
Leiden 1958; Bd. 4, hg. v. M. David/B.A. van Groningen/E. Kießling, Leiden 1964; Bd. 5,
hg. v. E. Boswinkel/M. David/B.A. van Groningen/E. Kießling, Leiden 1969; Bd. 6, hg. v.
E. Boswinkel/P.W. Pestman/H.-A. Rupprecht, Leiden 1976; Bd. 7, hg. v. E. Boswinkel/W.
Clarysse/P.W. Pestman/H.-A. Rupprecht, Leiden 1986; Bd. 8, hg. v. P.W. Pestman/H.-A.
Rupprecht, Leiden u.a. 1992; Bd. 9, hg. v. P.W. Pestman/H.-A. Rupprecht, Leiden/New
York/Köln 1995; Bd. 10, hg. v. P.W. Pestman/H.-A. Rupprecht, Leiden u.a. 1998; Bd. 11,
hg. v. H.-A. Rupprecht/A.M.F.W. Verhoogt, Leiden/Boston 2002.
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nämlich ξρση πρ« ραν in V. 15, ist eine Darstellung durch Paulus. Dies alles ist bei
der Untersuchung der folgenden Stellen aus Phlm zu berücksichtigen.

Phlm 11 – τν ποτω σοι ξρηστον

Die Charakterisierung des Onesimus als ξρηστο« hat nichts mit einem »nicht christ-
lichen« Zustand des Onesimus zu tun,17 sondern entspricht traditioneller Sklaventerminolo-
gie: hier ist ein Sklave, der seinem Herrn nützlich sein sollte (man beachte schon den typi-
schen Sklavennamen Onesimus) seiner eigentlichen Aufgabe nicht nachgekommen, sondern
hat sich als »unnütz«, als »Nichtsnutz« erwiesen.
Zu beachten ist besonders P.Oxy. VII 1070,50–52 (3. Jh. n. Chr.), wo eine Sklavin als
ξρηστο« bezeichnet wird. Im eben erwähnten Brief SB XXII 15708 (spätes 1. Jh. n. Chr.)
wird der Sklave Heraklas in ironischer Weise als ξ"ρσιµο« bezeichnet (Z. 41).18
Epictet berichtet über folgenden Fall (Diss. 1,19,19–22): Der Schuster Epaphroditos
verkauft einen Sklaven, da sich dieser als »unbrauchbar« erweist (δι τ ξρηστον ε>ναι);
der Sklave wird für den Kaiserhof gekauft, macht offenbar Karriere und wird sogar der
Schuster des Kaisers, was seinen früheren Herrn zu einiger Bewunderung veranlasst.
In der bisherigen Diskussion scheint zu wenig berücksichtigt worden zu sein, dass Pau-
lus ausdrücklich davon spricht, dass Onesimus »einmal« (ποτω) für Philemon ein Nichtsnutz
gewesen ist. Diese Einschätzung Philemons über seinen Sklaven ist also Paulus bekannt, spä-
testens Onesimus muss ihm darüber erzählt haben. Das bedeutet aber, dass diese negative
Meinung, die Philemon von seinem Sklaven hat, nicht womöglich von einer erstmalig erfolg-
ten Flucht des Onesimus herrühren kann.19 Denn in einem solchen Fall könnten weder One-

17 Auf Grundlage des in hellenistischer Zeit einsetzenden Itazismus, im Zuge dessen man
auch η als »i« ausgesprochen hat, wurde das Wortspiel ξρηστο« – εϊξρηστο« (gespro-
chen »achristos« bzw. »euchristos« wie ξριστο« bzw. εϊξριστο«) wiederholt im Sinne
von »unchristlich« – »gut christlich« gedeutet (so wörtlich H. Hübner, An Philemon –
An die Kolosser – An die Epheser [HNT 12], Tübingen 1997, 35; ausführlich z.B.
M. Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon [ÖTBK 12], Gütersloh/
Würzburg 1993, 263–264 [mit Hinweisen auf entsprechende Deutungen bei den Kirchen-
vätern]). Die Formen ξριστο« und εϊξριστο« sind aber keine gültigen Ableitungen
von Ξριστ« (man beachte hier Apg 11,26; 26,28; 1Petr 4,16); siehe dazu Arzt-Grabner,
Philemon (s. Anm. 15), 206–207.
18 Zur Sache insgesamt ist außerdem auf Beispiele mit dem Verb ξρAζ zu verweisen, bes.
BGU I 37,6–7 (= G.A. Deißmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die
neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen 41923, Nr. 8; B. Olsson,
Papyrusbriefe aus der frühesten Römerzeit, Uppsala 1925, Nr. 32; J.L. White, Light from
Ancient Letters, Philadelphia 1986, Nr. 89; 12. September 50 n. Chr.). Zu den genannten
und zu weiteren Texten siehe ausführlich Arzt-Grabner, Philemon (s. Anm. 15), 207–215;
ders., »… einst unbrauchbar, jetzt aber gut brauchbar« (Phlm 11). Das Problem der Skla-
verei bei Paulus, in: K. Füssel/F. Segbers (Hg.), »… so lernen die Bewohner des Erdkreises
Gerechtigkeit«. Arbeitsbuch zu Bibel und Ökonomie, Luzern/Salzburg 1995, 132–138.
19 So aber ausdrücklich P. Stuhlmacher, Der Brief an Philemon (EKK 18), Zürich u.a.
31989, 39: »ξρηστο« bezieht sich auf Onesimus unter dem Aspekt seiner Flucht und

der Zeit vor seiner Bekehrung«.


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simus noch Paulus bereits wissen, wie Philemon darüber konkret denkt. Dass dieser seinen
Sklaven als ξρηστο« einschätzt,20 muss also mit einem oder sogar mehreren bereits weiter
zurückliegenden Ereignissen zusammenhängen.

Phlm 18 – ε δω τι δκησων σε  φελει

Auch von V. 18 her wird deutlich, dass die Beziehung zwischen Philemon und seinem
Sklaven im Argen liegt. Dass Onesimus seinem Herrn ein Unrecht angetan hat oder diesem
etwas schuldet, ist nicht Spekulation, sondern ein Vorwurf, mit dem Paulus von Seiten Phile-
mons offenbar rechnen muss. Dass dies mit dem ξρηστο« in V. 11 zusammenhängt, ist
nahe liegend; die inhaltlichen Deutungsmöglichkeiten bleiben allerdings offen.21

Phlm 15 – ξρση πρ« ραν

Wie in Phlm 15 wird das Verb ξρζ auch in literarischen und dokumentarischen
Quellen im Zusammenhang mit Personen häufig in einer passiven Form verwendet, die dann
allerdings in aktiver Bedeutung (»weggehen, fortgehen«) aufzufassen ist. Dies gilt insbeson-
dere für zeitgenössische Belege:
LSJ, s.v. ξρζ IV, verweisen für die Bedeutung »depart, go away« auf Polybius
3,94,9; Diodorus Siculus 19,64; Heraclitus, Incred. 8; Ezechiel, - Ε2αγγ" 76. Zahlreiche
weitere Belege sind anzuführen, wobei sich folgende Konstruktionen unterscheiden lassen
(ich beschränke mich dabei auf Grund der zu wahrenden zeitlichen Nähe zu Paulus auf Au-
toren zwischen dem 2. Jh.v. Chr. und dem 1. Jh.n. Chr. und auf eindeutig passive Formen,
also Formen des passiven Aorists oder Futurs): pass. ξρζοµαι mit gen. in der Bedeutung
»weggehen, sich trennen von …« oder jemanden »verlassen«22, pass. ξρζοµαι mit 5π +
gen. ebenfalls in der Bedeutung »weggehen, sich trennen von …«23, pass. ξρζοµαι mit κ +

20 Phlm 11 könnte im Gesamtzusammenhang so verstanden werden, dass Paulus erst durch


den Brief Philemon zu einer neuen Ansicht über Onesimus bewegen möchte. Der ge-
samte Vers bringt in jedem Fall die Überzeugung des Paulus zum Ausdruck, dass Onesi-
mus nunmehr auch für Philemon ein εϊξρηστο« ist. Ob dies auch schon die Überzeu-
gung Philemons ist oder erst werden soll, ist von V. 11 her offen. Der Gesamtduktus des
Briefes legt aber die zweite Möglichkeit nahe.
21 Häufig wird angenommen, Onesimus habe zur Finanzierung seiner Flucht seinen Herrn
beraubt; aber auch schon eine Flucht an sich könnte für Philemon einen finanziellen
Schaden im Sinne des Verdienstentganges bedeutet haben (zur Diskussion siehe z.B.
Dunn, Epistles [s. Anm. 9], 302–307.338–339; Wolter, Brief [s. Anm. 17], 275). – Wie vor
allem zeitgenössische Petitionen zeigen, bringt das Verb 5δικ 2ε zum Ausdruck, dass
nach Meinung des Geschädigten jemand gegen ihn in rechtlich nicht gedeckter Weise
vorgegangen ist (siehe dazu ausführlich mit zahlreichen Beispielen Arzt-Grabner, Phile-
mon [s. Anm. 15], 234–236).
22 Aristophanes v. Byzanz, Argumenta fabularum, Frgm. 2; Polybius 5,111,2; 8,30,4;
31,24,12; Posidonius v. Apameia, Frgm. 242,1; Diodorus Siculus 17,76,5; 37,2,13.
23 Polybius 2,41,9; 3,110,7; 15,6,3; 18,48,5; 23,17,2; Diodorus Siculus 1,98,8; Aristodemus
v. Nyssa, Frgm. 1a,52 (= Parthenius, Narrationes amatoriae 8,8); Philo, Sacr. 4; Plutarch,
Brutus 28,7.
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gen. in der Bedeutung »weggehen, abreisen von/aus …«24, pass. ξρζοµαι mit ε « oder π
+ acc. in der Bedeutung »(weg)gehen nach/in …«25 und schließlich absolutes pass. ξρζο-
µαι, also ohne weiteres Objekt, in der Bedeutung »weggehen, abreisen« oder auch »auseinan-
der gehen«26.
Für alle in den Fußnoten genannten Beispiele ist eine passive Bedeutung (»getrennt
werden«) vom Zusammenhang her unmöglich, bei einigen Beispielen ist die aktive Bedeu-
tung der passiven Form darüber hinaus durch im unmittelbaren Kontext genannte Syno-
nyme eindeutig nachzuweisen: Polybius 5,2,8–9 berichtet vom Komplott des Apelles gegen
Philipp V. von Makedonien; der Plan sieht u.a. vor, dass Apelles »nach Chalkis reist« (ξρισ-
ε4« ε « Ξαλκδα), über die Ausführung heißt es gleich anschließend: 5π*ρεν ε « τFν
Ξαλκδα (»er ging weg/reiste ab nach Chalkis«). In Polybius 38,7,12 steht einem ξρση-
σαν ein σψµπορεGεσαι gegenüber: ξρσησαν, τα2=µενοι µετ τρτην !µωραν
π=λιν σψµπορεGεσαι (»sie gingen auseinander, nachdem sie vereinbart hatten, nach dem
dritten [d.h. am übernächsten] Tag wieder zusammenzukommen«). In Diodorus Siculus
19,64,1–2 wird ein τFν ε « Μακεδοναν π=νοδον ποι"σατο (»er [nämlich Cassander]
machte sich auf zur Rückkehr nach Makedonien«) unmittelbar anschließend aufgegriffen als
τοGτοψ δ ξρισωντο« (»als er abgereist war«; ganz ähnlich in 19,89,3 und 14,36,2–3).
Hierher gehört auch Apg 18,1, wo es über Paulus heißt: µετ τα'τα ξρισε4« κ τ$ν
Iην$ν 1λεν ε -ι« Κρινον (»er reiste aus Athen ab und kam nach Korinth«).27
An dokumentarischen Texten sind zu erwähnen: P.Ryl. II 125 (= Sel.Pap. II 278;
C.Pap.Hengstl 49; C.Pap.Jud. II 420b; 28–29 n. Chr.), eine Petition, deren Antragsteller
Orsenuphis einen gewissen Petesuchos des Diebstahls bezichtigt; dieser habe stattgefun-
den, nachdem er selbst »auf Grund von Belangen, die den Lebensunterhalt betreffen, in
die Fremde gegangen war« – Z. 10–11: µο' ξρισωντο« ε « 5πο|δηµαν βιτ. [ι]κ$ν
ξ=ριν. Ein weiteres Beispiel aus dieser Zeit ist P.Berl.Möller 11,11–12 (= SB IV 7348; 33/34
n. Chr.): Σαραπ»« κ L 5δελφ« σοψ | ε « [Κ]πτ. [ο]ν κεξ/ρισται (»Sarapas und
dein Bruder sind nach Koptos gefahren«).28 Mit Bezug auf eine Ehescheidung begegnet

24 Polybius 14,2,4; 18,36,4; 18,43,6; 39,6,1; Diodorus Siculus 18,14,4; 18,22,1; Parthenius,
Narrationes amatoriae 1,2.
25 Polybius 1,69,7; 5,2,8; 33,12,8; Diodorus Siculus 9,13,1; 13,94,4; 19,36,4; 19,78,2;
20,63,7; Dionysius v. Halikarnass, Ad Ammaeum 5; Josephus, Bell. 6,341.
26 Polybius 3,33,4; 3,53,6; 5,105,2; 7,5,8; 8,15,4; 8,16,12; 10,46,1; 15,9,1; 16,3,8; 18,7,7;
18,8,8; 18,9,3; 18,38,1; 18,39,6; 18,43,9; 20,10,13; 21,17,10; 22,14,6; 38,7,12; 38,11,7; Teu-
kros v. Babylon, De duodecim signis 7,196,15; Diodorus Siculus 10,20,3; 13,5,3; 13,18,6;
14,25,7; 14,36,3; 19,64,2; 19,89,3; 20,4,3; 28,11,1; 28,12,1; Josephus, Bell. 4,566; Plu-
tarch, Mor. 578B.
27 Auch Philo, Sacr. 47, kann hier als Beispiel angeführt werden, denn die Form ξρισ-
ωντε« wird ausdrücklich als »symbolische« Deutung für das vorhergehende aktive (!)
5ποστ=ντε« verwendet; mit Bezug auf Gen 30,36 heißt es dort: τ« µν ο9ν 5λγοψ«
αψτο'
- φορ=« M οN ψNο4 Λ=βαν »τρι$ν !µερ$ν 5ποστ=ντε« Lδν« τηµελο'σι,
σψµβολικ$« (παντα ξρισωντε« τν α $να το' σποψδαοψ (»seine [d.h. La-
bans] unvernünftigen Regungen also … hüten die Söhne Labans ›nachdem sie sich drei
Tagereisen entfernt haben‹, d.h. symbolisch: nachdem sie sich in alle Ewigkeit vom Tu-
gendhaften getrennt haben«).
28 Zahlreiche weitere Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon (s. Anm. 15), 104 (einschließlich
Anm. 219).
138 Miszellen

die stereotype Wendung ξρζεσαι 5π - 5λλ"λν (»sich voneinander trennen, schei-


den«).29
Eine nähere Überprüfung verdient Polybius 21,13,14: δι σψνωβη τν τε Σκιπνα
ξρισ*ναι τ$ν στρατοπωδν κα4 µεPναι κατ τFν ΕQρ/πην. W.R. Paton übersetzt
(LCL 160, S. 259): »The consequence was that he was separated from his army and stopped
behind in Europe«, der Kontext zeigt aber, dass auch bei diesem Beispiel eine aktive Bedeu-
tung für ξρισ*ναι anzusetzen ist, denn Scipio war – so wird unmittelbar vorher berich-
tet – auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung verpflichtet, dreißig Tage an dem Ort zu blei-
ben, wo er die Opfer zu vollziehen hatte; deshalb konnte er nicht zum Heer stoßen, er musste
ihm »fernbleiben«.30 Die pass. Form ξρισ*ναι ist hier also als Gegenteil von »näherkom-
men, hinkommen« zu verstehen. Bestätigt wird diese Deutung durch das anschließende µεP-
ναι κατ τFν ΕQρ/πην, das ohne Zweifel aktiv zu verstehen ist – »er blieb in Europa«.
Auf Personen bezogene Beispiele, in denen eine passive Bedeutung »getrennt werden«
o.ä. nahe liegend erscheint, sind von Phlm 15 und den oben angeführten Formulierungen
deutlich zu unterscheiden (obendrein ist selbst hier eine passivische Wiedergabe nicht zwin-
gend): passivisch aufzufassen ist wohl Polybius 10,17,6: nach der Einnahme der Stadt – ver-
mutlich Neu-Karthagos – befiehlt der römische Feldherr ξρισ*ναι πρ$τον µν το&«
πολιτικο&« νδρα« τε κα4 γψναPκα« κα4 τ τοGτν τωκνα, δεGτερον δ το&« ξει-
ροτωξνα« – »dass erstens die Bürger mit den Frauen und ihren Kindern ausgesondert wer-
den, und zweitens die Handwerker«. Die Formulierung könnte aber auch aktivisch gedeutet
werden: »dass erstens die Bürger … wegtreten/sich gesondert aufstellen …«. Bei Posidonius
v. Apameia, Frgm. 309a,146–147, geht es – im Rahmen einer Definition – um »abgrenzen,
unterscheiden«: der Mensch sei λογικν δω, Rνα ξρισS τ$ν 5λγνT κα4 νητν,
Rνα ξρισS τ$ν 5αν=τν λογικ$ν (»ein vernunftbegabtes [Lebewesen], damit er
von den nichtvernunftbegabten unterschieden wird, und ein sterbliches, damit er von den
unsterblichen vernunftbegabten unterschieden wird«; möglich wäre auch »… damit er sich
unterscheidet«). Dokumentarische Beispiele handeln von der Streichung einer Person aus
einer Liste.31
Der Befund ist deutlich: Alle mit ξρση in Phlm 15 vergleichbaren Belege in lite-
rarischen und dokumentarischen Quellen bieten für die passive Form die aktive Bedeutung
»weggehen, fortgehen«32 bzw. »sich trennen«. Für die eindeutig passive Bedeutung (»getrennt

29 Beispiele bei F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. I. Α–Κ Berlin


1925; II. Λ–, vollendet u. hg.v. E. Kießling, Berlin 1927; III. Besondere Wörterliste, be-
arb. u. hg.v. E. Kießling, Berlin 1931, s.v. ξρζ; J.H. Moulton/G. Milligan, The Vo-
cabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary
Sources, London 1929 (einbändige Ausgabe, 1914–1929 in einzelnen Teilen veröffent-
licht), s.v. ξρζ; ferner BGU IV 1102,9 (= C.Pap.Jud. II 144; 13 v. Chr.); 1103,6 (=
Sel.Pap. I 6 [Z. 2–30]; 13 v. Chr.); P.Mich. V 340,41 (45–46 n. Chr.); P.Stras. IX 807,7
(98–117 n. Chr.); SB XII 10924,16 (114 n. Chr.); P.Mil.Vogl. II 71,11 (= SB VI 9264;
161–180 n. Chr.); SB XVI 12334,2; P.Bodl. I 61(d),10 (beide 2. Jh.n. Chr.); P.Hamb. III
220,11 (223/224 n. Chr.) und spätere Beispiele. Vgl. dazu 1Kor 7,10.11.15.
30 H. Drexler übersetzt: »Deshalb also befand sich Scipio nicht beim Heer, sondern war
noch auf europäischem Boden« (Polybios, Geschichte II, Zürich/München 21979, 1016).
31 Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch (s. Anm. 29), s.v. ξρζ.
32 So auch die entsprechenden ntl. Beispiele: Apg 1,4; 18,1.2; auch Hebr 7,26 kann so ver-
standen werden: der Hohepriester »hat sich von den Sündern entfernt/abgesondert«.
Miszellen 139

werden«) können keine auf Personen bezogene Formulierungen beigebracht werden, sondern
ausschließlich Beispiele, die in Verbindung mit Sachwerten stehen (in dokumentarischen Pa-
pyri bes. κεξρισµωνη πρσοδο« – »abgesonderte Einnahme«)33. Nichts ist also näher lie-
gend, als auch in Phlm 15 die Form ξρση in aktiver Bedeutung aufzufassen und nicht –
wie traditionell – mit »er wurde getrennt«34 zu übersetzen: es geht um ein »Weggehen« des
Onesimus von Philemon.
Durch den Zusatz πρ« ραν wird der zeitliche Rahmen angegeben. Onesimus hat
seinen Herrn verlassen, aber nur für eine gewisse, für eine vergleichsweise kurze Zeit.
Dokumentarische Beispiele für πρ« ραν in dieser Bedeutung begegnen erst in Pa-
pyri aus nachpaulinischer Zeit (P.Kell. I 72,26–27 [Mitte 4. Jh. n. Chr.]; P.Wisc. II 75,4–6 [mit
BL 7,282; 4. Jh. n. Chr.]).35 Innerhalb der griechisch-römischen Literatur kann für diese Be-
deutung auf die Schlussfolgerung der 23. Fabel bei Babrius verwiesen werden sowie auf Cy-

33 Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch III (s. Anm. 29), s.v. ξρζ.
34 So in fast allen modernen Übersetzungen und Kommentaren; bezeichnend z.B. Stuhl-
macher, Brief (s. Anm. 19), 41: zum knappen Kommentartext »… von Philemon getrennt
worden« bringt Stuhlmacher die Anm. 98: »ξρση kann passivisch oder medial
übersetzt werden: ›er ist getrennt worden‹ oder ›hat sich entfernt‹. In der Parallele zu dem
technischen 5πωξV« paßt die passivische Wiedergabe besser« – dies wird aber durch
nichts begründet, man könnte ebensogut das Gegenteil behaupten. – Unter den zahlrei-
chen Kommentaren, die ich einsehen konnte, bieten nur zwei Autoren eine aktive Bedeu-
tung: M. Dibelius, An die Kolosser, Epheser, an Philemon (HNT 12), Tübingen 31953
(neu bearb. v. H. Greeven), 106: »Vielleicht ist er dir ja nur darum eine Zeitlang ent-
schwunden«, und W. Bieder, Der Philemonbrief, Zürich 1944, 41: »… Onesimus, der, wie
Paulus so mild und rücksichtsvoll, die Schuld zudeckend, sagt, sich entfernt hat …«. Vgl.
aber schon in der ersten deutschen Fassung von J.A. Bengels Gnomon Novi Testamenti,
die 1876 von C.F. Werner besorgt wurde: J.A. Bengel, Gnomon. Auslegung des Neuen
Testamentes in fortlaufenden Anmerkungen II, Stuttgart 81970 (11876), 509: »Vielleicht
aber ist er darum eine Zeitlang von dir kommen«. – Ein ähnliches Bild ergibt ein Blick in
Übersetzungen: während Martin Luthers Übersetzung von 1545 die aktive Bedeutung
bietet (»Vjeleicht aber ist er darumb eine zeitlang von dir komen«), findet sich in der re-
vidierten Fassung eine passivische Wiedergabe. Analoges gilt für die Zürcher Bibel von
1531 (»Vileicht aber ist er darumb ein zeyt lang entwichen«; auch hier formuliert die neue
Übersetzung von 1907–1931 passiv). An englischen Übersetzungen sind für eine passivi-
sche Wiedergabe immerhin zu erwähnen: King James Version (»For perhaps he therefore
departed for a season«), New King James Bible (»For perhaps he departed for a while«),
Today’s English Version (»It may be that Onesimus was away from you for a short time«),
Young’s Literal Translation of the Holy Bible (»for perhaps because of this he did depart
for an hour«). – Auf den oben erwähnten Eintrag bei LSJ verweist nur noch Nordling,
Onesimus (s. Anm. 7), 109 Anm. 2, er erwägt aber dann abschließend: »Possibly the
verb ξρση possessed a peculiar double sense which would have been useful to Paul
in writing Philemon: (1) ›he was parted‹ (euphemism); (2) ›he ran away‹ (technical).«
Gegen die Heranziehung der bei LSJ angeführten Belege durch Nordling hat sich – wie
sich nunmehr herausstellt, völlig zu Unrecht – Pearson, Assumptions (s. Anm. 1), 266,
geäußert.
35 Siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon (s. Anm. 15), 105.
140 Miszellen

ranides 1,21,79 (ed. Kaimakis)36. Paulus selbst verwendet die Wendung in diesem Sinne fer-
ner in 2Kor 7,8.37

Auswertung des Textvergleichs


Die Gemeindegesandten-Theorie scheidet vom Textvergleich her aus: sämtliche Ver-
gleichsbeispiele für passives ξρζοµαι sprechen von einem aktiven und selbständigen Weg-
gehen der entsprechenden Person. Abgesehen davon nimmt die Knox’sche Interpretation
das deutlich gestörte Verhältnis zwischen Philemon und Onesimus zu wenig oder gar nicht
ernst.38
Die fugitivus-These passt nicht zum Wortlaut von Phlm 15: Eine Flucht des Sklaven
wäre von dessen Intention her auf Dauer angelegt gewesen, um sich für immer dem Zugriff
seines Herrn zu entziehen. Man müsste unbedingt damit spekulieren, dass Phlm 15 im Sinne
eines persuasiven Euphemismus aufzufassen ist: statt deutlich von Flucht zu reden, spreche
Paulus hier nur von einem »Weggehen für kurze Zeit«, um Philemon milde zu stimmen. Auch
in diesem Fall könnte man aber nicht stichhaltig erklären, warum Onesimus mit einem
Freund seines Herrn zusammengetroffen sein soll, da entflohene Sklaven derartige Kontakte
tunlichst zu vermeiden suchten. Ferner kann eine eventuelle Flucht nicht mit der Charakte-
risierung des Onesimus als »einst unbrauchbar« zusammenhängen, womit das aber zusam-
menhängen könnte, kann die Theorie nicht erklären. Schließlich erweist sich auch der Um-
stand, dass Paulus selbst den Sklaven zurückschickt (V. 12 8ν 5νωπεµχ= σοι), aufgrund der
damaligen Gegebenheiten als Schwachpunkt für die fugitivus-These. Das Überstellen eines
entflohenen, mittlerweile aber aufgegriffenen39 Sklaven an seinen Besitzer war ein offizieller
Akt, der im Auftrag des Präfekten von öffentlichen Behörden durchgeführt wurde oder von

36 D. Kaimakis, Die Kyraniden (Beitr. zur Klass. Philologie 76), Meisenheim am Glan 1976.
37 In 1Thess 2,17 begegnet πρ« καιρν ρα«; unsicher ist Gal 2,5: οQδ πρ« ραν
könnte hier »auch nicht für kurze Zeit« oder »zu keinem Zeitpunkt« bedeuten, was hier
inhaltlich aber auf dasselbe hinausläuft.
38 Ähnlich Bieberstein, Reality (s. Anm. 1), 108–109. – Sprachlich baut die Gemeindege-
sandten-Theorie vor allem auf Phlm 10 auf: παρακαλ$ σε περ4 το' µο' τωκνοψ sei –
so die Vertreter dieser Theorie – mit »ich bitte dich um mein Kind« zu übersetzen. Die da-
für angeführten Textbeispiele handeln allerdings von Sachwerten oder ideellen Größen,
während sämtliche Beispiele, in denen es um Personen geht, eindeutig die Bedeutung
»bitten für jemanden« oder »jemanden betreffend« bieten und somit für die traditionelle
Übersetzung sprechen (siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon [s. Anm. 15], 101–102, und
ausführlich P. Arzt-Grabner, »Bitten für« oder »bitten um«? Zur Problematik des Text-
vergleichs am Beispiel von Phlm 10, Protokolle zur Bibel 13 [2004] [im Druck]).
39 Das Aufspüren und die Festnahme entflohener Sklavinnen oder Sklaven konnten in pri-
vatem Rahmen durchgeführt werden, oder man nahm dafür die Hilfe der öffentlichen
Behörden in Anspruch; siehe dazu J.A. Straus, L’esclavage dans l’Egypte romaine,
ANRW II.10.1 (1988) 841–911, bes. 894–896; I. Biez· uńska-Małowist, L’esclavage dans
l’Égypte gréco-romaine II (Archiwum Filologiczne 35), Wrocław u.a. 1977, 140–143;
dies., Les esclaves fugitifs dans l’Egypte gréco-romaine, in: Studi in onore di E. Volterra
VI, Milano 1971, 75–90; Bellen, Studien (s. Anm. 8); Llewelyn, Pursuit (s. Anm. 1), bes.
26–36. Zur sozialen Situation flüchtiger Sklaven siehe F. Kudlien, Zur sozialen Situation
des flüchtigen Sklaven in der Antike, Hermes 116 (1988) 232–252.
Miszellen 141

Privatpersonen im Auftrag des Sklavenhalters.40 Für die letztgenannte Möglichkeit enthält


der Phlm keinen einzigen Hinweis, was man aber erwarten könnte, wenn Paulus womöglich
zuvor von Philemon darum gebeten worden wäre.41 Die offizielle Überstellung eines flüchti-
gen Onesimus an seinen Herrn würde auch eine Gefangennahme des Sklaven voraussetzen,
was aber erst recht ausschließen würde, dass Paulus aus der Gefangenschaft den ebenfalls in-
haftierten Onesimus offiziell zu dessen Herrn hätte schicken können. Es muss sich hier um ein
Zurückschicken handeln, zu dem auch Paulus als Untersuchungshäftling in der Lage war.42
Als unbedingte Voraussetzung dafür ist anzusetzen, dass Onesimus nicht – zumindest nicht
offiziell – als flüchtiger Sklave gesucht wurde und nicht in Haft war.
Mit der von Bellen und Lampe vertretenen These, Onesimus sei nicht als fugitivus zu se-
hen, sondern habe bei Paulus Zuflucht gesucht, ist der Befund in guten Einklang zu bringen –
wenn auch mit Einschränkungen. Ob Onesimus wirklich aktiv und von vornherein bestrebt
war, Paulus zu treffen, um bei ihm Zuflucht, Rat oder Unterstützung zu finden, bleibt man-
gels deutlicher Hinweise unsicher. Möglich wäre auch, dass er von einem Mitglied der ört-
lichen christlichen Gemeinde mitgenommen wurde, um Paulus im Gefängnis zu besuchen,
und sich alles Weitere erst daraus ergeben hat. In jedem Fall aber wird Onesimus durch die
paulinische Wortwahl auf dem Hintergrund literarischer und dokumentarischer Vergleichs-
texte nicht als fugitivus, sondern als Herumtreiber (griech. Xωµβο«, lat. erro) charakterisiert.
Die Diktion, Onesimus hätte sich für eine Zeit vom Hause des Philemon entfernt (V. 15),
stimmt nämlich genau damit überein, wie Ulpian den Herumtreiber (erro) definiert: er sieht
ihn nicht als Flüchtigen im eigentlichen Sinn, sondern als einen, der sich häufig ohne Grund
herumtreibt und, nachdem er die Zeit mit Trivialitäten vertan hat, mit Verspätung wieder
nach Hause zurückkehrt: sed proprie erronem sic definimus: qui non quidem fugit, sed frequen-
ter sine causa vagatur et temporibus in res nugatorias consumptis serius domum redit (Dig.
21,1,17,14).43 An anderer Stelle räumt Ulpian allerdings ein, dass auch der erro als fugitivus
anzusehen sei (Dig. 11,4,1,5), was aber kein Widerspruch ist, denn für die Besitzerinnen und

40 Siehe dazu z.B. J.-U. Krause, Gefängnisse im Römischen Reich (Heidelberger althistori-
sche Beiträge und epigraphische Studien 23), Stuttgart 1996, 150.
41 Ein derartiger Fall ist z.B. durch SB VI 9532 (= C.Ptol.Sklav. 82; 67/66 oder 38/37 oder
16/15 v. Chr.) belegt. Siehe dazu und zu Haft- bzw. Überstellungsbefehlen Arzt-Grabner,
Philemon (s. Anm. 15), 106–108.
42 Dokumentarische Beispiele für ein auf Personen bezogenes 5ναπωµπ außerhalb von
Haft- oder Überstellungsbefehlen sind: P.Col. III 29 (256 v. Chr.); SB V 8005,7 (2. Jh.
n. Chr.); P.Oxy. XVIII 2182,27–28 (BL 8,254: 19.4.165 n. Chr.); SB VI 9076,7 (254–268
n. Chr.); SB VI 9468,6 (266 n. Chr.); SB XII 11129,3–4 (3. Jh. n. Chr.); vgl. auch in dem
christlichen Brief SB VI 9605,12–18 (mit BL 6,156; Anf. 4. Jh. n. Chr.; Nachdruck
M. Naldini, Il Cristianesimo in Egitto. Lettere private nei papiri dei secoli II–IV [BPat
32], Firenze 1998). – Insgesamt sind derartige Beispiele relativ selten; zumeist bezieht sich
5ναπωµπ auf das Zurück-, Hin- oder Übersenden von Briefen, Urkunden, Waren
oder Geld; Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch (s. Anm. 29), s.v. 5ναπωµπ 3) und 4);
E. Kießling, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden IV, 5 Lieferungen, Berlin/
Wiesbaden 1944–1993, s.v. 5ναπωµπ 1) und 2); für das 1. Jh.n. Chr. siehe ferner
P.Mich. V 341,4 (47 n. Chr.); P.Oxy. XXII 2349,3 (70 n. Chr.); SB VI 9275,3 (1./2.
Jh.n. Chr.).
43 Ulpian schreibt dies gegen Labeo, der den erro zu vereinfacht definiert als pusillus fugiti-
vus (»kleinen Flüchtigen«) und umgekehrt den fugitivus als magnus erro (»großen He-
rumtreiber«; Dig. 21,1,17,14). Siehe dazu Harrill, Jurists (s. Anm. 1), 136.
142 Miszellen

Besitzer war es in jedem Fall von großem Interesse, ständig auf ihre Sklavinnen und Sklaven
zugreifen zu können bzw. ihrer – im Falle von Flucht oder Herumtreiberei – auf schnellst-
möglichem Wege wieder habhaft zu werden.44 Sklavenkaufverträge konnten die Versicherung
des Verkäufers beinhalten, die zum Verkauf anstehende Sklavin oder der Sklave seien »weder
Herumtreiber noch zur Flucht neigend« (µ"τε Xωµβον µ"τε δραπετικν45 bzw. fugitium
erronem non esse46).
Unterscheidet man also mit Ulpian den Herumtreiber vom Flüchtigen in dem Sinne,
dass sich der Flüchtige auf Dauer dem Zugriff seines Herrn entziehen will, während der
Herumtreiber dies nur für eine bestimmte Zeit beabsichtigt, um dann wieder von sich aus zu-
rückzukehren, so ist auch anzunehmen, dass der Herumtreiber mit größerer Nachsicht von
Seiten seines Herrn rechnen konnte als der wieder aufgegriffene Flüchtige.47 Vor allem in die-
ser Hinsicht dürfte eine Unterscheidung zwischen fugitivus und erro in der Praxis von ent-
scheidender Bedeutung gewesen sein.
Was Onesimus betrifft, so wird die vorgeschlagene Deutung, im Sklaven Philemons
einen Herumtreiber zu sehen,48 noch durch V. 11 gestützt. Dass die Charakterisierung des

44 Vgl. Krause, Gefängnisse (s. Anm. 40), 137. Siehe dazu z.B. P.Panop.Beatty 1,149–151
(298 n. Chr.). – Auch wenn Sklavinnen oder Sklaven flüchtig waren, wurden sie weiterhin
in den Zensusdeklarationen angegeben, dann freilich mit dem Zusatz ν δρασµ) (»auf
der Flucht«) – z.B. P.Lond. II 294 descr.,88–89 (117/118 n. Chr.; ed. P.J. Sijpesteijn, Mar-
riage Agreement with Property Division to Take Effect after Death and Other Docu-
ments, ZPE 111 [1996] 163–170, Taf. II; vgl. dazu auch B. Kramer, Urkundenreferat
1996, APF 43 [1997] 419–467, hier: 464–465); unklar ist, ob nur der Sklave Euporos auf
der Flucht ist oder außerdem die Sklavinnen Leukadia, Isarion und Eukaireia; damit in
Zusammenhang steht wohl auch die Frage, ob nun Euporos zum genannten Zeitpunkt
vier Jahre alt (so Sijpesteijn, a.a.O., 170) oder bereits vier Jahre auf der Flucht ist (so Kra-
mer, a.a.O., 465) – Z. 89: 3τει ν δρασµ) Θτ$νθ δ: ein vier Jahre alter Sklave wird
kaum alleine längere Zeit auf der Flucht gewesen sein.
45 So in den beiden aus Side in Pamphylien stammenden Sklavenkaufverträgen P.Turner
22,4.20–21 (= S.R. Llewelyn, New Documents Illustrating Early Christianity VI, with
the collaboration of R.A. Kearsley, Macquarie University 1992, 48–52; Eck/Heinrichs,
Sklaven [s. Anm. 16], Nr. 46; L. Migliardi Zingale, Vita privata e vita pubblica nei papiri
d’Egitto. Silloge di documenti greci e latini dal I al IV secolo d.C., Torino 1992, Nr. 28;
142 n. Chr.) und BGU III 887,5.16–17 (= Chrest. Mitt. 272; FIRA III 133; 151 n. Chr.).
46 So und ähnlich auf zwei aus Dacia Superior stammenden Sklavenkaufverträgen, die auf
Wachstafeln erhalten sind: CIL III p. 936–939 Nr. VI (139 n. Chr.; intr. Z. 7: fugitium er-
ronem non esse; extr. Z. 11–13: fugi|tivam erronem non | esse) und p. 940–943, Nr. VII (142
n. Chr.; intr. Z. 6: erronem fugitium caducum non esse; extr. Z. 10–11: erronem fugiti|vum
kaducum non esse).
47 Vgl. Bellen, Studien (s. Anm. 8), 18.
48 In etwa diese Möglichkeit hat auch schon R.P. Martin in Betracht gezogen, allerdings
ohne weitere Argumente aus dem Phlm selbst oder von außerbiblischen Vergleichstexten
beizubringen: »It may be that the slave had come on an errand to Paul and had over-
stayed his time« (R.P. Martin, Colossians and Philemon, London 1974, 145; vgl. auch
S. 167 im Zusammenhang mit Phlm 18: dieser Vers »may mean simply that his overdue
absence from Colossae [on Philemon’s business?] or as an escape meant that he owed his
master the value of the work he would have done if he had been at work«). – Im An-
schluss an R.P. Martins Kommentar auch C.J. Martin, The Rhetorical Function of Com-
Miszellen 143

Onesimus als τν ποτω σοι ξρηστον mit dem Anlass zusammenhängt, legt der Gesamt-
kontext nahe. Das bedeutet: Onesimus muss in der Vergangenheit schon zumindest ein wei-
teres Mal so negativ aufgefallen sein wie durch sein letztes »Weggehen« von Philemon. Dass
Philemon seinen Sklaven seither als »Nichtsnutz« ansieht, ihn vielleicht mehrmals ausdrück-
lich als ξρηστο« bezeichnet hat, das ist auch Paulus bekannt geworden, vielleicht hat ihm
Onesimus selbst davon erzählt. Onesimus kann somit in der Vorgeschichte des Phlm am ehes-
ten als notorischer Herumtreiber (erro) charakterisiert werden.

mercial Language in Paul’s Letter to Philemon (Verse 18), in: D.F. Watson (ed.), Persua-
sive Artistry. Studies in New Testament Rhetoric in Honor of George A. Kennedy
(JSNT.SS 50), Sheffield 1991, 321–337, hier: 336 (wörtlich übernommen in dies., Some-
body [s. Anm. 1], 218): »Was he simply overdue in his absence from Colossae on Phile-
mon’s business?« – Als möglichen Vergleichstext führt R.P. Martin P.Oxy. XIV 1643 an
(= Llewelyn, Documents [s. Anm. 1], 32–33; 298 n. Chr.), »whereby an athlete … ap-
points a friend to go to Alexandria in search of a fugitive slave« (B.P. Grenfell und A.S.
Hunt in P.Oxy. XIV S. 70). Dass es sich um einen entflohenen Sklaven handelt, wird zwar
nicht ausdrücklich erwähnt, die speziellen Anweisungen lassen daran jedoch kaum einen
Zweifel – Z. 9–13: [νπερ 5νεψρ\ν παραδ/σει«, | [2οψσα« σοι] οϊση« [σα κ5µο4
παρντι 32εστιν | [..........] α. σαι κα4 ε:ργιν κα4 µαστιγοPν κα4 να|[γγFν
ποιεPν ? ]φ; ]ν δωον στ ^ιν προ« ^ το&« +ποδε2α|[µωνοψ« αQτν] κα4 α τεPσαι
κδικεαν (»den du, wenn du ihn ausfindig gemacht hast, überstellen wirst, da du mit
derselben Macht ausgestattet bist, wie ich sie hätte, wenn ich anwesend wäre … gefangen
zu setzen und auszupeitschen und eine Eingabe zu machen bei denen, bei denen es sich
gehört, gegen die, die ihn aufgenommen haben, und Genugtuung zu verlangen«). Ähn-
lich P.Oxy. XII 1423 (4. Jh.n. Chr.), wo ausdrücklich von einem »entlaufenen« Sklaven
(Z. 6–7: δ. ρ. =σ. αντα) die Rede ist.

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