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Unterrichtskonzepte Mathematik 11

Infinitesimalrechnung
Grundlage: Stierhof, Faulhaber, Analysis 1, Verlag Max Gehlen, Bad Homburg v.d. Höhe 19903

3. Konvergenz und Divergenz von Funktionen

3.1. Grenzwerte für den Fall, dass x ins Unendliche läuft


1
Wir kennen die Einheitshyperbel als Graph der Funktion f : x x ; Df = \ {0} .

Betrachten wir zunächst nur den Bereich rechts von der y -Achse , also x > 0 .
Der Verlauf des Graphen legt die Vermutung nahe, dass der Graph mit zunehmendem x
der x − Achse immer näher kommt, sich f (x ) also dem Wert 0 beliebig annähert.
Die Vermutung lässt sich in diesem Fall sehr leicht zur Gewissheit machen, denn ein Bruch
wird umso kleiner, je größer sein Nenner wird, und es gibt keine positive Schranke, die man
mit dem Term x1 nicht unterschreiten könnte, und sei sie noch so klein. Man sagt in diesem
Fall, f (x ) strebe gegen 0 , wenn x ins Unendliche läuft, oder kurz f (x ) → 0 für x → ∞
(sprich: f (x ) gegen null für x gegen Unendlich).
Betrachten wir den Bereich links von der y − Achse , also x < 0 , so nähert sich auch hier
f (x ) dem Wert 0 , wenn x ins negative Unendliche läuft, also f (x ) → 0 für x → −∞ . Im
Unterschied zu vorher nähert sich f (x ) jetzt allerdings von unten her der 0 an.
Prüfstreifen, GeoGebra

Definition:
Eine Funktion f besitzt für x → ∞ den Grenzwert a , wenn es zu jeder (beliebig kleinen)
positiven Zahl ε eine Zahl (sog. Schwelle) x ε gibt, so dass gilt:
f (x ) − a < ε für alle x ≥ x ε .
Man sagt, f konvergiert gegen a für x → ∞ , oder f ist konvergent für x → ∞ und
schreibt:
lim f (x ) = a
x →∞

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Bemerkung:
Die Definition bedeutet, dass sich der Funktionsgraph G f jenseits von x ε vollständig inner-
halb eines so genannten ε − Prüfstreifens um die Gerade y = a aufhält. x ε hängt von ε ab.
Wenn sich für beliebig kleines ε eine solche Zahl x ε finden lässt, geht f (x ) → a .
In unserem Eingangsbeispiel ist a = 0 , also lim f (x ) = 0 .
x →∞

Entsprechendes gilt dann auch, wenn x → −∞ geht: lim f (x ) = 0 .


x →−∞

Ein Beispiel für a = 3 ist offensichtlich f : x 1


x + 3 : lim f (x ) = 3 .
x →∞

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Der rechnerische Nachweis dafür, dass zu jedem ε > 0 ein x ε existiert, orientiert sich an der
Definition:

f :x 1 Vermutung: lim f (x ) = 0
x;
x →∞
x >0
Nachweis: f (x ) − a < ε ⇔ x1 − 0 < ε ⇔ x1 < ε ⇔ x1 < ε ⇔ x > 1ε ⇔ x ε = 1ε

1 = 100 oder ε = 0, 004 ⇒ x = 1 = 250


Also zum Beispiel: ε = 0, 01 ⇒ x ε = 0,01 ε 0,004

3x +2
f :x x ; Vermutung: lim f (x ) = 3
x →−∞
x <0
Nachweis: f (x ) − a < ε ⇔ 3xx+2 − 3 < ε ⇔ 3x +x2−3x < ε ⇔ x2 < ε ⇔ − x2 < ε ⇔
⇔ x < − 2ε ⇔ x ε = − 2ε
2 = −200 oder ε = 0, 004 ⇒ x = − 2 = −500
Beispiel: ε = 0, 01 ⇒ x ε = − 0,01 ε 0,004
Was geschieht, wenn eine Vermutung falsch ist?
Beispiel:
2 − 3x +
f :x ; Df = ; Vermutung: lim f (x ) = 3
2x − 1 x →∞
2−3x −3(2x −1) x >0
f (x ) − a < ε ⇔ 22− 3x − 3 < ε ⇔
x −1
< ε ⇔ −29xx−+15 < ε ⇔ 92xx −
2x −1
5 <ε⇔
−1
−ε + 5
⇔ 9x − 5 < ε (2x − 1) ⇔ 9x − 2x ε < −ε + 5 ⇔ x (9 − 2ε) < −ε + 5 ⇔ x <
(9 − 2ε)
Es gibt also keine Schwelle x ε !
Aufgaben S. 60 / 1-3; S. 61 / 4,5
Aufgaben S. 63 / 1-6; S. 64 / 7

Bisher waren wir auf Vermutungen hinsichtlich des Grenzwertes einer Funktion angewiesen.
Der folgende so genannte Grenzwertsatz gibt uns ein Werkzeug zur Bestimmung von Grenz-
werten an die Hand:

Besitzen die Funktionen f und g für x → ∞ einen Grenzwert, so gilt:

lim [ f (x ) + g (x )] = lim f (x ) + lim g (x )


x →∞ x →∞ x →∞

lim [ f (x ) − g (x )] = lim f (x ) − lim g (x )


x →∞ x →∞ x →∞

lim [ f (x ) ⋅ g (x )] = lim f (x ) ⋅ lim g (x )


x →∞ x →∞ x →∞

lim f (x )
f (x ) x →∞
lim = , falls lim g (x ) ≠ 0
x →∞ g (x ) lim g (x ) x →∞
x →∞

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Bemerkungen:
1. Der Satz gilt entsprechend auch bei Grenzwerten für x → −∞
2. Der Satz gilt damit auch für Mehrfach-Verknüpfungen nach den Rechenregeln für die
Grundrechenarten.
3. Der Satz setzt voraus, dass die einzelnen Grenzwerte existieren und bekannt sind.
Die Bestimmung von Grenzwerten setzt also voraus, dass einige Basisgrenzwerte bekannt
sind, aus denen man dann auf Grenzwerte komplexerer Terme schließen kann.
4. Folgende Grenzwerte können bis jetzt als Basisgrenzwerte vorausgesetzt werden:
lim a = a für jedes a ∈ ; lim x1 = 0
x →±∞ x →±∞
Die Liste der Basisgrenzwerte wird sich im Laufe der Zeit erweitern.
Beispiele und Tipps:
2x − 5 2− 5 2 − 5 ⋅ x1 2−5⋅0 2
1. lim = lim 3 x = lim 1
= = = − 21
x →∞ 3 − 4x x →∞ x − 4 x →∞ 3 ⋅ x − 4 3 ⋅ 0 − 4 −4
Hier hat man, um auf die Basisgrenzwerte zurückgreifen zu können, den Bruch mit x1
erweitert, also Zähler und Nenner durch x dividiert. Man kann das auch so interpretie-
ren: man hat im Zählen und Nenner jeweils x ausgeklammert und anschließend den
Bruch mit x gekürzt.
2 − 9 3 2
2 − 9x 3 2 2 ⋅ ( x1 ) − 9 ⋅ ( x1 ) 2 ⋅ 03 − 9 ⋅ 02 0
2. lim = lim x x = lim = = =0
3 5 3 3
x →∞ 3x − 5 x →∞ 3 − 3 x →∞ 3 − 5 ⋅ ( x1 ) 3−5⋅0 3
x
Hier hat man Zähler und Nenner durch x 3 dividiert.
Es empfiehlt sich, zur Bestimmung des Grenzwertes eines Bruchterms für x → ±∞ Zäh-
ler und Nenner durch die höchste, im Nenner vorkommende Potenz von x zu dividieren.
r
3. Wir vermuten, dass gilt lim ( x1 ) = 0 für alle r ∈ +
, also auch für gebrochene und
x →∞
irrationale Exponenten, insbesondere für Wurzeln.
Wir prüfen dies nach:
r r
f :x ( x1 ) ⇒ f (x ) − 0 = ( x1 ) − 0 = 1r = 1r
; Df = +
x x
1 < ε ⇔ x r > 1 . Da alle Potenzfunktionen mit positivem Exponenten streng monoton
xr ε
1 1 1 1
zunehmen, folgt daraus: (x r )r > ( 1ε ) ⇒ x > ( 1ε ) ⇒ x ε = ( 1ε ) .
r r r

r
Damit erhalten wir einen weiteren Basisgrenzwert: lim ( x1 ) = 0
x →∞

4. Bei der Bestimmung von Grenzwerten für x → −∞ kann es nützlich sein, folgenden
Sachverhalt zu beachten:
lim f (x ) = lim f (−x ) , wie etwa beim folgenden Beispiel:
x →−∞ x →∞
1 −4⋅ 1
−x − 4 x −4 x 0−4⋅0
lim = lim = lim x1 = =0
x →−∞ 1 − 2x x →∞ 1 + 2x x →∞ x + 2 0+2

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Zwei weitere Basisgrenzwerte erhält man aus folgender Überlegung:


Wir vermuten: lim sinx x = 0 .
x →∞
sin x − 0 = sin x = sin x ≤ 1
x x x x
Daher genügt es, wenn x1 < ε , also wenn x > 1ε ⇒ x ε = 1ε .
Für alle x > 1ε erfüllt also sinx x die Prüfbedingung für beliebiges ε > 0 .

lim sinx x = lim sin−−


( x)
Daraus schließen wir weiter: x = lim −−
sin x = lim sin x = 0 .
x x
x →−∞ x →∞ x →∞ x →∞
Also haben wir: lim sin x = 0.
x
x →±∞
lim cos x
Analog beweist man x = 0.
x →±∞

Unsere Liste von Basisgrenzwerten sieht also aktuell so aus:


lim a = a ; lim x1 = 0 ; lim 1x = 0 ; lim n1x = 0 ; lim sinx x = 0 ; lim coxs x = 0
x →±∞ x →±∞ x →+∞ x →+∞ x →±∞ x →±∞

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3.2. Divergenz für den Fall, dass x ins Unendliche läuft

Definition:
Eine Funktion, die für x → ∞ keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent für x → ∞ .

Man unterscheidet zwischen bestimmter und unbestimmter Divergenz.

Definition:
Eine Funktion f heißt für x → ∞ bestimmt divergent gegen +∞ , wenn es zu jeder (belie-
big großen) positiven Zahl K eine Zahl (sog. Schwelle) x K gibt, so dass gilt:
f (x ) > K für alle x ≥ x K .
Man schreibt:
f (x ) → +∞ für x → ∞ oder lim f (x ) = +∞
x →∞
Eine Funktion f heißt für x → ∞ bestimmt divergent gegen −∞ , wenn es zu jeder (belie-
big großen) positiven Zahl K eine Zahl (sog. Schwelle) x K gibt, so dass gilt:
f (x ) < −K für alle x ≥ x K .
Man schreibt:
f (x ) → −∞ für x → ∞ oder lim f (x ) = −∞
x →∞

Ist eine divergente Funktion nicht bestimmt divergent, so heißt sie unbestimmt divergent.

Beispiele:
1. f : x sin x ; Df =
f ist unbestimmt divergent sowohl für x → ∞ als auch für x → −∞ , denn weder besitzt
f einen Grenzwert (es gibt keine Schwelle, ab der sich G f in einen Prüfstreifen mit z.B.
ε = 0,1 einsperren ließe), noch ist f bestimmt divergent, da f (x ) nicht einmal das Inter-
vall [0;1] verlässt, geschweige denn über alle Grenzen wächst.
2. f : x −2x ; D f =
f ist bestimmt divergent, und zwar für x → ∞ gegen −∞ und für x → −∞ gegen
+∞ . In beiden Fällen ist x K = 21 K , denn es gilt:
f (x ) > K ⇔ −2x > K ⇔ 2x < −K ⇔ x < − 21 K für x → −∞ und
f (x ) < −K ⇔ −2x < −K ⇔ 2x > K ⇔ x > 21 K für x → ∞ .

Aufgaben S. 67 / 1; S. 68 / 3,4,5,2

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3.3. Grenzwerte für den Fall, dass sich x einer bestimmten Zahl x0 nähert
Wenn sich x einer bestimmten Zahl x 0 nähert, hält sich x , anders ausgedrückt, in der Nähe
von x 0 , oder noch anders ausgedrückt, in unmittelbarer Umgebung von x 0 auf. Den Begriff
„Umgebung“ verwendet die Mathematik als Fachbegriff.

Definition:
Sei x 0 ∈ und sei δ > 0 . Dann heißt die Menge aller x mit der Eigenschaft x − x 0 < δ
eine δ - Umgebung von x 0 .

Mit Hilfe dieses Begriffs kann man nun Grenzwerte für x x 0 definieren:

Definition:
Eine Funktion f heißt für x → x 0 konvergent gegen den Grenzwert a , wenn es zu jeder
(beliebig kleinen) Prüfzahl ε > 0 eine δ - Umgebung von x 0 gibt, so dass für alle x ∈ Df in
dieser δ - Umgebung gilt: f (x ) − a < ε .
Man schreibt: lim f (x ) = a .
x →x 0

Beachte:
1. x 0 muss nicht unbedingt im Definitionsbereich liegen! In der Grenzwertdefinition wird
dies nirgendwo gefordert. Konvergenz bedeutet also anschaulich nur: Der Graph nähert
sich von links und von rechts demselben Punkt.

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2. Man muss sich auch nicht unbedingt der Zahl x 0 von beiden Seiten nähern können. Kann
man sich z.B. nur von rechts annähern, etwa wenn Df = ]x 0 ; ∞[ , so genügt es für die
Konvergenz, wenn sich der Graph von rechts einem bestimmten Punkt annähert. Auch die-
ser Fall ist in der Definition enthalten, da alle x ∈ D f , die in der δ-Umgebung liegen,
dann eben nur die rechte Hälfte der Umgebung ausfüllen.

3. Für x → x 0 gilt ein entsprechender Grenzwertsatz wie für x → ∞ .


Basisgrenzwerte sind zunächst: lim a = a ; lim x = x 0
x →x 0 x →x 0
4. Die Annäherung von x an x 0 kann man simulieren durch die so genannte h -Methode , bei
der man x ersetzt durch x 0 + h und durch x 0 − h , wobei h > 0 ist. Macht man nun h
immer kleiner, schließlich beliebig klein, so dass h → 0 geht, so geht x 0 + h → x 0 (An-
näherung von rechts) und x 0 − h → x 0 (Annäherung von links), also insgesamt x → x 0 .
Betrachten wir dazu folgendes Beispiel:
x 2 + 4x + 3
f :x ; D f = Df (x ) = \ {−1;1}
x2 − 1
Wie verhält sich f für x → −1 ?
x 2 + 6x + 5 (−1 − h )2 + 6 (−1 − h ) + 5
f (x ) = ⇒ f (−1 − h ) = =
x2 − 1 (−1 − h )2 − 1
1 + 2h + h 2 − 6 − 6h + 5 h 2 − 4h h (h − 4) h − 4
= = = = ⇒
1 + 2h + h 2 − 1 h 2 + 2h h (h + 2) h + 2
h − 4 −4
⇒ lim f (−1 − h ) = lim = = −2
h →0 h →0 h + 2 2
x 2 + 6x + 5 (−1 + h )2 + 6 (−1 + h ) + 5
f (x ) = ⇒ f (−1 + h ) = =
x2 − 1 (−1 + h )2 − 1
1 − 2h + h 2 − 6 + 6h + 5 h 2 + 4h h (h + 4) h + 4
= 2
= 2 = = ⇒
1 − 2h + h − 1 h − 2h h (h − 2) h + 2
h +4 4
⇒ lim f (−1 + h ) = lim = = −2
h →0 h →0 h − 2 −2

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d.h. für x → −1 nähert sich der Graph sowohl von links als auch von rechts dem Punkt
(−1 | −2) an. Also gilt lim f (x ) = −2 .
x →−1

Der Graph dazu sieht so aus:

Bei x = −1 besitzt f eine


Definitionslücke. Da der
Graph aber von beiden Seiten
auf den Punkt (−1 | −2) zu-
läuft, also f konvergent ist,
besitzt der Graph dort ein
Loch.

Die h -Methode stützt sich auf den Grenzwertsatz und auf den zweiten Basisgrenzwert, indem
man x = h und x 0 = 0 setzt: lim h = 0 .
h →0
Da man bei der h -Methode die beidseitige Annäherung getrennt durchführt, legt das Verfah-
ren folgende Definitionen nahe:

Definition:
Sei x 0 ∈ und sei δ > 0 . Dann heißt die Menge aller x > x 0 (bzw. x < x 0 ) mit der Ei-
genschaft x − x 0 < δ eine rechte (bzw. linke) δ - Halbumgebung von x 0 .

Definition:
Eine Funktion f heißt für x → x 0 rechtsseitig (bzw. linksseitig) konvergent gegen a , wenn
es zu jeder (beliebig kleinen) Prüfzahl ε > 0 eine rechte (bzw. linke) δ - Halbumgebung von
x 0 gibt, so dass für alle x ∈ Df in dieser δ - Halbumgebung gilt: f (x ) − a < ε .
Man schreibt: lim+ f (x ) = a ( bzw. lim− f (x ) = a ).
x →x 0 x →x 0
Man nennt den Wert a dann den rechtsseitigen (bzw. linksseitigen) Grenzwert.

Satz:
Eine Funktion ist für x → x 0 konvergent, wenn sie rechts- und linksseitig, kurz: beidseitig
konvergent ist und rechts- und linksseitiger Grenzwert übereinstimmen.

Beispiel:
f :x sgn (x ) ; D f =
Es ist lim− f (x ) = −1, aber lim+ f (x ) = 1 .
x →0 x →0
Damit ist die Signumfunktion zwar rechts- und linksseitig, also beidseitig konvergent für
x → 0 , aber nicht konvergent für x → 0 . Sie besitzt keinen Grenzwert für x → 0 .

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Es gilt insbesondere lim sgn (0 + h ) ≠ sgn (0) und lim sgn (0 − h ) ≠ sgn (0) .
h →0 h→ 0
Für jedes andere x 0 gilt allerdings: lim sgn (x 0 ± h ) = sgn (x 0 ) .
h →0
Bei Sinus- und Kosinusfunktion gilt grundsätzlich für jedes x 0 ∈ :
lim sin x = sin x 0 und lim cos x = cos x 0 .
x →x 0 x →x 0
Die Beweise dafür sind aufwändig. Sie sind im Folgenden nachzulesen, können aber übersprungen wer-
den:
Zuerst beweist man: lim sin x = 0 . Das geht so:
x →0
In der nebenstehenden Zeichnung ist x die Maßzahl der Bogenlän-
ge zum Winkel ϕ auf dem Einheitskreis, also das Bogenmaß. Der
Winkel selbst kann im 1. Quadranten liegend angenommen werden,
da nur kleine x interessant sind und die Betrachtungen im 4. Quad-
ranten symmetrisch zum 1. Quadranten verlaufen. Im rechtwinkligen
Dreieck OCB ist die Hypotenuse 1, die Gegenkathete von ϕ also
sin ϕ = sin x .
Man erkennt sofort: sin x < AB . Das folgt aus der Tatsache, dass
in jedem und damit auch im speziellen rechtwinkligen Dreieck ABC
die Katheten kleiner sind als die Hypotenuse. Weiter folgt:
AB < x . Denn [ AB ] ist die kürzeste Verbindung der Punkte.
Also ist sin x < AB < x , insbesondere sin x < x .
⇒ sin x − 0 = sin x < x
f (x )−a
δ-Umgebungen , die sich für x eignen, eignen sich damit auch für sin x . Wegen lim x = 0 gilt folg-
x →0
lich auch lim sin x = 0 , womit die Behauptung bewiesen ist.
x →0
Darüber hinaus ist wegen lim ax = lim a ⋅ lim x = a ⋅ 0 = 0 auch lim sin ax = 0
x →0 x →0 x →0 x →0
für jedes beliebige a .
Das verwenden wir im Folgenden, wenn wir zeigen, dass lim cos x = 1 ist:
x →0
x 2
Es ist nach Formelsammlung cos x = 1 − (sin )
2 .

Also lim cos x = lim ⎡1 − (sin x 2⎤ 2


⎣ )
2 ⎦ = lim 1 − lim (sin x2 ) = 1 − 0 = 1 .
2
x →0 x →0 x →0 x →0
Nun lassen sich die beiden übergeordneten Behauptungen mit den Additionstheoremen beweisen:
( )
lim sin (x 0 ± h ) = lim sin x 0 cos h ± cos x 0 sin h = sin x 0 ⋅ 1 ± cos x 0 ⋅ 0 = sin x 0
h →0 h →0

lim cos (x 0 ± h ) = lim (cos x 0 cos h ∓ sin x 0 sin h ) = cos x 0 ⋅ 1 ∓ sin x 0 ⋅ 0 = cos x 0
h →0 h →0

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Damit haben wir zwei neue Basisgrenzwerte.


Leider kann man sie im Fall der Funktion f : x sin x ; D f (x ) = \ {0} für x → 0 nicht
x
verwenden, weil hier Zähler und Nenner gleichzeitig gegen 0 streben. Der Verlauf des Gra-
phen gibt Anlass zur Vermutung, dass gilt: lim sinx x = 1 .
x →0

Auch hier argumentieren wir mit einer Zeichnung:


[AD ] ist die Gegenkathete zu ϕ im rechtwinkligen Drei-
eck OAD . Da die Ankathete [OA] ein Radius ist und
damit die Länge 1 besitzt, ist AD = tan ϕ = tan x .
Offensichtlich ist das Dreieck OCB vollständig enthal-
ten im Kreissektor OAB und dieser wiederum im Drei-
eck OAD . Damit gilt für die zugehörigen Flächeninhal-
te: AOCB < ASektor < AOAD , also
2
2
< OA π ⋅ 2xπ <
1 ⋅ OA ⋅ sin x 1 ⋅ OA ⋅ tan x .
2
< π ⋅ 2xπ < 21 ⋅ tan x .
Nun ist OA = 1 , also 21 sin x
Dividiert man die Ungleichung durch 21 und kürzt π , so erhält man: sin x < x < tan x . Di-
vidiert man nun durch sin x (das darf man, da ϕ im 1. Quadranten liegt), so ergibt sich:
1 < sixn x < tan x oder 1 < x < 1 .
sin x sin x cos x
Übergang zu den Kehrwerten dreht die Ungleichheitszeichen um: 1 > sinx x > cos x . Für
x → 0 geht cos x → 1 , so dass sinx x nicht anderes übrig bleibt, auch gegen 1 zu laufen.
Also erhalten wir einen weiteren Basisgrenzwert: lim sinx x = 1 .
x →0
Eine Basisgrenzwert fügen wir noch hinzu: Wir behaupten: lim x = x0 .
x →x 0

( x − x 0 )( x + x 0 ) x − x0 x − x0
x − x0 = = ≤
x + x0 x + x0 x0

x − x0 x − x0
Nähert man sich von rechts, so gilt x − x 0 > 0 , also = .
x0 x0
x − x0
Aus < ε folgt x − x 0 < ε x 0 ⇒ x < x 0 + ε x 0 .
x0
x − x0 x −x
Nähert man sich von links, so gilt: x − x 0 < 0 , also = 0 .
x0 x0

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x −x
Aus 0 < ε folgt x 0 − x < ε x 0 ⇒ x > x 0 − ε x 0 .
x0
Also liegt x im Prüfstreifen, wenn x ∈ ⎤⎦ x 0 − ε x 0 ; x 0 + ε x 0 ⎡⎣ , d.h. δ = ε x 0 erfüllt die
Prüfbedingung für jedes beliebige ε . Damit ist die Behauptung bewiesen: lim x = x 0 .
x →x 0

Wir fassen alle Erkenntnisse zu unserer aktuellen Sammlung von Basisgrenzwerten zusam-
men:
lim a = a lim x = x 0 lim x = x 0
x →x 0 x →x 0 x →x 0
+
lim sin x = sin x 0 lim cos x = cos x 0 lim x = x0 ; x0 ∈ 0
x →x 0 x →x 0 x →x 0
lim sgn x = −1 lim sgn x = 1 lim sinx x = 1
x →x 0− x →x 0+ x →0

3.4. Divergenz für den Fall, dass sich x einer bestimmten Zahl x0 nähert

Definition:
Eine Funktion, die für x → x 0 keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent für x → x 0 .

Auch hier unterscheidet man bestimmte und unbestimmte Divergenz.


Eine Funktion f heißt für x → x 0 bestimmt divergent gegen +∞ , wenn es zu jeder (belie-
big großen) positiven Zahl K eine δ-Umgebung von x 0 gibt, so dass für alle x aus dieser
δ-Umgebung gilt: f (x ) > K .
Man schreibt:
f (x ) → +∞ für x → x 0 oder lim f (x ) = +∞
x →x 0
Eine Funktion f heißt für x → x 0 bestimmt divergent gegen −∞ , wenn es zu jeder (belie-
big großen) positiven Zahl K eine δ-Umgebung von x 0 gibt, so dass für alle x aus dieser
δ-Umgebung gilt: f (x ) < −K .
Man schreibt:
f (x ) → −∞ für x → x 0 oder lim f (x ) = −∞
x →x 0
In allen anderen Fällen heißt eine divergente Funktion unbestimmt divergent für x → x 0 .

Anhand von Funktionsgraphen lassen sich diese beiden Fälle sehr einfach veranschaulichen:

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Wir erinnern uns: Konvergenz sieht so aus:

oder so:

Hinzu kommen sowohl bei der bestimmten Divergenz als auch bei der Konvergenz die Fälle,
in denen x 0 nur von einer Seite angenähert werden kann. Sie entstehen aus den oben ge-
zeichneten, indem man sich den Graphen jeweils auf einer Seite von x 0 wegdenkt.

In allen anderen Fällen sind Funktionen für x → x 0 unbestimmt divergent.

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Natürlich lässt sich Divergenz auch rechtsseitig oder linksseitig feststellen. Dann fordert man
die entsprechenden Eigenschaften nur für eine δ -Halbumgebung von x 0 .
Die folgenden Beispiele zeigen eine Auswahl für x 0 = 2 :

linksseitig konvergent gegen 3 linksseitig konvergent gegen 2


rechtsseitig konvergent gegen 1 rechtsseitig bestimmt divergent gegen +∞
insgesamt unbestimmt divergent insgesamt unbestimmt divergent

linksseitig bestimmt divergent gegen −∞ linksseitig unbestimmt divergent


rechtsseitig bestimmt divergent gegen +∞ rechtsseitig konvergent gegen 1, 5
insgesamt unbestimmt divergent insgesamt unbestimmt divergent

Um die Divergenz rechnerisch einzuordnen, verwendet man wieder die h-Methode.


Dabei stützt man sich auf die Basisdivergenz: lim h1 = +∞ .
h →0
Beispiele:
2x 2 − 3
1. f : x ; Df = \ {0,25}
4x − 1
Zu untersuchen: das Verhalten von f für x → 0,25 .

f (0,25 − h ) =
( 2
2 ⋅ (0,25 − h )2 − 3 2 ⋅ 0, 0625 − 2 ⋅ 0,25 ⋅ h + h − 3
= =
)
4 ⋅ (0,25 − h ) − 1 1 − 4h − 1
0,125 − h + 2h 2 − 3 −2, 875 − h + 2h 2 1 −2, 875 − h + 2h 2
= = = ⋅ ⇒
−4h −4h h −4
1 −2, 875 − h + 2h 2
⇒ lim f (0,25 − h ) = lim ⋅ = +∞
h →0 h →0 h −4
→∞ → 23
32

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Unterrichtskonzepte Mathematik 11
Infinitesimalrechnung
Grundlage: Stierhof, Faulhaber, Analysis 1, Verlag Max Gehlen, Bad Homburg v.d. Höhe 19903

f (0,25 + h ) =
( 2
2 ⋅ (0,25 + h )2 − 3 2 ⋅ 0, 0625 + 2 ⋅ 0,25 ⋅ h + h − 3
= =
)
4 ⋅ (0,25 + h ) − 1 1 + 4h − 1
0,125 + h + 2h 2 − 3 −2, 875 + h + 2h 2 1 −2, 875 − h + 2h 2
= = = ⋅ ⇒
4h 4h h 4
1 −2, 875 + h + 2h 2
⇒ lim f (0,25 + h ) = lim ⋅ = −∞
h →0 h →0 h 4
→∞ →− 23
32
f ist für x → 0,25 linksseitig bestimmt divergent gegen ∞ , rechtsseitig bestimmt diver-
gent gegen −∞ .
Insgesamt ist f also für x → 0,25 unbestimmt divergent.
1
2. f : x − ; Df = \ {−2}
(x + 2)2
Zu untersuchen: das Verhalten von f für x → −2 .
1 1 1 1
f (−2 − h ) = − 2
=− 2
= ⋅ (−1) ⇒
(−2 − h + 2) (−h ) h h
1 1
⇒ lim f (−2 − h ) = lim ⋅ ⋅ (−1) = −∞
h →0 h →0 h h
→∞ →∞
f ist für x → −2 linksseitig bestimmt divergent gegen −∞ .
1 1 1 1
f (−2 + h ) = − 2
= − 2 = ⋅ (−1) ⇒
(−2 + h + 2) h h h
1 1
⇒ lim f (−2 + h ) = lim ⋅ ⋅ (−1) = −∞
h →0 h →0 h h
→∞ →∞
f ist für x → −2 rechtsseitig bestimmt divergent gegen −∞ .
Insgesamt ist also f für x → −2 bestimmt divergent gegen −∞ .

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