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Mussolini als Journalist

Author(s): Walter Gruber


Source: Zeitschrift für Politik, Vol. 27, No. 6 (Juni 1937), pp. 343-349
Published by: Nomos Verlagsgesellschaft mbH
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/43527521
Accessed: 22-04-2016 17:57 UTC

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Zeitschrift für Politik

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Mussolini als Journalist
Von Walter Gruber

Der Duce trägt sieb jedes Jahr, wenn am 21. April, dem Geburtstage Roms,
die Haushaltslisten auszufüllen sind, in der Sparte für Berufsbezeichnung als
„giornalista" ein. Man darf darin mehr als ein Zeichen der äußeren Verbunden-
heit mit dem früheren Beruf erkennen. Heute noch fühlt sich1 Benito Mussolini
als der „erste Journalist seines Landes" und wird mit diesem Titel auch immer
wieder in Reden und Aufsähen über die faschistische Presse bezeichnet.
So erklärle der Mitbesitzer des Mailänder „Corriere della Sera", Mario
Crespi, am 21. Mai 1937 anläßlich der Aussprache über den Haushalt des
früheren Presse- und Propaganda-, jetzigen Ministeriums für Volksbildung, im
Senat:

„Der Gründer und Führer des Faschismus ist auch unser größter
journalistischer Meister. Er hat die moderne Presse geschaffen."
Mussolini erwirbt sich das Anrecht auf solches Lob nicht nur durch sein
ständiges Interesse für alle Fragen, die die italienischen Journalisten und Zei-
tungen berühren, sondern auch durch seine Mitarbeit an dem von ihm ge-
gründeten „Popolo dTtalia". Seine Aufsätze und Glossen erscheinen zwar nicht
mehr so häufig wie einst. Sie sind aber im Stil und in der ganzen Gedanken-
führung so typisch, daß es keiner Unterschrift bedarf, um sie als Werk des
Duce zu erkennen. Außerdem werden sie in auffälliger Kursivschrift gehegt
und von der gesamten übrigen Presse nachgedruckt. Mussolinis journalistisches
Talent ist auch in den täglichen Artikeln Virginio G a y d a s zu erkennen. Gayda
ist der Direktor des römischen Abendblattes „Giornale d'Italia", das vor allem
in außenpolitischen Fragen besonderes Ansehen genießt. Er erhält seine Direk-
tiven vom Duce, ohne daß ihm dieser aber nun peinlich genau vorschreibt, wie
er sich ausdrücken soll. Überhaupt ist es für den faschistischen Journalismus,
wie er Mussolini als Ideal vorschwebt, kennzeichnend, daß er jedem Journalisten
möglichst viel Eigenarbeit überläßt. So erklärte Dino Alfieri am 18. Mai 1937
in der Kammer über die faschistische Presse:
„Unser Regime hat niemals die Absicht gehabt, die freie Initiative
auszuschalten. Im Gegenteil ermutigen und spornen wir die Journalisten
in jeder erdenklichen Weise dazu an."
Wie stark diese Worte den Geist des Duce atmen, geht aus verschiedenen
anderen Zeugnissen hervor. So schrieb Mussolini bereits zu Anfang des Jahres
1911 in der damals von ihm geleiteten sozialistischen Wochenschrift „La Lotta
di Classe":
„Der Journalismus ist für uns kein Brotberuf, sondern eine Mission.
Wir sind nicht Journalisten wegen des Lohnes. Wären wir das, so hätte
es uns nicht an einer besseren Stelle gefehlt. Für uns ist die Zeitung
nicht ein Blatt, das Woche für Woche mit dem angefüllt «ein will, das
sich gerade ereignet. Nein, die Zeitung ist für uns die Partei, sie ist
eine F ahne"1).

A) Zitiert nach A. Dresler „Geschichte der italienischen Presse", München


1935, Bd. III S. 19.
23*

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überraschend ist der Ton dieser Erklärungen, wenn man -damit vergleicht,
was der Duce im November 1933 vor den Hauptschriftleitern der italienischen
Zeitungen über das faschistische Presseideal ausgeführt hat:
„Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, daß ich mit Euch zufrieden
bin. Ihr brandit Euch aber darüber nicht zu kränken, denn ich bin nie-
mals zufrieden, nicht einmal mit mir selber . . . Die italienischen Journa-
listen müssen sich als die Soldaten betrachten, die dazu kommandiert
sind, den vorgeschobensten Abschnitt der faschistischen Front, der außer-
dem der schwierigste ist, zu verteidigen. Hierfür steht ihnen die wirk-
samste und gefährlichste Waffe zur Verfügung . . . Heute ist die ganze
Nation Block und Schild, und alle Zeitungen sind eine einzige F ahnen-
front.4*
Ein Vergleich dieser beiden Aussprüche zeigt, wie Mussolini im Grunde
immer sich selbst treu geblieben ist, wie er aber andererseits seine Anschauungen
klärte und seinen revolutionären Drang mit dem Dienst an der ganzen Nation
verband. Diese Wandlung drückt sich audi in seinem persönlichen journalistischen
Werdegang aus.
Nachdem er erst als Hilfslehrer in Italien und im Auslande mühselig sein
Brot verdient hatte, kam er 1906 nach Trient und trat als Hilfsschriftleiter in
die Redaktion des dortigen italienischen „Popolo16 ein, der unter der Leitung
von Battisti sozialistische Ideen mit dem Kampf gegen die österreichische Regie-
rung verquickte. Als auch Mussolini in seinen Artikeln offen die Gedanken der
italienischen Irredenta vertrat, wurde er ausgewiesen und mußte nach Italien
zurückkehren. Erst vier Jahre später trat er mit dem bereits erwähnten Wochen-
blatte „La Lotta di Classe" hervor, das er in Forlì, der Hauptstadt seiner Heimat-
provinz, herausgab. Ende des Jahres 1911 wurde er wegen „aufwieglerischer
Artikel" gegen den italienischen Feldzug in Tripolis verhaftet und verurteilt.
Dadurch wurde er mit weiteren Kreisen der sozialistischen Partei Italiens be-
kannt, so daß er sich auf den beiden Parteikongressen des Jahres 1912 des
radikalen Flügels bemächtigen konnte, der die Mehrheit für sich gewann und
Mussolini zum Leiter des Hauptblattes der Partei, des Mailänder „Avanti",
machte. Hier zeigte es sich nun, daß er der geborene Journalist war. Energisch
ging er an den inneren Ausbau des Blattes, dessen Auflage er innerhalb von
zwei Jahren von 25 000 auf 93 000 steigerte.
Allgemein bekannt ist, daß bei Ausbruch des Weltkrieges die entscheidende
Stunde für das Blatt und für Mussolini kam. Um den inneren Zwiespalt in der
sozialistischen Partei zu beseitigen, trat er in seinem Blatte auf eigene Ver-
antwortung für die Intervention ein. Er drang damit nicht durch. Entschlossen
legte er deshalb am 19. Oktober 1914 sein Amt als Hauptschriftleiter nieder.
Bereits am 15. November trat er mit einem neuen eigenen Blatte, dem „Popolo
d'Italia", hervor. Über die Gründe, die ihn dabei leiteten, schrieb er selbst im
ersten Leitartikel unter der Überschrift „Kühnheit"!2):
„Wenn es sich um eine Frage untergeordneter Bedeutung gehandelt
hätte oder handeln würde, so hätte ich nicht das Bedürfnis, oder, besser
gesagt, die „Pflicht" empfunden, eine Zeitung zu gründen: aber jetjt
handelt es sich, was audi immer die Anhänger der Neutralität sagen
mögen, um die Lösung einer gewaltigen Frage: die Geschicke Europas
sind mit dem Ausgang dieses Krieges aufs engste verbunden; sich hier
desinteressiert zu erklären, hieße sich von Geschichte und Leben loslösen.
Das, was, ich vorhabe, ist eine Kühnheit, und ich verhehle mir nicht die
2) Benito Mussolini: Schriften und Reden 1914 - 1919, Züridi 1936, Bd. I S. 2 f.

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Gruber , Mussolini als Journalist 345

Schwierigkeiten des Unternehmens. Sie sind zahlreich und vielfältig, aber


ich habe das feste Vertrauen, sie zu überwinden. Ich stehe nicht allein.
Nicht alle meine Freunde von gestern werden mir folgen; aber viele
andere aufrührerische Geister werden sich um mich scharen. Ich werde
eine ganz unabhängige, freie Zeitung herausgeben, in der ein sehr per-
sönlicher Ton herrschen wird: der meine. Ich werde nur meinem
Gewissen folgen, und nichts anderem."
Sofort begann er auch mit einer heftigen Polemik gegen den sozialistischen
„Avanti". Immer schärfer wurde dabei «eine Sprache, immer härter seine Forde-
rung, daß Italien auf der Seite der Entente in den Weltkrieg eintreten müßte.
Die Reden, die Mussolini in den Versammlungen der „Fasci di Interventi" hielt,
erschienen meist als Leitartikel. Auch umgekehrt wurden viele seiner flam-
menden Artikel in den Versammlungen vorgelesen. Damals bahnte sich seine
enge Verbindung mit Gabriele d'Annunzio an. Diese Bekanntschaft dürfte ihn
anch zu folgendem Bekenntnis veranlaßt haben, das wiederum Zeugnis ablegt
von der hohen Meinung, die Mussolini vom Journalistenstand hat:
„. . . Was der Krieg wirklich bedeutet, in seiner ganzen historischen
Tragweite und in seiner Entwicklung, ist außer vom Volke nur von zwei
Gattungen Menschen erfaßt worden: von den Dichtern und von den Fabri-
kanten. Von den Dichtern, die nodi vor dem gewöhnlichen Durchschnitt
die aufdämmernden Wahrheiten erfassen; von den Fabrikanten, die be-
griffen, daß dieser Krieg ein Krieg der Maschinen ist. Zwischen diese
beiden Gruppen stellen wir noch die Journalisten, die genug Dichter sind,
um keine Fabrikanten zu sein, und genug Fabrikanten, um keine Dichter
zu sein. Und die Journalisten haben einige Male der Regierung den Weg
gewiesen. Ich spreche von jenen bedeutenden Journalisten, deren Ohren
offen sind und den Schwingungen der äußeren Welt gespannt lauschen.
Der Journalist hat oft das vorausgesehen, was die wahren Verantwort-
lichen häufig verspätet bemerkten"3).
Audi nach seinem freiwilligen Eintritt ins Heer und der Abkommandierung
an die Front arbeitete Mussolini an seinem Blatte weiter mit. Regelmäßig ver-
faßte er Leitartikel zur jeweiligen Lage. Außerdem veröffentlichte der „Popolo
d'Italia" in Fortsetjungen Mussolinis Kriegstagebuch. Bezeichnenderweise setjte
er sich darin audi für die Schaffung einer italienischen! Heereszeitung ein. Über
ihre Aufgabe schrieb er:
„Die Zeitung muß zwei- oder dreimal wöchentlich erscheinen und soll
die offiziellen Berichte unserer Armee und der Verbündeten enthalten.
Sie muß ferner Artikel und Erzählungen über kühne Taten bringen, die
geeignet sind, den Geist der Truppen zu stärken."
Noch vor dem Abmarsch an die Front hat Mussolini an seine Schriftleiter
einen Brief geschickt, der von dem Blatte veröffentlicht wurde; dieser Brief
offenbart erneut, daß Mussolini den Journalismus als eine kämpferische An-
gelegenheit betrachtet, wie ja auch sein Blatt nicht nur im Inhalt, sondern in
der ganzen Aufmachung und Zielsetzung ein typisches Kampfblatt war. Vor
allem aber redete er eine Sprache, die jeder Italiener verstand, und die das
revolutionäre Feuer erkennen ließ, das in ihm lohte. So schrieb er also u. a.:
„Wenn wir uns anschicken, die winterlichen Unbilden des Schützen-
grabens und die unvermeidlichen Gefahren der Schlachten zu ertragen,
so wollen wir im Rückei* gesichert sein. Es darf dort niemanden geben,
der unsere Energie hemmt und auf unser Blut spekuliert. Wenn es

5) a.a.O. S. 281.

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solche gibt, so müssen sie umgebracht werden. Die Fäulnis, die wir im
vergangenen Mai zu überwinden hatten, ist nodi nicht vollständig hinweg-
gefegt und zerstreut. Diese Aufgabe vertraue idi Euch an, liebste Freunde.
Seid immer wachsam! Kämpft unablässig! Gebt den Hyänen, die sich an-
schicken, das Totenmahl zu verschlingen, keinen Augenblick Frieden. Wir
werden kämpfen; kämpft auch Ihr!
Das Programm gebe ich Euch mit dem Spruch: „Nicht locker lassen !"
Ich weiß, daß Ihr dieser Weisung die Treue halten werdet. Idi weiß,
daß Ihr nicht locker laßt und auch nicht locker lassen werdet. Idi weiß,
daß Ihr in dem gleichen Feuer entbrannt seid wie ich; daß Ihr das
gleiche tiefe Gefühl für dieses Blatt habt, dem Ihr den besten Teil
Eures Selbst gewidmet habt; Ihr begreift, daß der von mir vor zehn
Monaten eingeleitete Feldzug nicht zu Ende ist, sondern einfach nur in
eine neue Phase getreten ist; Ihr haßt - so wie ich - alle unsere
Feinde, die zugleich die Feinde Italiens sind"4):
Nach diesen Grundsätzen leitete Benito Mussolini den publizistischen Kampf
auch selbst, als er infolge einer schweren Verwundung dienstunfähig geworden
war. Ihm war es vor allem zu verdanken, daß die Stimmung nach der italieni-
schen Niederlage bei Karfreit nicht in eine Panik ausartete und daß sich die
nationalen Widerstandskräfte sammelten.
Am 8. November 1917 forderte er dio Regierung auf, einen Appell an die
ganze Nation zu richten:
„Die Regierung muß sprechen. Sie muß zum Volke sprechen. Sagt
den Italienern, daß sie dem Vormarsch der Österreicher und Deutschen
ihre Brust als Wall entgegenstellen müssen, um das Gebiet unserer Nation
vor der Besetzung zu bewahren".
Diesen Gedanken eines direkten Appells an das Volk hat er ja später, ab
er selbst an der Regierung war, immer wieder durchgeführt, wenn schicksals-
schwere Entscheidungen bevorstanden.
Als dann die Waffenstillstandsverhandlungen begannen, war er einer der
eifrigsten Verfechter des italienischen Großmachtsprogramms. Vor allem drängte
er darauf, daß die Verbündeten ihre Italien am 20. April 1915 im Londoner
Vertrag gegebenen Versprechungen auch erfüllten. Sein außenpolitischer Kampf
wurde jedoch bald überschattet durch das Ringen um die innere Erneuerung
Italiens, die er schließlich am 28. Oktober 1922 mit dem Marsch auf Rom
erfolgreich nach außen hin abschloß. Die journalistische Arbeit in diesen ent-
scheidenden Jahren hat Mussolini selbst beschrieben. In seinem persönlichsten
Buche, das dem Gedenken seines Bruders Arnaldo gilt, heißt es darüber5):
„Ich liebte den „Popolo d'Italia" bis zur Leidenschaft. Das Blatt war
zu einer Zeit entstanden, als idi von Not und Verleumdung bedrängt
war, und hatte die verschiedensten Teile des italienischen Volkes im
Interventionismus geeint. Während des Krieges und besonders nach dem
Oktober 1917 war es für Millionen von Kämpfern und Bürgern die Hoff-
nungsflagge gewesen. -
Idi hatte dem Blatt durch tausende von mir inspirierte Artikel,
Überschriften, Notizen und Zeichnungen einen besonders polemischen,
ständig angriffs- und kampfeslustigen Charakter verliehen. Ich muß be-
kennen, daß dies eines der wesentlichsten Merkmale meines Tempera-

*) a.a.O. S. 38 f.
5) Benito Mussolini: „Das Leben Arnaldos, wie sein Bruder es siehť%
Zürich 1934, S. 52 f.

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mentes ist, das heute auf anderen Gebieten in Polemiken und Kämpfen
von weit größerer Tragweite zum Ausdruck kommt. Neun Jahre hindurch
hatte ich einige hunderttausend Italiener an meinen Stil gewohnt, der
das natürliche legitime Kind meines Temperamentes ist: an einen höchst
persönlichen Stil, den ich nie verbergen konnte, weder durch Pseudo-
nyme, noch durch andere Mittel. Meine Schreibweise war ihrerseits wieder
das Resultat von mehr als zehn Jahren früherer journalistischer Schlachten.
In der Schweiz, in Österreich, in Forlì, in Onegila, in Mailand - in
Tageszeitungen, in Wochenschriften, in Revuen - , als idi notíh „Jemand"
in der italienischen sozialistischen Bewegung war, ehe diese durch den
Krieg dem Untergang entgegengeführt wurde.16
Als sich Mussolini laut Ankündigung in der Nummer vom 1. November 1922
offiziell vom journalistischen Betrieb zurückzog und den „Popolo d'Italia" seinem
Bruder Arnaldo übergab, so besagte dies keineswegs, daß er sich nun an
der gesamten Pressearbeit desinteressiert hätte. Arnaldo arbeitete seit Jahren
mit ihm engstens zusammen. Oft war es so gewesen, daß man nachträglich
nicht mehr unterscheiden konnte, was bei einer journalistischen Aktion von
Benito oder Arnaldo stammte. Im Grunde war das Verhältnis ja klar: Benito
war der anregende, führende, Arnaldo der vorsichtig wägende und aus»
führende Teil.
Auch hierüber gibt uns der Duce in dem Gedenkbuch genauen Aufschluß.
Er schreibt hier6):
„In den ersten Monaten wurde das Gerücht verbreitet, daß ich selbst
die Artikel in einem absichtlich gemäßigten Stil schriebe, aber dieses Ge-
rücht fand keinen Glauben. Dann argwöhnte man, daß ich die Richt-
linien gäbe und daß Arnaldo nur den Text einzurichten hätte. Die Wahr-
heit ist die: in den ersten; Wochen gab ich Arnaldo Ratschläge, die aber
mehr technischen als politischen Charakter hatten; in der Folgezeit sandte
ich ihm, in sehr langen Abständen, manche Artikel über besondere Fragen,
wie z. B. über Bevölkerungspolitik, ein. Artikel, die aber sofort als voo
mir stammend erkannt wurden.
Schließlich, von 1924 und 1925 an, überließ idi Arnaldo das Blatt
zur vollständig selbständigen Leitung.
Neun Jahre hindurch rief ich jeden Abend gegen 22 Uhr Arnaldo ans
Telephon. Unsere Unterhaltung pflegte sich in folgender Form abzu-
spielen:
„Was gibt es Neues?"
„Was schreibst Du für morgen?"
„Es wäre mir angenehm, wenn Du einen Artikel über diese Frage
schreiben würdest."
„Dein Artikel von heute Morgen hat mir ausgezeichnet gefallen. Er
ist fein abgestimmt, klar und wirksam."
Arnaldo war über solche Lobsprüche sehr stolz und grämte sich
andrerseits sehr über meine Verweise, die sich fast immer auf unver-
meidliche kleine Mängel bezogen, die ich manchmal im Gesamtbild der
Zeitung fand und die sich von Druckfehlern bis zu falschen Nachrichten
erstreckten.
Wenn Arnaldo über irgend etwas im Zweifei war oder fürchtete, daß
sein Artikel meiner Regierungstätigkeit Schwierigkeiten bereiten könnte,
sandte er mir das Manuskript oder den Bürstenabzug zur Einsicht. Einige
•) a. a. O. S. 55 f.

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jener ungedruckten Artikel habe ich in diesen Tagen unter seinen


Papieren gefunden. Manchmal rief er mich selbst an, um meine Meinung
über einen seiner Artikel zu erfahren, und war glücklich, wenn er mein
Lob erhielt. So wurde er nach und nach, Tag für Tag, in jener großen
Schule vervollkommnet, die der streitbare Journalismus darstellt."
Was Benito Mussolini darunter versteht, hat er an einer anderen Stelle des
Buches in folgenden Säften niedergelegt7):
„Arnaldos journalistische Tätigkeit hatte ganz klare Richtlinien. Vor
allem sah er es als seine Aufgabe an, die gesetzgeberische und politische
Tätigkeit der Regierung, die Tätigkeit der Partei und aller staatlichen
Organe zu beobachten, zu kommentieren und zu erläutern: er wollte
dieses große Werk populär machen, dessen Tragweite selbst von vielen
Faschisten nodi nicht ermessen wurde. Dies war es, was er selbst damit
ausdrücken wollte, als er dem Band, in dem er seine Artikel sammelte,
den Namen gab: „Kommentar zu Aktion". Gleichzeitig seftte er sich das
Ziel, Fehler richtigzustellen, Abirrungen wieder gutzumachen und die
Flamme der Begeisterung zu nähren. Arnaldo ist der große und bis heute
nicht übertroffene Journalist der Revolution der Schwarzhemden gewesen:
und vor allem darin, daß auch in den kleineren Artikeln, in den Glossen,
Notizen und Kommentaren, in all dem, was die geringeren Aufgaben des
Journalismus darstellt, Arnaldo niemals das Erzieherische
vergaß, das den Beruf adelt und aus ihm etwas macht, das von einem
bloßen Handel mit Nachrichten und bedrucktem Papier vollkommen ver-
schieden ist."
Wie stark dabei Arnaldo Benitos Sprecher war, geht nodi aus zahlreichen
anderen Zeugnissen hervor. Es war auch mehr als symbolisch, daß dem großen
Sozialwerk für die italienischen Journalisten sein Name verliehen wurde. Gleich-
zeitig machte Benito Mussolini die Leitsäfte seines Bruders aus dem Jahre 1927,
die er auf Grund seiner vielfältigen Erfahrungen für die Nachwuchsschulung
aufgestellt hatte, zum Katechismus der gesamten faschistischen Presse. Arnaldo
hatte damals gefordert8):
„Vermeidung hochtönender Adjektive, ernster Stil, Zusammenhang
mit der Wirklichkeit, die Schlußfolgerung in Übereinstimmung mit den
Vorausseftungen, getreuliche Auslegung des praktischen Lebens gemäß der
faschistischen Theorie und Methode. Hinsiditlidi der Adjektive kann nur
dann ein freierer Gebrauch gestattet werden, wenn von der faschistischen
Glaubenslehre die Rede ist, die ihre Märtyrer und ihren Mythos hat und
alles andere überragt. Um den Nachrichtenteil braucht man nicht ängst-
lich besorgt zu sein: Es ist notwendig, daß er reichhaltig, vollständig, neu
und originell ist und sich womöglich an den besseren Teil der Menschheit
wendet, an jenen, der sich durch sein Denken und Leben, durch seine
Begeisterung für die schönen Dinge über die Mittelmäßigkeit erhebt und
sich an der Lauterkeit der Gedanken und guten Werke freut. Man müßte
Berichte über Selbstmorde und Verbrechen vermeiden, da diese sich auf
unmenschliche und verächtliche Wesen beziehen."
Die Beachtung dieser Grundsäfte ist die Vorbedingung für die Rolle, die der
faschistische Journalist im Rahmen der politischen Erziehung des Faschismus
spielt. Mussolini hat sich darüber selbst in einer Rede am 10. Oktober 1928
vor den Hauptschriftleitern ausgelassen. Er erklärte damals:
7) a. a. O. S. 95.
*) a. a. O. S. 68-69.

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Gruber, Mussolini als Journalist 349

„Ich «betrachte den faschistischen Journalismus wie ein Orchester: den


Takt erhält das Orchester nicht, wie viele glauben, von der Regierung
und ihrem Preßbüro, sondern den muß der faschistische Journalist in sich
selber fühlen. Er muß den täglich sich darbietenden Gelegenheiten gegen-
über allein wissen, wie er dem Regime zu dienen hat. Er braucht dazu
keinen Taktstock anzusehen, er hat den Takt in seinemGewisseu.
Aber jenseits davon existiert die Vielheit der einzelnen Instrumente und
die Art, wie 6ie gespielt werden, verhindert die Kakophonie und schafft
die vollkommene Harmonie. Außer der Technik der Instrumente spielt
dabei das verschiedene Temperament der Künstler eine Rolle. Diese Ver-
schiedenheit ist notwendig, weil sie das imponderable und grundlegende
Element bildet, um die Ausführung immer vollendeter zu gestalten.
Jede Zeitung muß in der Masse ein bestimmte« In-
strument werden, das im Orchester sofort heraus-
zuhören ist. Die klassischen Streichinstrumente schließen in dem
modernen Orchester auch Blasinstrumente von ungewohnter Wirkung
nicht aus. So kann neben dem faschistischen Blatt ernster Tonfärbung
und offiziösen Charakters auch das bis zur Kühnheit aggres-
sive Kampforgan bestehen. Es kann Zeitungen geben, die in den
Vordergrund den nationalen Charakter stellen, solche, die sich mit Vor-
liebe bestimmten Problemen widmen und andere, die sich bescheiden
müssen, gute Provinzblätter zu sein."
Auf Grund dieser Hochachtung des Journalistenstandes versteht man auch,
warum der Duce die Presse als die beste Vorstufe zu politischer und vor allem
außenpolitischer Tätigkeit betrachtet. Viele seiner engsten Mitarbeiter sind
früher gleich ihm aktive Journalisten gewesen. Es kommt auch heute noch vor,
daß er Pressemänner mit hochwichtigcn politischen Sondermissionen betraut.
Hierin zeigt sich der tiefe Gegensat} des Duce zu Napoleon Bonaparte, den er
selbst als einen seiner geistigen Ahnen verehrt. Napoleon, bei dem das
faschistische Italien stets seine italienische Abstammung betont, hatte be-
kanntlich die Macht der Presse sehr hoch eingeschätzt. Allerdings hatte er sie
immer als eine feindliche Macht angesehen und deshalb auch die Zahl der
Zeitungen in Paris schließlich bis auf vier beschränkt. Im Grunde war es sogar
nur eine, nämlich der kaiserliche „Moniteur", von der die anderen ihre poli-
tischen Meldungen abschreiben mußten. Auch Mussolini hat die Zahl der
italienischen Zeitungen von 250 auf 70 zurückgeführt, da er der Ansicht ist, daß
wenige, aber gutgemachte Zeitungen besser sind, als eine Vielzahl von Blättern,
die sich gegenseitig in der Entwicklung hemmen. Er sieht in ihnen jedoch
seine besten Verbündeten. Mussolini hat schließlich durch eine großzügige
Gesetzgebung den faschistischen Journalisten aus seiner Abhängigkeit von Privat-
interessen befreit und ihn unter das Gesetj der Alleinverantwortung gegenüber
der Nation gestellt. In Verbindung damit hat er für die materielle Sicherung
der italienischen Pressearbeiter gesorgt und ihre Rechte und Pflichten im
Rahmen der korporativen Gesetzgebung verankert. Besonders dankbar sind ihm
aber die Journalisten dafür, daß er sich immer noch als einer der ihren fühlt,
dem sie sich in Treue und Kampfbereitschaft als Kameraden verflichtet fühlen.
*

Die Reden und Schriften Mussolinis erscheinen (deutsch) in der zitierten ,


autorisierten Ausgabe bei Rascher & Cie., Zürich -Leipzig. Es ist bisher Bd. I
(1914 - 19), Bd. VII (1929 - 31) und Bd. VIII (1932133) erschienen.

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