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Psychische Wirknn[en der Sprachlaute


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· R. Wagner's „Ring des Nibelungen" !l


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vcrs ncl)sweisc bestimmt :
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Hans von Wolzogen.

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Leipzig
V e rl ag vo n F eodor Rf!inboth. ·

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---Y:!lag von FEODOR REINBOTH in Lei pzig.
Allen .Besuchern

B_iehard -W-ag~er's Dramen


sind unentbehrlich
Hans von Wolzogen's und Ferdinand Pfohl's
Fnhre:r (Th~matische Leitfad en)
durch Musik und Sage zu
Parsifal, G Bogen go, 1 8. Aufl., broch. M. 2, - , eleg.
T . gbd. M. 2,50;
~1stan und lsolde, 6. Aufl., br. M. - ,7 5, cart. M. 1, - ;
Ring des Nibelungen, Stereotyp-Aufl., broch. M. 1,-,
eleg. gbd. M. 1,50;
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg,
M , (Pa~iser Bearbeitung), 2. Aufl., broch. M. 1,~ ;
e1stersmger, 4 Bog. broch. M. 1,- ; gb d. M. 1,25;
ferner:
. Guide throngh Jhe mnsic of Richard Wainer's
Pars1fal, 6 Bogen 8" broch. M. 2,-:
T~istan and lsolde, 4
Bogen 8°, broch. M. 1, -- ;
R!ng of the Nibelungen, broch. M. 2,- , gbd. M. 2,50.
L Anneau du Nibelung, broch. M. 1, 50; rel. M. 2, - ;
_... l\lan achte ge,111,u nnf die Namen der Verfasser und des
VerI~gers, da viele miuderwertbige Nacbaltmungen erschienen!
- ~ .
Erläuterungen zu
, Richard Wagners Nibelungen~ Drama oder
Die Tragödie in Bayreuth und ihr Satvrsniel.
Von Hans von Wolzogen.
Zehnte Auflage. - Preis 1 Mark.
Inhalt: I. Das Bayreuther Nationaltheater. - Wagners. nationale
Idee. - Bayreuth - ein Bedürfnis der deutschim Knust. - Dn
Ort des Nationaltheatns. - Die Wirkungen der Festspiele. --
II. Das Nibelungen-Drama. - WagnMs Schlussworte nach dem
-ersten Cyklus. - DBS Scmische: kritiko- nnd zoologische Bedenk-
lichkeiten. - Die Musik: Liiugcn und Leitmotive. __. Die poetischP.
Form. StabrPim und Sprache. - Die Dichtung: ethische Grund-
idee, poetische Behandlung des Sagensteffes, nationale Bedeutung.
Psychische Wirkungen der Sprachlaute

.aus R. Wagn er's „Ring- des Nibelungen"

versuchsweise bestimmt

von ~-.
Hans von W olzogen.

.•
"

Dritte verbesserte Auflage.

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' . •'!' •
1 •
Leipzig
Verlag von l~eo d or Rei n bot h
1897 .
'
Wer einen Blick in das Wesen der Musik gethan,
könnte sich über den Ursprung der Sprache eine eigen-
artige Meinung bilden. Er könnte nämlich in den Lauten
tönende Reflexe der äusseren Bewegung · aus der Seele
des wahrnehmenden Menschen vermuthen, welcher das
Wahrgenommene in Empfindung umsetze und dieser Em-
pfindung mittels bestimmter Organe wieder wahrnehmbaren
Ausdruck schaffe. Es bezöge sich eine solche Erklärung
nicht nur auf die vokaliscl\en, sondern auch vornehmlich
auf die konsonantischen Laute. Gerade diese wirken
ohne Zweifel ein jeder für sich in charakteristischer Weise
auf die Seele, wie wenn in ihnen eine lautliche Symbolik
des sprachlich Auszudrückenden enthalten wäre. Wer freilich
dieser Symbolik auf den Grund nachzuspüren versuchte, der
würde schliesslich aus den einzelnen wirklich derart durch-
spürbaren Fällen eine andere Meinung sich gewinnen müssen.
Was zunächst der musikalischen Symbolik, jenem rück-
tönenden Ausdi·ucke des in den Dingen sich bethätigenden
Willens, gleichen konnte: das erscheiut nun als das \\'
Resultat einer Pantomimik. der S_prachorgane,welclw-=- .
1 n alTerdingswm ·,riieITe auch riürplastisch-symbolischer
Weise - die Pantomimik der äusseren Begebenheit so
zu sagen nachzuahmen suchen. So habe ich an anderer
Stelle (Kleine Schriften I. Band S. 3 ff.) den Ursprung
der Sprache aus dem Vereine des wirklich wesen-
haft _:gi_11$fäll;.1i~5!h~A..Jl!l.PiiP.dup,gs_la,utes, .~llS__Y._oJqiles, ..JUJ.4_ -1 \j
~p}lcntomimischen _S~l!_ild~~·,ungslautes, des Konsonantenr '1
1*

'\
4

erklären wollen. Die allgemeine Emprlndung von der


Iunen- wie von der Aussenwelt drüclren l\Iensch und Thier
gleicherweise durch den mehr oder weniger geklärten
vokalischen Laut aus. Der lebhafteren 'l'heilnahme an der
ÜllHsnren Bewegung als solcher verdankt endlich der menscheu-
ülm!ic]I() Affe jene Lust zu deren .Nachahmung durch
leilHJigmw Pantomimik. Der Mensch spricht, weil bei

l
ihm dioHß Pa11tomimilc mit jßnem Empfindungslaute in fän
Organ gelngt ist: derselbe Mund, durch welchen der
volrnliscl10 Laut zieht, spielt auclt pantomimisch die Bewegung
oder Boguhonheit nach, welche solch' eine Empfindung iu
1 der Seele hervorrief. Das Urwort, Vokal und Konsonant
Jn~ Bunde, besagt: ,,ich empfinde ein äusseres Geschehen
vou solcher Gestalt." l•'ür das i nnoro Geschehen blieb
es zunächst beim vokalischen 'l'hiereslaute, bis später meta-
phorisch die in Worten erfassten Ilegriffo üusserer Bewegungen
auch angewandt wurden zur I.lezeichnung der verwandt
dünkenden inneren, in derselben Art wie noch später zur
Bezeichnung geistiger Abstraktionen.
Somit wäre der echt musikalische '!'heil der Sprache
doch wieder vielmehr nur der Vokal. Die drei musi-
kalischen Grundformen' sind Harmonie, Rhythmus und
Melodie,· davon die erste ausschliessliches Eigenthum der
Musik ist, _während. sie den Rhy}J1mus ihren!-...alten Dünd-.
,
· nisse mit der Pantomimik
- · . - ~ ~, .-.. >r , ,. ,•
dem 'l'anze
«•,,._._,.,,,..,_,...,.,,..,__,.,.,,..,,
,.•,,., __, ~ . -die
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Melodie_ _hin-
. ,..-,.._.,_, •...,.,-
\ ., gegen rlem_ursprünlichen. Bunde mit_,clemJ:Yorte,.ßer., Poesie,_.
·· verdankt. Demnach erscheint es wohl seltsam, will man
"iü ·der musiklosen Rede auch noch von Harmonie sprechen.
Man sollte denken: nur Rliythmus und Melodie seien von
jenem musikalischen Elemente der Sprache, dem Vokalismus,
zu verlangen. Freilich, die grossartige Ueberwindung des
Raumes und der Zeit, welche allein der l\Iusik in ihrer
Polyphonie, im Zusammentiinen ihrer Melodien als Harmonie,
gelingt, - davon kann bei der stets nur im Nacheinander
verlaufenden Rede eben keine Rerle sein. Jedoch weiss
.ein Jeder, der Empfindung für den sii!nlichen Reiz der
Poesie im Herzen trägt, dass dieser Reiz zu grossem Theile
auf ~~~~ ....J'.~:E1:~~~~-~!~e~..."Y.~~Aältniss_e, .. ~~r aufeinander-
5

folgenden Vokale beruht. D_i~~~...ß..'!.\tt,<J:gi:~fütr}'Il,Oni!l.. al~<>,.


mit welcher sie den Gesetzen der Zeit ebenso unterworfen
ist wie Rhythmus ·und Melodie, bleibt dem musikalischen
Vokale auch in der Rede gewahrt. Der Rhythmus er1,iebt
sich aus seiner Quantität, die Melodie aus der ihm natürlich
eigenen oder durch den sinnhaften Ausdruck des Sprechenden
ihm verliehenen Tonhöhe. So ist in der That der Volrnlis-
mus der echt musikalische Theil der Sprache.
Dieser Vokalmusik gegenüber wäre denn wohl eigent-
lich der Konsonant vielmehr der Repräsentant des p o e -
tischeu Elementes der Sprache. Aber obwohl durch den
Konsonanten der Vokal erst zum Worte wird, also die Vor-
stellung sich poetisch bestimmt und ausdrückt, so erkannten \
wir doch zugleich in Jenem schon den selbst agirenden
Schauspieler, der die Vorstellung auch pantomimisch i
darstellt; und nicht minder behält die erste Meinung Recht,
dass der Konsonant ebenfalls m usik alis chen Charakters
sei. In' der Wirkung nämlich bleibt dem dichterischen,_
Mimen 1•• }em}(onsonanten~ jedenfalls der Charakter eines
lautlichen Reflektoren des in der geschilderten Bewegung
verborgen wirksamen Willens. Wir empfinden bei bestimmten
Konsonanten eine symbolische l\Iittheilung bestimmter Vor-
stellung·en deutlich heraus. Worauf dies beruhe, gleich-
viel: der Effekt ist da. Es verhält sich damit allerdings
bisweilen ähnlich der Onomatopöie. Man hört allmählich
Klangnachahmungon in Worte hinein, die anfänglich nicht
die mindeste Absicht hatten Klänge nachzuahmen. Er-
leichterte schon der historische Lautverfall mehr und mehr
solche Deutungen, so wirkte andererseits der deutefrohe
Sinn unwillkürlich mit an der Lautzerstörung behufs klang-
licher Angleichung des Wortes an den Begriff. Dass also
z.B. skr. stan-(ayitnus), lat. ton-itru, a.gls. thun-or,
althochd. don-ar, endlich in unseren rollenden „Donner"
sich verlief, daran haben Lautzerstörung und onomato-
poetischer Sinh instinlrtiv gemeinsam gearbeitet. So Jwmmt
es denn auch bisweilen nur aus unserer unwillkürlichen
Erinnerung an gewisse mit dem Laute anhebende Worte
her, wenn wir aus dem oder dem Konsonannten die oder
G

jono Tonmalerei hervorklingen hören, gleichviel ob ursprüng-


lich die konsonantische Pantomime gerade dieser Vorstellung
gegolten oder von dieser tonmalerischen Empfindung begleitet
gewesen. Erscheinen doch die konsonantischen Laute für
die IGmpfindung sogar ziemlich vieldeutig. Der zischende
Hauch des echt hochileutschen Gaumenlautes Soli, oder
vor , .Momentanlauteu 8/i, kann von Sanftem, Scharfem,
8clmeiclondom, Zischendem, Schallendem, Schwebendem,
Sawrnndom, ja (in füinnerung an das Wort ..,scheinen")
vo11. Achimmornil IIollem einen psychischen föndruck er-
wirken, jo nach Heincr zufälligen Situation.*) Nichtsdesto-
wouiger ii,t die Wirkung naturgemäss uml wahrhaft, keine
Binhild1mg oder willkiirlicho Deutung. Der Konsonant
heliiilt immur einen gewissen allgemeinen Charakter, der
tlwilweise auf seiner organischen Erzeugungsart, theilweise
auch auf der M1\joritilt seiner sprachlichen Anwcudungsfölle
boruhon mag. Er ähnelt darin etwa den charakteristisch
unterschicilenen Instrumentalklängon eines Orchesters, deren
eiqenthümliche psychische Wirkung _(}.l]_QI.!fä!!s..Jl!Qil,v.eise auf
,ger,. ...!:1~~.q!1a.~i~~]~~!:..)!~}:~~~g~1_1ß"~.~r~. ((lurch Blech-, ~?.lz- 2
Blase-, Saiten-, Streicn~,-- Zupf-,_ Scl~-fostrumente), theil-
weise auf der Gewohnheit der Anwendung solcher Instrumente
(Waldhorn, Schalmoi, 'rronl!llel und Pfeife, Orgel) beruht.
Dabei aber vermag der einzelne Konsonant dennoch, wie
jene Instrumente, je nach seiner augenblicklichen Ver-
wendung den anscheinend verschiedenartigsten psychischen
Effekt hervorzurufen, indem er gleichsam mit einem
musikalischen Leitmotiv() an bestimmter Stelle auf eine
besondere äussere oder 'Innere Bewegung symbolisch hin-
deutet. :
Es müsste höchst interessant sein, aus einer Menge
geeigneter Beispiele eine Zusammenstellung dieser ver-
schiedenen Verwendungen desselben Lautes zu gewinnen,
um danach das allen Gemeinsame als den Grundcharakter
des Konsonanten in seiner musikalisch-symbolischen Wirkung

*) Mit Sli bezeichne ich den Laut zwischen S und Sch, den
d<>r Hochdeutsche in den Verbindungen St und Sp hören Hisst.

l
7

auf unsere Empfindung zu bestimmen. Sofern diese Laut-


:iym b olik aber vorzüglich von p o etis eher Bedeutung ist,
da sie nicht nur, wie gesagt, uns Leitmotive für bestimmte
Vors t e 11 u n gen entgegenbringt, sondern vor Allem doch
gerade ein bedeutendes IIilfs- und Reizmittel der künst-
lerischen Sprachverwerthung in der Poesie als solcher ist
so durfte ich ihr füglich den volleren 'J'itel einer poetischen
Lautsymbolik geben. Will ich nun aus ihrer Betrachtung
eine etwas einträgliche Kenntniss, womöglich die Prinzipien
einer Wissenschaft gewinnen, so kann ich dies nur in der
oben angedeuteten Weise: durch eine sorgsame Beispiel-
sammlung, natürlich entnommen der Dichtung unserer Zeit.
Denn was uns heute die Konsonanten als dichterische Aus-
drucksmittel d. h. in lautsymbolischer Hinsicht bedeuten·,
das soll ja erörtert werden. Die fernere :Folge ist die
Wahl eines Dichterwerkes in Stabreimen, da hier gerade
der Konsonant als poetisches l\Iittel die Herrschaft führt.
Der Heiz und Werth des Stabreimes beruht eben vornehmlich
!
auf dem lautsymbolischen Charakter des Konsonanten. Damit
ist uns die Auswahl sofort auf nur zwei Objekte beschränkt:
das Nibelungen-Epos Jordans und ·wagners Nibelungen-
Drama. In diesem letzteren musikalischen Drama fand
sich begreiflicher Weise die Lautsymbolik meist ganz in-
stinktiv, wie als künstlerische Ergänzung zur specifischen
Vokalsymbolik der .Musik, bei der Dichtung ein. Unwill-
kürlich gewann auch der Konsonantismus seines Stabreimes
jene musikalische Färbung, in welcher der Künstler das
gesammte Dichtwerk überhaupt von Anfang schaffend er-
schaute. Liegt doch eben vorzüglich der wahrhaft p o etis ehe
Werth dieses Dramas in der eigentlichen Dichtung, d. l1.
der poetischen Organisation des Stoffes und der dichterischen
Neuschöpfung der Charaktere, während alles, was zur
Aeus s eru ng des Gedichtes gehört: Diktion, Sententiosität,
Pathos nunmehr in wirksamerer Weise zu ersetzen Aufgabe
der berufeneren Schwester Musik ward. Was aber auch
schon an der sprachlichen Aeusserungsweiso der Dichtung,
also am eigentlichen 'fexte, von hohem künstlerischen
Werthe sich zeigt: Rhythmus und Lautsymbolik, das sind
8

eben wieder nur Dinge, an welchen die Musik von vorn-


herein wesentlichen Antheil hat. Zumal die ins tink ti v
angewandte Lautsymbolik war, wie schon bemerkt, vor-
züglich das Werk eines musikalisch empfindenden Dichters.
Da aber an mancher Stelle ganz offenbar auch A. b sich t
gewaltet, so bietet uns Wagners Drama die zu betrachtende
Lautsymbolik aus den beiden möglichen Quellen, poetischer
AhHicht urnl musikalisclwm Instinkte, zugleich dar. Im Epos
waltet(l dfo bestimmte Absicht des Dichters bei Anwendung
JautHymholischer Mittel; denn es musste ihm als Rhapsoden
lihorall daran gelegen sein den Klangeffekt in wirksamste:r
Art, also mit Zuhilfenahme des bewusstermassen sym-
boliHchon l.<]lemontes, auf die Empfindung seiner Hörer
\l
wirkon Jassen, eine „Absicht", die denn in der That auch
oft allzusehr ,igemerkt" wird, um nicht die reinkünstlerische 11
„Stimmung" m stören. Ganz abgesehen von dem nicht
zu bewältigemlcn Umfange des Epos (J 538 Seiten zu je
22 Versen, oft mit Doppelstabreim), war aber jedenfalls
dasjenige Werk als Beispiel vormziehen, das in unserer Zeit
alt das grössere und lebensvollere sich bewährt hat. Indem
-0ben jetzt das allgemeine Interesse dem „Ringe" sich
in hervorragendem Ivlaasse wieder zuwendet, darf meine
Arbeit, indem sie sich mit ihm beschäftigt, zu g 1 eich
wiederum, wie vor 20 Jahren, als ein Beitrag zur
W ü r d i g u n g de s B a y reut her F e s t spie 1 e s gelten.
Unter diesem guten Zeichen gehe sie denn wieder in die
Welt hinaus! -

l
Schon nach flüchtiger Betrachtung muss es auffallen,
wie sehr gerade im Vorspiele zu dem Gesammtdrama:
„Der Ring des Nibelungen", also im „Rheingold", die
Lautsymbolik bevorzugt ist. Der elementare Charakter
dieses Stückes, zumal der ersten im Rheine unter Nixen
und Alben spielenden Scene, scheint auch dieses elementare
Ausdrucksmittel gleichsam aus sich erfordert zu haben.
In einer früheren Abhandlung(,, Weia Waga" Kleine Schriften
II. Bd. ,, Wagneriana" S. 211) habe ich bereits Gelegenheit
gehabt auf die geniale Anwendung der Lautsymbolik gleich am
Beginne des Dramas aufmerksam zu machen.*) Die spielenden
und scherzenden Nixen, deren Namen sogar schon mit dem
weichen, flüchtig·en labialen Hauchlaute tV (F) anlauten,
halten in ihrem ersten Wechselgesange durchweg den Stab-
reim lV fest. Ich lasse die an erwähnter Stelle besprochenen·
Jauchzer fort und notire nur noch die einzelnen Worte:
Woge, Welle, walle, Wiege, wacl1st, wär; z-wei, wie, wildes,
Gesch-wister, sch-wimm. Wie die letzten beiden Beispiele
schon eine Erweiterung dieses Stabes durch das rauschellll-
gleitende Sch enthalten, so mengt sich zum Schlusse der
ganzen Reimgruppe das dem lV naho verwandte leichtere
F mit dem L ein, als welche Konsonantenfolge Fl ein
leichtes Dahinschuellen, ,,Flitzen" durch die Fluth aus-
zudrücken scheint. Genauer g·esagt: Fl symbolisirt die
flüclitig vorbrechende, leicht fortschnellende Bewegung. Ein

*) Meinen Aufsatz citirend spricht auch Edmund von Hagen


in seiner heherzigenswerthen Schrift „Ueber dio Dichtung der
ersten Scene des Rheingold" (München, Ch. Kaiser), von dieser
lautsymbolischen Seite de1· Wagner'schen Poesie, zumal über
die Laute W und N. -
10

sanfter Lippenhauch trifft auf einen weich nachgebenden


Zungenwiderstand, der den zweiten Theil des Hauches so
zu sagen gefällig weiter befördert. Die Begriffe des ]'lieg·ens,
E'liohons, E'liessens (indogermanisch prn, plu) bedienen sich
dieHer symbolischen Lautform mit Glück. - Die emstere
1,'Josshildo, nachdem sie mit einem hallenden: Ileiala weia !
von oben herab unter die Schwestern gefahren, beendet
<l:rn Seherz,,piel durch eine Warnung: das Gold besser zu
bowachon; und ihre Rede entsagt dem entsprechend zuerst
deH 'Wogon- und I<'luth-Stabes. Da aber steigt lauschend
dnr Nil,elung Alberich aus den Klüften des Abgrundes von
Niholl1eim zum Rheine auf, und wie sein Geschlechtsname
so trügt auch soin lockender Ruf an die Nixen den harten,
biHsigon N-Laut _zur Schau, der seiner ganzen Art als der
negativen ]\facht im Drama so trefflich entspricht, wie er
den schärfsten Gegensatz bildet zum weicnen W der Wasser-
geister. (Nicker, niedlich, neidlich, Nibolheim, Nacht,
naht', neigtet, neckte, Nibelung u. s. f.) Als er dann mit
koboldartiger Behendigkeit den Mädchen über die Riffe
nachzukleitern sich anschickt, da hezeiclmen ausserordentlich
drastisch die Stäbe Gl mal Schl, im Bunde mit dem
leichten, schlüpfenden F, das Abgleiten am schlüpfrigen
Gesteine mit den Worten:
Garstig glatter, glitschriger Glimmer!
Wie gleit' ich aus!
Mit Händen und l!'üssen nicht fasse noch halt' ich
Das schlecke*) Geschlüpferl

und die lachende Woglinde ruft ihm gewissermassen ein


Prosit auf sein Prusten I und Niesen mit dem passendsten

*) s c h 1eck mhd: slaclt, engl. slaok, agls. sleac, an. sl ,kr,


schlaff, locker· 'verwandt mit: schleichen, gleiten (an. sleikja,
ahd. sli!t!ta11) u~d schlecken, lecken = die Zunge gleiten lassen;
Grundbegriff: gleitend, zum gleiten.
(Herr Ehrlich, der in der "Gegenwart" (1876, No. 27] das
Publikum über Wagners „Rheingold" aufklären will, weiss
freilich dies Wort nur durch ein ironisches Ansrufungszeichen
(!) zu erklären; dass auch G O et h e von „Gckos und Geschleck·'
~pricht, daran erinnert sich Herr Ehrlich natürlich nicht.)
11

Stabe Pr (Fr) zu, welche Lautfolge überhaupt eine hart


hervorbrechende B1Jwegung durch vo:t"wärts ahstossendes
P und fortrollendes R andeutet und au dieser Stelle zu-
gleich den Ausbruch des Niesens wie des spöttischen
Gelächters bezeichnen kann:
Prustend naht meines :Freiers Pracht!

Ganz anders dagegen klingt bald darauf der Stab


Spr, gesprochen Shpr; ein Anlauf auf sausemlem oder
zischendem S oder S!t, ein Absprung auf abstossendem P,
ein Fortschwingen auf rollendem R: da hat man den
völlig·en Sprung nach einer Deute lautsymbolisch dargestellt.
So zürnt denn der verlachte Nibelung, als. Woglinde sich
vor ihm aufwärts nach einem h~hen Seitenriffe geschnellt:
Wie fang' ieh im Sprung den s11röden Fisch?

Kaum aber will er seinen Sprung versuchen, so hallt


ihm schon wieder von der andern Seite her Wellgundens
heller Lockruf mit dem reinen Hauche H ins Ohr:
Ileia ! du Holder! hörst du mich nicht?

Er findet sie auch bald reizender als Jene,.


die minder gleissend und gar zu glatt
und bittet:
Nur tiefer tauche, willst du mir taugen

Darin taucht zuerst das 1' mit seiner merkwürdigen


symbolischen Bedeutung des Ein- und Auftauchens Sfllber
auf, das z. B. auch W. Jordan in dieser Weise sehr
bevorzugt. Man vergleiche die prächtige sich nach der
'riefe zu dumpf abtönende Darstellung des ins Wasser
geschleuderten Steines:
Nun stürzte der Stein mit ldatsehendem IUange,
Mit schäumendem Schall in die flimmernden Fluthen
Und tauchte zur Tiefe mit dumpfem Gedonner
1 (Sigfrids, 17. Ges.)

l
12

Ursprünglich bezeichnet das 1' nur eine Richtung


wohin, daher es der demonstrative Konsonant ist. Die
Pantomimik, durch die es erzeugt wird, besteht aber im
Stosse der Zungenspitze gegen den Gaumen, daher es auch
lautsymbolisch leicht das plötzliche Gelangen an einen Ort,
soi es durch Fall oder Stoss oder Sprung, bezeichnen kann.
Nimmt man den Specialeindruck der Worte: tauchen, Tiefe
und damit verwandter hinzu, so erklärt sich die Vorliebe
fiir diesen Konsonanten als Ausdrucksmittel in den oben
orwii.lmton Fällen.
Die Rchlnnkcn Arme schlinge um mich!
bittet Alhorich weiter und zeigt damit, wio das Schl (gleich-
milsHigc, H,mft Jiinschme)zcnde Bewegung Sch+ L) nicht
nur ein Hingleitcn auf gerader Bahn, sondern auch ein
llcrumglciten um einen Körper recht wohl bezeichnen könne,
in welcher Weise man es noch öfter auch im vorliegenden
Werke angewandt findet. Nun aber hat Wellgunde genug
des Spasses, uncl mit weidlichem Abscheu überschüttet sie
den enttäuschten Kobold, dabei sich neben dem scharf
allßgestossenen Hauclilaute 11 und einer prägnanten Folg·e
von harten und energischen Gutturalen vornehmlich jener
Gruppe Schw bedienend, welche hier beeinflusst durch das
voranstellende, im labialen Charakter verwandte „Pfui" den
Eindruck des Fortschnellenden und damit Ausstossenden,
speziell als des Wegwerfenden und damit V erachtenden
hervorruft :
Pfui du Jiaariger, ltöekriger Geck,
Schwarzes schwieliges Schwefelgezwcrg !

Je weniger Wellg·uncle ein matt vor den Mund genommen,


jo mehr verfangen: nun die ironischen Schmeicheleien der
dritten Neckerin l•'losshilde bei dem allzu leichtgläubigen
Alben. Herab tauchend ruft sie:

Wie thöricht seid ihr dumme Schwestern,


Dünkt euch dieser nicht schön!
Der '.l'auchlaut fungirt hier zugleich als Spottlaut,

l
../';;elcher Effekt leicht durch eine dichte I<,olge hart hervor-
gestossener Momentanlaute erreicht wird. Eine andere,
auch rhythmisch bea<)htenswerthe, dichte Folge, nämlich
des so zu sagen zupfenden, nach hartem Anstoss sausend
fortgezogenen Z (1'+ S) bezeichnet darauf in Albcrichs
l\Iundc dessen höchst geschmeichelte untl aufgereizte Eitelkeit:
Mir zagt, zuckt und zehrt sich das Herz,
Lacht mir so zierliches Lob!

Dann aber lässt I!'losshilde alle berauschenden Quellen


ihrer spöttischen Zärtlichkeit springen, unu der reine Vokal,
die weichen Labiale W, F~ M; das schmelzende linguale L,
der sanfte Sauselaut S und das hier wie ein zarter Seufzer
ausgehauchte H bilden die Stäbe ihres Schmeichelgesanges
zu lieblichster musikalischer Melodie: ·
,vie deine Anrnuth mein Auge erfreut,
Deines Lächelns l\Iilde den Muth mir labt!
Seligster Mann! (Alberich: Süsseste Maid!)
Wärst du mir hold! (Alberich: llielt' ich dich immer!)

Sogleich aber geht dieser übertriebene Koseschwulst


in die tollste Spötterei über, wenn die Schelmin fortfährt :
Deinen stechenden Blick, deinen struppigen Bart -
0 säh' ich ihn, fasst' ich ihn stets!
Deines stachlichen Haares stmmmes Gelock -
U mfiöss' es l<'losshildc ewig!
Deine Krötengestalt, deiner Stimme Gekrächz -
0 dürft' ich staunend und stumm
Sie nur hören und sehn!
Wie trefflich versteht sie da die stechenden Spitzen
ihres Witzes (St) immer wieder spöttisch zu umwinden smit
den früheren Schmeichellauten (S, F, Volrnl, IJ); neu hinzu
kommt nur noch die lrrächzende Folge des hart ausge- ·
stossenen Gutturals und des rauhfortrollentlen R (Kr).
Alberichs machtloses Schmerz- und Wuthgeschrei,
... begleitet vom lauten Spottgesange der drei Nixen, wird
plötzlich unterbrochen durch das Aufleuchten des Rhein-
_goldes, das der erste Strahl des jungen Tages getroffen,

..
14

und das nun die grünen Wogen goldig durchhellt. Jauch-


zend begrüssen das hehre Licht die· fröhlichen Hüterinnen
mit ihrem jubelnden l\Iorgenliede:

IIeiajahcia ! Heiajahcia !
Wallalaleia! J altei !
Rheingold ! Rheingold ! leuchtende Lust,
Wie lachst dn so hell und hehr!
Gllihcndcr Glanz entgleisst dir lVcihlich im Wag! *)

W uchc, l<'rcund ! Wuchc froh!


Wonnige Spiele s11cndcn wir dir:
I.<'lirmncrt der l<'luss, flammet die llluth,
UmJlicH~cn wir fauchend, tanzend und singend
Im seligen Bade dein Bott!
Rhcingold ! Rhoingold !
JI oiaj alt cia !
Wallalaleial Jahoi!

Wieder sind es dio Lauto soliger Lust und fliessonden


W ogenspicles: II, JV, L, Ji~ .fi'l, S, welelrn das ganze Lied
als Stäbe tragen. Sie sind aber noch untermischt mit dem
stossenden Tauchlaute 1', der in rascher Wiederholung als
hüpfender Tanzlaut erscheint, und mit dem wegwerfenden
Spottlaute Sp (Slip = erhärtetes Scltw), das durch die
Ilegrifi'e des Spielens und Spendens zum scherzhaften Aus-
drucke einer zugeworfenen Liebesgabe ermildert dünkt.

*) Hierin wird der aus Sprachwurzeln gebildete Nixenjauchzer,


der das Drama beginnt und so aus der Musik zur eigentlichen
Begriffssprache erst überleitet: "Weia waga" wirklich zum
Worte. Weih-lieh kommt von „weihen", got. veiha, mhd. wic!t;
Bed.eutung: heilig, vgl. Weihwasser, Weihrauch, "Weihnacht,
W:e1hbrunnen, Weichbild, Weichsamstag. - .Wag, mhd. wdc,.
11;a.qes, bezeichnet Ge wog, w;asser, Fluth; em noch gebräuch·
hcher Seemannsausdruck hat'diese urspr. Bedeutung anf das
Wellenspiel über einer Sa,ndbank beschränkt. ,,Der wac was in .ze
breit" heisst es. aber im Nibelungenliede vom Rheine (1577, 3).
Davon weiss Herr Ehrlich nichts, sondern hat die Kühnheit
zu behaupten, Wagner habe das an sich schon fremdartige Wort
noch ~bendrcin fals eh angewandt. So wissen diese Lo~1te
Besch01d! - "Der Wag war ihm zu hoch!" - (Vgl. meme
Abhandlung: ,,Weia Waga").
15

Sieh', wie selig im Glanze wir gleiten!


/ .
-rilfen die Mädchen dem von dem Glanze des Goldes allein
Gefesselten zu:
So sclnvimm und schwelge mit uns!

Er aber hat nur die Frage:


Was ist's, ihr Glatten, das dort so glänzt und gleisst?

Das Glatte und Gleitende des Gl ward schon oben


in ihrem Liede den Nixen zum Glänzenden und Gleissenden:
eiu nahe liegender Uebergang. Kräftiges wird ersänftigt,
Rauhes geglättet (G-l), das Geglättete glänzt; oder eine
ursprünglich starke Bewegung äussert sich in leichter, lichter
Wirkung, im Hingleiten eines Körpers wie im Erglänze11
eines Feuers.
Wo bist du Rauher denn heim,
Dass vom Rheingold nie du gehört?

fragen den Frager die erstaunten Mädchen zurück, und i11


die süsse Melodie trifft das rauhe R um so sprechender
hinein. Da verplaudern sie denn lachend dem rauhen
dummen Kobolde das Geheimniss des Goldes, und Wog-
linde nennt ihm auch die böse Bedingung, unter der es
zu gewinnen sei:
Nur wer der Minne Macht versagt,*)
Nur wer der Liebe Lust ve1:jagt,
Nur der erzielt sieh den Zauber
Zum Iteif zu zwingen das Gold 1

Auf die sanften, weichen Liebeslaute (W, L, S),


vermehrt um das jubelnde (mit Nachdruck am Gaumen
hauchend vorgleitende) Jot, folgt im Vereine mit dem rauhen:
R das "zupfende", zerrende, gewaltsame Z, das mit dem
labialen }V zusammen den Eindruck einer durch gewaltsame
*) ,,Versagt" bezeichnete Wagner selbst als das Richtige,
tind der "Minne" als davon abhängigen Dativ: ,,der Minne
die Macht versagen"; ,,entsagt" ist Schreib- oder Druckfehler.
\
16

Peinigung erlangten Nachgiebigkeit (Zw = Zwang) hervor- •


ruft. So soll die Liebe ihr sanftes Reich der seligen Lust
verlieren, wenn der Fluchzauber das Gold zurit Reife und
mit dem Reife die ·welt zum Dienste des lieblosen Räubers
gezwungen.
Komm, Lieblicher, lache mit uns!

locken nochmals die harmlosen Schwestern; aber schon


vonlreht der Nihelung in seinem Munde den schmelzenden
Linlieslaut zum Symbole seiw!r rohen Sinnlichkeit, indem
nr iliistcrnd erwägt:
I•:rzwllng' ich nicht Liebe, <loch listig erzwäng' ich mir Lust!
u11cl !hrchthar laut droht er nach dieser tückischen Ile-
trachttmg:
8pottct nur :rn ! Der Niblung naht eurem Spiel!
Sein herbes Nibelungenzeichen ( N) drückt dem scherz-
haften Spiel- und Spottlaute der Nixen den höllischen
Stempel seines eignen weltvernichtendcn Hohnes auf -
'Und er verflucht die Liebe! Dem in die 'l'iefe ver-
.schwindenden Räuber ihres Goldes schreien die entsetzten
Mädchen aus plötzlich eingebrochener dichter Nacht ver-
gebens nach:
Ilaltet den Räuber! rettet das Gold!
Jlilfe ! Hilfe! - Wehe! Wehe!
Der Schreckensruf verhallt mit demselben Charakter-
laute, der die ganze Scene in so munterem Gejauchze
begann. -
Die zweite Scene lehrt uns kennen, wie weit auch in
des Gottes Wotan Gemüthe die Gier nach Macht und Pracht
bereits gediehen. Er hat sich durch die Riesen eine feste
Burg auf Bergesgipfel erbauen lassen, und im Lichte der
Jlriorgensonue begrüsst er sie als eben vollendetes Werk
JUit dem stolz bewunderilden Ausrufe:

Vollendet das ewige ·werk:


Auf Bergesgipfel die Götterburg!
Prachtvoll prahlt der prangende Bau!
17

Wi& im Traum ich ihn trug, wie mein Wille ihn wies
Stark und schön steht er zur Schau, '
· Hehrer, )1 crrlicher Bau!

Wir haben in Pr vorhin den Laut der hervorbrechenden


Bewegung und speciell des Niesens und des SpoUens, also
in leiblicher und geistiger Beziehung, gesehen. Hier bricht
die jenem Spotte nah verwandte Bewegung des Stolzes
aus W otans Brust hervor, löst sich aber zuletzt auf in die
reinere Stimmung hehrer Erhebung durch den prächtigen
Anblick, wie diese sich im reinen Hauchlaute 11 ausdrückt.
Dazwischen fallen die Stäbe St und Sch, deren Ersterer
das Starke, Bestehende auch pantomimisch treffend bezeichnet.
Die Bewegung des liquiden S-Lautes, resp. palatalen Sh,
wird am harten 1' plötzlich gehemmt; daher der Ausruf
St! so viel wie "stehe still!" und übertragen „schweige
still!" bedeutet, und die idg. Wurzel für den Begriff des
Stehens seit Urzeiten sta lautet. Hingegen tönt im gleich-
mässig fortbewegten zischenden oder rausclienden Sah, be-
einflusst durch den damit lautlich ausgedrückten Begriff
des Scheiuens, nicht nur ein heller Schall, sondern auch
etwas wie helles Licht in unsere Empfindung.
Nun kommen die Riesen ihren Lohn zu fordern, und
rhythmisch wie lautsymbolisch gleich bemerkenswerth heisst
ihr schwerwuchtiger, trotzig schlichter Bericht:

Sanft scJ1loss
Scltlaf dein Aug',
Wir beide bauten
Schlummers haar die ßurg.
11Iäeht'ger Müh'
Müde nie,
Stau'ten starke
Stein' wir auf:
Steiler 'l'hurm,
'l'hür und Thor,
Deckt und schliesst
Im schlanken Schloss den Saal.
Hort steht's,
Was wir stemmten;
Schimmemd hell
v. Wolzogcn, Lautsymbolik. 2
18

Bescheint's der Tag:


Zieh' nun ein,
Uns zahl' den Lohn! -

Diese Aufbietung der harten, störrigen Laute St und


1' (D) in so gedrängter Menge bezweckt eino möglichst
11rägnante, wuchtige Darstellung der Riesenarbeit. Dabei
hilft noch mit: das bei aller medialen Gedämpftheit durch
seinen tönenden labialen Explosivcharakter als Mittel zur
Bc11.oiclmung trotziger Anstr'engung, vorwärtsschaffender Mühe
Rich hcsondC;rS empfehlende JJ. Ihm gesellt sich hier das
nallll vorwanclto lrf (das nasale B), das als nicht explosives
J1]r1.oug11iHH des weichen Lippenorganes früher recht gut
wm A1rndrucko milder Woichheit dienen konnte, hier aber
violnwhr alH totaler Mundverschluss ebenfalls trotzige Müh-
wallung heieiclmen mag. Auch das schallende oder leuchtende
Seit mischt sich darein, anfangs begleitet vom flüssigen L;
und diesü schlüpfönd-schlingünde Lautfolge, wie wir sie
kennen, nimmt für unsere Empfindung in der rauhen
Arheitcrsphilre unwillkürlich den Charakter schleuniger Ver-
richtung an. Den Schluss der so plaRtischen Verbindung
1
von verstärkten S-Lauten und hartou Dentalen bildet ihre
Verschmelzung zum Z (1Y--S), dem Lauto des Zerrens und
Zwingens, mit welchem die Bauleute ihren Lohn einfordern.
Aber dieser Lohn hat sollen l•'reia sein, die Göttin der
Jugend und Liebo, und nicht ist Wotan gewillt sie den
plumpen Gesellen zu lassen:

Die liebliche Göttin, leicht und licht -


Was taugt euch Tölpeln ihr Reiz?
I

so fragt er spöttisch, indem er dem leichten, schmelzenden


Charakter des L den harten, s. z. s. täppischen Charakter
des T (Auftappen auf einen harten Grund) entgegensetzt.
Empört fahren die Riesen auf, und mit den plumpen und
schweren Stäben Pl und Scliw ihrer l\lühsal nochmals vor-
wurfsvoll gedenkend, bedienen sie sich dann im Ausblicke
auf ihr holdes Ziel des weichen }V mit dem offenen Vokale
und schliessen mit dem energischen Gutturale K, der aus
1D
/
<ler Tiefe des hinteren Gaumens unter scharfem Anprall
<les Zungenrückbns hervorg·estossen fast durchweg: Kraft,
'rrotz, Kühnheit und Schroffheit symbolisirt:
Wir Plumpen 11Iagen uns
Schwitzend mit schwieliger Ifand,
Ein Weib zu gewinnen,
Das wonnig und mild
Bei uns Armen wohne: -
Und verkehrt nennt ihr den I{auf?

Im Schw ist es das schon erwähnte Fortstossende,


welches Arbeit und Vorwurf zugleich bezeichnen kann. Im
Pl ertönt wie im Pr eine hervorbrechende ßewegung; da aber
,das harte P darin vorherrscht, so erwirlct das schmelzende
L statt des rauhen R nicht so sehr eine Ersänftigung als
wie nur die Empfindung des minder Bestimmten, also des
Ungeschickten, wohin die Erinnerung an „plump" auch
weist. Die Lautsymbolik beruht, wie gesagt, oft auf einer
unwillkürlichen Verbindung der lautmusikalischen Wirkung
aus pantomimischen Ursachen und der sprachgewöhnten
Erinnerung an bestimmte durch diesen Laut ausgezeichnete
Worte.
Vergeblich ist des wüthenden Wetterers Donner gleich-
sam fauchende und stürmisch hauchende, im harten Rh~thmus
des Hammerschlages ihnen zugerufene Drohung mit den
wehenden Spiranten F uml ll:

Fasolt und Fafner, fühltet ihr sehon


Meines Hammers harten Sehlag? !

Die Riesen schleppen Freia mit sich fort, und ver-.


fallen ist sie ihnen ganz, wenn nicht Wotan sie löst durch
Alberichs Gold, von dessen Erwerbung und Bedeutung der
tückische I!'lammengeist Loge listig erzählt hat. l\Iit innigem
Wohlbehagen schaut dieser Mephistopheles der Götter-
.gesellschaft den abziehemlen Wesen nach und malt in·
spöttischer Rede mit den bekannten 8täben St und 1' ihre
tölpelhaft tappende und störrisch trotzige :Manier, mit dem
rauhen R ihr riesenhaft wildes Wesen:
2*
20
Uebe1· Stock und Stein zu Thal
Stapfon sie hin;
Durch des Rheines vVasserfurt
Waten die Riesen:
Fröhlich nicht hängt Frcia
Den Itauhen über dem Itücken !
Heil1! hei!
Wie taumeln <lie 'l'ölpel dahin!
Hmch das Thal talpen *) sie schon:
Wohl an lticsenheim's Mark erst
Halten sie Uast !
Wotan ist entschlossen um Freia zu befreien dem
Niliol1111gon <laH Gol11 zu entreissen, wozu Loge den Führer·
und l Iolfcr spielon muss:

So 1iclnvingen wir uns durch die Selnvefölkluft:


Dort Hcltl!lpfo mit mir hinein!

ruft dieser mit den unvcrkennharen Lauten des Vorwärts-


schwingcns UIHl Ilinuntcrschlüpfcns: und die beiden Götter
fahren nach Nihelheim. -
, In Nibelheim hat sich Alberich aus dem Rheingolde
den allmächtigen Reif geschmiedet uml seinen Bruder Mime
gezwungen die unsichtbar machende, Gestalten tauschende
'l'arukappe ihm zu wirken. Sein Zauberspriichlein lautet
mit dem sehr gut das Verschwinden, die Negirung der
Erscheinung bezeichnenden Nibelungenstabe:
Nacht und Nebel -
Niemand gleich!

Reif und Kappe ertheilen ihm ungemessne Gewalt


über das Zwergenvollc, das rastlos für ihn das Edelmetall
aus der Tiefe scharren und schmieden muss;. und herrisch

*) t al p cn, ein vortreffliches Wort zur Bezeichnung „tölpel-


haften" Auftretens. vVir hören freilich den 'l'ölpel und das
Tappen erst hinein. UrsprUnglich heisst es: zu 'l'hale oder in
die 'riefe gehen, und daher auch speciell: graben. So ahd.
ti.ilpan, agls. del(an; preussisch dalbttz -, ein Schmiede-Instrument
zum Löcherschlagen. Das idg. Grnndwort ist d!tära, europäisch
dhala, Grund, 'l'hal, Grube . ..:_
/ 21

klingt sein Zwangsbefehl, vom peinigenden Z-Laute be-


herrscht, den Ermüdeten zu:
Zögert ihr noch - zaudert wohl gar -?
Zitt're und zage, gezähmtes Heer!

Er höhnt auch die Götter iu seinem wilden Ueber-


muthe, und als Loge ihn mit einer :B'luth von schmelzenden
L's an die Wohlthaten mahnt, die er dem lichten, leichten,
lieblich wärmenden Wesen der lollernden Lohe des Loge'-
schen l<'lammenelementes habe zu verdanken gehabt:

Im kalten Loch, da kauernd du lagst,


Wer gab dir Licht und wärmende· Lohe,
Wenn Loge nie dir gelacht?

so äfft er ihn bald darauf in dämonischer Lust am Verderben


alles Lichten, Lieblichen und Glücklichen nach:
Die in linder Lüfte Wehen, •
Da oben ihr lebt, lacht und liebt:
Mit goldener Faust
Euch Göttliche fang' ich mir alle!

Dabei erinnern wir uns der Bedeutung des Gutturals,


woran auch die Media G ihren Theil hat, indem sie sicli
sehr wohl zu eignen scheint einen unhenunbaren, von tiefher
ausbrechenden, mächtigen Drang auszudrücken: sei's als
trotzige Begierde oder als inbrünstige llitte u. dergl. m.
In Loges nunmehr beginnender schlauer Umgarnung des
Alben sieht dieser verblendet nur göttlichen Klugheitsdünkel
und verlacht ihn auf das Ausdrucksvollste, die vom Blähen
bis zum Platzen vorschreitende Bewegung· prahlerischer
Eitelkeit durch die Lautfolge Bl und Pl trefflich malend:
Vor Klugheit bläht sich zum Platzen der Blöde!
\
Aber er fällt mit all' seinem verächtlichen Uebermuthe
richtig in' s Garn des listigen Schelms: die Götter fangen,
fesseln und führen ihn an's Tageslicht, wo er ihnen alle
ersammelten Schätze nebst 'l'arnkappe und Hing ausliefern
22
muss. In wilder Verzweiflung die ihn bis zum fürchter-
lichen Fluche über das Goltl fortr.eisst, schleudert der
Beraubte dem falschen Gotte unter einer dreizelmmaligen
Wiederholung des wehenden F-Lautes seinen Grimm, Hass.
und Vorwurf in's Gesicht:

Des Unseligsten, Angstversehrten


J<'luchfertige furchtbare 'l'liat,
Zu fürstlichem '!'arid soll sie fröhlich dir taugen?
Zur l<'reude dir frommen mein Fluch?
J<'revelte ich,
So frevelt' ich frei an mir:
Doch an Allem, was war, ist und wird,
J<'revelst, Ewiger, du,
Entreisst du frech mir den Ring!

Wir haben schon bei Donners Zornesausbruche die


flaJJfto IIauclmatur der Labialspirans l!' sich steigern gehört
;mm fauchenden. Stmrnwesen. Hier tritt bald auch das
rauhe R noch hesti\rkend hinzu, und diese Verbindung
von Lippcnlmuch- und Zungentrillerlaute (Fr) bricht wieder
mit voller Gcnvalt eines wildwchendcn Stmmes aus der
,,Jluchfortigen" Brust <los betrogenen Dämonen hervor. Ein-
mal boim Worte „l11 luch" tritt !las weiche L an Stelle
des B. Aber dieses Fl, das uns in der ersten Scene das
Flitzen der Nixen dmch dio Pluth bezeichnen durfte, er-
klingt an seinem jetzigen Platze auch nur noch wie ein
fortgeschleuderter, weithin fliegender Zorn- und Fluchlaut.
Zum Schlusse schüttelt das rauhe B das F ganz von sich
ab und steht in grimmer Nacktheit da: der donnerrollende
Ausdruck rasender Wuth.
Der l!'luch ist gefallen: aber Wotan hat Gold und
Reif. Es wird wieder hell und hoffnungsvoll bei den seligen
Göttern. Die Itiesen bringen Freia redlich zurück. Mit
den lieblichen sanften Lauten des L, W, J.t~ 8, dem jubelnden
.Tot und dem offenen Vokale, nur einmal bedeutsam getrübt
durch die Folge des harten 1' mit dem rauhen R, begrüsst
der Lichtgott ]'roh die Wiederkehr der holden Schwester~
der Spenderin des Lebens und der Liebe:
23

„Wie liebliche Luft wieder uns weht


Wonnig Gefühl die Sinne füllt! '
'fraurig ging es uns Allen
Getrennt für immer von ihr:
Die lcidlos ewiger Jugend
Jubelnde Lust uns verleiht!"

und diesem taghellen, liebreizenden Sange schliesst Fricka


sich mit zartem Grusse au: ,

Lieblichste Schwester, süsseste Lust!


Bist du mir wieder gewonnen?!

Da herrschen die Riesen ihr drohendes Halt! in die


I<'rcude: im Bunde mit ihrem R (resp. 'fr und Br) nimmt
der reine Hauch des II den Charakter des heftigen Rufes
au, und das negative N findet dazwischen seinen passen-
den Platz:
llalt ! nicht sie berührt!
Noch geltört sio uns! -
Auf IUesenl1eims ragender Mark
!lasteten wir,
Mit treuem Muth des Vertrages Pfand
Pflegten wir:
So sehr mich's reut, zurück doch bring' ich's,
Erlegt uns Brüdern die Lösung ihr!

und prächtig auch rollt ihr besagtes R neben seinem harten


Dcg·leiter, dem Dentalen, und dessen Nasaliruug, dem
negativen N, die trotzig· abweisende Antwort auf Donners
wetternde Drohung, wobei der musikalische Triller auf dem
Worte „rolle" von besonders prägnantem Effekte ist:
Ruhig, Donner, rolle, wo's taugt!
Hier nützt dein Rasseln dir nichts!

Bald erhält der Blitzgott Gelegenheit dieser Aufforderung


l<'olge zu leisten. Durch Erdas, der urweisen Erdmutter,
ernste Warnung· vor des Riug·es Fluche bewogen, entsagt
Wotan dem selbstbegohrten Kleinod - nun freilich nach
begangenem Raube zu spät! - und sofort erfüllt sich der
Fluch an den ersten Besitzern. Der Riese Fafner erschläg-t
um den Besitz des Reifes seinen Bruder l•'asolt und zieht mit
dem gesammteu Horte ab, um ihn ferner als wilder Wurm
in träger Lust am Haben nutzlos zu hüten. Darüber hat
trübes Dunkel die Scene bedeckt: das will Donner durch
kräftigen Gewitterzauber zerstreuen; un<l der schwere, harte
Dental D, umhaucht vom wehenden JJ, malt sammt dem
rollenden R und fortsclnvingenden Schw in die Wetter-
schwüle des ganzen musikalisch-poetischen Bildes deutlich
den donnernden Hammerschlag des Gottes hinein:
Ileda ! Hetla ! Hedö !
Zu mir, du Gedüft !
Ihr l)Unstc zu mir:
Donner der llerr
Ruft euch zu Ileer.
Auf <le11 Hammers Schwung
Schwebet herbei:
Ilcda ! He<la ! lfodö !
J)uftig Gediinst!
Donner ruft; euch zu IIeer!

.Durch die klaro Luft des friedlichsten Abends schreiten


die Götter auf dor vom Lichtgotte Proh aus den Gewitter-
dünsten gezauberten Jfogenbogenbrücke der im goldenen
Lichte der sinkenden Sonne röthlich erglühenden stolzen
Burg zu. Logo schliosst sich ihnen nachlässig an, nach-
dem er sich selber, mit seinem 'l'agwerke zufrieden, offen
gestanden:
Zur leckenden Lohe mich wieder zu wandeln
Spür' ich lockende Lust:
Sie aufzuzehren, die einst mich gezähmt, ,
Statt mit den Blöden blind zu vergehen - -
(Die so stark im Bestehen sich wähnen.)

Das rascl/wiederholte L als lichter ]'lacker-Laut, das


peinigende, Z in aktiver wie passiver Beziehung, das
prahlerisch aufblasende JJl, das feste, fesselnde St treten
hier noch einmal in bcmerkeuswerther Folge auf. Während.
aber so die Götter ihren neuen prachtvollen, durch Unrecht
erworbenen Wohnsitz freudig bcgrüssen, schallt ihnen aus
der 'l'iefe des 'l'hales vom Rheine her die vergebliche Klage
25

der Nixen nach. Dem sanften L ist das zart geseufzte H,


/ der dringend flehenden gutturalen :Media G die noch kühner
drängende, durch folgendes L aber wiederum wie in macht-
los verklingende Klage aufgelöste Tenuis I( (Kl) gesellt,
und mit der im i\Iunde der l\lädchen wie laute ringende,
verzweifelnde Bitte tönenden Verstärkung des L zum rauheren
R hebt an und schliesst der traurige Gesang:

,,Rheingold ! Rhcingold ! Iteincs Gold!


"Wie lauter und hell leuchtetest hold du uns!
Um dich, du klares, nun wir klagen,
Gebt uns das Gold, gebt uns das Gold,
0 gebt uns das reine zurück!"


Wir kommen zur Walküre", dem Arsten 'l'age des
Bühnenfestspieles. Siegmund der Wälsung gelangt auf
der Flucht vor Hundings Sippen in dessen Haus, wo Sieg-
linde, seine noch unerkannte, durch Hunding geraub'te
Zwillingsschwester, ihn gastlich aufnimmt. Hunding kehrt
heim und bemerkt mit finsterem Staunen die Aelmlichkeit
Beider:
Wie gleicht er dem W cibe, der glcisscndc Wurm
Glänzt auch ihm aus dem Auge. ·

Der feurige Blick der Wälsungen glimmt, in diesem


schon als Bezeichnung des Glänzenden bekannten Stabe
Gl. Wir finden ihn wieder in Gesellschaft einer Menge
verwandter Laute: des reinen II, des schmelzenllen, lichten
L, der Paare Br und Bl (Fr), welche hervorbrechende
Bewegung, auch eines Blickes, eines Blitzes, einer Flamme,
symbolisiren, des rauschenden und schimmernden Sch, des
sanft sausenden S und des offenen Vokales, um die anfangs
noch helle Glut des Herdfeuers in ihrem Wiederscheine
auf dem Griffe des Wotanschwertes im Eschenstamme zu
malen, als sich Siegmund in der Nacht allein am feind-
lichen Herde niedergelassen, nachdem Hunding dem er-
26
kannten Gegner den Kampf auf den nächsten Morgen an-
?esagt. Der herrliche Monolog des waffenlosen Göttersohnes
Irn Anblicke des wunderbaren, vorn göttlichen Vater ihm
bestimmten Schwertes lautet:
vVas gleisst dort hell im Glimmerscliein?
vVelch ein Strahl bricht aus der ]~sehe Stamm?
Des ßlinden Auge leuchtet ein Blitz:
Lustig lacht da der Blick!
Wie der Schein so l1ehr das llcrz mir sengt!
Jst es der Blick der blühenden :Frau,
Den dort lraftcnd sie hinter sich liess,
Als aus dem Saal sie schied?

Bin einziges Mal mischt sich in diese schön vertheilte


Hcliaar H. z. s. leuchtender und flammender Stäbe das feste
St hoim Worte „Stamm", womit der feste Ausgangspunkt
des Wi<lnrschoins beiciclmet ist. Dies St reimt aber auf
oin noch nicht beobachtetes Str. Hier verbindet sich der
stechende Charakter des St als einer plötzlich ihr Ziel
Jindon<len Hanft ( oder nach unserer Aussprache zischend)
s·ausenden Bewegung (S!~t) mit dem rauhen R als De-
zeiclmung eines gleichsam I!'ortschwingenden, Durch-
dringenden zum Ausdrucksmittel für den Pfeilschuss eines
bremrnnden Strahles. Auch in der idg. Ursprache hat die
Wurzel star, stra, der wir die Worte: starr, Stern, Strahl u. a,
verdanken, die Bedeutung einer gefesselten Bewegung. Sta
rat hicss also etwa in der Urpcriodc dieser Sprache nichts
als: ,,halt stille, was sich regt!" Der Verbalbegriff war
daher: etwas Bewegtes zur Ruhe bringen, also: betten,
niederlegen, ausbreiten, streuen. (Gr. storennymi, got.
strau;J°an, lat. storea, Matte u. a. m.) Bei andern Worten,
welche mit St1:· anlauten, theilt die lautsymbolische Em-
pfindung: 'S-tr ab und fasst tr als Trillerlaut (getrillertes
T wird zu R), so dass z. B. in „strack" eine gleichmässig
fortgesetzte Bewegung (Sh) ins Trillernde (r) überzugehen
scheint, wie eine allmählich stramm gedrehte Schnur in
Vibration geräth. Ueberall herrscht der Charakter des R
- die Deweguug - vor, gleichviel ob sie in einer Fesselung,
einem Stiche endet, oder sich trillernd, schwirrend fortsetzt.
27

/ Das Schwirrende wäre demnach noch am ehesten als das.


Gemeinsaim, der drei beobachteten Bedeutungen: stramm
(gesträmmt), daher: starr, daher: stehend, zu konstatiren.
Siegmunds Monolog nimmt nun eine andere Wendung.
Der Sinnende blickt auf die in ihm selber entzündete Gluth
vergleichend zurück. Da folgen auf die Stäbe des dumpfen
Druckes und der Negation D und N dio sanft hervor-
brechenden, strahlenden Bl und Str; das weiche, warme W
gewinnt die Herrschaft, und das dumpfe D tritt kräftig
als klares 1' auf. Nun wogt der hehre Glanz auf den
sanften Stäben S, L, w; Gl, urnschimmert vom rauschenden
Seit, durch sein Gemüth; und endlich verfliegt das ganze
leuchtende Bild, von dem medial gedämpften s. z. s. fort-
schiebenden Lippenlaute gedrängt, wieder mit dem weichen
Sause des S:

Nächtiges I>unkel deckte mein Auge:


Ihres Blickes Strahl streifte mich da:
Wärme gewann ich und 'fag ! -
Selig schien mir der Sonne Licht,
Den Scheitel umgliss mir ihr wonniger Glanz:
Dis hinter Uergen sie sank! -

Ein letzter Strahl des sonnigen Blickes fällt auf ihn


zurück, wie der Abschied des Tages, so träumt er;' und
zugleich erlöschen die letzten Funken der Herdfeuers: es
wird völlig Nacht um ihn. Der offene Vokal hebt an
diese reine Friedensruhe der scheidenden Sonne zu schildern;
die schon bekannten Laute Seit, S und Gl schimmern
darüber hin: noch einmal bricht flackernd sanfte Gluth
hervor im Stabe Bl; dann bleibt das treibende B aus, im
einsamen L schmilzt das Licht ins Dunkel, N und D,
die harten, finsteren, dumpfen Gesellen treten den letzten
Funken nieder, und zum Schlusse glimmt in der Tiefe der
einsamen Menschenbrust, in die des ruhenden :Mannes
Träumen als in die sicherste „Berge" ganz zurückgetaucht
(T), nur noch dar,i seelische Rückbleibsel des Ganzen
schimmernd warmen Spieles als „lichtlose Gluth". Die
sanftesten, schmelzendsten der Lichtlaute werden noch
28
einmal von dem drängenden JJ wie vom hebenden Schlage
eines bewegten Herzens emporgehobei1 - dann ist tiefe
Stille in tiefer Nacht:

Noch einmal, da sie schied,


Traf mich Abends ihr Scliein:
Selbst der alten Esche Stamm
Erglänzte in goldener Gluth !
Da bleicht die Blüthe - das Licht verlischt -
Nächtiges Dunkel deckt mir das Auge:
'l'ief in des llusens Ucrge
Glimmt nur noch lichtlose Gluth ! -
Siog-Iir1de tritt loise in's Gemach zu dem Gaste, der
ihro Seele wundersam mit innigem Hoffen auf eigne Be-
frni 1mg erfüllt hat. Im Mondenscheine der jungen l\Iaien-
11acht feiert clas unselige Paar das berauschende Freudenfest
i11rnr Winclnrerkernnrng. Siegmund gewinnt sich Waffe und
Woih im frommen Wahne dem göttlichen Vater das geliebte
WillHu11gongcschlocht zu retten. Sie entfliehen, so bewehrt,
dom Zwange des verhassten l<'oiudes:

I!'ort in des Lenzes lachendes Ilaus !


wie Sicgmumls begeisterter Ruf mit dem von Hauchlauten
umwehten sclunelzendeu L-Staho lautet.
1 Den Lenz, den süssen l•'reiheitsboten, der sie so lieb-
lich leuchtend aus dem düsteren Saale zu sich hinausgelockt,
ihn hatte Siegmund schon mit dem herrlichen Maien- und
Minneliede begrüsst, das den Glanzpunkt dieses berühmten
ersten Aktes bildet, und das ich nur so abschreibe, weil
die vorzügliche Vertheilung der lautsymbolischen Stäbe,
der weichen, lichten W, Jl,f, L, 11, S, Bl, Vokal, der
kräftigen, energischen K, Spr, St, Z, 1; 1'r, der schwung-
vollen, stark bewegt hervorbrechenden Schw, Br, F1·, und
des jauchzenden Jot nach allem Vorherbemerkten von selber
.
emleuchtot. ' ' 1'r gebührt noch ein Zusatz: es
Nur dem
tritt hier einfach als die rechte Verbindung des harten T
mit dem rauhen R auf, viel mehr also 1'rotz und Kraft
bezeichnend als wie jene trillernde Bewegung, welche es
29

im engen Anschlusse an einen andern Konsonanten (Sh)


/ pantomimisch darstellen zu sollen schien.
/
/
Winterstürme wichen dem Wonnemond,
In mildem Lichte leuchtet der Lenz;
Auf lauen Lüften, lind und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt:
Ueber "\'\'ald und .Auen weht sein .Athem,
)Veit geöffnet lacht sein Aug'.
Aus sel'ger Vöglein Sange
Süss er tönt,
Holdeste Düfte haucht. er aus;
Seinem warmen Blut cntblühen
Wonnige Blumen,
Jüim nnd S11ro~s entspriesst seiner Kraft.
Mit zarter Waffen Zier
Bezwingt er die Welt;
,vinter und Sturm wichen
Der starken Wehr.
Wohl musste den tapfren Streichen
Die strenge Thür auch weichen,
Die trotzig und starr uns - trennte von ihm.

Zu seiner Schwester schwang er sich her:


Die Liebe lockte den Lenz;
In unsrem Busen barg sie sieh tief;
Nun lacht sie selig dem Licht.
Die bräutliche Schwester befreite der Ilruder;
Zertrümmert liegt, was je sie getrennt;
J auehzcnd grüsst sich das junge Paar:
Vereint sind Liebe und Lenz!

Dieser Monolog und dieses Lenzeslied Siegmunds sind


1\Iusterbilder poetischer Lautsymbolik, wie ihre musikalische
Ausführung sie auch zu l\Ieisterwerken der '1'onkunst er-
hoben hat.
Andere Lüfte als eines wonnevollen Liebesfrühlings
athmen wir im zweiten Akte: Wotan als der Streitgott,
der Herr der Wal, befiehlt seiper Walküre Drünnhilde irn
bevorstehenden Zweikampfe Hundings und Siegmunds den
Wälsungen zu schützen. Rollend und brausend wie Schlachten-
\ Wetter ertönt sciii gebieterischer Ruf:
30

Nun Zäume dein Ross, reisige Maid!


Bald entbrennt brünstiger Streit:
Briinnhilde, stürme zum Kampf!

Liegt im St an dieser Stelle die feste Stätigkeit kühnen


Kampfes ausgedrückt, so erscheint im Str zunächst jene
einfache Verbindung des Stechenden mit dem Rauhen
(St+ R), wie sie ganz dem Charakter eines harten Helden-
Htreites geziemt. Dabei aber erinnern wir uns an die
Hyrnholisclte Bedeutung derselben Lautfolge als Bezeichnerin
Htrafl'cr Anspannung, hier also: aller Kräfte zum Kampfe.
GaHZ wunderlich klingt mir bei dieser lautsymbolischen
J.t1igur des sausenden oder zischenden S (,S'h), das zum
trillernden Tr überführt, die charakteristische musikalische
Jt'igur des begleitenden Walkürenmotivs, jener rasch an-
stürmende Auftakt zum ausgehaltenen schmetternden Triller,
in's Ohr.
Mit den energischen Lauten des harten J( und des
rauhen R tritt Wotan der warnenden Ehehüterin Pricka
entgegen, die ihn daran malmt, die Frevler gegen heiliges
Recht, Siegmund und Sioglinde, zu bestrafen:

Wo kühn Kräfte sich regen,


Da rath' ich offen zum Krieg.

Dieselben Stäbe finden sich wieder ein, wenn hernach


Wotan, der seiner Gattin den Eid hat leisten müssen Sieg-
mund zur Sühne seiner Schuld zu fällen, verzweifelnd
Brünnhilden .gegenüber seines frohen Götterplanes bei der
Erschaffµng von Walküren und Helden gedenkt:

Die solltet zu Sturm und zu Streit ihr mm stacheln,


Ihre Kraft reizen zu rauhem Krieg.
Dass kühner Kämpfer Scliaaren
Ich sammle in Walhall's Saal.

In den letzten Worten geht schimmernder Hoffnungs-


glanz warmlcuchteml auf (Sch, 8, W): aber die Hoffnung
war 'rrug; Siegmund ist nicht der ersehnte freie Held, der
durch mächtige Eigonthat den verderblichen Riug des
31

Nibelungen wiedergewinnen könnte: der Gott selbst muss


den Sohn nun tödten; denn:

Selbst muss der Freie sich schaffen -


Knechte' erlmct' ich mir nur.

Die neue Lautfolge Kn, eine Verbindung- des kräftigen


Gutturals mit dem negativen N, erregt in seiner laut-
symbolischen Wirkung entschieden die Empfindung des
Knetens und Kuickens, wie denn auch die Pantomimik der
dabei in 'l'ltätigkeit gesetzteu Organe uns eine Hauchbewegung
zeigt, welche vom Hintergaumen zum Vordergaumen kräftig
vorgestossen, durch Einfluss der hemmenden Zunge um-
gebogen und durch die Nase seitab getrieben. wird.
Brünnhilde wird durch Siegmunds Anblick, durch
seine rührende Liebe zur Schwester, von Mitleid tief er-
griffen und trotzt dem Gebote Walvaters, indem sie im
Kampfe dem Wälsungen schirmend zuruft:

Triff ihn, Siegmund, traue dem Sicgschwert !

worauf aber Wotan selbst seinen göttlichen Speer zwischen


die Streiter streckt, an dem das Schwert Siegmunds zer-
springt:

Zurück vom Speer, in Stücken das Schwert!

Dort jene trotzige Kraft in der Verbindung YOn T


und R, hier eine harte Anhäufung von verstärkten Zisch-
lauten, eingeleitet durch das aus jener ersten Folge gelöste
charakteristische rauhe R: dies Alles malt den jähen,
grimmen Entscheidungskampf mit wenigen prägnanten Zügen.
S!:p: eiu zischendes Sausen, das mit einem harten Hervor-
stoss oder -bruche ( P) endet; 81:_t: dasselbe Sausen, ge-
hemmt von einem harten Widerstande (1'); Sch-w: das
zum schallenden Rauschlaute verstärkte zischende Sauseu,
matter fortgeschwuugen im weichen TV, der tönenden Ver-
hauchung jenes ersteu tonlosen Explosivlautes P: hierin
ist der Vorgang des gegen den Speer stosseuden, dadurch
32

zerstauchten und in Stücke zerschmettert zu Boden fliegenden


Schwertes trefflich dargestellt.
Im dritten Akte hat Drünnhilde Sieglinden und die
Stücke des Schwertes zunächst von der Walstatt auf den
Walkürenstein gerettet, während Wotan zornig der Unge-
horsamen nachsetzt; Sieglinde entflieht darauf weiter in
den von Wotan nie betretenen Wald, wo sie nahe der Höhle
1
f.1 afn!lrn <lie l\luttor des fünggewinners Siegfried werden
Holl. Schon sehen die Walküren entsetzt, wie Wotan auf
fomigem Hossc ihrem Felsen wüthend näher jagt; und wie
wildni; WindcHwelwn, wie rauschendes Wettergetöse klingen
in ihren fü1gstlichen Rufen die Stäbe TV, R, Selm, Sehr,
Schw <lurchoinander:
Wild wiehert Walvaters Hoss -
Sc!Jrccklich schnaubt es daher!
Wehe! wehe!
Wüthend schwingt sich Wotan vom Itoss !
Hierher rast sein rilchender Schritt!
Wotan erreicht den Ji'elsen und verkündet Brünnhildeu
die Strafe: in Schlaf verzaubert soll sie auf dem Felsen
gefesselt bleiben, bis ein Mann die göttliche Jungfrau er-
weckte und zum Weibe gewönne. In diesem Urtheilsspruche
gesellen sich den weichen Lauten Bl und W die doppel-
deutigen J{ und },f, ersteres bei seiner hiesigen Anwendung
als Ausdruck des harten Herrscherrufes, letzteres jed~nfalls.
zu Anfang in seiner zarteren Bedeutung zu fassen; und
am Schlusse erscheint das schon besproeheue Sp, zugleich
seiner organischen/Pantomimik nach wie das nahverwandte
Schw den wegwerfenden Spott und seiner poetischen Situation
gemäss den spinnenden ]'adenwurf bezeichnend:

Die magdliche ßlume verblüht der Maicl;


Ein Gatte gewinnt ihre weibliche Gunst:
Dem herrischen ]Hanne gehorcht sie fortan,
Am Herde sitzt sie und spinnt,
Aller Spottenden Ziel und Spiel.
Damit wäre für Sp die Grundbedeutung einer ebeu-
mässigen Bewegung (S), die zu einem Bruche (Ein-, Um-
oder .Ausbruche) führt (P) zu konstatiren. Daraus lässt
sich dann je nach dem Begriffe oder der Situation des
betreffenden Wortes die Spezialbedeutung des wegstossenden
Spottes oder der zugeworfenen Spende oder des im Schwunge
erfolgenden Schwertbruches oder des Umschwunges der
Fäden beim Weben und Spinnen u. a. m. differenziren.
In Brünnhildens verzweifeltem Flehen um Gnade treten die
schon betrachteten Stäbe: das gepresste AI, das knetende
und knickende Kn, das kühn und innig drängende l( und
G, das harte und rauhe Tr, die Zischlautverbindungen Sp
und St, das scharf hervorbrechende Pr, aus,drucksvoll zu
einander. Dazu kommt aber auch das neue Gr, welches
hier eine aus schmerzlichem Drange (G) hervorbrechende
heftige Bewegung (R) oder überhaupt ein tief empfundenes
Gewaltiges, Schreckliches, Wildbewegendes und Bewegtes,
unter Umständen auch wohl eine kräftig empfundene
energische Erscheinung (z. B. im Worte „grün") bezeichnet .
.A.n dieser Stelle möchte ich auch auf den Unterschied in
der „Bewegung" hinweisen, welche besonders durch die
Laute S und R symoolisirt werden sollte, die bekanntlich
oft in der Sprache für einander eintreten. Die Bewegung
des S ist eine stetig fortgesetzi e, meist der Eigenart des
Zischlautes gemäss sausende, daher auch sanfter als die
immer vibrirende, intermittirende, unruhige des R. Das
Flehen Brünnhildens lautet aber:
Dies Eine musst - musst du erhören:
Zerknicke dein Kind, das dein Knie umf11sst,
Zertritt die Traute, zertrümmere die Maid,
Ihres Leibes Spur zerstöre dein Speer;
Doch gieb, Grausamer, nicht
Der grässlichsten Schmach sie preis !

Und als nun Brünnhilde es erlangt, dass Wotan den


Felsen will umlodern lassen von den Flammen des gefesselten
Loge: wie bricht da leuchtend und glühend und flackernd
.die wabernde Lohe in den Worten aus:

Ein bräutliches !•'euer soll dir nun brennen,


Wie nie einer ßraut es gebrannt!
v. Wolzogon, Lautsymbolik. 3
34

Flammende Gluth umglühe den }'els;


Mit zehrenden Schrecken scheuch' es den Zagen;
Der I<'eige fliehe ßrünnhilde's Pels: -
Denn Einer nur freie die Braut,
Der freier als ich, der Gott!

Das schmelzende L aber ergreift die Herrschaft in


des Gottes letztem , ergreifendem .Abschiedsworte an die
sanft in den Zauberschlaf geküsste Tochter, als er ihr
zuvor noch einmal in ·s Auge blickend wehmüthig flüstert:
Zum letzten Mal letz' es mich heut
Mit des Lcbewohles letztem Kuss!

Uall J•'cuer umbrennt auf seinen Ruf den Felsen, und


er verlässt den umJlammten Raum mit dem durch das
spitzige Sp, in welchem der Speer bis zum scharfen Bruche
in ein Ziol zu sausen scheint, sowie durch das mächtige
Sehr, den Ausdruck scl1allender (Sch) wilder Bewegung (R)
wohl illustrirten, mit dem negativen N passend schliessen-
den Verbote:
Wer meines Speeres S11itze fürchtet
Durchschreite das Feuer nie! -


Wir gehen zum Siegfried" über, nun kaum noch
mit einer anderen .Aufgabe als zu den schon besprochenen
lautsymbolischen.' Fällen einige neue Beispiele anzuführen.
Mime, der Bruder .Alberichs, hat. Siegfried im wilden Walde
einsam erzogen, dass er ihm einst den Riesenwurm tödte und
den Ring gewinne, aber Siegfried verachtet instinktiv den .
falschen, ekelhaften Schelm: er verachtet ihn um so mehr,
als er ihm nicht einmal ein seiner Kraft entsprechendes
Schwert zu schaffen vermag. Mit einem kräftigen .Aufwande
von Zischlauten (S!:_t, Sch, Schl, Scltw, Schm), und von
energischen Gutturalen, untermischt mit dem zornig und
spöttisch wegwerfenden Pr unrl dem rauhen R, zankt er
bei solchem Anlasse sich . schier ausser Athem, welches.
/
35

Ende recht gut die Vokalfülle (Mangel artikulirter Laute)


in den letzten Versen ausdrückt:
Da hast du die Stücke schändlicher Stümper:
Bätt' ich am Schädel dir sie zerschlagen! -
Soll mich der Prahl er länger noch prellen?
Schwatzt mir von Riesen und rüstigen Kämpfen,
Von kühnen Thaten und tüchtiger vVehr;
Will Waffen mir schmieden, Schwerte schaffen;
Rühmt seine Kunst, als könnt' er was recht's:
Nchm' ich zur Hand nun, was er gehämmert,
Mit einem Griff zergreif' ich den ~uark ! -
Wär' mir nicht schier zu schäbig der Wicht,
Ich zerschmiedet' ihn selbst mit seinem Geschmeid,
Den nlten albernen Alb!
Des Aergers dann hätt' ich ein End'!
Mime wirft ihm heuchlerisch seinen Undank vor,
erinnert ihn an die vielfach ihm erwiesenen - so ego-
istischen Wohlthaten und bedient sich dabei einer bezeich-
nenden Folge von seufzenden Hauchen und durch das
abknickende N und wehende W ( U) charakteristisch be-
einflussten, kräftig hervorgestossenen Gutturalen (Kn und
Qu) als Ausdruck seines übertriebenen simulirten Schluchzens:
Dir schmiedet' ich Tand und ein tönend Horn u. s. w.
Und aller Lasten ist das nun der Lohn,
Dass der hastige J{nabe mich quält und hasst 1
Siegfried aber befiehlt ihm noch einmal an die Schmiede-
arbeit zu gehen, die zerbrochene Klinge von s,eines V ~ters
Schwerte ihm wieder zusammen zu schweissen: uncl dieser
Befehl atlunet den ganzen stürmischen Eifer des trotzigen
Knaben in seinem achtmal wiederholten, aus früherer Probe
wohlbekannten wehenden F-Laute:

Find ich dich faul, füg'st du sie schlecht,


Flick'st du mit !•'lausen den festen Stahl, ~
Dir }'eigen fahr' ich zu Leib,
Das Fegen lernst du von mir!

Dasselbe F, durch R und L zum heftig und flüchtig'


3"'
36
fortschnellenden Fr und Fl erweitert auch verstärkt zum
tönenden w; sowie die Erweiterung d;s zischenden Sch zum
fortsclnvingenden Schw, durchweht mit frischem, freudigem
I<'reiheitsodem das muntere Wanderlied, mit dem der junge
Holdensprössling dann in den Wald hinausstürmt:
Wie der l•'isch froh in der Fluth schwimmt,
vVic der J<'ink frei sich davon schwingt:
}'lieg' ich von hier, fluthc davon;
Wie der Wind übcr'n Wald weh' ich dahin -
Dich, Mime, nie wieder zu sehn!
Der über der Aufgabe das Götterschwert zu schmieden
vorgehlich brütendo Nibe lung verliert indessen im Wett-
spiole an Wotan sein schlaues Haupt, und dieser schenkt
es Dem, der nio das J!'ürchteu erfuhr. Diesem Fürchten
aber zeigt sich zuvördorst Mime selbst ganz preisgegeben,
als er wio in Entrückung in den sonnendurchschienenen
Wald hinausstarrcnd sein prächtiges Grusellied mit der
l•'ülle onomatopoetischer und sonstiger sprachmalerischer
.Ausdrücke anstimmt, wobei ich nur auf den bedeutsamen
dynamischen Wechsel in der Folge Fl und L, Schw und
w; Gl und L, Br und Pr, Gr und R, und dann wieder
/ verhauchend: W und F aufmerksam machen will:
Verß.uehtes Lieht! Was flammt dort die Luft?
Was flackert und }ackert, was schimmert und schwirrt,
Was schwebt dort und webt und wabert umher'?
Da glimmert's und glitzt's in der Sonne Gluth:
Was säuselt und summ't und saus't nun gar?
Es brummt und braus't und prasselt hierher!
Dort brieht's durch den Wald, will auf mich zu!
Ein. grässlicher Rachen reisst sieh mir auf! -
Der Wurm -w;lll mich fangen! Fafner ! }'afner!

Dasselbe' Bild entrollt Mime in fast noch bunteren


Farben dem neugierigen Siegfried, als er diesem, dem sein
Ha~pt verfallen, die Kunst des Fürchtens beibringen möchte;
worin noch das bebende Pochen des B auffällt:
l!'ühltest du nie im finstern Wald
Bei Dämmerschein am dunkeln Ort,
37

Wenn fern es säuselt, summst und saus't


Wildes Brummen näher braus't '
Wirres I!'lackern um dich flimm~rt,
Schwellend Schwirren zu Leib' dir schwebt
.Fühltest du dann nicht grieselnd '
Grausen llic Glieder dir fah'n?
Glühender Schauder schüttelt die Glieder,
Wirr verschwimmen die Sinne,
In der Brust bebend und bang
Berstet hämmernd das Herz!
:Fühltest du das noch nicht,
Das Fürchten blieb dir dann fremd,

Siegfried will das Fürchten nicht von Mime, er will


es von Fafner dem Riesenwurm lernen; und dazu schmiedet
er nun selbst des Vaters Schwert sich zurecht: die gott-
gespendete Waffe „N othung", in N oth gewonnen, in N oth
verloren, aus Noth von Neuem geschaffen. Aus seinem
Schmiedeliede führe ich nur die Stelle an:

Blase, Balg! blase die Gluth! -


Des Uaumes Kohle, wie brennt sie kühn,
Wie glüht sie bell und hehr!
In springenden Funken sprüht sie auf,
Schmilzt mir des Stahles S11retd

mit dem wirklich blasenden Bl (Hervorbruch eines fort-


gestossenen und dann hinschmelzenden Hauches), dem
hämmernden B und kräftigen K, dem glänzenden Gl und
hellen II, dem wehenden P und den je an ihrer Stelle
charakteristischen Zischlautverbindungen Spr, Schm, St.
Vor die Riesenhöhle führt Mime den Knaben, den
auch nicht die abschreckende Beschreibung des·- zu be-
stehenden Gegners das Pürchten lehrt:

Giftig giesst sich ein Geifer ihm aus:


Wen mit des Speichels Schweiss er bespei't,
Dem schwinden Fleisch und Gebein.
Ein Schlangenschweif schlingt sich ihm auf:
Wen er damit umschlin~t und fest umschliesst,
· Dem brechen die Glieder wie Glas.
38

Die Stäbe G, Sp, Schw, Schl, Br und Gl fungiren


darin zu schon betrachteten lautsymbolischen Zwecken, die
an dieser Stelle auch wirklich bezweckte Zwecke scheinen.
Pafner selber fügt zu dieser seiner äusserst sprechenden
Charakteristik noch die wesentliche Vervollständigung durch
sein Gebrüll mit dem oft beregten Stabe cles Hervorbruchs:

Pruh ! komm! }lrahlendes Kind!

dmn Siog·fried antwortet mit:


Sich' dich vor, Urüllcr, der Prahler kommt!

wonach der Kampf stattfindet, der mit Siegfrieds Siege


endet. Während er in die Höhle steigt sich Reif und
'l'arnhclm zu holen, zanken Alberich uncl Mime in einer
Mchst lebendigen Scene um den Besitz dieser Güter
nach Siegfrieds geplanter Beseitig·ung: und hier nun spottet
Al horich mit dem kräftig hervergestosseueu K-Laute, dessen
dichte Wiederholung zugleich sein rohes, grimmiges Ge-
lächter lautlich darstellt, über ~limos Keckheit, der Alles
für sich behalten will:
Für des Knaben Zucht
Will der knick'rige Knecht
Keck und kUhn
Gar wohl König nun sein?

Aber was hilft ihr Zank? Siegfried besitzt· Beides,


und Mimes Mordversuch misslingt. Vergebens bietet er

dem dummen Knaben", der inzwischen zum wissenden
Helden ge1Vorden, das Gift als einen Schlmnmertrank mit
der bezeichnenden Ilautfölge des negirenden N, des sanften
S und weichen, W und der bei entsprechendem Rhythmus
das Sichausdehnen eines zum Schlummer sich hinstreckenden
Körpers tref,Fich malenden Gruppe Str:

In Nacht und Nebel


Sinken die Sinne dir bald,
Ohne Wachen und Wissen
Stracks - streckst du die Glieder!
39

Mime fällt dem Schwerte des ihn durchschauenden


Jünglings; und dieser giebt · sich nun ganz der friedlichen
Ruhe im kühlen Schatten der Linde hin, lauschend auf
den lieblichen Sang des Vögleins, das ihn nach Brünn-
hildens Felsen weist. Das schmelzende L, das weiche W,
das fortschwingende Schw und den wiederholt durch Den-
tale gepressten Sause- oder Zischlaut mit dem dünnen,
hohen I-Vokale (Tsw-i-Tsch), zur Nachahmung des
Gezwitschers, finden wir hier im passenden Vereine:
Noch einmal, liebes Vöglein,
Da wir so lang' lästig gestört, -
Lauscht' ich gern <leinem Sang:
Auf dem Zweige seh' ich wohlig dich wiegen;
Zwitschernd ums eh wirren dich Bruder und Schwestern,
Umschweben dich lustig und lieb!

und als nun der Vogel sein holdes Liebesliedlein flötet,


da ertönen auch hierin wieder die sanften Laute des L,
Wund S:
Lustig im Leid sing' ich von Liebe;
Wonnig und weh web' ich mein Lied;
Nur Sehnende kennen den Sinn!

Siegfried jauchzt auf:


Fort jagt mich's, jauchzend von hinnen:

und eilt dem davonflatternden Vogel (Fl) bis auf Ilrünn-


hildens Felsen nach :
So wird mir der Weg gewiesen:
Wohin du fiatterst, folg' ich dem Flug!

Wotan stellt sich als Wächter des Felsens selbst dem


kühnen Freier in den Weg: dabei tritt natürlich der starre
St-Laut in sein gutes Recht; und das springende und
sprengende Spr bietet ihm gleichsam das Widerspiel in
\ Siegfried's Worten:
So lang ich lebe,
Stand mir ein Alter stets im Wege
40
und:
Stemmst du dort länger dich steif mir entgegen -
und:
Drum sprich, sonst spreng' ich dich fort!

Der Gott droht dem wilden, raschen Knaben (R) ver-


gobens mit clcm schimmernd und glühend (Sch, Gl) näher
schwellenden (Schw) Hervorbruche (Br, Pr, Fr) cler um-
wogenden und verzehrenden Lohe (W, Z, L) aus dem
l•'olsen:
EH wlichst der Schein, es schwillt die Gluth;
Sengende W c,lkcn, wabernde Lohe
W!tlzcn sich brennend und 1n·assclnd herab.
Ein Licht-Meer umleuchtet dein Haupt;
Bald frisHt und zehrt dich ziindendes Feuer:
iurUek denn, rasendes Kind!

Siegfried trotzt selbst <lern vorgestreckten Götterspeere;


ja er zerschlägt ihn mit seinem Schwerte, und die Rede
und Gegenrede cler Kämpfenden hat ein ganz ähnliches
lautsymbolisches Aussehen, wie bei <lern entsprechenden
Kampfe in <ler "Walküre":

Wotan: Das Sclnvert, das du schwingst,


Zerschlug einst dieser Schaft:
Noch einmal denn
Zerspring' es am ewigen Speer!

Siegfried: ·sclnving' deinen S11eer:


In Stücken Spalt' ihn mein Schwert!
Das fortschwingende Schw, das zischende, schallende
Sch, clas spitzige pder bis zum Bruche fortsausende Sp,
das springend~ Spr stehen wieder an ihrem Platze.
Wotan weicht dem jungen Helden; und dieser dringt
durch die Lohe auf die Felsenhöhe, erweckt Brünnhilden
und bricht durch die Macht seiner werbenden Liebe ihren
scheu widerstrebenden Walkürentrotz, ihren hehr abweisenden
Götterstolz, ihre verzweifelt warnende Prophetenangst.
Trauriges Dunkel trübt mir den Blick;
Mein Auge dämmert, das Licht verlischt:
41

Nacht wird's um mich: aus Nebel und Grau'n


Windet sich wüthcnd ein Angstgewirr:

~
Schrecken schreitet und bäumt sich empor!

So schreit sie in der Verwirrung des Entsetzens auf:


mit den hart, rauh und dumpf niederdrückenden Dentalen
1 Tr und D, dem negativen N, dem hier stürmisch wehenden
W, dem mit zischendem Schalle wildbewegtem Sehr, dem
aufbebemlen, fortstossendem B und seiner noch energischeren
Verhärtung zu P. Liebevoll drängend aber antwortet Sieg-
fried mit dem sanften Sauselaute, das dumpfe D zum T
abklärend:
Tauch aus dem Dunkel und sieh' -
Sonnenhell leuchtet der Tag!·

worauf sie Beide in einen gewaltigen Jubelgesang be-


seligender Liebeslust ausbrechen, die sie Götter und Welt
vergessen lässt, um einzig nur sich zu leben, und sei's um
den Preis dieses Lebens selbst. Die prächtige, zum Theile
doch wohl beabsichtigte Lautsymbolik in diesem herrlichen
Zwiegesangc bedeutet für uns wieder nur noch eine
Wiederholung bereits besprochener Fälle. Das gänzliche
Aufgehen ineinander wird besonders trefflich durch die
dichte I<'olge offener Vokale am Schlusse gemalt; u.nd
tragisch zerscheitert der lichte Charakter des schmelzenden
J.,. au dem letzten schroffen Dentalworte:

Tod!
mit welchem zugleich das Motto für das folgende Schluss-
1 drama schon ausgesprochen ist.

Brünnhilde: Siegfried:
Fahr' hin, l'fo]hall's Lachend erwachst

' Leuchtende Welt:


Zerfall' in Staub
Deine lltolze Burg!
Leb' wohl, prangende
Götter- Pracht!
Du Wonnige mir:
ßrünnhilde lebt!
Ilrünnhilde lacht! -
IIeil der Sonne,
Die uns be~cheint!
Ende in Wonne, lleil dem 'J'age,
Du ewig Geschlecht! Der uns umleuchtet!
Zerreisst, ihr Nornen, lleil dem Licht,
42

Das Runenseil! Das der Nacht enttaucht!


Götter-Dämm'rung, Heil der Welt,
J>unkle herauf! Der Brünnhild' erwacht!
Nacht der Vcrnichtung, Sie wacht! sie lebt!
Neble herein! Sie lacht mir entgegen!

Prangend strahlt
Mir Siogfrieds (ßrünnhildes) Stern!
fü (sie) ist mir ewig -
J~r \sie) ist mir immer
Erb und Bigen,
fän und all':
Leuchtende Liebe,
Lachender Tod! -

Die "Götterdämmerung" ist ärmer an auffälligen Bei-


spielen der Lautsymbolik, wofür die Ursache darin zu sehen,
dass Wagner sio als seine erste stabgereimte Dichtung vor
den andern Stücken bereits 1848 unter dom 'l'itel "Sieg-
frieds 'fod" gedichtet hatte. Auch die Anwr.ndung der
Stabreime selbst loidet hier noch an mancherlei :Mängeln,
und der Rhythmus entbehrt mituutcr noch jener ungemein
geschickt genutzten/künstlerischen Freiheit, die ihn in den
anderen Theilen des l~estspieles eines der bedeutensten
Mittel zum Zwecke der poetisch-musikalischen Wirkung sein
lässt. Im Vorspiele, der später viel ausgeführter umge-
dichteten N ornenscene auf dem Walkürenfelsen, erforderte
die Thätigkeit des Spinnens und Webens fast mit Noth-
wendigkeit die sausenden, schlingenden, spinnenden und
fortschwingenden Laute S, Scltl, Sp, Scltw, Statt ihrer
hatte im ersten Entwurfe des Dramas nur der weiche,
wehende W-Laut ein ziemlich verschwommenes Bild gemalt.
Dieser tritt in der Umarbeitung allerdings auch mit dazu:
aber man findet dort doch schon so charakteristische
Verse wie:
Was spinnen und singen wir nicht?
Wollen wir singen und spinnen,
Woran Sllannst du das Seil?
43

So gut und schlimm es geh',


Schling' ich das Seil und singe!
Singe, Schwester, dir sclnving' ich's zu!
Weisst du, wie das ward?
Singe, Sehwoster, dir aclnving'. ieh's zu:
W eisst du, wie das wird?
Wisset ihr noch,
So windet von Neuem das Seil;
Von Norden wieder werf' ich dir's nach:
Spinne, Schwester, und ii!inge !
Wollt ihr wissen, wann das wird,
Schwingt mir, Schwestem, das Seil!
Des Steines Scl1ärfe schnitt in das Seil:
Nicht fest spannt mehr der I<'äden Gespinnst;
Verwirrt ist das Geweb' !

Die Scene schliesst nach den Worten:


Zu locker das Seil! JIIir langt es nicht!
Straffer sei es gestreckt!

worin das bezeichnend auf weiches L folgende bekannte


schwirrende Str zu bemerken, mit dem gewaltigen Zerreissen
des Runenseiles und dem rauh ertönenden Schreckensrufe
der verschwindenden drei Nornen:
Es riss! - Es riss! - Es riss! -
1

1
Der 'l.'ag bricht an auf dem Walkürenfelsen: auf neue
Thaten zieht Siegfried aus und Drünnhilden lässt er als
Liebespfand den Ring des Nibelungen. Mit reinen Hauch-
lauten nebst prahlend hervorbrechendem Br (Pr), sanftem
S und L und schwirrendem Str, wie wir sie alle schon
kennen,. rufen die Gatten sich ihren Scheidegruss zu:
lleil dir Brünnhild, prangender Stern!
Heil dir' Siegfried, siegendes Licht!
ll~il, strahlende Liebe!
Heil, strahlendes Leben!
Heil! IIeil ! lleii !
i
.1

44

An den Hof Gunthers des Gibichungen gelangt Sieg-


fried; und dort wartet seiner schon Hagen, der von Gibich's
Weibo lieblos gewonnene Sohn des Nibelungen Alberich,
welchen in finsterer Nacht der dämonische Vater nochmals
an seine Pflicht mahnt: Siegfried zu tödten, den Ring
wriichugewinncn. l\Tit den kräftigen Gutturalen und seinem
HJlflzillschen Nibelungenlaute N flüstert er ihm zu:
Bist dn krllftig, Jriilm und klug,
Die wir hek!impfön mit uiiehtigem Krieg,
Schon giebt ihnen Noth unser Neid!

Hagen verspricht den Mord und den Raub: und seinen


Listen verfällt Siegfried rettui1gslos, indem er durch den
zml'l Willkommen ihm kredenzten Nibelungentrank die
Erinnerung an Brünnhildc verliert, sodass er, im Tarnhelme
als Gunther erscheinend, für diesen die Braut auf dem
Walkürenfolsen zum zweiten Male gewinnt; denn vergebens
ruft die Verzweifelte dem unerkannten Bewältiger drohend
entgegen:
Zurück, Rllubcr, frevelnder Dieb!
Erfreche <lieh nicht zu nah'n!
Stärker wie Stahl macht mich der Iting:
Nie - ral}bst du ihn mir!

wobei das rauhe R,: das wild wehend hervorbrechende Fr,


das störrisch widerstrebende St, das negative N und das
trotzig gepresste M vortreffliche lautsymbolisehe Dienste
leisten. Siegfried entreisst ihr den Ring als verhäng·niss-
volles Vermählungszeichen für Gunther.
Zur Doppelhochzeit am Rheine, Gunthers mit Brünn-
hilden und Siegfrieds mit seinem Lohne: der Gibichungen-
maid Gutrune., beruft Hagen in wilder Lust am nahen
Verderben die Gibichsmannen durch tönenden Stierhorn-
klang und weithin schallenden Ruf. Dieser Ruf weht in
den Spiranten 11 und fV durchs Land; dazu saust und
schwirrt es an geeigneter Stelle von den Zischlautver-
bindungen St, Sch, Str und der Nibelungenlaut bezeichnet
dazwischen mit herber Ironie die widerspruchsvolle „N oth"
dieser Hochzeit:
45

Iloiho! Hoiho! Hoho!


Ihr Gibichsmauuen macht euch auf!
Wehe! Wehe! Waffen! Waffen!
Waffen durch's Land! Gute Waffen!
Starke Waffen, scharf im Streit!
N oth ist da, Noth !
Wehe! Wehe!
lloibo ! IIoiho ! Uoiho !

Hierauf strömen die Mannen von allen Seiten mit


erregten l<'ragen antwortend zusammen; und zu denselben
Hauchlauten 1i und W nebst den Sibilanten und N gesellen
sich die kräftigen Gutturalen J{ und G sammt den harten
und tönenden Dentalen 1' und D und dem rauhen R:

Was tost das Horn? Was ruft es zu Heer?


Wir kommen mit Wehr, wir kommen mit Waffen,
Mit scharfer Wehr, 'mit schneidiger Wehr! .
Iloi1Io I Hoiho ! Hagen! Hagen!
W eiche N oth ist da? Welcher Feind ist nah?
Wer giebt uns Streit? ist Gunther in Noth?
Hoilto ! Ho! Hagen! -

Nach wechselseitigen Scherzen, bei denen Ragen immer


sehr ernst geblieben, schliesst er mit der Mahnung:

llold seid der Herrin, helfet ihr treu!

welchen sanft und klar gehauchten Lauten „ holder Treue",


nach schnellem Uebergange mittels des trübenden 'J.'r, das
rauhe R als bester Charakterlaut für „rasche Rache" folgt:

Traf sie ein Leid - rasch seid zur Rache!

Es entwickelt sich nun sofort die hochdramatische Scene,


in welcher Brünnhilde Siegfrieden als den Preund ihres
vermutheten ßewältigers Gunther und an seinem Fingr.r
den von Diesem, wie sie glaubte, ihr entrissenen Ring
erblickt. Sie klagt ihn als ihren rechtmässigen ersten
Gatten offen des 'l'reubruches an; und beide beschwören
sie ihr Wort: ßrünnhilde ihre Beschuldigung, Siegfried
seine Unschuld.
46

Bei des S11eeres Spitze sprech' ich den Eid:


S11itze, achte des Spruch's!

lautet dio .Formel mit dem bekannten spitzigen Speersymbole


Sp; und mit tönenden und harten Dr.ntalen, wildwehenden
Hpiranten, zischenden Sibilanten brechen die erregten Mannen
in den Anruf aus:

Hilf, Donner! Tose dein Wettcr -


Zn schweigen die ,~üthende Schmach!

8iegfriocl abor, seiner Unschuld sicher, geht mit Gutrune11


fröhlich an die Rüstung <ler Hochzeit. Gunther's Walme
von Siegfried betrogen zu sein, den Drünnhilde ihren
(Jernahl genannt, und Drünnhildens Glauben von Siegfried
betrogen zu soin, der sio dem 'fremden Manne verkauft,
bietet sich nun Hagen als thatbereiten Ifächer an; aber
bitter lachend spottet Drünnhilde:

Ein einziger ßlick seines blitzenden Auges -


Deinen besten Muth machte er bangen!

worin der Blitz im Bl hervorbricht, und das Bangen im


B erbebt, dessen Wiederliolung überdies das Fortstossende,
Wegwerfende des S~ottes malt. Sie verräth ihm aber die
verwundbare Stelle in Siegfrieds Rücken; und mit einer
harten Folge trotziger Dentalen, abgeschlossen durch das
spitzige Sp, in stäter Gesellschaft <les rauhen R, erklärt.
der mordfertige Nibelung kurz und kalt:

Und dort - trifft ihn mein Speer!

Noch wendet Gunther schaudernd ein:

Blutbriiderschaft
Schwuren wir uns !

aber Hagen entgegnet mit dämonischer Ruhe:


47

Des Bundes Bruch


Sühne nun Blut!
worin der dicht wiederholte dumpfe U-Laut von grausiger
Wirkung ist. ---:- *)
Die Schreckensthat wird am nächsten Tage auf der
Jagd vollführt: während der Held den auffliegenden Raben
Wotans nachblickt, die dem Gotte die Nachricht vom Tode
seines liebsten Sprösslings bringen sollen, stösst ihm Hagen
seinen Speer in den Rücken. An dieser Stelle hatten im
ersten Entwurfe des Dramas die in Rhythmus und Sinn
matten, obendrein ganz reimlosen (denn St und Sp sind
kein Reim) beiden Verse gestanden:
V erstehst du auch dieser Raben Spruch?
(Siegfried blickt um)

Sie eilen Wotan dich zu melden!


(Hagen ersticht Siegfried)

Einer, der die Sprache der Nibelungendichtung kritisiren


und korrigiren zu dürfen meinte, hat es bedauert, dass
Wagner dieses „schöne reine Deutsch" bei der Umarbeitung
verunstaltet habe in:
Erräthst du auch dieser Raben Gerann?
(Siegfried blickt um)

Rache rathen sie mir.


(Hagen ersticht Siegfried).
[' \
Wunderlich! ward nicht gerade das gehcimnissvoll
Prophetische des Rabongekrächzcs mit dem Worte „Goraun''
weit passender bezeichnet als mit dem an kühle Menschen-

*) Vgl. mit dieser Vokalwirkung die des spitzigen X-Lautes


in den Worten Brünnhildens:
Die Liebe Hesse ich nie,
l\lir nähmen nie sie die Liebe!
Das ist der entscheidende Dolchstoss in's Herz ihres
eigenen Licbcsgliickes, als Brünuhildc so auf Waltrautes Bitte
den Ring zu lassen entgegnet.
48

rede gemahnenden durch seinen allgemeinen Begriff ab-


geblasst erscheine~den Ausdrucke "Spruch"? Und wie
trefflich symbolisirt die dichte Folge des rauhen R das
Hachowerk des grimmen Hagen in seinen knappen, herben
Worten die dann auch derselbe R-Laut hart beschliesst.
Auch noch' als der Mörder sich vom Orte seiner That zur
Soitn wendend einsam abgeht, hält er an diesem Laute
fost; ahor er sagt da nicht mehr in alter Fassung weitläufig:

Meineid rlicht' ich an iltm !

sondern wieder kurz ab und schroff nichts als:

Meineid rächt' ich!

und schreitet langsam über die Höhe von dannen.


Bei Siegfrieds Sterbegesange weiso ich nur auf die
Schlussworte hin:
Ach, dieses Auge - ewig nun offen! -
Ach, dieses Athems wonniges Wehen! -

in denen der offene Vokal wiederum das völlige Aufgehen


des sterbenden Hel!len ..:._ für uns: in das All - für ihn:
in die letzte selige 'Traumvorstellung der Liebesumarmung
seiner nun erst wahrhaft für ihn erweckten Draut Brünn-
hilde, wie zum Schlusse des "Siegfried", bezeichnet. Mit
Siegfrieds 'l'ode dämmert das Ende der gesammten alten
Streitwelt heran, deren herrlichste Illüthe er war: Gunther
fällt durch Hagens Speer beim Streite um den Besitz des
Ringes; Ilrünnhilde aber, die mit dem Tode des einzig
Geliebten nicht nur ihre walmvolle Rache erreicht, sondern
vielmehr auch durch der Rheintöchter Kunde die klare
Erkenntnis des tragischen Schicksales wieder erlangt hat,
das diesen Tod gefordert damit sie durch leidvollste
Liebe dem schuldigen Gotte und seiner iluchverfalleneu
Welt die einst in selbstsüchtigem Liebestaumel versäumte
Erlösung schaffe: Brünnhilde nimmt den Ring selber an
sich, sendet die Raben mit letzter Botschaft au den harrenden
49

Gott nach Walhall heim, schleudert den Brand in den


Holzstoss, der Siegfrieds Leiche trägt, und worauf sie selber :
Ihn zu umschlingen, umsclllossen von ihm (Schl)

zu sterben begehrt, gibt den Ring den herbeigeschwommenen


beglückten Rheintöchtern wieder, die das entsuhnte Gold
und zugleich ertränkend den verzweifelt nachgestürzten
Hagen in die Tiefe mit sich führen, und lässt mit einer
letzten Anwendung der sanften Laute S und L, nach dem
flammenden Untergange der alten Streitwelt in der gross-
artig das ganze Drama abschliessenden Götterdämmerung,
den Ueberlebenden das erlösende Evangelium zurück, das
wir alle so gern bekennen, aber auch wie Brünnhilde,
wenn es gilt, selbst aufopfernd bethätigen sollen:

Seiig in Lust und Leid


Lässt die Liebe nur sein!

v. Wo 1 zogen, Lautsymbolik. 4
Ich weiss sehr wohl, dass auch meine hiermit be-
sclilosHcno Beispielsammlung vielfach den Eindruck des
Unvollkommenen oder Verworrenen hervorrufen und daher
bei :Manchem auch :Misstrauen gegen ihre Berechtigtheit
Uberhaupt erwecken werde. Ziemlich resultatlos wlirde sie
1
aber in der 'l'hat lJleiben, wollte ich es obendrein den
also beirrten Le.sern selber und allein überlassen, die weiter-
llin nutzbaren Konsequenzen meiner diesmaligen Bemühung·
zu ziehen. Daher sehe ich mich genöthigt zuletzt noch
einmal zusammenzufassen, was ich im Laufe meiner Be-
trachtung über jeden einzelnen konsonantischen Laut oder
eine besonders prägnante Lautfolge zu sagen fand, und
auf diese Weise für alle verschiedenen Schattirungen eine
Grundfarbe, jedem Laut9 also seine wesentliche symbolische
Bedeutung zu bestimrilen. Diese Bestimmungen wollen
allerdings auch noch keine unumstösslichen Grundsätze
bedeuten; denn in Folge neuer Beispielsammlungen könnten
ja mitunter die bisherigen Bestimmungen der Grundfarben
sich immer noch in Etwas verändern. Jedoch im All-
gemeinen wird man annehmen dürfen, dass auch jetzt schon
annähernd das Wesenhafte jedes Lautes, das unsere für
solche Empfindungen empfängliche Seele zu bestimmten
Vorstellungen anregt, darin getroffen sei. Ueberhaupt aber
bietet die Generalübersicht aller Schattirungen immerhin
schon ein ziemlich nutzbares :Material dar für eine wirkliche
Wissenschaft der Lautsymbolik, welche doch, eben auch
bei meiner Arbeit, schon wegen des Mangels einer uns
geläufigen bestimmten wissenschaftlichen Terminologie, noch
in ihren Windeln liegen blieb.
51
Wir haben also mit unserer heutigen Betrachtung
folgende Resultate erzielt:

I. Lippenlaute (Labiales).
1. Momentan 1 au t e (Explosivae).

a. Tonloser (1'enuis): P.
Als Einzellaut ohne Beleg; härter und energischer als:

b. Tönender (Media): ß.
Mit eindringlichem · Nach drucke abgestossener Laut;
;
.
,, yorwärtsschaffende, drängende und stossende Mühe, daher
sowohl trotzige Anstrengung überhaupt, wie speziell: Stossen,
Hämmern, Pochen und Beben, und übertragen: Herz-
pochen, Bangen.
G r u n cl b e de u tun g: wuchtige Stoss- und Strebe-
bewegung.
.c. Verbindungen: Pr.
Mit jäher Härte abgestossene und rauh fortklingende
Lautfolge; heftiger Hervorbruch, entschiedenes Wegwerfen:
Prusten, Spotten, Prahlen.

Br.
Mit eindringlichem Nachdrucke abgestossene und r;uh
fortklingende Lautfolge; minder harter, mehr inniger, auch
wohltönender Hervorbruch oder Bruch überhaupt.

m.
Mit eindringlichem Nachdrucke abgestossene und sanft
fortgesetzte Lautfolge; minder harter Hervorbruch mit
schmelzender vergehender Folge (Blitz), oder sanfterer
Bruch (Hervorbruch) überhaupt (brechender und hervor-
.brechender Blick), Blasen.
4*
52

PI.
Mit jäher Härte abgestossene aber sanft fortgesetzte
Lautfolge; energischer als das Vorige oder bei grösserer
Energie ungeschickter, plumper: vereitelte harte Mühe.
Grundbedeutung: hervorbrechende Bewegung.

2. Dauerlaute (F1·icativae).

a. Ifauchlaute (Spirantes).

a. 'l'onloser: F.
'
Mit flüchtiger Leichtigkeit fortgeschobener Hauch;,
leichte, schlüpfende Bewegung, gesteigert bis zum fauchenden
Wehen, schärfer als:
b. Tönender: w.
Mit eindringlichem Nachdrucke fortgeschobener Hauch;
weich wogende oder tönend wehende Bewegung, gesteigert,
bis zu innigster Gemüthserregun.g oder stürmischer Wuth.
Grundbedeutung': wehende (wallende) Bewegung.

c. Verbindungen: Fr.
Mit flüchtiger Leichtigkeit fortgeschobene und mit
rauhem Klange vibrirend weiter getragene Lautfolge; in
wilde Erregtheit ausbrechende flüchtig oder scharf wehende,
Bewegung (rasender Sturm).

Fl.
Mit flüchtiger Leichtigkeit fortgeschobene und sanft,
bewegt weiter getragene, hinschmelzende Lautfolge; leicht
fortschnellende, fliegende, fliessende, flitzende Bewegung.,
Grundbedeutung: nach leichter Fortschiebung weiter·
fortgesetzte Bewegung.
53

b. Nasenlaut (Nasalis).
lU.
Gepresster Laut; Verschlossenheit, trotzige Mühwaltung,
ringendes Flehen, gedrücktes und erweichtes, daher mildes
Wesen.
Grundbedeutung: Druck und Nachdruck (aktiv
und passiv).

II. Zahn- und Zungenlaute.


(Beide fälschlich Dentales genannt.)

A. Zahnlaute (Dentales).

1. Momentanlaute (Explosivae)
fehlen.

2. Dauerlaute (Fricativae.)

a. Hauchlaute (Spirantes).
(d. s, Zischlaute, Sibilantes).

-a. 'l'onloser: Sz.


Niemals im Anlaute.
b. 'l'önender: S.
Sanfter Sauselaut; weich wehende oder sausend tönende
ununterbrochen eindringlich fortgesetzte Bewegung, über-
tragen: innige Seelenregungen.
Grund b e d e u tun g: ununterbrochene (sausende)
Bewegung.
b. Nasenlaut (Nasalis)
fehlt.
54

B. Zungenlaute (Linguales).

1. Momentanlaute (Explosivae).

a. Tonloser: 'f.
l\Iit jäher Härte anstossender Laut; heftiges Auftreten
('l'anzcn), daher auch Trotz, und plötzliches Nieder- oder
Auftauchen an einem andern Ort, schärfer und klarer als:

b. Tönender: D.
.Mit cinclringlichem Nach drucke anstossender Laut;.
dumpf tiinencles Auftreten, gewaltiger Druck oder Drang,
Dunkelheit (geclrückter Seelenzustand).
Grunclbedeutung: an etwas als Ziel derb stossendeo
Bewegung.
c. Vcrbinclungen: Z ('fs).
Hartanstossencler uncl mit N achclruck zu anhaltender
zischend tönencler Bewegung wiecler abgestossener (fort-
gestossener) Laut; Zupfen, Zerren, Reizen, Bedrücken.

Tscl1.
Dasselbe ~it schärfer zischender Abstossung; heraus-
gepresstes: Zischen, Lautmalerei des Vogelgezwitschers in
Verbindung mit:

Zw.
Anstossende und wieder abgeschobene, weich verhallende
Lautfolge, durch Peinigung erwirkte Erweichung, Zwang.
Grundbe.deutung: hart anstossende und wieder ab-
gestossene Ilewegung.

Tr.
Hart anstossende und rauh fortklingende Lautfolge;
Trübung durch Härte und Rauheit, trotzige Kraft in Ver-
bindung mit dem Sauselaut S (Sh.): nachhallender Triller
(wiederholtes T-R).
55

Dr.
Ohne Beleg; tönender, dröhnender, dumpfer als das
Vorige.
Grundbedeutung: harte und rauhe Bewegung.

2. Dauerlaute (Fricativae).

a. Hauchlaute (Spfrantes)
fehlen.

b. Nasenlaut (Nasalis).

N.
Hart abkneifender (bissiger) Laut; Bezeichnung der
Negation, vorhergehende Laute hart abbrechend.
Grundbedeutung: Verneinung.

c. Trillerlaut (Liquida vibrans).

R.
Intermittirend fortklingender rauher Laut; rasche, fort-
reissende oder unruhige, vielfach unterbrochene, aus der
geraden Bahn abspringende wilde Bewegung, übertragen :
verzweifeltes Ringen der Seele oder harte, finstere Gesinnung.

d. Schmelzlaut (Liquida mollis).


L.
Weicher schmelzender Laut; leichte Bewegung, lichte
Erscheinung, mildes Wesen, Besänftigung u. dergl.
Grundbedeutung: rauhe intermittirend, und sanfte
ununterbrochen andauernde Bewegung.
56

III. Gaumenlaute (Palatales).


A.. Vordergamnenlaute (speciell Palatales).
1. Momentanlaute (Explosivae)
fehlen.

2. Dauer 1 au t e (Fricativae).

a. Hauchlaute (Spirantes).
a. 'fonloser: CJ1. (i-ch.)
Niemals im Anlaute.
Statt dessen:
Sauselautc (Sibilantes)
(mit Hilfe der Zähne gebildet)
aa. 'fonloser Grundlaut: Sch.
Zischender oder rauschender Hauchlaut; heller Schall
und Schimmer.
bb. Tonlose Nüance: Sb.
(SibUans aspirata).
Nur in Verbindung mit Momentanlauten:
Sp.
Gleichniässig zischend andringende, mit jäher Härte
abbrechende (abgestossene) Lautfolge; gleichmässig zischend
in ein Ziel einbrechende Bewegung (Speerwurf), daher
spitzigen Charakters, oder bis zum Bruche führende Schwung-
bewegung (Schwertbruch); auch lebhaft, rasch oder hart
wegwerfende Bewegung: Spenden, Spinnen, und übertragen:
Spotten.
Spr.
Dieselbe Bewegung nach dem Bruche oder Abstosse
(Abpralle) rauh fortgesetzt oder verrollend; Springen und
Sprengen.

'.l
/

57

Spl.
Ohue Beleg. Der Vorigen gleich, nur hinschmelzend,
sanfter fortgesetzte Bewegung.
Grundbedeutung: zum Bruche führende gleichmässig
(zischend) andringende Bewegung.

St.
:Mit jäher Härte gehemmte gleichmässig zischend an-
dringende Lautfolge; eiuen Ort treffende und dort gehemmt
bleibende Bewegung, daher alles Stillstehende , Stätige,
Steife, Starre und auch Stehende.

Str.
Dieselbe durch rauhen Nachklang verstärkte Lautfolge,
entweder als eine am Ziele gefesselte (stechende oder starr
gewordene) an sich schon rauhe oder als eine im Triller
(Tr) schwirrend sich fortsetzende gleichmässig andringende
Bewegung·, daher straffe Anspannung, Schwirren, Starrheit
und Stich.
Grund b e de u tun g: Festigkeit. (Anspannung).

b. Tönender: Jot.
:Mit Nach druck vorgedrängter (gepresster) Hauchlaut;
inniges Jauchzen oder auch Aufjammern.
G r u n d b e d e u tu n g: Schall.

c. Verbindungen: nur Zisch- und Dauerlaut:

Sclnv.
Schallende oder heftiger als Sh andringende und zu
weichem oder wildem Verwehen wieder abgestossene (fort-
geschobene) Lautfolge; fortsclnvingende Bewegung, z. B.
rauschend gleitende oder schwellende Woge, übertragen:
wegwerfende Verachtung, wuchtiger, aber minder herbe
als Sp.

J
58

Scl1r.
Schallende oder heftiger als Sh andringende und in
rauhe (rollende) Bewegung übergehende Lautfolge; heftige,
wilde Bewegung überhaupt.
Sclll.
Derselbe Grundlaut, aber sanft hinschmelzend; schlüp-
i'onde und schlingende Bewegung.
Grund h e d e u tun g : nach gleichmässigem heftigen
(schalloudcn) Andringen fortgesetzte Bewegung.

Sclnn.
Derselbe Grundlaut, dann aber durch hemmenden
Druck oder erweichenden Nach druck abgeschlossener Laut;
zu einem Ziele gebrachte oder in ein Ziol gerathene, resp.
zUr Erweichung gelangte, gleichmässig andringende Bewegung:
1
Schmieden und Schmelzen, etwas minder energisch als:

Selm.
Die totale Negation des Sch (siehe: N).
G r u n d b e de u tun g : abgeschlossene gleichmässig
andringende (schallende) Bewegung.

B. Ilintergaumenlaute (fälschlich Gutturales).


1. Mom en tanla u te (Explosivae).
a. Tonloser: J{.
Mit j ähcr Härte von tiefher ausgestossener Laut;
Energie, Kraft, 'rrotz.
b. Tönender: G-.
Mit eindringlichem Nach drucke von tiefhor ausge-
stossener Laut; mächtiger Drang, trotzige Begierde, in-
brünstige Bitte.
Grundbedeutung: energisch von tiefher drängende
Bewegung. lj
/
--
59

2. Dauer 1 au t e (Fricativae).

a. 'ronloser: Ch. (a-ch.)


Niemals im Anlaute.
b. Tönender: fehlt.
c. Verbindungen: Qu = K + engl. w.
Kräftig aus der Tiefe hervorgestossener, fortgeblasener
Laut; die energische Bedeutung des 1( rasch verflüchtig·t,
daher vergebens angewandte Kraft und Mühe, hilfloser,
erregter Seelenzustand.
Kr.
Kräftig aus der Tiefe hervorgestossene, rasch fort-
gesetzte Lautfolge; krächzendes Geräusch, rauh wirkende
heftige Stossbewegnng, weniger abstossend, wegwerfend
als Pr.
Gr.
Mit eindringlichem Nach drucke aus der Tiefe hervor-
gestossene, rasch fortgesetzte Lautfolge; aus mächtigem
Drange vorbrechende heftige Bewegung oder auch kräftig
entsprossene energische Erscheinung (Farbe).

GI.
Derselbe Grundlaut, aber sogleich wieder sanft hin-
schmelzend; alles Glatte, Gleitende, Glänzende.

IU.
Der ebenso hinschmelzende härtere Grundlaut; heftiger
aber machtloser oder zu sanfter Empfindung (Bewegung)
erweichter Affekt.
Grundbedeutung: energisch von tiefher drängende
weiter fortgesetzte Bewegung.
Kn.
Derselbe harte Laut, abgenickt und abgedrängt, knickende
und knetencle Bewegung.
Grundbedeutung: Negation des 1( (siehe N).
60

IV. Kehllaute (echte Gutturales).

1. JliI omentanlau te (Explosivae)


fohlen.

2. Dauerlaute (Fricativae).

a. Reiner Hauchlaut (Spirans pura).


II.
J oder reine Hall, scharf ausgestossen oder sanft ge-
seufzt, auch Windeswehen, und ebenso: helles Licht, hehre
Erscheinung, übertragen: Erhabenheit und Erhobenheit.

b. Nasenlaut (Nasalis)
1
nur als nasalirter Vokal, wie oben bei den Hintergaumen-
lauten niemals im Anlaute; sonst ebenso fehlend wie oben
bei den Vordergaumenlauten.

c. Volrnle (besonders A).


Heller reiner Klang oder Schein; völliges Aufgehen,
Verwehen, Hinschmelzen, auch totale Unfähigkeit zur Ar-
tilmlation, Ausser-Athem-sein. Der Vokal als die in jeder
Form aufeinander reimende Konsouanzlosigkeit des Anlautes
ist gleichsam das: Weiss unter den Grundfarben dieser
Lauttabelle. Seine charakteristischen Trübungen durch die
Organe der Lippe und des Gaumen (A zu U und zu I)
kommen mehr zu lautsymbolischer Wirkung erst im Inlaute.
Es zeigte das U dumpfen, geheimnissvollen dämonischen
Charakter, während das I, fast nur erst in der Verbindung
Tsw-i-tsch beobachtet, Schärfe, Spitzigkeit, Bestimmtheit,
Helle auszudrücken scheint. l\Iittellauto sind O und E.
Durch Annährung des U-Lautes an das volle, reine A
wird das Dumpfe, Geheimnissvolle zum Tönenden, Bedeuten-
den: 0. Beeinflusst durch A wird J, oder beeinflusst
durch J wird A: zu E, daher das Scharfe, Bestimmte, oder
das Volle, Freie zum Bedrückten und Beschränkten. -
--
Gl

Sich mit dieser 'fähelle nun noch etwas eingehender


beschäftigen zu wollen, das bleibt zu guterletzt meine wieder-
holte Bitte an die gütigen Leser. Eine genaue Prüfung
ihrer eigenen Empfindung heim .Aussprechen und Vernehmen
der betreffenden Laute müsste mir jedenfalls darin Recht.
gehen, dass es begründet war eine derartige Sammlung
lautsymholischer Proben zur Gewinnung· prinzipieller Be-
stimmungen anzulegen. Nur freilich müssen die Prüfenden
selbst die Empfindung dafür wirklich besitzen, wenn es
vielleicht auch erst meiner Hartnäckigkeit gelungen wäre
sie zu wecken. Den Anderen kann ich nur wünschen, dass·
sie sich erst gar die Mühe nicht möchten gegeben haben,
meine ihnen unverständlich bleibende Arbeit zu lesen. Ich
muss Jeden bedauern, der sich damit vergeblich abquält,
da ihm ja anch der Genuss an dem nacherzählungsweise
als Gewürz eingestreuten Dichtwerke nur sehr gestört zu_
Theil würde , wogegen der verständige Leser meines Ver0
suches daraus sich die Erkenntnis eines weiteren ästhetischen
Werthes und somit. auch einen erhöhten Genuss der be-
treffenden Kunstschöpfung gewonnen haben wird.
Für eine richtige Schätzung auch dieser Seite des
Wagner'schen Werkes mitzuwirken, war mir allerdings ein
. persönlicher Wunsch. Der hieraus zugleich sich ergelrnnde,
ihm sich gesellende objektiv-wissenschaftliche Zweck verlangt.
jedenfalls die Fortsetzung solcher Sammlungen und danach
die Ergänzung des Ergebnisses durch die Feststellung der
physischen Ursachen, der Gesetze der organischen Laut-
bildung. Auf diesem Wege wird die Wissenschaft der·
Lautsymholik ein Theil der Natur- und Seelenkunde und
alles in Allem: der Anthropologie werden, der nicht um-
seine wunderlichen Reize, sondern auch seine wohlbegründete:,
Bedeutung hat. -
__Y.:~rlag von __ FEODOR REINBOTH in_!_~eipzig.

Die Sprache in Richard Wagner's Dichtungen.


Von I--Ian.s von. '\-V olzogc,:n,
9 Bogen gr. so geheftet Mark 1,25.
In hall: I. Zur kiinstlerlschon Stilistik. Allgem. Ilctrachtungon. - Schwulst
nn<l Abbreviatur. - Antithese. Oximoron, Paradoxon, Wortspiel. - Epithet>L -
Methnphcr, Symbolik, Alleµ;orle, Gleichniss.-Senteuzen u. Sprichwörtliches. II. Zur
gr111nm111!1,che11 Sflll•t.lk. Periodenbau. - Inversion. - Vermeidung der Kon;unl<-
tlonon: - Kasusµ;cbrauch. III. ;t,u Wortllll<lnng und Wortgebrauch. Allgcm. ne-
f.mchtnngon. - Komponlerung und Bntkomponierung. ·wortbedcutung.-Dio neun
,seltsamen" Worte. - ,Jauchzer-Bildungen. - Flexion. - Schlussbetrachtungen.

Unsere geistige Bildung.


Von
Ludwig Nohl.
II. Aufl. brosch. 1 .II 50 ~-
Die llreslauer Zeitung iiusserte sich jüngst darüber wie folgt:
• Wir könnon dem geistv~llen J,;ssay in kurzen Zeilen auch nicht einmal
,ummarisc!, genug thun und mftMcn uns di\ranf beschränken, ihn der Aufmerk-
,amkeit der Oobildeton angelegentlich zu empfohlen - dass er •chon vielfach
lntoresse gefuntlen, be,v•i•t übrigens die 'l'hateache seiner zweiten Auflage. Der
Verfasser bnt sich •in hohes 'i'hema gewlhlt, wir wollen nicht leugnen, daea
die Kürze, mit der er mnnche l'riige behondelt, die nothnendige Vertiefung hier
unu dort vermis•en lilsst, dafür aber finden wir in der Schrift eelbetetbdiga und
geistvolle Ge•icht,punkt.e, doren manche woitschichtigo Abhandlung ermangelt.•

Unsere Zeit und unsere Kunst.


Von
Hans von Wolzogen.
Preis broschirt 3 .II

Der Hamb. Corresp. schreibt: »Den Deductionen des Autors


liegt ein tiefinneres edles Streben zu Grunde, dom deutschen.
Volke den Weg zu einer ideellen aus dem germanischen religiösen
Kunstbewusstsein hervorspriessende Cultur zu zeigen, aber der
Wog ist ein iiusserst verschlungener, der aus einem complicirten
Denken, einer hochaufstrebenden Phantasie, einem freudigen
En!husiasmus entsprungen ist. Als Wegzeiger aus unserem
socialen, religiösen und künstlerischen Chaos heraus gilt dem
Verfasser Richard Wagner, welcher als der der modernen An-
schauung homogene Messias verherrlicht wird. Das germanische
Kunstideal zu schaffen und dies wieder rückwirken zu lassen
auf das Volk ist der Gedanke, welcher die Auseinandersetzungen
wie ein rother Faden durchzieht u. s. w. Wir können dem Buche
trotz seiner Irrgänge und manichfachen Absonderlichkeiten nur
wünschen, dass es in vieler Leser Hände kommt.«
Verlag von FEODOR REINBOTH in Leipzig.

Richard Wagner und seine Schöpfungen.


Dargestellt von Dr. He1•man111 Stolin.
Mit Richard Wagners Bildniss in Stahlstich.
- Dritte unveränderte Auflage. -
Preis eleg. broseh. M. 2,50, hocheleg. gbd. mit Goldpress. M. 3,f>O.
„Als ein Nachklang Richard Wagner's wunderbarer Tondichtungen
bietet sich diese prächtig ausgestattete Gabe: .,Richard Wagner und seine
Schöpfungen" von Dr. Hermann Stohn' in 3·, Auflage dar. Es war ein
glücklicher Gedanke, die Entstehungsgeschichte von vVagner's Opern und
Musikdramen in einen handlichen Octavband zusammenzufassen, der be-
lehrend und zugleich höchst unterhaltend ist. Dr. Stohn hat die selbst
gestellte Aufgabe in fesselnder Weise gelöst und darf des ferneren Er-
folgs damit sicher sein. Wir wünschen nur, dass alle Leser mit uns den
gleichen Genuss, den wir beim Lesen empfunden, teilen."
Illustr. Ztg,

Richard Wagner und Schopenhauer.


Eine Darlegung der philosophischen Anschauungen Rich. Wagners
an der Hand seiner Werke von Dr. Fr. von Uausegger.
2. verm. u. verb. Aufl. eleg. broch. Mk. 1,-.

Denksteine
aus dem Leben berüh1nter Tonkünstler.
Auf Grund charakteristischer Dokumente verölfentlicht
von
Prof. Dr. Ludwig Nohl.
530 Seiten gr. so. 2. Aufl. Preis hochelegant gebunden M. 7,-
Der unermüdlich thätige, um die Sammlung, Sichtung und Erläuterung
der musikalischen Produktivität und hierbei graphischer Daten so ver-
diente Heidelberger Professor Dr. Ludwig Nohl, giebt in diesem hoch-
interessanten Werke eine Reihe von Studien, reich an manigfacher An-
regung, durchwoben mit vielfachen, bisher noch völlig unbekannten
Notizen Uber das Leben und Wirken, sowie aus dem handschriftlichen
Nachlasse der hervorragendsten deutschen Tonktinstler, - Dieses hoch-
elegant ausgestattete Buch empfiehlt sich auch als herrliches Gelegenheits-
geschenk für jeden Musikalisch-Gebildeten.
Durch alle Buch- und Musikalien-Handlungen des In- u. Auslandes,
sowie direct gegen Einsendung des Betrages vom Verleger
Feodor Relnboth in Leipzig zu beziehen.
Verlag von FEODOR REINBOTH in Leipzig.

Das musikalische Drama


von
Edouard Schure.
Deutsch von Ifans von Wolzogen.
lll"IU.o A. ull ngo. 2ß llo gon gr. 8D. l'rols olog. gcb11111lo11 Mk. ~,60 .
M il; Mil,<:ltlru n<l li,;<:m F.ln goh on nnd d er walirc n J~rkcnntni ~s dessen, was beabsich-
ll ii;J, w111•d01 , ij<;ill l1l 01 rl: ,fo r Vr,rf'I\HH Ol' nnch d,ts ll ,1yt'C1J t lrn r 'l'h ca to r , das ihm ~bc,r al,l e
'11h11ij,l.1JJ'11.,d 1\Jl,1111 , d1n 11111.l k,,11 uldlt n. uHgc ,~o mm un, At cl1t nl s das e rst e , das c111z1g f ur
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~u mtmurn u~o1:vv.•111 , wlu ' i/t f'lir' 1;111 ll1111t,rnl1 uH Puhlllrnm }HtRfJO JHl erschien.

Aus der Zeit - für die Zeit.


I Aphorismen zur Clw.rakteristiJc moderner Kunst
von
M. PUiddemann.
2. Aufl. 144 S. 8°. Eleg. brochiert M. 1,- . Eleg. gebunden M. 1,50.
Obschon dem Meister Richard Wagner der grösste '!'eil dieser
interessanten Aufzeichnungen gewidmet ist, so dürften diese Aphorismen
doch nicht blos in Wagnerkreisen , " sondern ihres vielseitigen Inhalts
wegen allen ernsten Musikfreunden" hochwillkommen sein.

Die
Aussicht der Kunst Richard Wagners in Frankreich.
Von Dr. P. Marsop.
Zweite Auflage. so. Broch. Mark 1,-.
Geistvoll und sehr überzeugend.
(Illustr. Deutsche Monatsschrift).
__________________________ .,

Erfäuterungen zu Ma x Bruch's Komposition „Das Lied von der


Glocke" (Gedicht von Schiller). Mit vielen Notenbeispielen von
Aug. Jahn. 24 S. so. Eleg. broch. M. - ,40.
Dlo d.e11tsch0 llluslkorzoltung schreibt: - - Zahlreiche Notenb eispiele belfon
das Verstandnlss vormitteln, sodass es sich sohr erfolgreich erweisen würde, wo_nn
überall, wo das Werk zur Aufführung kommt, dies Heftehen statt eines sonst nb-
lichen Textbuches, das j a von Schillers Glocke überflüssig ist, don Zuhörern
in die Hand gegeben würde,

Durch alle Buch- und Musikalienhandlungen des In- und Auslandes


zu beziehen.

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