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5 Herz-Kreislauf-Notfälle

Ulrich v. Hintzenstern

5.1 Stabile Angina pectoris 232 5.6 Notfälle bei Pat. mit implan­
5.2 Akutes Koronarsyndrom 233 tierten Kardioverter-/Defibril­
5.3 Akute Linksherzinsuffi­ lator-Systemen 243
zienz 236 5.7 Hypertensiver Notfall 245
5.4 Herzrhythmusstörungen 237 5.8 Zirkulatorische Synkope 247
5.4.1 Tachykarde Rhythmusstörun­ 5.9 Schocktherapie 248
gen 237 5.10 Präklinische i. v. Lyse bei
5.4.2 Bradykarde Rhythmusstörun­ Myokardinfarkt 250
gen 240
5.5 Notfälle bei Patienten mit
Herzschrittmacher 241
232 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

5.1 Stabile Angina pectoris


Symptomatik 
• Bekannte Anfälle mit gleichartigem Schmerzcharakter, die unter Belastung
auftreten und bei entsprechenden Gegenmaßnahmen (körperliche Ruhe,
­Nitroglyzerinspray) nachlassen („Belastungsangina“ aufgrund eines durch
KHK chronisch verengten Koronargefäßes).
• Retrosternale oder/und linksthorakale Schmerzen:
– Vages Ziehen bis starker Druck oder Stechen, evtl. mit Ausstrahlung in
den linken, sehr selten in den rechten Arm, Oberbauch, HWS, Schulter,
Unterkiefer, Rücken.
– Engegefühl in der Brust.
• Vernichtungsgefühl.
• Dyspnoe.
• Schweißausbruch, Blässe.
• Übelkeit.
• Dauer der Symptomatik: Wenige Min.
Kurzanamnese 
• Auslösemechanismen: Körperliche oder psychische Belastung, Nahrungsauf-
nahme, Wind- oder Kälteexposition.
• Z. n. ähnlichen Schmerzereignissen. Häufigkeit, Intensität und Dauer der
Schmerzattacken.
• Z. n. Myokardinfarkt, Herzbypass-OP, Ballondilatation?
5 • Bekannte Herzvitien, Rhythmusstörungen?
• Gleichzeitige Einnahme von vasodilatatorisch wirkenden Medikamenten
(z. B. Nitropräparate) und Sildenafil.
• Risikofaktoren: Hypertonie, Diabetes mell., Nikotinabusus, Hyperlipidämie,
Adipositas.
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↑ oder ↓), SpO2, RR (evtl. ↑), EKG (evtl. Rhythmusstörungen).
• Troponin-T- oder -I-Schnelltest (▶ 1.6.7).
Sofortmaßnahmen 
• Beruhigender Zuspruch.
• Oberkörperhochlagerung.
• 2 Hub (0,8 mg) Nitroglyzerinspray s. l. oder 1 Nitroglyzerinkapsel zerbeißen
lassen bei RRsyst. ≥ 100 mmHg und Puls > 50/Min.
• Falls grundsätzlich mit der aufnehmenden Klinik als präklinische Therapie
bei V. a. stabile Angina pectoris vereinbart: Clopidogrel 300 mg p. o.
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• Ggf. vorsichtige Sedierung z. B. mit 1-mg-Boli Midazolam.
• Bei hypertensivem Notfall ▶ 5.7.
• Bei Übelkeit Metoclopramid 10 mg i. v.
Transport  Bei bekannter stabiler Angina pectoris ambulante kardiologische Ab-
klärung ausreichend, ansonsten immer Transport in die nächste internistische
Fachabteilung.
Prinzipien der Weiterbehandlung  Infarktausschluss (EKG mit 12 Ableitungen,
Enzymdiagnostik), antianginöse Therapie.
Differenzialdiagnose  (▶ Tab. 7.2).
  5.2 Akutes Koronarsyndrom  233

• Keine i. m. Injektionen, um Infarktenzymbestimmung (CK) nicht zu


verfälschen. KI für Lysetherapie.
• Keine Heparin-Gabe, wenn gleichzeitig das Risiko einer intrazerebralen
Blutung besteht.
• Wenn nach Nitroglyzeringabe nicht innerhalb weniger Min. Besserung
eintritt, besteht dringender V. a. instabile Angina pectoris oder Myo-
kardinfarkt.

5.2 Akutes Koronarsyndrom
Definition  Der Begriff „Akutes Koronarsyndrom“ umfasst die Manifestations-
formen der KHK mit akuter Lebensbedrohung:
• Instabile Angina pectoris (Auftritt von Beschwerden mit zunehmender Dauer
und Intensität in Ruhe oder bei geringer Belastung).
• Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt (Non-ST-Elevation-Myocardial-Infarc-
tion = NSTEMI).
• ST-Strecken-Hebungsinfarkt (ST-Elevation-Myocardial-Infarction = S­ TEMI).
Verursacht wird das akute Koronarsy. durch Ruptur oder Erosion eines athero­
sklerotischen Plaques mit Teilverschluss (meist instabile Angina pectoris oder
­NSTEMI) oder vollständigem Verschluss (STEMI) eines Koronargefäßes.
Symptomatik 
• Retrosternale oder/und linksthorakale Schmerzen: 5
– Vernichtendes, > 30 Min. anhaltendes Druck- und Engegefühl.
– Evtl. Schmerzausstrahlung in den linken oder beide Arme, Schultern,
­Unterkiefer, Oberbauch, Rücken.
– Beschwerdepersistenz trotz Bettruhe und Nitroglyzeringabe.
• Todesangst, Dyspnoe, Kaltschweißigkeit.
• Übelkeit, Erbrechen (evtl. einziges Symptom).
• Unerklärliche Synkope, Dyspnoe oder Lungenödem.
Bei alten Pat. oder Diabetikern häufig auch atypische Symptome:
• Geringer Schmerz bzw. isolierte Bauchschmerzen.
• Akute Verwirrtheit bzw. Verschlechterung des Allgemeinzustands oder dia-
betisches Koma.
Kurzanamnese 
• Z. n. Stenokardien, Myokardinfarkt, aortokoronare Bypass-OP, PTCA.
• Gleichzeitige Einnahme von vasodilatatorisch wirkenden Medikamenten
(z. B. Nitropräparate) und Sildenafil.
• Risikofaktoren: Hypertonie, Nikotinabusus, Diabetes mell., Hyperlipidämie,
Adipositas, Stress.
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↑ oder ↓), SpO2 (evtl. ↓), RR (↑ oder ↓).
• EKG:
– Gerät mit 3 Ableitungen: Ggf. Rhythmusstörungen, jedoch kein Infarkt-
ausschluss möglich.
– Gerät mit 12 Ableitungen: Initial beträchtliche T-Überhöhung („Ersti-
ckungs-T“), danach ST-Hebungen.
234 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

• Schocksymptomatik?
• Auskultation: Vitientypische Geräusche, Lungenstauung?
• Inspektion:
– Blässe oder Zyanose.
– Gestaute Halsvenen.
• Troponin-T-Schnelltest (▶ 1.6.7).
Sofortmaßnahmen 
• Beruhigender Zuspruch.
• Oberkörperhochlagerung.
• 2 Hub (0,8 mg) Nitroglyzerinspray s. l. oder 1 Nitroglyzerinkapsel zerbeißen
lassen bei RRsyst ≥ 100 mmHg und Puls > 50/Min.
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, ▶ 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22).
• Analgesie mit 5 mg Morphin i. v., ggf. Nachinjektion von 2-mg-Boli.
• Ggf. Sedierung mit Midazolam 1,25–2,5-mg-Boli i. v.
• Bei hypertensivem Notfall ▶ 5.7.
• Spritzenpumpe: Nitroglyzerin 50 mg mit NaCl 0,9 % auf 50 ml: 2–6 ml/h,
wenn RRsyst ≥ 100 mmHg und Puls > 50/Min.
• Acetylsalicylsäure 500 mg i. v.
• Heparin 70 IE/kg KG, max. 5.000 IE Alternativ: Enoxaparin 1 mg/kg KG s. c
bei NSTEMI bzw. 0,5 mg/kg KG i. v. bei STEMI.
• Falls grundsätzlich mit der aufnehmenden Klinik als präklinische Therapie
bei V. a. akutes Koronarsy. vereinbart: Clopidogrel 300–600 mg p. o.
5 • Neuere ADP-Rezeptor-Antagonisten: Schneller und effektiver als Clopido-
grel wirken Prasugrel (60 mg) und Ticagrelor (180 mg), deren präklini-
scher Einsatz bei STEMI-Pat. erwogen werden kann. Bei beiden Substan-
zen muss aber im Vergleich mit Clopidogrel mit einer erhöhten Rate von
Blutungskomplikationen gerechnet werden → Nutzen gegen Risiko bei je-
dem Pat. individuell abwägen. Cave: Kein Prasugrel oder Ticagrelor bei
Pat. mit Z. n. hämorrhagischem Insult oder zerebrovaskulärem Ereignis
geben!
• Bei Übelkeit Metoclopramid 10–20 mg i. v.
• β-Blocker, z. B. Metoprolol bei Tachykardie und anhaltender Angina pectoris-
Symptomatik max. 3 × 5 mg i. v. nach Herzfrequenz (KI: f < 60/Min., RRsyst
< 90 mmHg, massive Linksherzinsuff., Asthma).
• Ggf. Lyse (▶ 5.10).
• Bei Zeichen der Linksherzinsuff. (▶ 5.3) Furosemid 20–40 mg i. v.
• Bei schwerwiegenden symptomatischen ventrikulären Tachykardien Amio-
daron 5 mg/kg KG über mind. 3 Min. Danach Dauerinfusion 10–20 mg/kg
KG/24 h. Bei Unwirksamkeit Wiederholung des Bolus (5 mg/kg KG) nach
15 Min. Bei Erfolglosigkeit Ajmalin 25–50 mg i. v.
• Bei Kammertachykardie medikamentöser Therapieversuch (s. o.), bei Erfolg-
losigkeit oder Kreislaufinstabilität synchronisierte Kardioversion, bei Kam-
merflimmern Defibrillation (▶ 3.4.12).
• Bei Bradykardie: Atropin 0,5–1 mg i. v., bei Wirkungslosigkeit Orciprenalin
0,1–0,5 mg i. v., ggf. externe SM-Stimulation (▶ 3.4.13).
• Ggf. Schocktherapie (▶ 5.9).
• Ggf. Reanimation (▶ 3.5).
  5.2 Akutes Koronarsyndrom  235

• Bei Pat. unter oraler Antikoagulation mit Phenprocoumon oder neuen


oralen Antikoagulanzien (Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban)
empfiehlt sich eine Gabe von Acetylsalicylsäure 250–500 mg i. v.
• Auf eine weitere präklinische antithrombotische Therapie z. B. mit
­Heparin, Colpidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor sollte bei diesen Pat.
verzichtet werden (Entscheidung über eine zusätzliche antithromboti-
sche Therapie erst in der Klinik).
• Eine präklinische fibrinolytische Therapie ist bei diesen Pat. kontraindi-
ziert.
• Die primäre PCI ist bei diesen Pat. die Reperfusionstherapie der Wahl.
Transport  Möglichst frühzeitige Organisation des Transports in ein geeignetes
Zentrum mit einer echten 24-h-Bereitschaft zur Durchführung einer Akut-PTCA,
falls die zeitliche Verzögerung durch den Transport < 90 Min. ist. Ansonsten um-
gehender Transport in die nächste internistische Fachabteilung.
Prinzipien der Weiterbehandlung  Intensivmedizinische Überwachung, EKG mit
12 Ableitungen, Enzymdiagnostik, Notfallherzkatheteruntersuchung, ggf. PTCA
(in entsprechenden Zentren), Lysetherapie, Vollheparinisierung. Die Akut-PTCA
ist die einzige Option zur Reperfusion bei Lyseversagen, kardiogenem Schock, In-
farktalter > 12 h und Infarkt nach Bypass-OP.
Differenzialdiagnose  ▶  Tab. 7.2. Funktionelle Herzbeschwerden: Meist mit an
den Extremitäten aufsteigenden Parästhesien, Schwere- oder Lähmungsgefühlen, 5
Zeichen des Hyperventilationssy. (▶ 7.6), bekannten psychischen Problemen bzw.
Alterationen.

• Nur bei ca. 50 % der Pat. finden sich stenokardische Beschwerden in der
Vorgeschichte.
• Komplikationen: Kardiogener Schock, Lungenödem, Rhythmusstörun-
gen (Kammerflimmern, Asystolie).
• Eine Subarachnoidalblutung (▶ 8.3.5) oder eine Perimyokarditis kann
EKG-Veränderungen wie beim Myokardinfarkt bewirken!
• „Non-ST-Elevation-Myocardial-Infarction“ (NSTEMI): Dieser „kleine
Infarkt“ ist definiert durch das Auftreten der typischen Beschwerden ei-
ner instabilen Angina (Stenokardien, im Gegensatz zum „großen In-
farkt“ aber keine ST-Hebungen im EKG) mit gleichzeitigem Anstieg der
Kardiomarker Troponin I oder T.

• Keine i. m. Injektionen, um Infarktenzymbestimmung (CK) nicht zu ver-


fälschen. KI für Lysetherapie.
• Keine Heparin-Gabe, wenn gleichzeitig das Risiko einer intrazerebralen
Blutung besteht!
236 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

5.3 Akute Linksherzinsuffizienz
Symptomatik 
• Dyspnoe, Tachypnoe, Orthopnoe.
• Unruhe, Kaltschweißigkeit.
• Schwächegefühl.
• Verwirrtheit (v. a. ältere Pat.).
NYHA
„New York Heart Association Functional Classification“. System der Eintei-
lung des Schweregrades einer Herzinsuffizienz:
• NYHA I: Keine Symptome.
• NYHA II: Symptome bei erheblicher Anstengung.
• NYHA III: Symptome bei leichter Anstrengung.
• NYHA IV: Ruhesymptome.
Kurzanamnese 
• KHK, Hypertonie, Klappenvitien, Nierenerkrankung.
• Z. n. Myokardinfarkt, Myokarditis, hypertensive Krise, Rhythmusstörungen.
• Nykturie, Reizhusten.
• Medikamente wie z. B. Digitalis, Antihypertensiva, Antianginosa, Diuretika,
Immuntherapie bei Ca.
Sofortdiagnostik 
5 • Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↑), SpO2 (evtl. ↓), RR (↓), EKG (evtl. Rhythmusstörungen).
• Schockzeichen?
• Inspektion:
– Zyanose, Blässe.
– Halsvenenstauung.
– Schaumig, rötliches Sputum.
• Auskultation:
– Lunge: Feuchte RG, ggf. nur Giemen und verlängertes Exspirium.
– Herz: Galopprhythmus (3. und 4. Herzton), vitientypische Geräusche?
Sofortmaßnahmen 
• Oberkörperhoch- und Beintieflagerung.
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, ▶ 1.22).
• 2 Hub (0,8 mg) Nitroglyzerinspray s. l. oder 1 Nitroglyzerinkapsel zerbeißen
lassen bei RRsyst ≥ 100 mmHg und Puls > 50/Min.
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22) mit minimaler Infusions-
geschwindigkeit.
• Ggf. Intubation und Beatmung.
• Furosemid 20–80 mg i. v.
• Ggf. Sedierung/Analgesie bzw. Hustendämpfung mit 2-mg-Boli Morphin i. v.
• Ggf. Sedierung mit Midazolam 1,25 mg i. v.
• Bei hypertensivem Notfall ▶ 5.7.
• Ggf. Spritzenpumpe: Nitroglyzerin 50 mg mit NaCl 0,9 % auf 50 ml: 0,5–6 ml/h,
wenn RRsyst ≥ 100 mmHg und Puls > 50 und < 100/Min.
• Bei ausgeprägter Bronchospastik: β2-Sympathikomimetika-Aerosol, z. B.
2 Hübe Fenoterol oder Theophyllin 200 mg langsam i. v. (cave: Tachykardie).
  5.4 Herzrhythmusstörungen  237

• Schocktherapie ▶ 5.9.
• Rhythmusstörungen ▶ 5.4.
Transport  Immer Transport in die nächste internistische Fachabteilung.
Prinzipien der Weiterbehandlung  Weiterbehandlung je nach Ursache, Flüssig-
keitsbilanzierung.
Differenzialdiagnose  Asthma bronchiale (▶ 7.2), Lungenödem aus nichtkardia-
ler Ursache (▶ 7.5).

Nur minimale Flüssigkeitsmengen infundieren.

5.4 Herzrhythmusstörungen
5.4.1 Tachykarde Rhythmusstörungen
Symptomatik 
• Herzrasen, Angst-, Beklemmungsgefühl.
• Angina pectoris.
• Dyspnoe.
• Schwindel, präkollaptische Zustände, Synkope, Krämpfe.
• Kardiogener Schock.
• Evtl. Harndrang.
Kurzanamnese  5
• Bekannte KHK, Herzvitien, Rhythmusstörungen.
• Schilddrüsenüberfunktion.
• Physische oder psychische Belastung.
• Alkohol, Nikotinabusus.
• Medikamenteneinnahme, Drogen, Fieber.
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (zentral und peripher messen: Pulsdefizit?). Puls unregelmäßig, Pulsdefi-
zit → ventrikuläre Extrasystolie.
• SpO2 (↓), RR (↓).
• EKG (▶ Abb. 5.1, ▶ Abb. 5.2):
– Ventrikuläre Extrasystolie (intermittierend schenkelblockartig deformier-
te QRS-Komplexe).
– Sinustachykardie.
– Vorhoftachykardie, -flattern und -flimmern.
– Tachykardie mit schmalen Kammerkomplexen (< 0,12 s, d. h. QRS bei
25 mm/s EKG-Registriergeschwindigkeit < 3 mm und bei 50 mm/s
< 6 mm).
– Tachykardie mit breiten, schenkelblockartigen Kammerkomplexen
(> 0,12 s).
– Torsade de pointes (Sonderform der Kammertachykardie): Um die Null-
Linie spindelförmig undulierende QRS-Komplexe.
– Kammerflimmern, -flattern (▶ 3.5.2).
• Auskultation:
– Herz: Vitientypische Geräusche?
– Lunge: Stauung?
238 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

VES
Sinustachykardie

Multiforme VES

Bigeminus
(VES – normaler
Komplex – VES –
Paroxysmale supraventrikuläre normaler Komplex
im Wechsel)
Tachykardie (Reentry-Tachykardie)
Couplets
(2 VES direkt
hintereinander)

Vorhofflattern Salven
(> 2 VES
hintereinander)

Vorhofflimmern (absolute Arrhythmie)


Abb. 5.2 Ventrikuläre Extrasystolen
[L190]
Tachykardie mit breitem QRS-Komplex

„Torsade de pointes“

Abb. 5.1 Tachykarde Rhythmusstörun­


5 gen [L190]

Sofortmaßnahmen 
! Präklinische Behandlung nur bei relevanten hämodynamischen Auswirkun-
gen (Schwindel, Benommenheit, Synkope, Bewusstlosigkeit, Stenokardie,
Lungenödem, Schock) und unter permanenter EKG-Kontrolle.
• Lagerung je nach Kreislaufsituation (▶ 2.5).
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, ▶ 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion (Ringeracetat ▶ 1.22).
• Bei ventrikulärer Extrasystolie Therapie nur bei Salven und gleichzeitigem
V. a. akuten Myokardinfarkt: Amiodaron 5 mg/kg KG über mind. 3 Min. Da-
nach Dauerinfusion 10–20 mg/kg KG/24 h. Bei Unwirksamkeit Wiederho-
lung des Bolus (5 mg/kg KG) nach 15 Min.
• Vagusreiz durch Valsalva-Pressdruckversuch oder Karotissinusmassage.
Antiarrhythmika immer sehr langsam injizieren (außer Adenosin).

Prinzipien der Weiterbehandlung  (▶ Abb. 5.3).


• Langzeit-EKG, Diagnostik und Therapie einer Grundkrankheit, ggf. Antiko-
agulation, Kardioversion, antitachykarde Pharmakotherapie, antitachykarder
SM (ICD), Katheterablation.
• Keine präklinische Therapie ist gewöhnlich erforderlich bei:
– Tachykardie mit engem QRS-Komplex: Gut tolerierte Sinustachykardie
mit normalem oder hohem RR (evtl. β-Blocker). Andauernde Schmer-
zen oder frühes Herzversagen als Ursache der Sinustachykardie aus-
schließen!
  5.4 Herzrhythmusstörungen  239

– Tachykardie mit breitem QRS-Komplex: Vereinzelte frühe VES oder län-


gere und komplexere Arrhythmien wie Couplets oder ventrikuläre Salven
relativ niedriger Frequenz.

• Komplexe ventrikuläre Arrhythmien als Komplikation einer Bradykar-


die mit Atropin und nicht mit Antiarrhythmika behandeln.
• Bei Tachykardien mit breiten Kammerkomplexen ist Verapamil kontra-
indiziert (RR ↓, kardiogener Schock).
• Jede Tachykardie mit breiten Kammerkomplexen gilt bis zum Beweis des
Gegenteils (z. B. Demaskierung einer supraventrikulären Tachykardie mit
aberrierender Leitung mittels Adenosin) als ventrikuläre Tachykardie.

Tachykardie

Je nach Ursache z.B.


Ja • Sedierung
Sinus-
• Analgesie
tachykardie
• Volumensubstitution
Nein
• Vagusreiz
• Verapamil (z.B. Isoptin®) 2,5–5 mg i.v.,
Vorhof ggf. Wiederholung nach 10 Min.
- tachykardie Ja mit 5–10 mg, oder Esmolol
- flimmern
- flattern
(z.B. Brevibloc®) 40 mg i.v.
• Bei Vorhofflimmern/-flattern zusätzlich 5
0,4 mg Digoxin (z.B. Lanicor®)
Nein

• Evtl. Adenosin (z.B. Adrekar®) 6 mg


QRS Ja In- Ja schnell i.v., ggf. Wiederholung nach 1 Min.
< 0,12 s stabil mit 12 mg
• Ggf. Sedierung
Nein Nein ‣
• Kardioversion ( 3.4.11)

• Vagusreiz
• Adenosin (z.B. Adrekar®) 3 mg i.v.,
ggf. Wiederholung nach jeweils 1–2 Min.
mit 6, 9 und 12 mg
• Verapamil (z.B. Isoptin®) 5–10 mg i.v.
• Magnesiumsulfat 1–2 g i.v.
• Vagusreiz
• Ajmalin (z.B. Gilurytmal®) 25–50 mg i.v.

QRS In- Ja • Ggf. Sedierung


> 0,12 s stabil • Kardioversion

Nein

„Torsade de pointes“
• Magnesiumsulfat • Amiodaron (z.B. Cordarex®) 5 mg/kg KG
2 g i.v. i.v., ggf. Wiederholung nach 15 Min.
• Ggf. Defibrillator Perfusor: 10–20 mg/kg KG/24 h
• Ajmalin (z.B. Gilurytmal®) 50 mg i.v.

Abb. 5.3  Therapie tachykarder Rhythmusstörungen [L190]


240 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

5.4.2 Bradykarde Rhythmusstörungen

Herzfrequenz < 50/Min.

Symptomatik 
• Schwindel, Synkope.
• Bewusstseinstrübung, Krämpfe.
• Dyspnoe.
• Übelkeit.
• Angina pectoris, Herzinsuff., kardiogener Schock.
Kurzanamnese 
• Bekannte KHK, Z. n. Myokardinfarkt, Myokarditis.
• Hyperkaliämie (z. B. bei Niereninsuff.).
• Medikamente (Digitalis, β-Blocker).
• Hypothyreose.
• Gestörte Kreislaufregulation (Hirnstamminfarkt, erhöhter Hirndruck,
▶ 8.3.2).
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↓), SpO2 (↓), RR (↓), EKG (▶ Abb. 5.4).
• Radialispuls arrhythmisch und evtl. durch Pulsdefizit bradykard → ventriku-
läre Extrasystolie (▶ 5.4.1).
5 • Schockzeichen?
Sofortmaßnahmen 
! Präklinische Behandlung nur bei relevanten hämodynamischen Auswirkun-
gen (Schwindel, Benommenheit, Synkope, Bewusstlosigkeit, Stenokardie,
Lungenödem, Schock) und unter permanenter EKG-Kontrolle.
• Lagerung je nach Kreislaufsituation (▶ 2.5).
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22).
• 0,5–1 mg Atropin i. v., ggf. wiederholen (Höchstdosis: 3 mg).
• Bei Wirkungslosigkeit: Adrenalin 1 mg mit NaCl 0,9 % auf 50 ml verdünnen
(1 ml = 20 μg); 1 ml-Boli i. v. i. v.
• Bei Wirkungslosigkeit: Externe Stimulation (▶ 3.4.13) ggf. unter Sedierung.
• Ggf. Reanimation (▶ 3.5).
Prinzipien der Weiterbehandlung  Langzeit-EKG, Diagnostik und Therapie einer
Grundkrankheit, antibradykarde Therapie, ggf. permanenter SM.
Differenzialdiagnose  Zirkulatorische Synkope (▶  5.8), epileptischer Anfall
(▶ 8.3.4).

Bei AV-Block II. Grades Typ II (Mobitz II°) und AV-Block III. Grades kann
Atropin eine paradoxe Verstärkung der AV-Blockierung mit Abfall der
Kammerfrequenz verursachen.
   5.5  Notfälle bei Patienten mit Herzschrittmacher  241

5.5 Notfälle bei Patienten mit


Herzschrittmacher
Symptomatik 
• Synkope (▶ 5.8) .
• Ruhedyspnoe, evtl. Tachypnoe.
• Unruhe, Kaltschweißigkeit.
Kurzanamnese 
• Herzschrittmacherpass.
• Thorax- oder Abdominaltrauma (Elektrodendefekt oder -dislokation).
• Einwirkung starker elektromagnetischer Felder, z. B. Hochspannungs- oder
Starkstromanlagen, Sendeanlagen? Mobiltelefon?

Sinusbradykardie

Sick-Sinus-Syndrom

2 x PP
5

SA-Block II. Grades

AV-Block I. Grades

P P P P P P

0,18 0,29 0,30 0,35 ∞


AV-Block II. Grades Typ Wenckebach

P P P P P P

AV-Block II. Grades Typ Mobitz

P
P P P P P P P P

AV-Block III. Grades

Abb. 5.4 Bradykarde Rhythmusstörungen [A300]


242 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↑ oder ↓), SpO2, RR.
• EKG (▶ Abb. 5.5, ▶ Abb. 5.6):
– Starrfrequente Stimulation mit einer tatsächlichen Frequenz < der
­programmierten Frequenz, z. B. durch Batterieerschöpfung (SM-Pass:
Programmierte Frequenz, Implantationsdatum).
– Bradykardie ohne sichtbare SM-Impulse (z. B. durch Impulsgeberdefekt,
Kabelbruch, oder Oversensing, d. h. Missdeutung von Muskelaktionen als
Eigenaktion).
– Bradykardie mit sichtbaren SM-Impulsen ohne nachfolgende Depolarisa-
tion (Exitblock z. B. durch Elektrodendislokation oder Anstieg der Pacing-
Schwelle durch Fibrosierung).
– Unkoordiniertes Auftreten von starrfrequenten SM-Impulsen und ausrei-
chenden Eigenaktionen (undersensing z. B. durch Sondenkontaktproble-
me), ggf. mit Auftreten von Kammerflimmern.
– Tachykardie ohne SM-Impulse (SM-unabhängig).
– Tachykardie mit SM-Impulsen (SM-abhängig, z. B. durch Reentrytachy-
kardie).
• Inspektion:
– Typische Narbenlokalisation links oder rechts infraklavikulär.
– SM-Taschendekubitus, evtl. mit Luxation des SM aus der Weichteilta-
sche?
– Zyanose, Halsvenenstauung.
5 • Palpation des Aggregats im Narbenbereich.
• Auskultation: Lungenstauung?
Sofortmaßnahmen 
• Oberkörperhochlagerung, ggf. Schocklagerung (▶ 2.5).
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22).
• Bei Bradykardie:
– 0,5–1 mg Atropin i. v.
– Bei Erfolglosigkeit Orciprenalin 0,1–0,5 mg i. v.
– Bei Erfolglosigkeit externe Stimulation (▶ 3.4.12).
• Bei Tachykardie:
– SM-abhängig: Magnet auf SM auflegen (→ Umschalten in starrfrequente
Stimulation).
– SM-unabhängig ▶ 5.4.1.
• Bei Kammerflimmern Defibrillation (▶ 3.4.11).
• Ggf. Schocktherapie (▶ 5.9).
• Ggf. Reanimation (▶ 3.5).
• Bei SM-Luxation Aggregat in mit Ringeracetat oder NaCl 0,9 % getränkte
Kompresse einwickeln oder mit Elektrodenpaste bestreichen und auf der
Haut fixieren.
! Immer SM-Ausweis mitnehmen.
Transport  Nach Möglichkeit in das implantierende oder betreuende Zentrum,
bei größerer Entfernung in die nächste kardiologische Fachabteilung.
   5.6  Notfälle – implantiertes Kardioverter-/Defibrillator-System 243

Einsetzen von Spontanaktionen

Abb. 5.6  EKG bei fehlender Beantwor­


tung von Schrittmacherimpulsen
Fehlendes Einsetzen von Spontanaktionen
→ asystole Pause [A300]

Abb. 5.5 EKG bei Schrittmacher –


­Sensingdefekt [A300]

Prinzipien der Weiterbehandlung  Überprüfung des SM, ggf. Umprogrammie-


rung, chirurgische Korrektur oder Aggregatwechsel, ggf. antiarrhythmische The-
rapie.

• Elektromagnetische Störsignale oder -felder können die regelrechte SM-


Funktion stören (Phantomprogrammierung).
• Nach stumpfem Thoraxtrauma immer SM-Funktion in entsprechendem
Zentrum überprüfen lassen.
• Durch festfrequente Stimulation bei Magnetauflage können SM-Impul-
se in die vulnerable Phase einfallen und Herzrhythmusstörungen auslö-
sen → Defibrillator bereithalten.
• Bei SM-Pat. ist das EKG zur Todesfeststellung nicht verwertbar (▶ 1.17).
• Im Todesfall Schrittmacher-Implantation auf der Todesbescheinigung 5
vermerken.

5.6 Notfälle bei Pat. mit implantierten


Kardioverter-/Defibrillator-Systemen
Definition  Gerät zur Erkennung von tachykarden oder bradykarden Herzrhyth-
musstörungen und entsprechenden elektrischen Therapie (Kardioversion bzw.
Defibrillation bzw. antibradykarde Stimulation; z. T. antitachykarde Stimulation).
Mögliche Probleme:
• Keine Impulsabgabe der Kardioversions-/Defibrillatoreinheit trotz behand-
lungspflichtiger Rhythmusstörung (z. B. durch Elektrodendefekt oder -dislo-
kation, ICD-Funktionsstörung).
• Nichtindizierte Schockabgabe (z. B. durch elektromagnetische Störfelder).
Symptomatik 
• Dyspnoe, Angst, Kaltschweißigkeit, Synkope (Funktionsausfall).
• „Zucken“, Schmerzen, evtl. Angst (nichtindizierte Schockabgabe).
Kurzanamnese 
• Bekannte maligne Herzrhythmusstörung.
• ICD-Ausweis, „besonderer Herzschrittmacher“.
• Thorax- oder Abdominaltrauma (Elektrodendefekt oder -dislokation).
• Einwirkung starker elektromagnetischer Felder, z. B. Hochspannungs- oder
Starkstromanlagen, Sendeanlagen? Mobiltelefon?
244 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls, SpO2, RR.
• EKG:
– Maligne Rhythmusstörung (z. B. Kammertachykardie oder Kammerflim-
mern) → Funktionsausfall der Kardioversions-/Defibrillatoreinheit.
– „Normalbefund“ nach Schockabgabe → nicht indizierte (bzw. indizierte!)
Schockabgabe.
• Schockzeichen (▶ 5.9)?
• Inspektion: Typische Narbenkonstellation (linker Oberbauch oder links in­
fra­klavikulär).
• Palpation des Aggregats (meist linksepigastrisch oder linkssubpektoral).
Sofortmaßnahmen  Funktionsausfall der Kardioversions-/Defibrillatoreinheit:
Therapie wie bei Pat. ohne ICD: Bei Kammertachykardie Kardioversion, bei Kam-
merflimmern Defibrillation (▶ 3.4.12), ggf. Reanimation (▶ 3.5).
Nicht indizierte Schockabgabe:
• Ggf. Störsignale (z. B. elektrophysikalische Therapie) unterbrechen oder Pat.
aus Störfeld (z. B. Hochspannungsleitung) entfernen.
• Starken Magneten auf das Aggregat auflegen → Inaktivierung der Kardiover-
sions-/Defibrillationseinheit.
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22).
• Bei nicht indizierter Schockabgabe ggf. vorsichtige Sedierung mit z. B.
1,25-mg-Midazolam-Boli i. v.
5 • ICD-Ausweis mitnehmen.
Transport  Nach Möglichkeit Transport in das implantierende oder betreuende
Zentrum, bei größerer Entfernung in die nächste kardiologische Fachabteilung.
Prinzipien der Weiterbehandlung  Überprüfung, ggf. Umprogrammierung, chir-
urgische Korrektur oder Aggregatwechsel. Ggf. antiarrhythmische Therapie.
Differenzialdiagnose  Epileptischer Anfall (▶ 8.3.4).

• Je nach System kann durch Auflegen eines Magneten die Defibrillator-
funktion temporär für die Dauer der Magnetauflage oder permanent
ausgeschaltet (und auch wieder eingeschaltet) werden → nach Magnet­
auflage Funktion (temporär oder permanent) mit dem betreuenden
Zentrum abklären.
• Bei Magnetauflage bleibt die Funktion der VVI-Schrittmachereinheit
erhalten.
• Bei ICD-Pat. ist das EKG zur Todesfeststellung nicht verwertbar (▶ 1.17).
• Bei körperlichem Kontakt mit dem Pat. (z. B. während Herzdruckmas-
sage) kann bei ICD-Impulsabgabe evtl. ein ungefährlicher Schlag („Wei-
dezaun“) gespürt werden.

• Nach stumpfem Thorax- oder Abdominaltrauma immer ICD-Funktion


in entsprechendem Zentrum überprüfen lassen.
• Zur Kardioversion/Defibrillation bei ICD-Pat. ggf. Elektrodenposition
variieren bzw. höhere Energie wählen (▶ 3.4.12).
  5.7 Hypertensiver Notfall  245

• Cave: Elektrodenschäden z. B. durch Rautek-Griff bei Rettung des Pat.


möglich.
• Im Todesfall:
– ICD-System auf der Todesbescheinigung vermerken.
– Implantierendes bzw. den Pat. betreuendes Zentrum verständigen
lassen.

5.7 Hypertensiver Notfall
Hypertonus in der Schwangerschaft ▶ 14.2.3.
Symptomatik 
• Zerebrale Symptome:
– Starke Kopfschmerzen, Schwindel.
– Übelkeit, Erbrechen.
– Sehstörungen, Nystagmus.
– Motorische Unruhe, Verwirrtheit, Benommenheit, Bewusstseinsstörun-
gen.
– Fokale oder generalisierte Krampfanfälle, Paresen, Koma.
• Kardiale Symptome:
– Stenokardien.
– Herzrhythmusstörungen.
– Dyspnoe, Herzinsuff., Lungenödem.
• Starkes Nasenbluten. 5
Kurzanamnese 
• Bekannter Hypertonus (RR-Medikamente?).
• Unterbrechen einer antihypertensiven Therapie (v. a. Clonidin) → Rebound-
Phänomen.
• Kokainintoxikation.
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls, SpO2, RR (↑; an beiden Armen messen), EKG (evtl. Rhythmusstörun-
gen, Infarkt).
• Inspektion: Zentrale Zyanose (bei hypertensivem Lungenödem), Halsvenen-
stauung, Beinödeme, Nasenbluten.
• Lungenauskultation: Feuchte, aber nicht klingende RG → Stauung.
• Neurologische Notfalluntersuchung (▶ 8.2): Bewusstseinsstörung, Paresen,
Pupillendifferenz (Hirnödem, intrakranielle Blutung).
Sofortmaßnahmen  (▶ Abb. 5.7).
• Beruhigender Zuspruch.
• Oberkörperhochlagerung.
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• I. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat (▶ 1.22).
• Bei Angina pectoris ▶ 5.1.
• Bei Rhythmusstörung ▶ 5.4.
• Bei Linksherzinsuff. (Lungenödem): Furosemid 20–40 mg i. v.
• Bei Angstzuständen oder Agitiertheit vorsichtige Sedierung mit Midazolam
in Boli von 1,25 mg i. v. oder Diazepam 2,5 mg i. v.
246 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

• Neurologische Ausfälle: Apoplektischer Insult oder intrazerebrale Blutung


mit reaktiver Hypertonie → vorsichtige RR-Senkung bis ca. 180/90 mmHg.
• Akutes Abdomen, Trauma, schwere Schmerzen: Reaktive Hypertonie mög-
lich → primär Analgesie.

Symptomatik: Zerebral Kardial

Sofortmaßnahme: Nitrendipin Nitroglycerin

Darreichungsform: Phiole Kapsel/Spray

Dosierung: 5 mg 1,2 mg

Mindestwartezeit: 10–15 Min. 5 Min.

Unzureichender Erfolg: Wiederholung der jeweiligen Sofortmaßnahme

Mindestwartezeit: 30 Min. 15 Min.

• 5–10 mg Urapidil-Boli i.v.


Unzureichender Erfolg: • Bei unzureichender Wirkung von Urapidil:
0,15 mg Clonidin als Kurzinfusion
5
Abb. 5.7  Stufenschema der Blutdrucksenkung [L190]

• Bei forcierter RR-Senkung evtl. Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Hemipare-


sen, Atemstillstand; Myokardinfarkt, Erblindung → RR-Senkung um
30–60 mmHg syst. in den ersten 30 Min. bzw. nicht unter
150/100 mmHg in den ersten 60–90 Min.
• Der Einsatz von Nifedipin und Nitrendipin kann erhebliche Komplika-
tionen bedingen (RR ↓↓ → kardiale und zerebrale Ischämien) → dosis­
abhängigen Effekt beachten und initial nicht mehr als 5 mg p. o. geben.
Kapsel zerkauen und mit etwas Flüssigkeit schlucken lassen.
• Nitrendipin und Nifedipin nicht bei V. a. KHK (z. B. Angina pectoris-
Symptomatik) oder Diabetes mellitus (mögliche Verschleierung einer
Angina pectoris-Symptomatik) geben (Gefahr eines koronaren Steal-­
Effekts).
• Cave: Verschleierung einer neurologischen Symptomatik durch Seda-
tiva.

Transport  Immer Transport in die nächste internistische Abteilung.


Prinzipien der Weiterbehandlung  Weitere langsame Blutdrucksenkung, Thera-
pie der Komplikationen, antihypertensive Therapie.
  5.8 Zirkulatorische Synkope  247

5.8 Zirkulatorische Synkope
Symptomatik 
• Gähnen, Schwindel.
• Sehstörungen (Schwarzwerden bzw. Flimmern vor den Augen).
• Übelkeit, Kaltschweißigkeit.
• Kurz dauernde Bewusstseinsstörung („Ohnmacht“, „Kollaps“).
Kurzanamnese 
• Meist im Allgemeinen gesunde Pat. (vasovagale Synkope).
• Emotionale Erregung, Stress, Schmerz; oft im Zusammenhang mit äußeren
Faktoren wie langes Stehen, überfüllte oder überwärmte Räume, Massenhys-
terie (vasovagale Synkope).
• Beim Bücken oder Aufstehen (orthostatische Synkope).
• Bekannte Hypotonie (orthostatische Synkope).
• Hitzeexposition (Hitzeohnmacht).
• Defäkation, Miktion, Husten, Heben schwerer Lasten (pressorische Synkope).
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↓ bei vasovagaler Synkope, ↑ meist bei orthostatischer Synkope), SpO2,
RR (↓), EKG.
• BZ-Stix.
• Inspektion:
– Blässe; feuchtwarme, gerötete Haut (Hitzeohnmacht).
– Sturzverletzungen. 5
• Neurologische Notfalluntersuchung (▶ 8.2): Neurologische Ausfälle.
• Temperatur (evtl. ↑ bei Hitzeohnmacht).
Sofortmaßnahmen 
• Schocklagerung (ggf. in kühler, schattiger Umgebung).
• Frischluftzufuhr, O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
• Ggf. beengende Kleidung öffnen.
• Bei ausbleibender Besserung i. v. Zugang mit Infusion von Ringeracetat
(▶ 1.22).
• Ggf. 0,5 mg Atropin i. v.
• Ggf. ½ Amp. Etilefrin oder 1⁄5-Amp.-Boli Cafedrin/Theodrenalin nach Wir-
kung.
Transport  Bei orthostatischer oder vasovagaler Synkope hausärztliche Abklä-
rung ausreichend, in unklaren Fällen oder bei länger dauernder Synkope Trans-
port in die nächste internistische Abteilung.
Prinzipien der Weiterbehandlung  Diagnostische Abklärung, ggf. Pharmakothe-
rapie.
Differenzialdiagnose  Anaphylaktoide Reaktion (▶  19.1), Herzrhythmusstörun-
gen (▶ 5.4), epileptischer Anfall (▶ 8.3.4), Vena-cava-Kompressionssy. (▶ 14.2.2),
Hypoglykämie (▶  8.3.1), Hyperventilationssy. (▶  7.6), Lungenembolie (▶  7.4),
Myokardinfarkt (▶  5.2), Perikardtamponade (▶  11.3), zerebrovaskuläre Insuff.,
Hypoxie, Schock (▶ 5.9).
248 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

5.9 Schocktherapie
Grundsätze des Volumenersatzes
Bei schwerem Volumenmangel Kristalloide kombiniert mit Kolloiden (▶  1.22)
infundieren. Die maximale Infusionsdosis von 1.000–1.500 ml kolloidaler Volu-
menersatzstoffe spielt im RD nur eine untergeordnete Rolle. Bei massivem Volu-
mendefizit (z. B. schwere Blutung) muss Volumen ggf. auch weit über die Maxi-
maldosierungen hinaus gegeben werden.
Extrem hoher Volumenbedarf weist meist auf schwere Blutungen hin → zügiger
Transport zur kausalen chirurgischen Versorgung.
Kristalloide Infusionslösungen (Elektrolytlösungen)
Indikationen  Dehydratation (z. B. durch Schwitzen, Fieber, Diarrhö), initialer
Volumenersatz, Verbrennungen, Offenhalten venöser Zugänge. Wirkdauer kris-
talloider Lösungen: Ca. 30 Min.
Verfügbare Lösungen (▶ 1.22) 
• Ringeracetat: Kristalloid der 1. Wahl im RD.
• NaCl 0,9 %: Universelles Lösungs- und Verdünnungsmittel.
• Ringerlaktat: Leicht hypoton, daher z. B. bei SHT oder Polytrauma zusätzli-
che Schädigung möglich (Ödembildung verstärkt).
! Pädiatrische Infusionslösungen ▶ 12.1.7 sind nicht zum Volumenersatz indi-
ziert!
Small-volume-Resuscitation (SVR)  Mit hyperosmolarer Kochsalzkolloidlösung
5 (NaCl 7,2–7,5 %). Ausgeprägter Volumeneffekt (das 3- bis 4-fache des Infusions-
volumens) durch Mobilisierung endogener Flüssigkeit. Ziel ist die Wiederherstel-
lung der bei Schock und schwerer Hypovolämie gestörten Mikrozirkulation.
• Dosierung: Infusionsvolumen ca. 4 ml/kg KG (250 ml bei 70 kg KG).
• Verfügbare Lösungen: In Deutschland zugelassen: HyperHAES® (7,5 % NaCl
+ 6 % HAES 200.000) oder Rescueflow® (7,2 % NaCl + 6 % Dextran 70).
Die vorliegenden Daten aus klinischen Studien legen einen besonderen Vorteil
beim Polytrauma und SHT (Senkung der intrakraniellen Drucks) nahe.
Kolloidale Infusionslösungen (Lösungen mit hohem
Wasserbindungsvermögen)
Indikationen  Primärtherapie bei Volumenmangel und Schock jeder Genese.
Verfügbare Lösungen 
• Hydroxyäthylstärke (HAES, ▶ 1.22): Initialer Volumeneffekt abhängig von
der Konzentration, Wirkdauer abhängig vom Substitutionsgrad. Zu bevorzu-
gen sind HAES-Präparate der 3. Generation (Molekulargewicht: 130.000 Da,
Substitutionsgrad: 0,4–0,5). Kolloid der 1. Wahl im RD.
• Gelatinelösungen: Wirkdauer 1–2 h; NW. Allergien.
Schockformen
Symptomatik 
• Veränderte Bewusstseinslage: Unruhe, Angst, Apathie, Somnolenz, Koma.
• Zeichen der „Zentralisation“: Kalte, feuchte, blassgraue Extremitäten (Aus-
nahme: Septischer Schock in der Frühphase).
  5.9 Schocktherapie  249

Tab. 5.1  Differenzialdiagnose der Schockformen


Leitsymptome Anamnese/Zusatzbefunde Schockform

Starker Durst • Blutverluste Hypovol­


• Verbrennungen ämischer
• Erbrechen, Durchfälle, Peritonitis Schock
• Pankreatitis, Ileus
• s oder Min. nach Zufuhr des Bekannte Allergie oder Atopie Anaphylak­
Allergens Unruhe, Juckreiz, (Heuschnupfen, Nesselfieber) toider
Niesen, Erythem, Urtikaria • Medikamenteneinnahme Schock
• Dann Schwindel, Angstgefühl, • Insektenstiche
Übelkeit und Erbrechen, Dys­
pnoe mit Bronchospasmus,
­Larynxödem
• Evtl. Krampfanfälle
Hohes Fieber mit Schüttelfrost • Diab. mell. Septischer
• Kachexie Schock
• Agranulozytose, Leukämie, Mali­
gnom
• Glukokortikoid- oder Zytostati­
katherapie

Orthopnoe, Angina pectoris • Hypertonus, KHK, Herzinsuff. Kardioge­


• Herzrhythmusstörungen ner Schock
• Myokardinfarkt
• Klappenvitien, Myokarditis
Neurologische Ausfälle WS-/Rückenmarkverletzung Neuroge­
5
• Atraumatische Querschnittsläh­ ner Schock
mung (▶ 8.3.9)
• Guillain-Barré-Sy.

• Periphere Zyanose (Cave: Bei CO-Vergiftung rosarote Haut!).


• Hyperventilation, evtl. Dyspnoe.
Sofortdiagnostik 
• Basischeck (▶ 4.1.2).
• Puls (↑), SpO2 (↓), RR (↓), EKG (bei kardiogenem Schock evtl. Rhythmus-
störungen).
• Inspektion: Gestaute Halsvenen (kardiogener Schock), trockene Haut und
Zunge (sonstige Schockformen).
• Auskultation von Herz (Vitium → kardiogener Schock) und Lunge (Ödem →
kardiogener Schock).
• Abdomen palpieren: Druckschmerz, gespannte Bauchdecke (intraabdominale
Blutung, Perforation, Peritonitis, Ileus → hypovolämischer Schock), Pulsation
(Aortenruptur → hypovolämischer Schock)?
• Temperatur (hohes Fieber → septischer Schock).
• Neurologische Ausfälle, v. a. Lähmungen → neurogener Schock.
Sofortmaßnahmen 
• Lagerung:
–  Kardiogener Schock: Oberkörperhochlagerung (▶ 2.5).
–  Sonstige Schockformen: Volumenmangelschocklagerung (▶ 2.5).
• O2-Gabe (▶ 1.6.3, 1.22).
250 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

• I. v. Zugang mit Infusion:


–  Kardiogener Schock: Vorsichtige Volumenbelastung (Test mit 250 ml
Ringeracetat ▶ 1.22). Dann vorsichtige Infusion von Ringeracetat.
–  Sonstige Schockformen: Möglichst mehrere großlumige i. v. Zugänge zur
massiven Volumensubstitution (anfangs z. B. mit 1.000–1.500 ml HAES,
später z. B. mit Ringeracetat).
• Ggf. Narkose und Intubation (▶ 3.3).
• Ggf. Reanimation (▶ 3.5).
• Anaphylaktoider Schock (▶ 19.1):
– Bei Insektenstichen subkutane Injektion von Adrenalin 0,1–0,2 mg um die
Einstichstelle.
– Bei zunehmender Hypotension trotz adäquater Volumensubstitution:
Fraktionierte i. v. Gabe von Adrenalin nach Verdünnung einer Ampulle
(1 mg) mit 9 ml NaCl 0,9 % auf 10 ml: Max. 0,1 mg/Min., d. h. 1 ml der ver-
dünnten Lösung; insgesamt nicht mehr als 1 mg; alternativ: Dopamin 35–
70 μg/kg KG/Min. d. h. 2,5–5 mg/70 kg KG/Min.; notfalls fraktionierte Ga-
be von Noradrenalin 0,05–0,1 mg/Min. Ggf. Small-volume Resuscitation
(s. o.).
– Kein unmittelbarer Erfolg der Primärtherapie: Dimetinden 0,1 mg/kg KG
und Ranitidin 2 mg/kg KG jeweils als Kurzinfusion über 5 Min.
– Bei kutanen und pulmonalen Symptomen: Prednisolon 250–500 mg.
– Larynxödem → ggf. Koniotomie (▶ 3.4.7).
• Kardiogener Schock:
– Bei ausreichendem Blutdruck: 1 Hub Nitrospray (0,4 mg) und Spritzen-
5 pumpe mit 250 mg Dobutamin auf 50 ml NaCl 0,9 %: Initial 2 ml/h, ggf.
Steigerung bis 10 ml/h.
– Bei RRsyst < 70 mmHg Spritzenpumpe mit 250 mg Dobutamin auf 50 ml
NaCl 0,9 %: Initial 2 ml/h, ggf. Steigerung bis 10 ml/h. Zusätzlich Spritzen-
pumpe mit 5 mg Noradrenalin auf 50 ml NaCl 0,9 %: Initial 2 ml/h, ggf.
Steigerung nach Wirkung.
– Bei völlig instabilem Blutdruck: Spritzenpumpe mit 5 mg Adrenalin auf
50 ml NaCl 0,9 %: Initial 2 ml/h, ggf. Steigerung bis 15 ml/h. Ggf. zusätz-
lich Spritzenpumpe mit 5 mg Noradrenalin auf 50 ml NaCl 0,9 %.
• Ggf. Therapie von ursächlichen Verletzungen bzw. Erkrankungen.
• Neurogener Schock: Volumengabe (Ringeracetat ▶ 1.22) und Vasopressor
(z. B. Cafedrin/Theodrenalin).

• Der Schockindex (Puls/RRsyst > 1,0) ist ein unzuverlässiger Parameter.


• Bei zuvor bestehender Hypertonie evtl. „normaler“ RR.

Tachykardie nicht mit β-Blockern oder Kalziumantagonisten „behandeln“.

5.10 Präklinische i. v. Lyse bei Myokardinfarkt


Präklinische i. v. Lyse bei V. a. Lungenembolie (▶ 7.4).
Aufgrund von Studien ist mittlerweile eindeutig belegt, dass eine Akut-PTCA
beim akuten Myokardinfarkt eindeutige Vorteile gegenüber einer Fibrinolyse
bringt, auch wenn der Transport des Pat. eine zeitliche Verzögerung (< 90 Min.)
   5.10  Präklinische i. v. Lyse bei Myokardinfarkt  251

bedingt. Eine (präklinische) Lyse sollte nach Möglichkeit nur in den Fällen durch-
geführt werden, in denen ein geeignetes Zentrum mit einer echten 24-h-Bereit-
schaft nicht in einem ausreichenden Zeitraum (s. o.) gewährleistet ist.

• Aufklärung und Einverständnis des Pat. einholen und dokumentieren.


• Bei bewusstseinsgetrübten Pat. entfällt die Einholung des Einverständ-
nisses („Geschäftsführung ohne Auftrag“, ▶ 1.4.1).
• Auch bei Berücksichtigung der Nebenwirkungen ist eine Lyse bei Pat.
> 75 J. sinnvoll, sofern keine gravierende Grundkrankheit besteht.
• Das präklin. Lyseregime (Medikament, Dosierung, Begleitmedikation;
Vorverständigung der Intensivstation) sollte mit den potenziellen Auf-
nahmekliniken des Notarztbezirks abgesprochen sein.
• Vor der Lyse Heparin 60 IE/kg KG i. v., max. 4.000 IE.
Voraussetzungen 
• Personal:
– NA: Eingehende Kenntnisse der EKG-Diagnostik (Ausnahme: Telemetri-
sche EKG-Übertragung und Befundung durch Kardiologen), der Thera-
piestrategien bei Myokardinfarkt und der Behandlung möglicher Kompli-
kationen sowie Praxis im Umgang mit Antifibrinolytika.
– RD: Ausbildung als Rettungsassistent, Erfahrung in der i. v. Lyse.
• Technische Ausrüstung:
– EKG mit der Möglichkeit zur Dokumentation von 12 Ableitungen (1-, 3-, 5
6- oder 12-Kanal-Gerät, auch ▶ 1.6.6).
– Defibrillator.
– Medikamente zur Behandlung möglicher Komplikationen des Myokard-
infarkts (Arrhythmien, Schock) und der Lysetherapie (anaphylaktische
Reaktion, Blutdruckabfall, Volumenmangel).
Indikationen der präklinischen Lyse 
• Nachweis eines akuten Myokardinfarkts:
– Typische Klinik, d. h. Infarktsymptome > 20 Min., fehlendes Ansprechen
auf Nitroglyzerin.
– EKG-Veränderungen: ST-Streckenhebungen von ≥ 0,1 mV in 2 Extremi-
tätenableitungen oder von ≥ 0,2 mV in 2 benachbarten Brustwandablei-
tungen.
– Anamneseerhebung: Infarktzeit < 6 h?
– Evtl. Troponin-T-Test (▶ 1.6.7).
• Situationen, in denen durch den Verzicht auf eine präklinische Lyse ein Zeit-
nachteil von > 60 Min. entsteht.
Kontraindikationen der präklinischen Lyse 
• Absolute: Unkontrollierte Hypertonie (RRsyst > 200 mmHg, RRdiast
> 120 mmHg), größere OP oder Trauma in den letzten 2 Wo., aktive innere
Blutung.
• Relevante: Unmittelbar vorausgegangene i. m. Injektion oder arterielle Punk-
tion, nicht komprimierbare Gefäßpunktion, hämorrhagische Diathese,
Schlaganfall vor 3–6 Mon., Schwangerschaft vor der 18. Wo., Procoumon-
Therapie.
252 5 Herz-Kreislauf-Notfälle 

• Relative: In der Anamnese Magen-Darm-Ulzera, liegender Katheter, Strepto-


kokkeninfekte < 3 Mon. (nur Streptokinase und APSAC), Lyse mit Streptoki-
nase oder APSAC < 3 Mon.
Komplikationen 
• Zerebrale, gastrointestinale und urologische Blutungen.
• Allergische Reaktionen (Streptokinase, APSAC).
• Blutdruckabfall (Streptokinase, APSAC).

• Bei Pat. mit akutem Myokardinfarkt und erfolgreicher Reanimation ist


eine PTCA in der Klinik einer Lyse vorzuziehen (Reduktion der Blu-
tungskomplikationen).
• Bei unspezifischen EKG-Veränderungen wie ST-Senkung oder T-Nega-
tivierung keine Lyse-Indikation.
• Bei Pat. mit nicht genau datierbarem Schmerzbeginn oder schmerzfrei-
em Intervall keine präklin. Lyse.
• Lyse-Medikamente, die als Bolus verabreicht werden können, sind prä-
klin. bes. praktikabel.
• Keine nasotracheale Intubation, Magensonde oder Absaugung wegen
der Gefahr von Blutungen.

Tab. 5.2  Präklinische Fibrinolyse bei akutem Myokardinfarkt


5 Substanz Dosis Applikationszeit

Streptokinase 1,5 Mio. E In 60 Min.

Anistreplase (APSAC) 30 mg In 5 Min.

Alteplase (rtPA) 100 mg 15 mg Bolus, dann 50 mg in 30 Min.,


dann 35 mg in 60 Min.

Urokinase 2–3 Mio. E In 60 Min.

Reteplase 20 E 10 E als Bolus, nach 30 Min. Wdhlg.

Tenecteplase 30 (< 60 kg KG)–50 In 10 s


(> 90 kg KG) mg

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