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Prof. Dr.

Rüdiger Steinmetz

Einführung in die
Medienwissenschaft
Sommersemester 2008
TUTORIUM
JEWEILS DIENSTAGS, 13 - 15 UHR
PLUS WEITERE TERMINE

ERSTE SITZUNG MORGEN,


15. APRIL, 13 UHR
Ort: ZMK = Zentrum für Medien und
Kommunikation, Emil-Fuchs-Straße 1
Räume sind ausgeschildert
Definition Medienwissenschaft
Medienwissenschaft
untersucht die Spezifik der Medien
Film, Hörfunk, Fernsehen
(partiell auch Presse und Buch) und der aus
diesen synthetisierten
“neuen” Medien
 hinsichtlich ihrer Produktions-, Produkt- und
Rezeptionsästhetik,
 ihrer Dramaturgien,
 ihrer Darstellungsformen,
 ihrer Programme,

 ihrer strukturellen und


organisatorischen Ausprägungen,

 ihrer Produktions- und


Wirkungsbedingungen,

 ihrer historischen Genese sowie


 teilweise auch ihrer
ökonomischen, technischen und
rechtlichen Grundlagen und
Ausprägungen.
Medienwissenschaft
bedient sich sowohl

• interpretierender
(hermeneutischer) als auch messender,

 quantitativer wie qualitativer Methoden


und ist

 immer historisch-quellenkritisch
orientiert.
Genese der Kommunikations- und
Medienwissenschaften
Zeitungskunde
Publizistik
Journalistik
Kommunikationswissenschaft (KW)

Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (PuK)

Medienwissenschaft(en) (MW)

Kommunikations- und
Medienwissenschaft (KMW)//
Medien- und Kommunikationswissenschaften (MuK)
Medienwissenschaft ist auf das Feld der
medialen Kultur(re)-Produktion orientiert und
grenzt sich von journalistisch-aktuellen
Gegenstandsbereichen ab.

Das Studium der Medienwissenschaft


qualifiziert v.a. für
 Berufe in der Produktion und
 Evaluation von sowie der
 Vermittlung kultureller Inhalte durch
Medien.
Produktions- ästhetik
- geschichte
* Autorenstil
* Genre
* Ökonomie
Produkt - ästhetik
- geschichte

Rezeptions - ästhetik
- geschichte

Wirkungs - ästhetik
- geschichte
Produktion

Untersuchungs- Organisationsgeschichte
gegenstand Produktionsgeschichte
Buch, Autor, Stil, Werk
Thema, Genre, Technik,
Ökonomie

Methode/ (akt.:) Beobachtung,


Quellen Befragung
(hist.:) Schriftwechsel,
Produktionsakten,
Zensurkarten
Sekundärquellen
Produkt
Untersuchungs- Umfeld: Programm,
gegenstand Werbung, technische Parameter
Ästhetik: Handlung, Dramaturgie, Fabel, Plot,
Bilder, Töne, Montage
Methode/ Heuristik: Alltagsrezeption ---
Quellen Fragestellung --- Hypothesen

Systemat. Sehen/Hören; Protokoll


Filmanalyse (empir. gestützt)

Interpretation (hermeneutisch)
Rezeption

Untersuchungs- Rezeptionsumstände (ges.,


gegenstand politisch, organisatorisch)
Werbung, Publikum, Kritik
Werk-/Programminhalt, -struktur

Methode/ Publikums- und Nutzungsdaten


Quellen Kritiken (zeitgenössisch und bis heute)
Befragung (Experten, Oral History)

Schriftwechsel (geheime od. öffentliche)


wissentschaftliche oder
populäre Rezeptions-
Untersuchungen/-Berichte
Wirkung

Untersuchungs- kurz-, mittel- u.


gegenstand langfristige Wirkungen,
z.B. Gewalt, Ost-West, Identität

Methode/ Beobachtung,
Quellen Befragung
Schriftwechsel
Medienwissenschaft geht es in
Forschung, Analyse und Lehre um:

• die technische und soziale Determiniertheit/Bestimmtheit


der Medien,
• ihre ästhetischen Gestaltungen und Formen,
• ihre kulturgeschichtlichen Entstehungsursachen,
• die Formen ihrer individuellen wie gesellschaftlichen
Nutzung und ihrer Wirkungen,
• ihre politischen, ökonomischen, rechtlichen und
pädagogischen Rahmen-Aspekte sowie
• ihre Vernetzung in regionalen, nationalen und globalen
Mediensystemen.
Kommunikationswissenschaft geht es in
Forschung, Analyse, Lehre um die öffentliche
Kommunikation und die sie prägenden
Kommunikations-Prozesse
Diese beziehen sich
• auf die Struktur und Organisation von Massenmedien,
• auf die verschiedenen Typen von Kommunikatoren
(Journalistik, Public Relations, Werbung),
• auf Bedingungen der publizistischen
Aussagengestaltung,
• auf Nutzungs- und Rezeptionsmuster sowie
• auf die Wirkungen der Medien.
Methoden der Kommunikationswissenschaft (KW)
KW versteht sich heute im Kern als eine theoretisch und empirisch
arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen.
Ausrichtung an empirischen Methoden, die Theorien
erproben, solche generieren, differenzieren und weiter entwickeln.

Methoden vor allem: unterschiedliche Spielarten der


• Befragung (u.a. schriftliche und mündliche Befragung,
Telefoninterviews, Leitfadengespräche) und der
• Inhaltsanalyse (systematisch-quantitative und interpretativ-
qualitative Analysen).

Aber auch andere empirische Verfahren wie das Experiment, das


Feldexperiment, die Gruppendiskussion, Laboratoriumsuntersuchungen
oder technische Messungen (z.B. Einschaltquotenmessungen beim
Fernsehen) werden eingesetzt.
Grundbegriffe:

Öffentlichkeit vs. Privatheit


Medien,
Programm
Medienwissenschaftliche/journalistische Grundbegriffe
Aufgaben der Medien: Die klassische Triade:
Information:
Der Leser/Hörer/Zuschauer wird über das politische Gesche-
hen in der Nahwelt (Region), auf nationaler und internationaler
Ebene, über Institutionen (Parlament, Regierung, Parteien, Inter-
essengruppen) (tagesaktuell bis hin zu mittelfristiger Aktualität)
[Tag bis Monat] unterrichtet, um sich ein Bild über Vorgänge im
Staat und in der Gesellschaft machen und sich an diesen beteili-
gen zu können.
Information steht für die Aufgabe der elektronischen
Massenmedien (in Deutschland),
- Tatsachen (Fakten) zu vermitteln (Informationsfunktion), in
der Gesellschaft existierende Meinungen zu artikulieren
(Artikulationsfunktion) und darüber hinaus
- Kritik und Kontrolle gegenüber gesellschaftlich relevanten
Entscheidungen und Entscheidungsträgern auszuüben (Kritik-
und Kontrollfunktion).
Aufgaben der Medien: Die klassische Triade:
Bildung:
Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Kontextwissen, das ihn
in den Stand versetzt, die durch (aktuelle) Informationen
gewon-nenen Kenntnisse/Meinungen und durch
unterhaltende Pro-grammangebote erlangten
Eindrücke/Erfahrungen einzuordnen, zu werten und
dadurch mittel- länger- und langfristig
[~Monat/Jahre/Generation] an der Gestaltung des
öffentlichen Lebens mitzuwirken.

Unterhaltung:
Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Programmangebote, die
in Inhalt und Form zur Zerstreuung, Entspannung und
Rekreation beitragen.
Die klassische Triade wird heute ergänzt durch

Beratung (Service/Lebenshilfe):
Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Informationen,
die für seine unmittelbare, tagesaktuelle
Lebensplanung von Bedeutung sind: Wetterhinweise,
Verkehrsmeldungen, Veranstaltungshinweise,
Pollenflughinweise, Schneeverhältnisse,
Wasserstandsmeldungen, Ozonwerte,
Katastrophenwarnungen etc.;

aber auch: Worte (der Kirchen) zum Tage,


Kontaktanbahnungen (Kuppelsendungen),
Wunschsenungen, Gewinnspiele etc.
Qualitätsprogramm:
basiert auf der Formel des BVerfG: Rundfunk sei Medium
und Faktor, habe die Vorgänge in der Gesellschaft „in
möglichster Breite”, „ausgewogen” und in
„gleichgewichtiger Vielfalt” darzustellen;
zielt auf kompetente, gleichberechtigte Teilnahme am
Zeitgespräch der Gesellschaft; ist gekennzeichnet durch:
Vielfalt, Relevanz, Akzeptanz, Professionalität und
Rechtmäßigkeit (nach Schatz/Schulz 1992).

Qualitätsprogramm:
ist also gekennzeichnet durch:
Strukturelle Vielfalt des Programms: Stundenuhr, Tages-
und Wochenprogramm-Struktur und:
Vorkommen der ganzen Bandbreite medialer
Darstellungsformen:
Nachricht
Bericht
Reportage
Feature
Hörspiel
Kommentar, Besprechung/Rezension/Kritik
Glosse
Inhaltliche Vielfalt des Programms: Zahl der Themen und
thematische Bandbreite: d.h. Themen/Beiträge aus den
Ressorts Politik, Wirtschaft, Soziales, Nachrichten, Kultur,
Sport, Lokales;
Immer noch: Qualitätsprogramm:

Informations- und Meinungsvielfalt: Programm ist


insgesamt politisch und kulturell ausgewogen, d.h. alle
gesellschaftlich relevanten Gruppen haben eine Chance,
im Programm vorzukommen;

Tiefe der journalistischen Aufarbeitung besteht aus:


einfacher Mitteilung: Wer? Wann? Wo?
vertiefter Mitteilung: zusätzlich: Wie?
komplexer Mitteilung: zusätzlich: Warum? –
Zusammenhänge und Strukturen stehen im Vordergrund.
Aktualität ist:
tagesaktuell 1 (in X Stunden, heute, am Abend)
tagesaktuell 2 (gestern, am Wochenende)
wochenaktuell (in dieser Woche, in diesen Tagen,
gegenwärtig)
latent/mittelfristig aktuell (heutzutage, in diesem Monat,
heutzutage)
Moderationen
sind vorbereitet, sind thematisch an folgende/
vorhergehende Beiträge/Programmelemente gebunden,
transportieren Fakten und journalistisch faßbare Stoffe (im
Gegensatz zur Stegreif-Plauderei);
Ansprechhaltung: anbiedernd an die Zielgruppe
(„zielgruppengerecht/-adäquat“)
oder distanziert .
Gesellschaftliche Kontexte:
Micro-, Meso-, Macroebene
Micro-, Meso-, Macroebene
Soziologisches Konstrukt nach Esser (1993,
1999, 2000), stark vereinfacht:

Microebene: das Individuum in der Medien-


Produktion und -Rezeption

Mesoebene: die Institution

Macroebene: das (Gesellschafts-) System


Verbindung der Ebenen
Fernsehrezeption in erster Linie ein singulärer und auch
individueller Rezeptionsprozess (Mikro-Ebene).
Gegenstand dieses Rezeptionsprozesses: das „Programm“,
das seinerseits von einer Institution (auf der Meso-
Ebene) hergestellt und verbreitet wird.
Diese Institution ist ihrerseits ein Element des jeweiligen
politischen Systems (Makro-Ebene).
Das Programm ist aus dieser Perspektive zugleich auch ein
Sozialisationsfaktor (Sozialisation = die Verbindung
zwischen Individualebene und Gesellschaft/System).
Insofern stehen Medienrezeption und Medienproduktion
auf dem Umweg über das Medien- und das
Gesellschaftssystem in einem Rückkoppelungsverhältnis.
Ebenen am Beispiel Fernsehen
Fernsehen als Institution für die materielle Produktion des
Programms und seine Verbreitung / als Institution der
Information und Unterhaltung
Arbeitskollektive, Redaktionen, Abteilungen, Gruppierungen von
Kulturschaffenden / Zuschauergruppen und –gemeinden, Familien
Akteure als Produzenten und Rezipienten
Handeln, Erleben, Entscheiden, Tun oder Lassen etc.
Staats- und Gesellschaftssystem (Menschenbild, Normen und
Vorschriften etc.)
Dispositionen, Grundeinstellungen (Kompetenzen, Geschlecht
etc.)
Rahmenbedingungen:
Informationszeitalter
Ausgangsthese

Wir befinden uns gerade in der vierten Welle der


Informatisierung.

Spezifisch hierfür ist die synchrone Durchdringung


des nächsten und des weitesten Lebensraums durch
Medien:

das Spannungsverhältnis von Lokalität und


Globalität.
Es verändern sich:

 die Medienökonomie,
 die Medienstrukturen,
 die kommunikativen Eigenschaften der Medien,
 ihre Inhalte und Formen,
 ihr Gebrauch.
Kontext Gesellschaft

1. Wertewandel:
Privatisierung des Öffentlichen, Ver-Öffentlichung des
Privaten; Individualisierung, Kommerzialisierung.

2. Technologischer Wandel der Produktion;


der Verbreitung,
der Re-Produktion.

3. Internationalisierung und Globalisierung der


Kommunikation einerseits,
Regionalisierung, Bedürfnis nach regionaler Identität
und Orientierung in der Vielfalt andererseits.
Strukturwandel der
Öffentlichkeit:

mehr Öffentlichkeit,
mehrere Öffentlichkeiten, teilweise Abschottung:
kommunikative Kreisläufe, innerhalb von
Expertenkulturen,
Selbst-Referentialität: Closed Shops.
Ausbildung je kollektiver Muster von Sprache,
Verhalten und Mode.

Öffentlichkeit: ein Paradoxon aus wachsender


Sichtbarkeit/Ausgestelltheit und gleichzeitig
zunehmender Isolation.
Traditionelle Massen-Kommunikation (vgl. Kommunikationsmodelle) :
Broadcasting: One-to-many: Einweg-Kommunikation.
Ein Sender an viele Zuhörer, Zuschauer, Publikum;
keine oder sehr eingeschränkte Rückkoppelung möglich (Call
ins).
Medien-Kommunikation heute:
ein Nebeneinander von
Einer-an-Viele-Kommunikation: One-to-many
(Internet, Podcasting, Weblogs)
Viele-an-Viele-Kommunikation: Many-to many
One-to-one /Point to Point – Kommunikation.
Sowohl Nutzer als auch Beteiligte als auch Sender
(Handy)
Konvergenz (Merging) der Kommunikationsformen, der Hard-
und Software: Personalisierung/Individualisierung der
Kommunikation. Vom Broadcasting zum Personal Casting.
Programm war bisher...

...eine kontinuierliche, in abgegrenzten, weitgehend


wiederkehrenden Strukturen von einem Sender einem
massenhaften, dispersen Publikum synchron angebo-
tene, von professionellen Kommunikato-ren
(Journalisten, Künstlern) gestaltete Abfolge akustisch-
visueller Informationen (Sprechsprache, Musik,
athmosphäri-sche Töne/Atmos, Stand-/
Bewegtbilder), die über terrestrische Sender, per Kabel
oder Satellit übermittelt wird.
Programm wird künftig auch...
• ein diskontinuierliches, asynchrones Angebot
mit der Möglichkeit zur p2p- und On-demand-
Kommunikation sein;
• von professionellen und professionalisierten
Amateur-Kommunikatoren gestaltet sein;
• akustische, Text-, (Bewegt-)Bild- und Daten-
Informationen enthalten;
• auch über Telekommunikations-(ICT-), IP-
Netzwerke und das Internet zu empfangen sein.
Künftige professionelle
Anforderungs- und Macher-Profile
- neue Arbeitsteilung zwischen
Redakteur/Journalist und Techniker
- mehr-mediales (durch einfache Software
bedienerfreundliches) Arbeiten: Ton,
Text, Bewegtbild, Daten
- dieselben Inhalte in verschiedenen
Aggregatzuständen („mehr-medial“) für
verschiedene Zielgruppen aufbereiten
- Software-Expertenschaft
Genese der
Kommunikationsmittel
CHRONIK DER INFORMATIONS- UND KOM-
MUNIKATIONSTECHNIK UND -KULTUR
vor Christi Geburt
ca. 20.000 Höhlenmalereien
2500 – 2000 Ägypter benutzen Papyrus
ca. 500 Ausgebautes Botennetz in Persien
ca. 425 Brieftaubennetz in Griechenland
307 Bibliothek von Alexandria
105 Technische Hochschule in Alexandria
63 Kurzschrift
59 Handgeschriebenes Zeitungsblatt in
Rom
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
nach Christi Geburt
105 Erfindung des Papiers in China
450 Blockdruck in Asien
500 Abacus-Rechenmaschine
600 Dezimalrechnung in Indien
750 Blockdruck in China
750 Gedruckte Zeitung in China
751 Aus China: Einführung Papierherstellung in Arabien
765 Bilder-Buchdruck in Japan, Bibliothek St. Gallen
900 Papierherstellung in Kairo
942 Kontinuierlicher Postdienst (Arabien)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1041 – 1049 Bewegliche Lettern (China)
1050 Glaslinsen
1147 Holzschnitt für Großbuchstaben (Kloster Engelberg)
1150 Gründung der Pariser Universität als Vorläufer der
modernen Hochschulen,
Papierherstellung im arabischen Spanien
1202 Einführung des arabischen Zahlensystems in Europa
1270 Kombinierte Linsensysteme
1289 Blockdruck in Ravenna; Erstmaliger Gebrauch des
Wortes „Communication“ in England
1387 Erstmaliger Gebrauch des Wortes „Information“ in
England
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1390 Metall-Druckbuchstaben in Korea
1409 Buch mit beweglichen Lettern gedruckt (Korea)
ab 1440 Buchdruck mit beweglichen Lettern n. Gutenberg
1446 Kupfer-Tiefdruck
1453 Druck von Metallplatten
1453 - 1455 Gutenberg-Bibel
1492 Beruf des Buch-Herausgebers
ca. 1500 Kontinuierlicher Postdienst zwischen Wien u. Brüssel
1518 Brille für Kurzsichtige
1543 „Index Librorum prohibitorum“ (Verzeichnis
verbotener Bücher): Papst Paul III.
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1581 – 1626 Anwendung der Dreieckspeilung
(Niederlande)
1614 Entdeckung des Logarithmus (Napier)
1650 Rechenmaschine (Pascal)
1654 Wahrscheinlichkeitsgesetz (Pascal)
1666 Spiegel-Teleskop (Newton)
1671 Sprachrohr (Morland)
1714 Schreibmaschine (Henry Mill)
1719 Dreifarben-Kupfertiefdruck (Le Blond)
1727 Lichtbilder mit Silber-Nitrat (Schulze)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1793 Flügel-Telegraph (Claude Chappe)
1796 Lithographie (Senefelder)
1814 Dampf-Druckerpresse (König)
1823 Prinzip des Motors (Faraday)
1823 – 1843 Rechenmaschine (Babbage)
1830 Ohm’sches Gesetz
1833 Magnetischer Telegraph (Gauß und Weber)
1835 Anwendung statistischer Methoden auf
soziale Phänomene
1837 Elektromagnetischer Telegraph (Morse)
1838 Daguerrotypie (Daguerre und Niepce)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1839 Elektromagnetismus: Umwandlung mechanischer in
elektrische Energie (Faraday)
1840 Photographische Papier-Positivbilder (Talbot)
1843 Schreibmaschine
1846 Druck mit rotierendem Zylinder (Hoe)
1853 Multiplex-Telegraphie (Gintl)
1854 Automatische Aufzeichnung telegraphischer
Nachrichten (Hughes)
1856 Farb-Photographie
1864 Theorie d. Lichts u. d. Elektrizität (Clerk-Maxwell)
1867 Bewegliche Bilder (Ducos)
1867 Kathodenstrahlröhre (Braun)
1870 Theorie der elktromagnetischen Wellen (Maxwell)
1876 Elektrisches Telephon (Bell)
1877 Mikrophon und Phonograph (Bell)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1880 Entdeckung der Funkwellen (Heinrich Hertz)
1882 Bewegtbild-Kamera (Marley)
1884 Linotype-Setzmaschine (Mergenhaler)
1886 Prinzip der Fernsehbildabtastung und
–übertragung (Paul Nipkow)
1886 Portable Photokamera (Eastman)
1887 Selbstwähl-Telephon
1889 Hartgummi-Phonograph-Platte;
Filmkamera (Edison)
1895 Öffentliche Filmvorführungen: Gebrüder
Skladanowsky (Berlin) und
Gebrüder Lumière (Paris)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1900 Sprachübertragung via Funkwellen (Fassenden)
1903 Funktelephon und Tonfilm : Messter
1905 Relativitätstheorie (Einstein)
1912 Elektronische Verstärkerröhre (de Forest, Lieben)
1923 Tonflmverfahren (Seeber und de Forest)
1924 Iconoscop = elektronische Bildröhre (Zworykin)
1925 Mechanisches Fernsehen (Baird)
1928 Farbfernsehen (Baird)
1928 Kino-Farbfilm (Eastman)
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1935 Radar (von Ardenne und Watson)
1935 Fernsehstarts in Deutschland und England
1941 Computer (Zuse)
1943 Stereophonische Konzertaufnahmen
(Deutschland)
1945 Idee eines Kommunikations-Satelliten
(Clarke)
1946 „Eniac“-Großcomputer zur Berechnung der
Atombombe
1947 Transistor (Bell-Labors)
1948 Langspielplatte (Goldmark)
1950 Kabelfernsehen, UKW
1952 Nachkriegs-Fernsehstart in Deutschland
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1955 UHF-Band für Fernsehen (MIT) und
Magnetische Fernsehaufzeichnung (2 Zoll MAZ)
1956 Transatlantisches Kabel-Telephon
1956/57 Bild-Telephon (Bell-Labors)
1956/57 Zweite Computer-Generation mit
Transistortechnik
1957 Sputnik (UdSSR)
1961 Fernsehsatellit „Telstar“ (USA)
1965 Dritte Computer-Generation (integrierte
Schaltkreise/ICs)
1967 Farbfernsehen
1969 Mondlandung
Amateur-Video-Bandrecorder  Zoll
CHRONIK INFORMATIONS- UND
KOMMUNIKATIONSTECHNIK
1971 Microprozessor
1975 Video-Kassettenrecorder (VCR)
Lichtwellenleiter/Glasfaserkabel
ab 1976 Teletext/Bildschirmtext
1977 Interaktives Kabelfernsehen „QUBE“ in
Columbus (Ohio)
1980 Beginn Personal-Computer-Ära: 16 kB
1984 BRD: Duales Rundfunksystem
1986 PC: 256 kB
Kommunikations- /
Zeichenmodelle
und
Medienbegriffe
und
Dispositiv-Begriff
Medienbegriffe
Unterschiede zwischen Alltags- und wissenschaftlichem
Medienbegriff.
Alltag: „(Neues) Medium Internet“, „(Neues) Medium
Podcasting“ etc.
Wissenschaft (breiter angelegt): historische, gegenwärtige und
künftige Formen der Kommunikation integriert.
Sinn des wiss. Medienbegriffs:
1. Beschreibung und Untersuchung der sozialen und der
technischen Organisation der Kommunikation und ihrer
Prozesse.
2. Einordnung, Analyse, Kritik einzelner Medien(angebote)
in den Gesamtkontext der medialen Organisation der
Gesellschaft.
Frühe Medienbegriffe/-theorien
• Einzel-Medientheorien :
Fotografie: Walter Benjamin (1931)
Film: Rudolf Arnheim („Film als Kunst“, 1930), Béla Balàsz (ab 1924), Walter
Benjamin („Kunstwerk...“, 1936), Siegfried Kracauer („Von Caligari zu
Hitler“, 1947; „Errettung der äußeren Wirklichkeit“, 1960)
Radio: Bertolt Brecht: „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat“, 1932
Fernsehen: Günther Anders („Die Welt als Phantom und Matrize“, 1956)
Comic: Umberto Eco („Apokalyptiker und Integrierte“, 1964)
•  Theorien der Massenkommunikation:
Kritische Theorie der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer: „Dialektik
der Aufklärung“, 1946; plus weitere): „Kulturindustrie“
Essayistische, kritische Medientheorie (Hans Magnus Enzensberger):
„Bewußtseins-Industrie“, 1972
Marshall MacLuhan : „Understanding Media - the Extension of Man“, 1964:
„The medium is the Message“, „heiße/kalte“ Medien, „Das globale Dorf“
Neil Postman : „Das Verschwinden der Kindheit“, 1983; „Wir amüsieren
uns zu Tode“, 1985
Spätere
Medienbegriffe/Medientheorie
Blick auf Datenströme, Informationsverarbeitung, Speicherung,
Bewußtsein (80er Jahre):
Friedrich Kittler: Aufschreibesysteme (1985); Grammophon, Film,
Typewriter (1986)
Paul Virilio: Krieg und Kino (1989)
Vilém Flusser: Phänomenologie der Medien, 1991

Virtualisierung der Gesellschaft, „Ende der Schriftkultur“


(Norbert Bolz, 1993), Digitalisierung, „Cyberspace“, „Hyper-
Textualität

Niklas Luhmann: Realität der Massenmedien, 1996


Niklas Luhmanns Begriff von Massenmedien
Massenmedien umfassen „Alle Einrichtungen der Gesellschaft (...), die
sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der
Vervielfältigung bedienen.“
• dreistellige Unterscheidung von (personaler/interpersonaler)
Kommunikation allgemein: Information (Sachverhalt),
Mitteilung (Absicht),
Verstehen (Annahme/Ablehnung der Kommunikation)
• MM (Medienkommunikation) als soziales System wie andere soz.
Systeme (Wirtschaft, Wissenschaft, Religion); Abgrenzung von
anderen Systemen durch Autopoesis (=Selbstkonstitution des
Systems) und spezifische, binäre Codes (Information vs. Nicht-
Information) :
• jeweils in Form von
Nachrichten/Berichten, Unterhaltung, Werbung
• MM wichtigste Quelle der gesellsch. Selbst- und Fremderfahrung
• Co-Evolution von Medien und Gesellschaft (Medienkultur)
Emergenz
wörtl.: Aufkommen, Entstehen
Hintergrund:
a) Massenmedien als (aktiv) handelnder und selbstorganisierter
Teilbereich der Gesellschaft,
b) Co-Evolution von Medien und Gesellschaft.

Emergenz heißt:
Die Entstehung gesellschaftlicher und - in Wechselwirkung -
massenmedialer Strukturen, z.B.
• Emergenz von unterhaltender Kommunikation,
• Emergenz (ver-)öffentlich(t)er Meinung,
• Emergenz von p2p-Kommunikation und deren Rückwirkung auf die
(klassischen) Massenmedien
Triadisches Zeichenmodell Charles William Morris
(1939)

Sender, Empfänger, Situation


Pragmatische
Dimension
Zeichen

Gegenstände andere Zeichen


MEDIUM
A Zeichen/ B
Symbole

Be
t A de
rra ut
vo un
ngs Verständigung gs
vo
utu
de rra
Be tB
Feldschema der Massenkommunikation
nach Gerhard Maletzke
Spontane Antworten des Rezipienten Selbstbild
Selbstbild
Als Als
Prsön- Persön-
lichkeit
lichkeit
Im Team K A M R
Als Glied
In der d. Pub-
Institu-
tion likums
In sonst. In
soz. sonstigen
Bezie- Bild vom Rezip. beim Kommunikator
hungen sozialen
Bezie-
Bild vom Kommunikator beim hungen
Zwang der Rezipienten
Öffentlichkeit

K=Kommunikator A=Aussage M=Medium R=Rezipient


Erfahrungskegel Sym-
nach Ver- bolische
bale Erfahrung
Edgar Dale* Symbole
Vis. Symbole
Radio
Dias, Radio
Filme
Bildungsfernsehen Ikonische
Ausstellungen Erfahrung
Exkursionen
Vorführungen

Dramatisierte, gespielte Erfahrung


Erf. durch Modelle, Nachbildungen Direkte
Direkte, zielgerichtete Erfahrung Erfahrung
*Nach Edgar Dale: Audiovisual Methods in Teaching.
Hinsdale/Ill. 1969, S. 107.
Das Dispositiv...
... ist eine Struktur der Anordnung des (technischen)
Mediums sowie des Medien-Nutzers in Raum und Zeit
(strukturelle Anordnung), die die Wahrnehmungs-
Struktur beeinflusst.
Von lat.: disponere = anordnen;
apparatus = Apparat, Gerät

Die Apparatus-Theorie weist dem Gerät eine durch


Habitualisierung (Gewöhnung) erworbene
eigenständige Rolle bei der
Beeinflussung der medialen Wahrnehmung zu.
Dispositiv- bzw. Apparatus-Theorie,
auf das Fernsehen angewendet
„Das Dispositiv Fernsehen ist ... nicht als eine statisch
unveränderbare Anordnung zu begreifen sondern als eine
dynamische, die sich wandelnden gesellschaftlichen
Interessenkonstellationen und Machtinteressen anpasst
und auch als eine gesellschaftlich wirksame Konstruktion
diese Konstellationen wiederum mit beeinflusst und
verändert.“ Knut Hickethier 1993, S. 173.

Beispiele: Apparatus-Aspekt: Fernsehen zu Hause » Fernsehen auf


dem PDA, dem Handy, dem Laptop und die damit verbundenen
Programm-Angebots- und Nutzungsformen.
Gesellschaftliches Dispositiv: Öffentlich-rechtliches, Staatliches
Fernsehen » Duales System, Pay TV, TV On Demand, DVB (-T)
etc. Fernsehen in den 50er Jahren vs. FS heute; FS in der BRD vs. FS
in der DDR etc.
Veränderungen des Dispositivs
Fernsehen durch digitales Fernsehen
Diese Anordnung (zeitlich, räumlich, Struktur des
Kommunikationsangebots) ändert sich, z.B. durch
digitales Fernsehen:
• „Distribut“ besteht aus dem bisherigen „Programm” und
den neuen Telekommunikations-, Multimediainhalten,
Spielen, rundfunkähnlichen und neuen Diensten (Corsa 2003)
• „Programm“ » „Speicher”, „Container” (Hickethier, Paech)
» Vollpr., Spartenpr., Channel, PPV, PPC, VoD
• „Rezipient” » „Nutzer”, „Beteiligter”
Stars, Prominenz,
Personalisierung:
gegenwärtige
Kulturphänomene
Stars, Prominenz,
Personalisierung
Star: ein Kommunikator wird zum Idol
Starkult: Schauspieler (Musiker etc.) werden von einer großen Anzahl an
Fans total und unkritisch als Vor- und Leitbild übernommen; hinzu
kommen intensive Gefühlsbindungen und Identifikation (Maletzke
1978: 120).
Entstehung im Studiosystem der USA ab etwa 1910. Hintergrund:
langfristige Bindung an die Studios, Festlegung auf ein erfolgreiches
Rollen-Cliché und Entwicklung des Close Ups.
Erste Stars: Florence Lawrence, das „Biograph Girl“, vom Schwaben Carl
Laemmle 1910 zum Star gemacht; weitere: Mary Pickford („Little
Mary“) und Theda Bara, der erste „Vamp“.
Wirkung: Identifikation, Imitation
Stars
Einst: archaische Mensch-Medien, Helden, charismatische Führer
mit außer-alltäglicher Erscheinung und außer-allt. Fähigkeiten.
Rolle der Erzählung und des Hörensagens bei der Verbreitung und
Steigerung ihres Ruhms.
Massenhafte Mediatisierung durch das Aufkommen der
Fotografie und des massenhaften Zeitungsdrucks, von Plakaten
und Bild-Postkarten ab Mitte des 19. Jh.
Film (zunächst stumm, dann ab ca. 1927 mit Ton) steigerte die
Entstehung von Stars.
Cross-mediale und schließlich cross-soziale Verknüpfungen zur
Steigerung und gesellschaftlichen Verbreitung des Startums.
Neue Unübersichtlichkeit der Gesellschaft(en) fordern neue
Leitbilder (leiten das Wünschen bzw. was gewünscht werden
soll). Identifikation.
Stars
Personalisierte Außergewöhnlichkeit haben Halbgötter,
HeldInnen und Stars gemeinsam (Ludes).
Ermöglichen Integration und bieten Projektionsflächen für
Identifikation, wobei soziale Ungleichheiten und Konflikte
überspielt werden. Zugrunde liegt auch in der modernen
Gesellschaft noch das Vertrauen in Personen/ Persönlichkeiten,
die „aus der Unerträglichkeit des Alltags himmelwärts führen
sollen“ (Ludes: 184).
Bieten moderne Leitbilder (nicht: Vorbilder), ergänzt um un-
persönliche Leitbilder (Marken, Kultgeräte wie iPod etc.).
Doppelfunktion der Medien: vermitteln Nähe zu Stars, tragen aber
zugleich zu einer Star-Inflation bei, was zugleich rückbezogen zu
einer Schein-Öffentlichkeit und zu einem scheinbaren Startum
führt.
Prominenz
„Prominere“ (lat.): hervorragen, herausragen
Herausragen auf verschiedensten Feldern.
Prominenz ist eine (medial produzierte) Zuschreibung:
Medienprominenz.
Vorbild ist nicht notwendig eine Variable der Prominenz.
Elite Prominenz; Experte rominente/r
„Der Prominente bekommt keine Aufmerksamkeit, weil er eine
Leistung erbringt, sondern seine Leistung besteht darin,
Aufmerksamkeit zu bündeln“ (Niehaus 2004: 571).
Fernsehen v.a. erzeugt Prominenz (Inszenierung, Häufung durch
Wiederkommen ins FS, ins öffentliche Leben, ins öffentliche
Bewußtsein).
Prominenz ist relativ zu (medialen) Grundgesamtheiten
(„Lokalprominenz“) und sozialen Gruppen.
Prominenz durch Interviews, durch Ausscheidung etc.
TUTORIUM
JEWEILS DIENSTAGS, 13 - 15 UHR
PLUS WEITERE TERMINE

ERSTE SITZUNG MORGEN,


15. APRIL, 13 UHR
Ort: ZMK = Zentrum für Medien und
Kommunikation, Emil-Fuchs-Straße 1
Räume sind ausgeschildert
Film-/Fernsehästhetik
Dramaturgie
14.04. Grundlagen und Einzelfragen der Medienwissenschaft.
Definition und Gegenstandsbereiche Medienwissenschaft, Methoden, Untersuchungskategorien, Grund-
egriffe: Aufgaben der Medien, Qualitäts-Hörfunk-/Fernsehprogramm, Vielfalt, Aktualität, Format.
Rahmenbedingungen/Kontexte: Informationszeitalter, Kontext Gesellschaft (Wertewandel, Technologi-
cher Wandel, Internationalisierung/Globalisierung, Strukturwandel der Öffentlichkeit), Strukturwandel
er Massen-/Individual-Kommunikation. 1. Peter M. Spangenberg: Medienerfahrungen – Medien-
egriffe – Medienwirklichkeiten. In : Gebhard Rusch (Hrsg.): Einführung in die Medien-wissenschaft.
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 84-101. 2. Stars, Prominenz und Personalisierung als
Medien-Kultur-Phänomene. Peter Ludes: Einführung in die Medienwissenschaft, Kap. 8: Medienper-
onalisierung: Stars. Berlin: Erich Schmidt 1998, S. 173-188. und: Michael Niehaus: Was ist Prominenz
m Fernsehen? In: Medien & Kommunikations-wissenschaft, 2004/4 (52.Jg.), S. 569-582.

21.04. Die „alten neuen Medien“/Film I:


Filmgattung/Filmgenre, Filmgeschichte
Was ist der Unterschied zwischen einer Filmgattung und einem Filmgenre? Welche Genres
ibt es? Soziale Funktionen von Genres. Beispiele für Genre-Kennzeichen. David Bord-
well/Kristin Thompson Film Art. An Introduction, Kap. Film Genres. New York u.a.: Mc-Graw-Hill
001, pp. 93-109. Nils Borstnar, Nils/Eckhard Pabst/James Wulff. Einführung in die Film- und Fern-
ehwissenschaft. Kap. 2.4 und 2.5. Konstanz: UVK 2002, S. 48-62.
. Mediengeschichte des Frühen Films. Uli Jung/Martin Loiperdinger (Hrsg.): Geschichte des
okumentarischen Films in Deutschland. Bd.1: Kaiserreich 1895-1918, Stuttgart: Reclam 2005; darin:
ung/Loiperdinger: Besonderheiten der Mediengeschichte des frühen Films/Überlieferung nicht-
ktionaler Filme aus der Frühzeit (17-25); Loiperdinger: ‚Lebende Photographien in natürlicher Größe
nd Bewegung’ etc.: S. 44 - 60.
Gattungen und Genres
des Films und des
Fernsehens
Filmische Gattungen
Fiktion: Spielfilm (Fernsehfilm, Fernsehspiel, TV-
Spielfilm, TV Serie)
Experimentalfilm
Animationsfilm
Dokumentarfilm (Dokumentation, Reportage,
Feature, Essayfilm)
Werbefilm, Werbespot
Industriefilm, PR-Film
Unterrichtsfilm, Lehrfilm
Filmische Genres
• Genre-Einteilung wiss. nicht immer trennscharf, ändert sich im Laufe der
Zeit, wird durch neue (Misch-)Genres ergänzt. Erst eine Gruppe von ähnl.
Filmen konstituiert ein Genre.
• Definitionen/Abgrenzungen eines Genres beziehen sich auf
unterschiedliche Ebenen: Narration/Handlung, den Grund-Plot, Art der
Präsentation, Art der Emotionalisierung des Zuschauers,
räumliche/zeitliche Situierung, thematische, bildliche Motive, visuell-
ästhetischer Stil.
• Sinn: Kategorisierung für Produzenten, Regie, Schauspieler, Kritiker, aber
vor allem für die Zuschauer.
• Ungeschriebener Kontrakt zwischen Autor und Zuschauer.
• Genre-Regeln (-Konventionen)Wieder-Erkennbarkeit, Vertrautheit
innerhalb der Vielfalt (Menge) der Filme; Steuerung und Befriedigung von
Erwartungen
Genre-Regeln,
Genre-Konventionen
Genres sind Konstruktionen zur Einordnung und Beschreibung
eines Films. Ihre Bildung unterliegt ästhetischen,
ökonomischen und psychologischen Interessen und ist
teilweise kulturgebunden.
Man „mag“ oder „haßt“ ein Genre, weil man dessen Regeln
mag oder nicht mag.
Man muß diese Regeln/Konventionen aber aufgrund der
persönlichen Film-Erfahrung kennen.
Verstehen auf der Basis der Genre-Konventionen
 Erwartungen werden geweckt, erfüllt oder nicht
Beispiele für Genre-
Regeln/-Konventionen
Musikfilm: Akteure tanzen und singen (unvermittelt)
Western: Im Westen der USA in der zweiten Hälfte des
19. Jh. angesiedelt, Grenze zwischen Rechts- und
rechtsfreiem Raum, Rache-Plot, Show Down, Gut-
Böse; Siedler, Cowboys, Indianer
Krimi(nalfilm)/Detektivfilm: Investigation/ Untersuchung,
Investigator/Ermittler vs. Verdächtiger/Täter
Gangsterfilm: Aufstieg und Fall von Gangstern, Kampf
gegen die Polizei
Heimatfilm: Drama in „heiler“ Natur vs. technisierte
Großstädte, Gut- vs. Böse, Tradition vs. Moderne;
Happy End
Beispiele für Genre-
Regeln/-Konventionen
Screwball Comedy (Screwball=Spinner; auch: spezieller Wurf
beim Baseball, bei dem der Ball durch den Spin in die
unmöglichsten Richtungen fliegt). Regisseure der 30er Jahre:
Billy Wilder, Howard Hawks, Charles Bracket.
Dialog-lastig; alles ist Gegensatz: Aufeinanderprallen von
steifem, konventionellem (höherem) sozialem Milieu und
Freiheitssuche, Ausbrechen daraus
Hong Kong Kampf-Film: Loyalität und Unterordnung gegenüber
einem Meister; Zweikampf
Horrorfilm: Einbruch einer unfassbaren Bedrohung in die
Normalität des Alltags von Individuum und Institutionen;
Infragestellen des Alltags, der Ordnungsmacht der
Institutionen; Defizite der Gesellschaft werden aufgezeigt
Genres der Gattung
Dokumentarfilm
1. Filmdokument
• Besonders im Zusammenhang mit historischen Ereignissen bzw.
Ereignissen mit historischer Dimension und von naturwissen-
schaftlichen und wissenschafts-kinematographischen
Aufzeichnungen wird der Begriff des Dokuments verwendet.
Beispiele: Röntgenaufnahmen einer Katze (20er Jahre) (in der
Encyclopedia Cinematographica des IWF), Cantis Film über Krebs;
der Kaiser weiht das Völkerschlachtdenkmal ein, der Berliner
Alexanderplatz um 1896, Lenin spricht etc.
• Diese Dokumente können bewußt zum Zweck des Dokumentierens
eines einmaligen Ereignisses/Vorgangs geschaffen worden sein,
oder sie können ohne diese Intention – z.B. als Live-Übertragung im
Fernsehen – aufgrund der Einmaligkeit, Unwiederholbarkeit und der
(historischen) Bedeutung, die das übertragene Ereignis/ der festge-
haltene Vorgang /die Person im Laufe der Zeit erhielt, zu Dokumen-
ten geworden sein; z.B.: erste Mondlandung, Brandt und Stoph in
Erfurt, der Fall der Mauer
• Filmische Dokumente haben meist die Qualität einer historischen
Quelle, besonders dann, wenn sie als “wissenschaftliche Filme”
historisch-kritisch mit Begleitmaterialien ediert sind, die eine Art
Anmerkungsapparat darstellen.
Dokumentarische Genres
2. Dokumentation, dokumentarische Kompilation
Eine Dokumentation hält den Ablauf von Ereignissen – meist - in
chronologischer Abfolge fest, enthält sich der Wertung und
wird meist im (Programm-) Kontext einer didaktischen
(Schulunterricht: Unterrichtsfilm) und/oder diskursiven
Aufarbeitung (z.B. als Zuspiel zu einer Diskussionsrunde im
Fernsehen) eingesetzt, in der dann erst die (Be-) Wertung des
dokumentierten Themas stattfindet.
Elemente der Dokumentation sind filmische und andere visuelle/
akustische Dokumente, als Graphiken aufbereitete Fakten und
Daten, Erinnerungen von Zeitzeugen, Aussagen/Statements
von Zeitgenossen. Der Begriff der dokumentarischen Kompi-
lation stellt gegenüber der Dokumentation besonders das
Kompilieren (Zusammentragen) der unterschiedlichen, hetero-
genen Dokumente heraus, meint aber dasselbe. Dokumenta-
tion und dokumentarische Kompilation verwenden in der Praxis
nicht nur filmische Dokumente im oben definierten Sinn, son-
dern oft auch Teile anderer Dokumentationen und dokumentari-
scher Kompilationen. So zeugen Dokumentationen sich
teilweise gegenseitig fort – ein filmischer Dialog quer durch
Zeit, Raum und Ideologie.
Dokumentarische Genres
3. Feature

Das Fernsehfeature verwendet alle dokumentierenden und


journalistischen Grundformen, um einen Sachverhalt
umfassend und mediengerecht darzustellen: Interview,
Statement, szenische Darstellung, Film-/Fernsehdokumente
aus dem Archiv, Fotos, Grafiken. Es ist damit unter den
dokumentarischen Formen am breitesten angelegt,
polymorph. Eher als die visuellen Elemente ist der
allwissende, berichtende, erklärende OFF-Kommentar
typisch für das Feature. Hinsichtlich des Zusammenhangs
von Besonderem (Individuellem) und Allgemeinem
(Gesellschaftlichem) ist das Feature deduktiv angelegt:
Individuen, Einzelheiten tragen als Belege zur Schilderung
eines allgemeinen Zusammenhangs bei. Es findet ein
“ständige[r] Wechsel zwischen Anschauung und
Abstraktion, zwischen Schilderung und Schlussfolgerung”
statt.
Dokumentarische Genres
4. Die Reportage ist ein Augenzeugen-, Erlebnis- und/oder
Erfahrungebericht. Sie ist induktiv angelegt: Von der
Darstellung des Einzelnen wird – im Film ”selbst” oder erst in
der zweiten Produktion durch den Zuschauer – auf den
allgemeinen Zusammenhang geschlossen; Individuen,
Einzelnes werden in der Reportage oberflächlicher, aktuell-
journalistisch kennengelernt oder auch tiefergehend, bis hin
zur emotionalen Identifikation bzw. Ablehnung. Der
Reporter/Autor gibt sich direkt (performativ) oder indirekt als
wertende Erzählinstanz zu erkennen.
Dokumentarische Genres
5. Essayfilm/Filmessay
Dies ist die poetische Form, von einer Person, einem
Sachverhalt, einer Landschaft zu erzählen. Auch hier ist eine
große Bandbreite medialer Darstellungsformen möglich (On-
/Off-Kommentar, persönlicher Auftritt des Autors, Interview,
Gespräch, Lesung aus Texten, teilnehmende Beobachtung,
Musik). Dabei sind jedoch starke (gestaltete) visuelle und
akustische Komponenten typisch für den Essayfilm. Die alles
bestimmende zentrale Figur des Autors als Erzähler ist
deutlich und wird durch performative Mittel deutlich gemacht.
Sie geht souverän subjektiv mit Menschen und Themen um,
sie bewegt sich frei in Zeit und Raum. Chris Marker, Michael
Mrakitsch, Christian Rischert, Hartmut Bitomsky und der späte
Joris Ivens haben den filmischen Essay durch ihre poetische
Persönlichkeit geprägt. Der Essay ist bereits eine filmische
Mischform und steht zwischen dokumentarischen und
fiktionalen Formen.
Das Ende des Genrefilms ?
Die Moderne hat das Genre im Film hervorgebracht,
und die Postmoderne spielt(e) mit ihm.

Seit den 70er Jahren wurden Genre-Konventionen


aufgebrochen, thematisiert, selbst zum Gegenstand
des Films gemacht, persifliert, erweitert; es wurde mit
den Genre-Konventionen gespielt, die Genres
wurden ironisch kommentiert.

Ein Ende des Genrefilms wird es nicht geben, weil


sich die Genres weiterentwickeln, weil es eine lange
Genre-Erfahrung gibt und weil es ein Bedürfnis zur
Einordnung gibt: bei Produzenten und Rezipienten.
Mediengeschichte des
Frühen Films
Entwicklung der
Photographie
als Vorläufer des Films
1838 Daguerrotypie (Daguerre und Niepce)
1840 Photographische Papier-Positivbilder (Talbot)
1856 Farb-Photographie
1882 Reihen-/Chrono-Photographie (Marey, Muybridge)
1886 Prinzip der Fernsehbildabtastung und
–übertragung (Paul Nipkow)
1886 Portable Photokamera (Eastman)
1887 Ottomar Anschütz (Schnellseher): Aufnahme und
Wiedergabe von Phasenbildern in schneller Folge
1889 Filmkamera: Kinetoscope (Edison)
1895 Öff. Filmvorführungen: Gebrüder Skladanowsky
(Nov. Berlin) und Gebrüder Lumière (28.12. Paris)
Cinématographe Lumière
28.12. 1895 Paris, Grand Café (Gebrüder Lumière)
Szenen aus dem (privaten und geschäftlichen) Alltag als
Beispiele für die Nutzung als Heimkino gedacht, also
nicht nur zur Dokumentation.
20.4. 1896 in Köln: Erste kommerzielle Vorführung in
Deutschland durch Fa. Stollwerck
Der Cinématographe bringt gegenüber dem Schnellseher
(Anschütz) und dem Cinetoscope (Edison) den
Durchbruch für die Bewegtbild-Darstellung, gemessen
an den Zuschauerzahlen und Einnahmen.
Gebrüder Skladanowsky: zwar die Ersten, aber für die
Geschichte des Films unerheblich; Oskar Messter:
wichtiger Protagonist als Produzent, Verleiher, Aufführer
Früher Film - Frühes Kino
1895 - 1906/07: Kino der Attraktionen:
exhibitionistischer Film: Schauwert durch Neuigkeit,
Exotik, Gag, besonderes Ereignis.
Fiktion: Theatralische Guckkasten-Ästhetik.
Keine Zeichnung von Charakteren, nur äußerlich;
Klischees.
Auf schnelle, äußere Wirkung auf den Zuschauer
bedacht (Jahrmarkt, Variété).
Dok: Ästhetik der Ansicht (Vue, View).
Subgenres: a) Städte, ländl. Gegenden, Reisen durch
fremde Länder, b) Darstellung eines Prozesses
Beschreibung statt Narration.
Seit ca. 1907: Erzählkino
Entwicklung der
Kinematographie
These : 1895 bis ca. 1910 technologischer Umbruch, aber
noch kein neues Medium Film: bewegte Bilder, Kino der
Attraktionen, Jahrmarkt, Nummern-Programme („Bilder“):
Diapositive, fiktionale und nicht-fiktionale Kurzfilme als
One Reeler. Teleologischer Ansatz: falsch.
Entwicklung der Montage: zunächst „Bilder“ nicht montiert,
dann mechanischer Zusammenschnitt einzelner „Bilder“,
schließlich (ab ca. 1903) peu à peu narrative Montage.
Frühes Kino: Zweidimensionales Variété, Spätform der
Projektionskunst mit der Laterna Magica. Adaption
bisheriger „alter“ Medien.
Erst ab der Entstehung ortsfester Filmtheater (ab 1910) und
der Entstehung von langen, narrativen Spielfilmen (1911 -
1916) kann man vom neuen Medium Film sprechen.
Erscheinungsformen des
neuen Mediums Film
• „Bilder“: jede Woche neu, 20-30 Min.
• Phantastische Bilder
• Alltags-Idyllen
• Reisen in ferne Länder
• Tiere
• Tonbilder mit „Stars“ aus Oper und Operette
• Aktualitäten, später: Wochenschauen: Krönung von
Zar Nikolaus II, Queen Victorias Thronjubiläum
• Prinzip: Abwechslung „nah“ und „fern“, „groß“ und
„klein“
Überlieferung
Im Kaiserreich aufgeführt: ca. 57.000 Filmtitel
Davon ca. 9800 nicht-fiktionale Filme, davon ca.
10 - 15 Prozent erhalten.
Tatsächlich aber mehr Filme produziert und
aufgeführt.
Filmzensur
seit der Einführung ortsfester Filmtheater
(Berlin: 5. Mai 1906): Preußen 16.12. 1910,
Herzogtum Braunschweig: 5.12. 1911,
Leipzig: 1915 (Vorläufer des heutigen
„Passage“-Kinos)
Zensurkarten wichtig für den Nachweis der
Existenz der Filme und für die
Rekonstruktion ihres Uraufführungs-Inhalts.
Die Moderne und der Film
Die technisch-mechanisch produzierten und re-
produzierten „Para-Künste“ einer neu entstehenden
Medien-Kultur suchten dem Verlangen der (neuen)
Nutzer nach einer Gegenwelt zum Werktag/Alltag
gerecht zu werden.
Gemeinsam mit Wissenschaft und Technik eröffne-
ten die Künste Politik-ferne Räume, in denen Ver-
änderung, Neues, Modernität möglich wurden.
Wurzeln des Kinos waren sozial-, technik- und
geistesgeschichtlicher Art.
Voraussetzungen: Mechanisierung, Automatisierung.
Kino verlängerte das 19. Jh. in des 20. hinein (gilt
auch für Telefon, Flugzeug, Fernsehen, Auto).
Die Moderne und der Film
Film/Kino ist bedingt durch und begleitet grundlegende soziale
Veränderungen: Fragmentierung der Gesellschaft, Verlust v.
Ganzheitlichkeit, Arbeitsteilung, Taylorisierung,
Schichtarbeit, Trennung Arbeit/Freizeit, räumliche Trennung
von Arbeitsplatz und Wohnung.
Ambivalent: Kinematographie bietet ein Arsenal an
ästhetischen Gegenwirklichkeiten (inhaltlich-thematisch,
zugleich formal). Zugleich exponiert das neue Medium seine
technische Herkunft und Einbettung selbstbewusst.
Filme nach dem 1. Wk: Schnittstelle zwischen modernem
Erkenntnisdrank und moderner Massenkultur.
Bedeutung des Films für die Wissenschaft.
Die Moderne und der Film
Film etabliert sich als Wirtschaftsgut - und als
neue Spielart von Kunst.
Entstehen von Kulturfilm als Genre: „das Lasso,
das die geistige Oberschicht nach der Masse
des amüsiert sein wollenden Publikums
auswirft“ (Coböken 1924).
„Was lebensweltlich zerfällt, das wird
publizistisch kompensiert“ (Bollenbeck 1999).
Kultur, Unterrichts- und Wissenschaftsfilm
zielen auf eine Wiederherstellung
„harmonischer Kultur“.
Die Moderne und der Film
USA: grenzenlose privatkapitalistische
Freiheiten. Film als Ware
UdSSR (später auch „Drittes Reich“): strikte
staatliche Kontrolle. Film als
(Erziehungs-)Mittel, um notwenige, staatlich
(von der jew. Partei) verordnete
Modernisierungs- und Erkenntnisprozesse
voranzutreiben.
 Modernisierung „neutral“ ? (Kreimeier)
Die Moderne und der Film
Gründung Ufa (Universum Film AG) 1917:
Sprung in die Moderne.
Staat: Förderung des Filmschaffens als genuine
Aufgabe; unternimmt Anstrengungen, das
neue Medium in den gesellschaftlichen
Prozess zu integrieren: „apparativ-moderne,
durchaus demokratisch inspirierte Ratio“
(Kreimeier).
Offenheit für Filme aus anderen Ländern:
„geistige Verständigung der großen
Kulturnationen“: Idee, die dem Völkerbund
zugrunde liegt. Aber auch: Propaganda durch
Film und Zensur.
Die Moderne und der Film
1920: Reichs-Lichtspielgesetz : Zensur, die obrigkeits-staatlich
ausgerichtet ist.
Abgründe technokratischen Denkens, gut ausgebildete,
formalistisch agierende, staatfromme Spezialisten werden
zu den „heimlichen Helden“ der zweiten
Modernisierungsphase (Kreimeier).
Von Caligari zu Hitler?
„Vom Wissenschaftsverständnis der Weimarer Moderne führt
kein zwangsläufiger, irreversibler Weg in die ns
Gaskammern (...) Übergänge zw. der zweiten Weimarer
Modernisierungsphase und dem destruktiven Modernismus
des Nationalsozialismus sind fließend“ (Kreimeier).
Zeitlich parallel: Die Entfaltung der Moderne und ihre Krise.
Weim. Rep.: Krisenzustand in Permanenz
Zur Erinnerung : Stichworte zur
Entwicklung des Films
Kino der Attraktionen: Varieté, Jahrmarkt
One-Reeler
Erzählkino
Expeditionsfilm/ Reisefilm
Reportagephotographie
Wochenschau
Kolonialfilm/ ethnologischer Film
Kulturfilm
Wissenschaftlicher Film
Dokumentarfilm/Documentary/Documentaire
Industrieller Dokumentarfilm
Wichtige Regisseure und Produzenten
der ersten drei Filmjahrzehnte
Louis Lumière (1864 - 1948)
Auguste Lumière (1862 - 1954)
Georges Méliès (1861 - 1938)
Max Skladanowski (1863 - 1939)
Emil Skladanowski
Oskar Messter (auch: Meßter; 1866-1943)
Max Linder
Louis Feuillade
David Wark Griffith
Charles Chaplin
Edwin S. Porter
Ben Turpin
Buster Keaton
August Blom
Urban Gad
Carl Mayer
Wichtige Robert Wiene
Regisseure und Karl Freund
Produzenten Friedrich Wilhelm Murnau
der ersten drei Dsiga Wertow
Filmjahrzehnte
Sergej Eisenstein
Lew Kuleschow
Robert Flaherty
Alberto Cavalcanti
Walter Ruttmann
Erich Pommer
John Grierson
Arnold Fanck
Joris Ivens
Arnim Basse
Paul Rotha
Film und ästhetische Form

Vorlesung Steinmetz
Teil 3
05.05. Die „alten neuen Medien”/ Film III: Filmästhetik: Die
Bedeutung der Filmform
1. Nach welchen Prinzipien ist ein Film zusammenge-setzt? Wie
wirken die Teile eines Films zusammen, um ein Ganzes zu
kreieren? Bordwell/Thompson: Film Art, Chapter 2: The
Significance of Film Form, pp. 39-58. Ergänzend: Entsprechende
Module auf der DVD Filme sehen lernen (Filmästhetik)
2. 2. Filmmontage/Filmschnitt. Bordwell/Thompson: Film Art,
Chapter 8: The Relation of Shot to Shot, p. 249-290. Ergänzend:
DVD Filmästhetik: Kap. 2.1.: Eyeline Match, Schuß-/ Gegenschuß,
Ellipse. Kap. 2.2.: Übergänge: Harter/Weicher Schnitt/Schnitt in der
Bewegung, Blenden. Kap. 2.3.: Zwischenschnitt, Match Cut. Kap. 2.4.:
Jump Cut. Kap. 2.7.: Plansequenz, Mise en Scène. Kap. 2.8.:
Achsensprung, 180-Grad-Regel.
Film und ästhetische Form
Inhalt ist nichts ohne Form -
Form ist nichts ohne Inhalt
Ästhetische Form (und Struktur) geben dem Inhalt eine
Fassung, machen ihn erst kommunizierbar,
verständlich.
Wahrnehmung, Aufmerksamkeit werden durch
ästhetische Form angeregt, gesteuert, gelenkt,
aufrechterhalten.
Ästhetische Form ist eine Art Vermittlungsinstanz, ein
zweites „Medium“, die jeweils dem (technischen)
Medium adäquat sein muß.
Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder
Über die Grenzen der Malerei und Poesie, 1766
“Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren
Nach-ahmungen ganz andere Mittel oder
Zeichen gebrauchet als die Poesie;
jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume,
diese aber artikulierte Töne in der Zeit;
wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes
Verhältnis zu dem Bezeichneten haben müssen,
so können nebeneinander geordnete Zeichen
auch nur Gegenstände, die nebeneinander oder
deren Teile nebeneinander existieren,
aufeinander folgende Zeichen aber auch nur
Gegenstände ausdrücken, die aufeinander oder
deren Teile aufeinander folgen.”
Lessing: „Laokoon“, Fortsetzung
„Gegenstände, die nebeneinander oder deren
Teile nebeneinander existieren, heißen
Körper.
Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren
Eigenschaften die eigentlichen
 Gegenstände der Malerei.

Gegenstände, die aufeinander oder deren


Teile aufeinander folgen, heißen überhaupt
Handlungen.

Folglich sind Handlungen der eigentliche


 Gegenstand der Poesie.“
Lessing: „Laokoon“, Fortsetzung

„Doch alle Körper existieren nicht allein in dem Raume,


sondern auch  in der Zeit.
Sie dauern fort und können in jedem Augenblicke ihrer
Dauer anders erscheinen und in andrer Verbindung
stehen.
Jede dieser augenblicklichen Erscheinungen und
Verbindungen ist die  Wirkung einer
vorhergehenden und kann die Ursache einer folgenden
und sonach gleichsam das Zentrum einer Handlung
sein.
Folglich kann die Malerei auch  Handlungen
nachahmen, aber nur andeutungsweise durch Körper.“
Lessing: „Laokoon“
Fortsetzung
„Auf der andren Seite können Handlungen
nicht für sich selbst bestehen, sondern
müssen gewissen Wesen anhängen.
Insofern nun diese Wesen Körper sind oder
als Körper betrachtet werden,
 schildert die Poesie auch Körper, aber nur
andeutungsweise
 durch Handlungen.“
Ästhetische Form und Film
Also hat jede Kunst ihre eigenen, spezifischen
Ausdrucksformen, die nur bedingt mit Formen anderer Künste
austauschbar sind, nur bedingt von diesen adaptiert oder
imitiert werden können.
Z.B.: Das Porträt in der Malerei, in der Bildhauerei, in der Epik
(Roman), im Film.
Zur Etablierung des Films als Kunst gehört die Entwicklung
eigener, spezifischer Ausdrucksformen.
 Von der Theatralik der Guckkastenbühne zur
Filmmontage, zum Umgang mit Zeit und Raum
Film und ästhetische Form
Die filmische Form bildet ein System (eine „filmische Sprache“),
das sich innerhalb von 110 Jahren herausgebildet hat. Ein
System mit Konstanzen und Variablen, die sich
weiterentwickeln.
Z.B.: Linearität des Films bedingt (anders als Theater):
Zeitgleiches kann nur nacheinander dargestellt werden
(Cross Cutting, Parallelmontage).
Entwicklung der Film-/Kopiertechnik (Mitte 30er Jahre):
Schiebeblenden, Bild-Teilung/Split Screen f. parall. Handlgg.
Heute (Software-Montage): Mehrfach-Split-Screen, um
zeitgleiche Handlungen abzubilden.
Auch ein Beispiel für die Veränderung der Wahrnehmung und
des Kontrakts zwischen Autor und Publikum.
Film und ästhetische Form
Filmische Form wird (meist) nicht zufällig gefunden sondern ist
sehr genau geplant, antizipiert Wirkungen :
Wirkungsästhetik.
Ästhetische Form beinhaltet narrative (dramaturgische: Aufbau)
und stilistische Elemente (z.B. Kamerabewegungen,
Montage, Ton, Musik etc.).
Narratives und stilistisches System der ästhetischen Film-Form
ergänzen einander (meist), um den Inhalt zu vermitteln.
Ästhetische Form erweckt (und befriedigt oder frustriert)
Erwartungen des Zuschauers. Z.B.: Genre-Erwartungen;
Ablauf der Narration (ABC oder ABAC oder anders);
Suspense, Rettung in letzter Sekunde; Happy/Unhappy End.
Spiel mit Erwartungen und Neugier der Zuschauer, mit
filmischen Konventionen: Psychologie, Emotion; Regisseur,
Autor: „directing the audience“, „Mechaniker der Seele“.
Film und ästhetische Form
Bedeutung: permanente Versuche des Zuschauers,
Bedeutung zu finden und zu interpretieren.
Verschiedene Ebenen der Abstraktion (nach
Bordwell/Thompson):
• Referentielle Bedeutung: konkreter Bezug zu
nachvollziehbaren, verstehbaren Dingen und
Handlungen/Elementen des Films.
• Explizite Bedeutung: Erkennbare Bedeutung des Films
als Ganzem (1. Ebene der Interpretation)
• Implizite Bedeutung: Interpretation des Sinns (2. Ebene
der Interpretation).
• Symptomatische Bedeutung: Sinn, über den konkreten
Film hinaus (3. Ebene der Interpretation)
Film und ästhetische Form
Bedeutung, Interpretation und Sinn eines Films
sind nie konstant, wie bei jedem anderen
Kunstwerk.
Trotz der wichtigen (zentralen) Bedeutung des
Autors /Regisseurs (etc.) für die „Bedeutungs-
Produktion“ hat jedes Kunstwerk etwas
Überschießendes, Unkalkulierbares, das je
nach Zeitkontext der Rezeption variiert.
Film und ästhetische Form
Evaluation/Analyse des Films:
Kriterien: Realismus, Moral, Ethik, Originalität, Kohärenz,
Komplexität.
Viele Elemente des formalen Systems lassen sich
objektivieren, erfassen, protokollieren.
Teilweise lassen sich die Funktionen der allgemeineren
Kriterien und der spezielleren ästhetischen
Gestaltungselemente erkennen, festlegen, teilweise aber
auch nicht.
Gestaltungsprinzipien: Motiv = jedes signifikante, wiederholte
Element im Film.
Motivation der Handelnden.
Weitere Prinzipien der Film-Form: Ähnlichkeit (Parellelismus)
und Wiederholung.
Film und ästhetische Form
Weitere ästhetische Gestaltungsprinzipien:
Differenz
Variation
Entwicklung
Einheit von Film-Form und -Inhalt
(Stimmigkeit).

Mit Hilfe der Filmanalyse kann man diesen


Gestaltungsprinzipien auf die Spur kommen.
Wichtige Mittel dabei: das Filmprotokoll, die
Segmentierung.
• 19.05.: Die „alten neuen Medien“/Film IV:
Film- und Montagetheorie
• 1. In welchem Verhältnis steht das „neue Medium“
Film im Verhältnis zu den klassischen Künsten? Walter
Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit. Frankfurt/M.: edition suhrkamp
1974ff. (auch in Gesamm. Schriften Bd.I, 2, Suhrkamp).
• 2. Welche Theorien entwickelten Eisenstein und Bazin
zur „kinematographischen Sprache“? Sergej M.
Eisenstein: Montage der Attraktionen. In: Albersmeier
(Hrsg.): Texte zur Theorie des Films, Ditzingen: Reclam
1998, S. 58-69. 3. André Bazin: Die Entwicklung der
kinematographischen Sprache. In: Albersmeier (Hrsg.):
Texte zur Theorie des Films, Ditzingen: Reclam 1998, S.
256-274.
Erkenntnistheorie und Film
Höhlengleichnis nach Plato

Platos Höhle Abb.: Random House Enzyklopädie


Höhlengleichnis nach
Plato: Aus: Politeia (Das
Sokrates Staatswesen)
- Grobe Übersetzung -
Stelle dir Menschen vor, die in einer unterirdischen Höhle
leben, die über ihre ganze Breite einen Weg hinauf zum
Licht hat, aber es ist ein langer Weg. Die Menschen sind
dort seit ihrer Geburt. Sie sind so gefesselt, daß sie immer
am selben Platz bleiben und daß sie nur nach vorne sehen
können. Hinter und oberhalb von ihnen brennt ein Licht,
und zwischen dem Licht und ihnen ist ein Weg durch die
Höhle, auf einer Mauer. Vor ihnen ist eine Art Bühne wie
beim Puppentheater.
Glaukon

- Ich sehe es.


Dann stelle dir auch andere Menschen vor, die auf der
Mauer alle möglichen Gegenstände vorbeitragen:
Menschenstatuen, steinerne und hölzerne Reproduktionen
von Tieren. Und – wie es nun mal so ist – sprechen einige
Träger während ihrer Verrichtung, während andere
schweigen.
- Ein merkwürdiges Bild und merkwürdige Gefangene.
Sie sind wie wir. Glaubst du, zuallererst, daß diese
Menschen etwas anderes von sich und den anderen sehen
können als Schatten, die das Feuer auf die Wand vor ihnen
wirft?
- Wie könnten sie, wenn sie ihre Köpfe das
ganze Leben lang stillhalten müssen?

Und trifft nicht dasselbe auf die Gegenstände zu,


die auf der Mauer entlang getragen werden?
- Dasselbe.
Wenn sie miteinander sprechen, würdest du
denken, daß sie diese Schatten für die realen
Dingen halten?

- Notwendigerweise.
Was wäre, wenn ihre Höhle ein Echo hätte, das
sie von vorne erreichte? Jedesmal, wenn ein
Träger hinter ihnen spräche, würden sie nicht
denken, daß der Schatten spräche, der vor
ihnen auf der Wand vorbeigeht?
Findest du nicht auch?
- Bei Zeus, das meine ich.

Sokrates

Zusammengefaßt also: Diese Menschen


würden denken, die Wahrheit wäre nichts als
die Schatten der Gegenstände?

- Das müßten sie glauben.


Geschichte des
Filmtheorie
Gliederung der Filmtheorie-
Geschichte nach Peter Wuss*
I. Frühgeschichte des filmtheoretischen Denkens (1895-1920)
Ricciotto Canudo : Ästhetik der siebenten Kunst (1911)
Kurt Pinthus: Das Kinobuch (1914)
Georg Lukács: Gedanken zu einer Ästhetik des Kino (1913ff.)
Emilie Altenloh: Zur Soziologie des Kino (1914)
Vachel Lindsay: Die Kunst des bewegten Bildes (1915/1922)
Hugo Münsterberg: Der Film - eine psychologische Studie (1916)
Louis Delluc
Lew Kuleschow
II. Die Kunsttheorie des Stummfilms (1921 - 1930)
Jean Epstein, Léon Moussinac, Germaine Dulac
Béla Balász: Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst.
Der sichtbare Mensch
Rudolf Kurtz: Expressionismus und Film (1926)
Sergej Eisenstein: Montage der Attraktionen - Intellektueller Film
Wsewolod Pudowkin: Materialistisch-dialektische Schaffensästhetik
Boris Eichenbaum: Filmsyntax, Filmstilistik
Juri N. Tynjanow
[* nach: Peter Wuss: Kunstwert des Films und Massencharakter des
Mediums. Berlin 1990.]
III. Beginn der Tonfilmära (1931-1945): Systematische
Darstellung des Films als Kunst und seine Einbeziehung in
umfassendere gesellschaftliche Zusammenhänge
Pudowkin/Eisenstein/Alexandrow: Manifest zum Tonfilm (1928)
Rudolf Arnheim: Film als Kunst (1932)
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter... (1936)
Raymond Spottiswoode: Eine Grammatik des Films (1935)
Ernst Iros: Wesen und Dramaturgie des Films (1938)
IV. Differenzierung und Abschluß der klassischen
Filmästhetik vor dem Hintergrund einer aufkommenden
Massenkommunikationsforschung (1946-1965)
Eisenstein: Das dynamische Quadrat
Gilbert Cohen-Séat: Prinzipien einer Philosophie des Kinos
(1946)
Siegfried Kracauer: Die Errettung der äußeren Wirklichkeit
André Bazin: Was ist Kino? (1958ff.)
Jean Mitry: Ästhetik und Psychologie des Films (1963)
V. Die Filmtheorie der Gegenwart:
Über Methodenpluralismus zur Systemforschung (1966-1988)
Filmsemiotik: Gianfranco Bettetini, Peter Wollen, Christian Metz
Zeichentheorie, ikonische Codes: Umberto Eco, Juri Lotman
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)

W.B.: * 1892 in Berlin, + 1940 Selbsttötung an der franz-span.


Grenze (Port Bou) auf der Flucht vor den Nazis.
Beschreibt das Ende der alten auratischen Kunst und den Film
als Alternative zwischen Ästhetisierung von Politik (NS) und
Fundierung der Kunst auf Politik (Kommunismus).
Kunstwerke waren immer reproduzierbar: konnten
nachgemacht werden: Guß, Prägung, Druck, Litho, Photogr.
Aber die technische Reproduzierbarkeit ist etwas völlig Neues.
Das Kunstwerk wird aus seinem „Hier und Jetzt“ befreit.
H.u.J.: einmaliges Dasein an einem einziger Ort. Echtheit:
Altes ist nicht reproduzierbar (Dresd. Frauenkirche, Lpz.
Pauliner Kirche) Aura: Einzigartigkeit des Kunstwerks.
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)
Gegenüber der manuellen Reproduktion erweist das Echte seine
volle Autorität, nicht aber gegenüber der technischen Repro-
duktion. „Die Umstände, in die das Produkt der techn. Reprod.
Gebracht werden kann, mögen im übrigen den Bestand des
Kunstwerks unangetastet lassen - sie entwerten auf alle Fälle
sein Hier und Jetzt.“
Kunstwerke sind fundiert im Kult und im Ritual, eingebettet in
Traditionen. Die Rezeption des KW geschieht in zweierlei
Weise: 1. als Kultwert: Es ist wichtiger, daß das KW
vorhanden ist als daß es gesehen wird;
2. als Ausstellungswert: erwächst aus dem Ritual-Zusammen-
hang.
Durch die techn. Reproduzierbarkeit erlischt die Autonomie der
Kunst/des Kunstwerks für immer. Film-Kunst erschafft einen
neuen Kult: Schauspieler verliert die Aura; wird durch Star-Kult
ersetzt.
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)
Demokratisierung durch Reproduzierbarkeit u.a.: Jeder kann
Filmschauspieler werden, jeder kann das film. Kunstwerk
überall wahrnehmen. Reprod. Verändert das Verhältnis der
Masse zur Kunst. Künstler. u. wiss. Verwertung des Films.
Die Quantität der Verbreitung schlägt in eine (neue) Qualität um.
Im Film: Wirklichkeit zweiten Grades: „Der apparatfreie Aspekt
der Realität ist hier zu ihrem Künstlichsten geworden...“
Absoluter Film,
Filmische Avantgarde,
Film im „Dritten Reich“
Vorlesung
Steinmetz
Teil 4
26.05. Die „alten neuen Medien”/ Film V: Film im
Übergang: Von der Weimarer Republik zum
Nationalsozialismus
Zwischen Avantgarde und Propaganda: prägende
Regisseure, u.a.: Walter Ruttmann, Arnold Fanck,
Leni Riefenstahl. 1. Karsten Witte: Film im
Nationalsozialismus. In: Jacobsen/Kaes/Prinzler:
Geschichte des deutschen Films, Stuttgart; Weimar:
Metzler 1993, S. 119-170. 2. Peter Zimmermann/Kay
Hoffmann: Kultur und Wochenschau im Kino. In: dies.
(Hrsg.): Geschichte des dokumentarischen Films in
Deutschland, B.d 3: ‚Drittes Reich’ 1933-45. Stuttgart:
Reclam 2005, S. 103 – 132.
Film-Avantgarde
Absoluter Film, 20-50er Jahre
• Ideal-/Extremfall des syn-ästhetischen Zusammen-
spiels von Bild und Musik. Die „Absolutheit“ lag in
der völligen Konzentration auf den Film als einer
eigenständigen Kunst, ohne jegliche Beziehung auf
die Realität.
• Die syn-ästhetische Wirkung, das frei von gesproche-
ner Sprache weltweite universelle Verständnis, sollte
sich als „Wechselwirkung kosmischer und spiritueller
Art“ beim Sehen einstellen.
• Wiederholung, Repetition: wichtige Rolle für die sug-
gestive Wirkung auf den Zuschauer.
• In Frankreich: „Cinéma Pur“.
Absoluter Film
• Zunächst Walter Ruttmann (ab 1922), dann Oskar
Fischinger, Viking Eggeling und ab etwa 1934 die US-
Amerikanerin Mary Ellen Bute schufen abstrakte Filme.
• Homogene Mischung aus Malerei, Musik und Film:
kein Bezug auf irgendeinen Referenten in der Realität
außerhalb des Films.
• Die Film-Avantgardisten verwendeten schon Farbe. In
Farbe kehrte Fischinger 1947 nach etlichen Werbefil-
men zum absoluten Film zurück.
• „Gefühle durchs Auge und durchs Ohr“ wollte Mary
Ellen Bute mit dem synästhetischen Einsatz von
bewegten Bildern und Musik beim Zuschauer
hervorrufen.
Film im „Dritten Reich“
Wie sah das Filmprogramm
aus?
Etwa seit Mitte 20er Jahre:
• Werbung (Filme, Dias)
• Kulturfilm (10- 20 Min.)
• Wochenschau
• Spielfilm (selten: abendfüllender
Dokumentarfilm)

Anknüpfung: Rudimente der Nummern-Revuen


aus der Frühzeit des Films.
Länge: 2 bis 2 1/2 Stunden
Kino-/Filmstatistik „Drittes Reich“
Kinos Plätze Besucher

1933 5071 2 Mio 300 Mio

1938 5411

1942 8334
Filmstatistik „Drittes Reich“
• Uraufführung von 1353 deutschen Spielfilmen (nicht: 1094)
• davon 15 % Propagandafilme (direkte Propaganda)
• davon ca. 50 % heitere Unterhaltungsfilme: Komödien, Musik-,
Genrefilme, 25% Melodramen, 11% Actionfilme
• Aufführung von ca. 600 ausländischen Spielfilmen
• 1933 - 38: 40-50% ausländische Spielfilme, davon knapp die
Hälfte aus USA
• 1939 - 45: 80% deutsche Spielfilme, ab ca. 1941 Einfuhrverbot
von US- und UK-Spielfilmen
• Ca. 2000 - 3000 Kulturfilme
• Ca. 4000 Wochenschauen
• Ca. 1900 ausländische Dok- u. (Kurz-)Spielfilme
Filmstatistik „Drittes Reich“
1939: nur noch 39% Komödien
1942: 35 % Komödien, 25% Propagandafilme
1943 nach der Kriegswende in Stalingrad:
wieder 55% Komödien, Propaganda: nur
noch 8%
Vor der Niederlage verkehrt sich das
Verhältnis von Komödien und Melodramen:
25 : 58 %

Bis zu 27.000 Kinos in Europa spielten diese


Produktionen
Einzelne Genres
Mehr als 700 Komödien, davon 210 Musik-
Komödien
Zirkusfilme
Künstlerfilme
Literaturverfilmungen
Historische Kostümfilme
Heimatfilme (ca. 100)
Kriminalfilme (ca. 125)
(nach Courtade/Cadars 1975)
Kulturfilme
• Verleih: Prinzip des Blind- und Blockbuchens
• Kulturfilm: Trennung von Kulturfilmen
a) als Vorfilmen und
b) als Lehr- und Unterrichtsfilmen
• 1941: mehr als 100 kleinere Kultur- und Werbefilm-
Hersteller
• Grenzen zwischen Kultur- und Werbefilmen verwischt:
„Werbekulturfilme“ (mehr als 50% Fremdfinanzierung):
touristische Imagefilme (Städte- und Landschaftsbilder),
Reichsbahn- und Industriefilme, Institutionen, staatl.
Stellen
• „Befreiung“ des Kulturfilms von wirtsch. Auftraggebern
 Staat und verstaatlichte Filmkonzerne: „Wirklichkeit des
nationalsozialistischen Reiches“
Dokumentar-/Kulturfilm-
Regisseure „Drittes Reich“
• weitgehende Kontinuität von der
Weimarer Republik ins „Dritte Reich“
• nur drei Regisseure in die Emigration:
• Hans Richter (Film-Avantgardist
• Slatan Dudow (Kommunist: Kuhle Wampe
oder: Wem gehört die Welt?, D 1932)
• Rudolf Bamberger (Jude)
• die meisten „arrangierten sich“
• experimentelle, avantgardistische Formen
teilweise in Film des „Dr.R.“ übertragen
Dokumentar-/Kulturfilm-
Regisseure „Drittes Reich“
„Zur NS-Propaganda war niemand gezwungen, wenn man
nicht gerade für die NSDAP oder eine ihrer Organisationen
arbeiten wollte.“ (Zimmermann/Hoffmann 2005, 111)
 Nischen, Spezialisierung, sonst aber kaum
Arbeitsmöglichkeiten
 Zugeständnisse an offizielle Filmpolitik, Übernahme von
NS-Phrasen
 Avantgarde setzte Arbeit fort, von Propagandamini-
sterium und Filmkritik weitgehend gefördert
Dokumentar-/Kulturfilm-
Regisseure „Drittes Reich“
Generation Filmemacher aus der Weimarer Republik:
Walter Ruttmann, Arnold Fanck, Hans Cürlis, Wilfried Basse,
Svend Noldan, Ulrich K.T. Schulz, Martin Rikli, Wilhelm
Prager, Hans Schomburgk, Colin Ross, Friedrich Dalsheim,
Curt Oertel, Rudolf Bamberger, Gertrud David, Hans
Richter, Phil Jutzi, Slatan Dudow, Carl Junghans
Tradition des Kulturfilms der 20er Jahre reichte bis in die 50er
und 60er Jahre hinein
Dokumentar-/Kulturfilm-
Regisseure „Drittes Reich“
Neue Generation Filmemacher „Drittes Reich“,
die sich hemmungsloser als andere als
Propagandisten anboten:
Leni Riefenstahl, Sepp Allgeier, Willy Zielke,
Walter Frentz, Hans Ertl, Leo de Laforgue,
Walter Hege, Paul Lieberenz, Hans
Steinhoff, Karl Ritter, Hans Bertram, Fritz
Hippler
Nach 1945: entweder geächtet oder (schwere)
Rückkehr ins Geschäft
Spielfilm-Regisseure
„Drittes Reich“
Emigration in zwei Wellen: 1933 und 1938/39
Exodus: Insgesamt 2000 Filmkünstler flohen,
davon mehr als 500 nach Hollywood.
Ca. 220 Exilfilme entstanden in Österreich (vor
dem „Anschluß“, Ungarn, Frankreich,
England, Holland, Italien, Schweiz, USA.
Exilfilm: Film, der von einem nach 1933
emigrierten Produzenten, Regisseur oder
Drehbuchautor gestaltet wurde.
Spielfilm-Regisseure
„Drittes Reich“
Die produktivsten:
Artur Maria Rabenalt (13 Filme von 1940 bis
45)
Geza von Bolvary (12 Filme)
Hubert Marischka (10 Filme)
Carl Boese (9)
Georg Jacoby: musikalisches
Lustspiel/Revuefilm: macht Marika Rökk zum
Star mit „Heißes Blut“ (1936)
NS-Film: Ideologie und Ökonomie
Ziele: Indoktrination und Rekreation, „Kunst“. „Das Leben
umformen, überhöhen, kondensieren, verdichten“.
„Tendenz“ und „Herzen ergreifen“(Propagandaminister
Goebbels 1937).
Ökonomie:
1933 Filmkreditbank (Beginn staatlicher Filmförderung)
Verstaatlichung der gesamten Filmindustrie erst 1942
abgeschlossen, keine private Filmproduktion mehr.
Ab 1936 keine echten Filmkritiken mehr sondern
„Filmbetrachtungen“
NS-Film: Ideologie
und Unterhaltung
These: Jeder Unterhaltungsfilm im „Dritten
Reich“ vertrat immer auf irgendeine Weise
die Nazi-Ideologie (Wollenberger,
Courtade/Cadars 1975).
Antithese: Nicht jeder im NS gedrehte Film ist
automatisch ein Nazifilm (Witte 1993,
Leiser): „Es gab faschistische Filme, und es
gab Filme im Faschismus“.
02.06. Die „alten neuen Medien”/ Film VI:
Film im Übergang: Vom Nationalsozialismus in die
Nachkriegszeit
Kontinuitäten und Neuanfänge. 1. Peter Zimmermann:
Kontinuitäten und Wandlungen im Zeichen von
‚Entnazifizierung’ und ‚Reeducation’/’Säuberung’ und
Fortsetzung der Kulturfilmproduktion/Vom Kulturfilm
zum Fernseh-Dokumentarismus. In:
Zimmermann/Hoffmann (Hrsg.): Geschichte des
dokumentarischen Films in Deutschland, B.d 3: ‚Drittes
Reich’ 1933-45. Stuttgart: Reclam 2005, S. 691 – 703. 2.
Wolfgang Gersch: Film in der DDR – Die verlorene
Alternative. In: Jacobsen/Kaes/Prinzler: Geschichte des
deutschen Films, Stuttgart; Weimar: Metzler 1993, S. 323-
338.
Spielfilm-Regisseure
„Drittes Reich“
Emigration in zwei Wellen: 1933 und 1938/39
Exodus: Insgesamt 2000 Filmkünstler flohen,
davon mehr als 500 nach Hollywood.
Ca. 220 Exilfilme entstanden in Österreich (vor
dem „Anschluß“, Ungarn, Frankreich,
England, Holland, Italien, Schweiz, USA.
Exilfilm: Film, der von einem nach 1933
emigrierten Produzenten, Regisseur oder
Drehbuchautor gestaltet wurde.
Spielfilm-Regisseure
„Drittes Reich“
Die produktivsten:
Artur Maria Rabenalt (13 Filme von 1940 bis
45)
Geza von Bolvary (12 Filme)
Hubert Marischka (10 Filme)
Carl Boese (9)
Georg Jacoby: musikalisches
Lustspiel/Revuefilm: macht Marika Rökk zum
Star mit „Heißes Blut“ (1936)
NS-Film: Ideologie und Ökonomie
Ziele: Indoktrination und Rekreation, „Kunst“. „Das
Leben umformen, überhöhen, kondensieren,
verdichten“. „Tendenz“ und „Herzen
ergreifen“(Propagandaminister Goebbels 1937).
Ökonomie:
1933 Filmkreditbank (Beginn staatlicher
Filmförderung)
Verstaatlichung der gesamten Filmindustrie erst 1942
abgeschlossen, keine private Filmproduktion mehr.
Ab 1936 keine echten Filmkritiken mehr sondern
„Filmbetrachtungen“
NS-Film: Ideologie
und Unterhaltung
These: Jeder Unterhaltungsfilm im „Dritten
Reich“ vertrat immer auf irgendeine Weise
die Nazi-Ideologie (Wollenberger,
Courtade/Cadars 1975).
Antithese: Nicht jeder im NS gedrehte Film ist
automatisch ein Nazifilm (Witte 1993,
Leiser): „Es gab faschistische Filme, und es
gab Filme im Faschismus“.
Das „Dritte Reich“ und der Zweite
Weltkrieg im Film des Auslands
Charles Chaplin: The Great Dictator (USA
1940)
Ernst Lubitsch: To be or not to be (USA 1942)
Michael Curtiz: Casablanca (USA 1942/43) mit
Humphrey Bogarde
Carol Reed: Der Dritte Mann (USA 1949) mit
Orson Welles und Joseph Cotton
Stil-, Genre-Entwicklungen
Film Noir (Black Series): Genre des Gangsterfilms, Rolle
der Frau wurden fragwürdig, Femme fatale
John Huston: The Maltese Falcon (USA 1941)
Robert Siodmak: Phantom Lady (USA 1944) (Zeuge
gesucht)
Howard Hawks: The Big Sleep (Tote schlafen fest) (USA
1946)

Italienischer Neo-Realismus: Grundlegender


Erneuerungsanspruch, Humanismus
Luchino Visconti: Ossessione (I 1943)
Roberto Rosselini: Roma, Cità aperta (I 1947)
Roberto Rosselini: Germania Anno Zero (I 1945)
Luchino Visconti: La Terra trema (I 1948), Paisà (I 1948)
Film in der frühen
Nachkriegszeit
„Stunde Null“ und Kontinuität
Es gibt keine „Stunde Null“, in der nach einem
existenziellen Einschnitt alles neu beginnen würde.
In technischen, aber auch in künstlerischen Bereichen wird
es immer Kontinuität geben. Die ärgsten Protagonisten
des alten Systems werden gehen müssen - und
entweder gar nicht oder nach einer gewissen Zeit
wiederkommen.
Mit dem Gros der Macher aus dem alten System wird auch
der Neubeginn eines anderen Systems gestaltet (werden
müssen).
Das Publikum ändert sich auch nicht von einer Minute zur
anderen - es muß ins neue System mitgenommen
werden.
„Stunde Null“ und Kontinuität
Daraus speist sich Kontinuität.
Kontinuität auch nach dem Ende des „Dritten Reichs“:
• Überläuferfilme: Filme, die noch innerhalb des alten
Systems entstanden, aber erst im neuen System
(oder in einer Übergangsphase) uraufgeführt werden.
• Weiterarbeit von Künstlern, Technikern,
Verantwortlichen des Films im „Dritten Reich“.
Unterschiedlich intensiv in den Westzonen (BRD) und
der Ostzone (DDR): Fritz Hippler, Curt Oertel, Hans
Cürlis, Andrew Thorndike, Ulrich K.T. Schulz
Neubeginn und Kontinuität
• Kulturfilmer: Hubert Schonger, Svend Noldan, Edgar
Beyfuß, Wolf Hart, Walter Hege, Rudolf Werner Kipp,
Willy Prager, Walter Frentz...
• Andere Film-Bereiche und Technik: Werner Pleister,
Emil Dovifat, Gerhard Eckert, Martin S. Svoboda, Peter
von Zahn, Werner Nestel, Sepp Allgeier, Kurt Hinzmann.
• Spielfilm: Wolfgang Liebeneiner, Helmut Käutner,
Wolfgang Staudte, fast alle Schauspiel-Stars
• Firmen: Arnold&Richter (ARRI)
• Ausnahmen: Leni Riefenstahl, Arnold Fanck; UfA
• Flüchtlinge nach Südamerika, z.B. Hans Ertl, Karl Ritter.
Übergänge ökonomisch
Zerstörung der großen Studios unter dem Dach der Ufi-Holding
Demontage der „Traumfabrik“: Zerschlagung des Ufi-Konzerns:
Lex Ufi (US- und UK-Zone), Privatisierung, Neuaufbau z.B.
Bavaria-Filmkunst AG
Alliierte regelten durch Gesetze, Verordnungen und Vorschriften
das gesamte Filmwesen neu, jeweils in ihren
Besatzungszonen
Ostzone/SBZ: DEFA-Lizenzierung (16.5. 1946) und -Gründung
(17. Mai 1946)
Westzonen: Lizenzpflicht bis 1949, Gründung ca. 40 neuer,
kleiner Studios, z.B. in Göttingen („Göttinger Filmaufbau“
Hans Abich, Rolf Thiele), CCC Film Berlin (Artur Brauner),
v.a. aber München, Hamburg
Filme aus Hollywood, SU, UK, F (90% der Nachkriegsfilme)
dienten der
a) Reeducation/Umerziehung
b) Erschließen neuer Absatzmärkte
Übergänge
V.a. ab Ende der Lizenzpflicht im Westen starke Zunahme
der Produktionen (1946-48: 28 Filme; 1949: 62, 1950: 82
Filme)  Produktionsboom bis Ende 50er Jahre; 1956:
Spitze des Kinobooms: 817 Mio. Zuschauer (dann: Kino-/
Film-Krise)
Neuaufbau der zerstörten Kinos: Kinoboom bis Mitte 50er
Jahre
Zeit der „Trümmerfilme“ : Die Mörder sind unter uns
(Staudte), Liebe 47 (Liebeneiner n. W. Borchert), Beginn
der „Vergangenheitsbewältigung“
Wiederkehr der meisten NS-Filmstars und des größten Teils
der Filmschaffenden (v.a. Westzonen)
Direkte Reeducation durch Dokfilme: Todesmühlen (Hanus
Burger, USA 1945), Nürnberg und seine Lehre (Stuart
Schulberg, USA 1948); in Wochenschauen (z.B. WiF)
Übergänge: Filmproduktion
In Berlin und in der SBZ: die meisten der im Ufi-
Konzern zusammengefaßten ehemals
selbständigen Filmproduktionsgesellschaften:
UFA, Terra, Tobis (alle in Johannistal), Kodak-
Kopierwerke und Althoff-Ateliers in
Babelsberg-Nowawes. Brandenburg: sechs
große Tobis-Ateliers; Agfa Film in Wolfen,
Carl Zeiss in Jena, Zeiss-Ikon in Dresden.
In der SBZ: 70% des gesamten Kapitals der NS-
Holding Ufi, 75% der Atelierkapazität.
Übergänge: Kinosituation SBZ
Ursprünglich 1420 Kinos (ggü. ca. 4000 in den
Westzonen)
1945 davon ca. 300 noch funktionstüchtig (illegale
Transporte von Filmgeräten in die Westzonen)
Groß-Berlin 1945: 79 Kinos mit 30.927 Sitzplätzen;
1949: 100 Kinos
Brandenburg: Sept. 1945: 57 Kinos; Juli 1947 : 202
Mecklenburg-Vorpommern: Kriegsende: 129 Kinos
Sachsen: von 420 nur 50 zerstört
Sachsen-Anhalt im Sommer 1946: 358 Kinos
Thüringen: 240 Kinos
Übergänge inhaltlich/stilistisch
Weitgehende Fortsetzung des UFA-Filmstils (bis Ende
50er) und des Kulturfilm-Stils (bis Mitte 50er)
Andererseits Erschließen von Themen und Literatur, die
im „Dr.R.“ verboten bzw. nicht zugänglich waren, z.B.
Literaturverfilmungen (Thomas Mann: Buddenbrooks)
Politischer Kontext: Reeducation (bis 1949), Aufar-
beitung der Vergangenheit wird überlagert/abgelöst
vom neuen Ost-West-Gegensatz (Kalter Krieg): neue
Gegner und Feindbilder, neue Verbündete und
Vorbilder. Anti-Bolschewismus, Anti-Kapitalismus
Orientierung: USA, UdSSR. Gleitender Übergang
Übergänge
Verbot von Filmen in der brit. Besatzungszone :
• Spielfilme und Dok. Langfilme: 141 von 700
• Kurzfilme: 254 von 2500
• Lehr- und Unterrichtsfilme: 13 % wegen NS
Tendenz verboten, weitere 20 % überarbeitet
• Alle anderen Filme: erlaubt mit
Schnittauflagen (NS Symbole, direkter Bezug
auf NS-Partei- und Staatshierarchie) oder
ohne Veränderungen
Überläuferfilme
Ende des „Dr. R.“ gekennzeichnet durch
Durchhaltefilme (Kolberg, 1945, m. H. George) und
Ablenkungsfilme (Die Frau meiner Träume, 1944, mit
M. Rökk)
Überläuferfilme: Produziert in der Endzeit des Krieges
und des ns Systems, uraufgeführt nach Kriegsende,
am Beginn neuer Systeme. Transportieren den Geist
des alten Systems ins neue. Werden evtl. obsolet, sie
verlieren ihr Publikum. Sind später wichtig und
interessant wegen der Endzeit-Stimmung, die sie
konservieren. Grenzgänger zwischen den Zeiten.
Ende 1944/Anfang 1945 wurden noch ca. 50
Filmprojekte begonnen; die wenigsten wurden zu
Überläuferfilmen.
Überläuferfilme: Beispiele
Helmut Käutner: Große Freiheit Nr. 7 (mit Hans Albers, Ilse
Werner, Hans Söhnker, Gustav Knuth)
• gedreht 1944 in den Barandov-Studios im besetzten
Prag;
• als erster Überläuferfilm uraufgeführt am 20.10.1945.
• von Goebbels 12.12.44 verboten wegen „Beleidigung der
deutschen Frau“ und „Schädiigung des Ansehehens der
deutschen Kriegsmarine, „Herabsetzung der Matrosen“.
• 1946 Vorwürfe der Kirche wegen „Unmoral“.
• Männerfilm: Draufgänger, unerfüllte, unausgesprochene
Liebe, Männerfeundschaft, nicht weinen wegen eines
Weibes, Wasser als Symbol: auf und davon, Freiheit.
Auch wenn alles in Scherben fällt: Männerfreundschaft
hält.
Überläuferfilme: Beispiele
Helmut Käutner: Unter den Brücken (mit Hannelore Schroth,
Carl Raddatz, Gustav Knuth). Produktion 1944, Zensur
März 1945. Premiere in Schweden. Dt. Premiere: 1950.
Erwin Leiser: Beispiel für die Möglichkeit einer „inneren
Emigration des deutschen Films“.
Behauptung privater Autonomie gegen Führeranspruch und
Selbstverleugnung. Wasser = Freiheit. Liebe als zeitlose,
systemüberschreitende Kraft. Dreiecksgeschichte.
Realistisch (authentische Orte: Havel, Glienicker Brücke,
Pfannkuchen-bar, Reichsmarkschein) und poetisch
zugleich: poetischer Realismus; einfache, geniale Dialoge
Gilt als Käutners bester Film.
Käutner: Vaterfigur des westdeutschen Films nach dem
Krieg.
DEFA = Deutsche Film AG
Gründung 17. Mai 1946, Vorbereitungen seit Sept. 1944
Oktober 1945: Filmaktiv, bestehend aus Kommunisten, die
aus dem Widerstand kamen, unter falschem Namen in D
gearbeitet hatten bzw. Remigranten aus der SU:
Kurt Maetzig, Willi Schiller, Adolf Fischer, Alfred Lindemann,
Karl Hans Bergmann, Hans Klering, Friedrich Wolf.
22.1.1946: Konstituierungskonferenz im Hotel Adlon: KPD,
SMAD, Kommunisten und bürgerl. Filmkünstler: Werner
Hochbaum, Gerhard Lamprecht, Hans Deppe, Peter
Pewas, Wolfgang Staudte, Paul Wegener, Hans Fallada,
Günther Weisenborn, Boleslaw Barlog, Georg C. Klaren.
Organisationsform: dt.-russische Film-Aktengesellschaft.
Gründung DEFA
Festlegung einer antifaschistischen Linie. Radikaler Bruch
mit der Vergangenheit. Polit. und moral. Reflexion der ns
Verbrechen.
18. Februar 1946: Erste Ausgabe des Augenzeugen
(Wochen-schau): Sie sehen selbst, Sie hören selbst -
urteilen Sie selbst“ (Kurt Maetzig). Brit. Welt im Film (WiF)
seit 18.5.1945.
März 1946: Beginn der Synchronisation von sowj. Filmen.
16. März 1946 : Produktionsbeginn des ersten Nachkriegs-
Spielfilms: Wolfgang Staudte: Die Mörder sind unter uns.
16. Mai 1946: Produktionslizenz, 17. Mai Gründung Althoff-
Studios Babelsberg.
Überläuferfilme stellen eine Konkurrenz zu den neuen
Produktionen dar.
Anknüpfung an proletarische Filmtradition der Weim. Rep.
(Müntzenberg-Konzern) kaum möglich: erste Nachkriegs-
generation kam entweder aus dem Exil oder hatt schon im
„Dr. R.“ Filme gemacht (die meisten).
Wolfgang Staudte:
Die Mörder sind unter uns, D 1946
Einer der wichtigsten Trümmerfilme: individuell-
moralische Argumentation, nicht politisch.
Produktionsbeginn: März 1946
Uraufführung : 15. Oktober 1946, am Tag vor der
Vollstreckung der Nürnberger Urteile gegen die ns
Kriegsverbrecher, in der Berliner Staatsoper. Moskau,
Paris, London, New York: Zeichen geistiger
Wandlung d. Deutschen
Stoffentwicklung von Staudte schon während des
Krieges: „Der Mann, den ich töten werde“. Zuerst dem
US-Kulturoffizier (P.v.Eyck) angeboten.
Erster Zensurfall nach dem Krieg: Selbstjustiz wird im
Film nicht dargestellt. Erste Rolle Hildegard Knef.

DEFA: Phasen 1946 - 1961
1946 - 49: kreative Arbeit auf breiter soz.-bürgerlicher
Plattform; parteipol. Neutralität; fast grenzenloses
Ausprobieren.
• Progressiv-humanistische Stoffe
• Ab 1949: unmittelbare Gegenwart, Förderung des
sozialistischen Wandlungsprozesses, Frieden, nationale
Einheit Deutschlands, Störfaktoren aus Westdeutschland,
Kapitalismus als Feind. Formalismus-Debatte 1948.
• Ab 1952: Formalismus-Vorwurf; Arbeiterbewegung im Vor-
dergrund, sozialistischer Realismus: Übertypisierung,
Schwarz-Weiß-Malerei, pos./neg. Helden, keine
Differenzie-rung u. Individualisierung, West-Klischees.
Parteilichkeit.
• Erster sozialistischer Nachkriegs-Spielfilm: Slatan Dudow:
Unser täglich Brot (1949).
• Bis 1949: Mehrzahl der DEFA-Spielfilme auch in den
Westzonen aufgeführt.
• Bis Mauerbau 1961 künstlerischer Austausch mit und
Bereicherung durch Filmschaffende aus Westdeutschland.
Parteilichkeit statt
Differenzierung
Gegen „Formalismus“ und Differenzierung - für Parteilichkeit
und sozialistischen Realismus.
Filmverbot-Exempel: Falk Harnack: Das Beil von Wandsbek
(DDR 1951) mit Erwin Geschonnek; Roman: Arnold Zweig,
Sz.: W. Staudte, W. Lüddeke.
Erst 1962 wieder in der DDR gezeigt, um 20 Min. gekürzt.
Ungekürzt und wieder hergestellt: 1981 im DDR-Fernsehen.
BvW war eine Art Überläuferfilm aus einer (film-) kunstpoliti-
schen Phase (bis 1949) in eine andere: Regisseure durften
nicht mehr naturalistisch, bürgerlich-realistisch
widerspiegeln, sondern mußten „Parteilichkeit in der
Spielfilmregie“ (Maetzig) üben. Parteinahme für das
„Richtige und Wahre“. Wirklichkeit objektiv erkennbar, daher
nur eine von mehreren Meinungen richtig. Vom krit. Soz.
zum Sozialist. Realismus.
Kleinbürgerliche Zensur
im Osten und im Westen
Zensur-Exempel: Wolfgang Staudte: Der Untertan
(DDR 1951) mit Werner Peters, Renate Fischer. K:
Robert Baberske. Roman. Heinrich Mann.
Politischer Kontext: Wiederbewaffnung
Optischer Formalismus (extreme Kameraperspektiven
Baberske); Arbeiterklasse nicht kämpferisch genug;
„völlige Perspektivlosigkeit“ (Anton Ackermann).
Der „interministerielle Ausschuß“, eine Zensurbehörde
ohne rechtliche Grundlagen, verhinderte die
Aufführung in der BRD für sechs Jahre. Erfolg bei
internationalen Filmfestspielen erzwang Aufführung.
Film paßte weder in der DDR noch in der BRD in den
politisch-ideologischen Kontext.
Trümmerfilme
U.a.: Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte
1946), Liebe 47 (Wolfgang Liebeneiner 1947), In
jenen Tagen (Helmut Käutner 1947), Berliner Ballade
(R.A. Stemmle, 1948).
Nicht nur äußere sondern auch innere Trümmer, d.h.
Drehort: Trümmerstädte; Handeln in psychischer
Traumatisierung.
Insofern sind auch die Überläuferfilme bereits
Trümmerfilme: Individuen mit inneren
Scherbenhaufen, die sich von jeglicher Ideologie
abwenden, sich nie mehr ideologisch vereinnahmen
lassen wollen. Haupt-Handlungsebene: Innerlichkeit.
Trümmerfilme
Aus der Beschreibung der inneren Trümmer und
ihrer Bewältigung/dem Neuaufbau entsteht induktiv
das Neue.
Eher unkreative Phase; Ausdruck eines geistigen
Vakuums; Rückwärtsgewandheit, gewisse
Weinerlichkeit.
Trümmer als Kulissen, die aber nicht produktiv für
Neues und Experimente gemacht werden.
Reproduktion von UFA-Ästhetik und
Expressionismus.
Fazit früher Nachkriegsfilm
Bis 1949 eine filmkünstlerische Einheit Deutschlands.
Westdeutschland: Filme setzen
a) individuelles Versagen/Engagement, „Verführung“
b)
Verdrängung, Vergessen durch unpolitische und
Heimatfilme gegen die Zeit des „Dr.R.“.
Ostdeutschland: Klare Trennungslinie zur Zeit vor
1945; neues, positives gegen das komplett negative
System vorher. Aufbau einer neuen, besseren
Gesellschaft. Film als Transmissionsmittel auf dem
Weg dahin. Didaktische Mittel (soz. Realismus) und
Schematismus.
Die „alten neuen Medien”/ Radio:

Die ersten 20 Jahre und :


Künstlerische radiophone Formen

Vorlesung
Steinmetz
Teil 6
09.06. Die „alten neuen Medien”/ Radio: Die ersten 20
Jahre und : künstlerische radiophone Formen
1. Anfänge des Hörfunks: Rüdiger Steinmetz: Hörfunk:
Stimme zur Welt und: Hörfunk – ein Medium als Spiegel seiner
Zeit. In: Rüdiger Steinmetz/Adalbert Plica/Gabriele Buchner/
Mechthild Klotz/Friedemann Leipold: Kommunikation. Die
Entwicklung der menschlichen Kommunikation von der
Sprache bis zum Computer (Texte zur Filmserie). München:
TR Verlagsunion 1987, S. 89 – 103.
2. Hörspiel und Feature nach 1945: Was unterscheidet
Hörspiel und Feature? Welche ästhetischen und
thematischen Entwicklungen gab es? Hans-Jürgen Krug:
Kleine Geschichte des Hörspiels. Konstanz: UVK 2003, S. 25-
46. Udo Zindel/Wolfgang Rein (Hrsg.): Das Radio-Feature.
Ein Werkstattbuch. Konstanz: UVK 1997, S. 25-61.
Kindheitsmuster des Radios
Medien-Dispositiv Anfang 20er Jahre:
• Fotographie
• Telephon
• Massenpresse (Rotationsdruck):
Tageszeitungen, Zeitschriften
• (Stumm-)Film
• Schallplatte/Grammophon
• Radio als erstes elektronisches Medium:
Erweiterung des mediatisierten, öffentlichen
Raums, zugleich der politischen Kontrolle (Staat)
Kindheitsmuster des Radios
Kontext: Entmaterialisierte Überwindung von
Zeit und Raum als Traum der Renaissance
Post (-kutschen): Zunächst materielle
Überwindung des Raums
Geschichte der Übertragungsmedien:
(Morse-) Telegraf, Telefon, Funk, Rund-
Funk
Bedenken gegen die zunehmende
Beschleunigung und Transzendenz
Kindheitsmuster des Radios
Technische Voraussetzungen: Hertz, Marconi,
Lieben
Entstehung im Zusammenhang mit dem Ersten
Weltkrieg: technische Entwicklung von Sende-
und Empfangsanlagen durch die Industrie
100.000 Militärfunker
1917: Ausstrahlung von Schallplattenmusik für die
deutschen Soldaten vor Reims
Nach dem Krieg zwei Hauptmotive:
1. Absatzchancen für die Industrie
2. Ablenkung/Unterhaltung in schwerer Zeit:
„Unterhaltungsrundfunk“
Kindheitsmuster des Radios
1917/18: Revolutionäre nutzen das
entstehende neue Medium
 Obrigkeitsstaatliche Organisation und
Gängelung in allen Planungen seit 1922
 zunächst „Saalfunk“ angedacht (bessere
Kontrolle)
 aber USA und UK entwickeln Radio für
alle, also auch so in D, aber mit
Schwerpunkt Unterhaltung (Ablenkung) und
„Volkserziehung“
Kindheitsmuster des Radios
Zwei gegenläufige Tendenzen/Absichten
staatlicher Institutionen: Reichs-
Postministerium und Reichs-Innenministerium
Hans Bredow: „Vater des Rundfunks“. Von der
Industrie (Telefunken: Siemens&AEG) ins
Postministerium. Trug 1919 dem
Hauptausschuss der die neue Weimarer
Verfassung vorbereitenden Weimarer
Nationalversammlung die Idee eines
„Rund-Funks“ vor.
Danach Bredow ins Postministerium: Aufbau des
Rundfunks
Kindheitsmuster des Radios
1922 : Ankündigung des RPM, Lizenzen zu
vergeben. (RPM = Reichs-Postministerium)
Wichtig: Rolle des Staates, techn. und
programmlicher Einfluss/Kontrolle
Aufbau regionaler Gesellschaften: Berlin,
Breslau, Königsberg, Leipzig, Hamburg,
Frankfurt/M., Münster (später Köln), Stuttgart,
München, meist als Aktiengesellschaften.
Früher Rundfunk: privatwirtschaftliche Fassade,
bei weitgehender staatlicher Kontrolle und
staatl. Einfluss.
Kindheitsmuster des Radios

Staat heißt: Zentralstaat plus Länder.


Kontrolle durch Kulturbeiräte und
Überwachungsausschüsse.
Start am 29. Oktober 1923, noch ohne
gesetzliche Grundlage (erst 1926), aus dem
Vox-Haus, Berlin.
(Vox: Schallplattenfirma)
Frühes Radio-Programm
Zunächst kein ganztägiges Programm.
Anknüpfung am Theater, Konzert, (Vor-)Lesung: Durch
Radio wird dem Konsumenten die Anwesenheit am
Ort des Geschehens erspart.
Mittags-, Nachmittags- und Abendkonzerte sowie
Matineen.
Haupt-Hörzeit (heute: „Primetime“): Abendstunden (bis
in die 60er Jahre hinein).
Spezifische Angebote für Hausfrauen und Kinder.
Entwicklungsphase (radiophoner Formen) 1923 - 1930.
Zunächst mehrstündige Schauspiel-Übertragungen:
epische und dramatische Weltliteratur und
zunehmend Original-Sende- und Hörspiele.
Frühes Radio-Programm
Entwicklung spezifischer Formen: Hörspiel, Hörbild
(collagenartig), (Stegreif-)Reportage,
Bildungsprogramme (Deutsche Welle GmbH)
1925: 25 % Vorträge, 1932: 14 %
60%: Kultur/Bildung, 30% Unterhaltung, nur 10 %
Information (Nachrichten)
Zunahme unterhaltender Angebote
19 - 20 Uhr: Vorträge (reines Wortprogramm)
20 - 22 Uhr: Konzerte, Kammermusik, Oper,
gehobene U-Musik (Operette, Salonorchester),
Jazz weniger.
Kindheitsmuster des Radios
Rundfunkordnung wird 1926 etabliert, aber
1932 schon wieder außer Kraft:
Reichskanzler Franz von Papen:
Selbstdarstellung, staatliche
Rundfunkkomissare.
Vorbereitung der Machtübernahme durch die
Nationalsozialisten.
16.06. Medialer Neubeginn in Deutschland nach
1945: Fernsehen und Hörfunk –
Kontinuitäten und Neuanfänge
1. Peter Hoff: Tages Arbeit – Abends Gäste, Kap.3:
„Schöpfungsgeschichte“ und „Gründerlegenden“.
Leipzig: Universitätsverlag 2005, S. 15 – 35.
2. Rüdiger Steinmetz: Dauerhafte Lernprozesse: Die
Bundesregierung und der NWDR. In: Peter von
Rüden/Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Die Geschichte des
Nordwestdeutschen Rundfunks. Hamburg:
Hoffmann&Campe 2005, S. 322-336. 3. Konrad Dussel:
Deutsche Rundfunkgeschichte. Konstanz: UVK 2004, S.
127-145 und 181-189.
Radio-Feature
Mit Hilfe der akustischen Montage fügt das Feature
journalistische Elemente (Interview, Statement,
Reportage, atmosphärische Töne) und andere
funkische Ausdrucksmittel (Dialog, inn. Monolog,
Zitat, Mitschnitt, Kommentar-/Erzählertext, Musik) zu
einem künstlerischen Ganzen zusammen.
Feature - Hörspiel ähnlich
Spielfilm - Dokumentarfilm
Beim Feature überwiegt der
dokumentarische Charakter, beim
Hörspiel der fiktionale, künstlerische Charakter.
Verhältnis Hörspiel - Feature
Feature und Hörspiel liefen ab 1947 nebeneinander her,
ergänzten und überschnitten sich. Wurden zu den
Programmhöhepunkten der späten 40er und 50er
Jahre: die spezifischen Radioformen.

Feature: deduktiv: zu einem allg. Thema werden


Personen in ihren Funktionen gesucht, die typisch,
symptomatisch für das allg.gültige Thema sind.
Hörspiel: induktiv: einzelne Personen, die wir
intensiver kennenlernen, handeln (verbal) und tragen
in dramaturgischer Verdichtung zu einem allg. Thema
bei.
Hörspiel nach 1945
Entwicklung zur eigenen Kunstform des Radios:
• Aneignung der (bisher verbotenen) Weltliteratur
• Eigenproduktionen
• Nahe Vergangenheit
• Gegenwart: Zeitstücke
• Experiment
• Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Autoren (u.a.) in Westdeutschland
Hörspiel Feature
Helmut Käutner, Max Max H. Rehbein, Erich Kuby
Frisch, Friedrich (z.B. Nur noch rauchende
Dürrenmatt, Wolf- Trümmer... NWDR 1954),
gang Hildesheimer, Peter Coulmas, Henri
Walter Jens, Ilse Regnier, Hans Werner
Aichinger, Heinrich Richter, Heinrich Böll,
Böll, Marie Louise Joachim Kaiser, Siegfried
Kaschnitz, Siegfried Lenz, Axel Eggebrecht,
Lenz, Ingeborg Bach- Wolfgang Hildesheimer,
mann, Martin Walser Siegfried Lenz, Peter von
Zahn
Radio-Übergänge 1945
1. Mai: Rede Großadmiral Dönitz
4. Mai, 19 Uhr: Hallo, hallo, here is Radio Hamburg, a station
of the Military Government (Brit. All.)
8./9. Mai: Kapitulation
bis 9. Mai: Nebensender Flensburg strahlt weiter ns
Programm (Reg. Dönitz) aus
12. Mai: Radio München (US All.)
13. Mai: Sowj. All. Radio (Bln./Masurenallee/S. Tegel)
3. Juni: Radio Stuttgart (US All.)
4. Juni: Radio Frankfurt (US All.)
1. Sept.: Sowj. All. Radio über Sender Leipzig
20. Nov.: Mitteldt. Rundfunk AG (7.12. üb. Send. Dresden)
23. Dezember: Radio Bremen (US All.)
31. März 1946 SWF Baden-Baden (Frz. All.)
Polit. - Rundfunk-Systeme
Die entstehenden Rundfunksysteme in
Ost und West hatten völlig
unterschiedliche, gegensätzliche
Aufgaben,
Entsprechend den entstehenden
politischen und ideologischen
Systemen.
Rundfunk (HF und FS) im Osten
Zentrale Struktur, staatlich verfaßt. Finanzierung:
Staatshaushalt, Rundfunkgebühr
Aufgaben:
• kollektiver Propagandist (Verbreitung der soz.
Lehren), kollektiver Agitator (der Massen),
kollektiver Organisator (der Politik von Partei
und Staat).
• Dies wurde öffentlich propagiert, zugleich
stand die Öffentlichkeit unter einer
umfassenden Kontrolle.
• Medien waren also Instrumente von Partei und
Staat; das war jedem bekannt und bewußt.
Rundfunk im Osten
Instrumentalisierung des Rundfunks äußert
sich in...
1. Steuerung der Medien durch Machtinter-
essen der Partei- und Staatsführung,
2. Primat der polit. Funktionen der Medien u.d.
polit. Programmatik ggü. and. Funktionen,
3. Aushöhlung der Legitimation der soz. Ges.
Ordnung durch die Offenheit der Instrumen-
talisierung und die damit provozierte
Umgehung durch Rückzug ins Private und
Entstehung alternativer Öffentlichkeiten.
Rundfunk (HF und FS) im Westen
Dezentral, föderal organisiert: Rundfunk ist
Ländersache (Landes-Rundfunkgesetze;
Staatsverträge, d.h. Verträge. zw. Ländern).
Öffentlich-rechtlich verfaßt, also nicht in der Hand
des Staates, einer Partei oder Interessengruppe:
staatsfern.
Kontrolle durch (gewählte) Rundfunkräte;
ständisches vs. parlamentarisches Modell.
Grundlage GG, Art 5: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur
findet nicht statt.
Ziel: freie und öffentliche Meinungsbildung
Finanzierung über Rundfunkgebühr und Werbung.
Rundfunk (HF) im Osten
Organisation: Berliner Rundfunk,Mitteldeutscher
Rundfunk bzw. ab 1955 Radio DDR statt MDR,
Deutschlandsender ( Westen; ab 1974:
Stimme der DDR)
Staatl. Rundfunk-Komitee (1952)
Umstritten im Kalten Krieg: Funkhaus
Masurenalle („Haus des Rundfunks: Poelzig-
Bau, 1931)
1952 Funkhaus Nalepastraße
1952 Fernsehen Adlershof
Rundfunk (=Hörf. u. FS)
nach 1945
Radio/Hörfunk hatte zentrale Funktionen:
• Kommunikation (Fehlen anderer Medien)
• Einbindung der Menschen in die jeweils neuen politischen
Systeme (Reeducation, Umerziehung)
• Kulturell Versäumtes nachholen
Beteiligung von unbelasteten Deutschen, aber auch von Belasteten am jew.
Wiederaufbau des Rundfunks:
U.a.: Peter von Zahn, Werner Höfer, Werner Pleister
(West)
Ernst Augustin, Walter Bruch (Ost)
Rundfunk (= Hörf. u. FS)
Lernprozesse: nach 1945
West: Rundfunk als demokratisches Medium:
Föderalismus, Toleranz, Abschied von
autokratischen Strukturen, Einfluß der Parteien
auf das Programm
Ost: Rundfunk hat agitatorische und politische
Aufgaben zu erfüllen; „Transmissionsriemen“
zwischen (Partei-)Politik und Bürgern. HF u. FS
haben auf die gesellschaftliche, kulturelle und
künstlerische Entwicklung aktiv einzuwirken und
sie widerzuspiegeln. Ziel: Menschen u.
Gesellschaft in ihrer revolutionären Entwicklung
darzustellen.
Rundfunk (=Hörf. u. FS)
nach 1945
Einschnitt: 8. Mai 1945
Neuaufbau des Rundfunks nach unterschiedlichen Prioritäten
in den Besatzungszonen:
US: föderal und demokratisch, UK: zentral (BBC-Modell) und
demokratisch: gesellschaftlich relevante Gruppen
kontrollieren: Staatsferne
Westl. Zonen: Noch vor Gründung der Bundesrepublik
Gründung von Zonensendern:
Briten: NWDR Hamburg und Köln
Amerikaner: Radio Frankfurt/Hess. Rundfunk, Radio
Stuttgart/Südd. Rundfunk, Radio München/Bayerischer
Rundfunk, Radio Bremen
Franzosen: Südwestfunk Baden-Baden
Rundfunk (= Hörf. u. FS)
nach 1945
Sowjets: Einfluß der SMAD; „Gruppe Ulbricht“, u.a. Hans
Mahle (Entwicklung des Berliner Rundfunks): sucht
Widerstandskämpfer, „unbelastete Spezialisten“, aber auch
Spezialisten aus dem Kriegs- und Vorkriegsrundfunk
Kontinuität war nicht erwünscht, aber auch nicht völlig zu
vermeiden
Keine vergleichbare Kontinuität wie im Westen, aber NS-Know
How über Ernst Augustin, Ilse Obrig und Walter Bruch in
den Neuaufbau eingeflossen
Rundfunk (=Hörf. u. FS)
nach 1945
Seit 1947: Wettlauf der unterschiedlichen Systeme im Kalten
Krieg
Westen: Kapitalismus, liberale Demokratie, Sozialstaat auf
zivilgesellschaftlicher Basis
Osten: Stalinistische Einparteien-Herrschaft, zentral verwaltete
Versorgungswirtschaft
In beiden Blöcken: Aktive Medienpolitik der Siegermächte,
dann auch der deutschen Institutionen
Hintergrund: unterschiedliche mediale Fortgeschrittenheit der
Mächte
Rundfunk (= Hörf. u. FS)
nach 1945
Programm:
Weitgehend Kontinuität im Musikprogramm
Große Differenzen im Wortprogramm

1948: Länder-Sender funktionieren


Im Osten und Westen: erste Säuberungen
1952: Im Osten: Umbau des Rundfunks
Rundfunk (=Hörf. u. FS)
nach 1945
Fernsehen:
Ab 1947 Vorarbeiten, dann 1952
Versuchssendungen (West und Ost: 4.6.1952)
21.12. 1952: Beginn offizielles Versuchsprogramm
DDR
2.1. 1956: Beginn DDR-Fernsehprogramm
25.12. 1952: Beginn Programm NWDR
Gründung ARD
Entwicklung „Tagesschau“ bzw. „Aktuelle Kamera“:
Standdias mit gelesenen Off-Texten
Fernsehstart Ost:
DFF 21.12.1952
Fernsehstart Ost:
DFF 21.12.1952
Fernsehstart West:
NWDR 25.12.1952
20 Uhr,
118 Min.
Struktur Fernsehzentrum Berlin, 1953
Einflüsse auf das DDR-FS-
Programm in den 80er Jahren
Verbreitung des Fernsehens BRD/ DDR
Film in/seit den 60er Jahren

Vorlesung
Steinmetz
Teil 7
23.6. Film in/seit den 60er Jahren in BRD und DDR (VII).
1. Anton Kaes: Der Neue Deutsche Film. In: Nowell-Smith: Geschichte
des Internationalen Films. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1998, S. 566-581.
2. Kultureller Kahlschlag in der DDR: 11. Plenum, „Kaninchenfilme”
(DEFA). Gersch in: Jacobsen/Kaes/Prinzler, S. 339-364.

7.7. Die Digitalisierung von Film und Kino. 1. Welche


Veränderungen der Ästhetik bringt die Digitalisierung des Films
mit sich? Almuth Hoberg: Film und Computer: Wie digitale Bilder den
Spielfilm verändern. Frankfurt: Campus 1999, Kap. 3.2, S. 53-74. Lev
Manovich: The Language of New Media, Kap. 6: What is Cinema?
Cambridge/ London: MIT 2001, pp. 287 – 292, 300 – 308, 322 – 333. 2.
Ästhetische Konsequenzen und Folgen für Vertrieb und Abspiel
durch die Digitalisierung des Kinos. Hundsdörfer, Beate/Inga von
Staden (2004): Die digitale Zukunft der Kinobranche. In: Peter C.
Slansky (Hrsg.): Digitaler Film - digitales Kino. Konstanz: UVK (= kav,
Bd. 33), S. 225-250 und aktuelle www-Seiten.
Die 1960er Jahre:
Nouvelle Vague
(Frankreich, GB, Polen, CSSR)

Junger Deutscher Film


=Neuer (west-) Deutscher Film

Kahlschlag des Aufbruchs


im Film der DDR
Die 60er Jahre: Jahrzehnt des
Aufbruchs und des Generationswechsels
• politischeKonflikte verschärfen sich (Bau
der Mauer, 13. August 1961)
• Generationswechsel von der Kriegs- zur
Nachkriegs-Generation
• politischer Aufbruch der Studenten-
Generation international
• Fernsehen als Neues Medium wird zum
Massenmedium und zur Konkurrenz des
Films
Gemeinsame Rahmenbedingungen der
Nouvelle Vague in Europa und USA
• Dominanz des Hollywoodfilms, neu sich etablierende
nationale Filmindustrien (dabei aber unterschiedliche
Bewertung des Hollywoodfilms)
• Nach dem 2. WK (teilweise außer D): Die alte Generation
der Produzenten, Regisseure, Kameramänner,
Schauspieler, Ausstatter macht weiter. Frankreich z.B.:
René Clair, Julien Duvivier, Jean Renoir, Marcel Carné,
Max Ophuls (Vorkrieg), Jacques Becker, Autant-Lara,
Christian-Jacques, Clouzot und René Clément
(Kriegsreg.); Kamera: Henri Alekan, Armand Thirard,
Christian Matras.
Gemeinsame
Rahmenbedingungen
• Dominant zunächst: Kostümfilme, Komödien, Policiers
(F), Heimatfilme (BRD); Antifaschismus; Wiederaufbau
und Heldentum; Neorealismus; Psychologischer
Realismus.
• Generationenablösung: zentrale Rolle der Filmkritik, v.a.
in F: Cahiers du Cinéma (seit 1951), aber auch West-D:
Filmkritik (Enno Patalas, seit 1956): „Papas Kino ist tot”
(1962)
• Nach 2. WK zunächst Aufblühen der Filmindustrien und
der Abspielstätten, unterschiedlich intensiv und
unterschiedlich lange in einzelnen Ländern
• Entstehen und schnelle Verbreitung des Fernsehens
(staatlich, öffentlich-rechtlich, privat-kommerziell), auch
unterschiedlich je nach Land.
Gemeinsame
Rahmenbedingungen
• Neue Filmtechnologien: leichtere Kameras (16
mm), empfindlichere Filmmaterialien und
Objektive, Direktton, leichte Tonausrüstungen:
Drehs an Originalschauplätzen, weniger Studio
und Dekor.
• Jugend = Unperfektion, Engagement, Ablehnung
von Klischees und leeren Formeln, Hüllen,
falschen Leidenschaften
• Blick über den Tellerrand = Internationalisierung
• Generation der zwischen 1930 und 1945
Geborenen, prägende Kindheitserfahrungen kurz
vor und im 2. WK
Gemeinsame
Rahmenbedingungen
• Meister-Schüler-Verhältnis (Orientierung), z.B. von F.
Truffaut an Jean Renoir, A. Kluge an Fritz Lang und
A. Tarkowski an S. Dovshenko und Michail Romm.
• Aufnahme des und Auseinandersetzung mit dem
Neorealistischen Film der 40er und frühen 50er.
• Ökonomische, aber v.a. künstlerische Stagnation der
nationalen (Kriegs- und Nachkriegs-)Filmindustrien
und Kritik eben daran.
• Absolventen von Filmhochschulen, zunächst aus
Osteuropa (Polen: Lodz ab 1956) (inkl. DDR, HFF ab
1953) und Frankreich (IDHEC, ab 1943), ab Ende der
60er auch aus Westdeutschland: HFF München, dffb.
Gemeinsame
Rahmenbedingungen
• Revival des Dokumentarfilms durch neue
Techniken: Tendenz zum Dokumentarischen und
damit zur außer- und vor-filmischen Wirklichkeit
auch in Spielfilmen.
• Breitenwirkung, d.h. große Zuschauerzahlen, nur
in Frankreich und Italien, sonst eher spezielles
Publikum in besonderen Abspielstätten, teilweise
nur mit staatlicher oder sonstiger Filmförderung
(Co-Prod. mit Fernsehen) ermöglicht und erhalten.
• Beginn in einzelnen Ländern unterschiedlich und
unterschiedliche Vorläufer.
Nouvelle Vague, Direct
Cinema, Cinéma Vérité
• Ab ca. 1958/59:
• Nouvelle Vague in F
• New Cinema in GB
• Direct Cinema (D.A. Pennebaker, R.
Leacock, Gebr. Maysles) in USA
• Cinéma Vérité (Jean Rouch/Edgar Morin:
Chronique d'un Été), ab 1960 in F
• Junger dt. Film (JdF/NdF) ab 1961 in BRD
AUTORENFILM/NOUVELLE VAGUE

»Ich stelle mir den Film von morgen


noch persönlicher vor: als einen indi-
vidualistischen und autobiographi-
schen Roman, wie ein Bekenntnis oder
Tagebuch. Die Jungen Filmemacher
werden sich in der ersten Person aus-
drücken und schildern, was ihnen wi-
derfahren ist, das könnte die Ge-
schichte ihrer ersten oder neuesten
Liebe sein, ihr politisches Erwachen,
ein Reisebericht, eine
Krankheit, ihr Militärdienst,
ihre Hochzeit, ihre letzten
Ferien, und es müßte fast
notgedrungen ankommen,
weil es wahr und neu wäre
... Der Film von morgen wird
ein Akt der Liebe sein.«
Francois Truffaut, 1957
Jean-Luc Godard, 1967 :
»Ich schreibe meine Drehbücher nicht,
ich improvisiere bei den Dreharbeiten.
Diese Improvisation kann aber nur die
Frucht einer vorausgegangenen inne-
ren Arbeit sein, und sie setzt Konzent-
ration voraus. In der Tat mache ich
nicht nur Filme, wenn ich drehe, ich
mache meine Filme, wenn ich träume,
wenn ich esse, wenn ich lese, wenn
ich mit Ihnen spreche.«
»Fünfzig Jahre nach der
Oktoberrevolution herrscht
das amerikanische Kino über
das Kino der Welt. Diesem
Sachverhalt ist nichts mehr
hinzuzufügen.«

Jean-Luc Godard, 1967


AUTORENFILM/
NOUVELLE VAGUE
»Eines Tages kam Jacques Rivette die
phantastische Idee, die Artistes
Associées zu gründen. Ein durchschnitt-
licher französischer Film kostete 100
Millionen (alte Francs); wir fühlten uns
in der Lage, Filme für ein Fünftel dieses
Betrages zu drehen und wollten zu
Produzenten gehen und ihnen vorschla-
gen, die fünf Filme zu finanzieren.
AUTORENFILM/ NOUVELLE VAGUE

Alain Résnais, der von der Idee sehr


eingenommen war, sollte den ersten
drehen, Jacques Rivette sollte sein
Assistent sein. Alexandre Astruc sollte
den zweiten drehen, mit mir als
Assistenten, Rivette den Dritten, ich
den vierten usw. ...“
„Unser Irrtum war, daß wir
glaubten, die Produzenten
hätten irgend ein Interesse
daran, billige Filme zu
drehen, während sie doch
in Wirklichkeit meist nur
Mittelsmänner zwischen
den Banken und den
Verleihern sind,
und ihre Gewinnspanne
proportional zu den Kosten
des Films wächst. Also
wurden wir auch hier
freundlich und belustigt
empfangen, aber das ist
noch nicht das letzte Wort,
sie hören noch von uns.«

Francois Truffaut, 1961


Jean-Luc Godard:
»Die Autorentheorie? Das war eine große
Dummheit, die wir da gemacht haben ...
Dabei hatte ich geglaubt, daß wir davon
profitieren würden. Wir von den Cahiers
nämlich, Truffaut, Rivette, Godard, Chab-
rol, die drei oder vier, die das damals
waren, wir haben gesagt: Nicht auf den
Produzenten kommt es an, sondern auf
den Autor. Wir haben versucht, ihm
wieder, wie soll ich sagen, den Adelsbrief
zurückzugeben... Gut, uns ging es
darum, uns
einen Platz zu erobern, das System,
so wie es war, anzugreifen, das
Recht zu bekommen, mit anderen
Tischmanieren am Tisch Platz zu
nehmen. Und zu sagen: Auf den
Autor kommt es an ... Heute heißt
es: ‚Hitchcock presents‘. Das war
nicht immer so. Früher stand da:
‚Warner Brothers oder Soundso
presents‘ ... Wir haben den Namen
des Autors unten weggenommen
und nach oben gerückt. Wir haben
gesagt:
Er ist es, der den Film gemacht
hat. Das sollte auch heißen: So
muß man Filme machen, und
wenn man Filme so machen
muß, und wir sagen, daß es so
sein muß, dann müssen wir sie
auch machen.«

Jean-Luc Godard, 1980


Jean-Luc Godard: À Bout de
Souffle [Außer Atem] (F 1960):
Aufbau
• Film spielt an vier Tagen in chronologischer Abfolge
• ohne Rückblenden vom Mittag des ersten Tages bis zum Morgen des
vierten Tages.
• Trotz der experimentellen Form der Montage hat der Film einen
klassischen dramaturgischen Aufbau

• Erzählte Zeit: 1. Tag: Sequenz l und II: 5'14, 2. Tag: Sequenz III bis V:
21 '59,
3. Tag: Sequenz VI bis XI: 52'54, 4. Tag: Sequenz XII: 9'06".

I. Exposition (Sequenz l - II): Der Gauner Michel Poiccard alias Laszlo


Kovacs stiehlt ein amerikanisches Auto in Marseille und fährt nach
Paris, wo er die amerikanische Journalistikstudentin Patricia
wiedersehen möchte. Als er wegen Geschwindigkeitsübertretung von
der Polizei verfolgt wird, erschießt er einen Polizisten.
À Bout de Souffle : Aufbau
II. Entwicklung des Konflikts (Seq. III - V): Nächster Morgen:
Michel kommt in Paris an und versucht vergeblich, Geld
aufzutreiben. Er findet Patricia auf den Champs-Elysées, wo
sie die New York Herald Tribune verkauft. Michel gesteht ihr
seine Liebe und möchte mit ihr nach Rom fahren. Michel
erfährt, daß er bereits gesucht wird.

III.Zuspitzung des Konflikts (Seq. VI - IX): Nach einem


Rendezvous mit dem Journalisten Van Doude wird Patricia am
nächsten Morgen in ihrem Hotelzimmer von Michel erwartet. In
einem langen Gespräch versuchen sie, ihre Beziehung zu
klären. Nach einem weiteren Autodiebstahl wird er von einem
Passanten identifiziert. Während Patricia eine Pressekonferenz
besucht, verschlechtern sich Michels Chancen auf eine
gelingende Flucht, denn die Polizei ist ihm immer näher auf
den Fersen, und seine Komplizen lassen ihn im Stich.
À Bout de Souffle: Aufbau
IV. Steigerung der Spannung/ Retardierendes
Moment (Seq. X - XI): Das Paar flüchtet
gemeinsam vor der Polizei in ein Kino und
kommt schließlich für die Nacht in der
Wohnung einer Bekannten unter, nachdem er
seinen Freund Berruti endlich gefunden hat.
V. Konfliktlösung/ Katastrophe (Seq. XII):
Am nächsten Morgen wird Michel nach einem
Hinweis Patricias von der Polizei auf der
Straße gestellt und erschossen.
Junger/Neuer dt. Film (BRD)
Alexander Kluge, Edgar Reitz, Volker
Schlöndorff, Ulrich und Peter
Schamoni, Vlado Kristl, Herbert
Vesely...
Was der Junge/
Neue Deutsche Film wollte
Die Oberhausener Gruppe hatte ein dreifaches
Programm. Es gab zunächst das
Oberhausener Manifest vom 28. Februar
1962, das ja nur eine allgemeine Erklärung
enthält. Es entstand aus einer Stimmung
heraus, am Vorabend.
Anschließend setzte man sich zusammen und
fragte:
„Was ist denn nun unser Programm?“ Es wurden drei
Kernpunkte entwickelt.

• „Der erste Punkt hieß Nachwuchsbildung,


die Einrichtung von Bildungsstätten, von
Filmakademien oder Instituten. Das war
mit dem Gedanken verbunden, daß man ein
theoretisches Zentrum für den Film
braucht.

• Der zweite Punkt betraf die Förderung von


Erstlingsfilmen. Daraus ist das “Kuratorium
Junger Deutscher Film” entstanden.
• Und der dritte Punkt, das war
eine klare und dauerhafte
Förderung des Kurzfilms als dem
ständigen Experimentierfeld des
Films überhaupt.“

Alexander Kluge
Charakteristika Junger (Neuer) deutscher Film

• Bruch mit Hollywood-Erzählkonventionen: Montage,


Mischung Spielfilm/Dokumentarfilm, Kamera,
außerfilmische Wirklichkeit, Offene Formen,
Laiendarsteller
• Authentizität statt Illusionskino
• Autorenkino/künstler. Hand, Ablehnung Produzenten:
Anti-industriell, “anti-kapitalistisch”, Zuschauerzahlen
“unwichtig”
• Junge Themen, junge Hauptfiguren; unterschlagene
Themen
• Eigentätigkeit des Zuschauers: idealistisches Bild
eines aufgeklärten Zuschauers liegt zugrunde
• Vertrauen auf “Staatsknete”: Filmförderung (FS)
• (Nur) zeitweise: Gemeinsamkeit
11. Plenum des ZK der SED
Dezember 1965: Kultureller Kahlschlag

Entscheidung zwischen Fortschritt und


Dogmatismus:
„Formalismus“, „Skeptizismus“, „verzerrtes Bild
es Sozialismus“
Kurt Maetzig: Das Kaninchen bin ich
Günter Stahnke: Der Frühling braucht Zeit
Frank Vogel: Denk bloß nicht, ich heule
Egon Günther: Wenn du groß bist, lieber Adam
Frank Beyer: Die Spur der Steine
Jürgen Böttcher: Jahrgang 45
Digitalisierung der Filmproduktion

Produktion: Elektronik statt Mechanik,


Videoband, DVD bzw. Festplatte statt
35 mm-Film
Post-Produktion: Schnitt/Montage, Visual
Effects (VfX)
Beschleunigung der Produktion
Virtualisierung der Produktionsprozesse
Rückkehr zur Non-Linearität
Schnitt/Montage
Schneller Zugriff auf das Material
Änderungen beliebig: Auswahl und (Re-) Kombination
non-linear
Gr. Kinofilme: Schnitt des 35mm-Materials nahc der
elektronischen Schnitt-Fassung
Nicht das Resultat gespeichert, sondern die Liste der
Schnitt-Entscheidungen (Batch List)
Chance: kongeniale Repräsentation v. Träumen,
Denken
Probleme: Mangelnde gedankl. Durchdringung
Hoher Materialverbrauch: Unübersichtlichkeit
Hohe Schnittfrequenz, Spielen mit Effekten
„Neue Medien“:
Digitalisierung
Interaktivität
Virtualität
Partizipation
Vorlesung
Steinmetz
Teil 8
2. Ästhetische Konsequenzen und Folgen für Vertrieb und Abspiel durch die
Digitalisierung des Kinos. Hundsdörfer, Beate/Inga von Staden (2004): Die
digitale Zukunft der Kinobranche. In: Peter C. Slansky (Hrsg.): Digitaler Film -
digitales Kino. Konstanz: UVK (= kav, Bd. 33), S. 225-250 und aktuelle www-Seiten.

14.07. Medien-Modernisierung I: Neue Medien/Multimedia/Online. Was ist


neu an den „neuen Medien“? Vernetzung, Öffentlichkeit und Privatheit,
Trend zur Privatisierung, Globaler Wettbewerb. 1. Lev Manovich: The Language
of New Media, Kap. 1: What Is New Media? Cambridge/London: MIT 2001, pp.18-
61. 2. Politische Beteiligung. Sara Bentivegna: Politics and New Media. In:
Lievrouw/Lingstone (Eds.): The Handbook of New Media, London etc.: Sage, 2002,
pp.54 – 56. 3. Neue Gemeinschaften. Laura Stein&New Global Media and
Community Policy: the Role of the State in the Twenty-First Century, pp. 410-431.
In: Lievrouw/Lingstone (Eds.): The Handbook of New Media, London etc.: Sage,
2002, pp. 54 – 56.

21.07. Medien-Modernisierung II: Neueste Entwicklungen: Weblogs,


VideoBlogs, Podcasting, Vodcasting, Web 2.0 : Rüdiger Steinmetz: Vom Lesen
übers Broadcasten zum Podcasten und mobilen Fernsehen. In: Thomas Keiderling
(Hrsg.): Buch – Markt –Theorie. Kommunikations- und medienwissenschaftliche
Perspektiven. Erlangen: Filos.
Flash Animation Digitales Kino
/WS 06_07/Medienwiss. Vorlesung/Flash
Anima DigiKino
Digitalisierung des Kinos :
Übergangszeit/Veränderungen
• Übergang vom photochemisch-mechanischen Zeitalter
zum voll-digitalen Zeitalter in allen Teilen der filmischen
Produktions-, Distributions- und Verwertungskette
• Europäisches Pilotprojekt „European DocuZone “: In D
nahmen 35 Kinos daran teil.
• Veränderungen der Programmierungs- und
Distributionsabläufe
• Veränderung der Werbetrailer-Pakete
• Veränderung von Berufs-Profilen
• Veränderung der Rolle des Kinos (auch Live-Events)
Digitalisierung des Kinos :
Auflösung
• Digitaler Kino-Beamer: 4k  4096x2160
Pixel = 8,8 Megapixel in der Fotografie, die
24 mal/ sec. projiziert werden

• 2k wg. Kosten alternativ: 2048x1080 = 2,2 MP

• 5k: CineVision 2006 mit fünf Projektoren

• 8k in d. Entwicklung beim Fraunhofer Institut


5000x1480 Pixel = 7,4 MPixel
Digitalisierung:
Kino Auflösung
• HDTV: 1920x1080 Pixel = 2 Mpixel

• Normaler Beamer: 1024x768 Pixel = 0,8


MPixel
• PAL-FS: 720x576 Pixel = 0,4 MPixel

• Spielfilm/90 min.: 200 GB (alt. Angabe: 45


GB)
Auflösung
Vergleich

8mm-Film ~320 Linien entsprechen NTSC


Super 8-Film ~420 Linien entsprechen S-VHS
16mm-Film ~1200 Linien entsprechen HDTV

35mm-Film ~2400 Linien


Digitalisierung des Kinos :
Systeme/Standards
• Digital Cinemas Initiative (DCI) legt Juli 2005
• technische Standards fest, aber auch
• Sicherheitsstandards: Kryptographie, Zertifizierung,
Schlüsselmanagement, Wasserzeichen, digitale Rechte
• Dechiffrierung in einer von DCI zertifizierten
geschlossenen Dechiffrierbox, die nur mit zertifizierten
Projektoren kommuniziert
• Mitglieder DCI: Disney, Fox, MGM, Paramount, Sony
Pictures, Universal, Warner Bros.
• Derzeit ca. 5000 Leinwände weltweit digitalisiert; in D
ca. 200
Digitalisierung des Kinos :
in D beteiligte Firmen/Institutionen
• Fraunhofer-Institut (MP3-Erfinder)
• ARRI
• Kinoton (Filmprojektor-Hersteller)
• Telekom/T-Systems
• SES Astra
• FFA

Das heißt: Forschung, Systementwicklung,


Filmförderung, IT-Branche, (klassische) Kino-
Ausstatter, Film-Produzenten, Kinobetreiber,
Kinoketten sind beteiligt.
Digitales Kino in Deutschland
Stand 2005 Quelle: FFA Nov. 2006

• 107 digitale Leinwände = 3% aller 3419 LW


• davon 62% mit der günstigeren DLP-Technik
• davon 38% mit der helleren LCD-Projektionstechnik

• 11 % der Kinos wollen in naher Zukunft umrüsten


• 14 % machen Umrüstung von verschiedenen Kriterien
abhängig
• D.h.: nicht mal ein Drittel hat schon umgerüstet oder
erwägt bisher die Umrüstung. Den meisten
Kinobetreibern ist die Umrüstung zu teuer.
(Quelle: FFA Nov. 2006)
Digitales Kino : Beteiligungen/
Internationale Aspekte
CNE (CinemaNet Europe, EDZ/European DocuZone): Initiative
verschiedener europäischer Länder.
Ziel: auch in kleineren Kinos Dokumentar- und Arthouse-Filme
digital zu zeigen.
Modell: Auf 2K-Projektoren wöchentlich zeitgleiche pan-
europäische Übermittlung eines Films.
Devise: „Delikatessen statt Fastfood“.
D: „Delicatessen“, F: „Novociné", P: „7th Kult“ SP: „Parallel 40".
Digitales Kino : Beteiligungen/
Internationale Aspekte
Indien: „Bollywood“
Basis: circa 1.000 Filme pro Jahr.
Digitaler Standard weit entfernt von den
DCI-Spezifikationen.
Deutlich niedrigere Qualität, aber:
Kino auf dem Lande umrüsten.
Internationale Aspekte

Österreich: Start mit „Harry Potter und


der Feuerkelch“.
Nach der Umrüstung verschiedener
Cineplexx-Kinos auf 2K-Norm.
Technischer „Rollout“ steht kurz bevor.
Internationale Aspekte
China: Investitionen seit 2002.
Über 200 digitale Kinos unter
chinesischen Standards.
Bis 2007 sollen es bereits mehr als 500
sein.
Seit Juni 2006 erster digitaler Server auf
DCI- Standard.
Weltmarkt soll für China geöffnet
werden.
Internationale Aspekte
Irland: Ziel, als erstes Land in Europa alle
Kinos digitalisiert zu haben.
"Digital Cinema Limited" (DCL),
Tochtergesellschaft der US-amerikanischen
"Avica Europe", hat sich für Irland
entschieden, weil das Land nur eine
mittelgroße Anzahl an Kinos besitzt und die
Iren sehr häufig ins Kino gehen.
Ca. 500 Leinwände mit einem Kostenaufwand
von rund 40 Mio. Euro mit digitaler Technik
ausgestattet.
Digitalisierung des Kinos :
Verteilnetz(e)
• T-Systems über ASTRA: Übertragen,
Speichern, Verwalten der Filme
• Verteilplattform: SES ASTRA
• Synchrone Übertragung
• Server: „Vorführer“ stellt Werbung, Trailer
und Film am Rechner zusammen
• Kabelnetze
• Transport von Festplatten
Digitalisierung des Kinos :
DCDM
• DCDM = Digital Cinema Distribution
Master
• ein Codestream nach dem JPEG-2000-
Standard
Digitalisierung des Kinos :
Vorteile
• Kein Verschleiß der Kopien, konstante
Vorführ-Qualität
• Störungsfreiheit (?)
• Zeitgleicher Einsatz neuer Filme, auch im
kleinsten Kino und im entlegensten Winkel
• Realtime-Kino
• Billigerer Vertrieb: spart Transportwege (Zeit)
und -kosten
• Weniger Roh-Auflösung, aber potentiell
bessere Bilder
Vorteile
• Neue Arbeitsplätze: Soft-/Hardware-
Entwickler und -Hersteller,
Systemintegratoren (Zusammenführen bisher
getrennter Dienstleistungszweige),
Systemadministratoren in den Kinos und bei
den Produzenten/Verleihern

• Mitarbeit in zwischengeschalteten Betrieben


der digitalen „Wertschöpfungskette“
Digitalisierung des Kinos :
Probleme
• Piraterie: Diebstahl des Films, der Filmrechte, der
Aufführungsrechte
• Verlust des 35mm-Film-“Looks“
• Hohe Anlaufkosten für (kleine) Kinobetreiber
• Wegfall ganzer Zweige: Verleih/Vertrieb: Neu-
Positionierung nötig
• Schwenks/Zooms bringen bei 24 Bildern/ sec.
Shutter-Effekte
• Zunächst Einführung der 2k-Generation
• 4 k etc. (5-10 Jahre) erfordert wieder neue
Investitionen
Probleme
• Digitale Kameras heute noch nicht besser
(Auflösung) als 35mm-Kameras
• Wettlauf mit Heimkino: immer höhere Auflö-
sung und besserer Ton: HD DVD und Blue Ray
DVD
• Arbeitsplätze bedroht von: Mitarbeitern bei
Filmherstellern, in Filmlaboren, Kopierwerken,
Filmlagern, bei Filmkurieren; im Management
bei Verleihern, im Kino bei den Vorführern, bei
den klassischen Kino-Ausrüstern
• Aus-/Weiterbildung für neue Arbeitsplatz-
Profile nötig
Probleme
• Standard für Kompression und Verteilung trotz DCI
international noch nicht völlig klar

• Hohe Einführungskosten :

• 50 - 100.000 Eur. pro Projektor

• Internationaler Einführungs-Druck durch Hollywood


Majors
Digitales Kino:
neue Berufs-Profile erfordern
• ... Fähigkeiten im Umgang mit rechnergesteuerter
Hardware (Kameras, Projektoren, Server)
• ... Software-Kenntnisse
• ... Umgang mit Datenbank-gestützten
Management-Systemen
• ... Arbeiten in Netzwerken
• .... Digital Rights Management
• .... Cross-mediales Marketing
• .... Event-Marketing bei Kinos: Zielgruppenanalyse
• .... Programmeinkauf, -zusammenstellung
Rückblick aus dem Jahr
2015: Prognose Internet
/SS 07/HD
Digital/epic2015_de.swf
Was ist neu an den
„Neuen Medien“ ?
• Alle existierenden Medien werden in numerische
Daten transferiert (übersetzt) und dadurch erst
zugänglich für den/mit dem Computer.
• Graphische Darstellungen, statische und bewegte
Bilder, Töne, Formen, Räume, Texte werden in mit
dem Computer berechenbare Datensätze überführt.
• Verknüpfung von digitalen (0, 1), immer schneller
werdenden Rechenoperationen, immer weiter
wachsenden Speichern und drahtloser
Datenübermittlung.
Was ist neu an den
„Neuen Medien“ ?
• Zentral (statt dezentral, medienspezifisch;
z.B. „Farben in dem Raume“, „Töne in der
Zeit“/Gotthold Ephraim Lessing):
• Computer a) als Produktionsmaschine und
b) als Bediengerät
• Veränderung der Daten führt zur
 Manipulation der analogen
Repräsentationen
Einordnung des Computers
in den Kontext
traditioneller Medien
Interfaces - Schnittstellen - Dispositive
(nach Lev Manovich) :
1. Die gedruckte Welt
2. Film/Kino
3. HCI = Human-Computer Interface = Mensch-
Computer-Schnittstelle
HCI =
Human-Computer Interface
HCI ist die Art und Weise, in der der Nutzer mit dem Computer
interagiert.
HCI umfaßt außerdem Ein- und Ausgabegeräte sowie
grundlegende Metaphern, nach denen Daten auf dem
Computer konzeptionalisiert und organisiert werden (Dateien,
Ordner).
HCI ist ein allgemeines Zweck-Instrument, das benutzt werden
kann, um jede Art von Daten zu bearbeiten/zu manipulieren.
HCI ist ein System aus Bedienungselementen, mit Hilfe derer
eine Maschine (Computer) bedient werden kann.
HCI wendet Sprachen an, die hierarchisch organisierte Objekte,
Datenbanken und Hypermedien verstehen und miteinander
verbinden.
HCI =
Human - Computer Interface
• HCI verbindet die Seins-, die Erkenntnis- und die
Handlungsebene (= Ontologie, Epistemologie und
Pragmatik) von Computer und Mensch
miteinander.
• Am HCI finden die Vermittlung, der Übergang statt
zwischen (Medien-) Kultur und Computer
(-Medien). Beide beeinflussen einander.
• Computing ist mehr als ein Handwerkszeug, ein
Instrument; es ist ein vorherrschendes Prinzip des
Alltagshandelns:  Computer-Kultur, in der
menschliche und Computer-Belange aufeinander
einwirken.
Prinzipien der
„Neuen Medien“

1. Numerische Repräsentation
2. Modularität
3. Automation
4. Variabilität
5. Transcodierung
Prinzipien der „Neuen Medien“:
1. Numerische Repräsentation
• Analoge (kontinuierliche) Daten (z.B. zeitl.
Abfolgen, Hell-Dunkel-Abstufungen, Lautstärke-
Änderungen) werden in diskrete Daten überführt
(„Sampling“).
• Zwei Folgerungen aus dem digitalen Code:
– Ein Neue-Medien-Objekt kann mathematisch formal
beschrieben und bestimmt werden.
– Es ist algorhythmischer Manipulation unterworfen
(„programmierbar“).
• Die diskreten mathematischen, digitalen Daten
machen die Neuen Medien personalisierbar - bei
gleichzeitiger massenhafter Standardisierung (z.B.
Betriebs-Software, Hardware).
Prinzipien der „Neuen Medien“:
2. Modularität
• Fraktale Struktur der Neuen Medien heißt: Ein Teil
hat die gleiche Struktur wie das Ganze.
• Teile (Module) können verändert werden und passen
dennoch immer ins Ganze.
• Die Teile (Module) sind unabhängig von einander:
von der Macro-Ebene der digitalen Repräsentatio-
nen (ein digitaler Film, ein Internet-Portal etc. bis
herunter auf die Micro-Ebene der digitalen „Atome“.
• Das WWW ist ebenso modular.
Prinzipien der „Neuen Medien“:
3. Automatisierung
• Die menschliche Intentionalität als generierender Faktor
in und aufrecht erhaltender Faktor von Abläufen kann in
kommunikativen, kreativen Prozessen zumindest
teilweise automatisiert, also durch Software-gesteuerte
Prozesse ersetzt werden. Z.B. in Computerspielen.
• Low-level (Serienbriefe mit Word versenden) und High-
level der Automatisierung, z.B. autom. Abspeicherung
kompletter Tages-Radioprogramme, Überführung von
Sendungen/ Teilen in Streams, Downloads und
Podcasts incl. Tagging; Finden von Daten in der
riesigen Daten-Welt (Suchmaschinen, EPG).
Prinzipien : 4. Variabilität
• Ein Neue-Medien-Objekt ist nicht ein für allemal fixiert, sondern es
kann in unendlich vielen Versionen existieren (z.B. als ppt-, als Word-
Dokument unterschiedlichen Umfangs und unterschiedlicher
Generationen.)
• Synonyme: variabel, austauschbar, flüssig.
• Variabilität führt zur Optimierung von Produktionsprozessen (z.B.
„Just in time-Produktion“).
• Variabilität kann zum Diebstahl geistigen Eigentums führen
(Hausarbeiten.de; wikipedia.de).
• Ein Neue-Medien-Objekt kann von einem Augenblick auf den
anderen nicht mehr existieren: z.B. Webseite, Bekenner-Brief, ein
eigenes Programm, eine Datei; eine Hausarbeit, eine Magisterarbeit
„verflüssigt“ sich.
4. Variabilität:
einige Prinzipien
1. Medien-Elemente werden in Datenbanken gespei-
chert und für Endbenutzer in verschiedenster
Form aufbereitet/zugänglich gemacht. Dies ist als
solches (im Ggs. zu Manovichs Annahme, S. 37)
nicht neu, denn Archive/Bibliotheken als große
Wissens-, Daten- und Kommunikationsspeicher
existieren schon seit fast 4000 Jahren. Aber: Die
Variabilität des Zugangs ist tatsächlich neu.

2. Inhalte (Daten) und Schnittstellen (Interfaces) zu


anderen Datenspeichern und zu Nutzern sind
getrennt; für dieselben Inhalten können
verschiedene Schnittstellen generiert werden.
4. Variabilität:
einige Prinzipien
3. Informationen über einen Nutzer können von einem
Programm benutzt werden, um dessen spezielles
Medien-Menü zusammenzustellen und ihm aufgrund
seines Kommunikationsverhaltens spezielle Angebote
zu machen. Z. B. Amazon.de: „Kunden, die (wie Sie)
Produkt A und bestellt haben, haben auch Produkt B
und C bestellt.“ Oder: Hardware-, Browser-
Konfiguration und Modem-Bandbreite werden als
Informationen verwendet, um Kunden-spezifische
Inhalte zu generieren.
4. Variabilität:
einige Prinzipien
4. Baumstruktur-Interaktivität
5. Hypermedialität: Mediale Elemente (z.B. Texte,
Bilder, Filme, Podcasts...) und Struktur sind
unabhängig von einander und nicht hart und
unauflöslich miteinander verknüpft wie in
traditionellen Medien (z.B. Abbildungen in einem
Koch- oder Filmstar-Buch). Hypertext ist ein
Spezialfall von Hypermedien: nur Text.
6. Periodische Aktualisierungen („Updates“), z.B. von
Betriebssystemen wie Windows und Tiger (OsX),
Virenscannern, anderer Software.
4. Variabilität:
einige Prinzipien
7. Skalierbarkeit: dasselbe Objekt in
verschiedenen Größen; derselbe
QuickTime-Film in verschiedenen
Auflösungen für verschiedene Modems;
GPS-Routing-Software für Fußgänger,
Radfahrer und Autofahrer.
4. Variabilität und
Gesellschaft
• Medien und sozialer Wandel: „Wenn die Logik der
alten Medien mit der Logik der industriellen
Massengesellschaft korreliert, so paßt die Logik
der Neuen Medien zur Logik der postindustriellen
Gesellschaft, die Individualität höher wertet als
Konformität.“ (Manovich, S. 41)
• „In einer postindustriellen Gesellschaft kann jeder
Bürger seinen persönlichen Lebensstil
konstruieren und seine Ideologie aus einer großen,
aber nicht unendlichen Zahl an Möglichkeiten
‚auswählen‘.“ (Manovich, S. 42)
4. Variabilität:
einige Prinzipien
• „Jeder Computer (...) ersetzt jede Konstante
durch eine Variable.“ (Marcos Novak 1999,
zit. n. Manovich, S. 43)
• Brauchen bzw. wollen wir diese Freiheit, die
durch die digitale Variabilität in den Alltag
Eingang gefunden hat?
• Diese Freiheit eröffnet eine Welt voller
persönlich gestaltbarer Möglichkeiten, aber
sie macht auch Angst.
• Diese Freiheit erfordert bei ihrer Nutzung
moralische Verantwortung.
Prinzipien der „Neuen
Medien“: 5. Transcodieren
Am HCI, an der Mensch-Computer-Schnittstelle,
werden traditionelle (kulturelle, mediale) Logiken in
eine Computer-Logik transcodiert.
Und umgekehrt werden Computer-Logiken in
traditionelle (kulturelle und mediale) Logiken
transcodiert.
Computer-Logiken dringen in alle Bereiche der
(Medien-)Kultur ein.

 Transcodieren heißt: von einem Code in einen anderen, von einem Format in ein
anderes zu übersetzen.
Prinzipien der „Neuen
Medien“: 5. Transcodieren
• Auf „Computing“ basierende Neue Medien sehen aus
wie Medien, aber in ihrer Tiefenstruktur sind sie nichts
anderes als Rechenmaschinen mit geringeren oder
größeren Rechenpotentialen.

• Dies ergibt sich aus der Fähigkeit, Daten aus einer in


eine andere Sprache zu transcodieren.

• Beispiel: Sample-Datenbank mit jedem Ton eines jeden


Instruments der Wiener Symphoniker, mit der ein
Orchester simuliert werden kann.
Interaktion ist der Austausch von
Kommunikationsakten zwischen zwei oder
mehr Kommunikationspartnern:
kommunikatives Handeln.
Folglich: Interaktivität...
• ... ist der Vorgang und die Art und Weise der Aneignung
eines Inhalts durch einen Nutzer.
• ... kann verschiedene Aktivitätsgrade einnehmen: von passiv
bis aktiv.
• ... bestimmt den Inhalt, den ein Nutzer letztlich wahrnimmt:
Konstruktion des Inhalts durch Interaktivität.
• ... ist in Bezug auf den Computer letztlich eine redundante
Eigenschafts-Zuschreibung: Interaktivität ist das Grundprinzip
des „Computing“.
Interaktivität
• In einem weiteren Sinne sind interaktive Computer-
Medien Teile des generellen kulturellen Prozesses mit
Trends hin zum
– Ver-Öffentlichen des Privaten,
– Teilen des Einzigartigen, Einzelnen, Persönlichen mit
anderen Menschen,
– Externalisieren und (damit) Objektivieren von
individuellen Bewußtseins-Operationen.
 Interaktivität als grundlegendes Prinzip des
„Computing“ kann verstanden werden als Übertragung
des individuellen, internen mentalen Prozesses
assoziativen Denkens auf eine Menge an Computer-
Nutzern, die mehr oder minder gleichzeitig assoziativ
„denken“.
– Dabei ist man gezwungen, sich in die individuelle
Struktur eines anderen Computer-Nutzers
hineinzudenken.
Eigenschaften des Internet

• 1. Virtuality - Virtualität
• 2. Spatiality - Räumlichkeit
• 3. Disembedding - Entwurzelung
• 4. Disembodiment - Körperlosigkeit

NACH: Slater, Don: „Social Relationships and Identity Online and Offline“. In:
Lievrouw,L./Livingstone,S.: The Handbook of New Media. London etc. 2002.
Die strikte Unterscheidung
„Online“ - „Offline“ ...
... ist nach Don Slater veraltet, denn...
• das Internet ist keine blosse Simulation, sondern
ein gleichwertiger sozialer Raum;
• die „unerschöpfliche“ Reichweite des Internet wird
aufgeweicht durch Begriffe wie „Raum“ und „Site“;
• soziale Distanz wird verringert durch gemeinsame
Sprache, Ziele und Regeln;
• neue Medien werden immer mehr zum
selbstverständlichen Bestandteil des „echten“
Alltags (z.B. E-commerce).

Slater, Don: „Social Relationships and Identity Online and Offline“. In: Lievrouw,L./Livingstone,S.:
The Handbook of New Media. London/Thousand Oaks/New Delhi 2002, S. 533 ff.
Politische Partizipation
via Internet?

• Demokratische Potenziale des Internet und


deren Grenzen
• Politik(er) im Netz – Elektronische
Demokratie?
• Politische Partizipation und elektronischer,
ziviler Ungehorsam
Was ist politische Partizipation?
• Partizipation = Beteiligung i.S. von Teilnahme,
Teilhabe am politischen Entscheidungsprozeß
(Demokratie, Grundgesetz)
(1) instrumentelles Verständnis von Partizipation:
– Formen der polit. Beteiligung, die Bürger
unternehmen, um polit. Entscheidungen direkt oder
indirekt zu ihren Gunsten zu beeinflussen
(konfliktorientiert; Interessendurchsetzung)
(2) normatives Verständnis von Partizipation:
– P. ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Wert
und Ziel an sich (konsensorientiert; breite polit.-
soziale Teilhabe)
Was ist politische Partizipation?
• Formen klassischer politischer Partizipation:
– Wahl, Parteiaktivität, Referendum, Streik,
Bürgerinitiative, Bürgerbeirat

• Aber: Ergebnisse der Partizipationsforschung zeigen:


– polit. P. wird meist auf die staatsbürgerliche Pflicht zu
wählen reduziert;
– Beteiligung vorwiegend reaktiv und defensiv (lediglich
instrumenteller Akt);
– P. ist abhängig vom jeweiligen sozial-ökonomischen
Status, d.h. ungleiche Partizipations-Chancen;
– Rückgang konventioneller P.; Verstärkung
unkonventioneller, direkt-demokratischer Formen.
Demokratische Potenziale des
Internet und deren Grenzen
Demokratische Potenziale
• Prophezeiungen besagen:
– Per se demokratischer Charakter des
Internet: automatisch finden eine
Transformation alter Beziehungen und das
Aufbrechen verkrusteter Machtstrukturen
statt.
– Partizipatorische Demokratie (athen. Ideal)
– Revitalisierung der Politik
– „Kontrollrevolution“
(1) Elektronische Demokratie –
Netzöffentlichkeit und bürgernahe Politik
• verstärkte Teilnahme der Öffentlichkeit am
demokratischen Prozess – „Net Empowerment“
• direkte Kommunikation zwischen Bürger und
Regierung
• plebiszitäre Demokratie

(2) Virtuelles Regieren –


Cyberspace als demokratischer Marktplatz
• Kommunikation zwischen Bürgern
• Entstehung engagierter Bürgergemeinschaften
• Problemlösung v.a. auf lokaler Ebene
• direkte Demokratie/ Basisdemokratie
Demokratische Potenziale
• Interaktivität:
– Bürger = Sender und Empfänger (= Beteiligter)
– Kontrolle und Druck : aktivere Position für Bürger
– direkter Kontakt zu Regierung möglich : mehr Bürgernähe
– Abbau der Politikverdrossenheit
• Vertikale und horizontale Kommunikation
• „Disintermediation“
– „Erzähler“, Multiplikator, Übersetzer (Journalist) wird
weniger wichtig
– neues Material online verfügbar - direkte Information
• geringe Kosten für Internetpräsenz: Sichtbarkeit des
Einzelnen
• Geschwindigkeit der Kommunikation
• geographische Unabhängigkeit, Globalität
Die Grenzen des Internet
Neue Medien im Kontext der Gesellschaft:
• Digital Divide: stark ungleiche Zugangschancen
• Paradox: positive Potenziale können ins Negative
umschlagen :
Informations-Überfluss,
Qualität und Validität der Informationen,
Informationsgewinnung teuer und aufwändig,
„Stimmengewirr“
• Legitimität des Regierungsprozesses abgeschwächt;
mögliche Erosion traditioneller demokratischer
Institutionen
Die Grenzen des Internet
• Reinforcement- These: „Wer schon politisch motiviert ist,
schöpft auch die neuen Möglichkeiten des Internet aus; wer
es aber nicht ist, wird es auch durch das Internet nicht.“

• D.h. Reproduktion der organisatorischen Strukturen der


Offline-Welt;
Netz dient v.a. schon bestehenden Gruppen/ Institutionen.

• Internet als virtueller Raum = problematisch:


– unsichere Normengrundlage
– Unverbindlichkeit der Kommunikation
– sich hinter Online-Identitäten verstecken
Politik(er) im Netz –
Elektronische Demokratie?
Das Internet im politischen
Willensbildungsprozess
1. Agenda-Setting : Themen werden auf die
Tagesordnung gesetzt
• theoretisch: freie Artikulation von
Meinungen im Netz;
• Gegenöffentlichkeit für bisher
unterrepräsentierte Interessen;
• Aber: one-to-many Angebote dominieren;
öffentliche Nichtbeachtung vieler Seiten;
Homepages von Politikern meist nur
„Ausstellungsfläche“ – keine Interaktion.
2. Information und Deliberation (=Aushandeln)

• Bürgernetzwerke auf lokaler Ebene:


partizipatorisches Potenzial je nach
Bürgerfreundlichkeit („digitale Städte“,
„virtuelle Rathäuser“);
• unabhängige Informationsdienste/
Politikplattformen: „Vote Smart“, „Politik
Digital“;
• Glaubwürdigkeit: Wer wählt die
Informationen aus?
3. Abstimmung und Wahl

• Hoffnung: Wählermobilisierung und höhere


Wahlbeteiligung.
• Aber: (Nicht-)Teilnahme an Wahlen ist abhängig
von individueller Ressourcenausstattung;
Online-Wahlen noch problematisch (Sicherheit,
Wahlgeheimnis, rechtliche Fragen).
• 1. Online-Wahl: Präsidentschaftsvorwahl der
Demokraten in Arizona/ 2000.
• Wahlsystem „i-vote“ Uni Osnabrück: Übertragung
des Wahlprozesses aus Offline- in Online-Welt
(2002 T-Systems: Wahl des Betriebsrates online).
E- Government
• Topos: „Optimierung von Verwaltungsprozessen durch
den Einsatz moderner Informations- und
Kommunikationstechnologien“ (IuK).
• Ziel: moderne, kunden- und service-orientierte
Verwaltung (Information, Kommunikation,
Dienstleistungen, Beteiligungsmöglichkeiten).
• Förderprogramme: „BundOnline 2005“; auf Länderebene
nur vereinzelt Förderprogramme; Kommunen fast
vollständig im Netz vertreten (unterschiedliche Grade der
Interaktivität).
(Sub-) Politische Partizipation und
elektronischer ziviler Ungehorsam
Soziale Bewegungen im Netz
• Der Einfluss von ICT ist in sub-politischer Sphäre deutlicher als
in der Politik.
• Paradox: Krise der formalen, repräsentativen Demokratie,
• aber: keine Abnahme der bürgerlichen Partizipation auf Ebene
der Zivilgesellschaft und der sozialen Bewegungen.
• Umformung der politischen Partizipation in sub-politische
Partizipation.
• Entstehung neuer Kollektive (Netropolis) auch innerhalb
existierender Rechtssprechung.
Soziale Bewegungen im Netz
• Internet = attraktiv für soziale Bewegungen, weil :
kostengünstiges und effektives Instrument zur internen und
externen Kommunikation und zur Mobilisierung von
Mitgliedern; Netz als offene Plattform für Initiativen jenseits
staatlicher Kontrolle; Koordination zwischen sozialen
Bewegungen.

• Beispiel: www.attac.org (Plattform)


– Anti-Globalisierungsbewegung
– Mobilisierung von lokalen und internationalen Protesten,
Diffusion (= Verteilung) von Informationen, Networking
mit anderen Organisationen, Diskussionsforen,
Mailinglisten.
Elektronischer ziviler Ungehorsam
• „Computerized Activism“
• „Grassroots Info war“
• Virtuelle „Sit-Ins“ und Online-Demonstrationen
– Widerstand auf der Ebene der Infrastruktur des
Internet
– 1998 FloodNet Software: elektronische Verlängerung
des Chiapas-Aufstandes in Mexiko
– 20.06.2001 gegen Abschiebepraxis der Lufthansa
– Online-Demonstration.org
Elektronischer ziviler Ungehorsam

• Politisches Hacking („Hacktivism“)


– Inhalt einer Website durch einen anderen
ersetzen; Webserver durch massierten Aufruf von
Websites lahmlegen,
– E-Mail Bomben, Computer-Viren,
– anonyme und wenige Akteure.
– 1998: portugiesische Hacker modifizierten Seiten
von 40 indonesischen Servern; „Free East Timor“
und Links zu Menschenrechtsseiten.
– Cyberwar zwischen chinesischen und
taiwanesischen Hackern.
Fazit
• Internet ist kein völlig neues Medium, kein
losgelöster Raum, bleibt eingebettet in die jeweiligen
Gesellschaften, deren Traditionen und Kulturen.
• Anknüpfen und Weiterentwickeln (lange) etablierter
Formen politischer Partizipation.
• Trend zur Normalisierung / Integration in das tägliche
Leben.
• Politik wird im Netz nicht neu erfunden, aber
zunehmend im/über das Internet gemacht.
• Internet = mehr als ein zusätzlicher
Kommunikationskanal (demokratische Potenziale).
• Potenziale bisher nicht genutzt – mittel- und
langfristige Auswirkungen von CMC auf politische
Partizipation noch nicht abschätzbar.
Digitaler Hörfunk
Digiitales Fernsehen
Handy TV
Digitaler Film
Digitales Kino
MacLuhan: Hybridisierung

„The hybrid or the meeting of two


media is a moment of truth and
revelation from which new form is
born.“
Marshall MacLuhan: Understanding Media. London 1964.
Radiogeschichte: Veränderungen in
Programm, Übertragungsqualität,
Nutzung durch ...
• die Schellack-Schallplatte (elektr.), Mitte 20er

• die magnet. Aufzeichnungstechnik (nach 45)
• UKW ab ca. 1950
• das Kofferradio ab Mitte 50er
• Stereophonie & Kassettenrecorder (Anf. 60er)
• Servicewellen seit Anfang der 70er Jahre
• die CD seit Anfang der 80er
• die EBU-Entscheidung 1996 für DAB als europäischem
Digitalradio-Standard
Veränderungen in Programm,
Übertragungsqualität,
Nutzung durch ...

• das Duale Rundfunksystem seit 1984 (BRD) bzw.


1990 (D)
• die EBU-Entscheidung 1996 für DAB als
europäischem Digitalradio-Standard
• Live-Streaming und Download von Programmen
seit Ende der 90er Jahre
• das Podcasting seit 2004
• das „Handy-TV“ (mit Radioprogrammen) seit 31.
Mai 2006.
Digitale Innovationen
beziehen sich auf :
die Produktion: Ablösung analoger Studio-, Reporter-
und Archivtechnik durch digitale
das Software-Produkt: Erweiterung des „Programms“
um Stand-/Bewegtbild, Text
das Hardware-Produkt: die Hybridisierung solcher
Geräte, die bisher jeweils einem Medium zugeordnet
waren
die Übertragung: digital sowohl über terrestrische
Sender als auch über Satelliten, durchs Kabel, durch
ICT- Netze; synchrone und/oder asynchrone
Übertragung/Abruf; p2p
die Rezeption: Individualität der Nutzungs-
formen und –zeiten; Interaktivität
(Radio-) Innovationen:
Paradoxa / Hybride
1. Innovationen sind um so tief greifender
und – im ersten Moment –
fortschrittlicher, je später sie erfolgen.

2. benötigen Innovationen
Versuchskaninchen („Early Adopters“,
„junge Wilde“, „Experimentelle“), und
sie brauchen einen längeren zeitlichen
Vorlauf.
(Radio-) Innovationen:
Paradoxa / Hybride
3. Der trad. Live-Thrill wird ersetzt durch
den Offline-, den Asynchron- und den
Individual-„Thrill“.
4. Inhalts- und Programm-Kreation durch
die vielen Kommunikationsteilnehmer.
5. Medienökonomisches Paradox:
individualisierte Kommunikation erreicht
Werbe-Zielgruppen besser; aber
Zielgruppen können Werbung umgehen.
Das Radio-Programm bisher ist
eine kontinuierliche, in abgegrenzten, weitgehend
wiederkehrenden Strukturen von einem Sender
einem massenhaften, dispersen Publikum
synchron angebotene, von professionellen
Kommunikatoren (Journalisten, Künstlern)
gestaltete Abfolge akustischer Informationen
(Sprechsprache, Musik, athmosphärische Töne/
Atmos), die über terrestrische Sender, per Kabel
oder Satellit übermittelt wird.
Das Radioprogramm wird
künftig auch ...
• ein diskontinuierliches, asynchrones
Angebot mit der Möglichkeit zur p2p-
und On-demand-Kommunikation sein;
• von professionellen und
professionalisierten Amateur-
Kommunikatoren gestaltet sein;
• akustische sowie Text- und
(Bewegt-)Bild-Informationen enthalten;
• auch über Telekommunikations-(ICT-),
IP-Netzwerke und das Internet zu
empfangen sein.
Künftige Anforderungs-
und Macher-Profile
- neue Arbeitsteilung zwischen
Redakteur/Journalist und Techniker
 mehr-mediales (durch einfache Software
bedienerfreundliches) Arbeiten: Ton,
Text, Bewegtbild
- dieselben Inhalte für verschiedene
Zielgruppen aufbereiten
 Software-Expertenschaft
Pod-/Vodcasting:
persönlich wie die Zahnbürste
• Pod-/Vodcasting ist das Zeichen einer
neuen Zeit der Kommunikation.
• P. als hybrides Kommunikations-Prinzip
reiht sich ein in die Geschichte portabler
Geräte, die in der Jugendkultur begannen
(Walkman) und dann in den allgemeinen
Medienalltag diffundierten.
 höheres Aktivitätsniveau bei der
Gestaltung des persönlichen
Medienprogramms
Pod-/Vodcasting als
Zeichen der Zeit
• aktiv gestalteter Konsum
• „Zeitgespräch der Gesellschaft“ (Emil
Dovifat) wird zum Dialog der
vernetzten Einzelnen.
• Erscheinungsfrequenz und Serialität:
machen den Unterschied zu Download
und Streaming
• Podcasting ist ein Hybrid zwischen
Radio und Internet
Definition Pod-/Vodcasting
Pod-/Vodcasting ist das Erstellen und – per
individuellem, automatisiertem Abonnement
– Verteilen von Audio- und Videodateien, die
von Amateuren oder Profis gestaltete Radio-
bzw. Videobeiträge enthalten und von den
Nutzern zu persönlich gestalteten
Programmen aggregiert und zu beliebiger
Zeit, also nicht zeitgleich mit der
„Ausstrahlung“ (dem Hochladen), auf einem
persönlichen Rechner oder persönlichen,
portablen Endgerät (z.B. iPod) rezipiert
werden .
Typologie der Pod-/Vodcaster
1. Explorer (EX): Will es mal ausprobieren und sehen, was
dahintersteckt; will v.a. verstehen, wie Podcasten funktioniert;
Inhalte, Formen sind sekundär.
2. Persönlichkeits-Prototyper (PP): Will sich selbst entdecken
und in verschiedenen Rollen und Situationen kennenlernen.
3. Themen-Caster (TC): Will Wissen, Informationen an seine
Hörer/Zuschauer übermitteln; Podcasten als Service für die
Nutzer, als soziale gute Tat.
4. Rebell (RE): Will endlich einen Kanal haben, um seine Meinung
zu verbreiten und sich politisch und sozial zu engagieren.
5. Sozialer Kapitalist (SC): Will sein soziales Netzwerk
vergrößern, will andere interessante Leute kennenlernen, die
wertvoll und hilfreich für ihn sein können.
(nach Dennis Mocigemba, 2007)
Ergänzen um:
a) Freier oder angestellter Journalist
b) PR-Onliner
Pod-/Vodcasting
• kreiert (international) quasi
naturwüchsig neue Zielgruppen
• neue Teilnehmer-Segmente werden
aktiv erschlossen.
• Podcasting ist gegenwärtig ein
Kommunikations-Bereich von großer
sozialer Relevanz.
• Gleichzeitigkeit verschiedener
Implementierungsstadien
Poddige
Geschäfts-Modelle

• Aus- und Weiterbildung


• Betriebsinterne Schulung
• Sprachkurse
• Vorlesungsreihen
Radio wird sich selbst
neu erfinden
• Journalistisch, künstlerisch-
radiophon geprägte Programme
werden zu Leuchttürmen in der Masse

• Platz schaffen für aktive Formen der


zwei- und mehrseitigen
Kommunikation, die aus den alten
Paradigmen erwachsen.

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