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Der vorliegende Beitrag verfolgt die Zielsetzung, für eine norm- und
varietätenlinguistische Untersuchung der gesprochenen Sprache in
brasilianischen Fernsehsendungen einen Analyserahmen zu konzeptua-
lisieren, der auf diskurspragmatischen und gattungskonventionellen
Parametern der Fernsehkommunikation basiert. Als weitreichende
öffentliche Institution kommt dem Medium Fernsehen eine gewichtige
Rolle bei Koineisierungsprozessen und der Repräsentation einer
gesprochenen Standardvarietät zu. Insofern erfordert die Analyse von
Fernsehtexten im Spannungsfeld von Gattungskonventionen und
sprachlichen Normen die Berücksichtigung spezifischer Konstellationen
im Varietätengefüge des brasilianischen Portugiesisch (fortan BP). Mit
dem populären Nachrichtenmagazin Jornal Nacional und der novela das
oito als bedeutendster Subgattung der Telenovelas von TV Globo
werden zwei Textsorten in den Fokus gerückt, die als die
meistrezipierten Programmformate des erfolgreichsten brasilianischen
Fernsehsenders fest etabliert sind.1
1
Beide Sendungen werden täglich außer sonntags ausgestrahlt. Die Bezeichnung des
wichtigsten Novelaformats als novela das oito nimmt Bezug auf die Sendezeit um 8
Uhr abends (eigentlicher Beginn gegen 20:50 Uhr im Anschluss an das Jornal
Nacional (ca. 20:15 Uhr). Mit ihrer Positionierung zwischen 20 und 22 Uhr belegen
die Programmformate die lukrativste Sendezeit. Für die Großräume São Paulo und
Rio de Janeiro lagen die Einschaltquoten von September bis November 2007 für
das Jornal Nacional zwischen 31 und 36%, für die novela das oito (Titel: Duas
Caras) zwischen 34 und 46%. Der Abstand der erfolgreichsten Sendungen eines
Konkurrenzsenders zu TV Globo (TV Record) liegt bei ca. 20%; vgl. hierzu
www.almanaqueibope.com.br/asp/busca_resultado.asp (Zugriff am 4.12.07).
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Unter der Annahme, dass eine historische Sprache stets aus einem
komplexen Gefüge von Varietäten besteht, ist grundsätzlich von einer
Pluralität von Normen auszugehen, die durch ihren regen Kontakt im
sozialen Alltag einer ständigen gegenseitigen Beeinflussung ausgesetzt
sind.2 Im Kontrast zu einer Soll-Norm als sprachlichem Referenzmodell
ist damit angesichts des Nebeneinanders verschiedenster Varietäten ein
Gefüge von Ist-Normen anzusetzen. Im BP ist zwischen der
gesprochenen und geschriebenen Sprache eine Diskrepanz augenfällig,
die diglossische Tendenzen erkennen lässt.3 Entsprechend werden zwei
grundlegende Gegensätze evident:
1. Die Kluft zwischen der norma-padrão als präskriptiver Norm
(Soll-Norm), die nach der präskriptiven Norm des europäischen
2 Faraco (2004: 39) betrachtet eine solche «Hybridisierung der Normen» als
natürliches Resultat der Interaktion zwischen Sprechergruppen unterschiedlicher
sozialer Provenienz.
3
Vgl. hierzu Baxter (1992); auch Preti (1994: 30) und Reich (2002: 136).
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 3
1. Deu-me dinheiro para comprar roupa. Me deu dinheiro para comprar roupa.
2. Vi-o na rua. Vi ele na rua.
Vou comprá-los. Vou comprar Ø. / Vou comprar eles.
3. Deixa-me dizer o que penso disso. Deixa eu dizer o que penso disso.
Vi-o sair da sala. Vi ele sair da sala.
4. Fui ao festival. Fui no festival.
Cheguei à estação atrasado. Cheguei na estação atrasado.
5. Esse é um livro de que eu gosto Esse é um livro Ø que eu gosto
muito. muito.
Essa é a vizinha em cuja casa Essa é a vizinha Ø que eu jantei na
jantei ontem. casa ontem.
4
Für einen Überblick zur diastratischen und diaphasischen Differenzierung innerhalb
des gesprochenen BP sowie der Unterschiede zur norma-padrão vgl. Preti (1994),
weiterführend insbesondere Große / Zimmermann (1998).
5 Ebenso werden mesoklitische Konstruktionen proklitisch aufgelöst (z.B. dar-me-ei
> me darei; ter-se-ía > se teria).
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4 Mathias Arden
6
Zu den Objektpronomina und Nullobjekten im BP vgl. insbesondere Reich (2002);
auch Barme (1998) und Bagno (2000).
7
Bagno (2000: 207) stellt für das gesprochene BP eine generelle Tendenz fest,
pronominale Subjekte explizit zu machen und gleichzeitig anaphorische Objekte zu
tilgen; vgl. hierzu auch Tarallo (1996).
8 Vgl. hierzu Bagno (2000: 250ff.) und Ribeiro (2000). Neben em ist im
gesprochenen BP beim Verb ir die Präposition para gebräuchlich (bei chegar nicht
möglich). In den präskriptiven Grammatiken wird diese allerdings im Zusammen-
hang mit dem Merkmal [+ Verbleib am Zielort] von der Präposition a unter-
schieden. Diese Bedeutungsnuance zwischen para und a wird im gesprochenen BP
zugunsten der Verwendung von para nivelliert.
9
Die fehlende Markierung der präpositionalen Rektion in den relativischen Nexus im
gesprochenen BP kann durch eine Präpositionalphrase mit Pronomen (dem sog.
pronome cópia) ersetzt werden, die dem Verb des Relativsatzes folgt („... um livro
que eu gosto muito dele“; „... a vizinha que a gente jantou na casa dela“). Die
Setzung solcher Präpositionalphrasen gilt indes als diastratisch markiert und wird
von Sprechern der normas cultas gemieden; vgl. hierzu Bagno (2000: 185f.) und
Tarallo (1996).
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 5
<
6 Mathias Arden
12 Die präskriptive Norm des BP ist in Brasilien seit geraumer Zeit Gegenstand einer
hitzigen Debatte zwischen Linguisten und Sprachpuristen. Vgl. hierzu etwa Bagno
(2004) und Scherre (2005).
13
Auf die norma popular des BP referieren außerdem Termini wie língua não-
padrão, subpadrão oder substandard. Für eine polemisierende Erörterung dieser
Bezeichungen aus soziokultureller Perspektive vgl. Zimmermann (1998).
14 Laut IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística) lag die Analphabeten-
quote (Sprecher über 15 Jahre) im Jahre 2000 bei 13,6%, während je nach
Großregion weitere 20-40% als funktionale Analphabeten eingestuft wurden
(http://www.ibge.gov.br/ibgeteen/pesquisas/educacao.html; Zugriff am 27.4.07).
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 7
15
In diesem Zusammenhang müsste überprüft werden, ob TV Globos journalistische
Redaktionen bzw. die Autoren der Novela-Scripts im Zweifelsfall sogenannte
manuais mit grammatischen Richtlinien zum korrekten Sprachgebrauch zu Rate
ziehen. Diese Form normativer Sprachregelung wird von den meisten Redaktionen
der großen Tageszeitungen und Wochenmagazinen praktiziert; vgl. hierzu Bell
(1991: 82f.) und Bagno (2000).
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8 Mathias Arden
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10 Mathias Arden
William Bonner (WB) und Fátima Bernardes (FB) sind die Moderatoren des JN. Im
folgenden Ausschnitt schließt die Sendung mit einem Beitrag zum Fußball. WB übergibt
das Wort an den Reporter Mauro Naves (MN).
(01-02 «boa noite Mauro Naves – boa noite Bonner»; 02-03 «Fátima –
obrigada a Mauro»), sodass unter Miteinbezug der Beziehung zwischen
dem Publikum und den Sprechern bzw. dem Reporter (= äußerer Kreis)
letztendlich drei teils zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktive Kreise
anzusetzen sind.
Das kommunikative Grundgerüst des JN basiert auf an das
Fernsehpublikum gerichteten Monologen. Die Monologizität als
charakteristisches Merkmal sachlich-formeller Diskurse unterstreicht
somit die Reputation des JN als renommiertes und seriöses Nachrichten-
magazin. Anhand dieses Ausschnitts lässt sich dennoch zeigen, wie
Spuren und Ansätze dialogischer Interaktion in der Kommunikation
sowohl zwischen den Fernsehakteuren selbst als auch zwischen diesen
und dem Publikum ein 'Quasi'-Gespräch inszenieren, um den
institutionellen Rahmen des Formats im Zeichen einer publikums-
freundlichen Gestaltung aufzulockern. Die Sprecher lesen die
Nachrichtentexte von an den Kameras angebrachten und für das
Publikum nicht sichtbaren Displays, den sog. Telepromptern, ab.18 Diese
Verfahrensweise ermöglicht den Sprechern mehr mimisch-gestische
Handlungsfreiheit und vor allem den ständigen Blick in die Kamera, der
dazu dient, die Illusion eines face-to-face-Kontakts mit dem 'stummen'
Publikum als Adressaten zu vermitteln. Des weiteren wird durch
Begrüßung und Verabschiedung der Zuschauer (04 «boa noite e até
amanhã») der Eindruck des Angesprochenseins geschaffen. Auch wenn
kein verbal-dialogischer Austausch zwischen den Sprechern stattfindet,
signalisiert der nicht-aktive Sprecher in den kurzen Momenten, in denen
beide Sprecher eingeblendet sind, mit nonverbalen Mitteln seine
Aufmerksamkeit, indem er in Richtung des aktiven Sprechers blickt.
Die Konstellation der Kommunikationskreise in den Novelas folgt als
narrativ-fiktionale Gattung anderen Konventionen. Als Textbeispiel
dient ein Ausschnitt aus einer Episode von Páginas da Vida, einer
novela das oito von 2007:
18 Gelegentlich rezitieren die Reporter vor Ort ihre Texte nach mehrmaligem Proben,
wenn der Einsatz von Telepromptern nicht möglich ist.
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12 Mathias Arden
Dona Constância (C) und ihr Mann Zé (Z) sitzen mit Dorival (D), dem zukünftigen
Ehemann ihrer Tochter Thelma (T) beim Abendessen, als Thelma, die sich offensichtlich
nicht wohl fühlt, hereinkommt. Zu diesem Zeitpunkt erahnen die Eltern bereits, dass
Thelma ein Verhältnis mit einem anderen Mann hat. Der gutgläubige Dorival hingegen
weiß von alldem nichts und auch Thelma scheint von der Ahnung der Eltern nichts
bemerkt zu haben.
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14 Mathias Arden
20 Vgl. hierzu bereits Ong (1982) mit seinem kulturgeschichtlichen Begriff der
«sekundären Oralität» zur Charakterisierung massenmedialer Mündlichkeit
21
Der Grad konzeptioneller Schriftlichkeit in formellen Fernsehtexten wie den
Nachrichtensendungen ist durch die Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache und den
damit einhergehenden Einschränkungen bei der Rezeption ggü. konzeptionell und
medial schriftlichen Texten zurückgefahren. Besonders deutlich wird dies anhand
der Verwendung kürzerer Sätze und der Vermeidung einer komplexen Hypotaxe;
vgl. hierzu Holly (2004: 44f.).
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 15
22
An dieser Stelle sei angefügt, dass TV Globo professionelle Journalisten als
Sprecher einsetzt, die zugleich als Chefredakteure des Magazins in Erscheinung
treten. Dies führt unweigerlich dazu, dass die Grundfunktion der reinen
Informationsvermittlung eines Nachrichtensprechers gewissermaßen um eine
meinungsbildende Komponente erweitert zu sein scheint.
23 Im Gegensatz zur norma-padrão, die für unbetonte Pronomina grundsätzlich die
Enklise empfiehlt, erscheint im JN das Pronomen se bei finiten Verben proklitisch,
so auch im Beispiel A (01 «Brasil e Ecuador se enfrentam daqui a pouco»). TV
Globo folgt damit eindeutig der Tendenz zur Proklise des gesprochenen BP. Die
nähesprachlich markierte und von der norma-padrão ausdrücklich sanktionierte
satz-initiale Proklise wird jedoch zugunsten der Enklise gemieden.
24
Auch der bei Themenübergängen in manchen Nachrichtenmagazinen gelegentlich
kultivierte und oft aufgesetzt wirkende 'Plauderstil' zwischen den Moderatoren
besteht aus geplanten und einstudierten Dialogen; vgl. hierzu Ayaß (2001).
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16 Mathias Arden
25 (2001: 145); Bell spricht von «stylistic or intra-speaker variation». Um der Gefahr
terminologischer Verwirrung vorzubeugen, wird hier auf den Ausdruck 'Stil'
zugunsten von 'diaphasischer Variation' verzichtet.
26
Die Hörerzentriertheit in Bells Modell schließt indes nicht den Einfluss weiterer
außersprachlicher Einflussfaktoren auf die Registerwahl wie topic und setting aus;
vgl. hierzu Bell (1984: 178ff.). Ebenso wenig inferiert Bell mit audience design
einen vom Sprecher stets bewusst instrumentalisierten Prozess sprachlicher
Kontrolle: «the term 'design' is not meant to imply detailed awareness of individual
language choices» (1991: 105).
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18 Mathias Arden
Distanz ((1) = nah, (4) = fern) des Hörers ab.27 Bells These des audience
design geht davon aus, dass idealiter die dem Sprecher nächstliegende
Hörerrolle (= (1) Adressat) stets auch den größten Einfluss auf die
Varietätenwahl des Sprechers ausübt (1984: 160).
Im massenmedialen Kontext ist das Zielpublikum aufgrund seiner
Anonymität und soziographischen Heterogenität für den Sender nicht
exakt eingrenzbar. In Ermangelung eines Feedbacks von Seiten der
Rezipienten sind die Programmgestalter zu stereotypisierten Konzeptua-
lisierungen ihrer Zuschauergruppen angehalten, um neben der
inhaltlichen auch die sprachliche Gestaltung ihrer Formate adäquat
auszurichten. Zugleich schließt die öffentliche Verfügbarkeit von
Fernsehen niemand von der Rezeption der verschiedenen Programm-
formate aus. Insofern gelten im Kontext von Fernsehkommunikation
auch eavesdroppers als potentielle Rezipienten, selbst wenn sie dem
Profil des jeweiligen Zielpublikums in keinster Weise entsprechen
mögen.28
Die Dynamik zwischen den sprachlichen Normen in den Fernsehtexten
von TV Globo ist nur unter Miteinbezug von Bells Theorie des outgroup
referee design sinnvoll zu interpretieren, das sich gewissermaßen
komplementär zum audience design verhält:
Here speakers lay claim to a speech and identity which is not their own but which
holds prestige for them. They diverge from the language code of their ingroup – and
thus from their usual speech – towards an outgroup with whom they wish to
identify [...] both speaker and addressee agree on the prestige of the outgroup
language for the purpose (Bell 1991: 130)
27
Zur Abgrenzung der einzelnen Hörerrollen vgl. ausführlicher Clark (1996: 11ff.)
und Verschueren (1999: 82ff.). Im massenmedialen Kontext plädiert Bell für ein
Kontinuum zwischen addressee (Zielpublikum) und eavesdroppers. Die Trennung
von Adressat und Mithörerrollen erweist sich für die Kontrastierung von
Programmformaten jedoch als vorteilhaft, weshalb Bells Konzept des Kontinuums,
obwohl durchaus sinnvoll, hier nicht weiter verfolgt wird.
28
Laut Bell (1991: 93f.) kann die Nicht-Berücksichtigung solcher eavesdroppers bei
der Gestaltung von Fernsehtexten kommunikative Rückkoppelungen auslösen, z.B.
bei unangebrachten Kommentaren über bekannte und einflussreiche Personen, die
der Sprecher nicht unter den Zuschauern wähnt. Die Betroffenen bedienen sich
dann häufig des massenmedialen Apparates, um öffentlichkeitswirksam etwa eine
Entschuldigung von Seiten des Senders einzufordern.
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 19
29
Vgl. hierzu ausführlich Burger (2005: 367ff.) und Werlen (2000).
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20 Mathias Arden
ninguém … aí eu aconselhei que ele ficasse mais uns dias pra sair daqui cem
por cento … e até que os pais dele voltassem de viagem
05 M mas isso aqui não é um hotel
06 D eu sei … não é um hotel como esses que existem por aí … mas de uma certa
forma não deixa de ser um hotel … recebe pessoas e cujo lema … é a caridade
… né … aliás o mesmo lema da ordem religiosa que a senhora pertence … não
é irmã?
07 M para que possamos excercer a caridade precisamos de recursos … caso
contrário … não teremos nem como servir as refeições para os doentes … tudo
aqui é muito caro … esse quarto por exemplo … que abriga um único paciente
é um dos mais caros do hospital … se ele permanecer aqui por mais dois ou
três dias … terá que ser transferido para a enfermaria junto com os outros
doentes … e assim mesmo não mais do que alguns dias … estamos entendidos
doutor Diogo?
08 D claro irmã ... como a senhora quiser
Die Szene beginnt zunächst mit einem intimen Gespräch zwischen dem
Arzt Diogo und seinem Patienten Gabriel (01-02), das jedoch mit dem
Eintreten der autoritären Oberschwester Maria unterbrochen wird. Die
Kommunikationssituation ist nun durch die Konfrontation zwischen
Arzt und Ordensschwester neu definiert, nämlich als professionelles,
formelles Gespräch konfligierender Standpunkte. D spricht M formell
mit «a senhora» an (03). Die Sprache von D und M weist punktuell
distanzsprachliche Elemente auf, etwa die konsequente Verwendung des
synthetischen Futurs anstelle von futurischen Verbalperiphrasen («não
teremos»; «terá que ser transferido») sowie die mit der norma-padrão
konforme Bildung eines relativen Satzsanschlusses mittels cujo (06)
anstelle des im gesprochenen BP üblichen que. Mit Bell (1991: 130)
handelt es sich hier um short-term outgroup referee design, denn die
Elemente der prestigeträchtigen Varietät finden nur kurzzeitig
Verwendung. Im Textbeispiel dient der Registerwechsel sowohl der
Setzung eines betont distanziert und formellen Gesprächsrahmens als
auch der Markierung des sozialen Status des Sprechers als Arzt ggü. der
Ordensschwester.30 Gerade weil im BP diglossische Tendenzen evident
30 Bezeichnenderweise befolgt D im Zuge seines Registerwechsels den Regelkanon
der präskriptiven Norm nicht konsequent. Auf die mit der norma-padrão konforme
und für die gesprochene Sprache höchst untypische Relativkonstruktion mit cujo
folgt eine weitere Konstruktion mit relativem Satzanschluss, die in Einklang mit der
norma-padrão aufgrund des präpositionalen Verbs pertencer a das komplexe
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22 Mathias Arden
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24 Mathias Arden
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26 Mathias Arden
Dennoch geht aus der Analyse der Beispiele hervor, dass die Register-
wahl trotz eindeutiger Tendenzen weder in den Novelas noch im JN
keinesfalls als kategorisch bezeichnet werden darf, sondern durchaus
mit den kommunikativen Konstellationen der einzelnen Szenen bzw.
Reportagen variiert.
Darüber hinaus spiegeln sich in der grundverschiedenen Konzeption der
analysierten Programmformate die für das BP charakteristischen
diglossischen Tendenzen. Die gesprochene Sprache im JN unterliegt
einem institutionalisierten outgroup referee design mit der norma-
padrão als Referenzvarietät. Dagegen dominieren in den Novelas die
nähesprachlichen Register der normas cultas faladas im Sinne eines
intradiegetischen audience design, in Übereinkunft mit den sozial
überwiegend hoch positionierten Figuren und den vornehmlich privaten
Kommunikationssituationen.
Nicht zuletzt handelt es sich bei TV Globo um einen kommerziellen
Sender, der auf eine maximale Rentabilität seiner Programmformate
ausgerichtet ist und ein breites Publikum ansprechen will. Für den
äußeren Kommunikationskreis ließe sich folglich audience design als
übergreifendes Prinzip zur Gewährleistung von Verständlichkeit und
Eingängigkeit der gesprochenen Texte voraussetzen. Inwiefern ein
solches Prinzip beim Vergleich gattungskonventionell verwandter
Programmformate unter Berücksichtigung der soziographisch stereo-
typisierten Konzeptualisierungen des jeweils anvisierten Zielpublikums
eine varietätenlinguistische bzw. sprachstilistische Graduierung auf-
weist, könnten weiterführende Analysen zeigen – etwa in Form eines
senderübergreifenden Vergleichs durch Gegenüberstellung der mannig-
fachen Ausprägungen der Gattung 'Novela' oder der vielfältigen Spiel-
arten der Nachrichtenformate.
Gattungskonventionen und sprachliche Normen in der Fernsehkommunikation 27
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28 Mathias Arden
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