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5.

Szene: auf der Straße

Starker Wind, Angelina und Charoussek verschwinden, drei abgehalfterte Gesellen


und der Pädophile Zottmann befinden auf einer Gasse des Judenviertels, später
treten sie in eine Spelunke ein.

Bohemien 1 ruft
Der verdammte Wind!

Bohemien 2 ruft
Wie seltsam es ist, wenn der Wind leblose Dinge bewegt.

Bohemien 1 ruft
Ja, es sieht wunderlich aus, wenn Gegenstände plötzlich zu flattern anheben, die sonst
immer nur tot daliegen. Nicht? Große Papierfetzen jagen in toller Wut im Kreise umher
und verfolgten einander

Bohemiens 3 ruft
. Nur eine dicke Zeitung kann nicht mitkommen, sie klebt auf dem nassen Pflaster und
klappt hasserfüllt auf und zu als schnappe sie nach Luft. Ob nicht vielleicht ein
unbegreiflicher Wind auch uns hin- und her treibt und unsere Handlungen bestimmt,
während wir in unserer Einfalt glauben, unter unserem freien Willen zu stehen.

Laponder
Schau diesen Mann nicht an.

Rosina.
Er schaut mich an!

Laponder
Du schaust ihn auch an!

Rosina
Ich kann nichts dafür, wenn er mich anschaut.
Laponder
Du lungerst hier auf der Strasse herum, deshalb schaut er dich an!

Rosina
Du gehst mir auf die Nerven.

Boemiens singen!
Textaufteilung auf drei Bohemiens!!!

Bohemien 1
Zeitlebens frönt er dem pädophilien Laster

Bohemien 2
Sein leiser Gang schmiegt sich ans Kopfsteinpflaster

Beide
Glatt rasiert und weichlich wie der Mond
strahlt sein Gesicht an Orten,
wo sich’s lohnt.
Bohemien 1
seine schmierig geilen Blicke schielen

Bohemien 2
Auf den Schulhof wo die Kinder spielen
Als Regierungsrat kann er sich’s leisten
Heimlich deviant zu sein
Beide
Dieses schwein!

Zottmann zu Rosina
Na mein liebes Kind. Darf ich mich einmal vorstellen? Mein Name ist Zottmann. Hat
nicht jeder Mensch zwei Gesichter? Wie heißt du Kleines!
Laponder
Sie heißt Rosina. Sie ist zu alt für diese Art von Mädchen, die sie suchen. Unser Volk
ist nicht käuflich.

Zottman
Euer Volk ist die Mätresse der ganzen Weltgeschichte er lacht

Rosina zu Zottmann
Beachten sie ihn nicht, er ist immer so fanatisch.

Bohemien 1
Lasst uns zu Rosina’s Tanzbar gehen, hier auf den Gassen holt man sich ja den Tod!

6. Szene: Rosinas Tanzbar

Es herrscht ein unglaubliches Gedränge

Rosina
Nur hereinspaziert, heute großes Konzert. Nur nicht schüchtern, nur hereinspaziert,
nicht schüchtern! Heute singt die große Rosina, wie sie sehen, bin das ja ich! Nicht
verpassen, den Gesang der großen Rosina und das nächtliche Beisammenhocken in
Rosinas Nachtbar. Unvergessliche Stunden!

Pernath
Wer ist Rosina?

Bohemnien 2
Sie ist eine Art von jüdischem Gesicht, das man über Generationen hinweg nicht
loswird. Dieselbe Rosina, die wir alle als Weib begehren, war schon die Mutter von uns
Begehrenden.

Boemien 1
Und die Urgroßmutter dieser ganzen Rosinas hieß auch Rosina und ging noch mit den
Habsburgern ins Bett. Es ist stets das gleiche Gesicht, kein Zug anders! Es ist immer
wieder die Auferstehung des gleichen Prinzips! Was machen sie da?

Pernath
Ich probiere den Gang einer Person aus, die mich gestern besuchte, deren Aussehen ich
aber vergessen habe. Es wurden mir von diesem Mann alte Worte in den Mund gelegt,
seitdem schmecke ich den Geschmack von alten Buchseiten.

Bohemnien 2
Entweder hast du geträumt oder du bist dem Golem begegnet.

Bohemien 1
Was weist du über den Golem, Rosina?

Rosina’s Song Gefahr! Erinnerung! Zettel

Ein Rabbiner dachte sich:

Ich schaffe mir ein Wesen ganz aus Lehm und Sand
Ich werde es zum Frondienst locken
bei schwerer Arbeit geht es mir zur Hand
beim Läuten schwerer Synagogenglocken

Und bin ich seiner Hilfe leid


entzieh ich ihm den Zettel mit Hebräisch Wort
dann sitzt es in der Dunkelheit
an einem unbekannten dunklen Ort

Nur zum Fegen oder Schrubben meine Stube


Brauche ich den Menschen ganz aus Lehm
Und kommt der Erdklump aus der Grube
ist alle schwere Arbeit mir bequem.
Doch mal vergas der alte Mann
Den Zettel aus dem Schlund zu zieh’n.
Die Lebensgeister blieben an
Die ihm zerstörerische Kraft verlieh’n.

Der Klotz aus Sand schlug auf Geschirr und Porzellan


Sogar in Fenster und in Spiegel
Der massive Wicht bekam Zerstörungswahn
Zerbrach uns Türen und uns Ziegel

Der Rabbi schnell ergriff das aufgeschriebne Wort


Riss das Zettelchen aus des Golems Mund
Das war des Unholds sicherer Mord
Der Wüterich in Staub zerfiel zur selbigen Stund

Doch seitdem kommt er immer wieder


Wenn’s Judenvolk ist in Gefahr
Wenn unsere Hütten brennen nieder
Und Alpträume werden wahr

Bohemien 3
Und ich sage euch der Golem treibt wieder mit unsicherem Gang in unserem
Stadtviertel sein Unwesen.

Pernath ahmt den Gang nach


Etwa so...?

Bohemien 1
Er verschwindet in einem Haus in der Nähe der Synagoge.

Bohemien 2
Hillels Frau behauptet, sie wäre dem Golem begegnet, und er wäre sie selbst gewesen.
Bohemien 3
Es gibt in diesem Hause ein Zimmer mit Gitterfenster ohne Zugang von außen.

Bohemien1
Einmal hatte sich ein Mann aus Neugier mit einem Strick vom Dach herab gelassen.

Bohemien 3
Um hinein zu sehen.

Bohemien 1
Kaum war er in die Nähe des Fensters gelangt, zeriss sein Strick und er zerschmetterte
auf dem Pflaster der engen Gasse.

Bohemien 2 wirft seinen geschnitzten Kopf in Pernaths Schoß, der ihn entsetzt
abschüttelt, er fällt auf den Boden, und alle tanzenden Kneipenbesucher treten nach
ihm, halb spaßhaft- halb mutwillig! Der Kopf saust zwischen den Beinen hin und her
wie der Ball in einem Tischfußball.
Pernath befällt die Vorstellung es sei sein eigener Kopf, der über den Boden saust, er
fällt zu Boden und hält sich seinen Kopf mit den Händen.

Nazi Truppenführer brüllt


Wird hier doch getanzt, trotz des Verbotes? Ich sperre die Spelunke, und was hier
rumschweinigelt, Reihen bilden und dann Marsch! Alle raus.

Zottmann (In der Funktion eines mächtigen Nazifunktionärs) gefährlich sanft


Wünschen Sie Herr Oberstabsführer, vielleicht vorgestellt zu werden?
Nazitruppenführer kreideweis
Ach Herr Zottmann. Leidige Pflichterfüllung. Ich sehe ja, dass es hier anständig zugeht,
Heil Hitler!

Alle Besucherinnen und Besucher des Lokals murmeln, flüstern....


Man sieht Rosina als kleines Mädchen frisiert auf dem Schoß des Nazigenerals
sitzen, der breit vor sich hin grinst.
Bohemiens
Wie in schwülen Tagen
die elektrische Spannung
sich bis zur Unerträglichkeit steigert
und endlich den Blitz gebiert,

Nachtbar-Chor
Den fauchenden zackenden
geschleuderten Blitz!

Bohemiens
könnte es da nicht sein,
dass auch die stetige Anhäufung
jener sich immer mehr steigernden Angstgedanken
die hier im Ghetto die Luft verdichten,

Nachtbar-Chor
Die Angst, die stetige Angst
Die eiskalt erschütternde Angst

Bohemiens
Eine plötzliche ruckweise Entladung,
eine seelische Entladung
die unser Traumbewusstsein
ans Tageslicht peitscht,

Nachtbar - Chor
Der Traum, der dunkeltrübe Traum
Der seelenschwarze Traum

Bohemiens
ein Gespenst zu schaffen,
als Symbol einer Massenseele?
Und wie mancherlei Erscheinungen
das Einschlagen des Blitzes ankündigen,

Nachtbar-Chor
Den fauchende zackenden
geschleuderten Blitz!

Bohemiens
so verraten auch
gewisse grauenhafte Vorzeichen
das drohende Hereinbrechen
jenes Phantoms ins Reich der Tat.

Nachtbar-Chor
Das Phantom der Angst
Das Phantom der Angst

Zottmann lacht angetrunken brüllend


Also sprach Zarathustra: Der Mensch ist etwas, das überwunden werden muss!

Bohemien 1 über Pernath


Er ist eingeschlafen.

Bohemien 2
Ein seltsamer Mensch!

Bohemien 3
Er hat lange Zeit in einer Nervenheilanstalt zugebracht. Ein befreundeter Arzt riet mir,
ihn nie nach seiner Vergangenheit zu fragen. Da muss es wohl ein Ereignis gegeben
haben, dass ihn in den Wahnsinn trieb.

Bohemien 2
Was machen wir mit ihm?
Laponder
Ich nehme ihn mit zu mir, ich kümmere mich um ihn!

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