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Frontalunterricht

Der FU beherrscht mit einem Anteil von etwa 80 Prozent die


Unterrichtswirklichkeit. Ganz im Widerspruch zu dieser Vorherrschaft steht der
fragwürdige Ruf, den er bei Didaktikern genießt, und das schlechte Gewissen, mit
dem er von vielen Lehrern praktiziert wird.

Trägt diese Unterrichtsform tatsächlich zur Frontbildung zwischen Lehrern und


Schülern bei? Manipuliert und entmündigt sie die Schüler? Oder erklärt sich ihre
Dominanz aus einer letztlich unschlagbaren Effektivität?

Der FU ist gekennzeichnet durch das Gegenüber von Lehrerdominanz und


Schülerabhängigkeit. Im FU hält i.a. der Lehrer die Fäden in der Hand: Er
bestimmt Thema und Unterrichtsgeschehen.

Lernprozeß und Schülerverhalten unterliegen vollständig seiner Kontrolle. So


übernimmt er die wesentlichen Steuerungs-, Kontroll- und Bewertungsaufgaben.
Auch die Zuteilung etwaiger Interaktionschancen an die Schüler steht in seiner
alleinigen Vollmacht. Insofern ist der FU der methodische Grundpfeiler eines
lehrerzentrierten Unterrichts.

Der FU ist also überwiegend thematisch orientiert, sprachlich vermittelt, kognitiv


strukturiert und lehrgangsmäßig aufgebaut. Die Kommunikation zwischen Lehrer
und Schülern steht im Vordergrund, die Interaktion unter den Schülern wird nur
begrenzt zugelassen.

Der FU bietet Handlungsmuster, die besonders geeignet erscheinen, einen Sach-,


Sinn- oder Problemzusammenhang aus der Sicht und mit den Mitteln des Lehrers
darzustellen. Es ist deshalb dann am Platze, wenn es darum geht, eine allgemeine
Orientierungsgrundlage zu schaffen, in ein neues Wissensgebiet einzuführen,
Arbeitsergebnisse zu sichern oder den Leistungsstand zu überprüfen. Methodische
Mittel des FU sind vor allem darstellende (vortragende, vormachende,
vorführende) und entwickelnde (fragende, impulsgebende, besprechende)
Lehrformen (Apel).

Bevorzugte Handlungsmuster des FU sind deshalb:


1. Formen der Darbietung. Dazu gehören etwa der Lehrervortrag, auch das
Schülerreferat, ggf. mit Medienunterstützung, das Erzählen, das Erklären
von Phänomenen und Begriffen, das lehrende Zeigen.
2. Gelenktes Unterrichtsgespräch. Hier ist v.a. das fragend-entwickelnde
Unterrichtsgespräch zu nennen, das H.Meyer folgendermaßen beschreibt:
Der Lehrer setzt das Gesprächsziel fest und bemüht sich, die Schüler durch
geschickte Fragen und Impulse dahin zu bringen, das gewünschte Ergebnis
sozusagen ‚von selbst‘ zu finden. Der Lehrer folgt dabei den
Denkbewegungen der Schüler, die er unterstützt, behutsam koordiniert und
deren Ergebnisse er systematisiert. Er wird im Idealfall bei dieser
sokratischen Methode zum "Katalysator für die eigene Denkbewegung der
Schüler". Tatsächlich aber herrscht in den meisten Fällen eine direktere
Gesprächslenkung vor. Der Begriff "Lehrgespräch" wäre in diesen Fällen
angebrachter.
3. Geplantes Tafelbild

Kritische Bewertung:

Frontalunterricht ist scheinbar einfacher, in der Vorbereitung und in der


Durchführung. Die Zubereitung des Stoffes und die programmierte Vermittlung
bringen weniger Reibungsverluste mit sich. Der Lernprozeß verspricht
zielgerichteter und deshalb auch zeitsparender abzulaufen. Der Unterricht bewegt
sich (scheinbar) müheloser in ritualisierten Bahnen. Aber die bloße Tatsache, daß
man durch das Stoffpensum "durchkommt", heißt noch lange nicht, daß auch
effektiv gelernt wird. Während dem Lehrenden Sach- und Problemzusammenhang
klar vor Augen stehen, muß dies auch bei didaktisch klar strukturierter Darbietung
für die Schüler nicht in gleicher Weise verständlich sein. "Die Schülergruppe folgt
den Lehrerfragen und –signalen auf verschlungenen Pfaden zu avisierten
Lehrzielen, ohne über das Was und Wozu hinlängliche Informationen bekommen zu
haben oder den Weg im Gedächtnis behalten zu können" (Huwendiek). Auch sind
während der lehrerzentrierten Präsentation realistische Rückmeldungen über das
Ausmaß des Verstehens in der Lerngruppe kaum gegeben. Tatsächlich setzt der
erwartete annähernd gleichmäßige Lernfortschritt aller in derselben Zeit auch
annähernd vergleichbare Lernfähigkeiten, Lernbereitschaften und Vorkenntnisse
voraus (Apel). Dies aber ist Fiktion.

Häufig pervertiert das Unterrichtsgespräch zu einer Schnitzeljagd nach dem


Suchbegriff, zum Ausfüllen eines mündlichen "Lückentextes". Auch reduziert sich
u.U. das Unterrichtsthema auf die ausgesuchten Aspekte, die der Lehrer zur
Sprache bringen will.

Der Frontalunterricht erleichtert zwar die oberflächliche Disziplinierung der


Schüler. Die eigentliche Selbst-Disziplin wird auf diese Weise aber nicht
gefördert. Auch erzeugen Lehrerzentriertheit und "Verkopfung" auf die Dauer
Langeweile und Gleichgültigkeit gegenüber den vermittelten Inhalten.

Ausschließlicher oder überwiegender Frontalunterricht erzieht die Schüler zu


Passivität und Anpassung. Er hemmt die Selbsttätigkeit, läßt Schüler-Interaktion
kaum zu und begünstigt rezeptive Verhaltensweisen. Er ist "kaum geeignet, die
Selbständigkeit des Denkens, Fühlens und Handelns der Schüler" anzuregen.
Deshalb vermag er auch kaum soziale, methodische und moralische Kompetenzen zu
fördern.

Didaktische Konsequenzen:

Entscheidend für den Unterrichtserfolg ist es deshalb, eine sinnvolle Kombination


von offeneren und geschlosseneren Unterrichtsformen zu finden, die eine
fruchtbare Wechselbeziehung zwischen frontalen, individuellen und sozialen
Arbeitsformen eröffnen. Der FU kann dabei als Impulsgeber wirken, indem er
Problemlöseprozesse in Gang setzt, die dann in Einzel-, Partner oder Gruppenarbeit
vorangetrieben werden. Dies entspricht dem Konzept eines integrierten
Frontalunterrichts. Die frontale Konstellation beherrscht bei dieser Variante nur
zeitweise das Unterrichtsgeschehen und läßt zunehmend Raum für mögliche
Interaktionen unter den Schülern als auch für Rückfragen, Ergänzungen und Kritik
von seiten der Schüler an die Adresse des Lehrenden.

Frontalunterricht darf kein Privileg des Lehrers bleiben. Die Schüler müssen lernen
und Gelegenheit haben, selbst zu erproben, wie Unterricht "gemacht" wird. Dies
gilt gerade für Techniken des frontalen Unterrichtens, vom mediengestützten
Referat über die Demonstration eines Versuchs bis zur Leitung eines
Unterrichtsgesprächs.

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