AZ
Konzert
Giora Feidman
berührt in Fischen
Allgäu-Kultur
MITTWOCH, 23. JULI 2008 NR. 170
Im Pizza-Ofen gingen die
Blüten in Flammen auf
Prozess Angeklagte sollen Mafia-Clan aus Kalabrien angehören
Staatsanwaltschaft wirft ihnen Handel mit Kokain und Falschgeld vor
VON MICHAEL MUNKLER
Kempten/Sonthofen Sie sollen laut
Anklageschrift dem berüchtigten
N‘drangheta-Clan der kalabresi-
schen Mafia angehören und eine
Pizzeria in Sonthofen zum Dreh-
und Angelpunkt der Organisation
gemacht haben: Seit gestern müssen
sich zwei 31 und 28 Jahre alten
Männer aus Süditalien vor dem
Kemptener Landgericht verantwor-
ten. Die Staatsanwaltschaft wirft ih-
nen Rauschgifthandel und das Ver-
breiten von Falschgeld vor.
Zwischen 2001 und 2004, so die
Anklageschrift, hätten die Männer
eine Pizzeria in Sonthofen betrie-
ben. Dabei sei es ihnen aber weniger
um die Verköstigung der Gäste mit
leckeren Pizzen gegangen. Vielmehr
sollen die beiden zusammen mit an-
deren Clan-Mitgliedern von Sont-
hofen aus Rauschgift und Falsch-
geldgeschäfte abgewickelt haben.
Dabei hätten die beiden Kokain-
Geschäfte selbst initiiert oder aber
überwacht. Der aus Kolumbien
stammende Stoff sei von Belgien
oder Holland nach Italien gebracht
worden. Gefälschte 50-Euro-Noten
sollen von Italien nach Sonthofen
geschafft und von dort weiter ver-
teilt worden sein. Bei den Blüten
habe es sich um Falsifikate von
„sehr guter Qualität“ gehandelt,
heißt es in der Anklageschrift. Zu
heiß wurde das Geschäft mit dem
Falschgeld dem 28-Jährigen erst, als
Standpunkt
VON PETER JANUSCHKE
» januschke@azv.de
oder Fax (0831) 206-123
Mehr Vielfalt beim Bauen
V ieles ist Geschmackssache. Das
ist beim Essen so und das ist
beim Bauen so. Das Wohnhaus, das
dem einen gefällt, findet ein ande-
rer abscheulich. Der eine schwärmt
für Holz in gedeckten Farben, der
andere für Glas und eine helle Fassa-
de. Während beim Essen jeder sei-
nen Geschmack ausleben kann,
schreiben beim Bauen der Bürger-
meister und mehr oder weniger
fachkundige Kommunalpolitiker
im Bauausschuss den Geschmack
vor. Der dann natürlich dem ihri-
gen entspricht. Und wenn sie ge-
meinsam eine eher altbackene Ein-
stellung haben, dann dürfen neue
Häuser auch heute nur so aussehen
wie schon seit Jahrzehnten.
Bei stadtbildprägenden Groß-
bauten im Dorfkern oder in der In-
nenstadt ist das Ringen um ein ein-
heitliches Bild sogar wichtig. Auch
wenn man sich wünschen würde,
dass sich mehr Kommunen fachli-
che Kompetenz zum Beispiel über
Gestaltungsbeiräte dazu holen.
Bei Privathäusern in Wohnbau-
gebieten fehlt oft die Toleranz.
Wie unterschiedlich die Ge-
schmäcker sind, zeigen zwei aktu-
elle Beispiele. In Memmingen ist in
einer etwas heruntergekommenen
Ecke der Altstadt ein modernes
Holzhaus mit großen Glasflächen
entstanden. Gleich daneben: Häuser
mit vogelwild aufgesetzten Dach-
gauben und ein buntes Nebeneinan-
der von geraden Fassaden und Ro-
koko-Elementen. Trotzdem hat sich
der Bauherr mit seinem Holzhaus
einen Spreißel eingezogen und die
Stadt will seinen Umbau nicht to-
lerieren. Die Fassade passe nicht in
die Umgebung und überhaupt
sieht die vom Architekten einge-
Allgäu-Rundschau
ein Lieferant der Blüten festgenom-
men wurde. Der jetzt Angeklagte
soll daraufhin mehrere Falschgeld-
Scheine im Pizzaofen verbrannt ha-
ben, so die Anklagebehörde.
Die beiden gestern auf der Ankla-
gebank sitzenden Männer waren
beide im Städtchen San Luca in Ka-
labrien (Süditalien) festgenommen
worden. Seit 17 Jahren tobt in dem
4000 Seelen zählenden Ort eine Ma-
fia-Fehde zwischen den Familien
reichte Planung ganz anders aus als
die Ausführung.
Ohne groß zu fragen, hat im
Ostallgäuer Schwangau ein Gast-
wirt sein Lokal gelb-orange gestri-
chen und von der Gemeinde die
Rote Karte bekommen. Die erlaubt
nur weiß. Das ist viel zu viel Re-
glementierung, meinten erfreulich
viele Leser unserer Zeitung bei ei-
ner Umfrage.
Dieser Streit erinnert an ein
leuchtend blaues Dach in einem
Kemptener Neubaugebiet. Das hät-
te die Stadt mit einem verbissenen
Rechtsstreit am liebsten wieder ab-
gedeckt, weil sie dort nur rot sehen
will. Inzwischen kamen schwarze,
graue und auch Terrakotta-Ziegel
auf anderen Neubauten dazu. Wen
stört das? Niemand.
Schön, dass die Menschen mehr
Gestaltungsfreiheit einfordern.
Sonst kann sich Architektur nicht
weiter entwickeln. Es muss aller-
dings allen klar sein, dass sie diese
Freiheit auch dann zulassen müs-
sen, wenn ihnen selbst demnächst
ein Bau in der eigenen Nachbar-
schaft geschmacklich aufstößt.
Wie wichtig eine Diskussion über
mehr Architektur-Vielfalt im All-
gäu ist, zeigt der starke Tobak, mit
dem der Architekt des Memmin-
ger Holzhauses sein Vorgehen zu
rechtfertigen sucht: Wenn sie mo-
dern bauen wollen, behauptet er,
reichen viele Allgäuer Architekten
getürkte Pläne bei den Behörden
ein. Aus Angst, sonst sofort ausge-
bremst zu werden. Schier nicht zu
glauben, dass der Mann für seinen
Berufsstand spricht. Denn das hieße
nichts anderes, als den Schwarzbau
zum Prinzip zu erheben. Und das
kann es auf gar keinen Fall sein.
www.all-in.de
Strangio-Nirta und Pelle-Romeo.
20 Menschenleben soll die Ausei-
nandersetzung schon gekostet ha-
ben. Deutschland hatte die Ausliefe-
rung der beiden Männer gefordert,
und schließlich waren sie den deut-
schen Strafverfolgungsbehörden
übergeben worden.
Als Tellerwäscher angefangen
Vor Gericht hüllten sich die beiden
Angeklagten weitgehend in Schwei-
gen. Nur der 31-jährige Koch be-
antwortete Fragen zu seinen per-
sönlichen Verhältnissen. Demnach
war er 1998 aus Italien zu seinem
Onkel nach Bochum gekommen und
hatte sich dort zunächst als Teller-
wäscher verdingt. Später habe er
dann in Duisburg eine eigene Pizze-
ria betrieben. Zur Sache verweiger-
ten beide eine Aussage.
Als Zeuge vernahm das Gericht ei-
nen 25 Jahre alten Studenten, der sei-
nerzeit in der Pizzeria als Pizzaliefe-
rant gearbeitet hatte, später aber
auch andere Tätigkeiten dort über-
nahm. Es sei wiederholt von Falsch-
geld und Drogen die Rede gewesen,
schilderte der Türke. Und wegen
ausstehender Schulden seien sich die
Italiener auch in die Haare gekom-
men. „Einmal hat man mich gefragt,
ob ich nicht einen Abnehmer für ein
Kilo Kokain wüsste“, sagte er weiter.
Dabei sei aber eigentlich nie aus-
drücklich von Kokain gesprochen
worden, sondern von „weißem
Zeug“. Der Prozess wird fortgesetzt.
„Es zieht mir den Boden unter
den Füßen weg, ich habe Angst“
Lesertelefon Experten beantworten Fragen zur Krankheit Depression
Allgäu l dam l Edith H. ist 53 Jahre alt
als es sie das erste Mal erwischt.
Nach 29 Jahren geht ihre Ehe zu
Bruch und es folgt die schmerzhafte
Trennung von ihrem Mann. Die
Oberallgäuerin zieht aus dem ge-
meinsamen Haus aus, weg von dem
Wohnort, wo ihre Freunde leben.
Sie nimmt sich eine Zwei-Zimmer-
Wohnung und stürzt sich in die Ar-
beit. Vier Monate später macht ihre
Firma Pleite. Edith H. steht da ohne
Partner und ohne Arbeit. Nichts ist
mehr wie zuvor – und die 53-Jährige
versinkt in einem Strudel der Hoff-
nungslosigkeit. Edith H. leidet un-
ter einer schweren Depression.
Wie sich ihr Leben in dieser Pha-
se anfühlte, beschreibt die heute
58-Jährige so: „Es zieht mir den Bo-
den unter den Füssen weg. Angst
kriecht den Rücken hoch, ich kann
mich nicht mehr für irgendetwas
entscheiden, kann mich schwer
konzentrieren, habe Schlafstörun-
gen, bin appetitlos, nichts macht mir
Depressive Menschen versinken oft in einem Strudel aus Hoffnungslosigkeit. Foto: dpa
...
Skisport
Unter Planen und Schirmen
Der Sommer macht derzeit mal wieder Pause. Die Boote am Nieder-
sonthofner See verstecken sich deshalb unter Planen und auch für
Menschen war es gestern ratsam einen Schirm mit zu nehmen. Heute
soll das Wetter ebenfalls wechselhaft sein. Ab Donnerstag aber erwar-
ten Meteorologen dann endlich den Sommer zurück.
mehr Freude, ja ich bin unfähig,
Kleinigkeiten zu erledigen und kann
mich schließlich nicht mehr selber
versorgen.“ Manchmal wacht sie
bereits morgens um 1 Uhr auf, kann
nicht mehr einschlafen, liegt wach.
Das Aufstehen kostet sie ungeheure
Kraft. Zu den alltäglichen Dingen
wie Zähne putzen, ein Brot kaufen,
kann sie sich kaum aufraffen. Sie
nimmt mehrere Kilo ab. Nach meh-
reren Wochen weist sie ein Facharzt
in eine Klinik ein. Edith H. erhält
Medikamente und unterzieht sich
einer Psychotherapie. Auch beginnt
sie mit dem Tagebuchschreiben.
Nach ihrer Entlassung aus der Kli-
nik schließt sie sich einer Selbsthil-
fegruppe an. Sie nimmt weiter Me-
dikamente. Nach acht Monaten hat
sie die Depression überwunden.
Edith H. ist kein Einzelfall: Fünf
Prozent der Bevölkerung in
Deutschland erfüllen nach Exper-
ten-Schätzungen die Kriterien einer
depressiven Störung, das entspricht
„Pe“ Horle tritt beim
SC Oberstdorf zurück
Allgäu-Sport
Foto: Lienert
rund vier Millionen Menschen. Bei
vielen Erkrankten stehen körperli-
che Beschwerden wie Magen-,
Kopf- oder Rückenschmerzen im
Vordergrund. Das macht es zusam-
men mit der unterschiedlichen Aus-
prägung der psychischen Symptome
oft schwer, eine Depression zu diag-
nostizieren.
Neben Medikamenten und Psy-
chotherapie kann Ausdauersport die
Behandlung einer Depression posi-
tiv unterstützen, sagt Wolf-Dieter
Fischer, Dipl.-Sportlehrer und Lei-
ter des Therapeutischen Bewe-
gungszentrums in Neutrauchburg.
„Ein bis zweimal pro Woche an ei-
nem festgelegten Zeitpunkt
Schwimmen, Radfahren oder Lau-
fen hilft den Patienten oft sehr“,
sagt Fischer.
O Lesertelefon: Am morgigen Donners-
tag, 24. Juli, beantworten Experten von
10.30 Uhr bis 12 Uhr, am Lesertelefon
Fragen rund um das Thema Depression.
Depression
Neben der traurigen Grundstimmung
leiden depressive Menschen in der
Regel oft über viele Monate hinweg
an mangelndem Antrieb und we-
nig Energie. Sie sind oft nicht in der
Lage, kleinste Entscheidungen zu
treffen, haben die Fähigkeit verloren,
Freude zu empfinden, leiden unter
Konzentrationsstörungen, Schuld-
und Minderwertigkeitsgefühlen
oder Angst. Hinzu kommen in den
meisten Fällen körperliche Miss-
empfindungen wie Schlafstörungen
oder Appetitmangel.
Ein Benefizkonzert
für das Kuratorium
Sicheres Allgäu
Bad Wörishofen l az l Ein Serenaden-
Benefizkonzert findet am Donners-
tag, 24. Juli, um 20 Uhr im Kurhaus
in Bad Wörishofen statt. Der Mu-
sikkorps der bayerischen Polizei un-
ter Lei-
tung von
Professor
Johann
Mösen-
bichler
spielt zugunsten des Kuratoriums
Sicheres Allgäu.
Zuvor werden bei einem öffentli-
chen Festakt im Guggerhaus um 18
Uhr Menschen ausgezeichnet, die
sich in besonderer Weise für andere
eingesetzt haben.
Der Eintritt für das Benefizkon-
zert ist frei, die Spenden kommen
dem Kuratorium Sicheres Allgäu
zugute.
„Hurlahutsch“:
Drohende Insolvenz
vorerst abgewendet
Bad Hindelang l pts l Weil die Markt-
gemeinde Bad Hindelang als Partner
des „Volksmusicals Hurlahutsch“
befürchten musste, dass die feder-
führende private Produktionsgesell-
schaft zahlungsunfähig wird, hat
Bürgermeister Adalbert Martin das
Ruder übernommen. Eine neue
Veranstaltungs-GmbH unter Betei-
ligung der Kommune soll nun ent-
stehen.
Nur schleppend Geld erhalten
Wie gestern berichtet, konnten die
bisherigen fünf ausverkauften Auf-
führungen nur unter Schwierigkei-
ten stattfinden. Bühnentechniker
und Handwerker hatten gedroht,
die Vorstellungen platzen zu lassen,
nachdem sie nur schleppend Geld
erhalten hatten. Nach Kassensturz
und wirtschaftlichem Neuanfang
soll „Hurlahutsch“ weiterlaufen.
Die ohne Gage angetretenen Laien-
schauspieler sind dazu bereit.
Blickpunkte
LINDAU
Radler fährt gegen Baum:
Schwere Kopfverletzungen
Mit voller Wucht ist ein Radfahrer
am Montagvormittag gegen einen
Baum geprallt. Der 63-jährige Tou-
rist war mit seiner Ehefrau an ih-
rem ersten Urlaubstag in Lindau
unterwegs. Laut Polizei fuhr er
ohne Schutzhelm flott einen Rad-
weg bergab und stieß gegen einen
Baum auf der linken Seite. Vermut-
lich, so die Polizei, hatte er sich
nach seiner Gattin umgedreht und
so die Fahrtrichtung geändert.
Durch die Wucht des Aufpralls
wurde er rückwärts auf den Rad-
weg geschleudert. Dort fand ihn sei-
ne Frau bewusstlos. Der Mann
wurde mit schweren Kopfverlet-
zungen ins Spezialklinikum nach
Ravensburg geflogen. (az)
UNTERALLGÄU
Landwirte bejubeln
Auftritt von Westerwelle
Annähernd 2000 Landwirte jubelten
beim Unterallgäuer Bauerntag in
Dorschhausen bei Bad Wörishofen
Guido Westerwelle zu. Der FDP-
Bundesvorsitzende versprach den
Bauern, sich für eine mittelstands-
freundliche Politik einzusetzen.
Auch für Landwirte müsse sich
Leistung wieder lohnen, so das Cre-
do Westerwelles, das im Festzelt
mit starkem Beifall bedacht wurde.
Auch machte sich Westerwelle für
eine Abschaffung der Erbschafts-
steuer stark. (br)