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P. FRANKE/MÜNSTER
Im Jahre 1958 hat Th. von Bogyay auf die Bedeutung der Verehrung
der Kreuzesreliquien und Leidenswerkzeuge Christi für die Ikonographie
der Hetoimasie hingewiesen und gleichzeitig deutlich gemacht, daß eine
eschatologische Symbolik des Motivs nicht als selbstverständlich anzu-
nehmen ist.1 Die Lanze, der Stab mit dem Schwamm und der Purpur-
mantel auf dem Thron sind dabei gedacht als Hinweis auf die Rettung der
Menschheit im Leiden des Herrn.2 Als soteriologisches Motiv erscheint die
Hetoimasie auch in der frühesten (vollständigen) Weltgerichtsdarstellung
der byzantinischen Buchmalerei im Cod. gr. 74 (Paris, B. N.) fol. 5i v3
und fol. 93v4 und hat sich in dieser Form in der späteren Entwicklung im
wesentlichen gehalten.5
Eine Differenzierung dieser scheinbar so gradlinigen Entwicklung
scheint jedoch notwendig zu werden, wenn man die Hetoimasie bis zu
ihren Anfängen zurückverfolgt:
i. Für das Apsismosaik der Basilika von Fundi ist durch den Titulus
des Paulinus von Nola die Hetoimasie als Sedes crucis gesichert. Unklar
bleibt der Standort des Lammes, ob auf dem Thron6 oder, wie im allge-
meinen rekonstruiert wird, vor ihm.7 Unabhängig von dieser Unklarheit
ist der eschatologische Hintergrund des Mosaiks von Fundi gesichert
1
Th. von Bogyay, Zur Geschichte der Hetoimasie: Akten des XI. Internationalen
Byzantinisten-Kongresses 1958 (1960) 58 ff. 58. 60 .
2
B. Brenk, Die Anfänge der byzantinischen Weltgerichtsdarstellung: B. Z. 57 (1964)
106 ff. 108.
3
Brenk 106-108 und Taf. I, i.
4
v. Bogyay, Hetoimasie 58 und Taf. III, l.
5
Zum Thema: Brenk 106-126 passim. Derselbe, Tradition und Neuerung in der
christlichen Kunst des ersten Jahrtausends (1966) 77 ff. Vgl.dazu E. Dinkler-von Schu-
bert: B. Z. 62 (1969) 369 ff. Zu der von Brenk negierten syrischen Urredaktion des
Weltgerichts D. Redig de Campos, Eine unbekannte Darstellung des Jüngsten Gerichts
aus dem 11. Jahrhundert: Zs. für Kunstgesch. 5 (1936) 124 ff. W. Paeseler, Die römische
Weltgerichtstafel im Vatikan: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibl. Hertziana 2
(1938) 313 ff. H. Hager, Die Anfänge des italienischen Altarbildes (1962) 40 ff. (zur Da-
tierung). A. von EUw, Zu den Quellen der ottonischen Kölner Buchmalerei: Das Erste
Jahrtausend, Textband II (1964) 1043 ff· i°5° ff· C. Andresen, Einführung in die Christ-
liche Archäologie (1971) 56 f. (Lit).
6
Ch. Ihm, Die Programme der christlichen Apsismalerei vom 4. Jahrhundert bis zur
Mitte des 8. Jahrhunderts (1960) 181 f. und Fig. 17 (8l).
7
F. Wickhoff, Das Apsismosaik in der Basilika des hl. Felix zu Nola: Rom. Qu.schr. 3
(1889) 172. Wickhoffs Rekonstruktion in der Zeichnung übernommen bei Ihm, Apsis-
programme Fig. 17 (81) und E. Dassmann, Das Apsismosaik von S. Pudentiana in Rom:
Rom. Qu.schr. 65 (1970) 67 ff. und Taf. 4b.
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Die Szene stellt damit eine der traditio legis nicht unähnliche Kompo-
sition dar, deren eschatologische Bildelemente Franz Nikolasch unter-
sucht hat.1 Ihr Vorhandensein in S. Maria Maggiore wird belegt durch
die spezifische Form der geschweiften Enden des Kreuzes, deren erst-
maliges Auftreten unter Theodosius I. - und zwar auf Siegesdenkmälern -
gesichert ist.2 Der dort noch gegebene allgemeine Siegescharakter dieser
Kreuzform dürfte schon um 4<DO3 beim Auftreten in Thessaloniki (Hagios
Georgios)4 auf einen Parusiebezug hin präzisiert sein. Der früheste
römische Beleg im Apsismosaik von S. Pudenziana6 schließlich macht
neben der großen Zahl späterer Parusiekreuze6 den eschatologischen
Charakter auch der Sedes Crucis in S. Maria Maggiore wahrscheinlich.
3. Der spezifisch römische Charakter der von SS. Petrus und Paulus
flankierten Hetoimasie bestätigt sich auch bei Einbeziehung des Elfen-
beinkästchens von Pola,7 wo dieses Motiv auf der Vorderseite erscheint.8
Anknüpfungspunkt für die These von der Verbindung mit Rom9 ist be-
kanntlich die die Confessio von S. Peter darstellende Architektur auf der
Rückseite;10 ferner erscheint auf dem Deckel die gleichfalls nach Rom
weisende traditio legis an Petrus.
1
Nikolasch, Dominus-legem-dat-Szene 43 ff.
2
E. Dinkler, Bemerkungen zum Kreuz als Tropaion: Mullus-Festschrift für Theodor
Klauser (1964) 71 ff. Zur zeitlichen Festlegung der ersten Beispiele auf Siegesdenkmälern
unter Theodosius I. vgl. derselbe, Das Kreuz als Siegeszeichen: Zs. für Theol. u. Kirche
62 (1965) i ff. 13 ff. Neudruck: derselbe, Signum Crucis (1967) 55 ff. 67 ff. Ferner: der-
selbe, Apsismosaik von S. Apollinare in Classe 71 f.
3
Die von E. Weigand: B. Z. 39 (1939) 116 ff. angenommene Spätdatierung ins
6. Jahrhundert scheint nach der Restaurierung in den $oer Jahren überholt (H. Torp,
E. Dyggve, E. Dinkler).
4
W. F. Volbach-M. Hirmer, Frühchristliche Kunst (1958) Taf. 122-27. 124/5. R. F.
Hoddinott, Early Byzantine Churches in Macedoniaand Southern Serbia (1963) Taf. 16 b.
Dinkler, S. Apollinare in Classe 71. derselbe, Kreuz als Siegeszeichen 8 bzw. 62. Andre-
sen 89.
5
Dinkler, S. Apollinare in Classe 54 f. mit Abb. 19. derselbe, Kreuz als Siegeszei-
chen 8 bzw. 62. Brenk, Tradition und Neuerung 64 f. mit Taf. 14. Dassmann, Apsis-
mosaik von S. Pudentiana, 74 f., wo jedoch die besondere Form der Kreuzesenden nicht
berücksichtigt ist: ihre Einbringung in die Gesamtanalyse erhärtet das Ergebnis Dass-
manns.
6
Dinkler, S. Apollinare in Classe 50 ff. 77 ff.
7
T. Buddensiegf, Le coffret en ivoire de Pola, Saint-Pierre et le Latran: Cah. Arch. 10
(1959) 157 ff. Die Verteilung der Szenen auf die Lateranbasilika und S. Peter verhält sich
m. E. umgelehrt - vgl. meine S. 376 Anm. i zitierte Arbeit. Zum Thema: W. F. Volbach,
Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters (1952) Kat. 120 (62 f.).
Aland 249, der — ohne ausreichende Belege - die Hetoimasie bis ins 4. Jahrhundert da-
tiert. Th. Klauser, Die römische Petrustradition im Lichte der neuen Ausgrabungen
unter der Peterskirche (1956) 111 ff. und Taf. 14. A. Angiolini, La capsella eburnea di
Pola (1970). Die Datierung nach 430 scheint mir nicht zwingend; vgl. andere Ansetzun-
gen bei Aland 249 A. 31. Andresen 42 f.
8
Fevrier, Les Quatres Fleuves du Paradis 186 f. und Fig. 3.
9
Klauser, Petrustradition 111 f.
10
Ebd. Taf. 14.
1
Fevrier, Les Quatres Fleuves du Paradis 186 f.
2
v. Bogyay, Hetoimasie 60 f.
3
Vgl. die Übersicht bei v. Bogyay 59 A. 10.