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Leistungssteigerungen im Straßennetz

durch den öffentlichen


Personennahverkehr.
Martin Schönherr

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ermöglicht Leistungssteigerungen um den


Faktor 3,3 im Personentransport pro Fahrspur. Das bedeutet, dass die Leistungsfähigkeit
einer zweispurigen Straße bei der Umwandlung einer Fahrspur in eine vom übrigen
Verkehr abgetrennten ÖPNV- Fahrspur um 215% gesteigert wird.

Ausgangslage
Bei der Planung neuer ÖPNV- Trassen steht als Vorgabe im Raum, dass die vorhandene
Kapazität1 des Verkehrsweges nicht gemindert werden darf.
Mitunter wird eine solche Zielvorgabe dahingehend missverstanden, dass die bereits vorhanden
Art und Weise der Verkehrsabwicklung nicht geschmälert werden darf. Es geht aber um die
gesamtverkehrliche Leistung, also die Leistung der Summe aller Verkehrsträger, die auf einem
Verkehrsweg den anfallenden Verkehr abwickeln.

Methodik und Ergebnisse


Da die gesamtverkehrliche Leistung im städtischen Raum einen nicht unwesentlichen
Personenanteil beinhaltet ist es für einen aussagekräftigen Vergleich notwendig,
 Fahrzeugzahlen in Personenzahlen umzurechnen (Gefäßgrößen),
 durchschnittliche Besetzungsgrade anzunehmen,
 die Geschwindigkeit des Verkehrs zu berücksichtigen (Sicherheitsabstand)
 und eine realistische Intervallgestaltung des ÖPNV zu berücksichtigen.

1
Z.B. TEC 21, Fachzeitschrift für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt, Nr 44 2010 Flury / Schneebeli, Stadtbahn
Glatttal: Der Regierungsrat von Zürich verlangt, dass die gesamtverkehrliche Leistungsfähigkeit gewahrt bleibt.

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Für eine detaillierte Ermittlung ist es außerdem erforderlich, Fußgänger- und Radfahrverkehr
einzubeziehen. In den folgenden Berechnungen wurden diese als Vergleichswerte erfasst, wobei
für den Radfahrverkehr eine Fahrspurbelegung (mittlere Breite 2,75m) von 3, für den
Fußgängerverkehr von 4 Verkehrsteilnehmern nebeneinander angenommen wurde.

Gefäßgrößen / Fassungsvermögen
Um im ÖPNV möglichst realistische Werte zu erhalten, wurden Datenblätter2 von Fahrzeugen, die
bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben im Einsatz stehen, herangezogen.
Die Gefäßgrößen wurden nach Steh und Sitzplätzen differenziert dargestellt. Für die endgültige
Berechnung wurde angenommen, dass in allen verglichenen Verkehrsmitteln die Sitzplätze zur
Gänze genutzt werden (also 5 im PKW und 58 in der Straßenbahn). Bei den Stehplatznutzungen
wurden hingegen geringe Auslastungen (10%) angenommen, da es für eine realistische
Betrachtung des ÖPNV auch um die Frage der Bequemlichkeit3 geht.

Platzbedarf
Ausgegangen wurde davon, dass alle motorisierten Fahrzeuge eine Fahrspur zu Gänze nutzen.
Die Länge des in Anspruch genommenen Abschnittes errechnet sich aus der Fahrzeuglänge und
dem Sicherheitsabstand. Der aus Reaktionszeit und Geschwindigkeit errechnete
Sicherheitsabstand wurde mit dem Faktor 1,5 multipliziert, um realistische Abstandswerte zu
erhalten. Sicherheitsabstände wurde auch für Fußgänger und Fahrradverkehr ermittelt.

Fahrgeschwindigkeit
Es wurde folgenden Fahrgeschwindigkeiten der VerkehrsteilnehmerInnen angenommen:
FußgängerInnen 4 km/h
RadfahrerInnen 15 km/h
Motorisierte Verkehrsteilnehmer 20km/h4

2
Vgl. Datenblätter auf http://www.strassenbahn.tk und http://bus.strassenbahn.tk/inntram/bus/index.html
3
Erfahrungsgemäß nützt der Fahrgast ein Angebot nur, wenn im öffentlichen Verkehrsmittel eine entsprechend
vergleichbare Aufenthaltsqualität zum Auto gegeben ist.
4
Wer nun meint, dass der PKW-Verkehr üblicherweise schneller unterwegs ist, mag oberflächlich betrachtet recht
haben. Die Leistungsfähigkeit des PKW-Verkehrs allein steigt aber im Verhältnis zu einem gleich schnellen ÖPNV
schwächer an, sodass jede Geschwindigkeitserhöhung des Gesamtsystems den PKW-Verkehr ungünstiger erscheinen
lässt. Aus diesem Grunde wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit des gesamten Verkehrsflusses (ohne Fahrrad) von
20km/h im städtischen Raum angenommen.

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Intervallgestaltung
Da gerade der ÖPNV nur selten (städtische Hauptachsen ausgenommen) im Sicherheitsabstand
Fahrzeug an Fahrzeug fährt, wurden nicht allein Maximalleistungen errechnet, sondern auch
realistische Annahmen mit Bedienungsintervallen berücksichtigt.
Da Stoßzeitensituationen verglichen werden sollten, wurde das Intervall mit max. 3 Minuten
angenommen.

Ergebnisermittlung
Es wurde sowohl theoretisch mögliche als auch praktisch umsetzbare Leistungsfähigkeiten
errechnet.

Abb.1: Diese Tabelle zeigt die verwendeten Dimensionen und die ermittelten Sicherheitsabstände für die einzelnen Fahrzeuge

Abb.2: Es konnten nun die theoretisch möglichen Personenzahlen pro Stunde ermittelt werden. Um den PKW nicht von vorne herein zu verdammen, wurde
seine theoretische Leistungsfähigkeit (gelb markiert) als Bezugsgröße herangezogen. Klar ist aber auch, dass die Leistungsfähigkeiten für Fußgänger und
Radfahrer realistisch mögliche werte sind. Auch diese wurde daher als Bezugsgrößen herangezogen.

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Abb.3: Praktische Ergebnisse wurden nun bezogen auf ein angenommen Intervall ermittelt. Die rechte Spalte zeigt die realistisch möglichen
Kapazitätssteigerungen. Ausreißer nach Unten ist hier nur der einfache Autobus, der etwas ungünstiger als die Endlos-PKW-Schlange abschneidet.

Ergebnisse
Die Vollbesetzung des jeweiligen Fahrzeugs angenommen, liegen Fahrrad und Auto hinsichtlich
der Leistungsfähigkeit beinahe gleichauf.
Faktisch wirkt aber der Besetzungsgrad von 1,3 Personen pro PKW 5 (=26%) dämpfend. Bezogen
auf den Besetzungsgrad wird das Fahrrad immer bei 100% liegen (Ausnahme wären
Anhängerfahrzeuge, Tandems o.ä.). Daher wurden PKW und Fahrrad gleichwertig angenommen.
Die Leistungsfähigkeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus/Straßenbahn) in sich unterscheiden
sich nur marginal. Signifikante Leistungssprünge ergeben sich durch Möglichkeit die
Doppeltraktion bei der Straßenbahn, die beim Bus in diesem Maßstab nicht gegeben ist6.
Aus den ermittelten Werten ist zu schließen, dass ausgehend von der Leistungsfähigkeit der
Verkehrsarten bezogen auf den PKW-Verkehr deren Gewichtung in der Planung zueinander nach
dem folgenden Schlüssel erfolgen muss. (..) Angaben sind die Größenverhältnisse die von einem
fixen ÖPNV-Intervall ausgehen.

PKW 1 (1)
Fahrrad 1 (1)
FußgängerInnen 5 (5)
ÖPNV bis 5,7 (3,3)

5
z.B. die hier angegebenen Besetzungsgrade:
http://www.rali.boku.ac.at/fileadmin/_/H85/H856/_temp_/F_Grundbegriffe_der_Verkehrsplanung_856102_2010_10_14.p
df
6
Vgl. Vortrag Raumordnung – Verkehr: Schienengebundener Verkehr spielt seine Vorteile bei den größeren
möglichen Fassungsräumen der Fahrzeuge und der Effektivität des Gesamtsystems aus:
http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/raumordnung/downloads/raumordnung_und_verkehr.pps

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Bezogen auf die gesamte Leistungsfähigkeit sollte somit pro städtischen Verkehrsweg folgende
Aufteilung7 der Investitionen erfolgen.

PKW 8% (10%)
Fahrrad 8% (10%)
FußgängerInnen 39% (49%)
ÖPNV 45% (31%)

Schlussfolgerungen
Im Personenverkehr stehen dem Umweltverbund (FußgängerInnen, RadfahrerInnen, ÖPNV) 90%
der Investitionen im Verkehrswegebau und -betrieb zu.
Der ermittelte Aufteilungsschlüssel rechtfertigt jedenfalls die Führung öffentlicher Verkehrsmittel
auf vom übrigen Verkehr abgetrennten Fahrwegen und eine wesentliche Verbesserung der
Erreichbarkeit der Haltestellen für
Fußgänger zu Lasten des PKW-
Verkehrs.
Das Fahrrad ist hinsichtlich
Leistungsfähigkeit ein dem PKW
ebenbürtiger Verkehrsteilnehmer.
Leistungsverluste im PKW-Verkehr
können aufgrund des dargelegten
Sachverhalts einen Verzicht auf
die Bevorrangung des ÖPNV nicht
rechtfertigen, da die
Gesamtleistungsfähigkeit des
Verkehrweges erhöht wird, wenn
dieser nicht zur Gänze für den
PKW-Verkehr genutzt wird.
Abb. 4: Photo Martin Schönherr, Abgetrennter Fahrweg einer Straßenbahn (Linie23) in München

7
Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Betrachtung nur die maximale Leistungsfähigkeit angesetzt wurde;
gesundheitliche Aspekte und die geringer Auslastung des PKW verschieben diesen angenommenen
Verteilungsschlüssel zugunsten der FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen.

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