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Von Homepage Bert Hellinger (Familienstellen)

Liebe Besucher dieser Ausgabe von Lebenshilfen aktuell,

hier führe ich Sie ein in die angewandte Natürliche Mystik. Ich habe
diese auf lebendige Weise in einem Vortrag und Kurs in Hamburg
vor einer kleinen Gruppe erläutert. Ich nehme Sie in diesen Kurs mit.

Aber keine Bange, alles verläuft in einem Rahmen, der uns


unmittelbar mitnimmt in unseren Alltag und in vieler Hinsicht in
unserer Liebe und in unseren Beziehungen weiterbringt.

Dazwischen sage ich etwas über Rilke. Er zeigt sich vielen


von seinen Gedichten als ein natürlicher Mystiker der besonderen
Art, für mich vor allem seinen Sonetten an Orpheus. Wenn Sie sich
diesen öffnen, erleben Sie unmittelbar, was Natürliche Mystik
bedeuten kann.

Auch sonst finden Sie hier vieles, was Ihnen in Ihrem Leben
auf gute Weise weiterhilft. Freuen Sie sich darauf!

Natürliche Mystik

Ich freue mich, hier zu sein und mit euch Erfahrungen zu teilen über
Mystik. Mystik wird hier als natürliche Mystik beschrieben. Viele
verbinden mit dem Wort Mystik religiöse Bilder, auch bestimmte
Gottesvorstellungen. Nun komme ich daher und rede von natürlicher
Mystik.

Dieser Vortrag findet statt im Rudolf Steiner Haus. Steiner


war ein natürlicher Mystiker. Das heißt: er war im Einklang mit einer
größeren Bewegung, von der er sich leiten ließ und damit zu
Einsichten kam, die weit über das bisherige Bekannte
hinausreichten und heute noch weiterwirken. Obwohl er ein Mystiker
war, ganz eindeutig, sprach er nicht von Theosophie oder gar von
Theologie, sonder von Anthroposophie: die Weisheit des Menschen.
Denn im Menschen, wie er ist, offenbart sich das letzte uns
Erfahrbare am tiefsten.
Der erste Beweger

Wie kam ich zu dieser Vorstellung von natürlicher Mystik. Vor zwei
Jahren ungefähr war ich sehr krank. Da las ich ein Buch über Meister
Eckart, aber kein mystisches Buch. Das Buch war von einem
Philosophen geschrieben. Er wies nach, dass Meister Eckart im
Grunde ein Philosoph war, und dass das Mystische, das er erfahren
hat, zusammenhing mit philosophischen Einsichten. Gerade zu der
Zeit, als er Magister in Paris war, wurden die ersten Übersetzungen
von Aristoteles bekannt, und zwar über Averroes, einen Araber, der
einen langen Kommentar über alle Bücher von Aristoteles verfasst
hat, auf Arabisch, das dann ins Lateinische übersetzt wurde und
verfügbar war. Das war in diesem Buch über Meister Eckhart nur
eine Seite. Alles, was Aristoteles da gesagt hat, war
zusammengefasst in einer Seite. Das war für mich umwerfend.

Jetzt sind wir schon mittendrin in der natürlichen Mystik, und


ich beschreibe die Schritte, die zu dieser inneren Bewegung hin auf
die natürliche Mystik geführt haben.

Aristoteles beobachtet, dass alles, was existiert, in einer


Bewegung ist. Er schließt daraus, dass es eine Kraft geben muss,
von der alle Bewegung ausgeht. Er nannte diese Kraft den ersten
Beweger. Aber was heißt das? Was bewegt er denn? Gibt es etwas
vor ihm, das er bewegen könnte? Wie entsteht dann überhaupt die
Bewegung von allem, was existiert? Sie entsteht aus dem Denken
eines Geistes. Aristoteles nannte diesen Geist nous. Nous ist mehr
als unser deutsches Wort Geist, es ist zugleich Intellekt, beides
verbunden. Also diese geistige Kraft, die Kraft, die alles bewegt,
muss eine geistige Kraft sein, eine intellektuelle Kraft, weil alles,
was bewegt wird, sich sinnvoll bewegt in jeder Hinsicht und zugleich
mit allem anderen in Verbindung ist, in einer sinnvollen Verbindung.

Aristoteles schließt daraus: dieser Geist denkt, und was er


denkt, kommt damit ins Dasein. Nur weil er es denkt, soweit er es
denkt und wie er es denkt, kommt es in sein Dasein, alles. Es gibt
nichts, was da ist und sich bewegt, das nicht von dieser geistigen
Kraft gedacht ist.

Konsequenzen
Was heißt das jetzt? Es heißt: alles ist richtig. Wie es ist, ist es
gedacht, ist es gewollt, wie es ist, ohne Unterschied. Könnt ihr mir
noch folgen?
Zustimmung der Teilnehmer

Was heißt das dann genau? Diese geistige Kraft geht weit über das
hinaus, was wir mit unseren Gottesbildern zu erfassen versuchen,
weit hinaus. Sie ist die eigentliche, ursprüngliche schöpferische
Kraft. Für sie gibt es kein Gut und kein Böse, kein Richtig und kein
Falsch, keine Täter, keine Opfer, nichts von dem, nach dem wir
unsere Welt einteilen.

Wenn wir in Bewegung kommen mit dieser Bewegung, wenn


wir in Einklang kommen mit dieser Bewegung, fallen für uns alle
diese Unterscheidungen weg, völlig weg. In diese Bewegung zu
kommen, ist ein natürlicher Vorgang, ein Erkenntnisvorgang, in dem
diese Erkenntnis in jeder Hinsicht ernst genommen wird.

Was hört dann auf, wenn wir das ernst nehmen? Jede Religion, jede
Moral hört auf. Versteht ihr jetzt das Ausmaß von natürlicher Mystik,
wie sie alles auf den Kopf stellt?

Anwendungen

Nun, was ich jetzt mehr philosophisch beschrieben habe, wende ich
an in meiner Arbeit. Wenn ich zum Beispiel mit jemandem arbeite,
der ein Problem hat, der mit mir arbeiten will, stelle ich
Stellvertreter auf, ohne zu benennen, um was es geht. Plötzlich
werden die von einer Bewegung erfasst, unwiderstehlich. Wenn
mehrere Stellvertreter zusammenkommen, wird über diese
Bewegung etwas miteinander verbunden, was vorher getrennt war.
Das ist eine Bewegung des Geistes, der die Unterschiede von Gut
und Böse oder von Zugehörig und Nicht-Zugehörig oder von Erwählt
oder Verdammt, völlig aufhebt. Das ist beobachtbar. Ich gebe euch
ein Beispiel, damit ihr euch das besser vorstellen könnt.

Beispiel: Versöhnung in Russland


Im Mai war ich in Wladiwostok an der äußersten Grenze von
Russland und habe dort ein Seminar angeboten. Es waren etwa 150
Teilnehmer dabei, Familienaufsteller, geschulte Familienaufsteller.
Wir sprachen über die Schicksale Russlands und die Schicksale ihrer
Familien unter der Zeit von Stalin. Es war keiner da, in dessen
Familie es nicht Opfer gab: umgebracht, in Straflagern, verhungert
auf schlimmste Weise. Alle waren betroffen von einem furchtbaren
Schicksal.

Nachdem die Gruppe schon sich eingeübt hatte in meine


neue Weise der Arbeit, habe ich zwölf Männer ausgewählt und zwölf
Frauen. Die Gruppe der Teilnehmer saß in einem großen Kreis, und
ich habe diese Stellvertreter in der Mitte sich aufstellen lassen,
gemischt, Männer und Frauen. Dann habe ich einen Mann
ausgewählt, habe ihn dort in die Mitte gestellt und habe gesagt: „Du
vertrittst Stalin.“

Bei dieser Art der Vorgehensweise wird nichts gesagt,


überhaupt nichts. Keiner wusste auch, wen er vertritt, außer dem
Stellvertreter von Stalin. Dann begann die Aufstellung, eine
Bewegung des Geistes.

Soll ich da noch weiter erzählen? Könnt ihr mir da zuhören?

Zustimmung von den Teilnehmern

Also der Stellvertreter von Stalin schaute in den Himmel, lange in


den Himmel. Dann hat er einen nach dem anderen genommen und
in die Mitte gestoßen. Die fielen dann zu Boden, einige schrien laut,
andere haben sich etwas entfernt. Das war Stalin noch nicht genug.
Vom äußeren Kreis hat er noch Leute genommen und sie alle in die
Mitte gestoßen.

Wie gesagt, das lief ganz langsam ab, ganz langsam. Die
Bewegungen des Geistes sind ganz langsam. Alle waren von einer
anderen Kraft erfasst. Dann, nach ungefähr einer Stunde, ist Stalin
mehr nach außen getreten, hat wieder in den Himmel geschaut und
ist dann zu einer Frau, die auf dem Boden saß, hinunter und hat
seinen Kopf in ihren Schoß gelegt. Er hat die Augen zugemacht, so
als ob er jetzt stirbt.
Nichts wurde gesagt. Alles lief ab wie von selbst. Für mich
war es erledigt, ich wollte auch gar nicht fragen, was da war. Dann
fingen einige aus der Gruppe, die als Stellvertreter mit dabei waren,
an zu berichten, was sie erlebt hatten. Der eine konnte nicht mehr
sprechen. Andere erzählten, wie sie anfingen zu beten.

Hier ist noch nachzutragen: am Ende, als Stalin starb, standen die in
der Mitte auf und einige haben sich vor ihm verneigt, tief verneigt.

Am Ende sprach der Stellvertreter von Stalin über das, was


er erlebt hatte. Er sagte: „Niemand konnte mir etwas anhaben. Ich
war von einer anderen Kraft ausgewählt und in ihrem Dienst.
Diejenigen die ich in die Mitte gestoßen habe, hatten keine Köpfe.
Sie waren völlig unpersönlich. Ich hatte auch gar keine Gefühl dabei.
Ich war in einem anderen Dienst. Dann am Ende habe ich wieder in
den Himmel geschaut und gemerkt, dass diese Macht mich verlässt.
Dann war meine Kraft vorbei.

Auffällig war: alle, die Täter und die Opfer waren alle
einverstanden mit dem, was abgelaufen ist. Tief in der Seele waren
sie einverstanden, auch die Opfer. Es gab keine Vorwürfe, keine
Anklagen, nichts. Alle haben zutiefst erfasst, dass hier eine
Bewegung ablief von ganz woanders her im Dienste Russlands. Alle
haben zugestimmt.

Das sind Bewegungen des Geistes, ohne Unterschied von


Gut und Böse, in einen anderen Dienst genommen. Wenn wir das
vergleichen, wie hohl ist das, wenn wir zum Beispiel Stalin einen
Verbrecher nennen, und wenn wir die Opfer bedauern. Sind wir dann
im Einklang mit einer ewigen Bewegung, die weit über das
hinausgeht, was wir uns wünschen oder vorstellen? Also, das nur
mal so, damit ihr euch ein Bild machen könnt.

Das Paradies

Ich war ja mal Theologe, bin es noch auf gewisse Weise, und bin mit
der Bibel vertraut. Ich schaue sie jetzt anders an. Also, die Bilder,
die sich manchmal daran heften, an bestimmte Vorgänge, die da
beschrieben werden, durchschaue ich, weil ich vor Gott keine Angst
habe. Denn der Gott, vor dem viele Angst haben, ist ein Götze. Er ist
einer unter vielen, sonst könnte er ja nicht eifersüchtig sein. Er ist
nur der Gott einer Gruppe, nicht für alle. Sonst könnten keine
auserwählt sein und die anderen verdammt. Dieser Gott ist genau
nach unserem inneren Bild von Gut und Böse, nach unserem Bild.

Ich hab noch mal die Geschichte vom Paradies neu gelesen.
Dann fiel mir etwas auf. Adam und Eva aßen unter dem Einfluss der
Schlange vom Baum der Erkenntnis und wurden dann aus dem
Paradies vertrieben. Es wird gesagt, was es für eine Erkenntnis war.
Es war die Erkenntnis von Gut und Böse.

Ist das eine Erkenntnis? Wenn ihr das vergleicht mit dem,
was ich vorher gesagt habe, kann das eine Erkenntnis sein? Oder ist
es ein Abfall von der Bewegung des Geistes, wo wir plötzlich
unterscheiden, wer gut ist oder böse? Und, in letzter Konsequenz,
wer leben darf und sterben muss. Die Erkenntnis, so genannte
Erkenntnis von Gut und Böse ist der Anfang alles Mordens.

Das fing auch gleich an mit Kain und Abel. Kain brachte
seinen Bruder Abel um. Wieso? Weil er sagte: Gott bevorzugt ihn,
und mich nicht. Er hat also seine Unterscheidung von Gut und Böse
auf Gott übertragen und hat den Bruder umgebracht. Wen hat er
damit umgebracht? Gott hat er umgebracht, natürlich. Wen sonst?

Vielleicht bin ich schon viel zu weit gegangen hier. Ich darf ja
nicht alles sagen. Alle Kriege, alle großen Konflikte, entstehen, weil
die einen sagen: Wir sind gut, und ihr nicht. Oder noch genauer:
Unser Gott ist richtig, und euer Gott ist falsch. All das große Morden
ist im Namen von Gut gegen das Böse. Wir brauchen nur
anzuschauen, was heutzutage abläuft. Ich will das gar nicht
benennen. Ihr wisst das besser als ich.

Jetzt in die Bewegung des Geistes zu gehen, über die


Unterscheidung von Gut und Böse hinaus, in die gleiche Zuwendung
für alles, wie es ist, das ist die Bewegung des Friedens, die
eigentliche Bewegung des Friedens. Und sie ist die eigentliche
Bewegung der Liebe ohne Unterschied. Und das ist natürliche
Mystik, frei von den einschränkenden Bildern, die wir haben. Auch
frei von den einschränkenden Bildern, die wir von Gott haben.

Was passiert jetzt, wenn wir uns von dieser Bewegung


erfassen lassen? Die so genannte Erkenntnis von Gut und Böse hört
auf, mit allen Konsequenzen. Was geschieht dann mit uns? Wir
kommen zurück ins Paradies, wo Gott unter den Menschen wandelt.
Das war nämlich Paradies. Gott wandelte unter den Menschen wie
einer von ihnen.

Ich glaube, ich habe schon zu lange geredet. Es ist ja


schwer, was ich hier sage.

Protest von den Teilnehmern

Nicht? Ich mache das mal konkret. Soll ich das konkret machen?

Das Gewissen

Ich komme noch auf einen Komplex zu sprechen. Die


Unterscheidung von Gut und Böse wurzelt in unserem Gewissen.
Wer unterscheidet zwischen Gut und Böse? Das gute Gewissen. Nur
das gute Gewissen unterscheidet, wer dazugehören darf oder nicht.

Die Bewegungen des Gewissens, wie wir sie erleben als


Schuld oder Unschuld haben eine beschränkte Gültigkeit. Denn mit
Hilfe des Gewissens wissen wir in jedem Augenblick, was wir tun
müssen und auch tun dürfen, damit wir zu unserer Familie gehören.
Unschuld ist nichts anderes, als das Gefühl der Sicherheit, ich darf
dazugehören. Wer davon abweicht, hat ein schlechtes Gewissen.
Das schlechte Gewissen ist nichts anderes als die Angst, die
Zugehörigkeit verloren zu haben.

Also das Gewissen bindet uns an unsere Familie und trennt


uns von allen anderen. Das, was trennt vor allem, ist das gute
Gewissen. Jeder, der ein gutes Gewissen hat, lehnt andere ab. Sonst
könnte er kein gutes Gewissen haben. Jeder, der sich moralisch
fühlt, will einem anderen etwas Böses. Jeder Moralist entscheidet
über Leben und Tod. Sobald er ein moralisches Urteil fällt, sagt er:
Du darfst leben, und du nicht. Ja noch mehr: Du darfst in den
Himmel, und du musst in die Hölle. Soweit geht das. Wo bleibt dann
die Liebe? Wo bleibt dann das Glück? Wo bleibt der Friede? Wo bleibt
die Freude? Alles geopfert.

Die Gerechtigkeit

Nun ja, ich bin nicht sicher, ob ich noch viel weiter reden darf. Ich
hab schon zu viel gesagt. Ich erzähle euch ein kleines Beispiel, da
werdet ihr euch wundern.

Ich war mal in Kanada bei Indianern. Ich habe da auch einen
Kurs gehabt. Da hat mir ein Häuptling erzählt, in ihrer Sprache gibt
es kein Wort für Gerechtigkeit. Könnt ihr euch das vorstellen? Kein
Wort für Gerechtigkeit. Dann habe ich ihn gefragt: „Wenn einer
einen anderen umbringt, was macht ihr dann?“ Er sagte: „Er wird
von der Familie des Opfers adoptiert.“

Nun ja, wir wollen ja Gerechte sein. Wir sagen ja, wir wollen
Gerechte sein, und vor allem muss unser Gott gerecht sein. Ich
komme noch einmal zurück auf den ersten Beweger. Kann der
gerecht sein? Wenn alles von ihm kommt, kann er gerecht sein?

Wenn wir von Gott verlangen, dass er gerecht ist, ist er dann
noch Gott? Wenn er der Gerechtigkeit dienen muss, so, wie wir uns
das vorstellen, dann ist die Gerechtigkeit der Gott, und unser so
genannter Gott steht im Dienst dieser Gerechtigkeit. Und was heißt
Gerechtigkeit? Ich bringe dich um. Das ist Gerechtigkeit.

Wir brauchen uns da nichts vorzumachen. Also, wenn man


Gerechtigkeit will gegen einen anderen, was geht in im Herzen vor?
Was will er? Er will, dass er stirbt.

Ich mache mir da nichts vor. Ich weiß, dass das so ist, und
bin dann so vorsichtig geworden. Alle, die Gerechtigkeit wollen,
wollen den Tod von einem anderen. Wenn sie Gott um Gerechtigkeit
anrufen, was soll er machen? Er soll jemanden umbringen. Noch
mehr, er soll sie ewig in der Hölle braten lassen. Ja, genau das,
genau das.
Was machen dann die Seligen im Himmel? Die schauen die
ganze Zeit auf die Hölle. Müssen sie ja. Die schauen die ganze Zeit
auf die Hölle. Und das soll die Seligkeit im Himmel sein?

Ich gehe lieber zurück ins Paradies, wo die Unterscheidung


von Gut und Böse aufhört, auf einer anderen Ebene.

Der Bannkreis

Was ist das große Unglück des Abendlands? Keiner vor mir hat
verstanden, was Gewissen bewirkt. Alle waren im Bannkreis des
Gewissens. Das ganze Christentum, die ganzen Philosophen, alle im
Bannkreis des Gewissens. Das ging sogar so weit, dass das
Gewissen die Stimme Gottes in der Seele genannt wurde, der man
unbedingt folgen muss. Aber alle die sich bekriegen, bekriegen sich
mit gutem Gewissen, nur mit verschiedenen guten Gewissen. Also,
ich habe das entlarvt. Das ist das, was den Weg öffnet für eine
innere Bewegung der Liebe, die über alle diese Unterscheidungen
hinausgeht.

Ich habe immer Zweifel, ob ich das sagen darf. Wie lange
habe ich schon geredet? Erst eine gute halbe Stunde. Noch
anderthalb Stunden soll ich noch reden hier?
Lachen in der Gruppe

Okay, ich gebe mir die beste Mühe.

Die Wahrnehmung

Das Gewissen, das uns an eine Gruppe bindet, bestimmt, was wir
wissen dürfen und was nicht. Es bestimmt, was wir wahrnehmen
dürfen und was nicht. Deswegen sind alle, die in einer Gruppe
gefangen sind, auf Gedeih und Verderben dieser bestimmten
Gruppe gefangen sind, blind. Sie haben Angst, etwas anderes
wahrzunehmen, als es ihnen erlaubt ist.

Was ist die Angst? Verstoßen zu werden, das ist die Angst. Die
ganzen Gottesbilder, die wir haben, die ja so unsinnig sind, wie sie
unsinniger nicht sein können, werden dennoch von Gläubigen
festgehalten, aus Angst vor Gott. Wer in dieser Angst gefangen
bleibt, lehnt immer andere ab, im Namen Gottes.

Die Opfer

Ich bringe euch ein Beispiel, ein ganz einfaches. Ich war mal in
Israel. Da gibt es eine Ausgrabung aus der Zeit vor der Landnahme,
also bevor die israelischen Stämme Kanaan besetzt haben. Da war
ein großer viereckiger Altar. Der war für die Kinderopfer. Damals war
es offensichtlich üblich, die Erstgeborenen zu opfern, mit der
Vorstellung, dass Gottes Segen dann auf die Eltern herabfließt.

Später gab es in Jerusalem einen eigen Tempel, den


Molochtempel. Zu dem sind dann die Vornehmen von Israel von Juda
hinaufgepilgert, um ihre Erstgeborenen zu opfern. Das Götzenbild
war ein Ofen. Der wurde geheizt. Da wurden die Kinder
hineingeworfen, und die Eltern haben so laut gesungen, dass sie das
Schreien der Kinder nicht mehr gehört haben.

Die Propheten sind dagegen vorgegangen. Es gibt auch die


Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern sollte. Das
war auch genau in der Vorstellung, dass das Gott wohlgefällig war.
Diese Geschichte wurde später leicht abgewandelt, aber heute,
wenn Kinder das hören, haben sie die gleiche Angst, umgebracht zu
werden.

Ich habe das mal in einer Geschichte zusammengefasst, und


die erzähle ich euch so.

Glaube und Liebe

Einem Mann träumte in der Nacht, er habe die Stimme Gottes


gehört, die ihm sagte: „Steh auf, nimm deinen Sohn, deinen
einzigen geliebten, führe ihn auf den Berg, den ich dir zeigen werde,
und bringe ihn mir dort zum Schlachtopfer dar!“
Am Morgen stand der Mann auf, schaute seinen Sohn an,
seinen einzigen geliebten, schaute seine Frau an, die Mutter des
Kindes, schaute seinen Gott an. Er nahm das Kind, führte es auf den
Berg, baute einen Altar, band ihm die Hände, zog das Messer, um es
schlachten. Doch dann hörte er noch eine andere Stimme, und er
schlachtete, statt seines Sohnes, ein Schaf.

Nun: Wie schaut der Sohn den Vater an danach?

Wie schaut der Vater den Sohn an?

Wie die Frau den Mann an?

Wie schaut der Mann die Frau an?

Wie schauen sie Gott an?

Und wie schaut Gott sie an - wenn es ihn gibt?

Noch einem anderen Mann träumte in der Nacht, er habe die


Stimme Gottes gehört, die ihm sagte: „Steh auf, nimm deinen Sohn,
deinen einzigen geliebten, führe ihn auf den Berg, den ich dir zeigen
werde, und bringe ihn mir dort zum Schlachtopfer dar!“

Am Morgen stand der Mann auf, schaute seinen Sohn an,


seinen einzigen geliebten, schaute seine Frau an, die Mutter des
Kindes, schaute seinen Gott an. Und er sagte: „Ich tue das nicht!“

Wie schaut der Sohn den Vater an?

Wie der Vater den Sohn?

Wie die Frau den Mann?


Wie der Mann die Frau?

Wie schauen sie Gott an?

Und wie schaut Gott – wenn es ihn gibt – sie an?

Nun, was ist die Lehre des Christentums? Gott war beleidigt durch
unsere Sünden. Man muss sich das mal vorstellen. Wirklich, man
muss sich das mal vorstellen. Und dann verlangte er Sühne. Und
wer musste sühnen? Er ließ seinen eigenen Sohn am Kreuz
schlachten. Da war keine andere Stimme, die dazwischen trat.

Und das glauben viele noch heute, dass Gott dem Leben
übel will.

Leben und Liebe

Jetzt schauen wir mal die vielen spirituellen Wege an. Vor kurzem
war ich in Madrid und ging in den Prado, das wunderbare Museum.
Herrliche Bilder sah ich dort, und viele Heiligenbilder. Die waren alle
ausgezehrt, alle, durch die Bank. Ist das nicht merkwürdig? Und
was wird verlangt, damit einer erleuchtet wird, an Entsagung?
Abtötung nannte man das sogar. Alles gegen das Leben? Das alles
vom so genannten Gott der Liebe gewollt?

Also, ich halte es lieber mit der natürlichen Mystik. Langsam


wird klar, welche Ausmaße die natürliche Mystik hat.

Ich habe schon viel zu viel gesagt. Ich darf nicht aus dem
Nähkästchen plaudern. Aber ich mache mal was ganz Konkretes,
ganz konkret. Ich fürchte, einige werden mir böse, wenn ich das
mache. Aber die Angst habe ich sowieso längst schon aufgegeben.

Die Mutter
Wo offenbart sich dieser ewige schöpferische Geist am
wunderbarsten? Was ist die größte Gottesoffenbarung? Die Mutter.

Halten wir das aus, in ihr diesen schöpferischen Geist


konkret in jeder Einzelheit am Werk zu sehen, dass wir am Leben
sind? Halten wir das aus?

Es gibt in der Bibel ein Gebet von Jesus, das heißt: „Vater
unser, der du bist im Himmel.“ Ich habe noch keinen Vater gesehen
ohne eine Mutter. Vater wird einer erst, wenn es auch eine Mutter
dazu gibt. Wo bleibt denn da die Mutter?

Wenn ich sage: „Vater unser, der du bist mein Vater hier mit
meiner Mutter. Hier verneige ich mich tief vor dem Geheimnis des
Lebens.“ Merkt ihr den Unterschied? Auch das ist natürliche Mystik.

Was machen wir dann so? Ich habe ja viel mit Leuten zu tun,
und dann reden die von ihrer Mutter. Ich kriege da immer einen
Schauer, wenn ich das höre.

Viele haben drei Bilder von ihrer Mutter, drei innere Bilder, und an
die heften sich bestimmte Gefühle. Meistens Gefühle der
Ablehnung. Könnt ihr das nachspüren bei euch? Ich mache mir ein
Vergnügen, Mütter anzuschauen Hier lief auch eine Mutter herum
mit einem kleinen Kind im Arm. Es macht mir immer eine große
Freude, das anzuschauen. Ich schaue das mit Andacht an, mit ganz
tiefer Andacht.

Wenn ich mir vorstelle: meine Mutter oder jede Mutter, was
die auf sich genommen hat, angefangen von der Schwangerschaft,
dann auch mit der Angst, ob es gut geht, die Angst vor der Geburt,
die ja für manche Frauen lebensgefährlich ist. Dann hat sie uns an
ihre Brust genommen und genährt, Tag und Nacht an uns gedacht,
immer für uns da, viele, viele Jahre. Und was erinnern wir? Drei
Bilder. Drei Bilder, stellt euch das vor. Dann nehmen wir uns das
Recht heraus, unsere Mutter zu verdammen? Wegen drei Bildern?
Von der Fülle der Mutter sind die Bilder höchstens ein Prozent. Und
danach richten wir uns aus?
Meditation

Ich mache eine Meditation mit euch, zur Abwechslung. Macht mal
die Augen zu. Wir schauen jetzt auf unsere Mutter, wie sie ist, genau
wie sie ist. So wie sie ist, ist sie von diesem ewigen Geist gedacht.
Genau, wie sie ist. So wurde sie von dieser schöpferischen Kraft für
uns ausgewählt, um unsere Mutter zu werden.

Wie kann jemand sagen: „Meine Mutter,“ als ob sie ihm


gehört, als ob er ein Anrecht auf sie hätte oder einen Anspruch, wo
sie doch ein reines Geschenk ist, eine Gottesoffenbarung, eine
lebendige Gottesoffenbarung. So nehme ich sie jetzt in mein Herz,
in meine Seele, und begegne in ihr am tiefsten Gott. - Und dann
verharre ich vor ihr in Andacht. Nur wer seine Mutter so nimmt,
nimmt mit ihr auch sein Leben – und sein Glück.

Okay. So einfach ist die natürliche Mystik – und so tief.

Das Problem

frau: Meine Frage ist, ob die Sehnsucht nach einer Lösung, die ihre
Klienten haben, nicht wichtig ist in der natürlichen Mystik?

Diese Sehnsucht ist selbstbezogen. Ich gehe da nicht drauf ein.

Lachen in der Gruppe

hellinger: Was mache ich mit jemandem, der sagt, er hätte ein
Problem. Ich stelle ihn hin und schaue, wie er sich bewegt, wie er
bewegt wird von einer Bewegung des Geistes. Dann bekomme ich
alle Informationen – aber nicht die, auf die er gewartet hat. Dann
wird es auch ernst. Kann ich es da lassen?

frau: Jetzt fühle ich mich in Grund und Boden.

hellinger: Okay.

Bewegungen der Seele, Bewegungen des Geistes


frau: Meine Frage ist: Was ist der Unterschied zwischen der
Bewegung der Seele und der Bewegung des Geistes?

hellinger: Ich habe bei meiner Arbeit beobachtet, wie Leute bewegt
werden von einer Kraft. Da gibt es Bewegungen, die kommen aus
dem Gewissen, also aus dem geistigen Feld einer Familie. Diese
Bewegungen haben oft zu tun mit Schuld, und dann auch mit dem
Bedürfnis nach Sühne. Schuld und Sühne sind
Gewissensbewegungen. Sie haben für diese schöpferische Kraft
keinerlei Bedeutung. Jeder, der sich schuldig fühlt, fühlt sich
erhaben. Er meint, dass er sein Schicksal in der Hand hat. Hätte er
nur anders gehandelt, wäre es anders verlaufen. Dann versucht er
die Schuld loszuwerden, und er verkennt völlig, dass die Schuld eine
Bewegung des Geistes ist.

Aus diesen Gewissensbewegungen entsteht ein innerer Satz


bei vielen. Dieser Satz heißt: „Ich an deiner Stelle.“ Das heißt genau
genommen: „Ich sterbe an deiner Stelle.“

Wenn sich eine Mutter schuldig fühlt, zum Beispiel wegen


einer Abtreibung, und es sie zu diesem toten Kind zieht, sozusagen
zur Sühne, sagt ein Kind: „Ich an deiner Stelle.“ Das ist eine
Hauptbewegung, die zu Problemen führt. Die auch zu Krankheiten
führt und Unglück, allem Möglichen.

Wenn man in dieser Bewegung bleibt, und die


Psychotherapie bleibt weitgehend innerhalb dieser Bewegungen,
auch das Familien-Stellen bleibt weitgehend innerhalb dieser
Bewegungen, gibt es keine Lösung. Es gibt nur Tote am Ende.

Jetzt auf die andere Ebene zu gehen, jenseits von Schuld und
Sühne, und in allem die Bewegungen des Geistes erkennen und sich
ihnen unterwerfen, und dann in diese große Liebe sich mit bewegen
zu lassen, das sind Bewegungen des Geistes.

Morgen habe ich ja den ganzen Morgen Zeit, wo ich das


dann im Einzelnen zeige. Ist deine Frage beantwortet?

Als sie zögert: Nun ja, diese Bewegungen fordern äußersten Einsatz.
Die gibt es nicht billig. Und es gibt sie nur furchtlos.

Ist deine Frage jetzt beantwortet?

frau: Es ist besser.

Vor dem Sündenfall

frau: Meine Frage ist zu dem, was Sie vorher erzählt haben. Der
Zustand bevor Gut und böse, bevor der Erkenntnis im Paradies. Ist
das ein besserer Zustand? Da ist Friede. Ist Friede besser?

hellinger: Auf den höchsten Gipfel kommt man am besten


manchmal auf Umwegen. Jetzt ist der Umweg abgeschlossen.

Langes Schweigen.

Zur Gruppe: Ich rede manchmal etwas verschlüsselt, aber klar


genug.

Zu dieser Frau: Okay?

frau: Ja.

Gut und Böse

mann: Ich glaube, meine Frage zielt in eine ähnliche Richtung. Und
zwar ist es die Frage nach der Entstehung der Moral. Wenn wir uns
verbinden mit der Bewegung des Geistes, mit dem unbewegten
Beweger, ist denn das eigentlich gut? Wenn ich mich nicht verbinde,
sehe ich mich als Opfer und Täter. Wenn ich mich verbinde, auch.

hellinger: Auch, genau. Wenn es diese Unterscheidungen nicht gibt


von Gut und Böse, so in der natürlichen Mystik, ich habe vorhin dazu
einige Beispiele gebracht. Wenn wir in uns hineinspüren, zum
Beispiel in unsere Aggressionen, unsere mörderischen Gefühle, auch
unsere Faszination mit Grausamkeit, das ist alles so böse in diesem
Sinne. Wenn ich das jetzt in mich hinein nehme und ihm zustimme
als Teil von mir, dann steht es neben meinem Guten und es
unterstürzt das Gute. Wer nur gut ist, ist halb. Wer nur böse ist, ist
auch halb. Beide Bewegungen sind in der eigenen Seele.

Deswegen gibt es bei der natürlichen Mystik keine Vollkommenheit,


sondern nur etwas, was immer in Bewegung ist. Das Vollkommene
bewegt sich nicht mehr. Also, alles Schöpferische ist unvollkommen,
und das so genannte Böse und auch die eigene Schuld sind Teil
einer Bewegung, einer großen Bewegung. Wenn ich das in mir
vereine, bin ich beides, gut und böse gleichermaßen, und beides im
Dienst der Liebe. Beides gleichzeitig.

Ich habe ein bisschen weit ausgeholt, aber das war eine
wichtige Frage, die du gestellt hast, eine sehr wichtige Frage.

mann: Ich fühle, die Frage ist schon etwas beantwortet. Ich glaube,
ich habe sie noch nicht genau gestellt.

hellinger: Das ist inneres Wachstum natürlich. Das dauert eine


Weile. Es gibt aber eine geistige Moral.

mann: Genau auf jeden Fall.

hellinger: Aber die ist anders, als du denkst wahrscheinlich.

Es gibt ein geistiges Gewissen. Es funktioniert ähnlich wie


das Gewissen, das wir erleben als Schuld und Unschuld, auch mit
einem Wohlgefühl und einem Unwohlgefühl.

Wer in der Bewegung des Geistes sich bewegt, fühlt sich


ruhig, total ruhig. Das zeigt, er ist im Einklang mit dieser Bewegung.
Wenn er davon abweicht, wird er unruhig und auch
handlungsunfähig gleichzeitig. Die Abweichung ist immer eine
Abweichung in der Liebe.

Ich erlebe das bei mir. Wenn ich plötzlich unruhig werde,
prüfe ich nach: Habe ich jemanden vielleicht abgelehnt oder mich
über ihn erhoben? Dann werde ich sofort unruhig. Aber ich weiß, wie
ich zurückkomme. Also, ich folge dann dem geistigen Gewissen und
hoffe, dass es mich herausführt. Okay?

mann: Vielen Dank.

Überbevölkerung

mann: Ich habe ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit wegen der


Überbevölkerung. Ich suche einen Ausweg für die Zukunft.

hellinger: Wenn du dir darum Sorgen machst, wird sich alles ändern.
Oder?

Er schüttelt den Kopf.

hellinger: Wozu dann die Sorgen? Dahinter wirkt eine gute Absicht.
Aber ist es jemandem, der die Welt verbessern wollte, schon einmal
gelungen? Das Ende davon ist meist schlimmer.

Der Mann lacht.

hellinger: Ich gebe dir einen anderen Hinweis.

Mehr oder weniger

Es gibt zwei Grundbewegungen in der Seele. Die eine geht auf


mehr, die andere auf weniger. Deine Bewegung geht in die Richtung
auf weniger.

Was heißt mehr? Mehr heißt immer: mehr Leben. Was heißt
weniger? Weniger heißt immer: weniger Leben.

Ich mache mit euch eine kleine Meditation. Spürt mal in euch nach:
Wohin geht die Grundbewegung in der Seele? Geht sie auf mehr,
oder geht sie auf weniger?

Dann ändern wir diese Bewegung auf mehr, mehr, mehr, mehr. Wir
fühlen, was die Wirkung ist: an Kraft, an Freude, an Liebe.

Jetzt sage ich noch etwas, was zu meinem Vortrag gehört.


Natürliche Mystik heißt: mehr, mehr, mehr. Viele spirituelle Wege
heißen: weniger, weniger, weniger.

Habe ich deine Frage beantwortet?

mann zögerlich: Ja.

hellinger: In welcher Bewegung warst du jetzt? In mehr oder in


weniger?

mann: In mehr.

hellinger: Du warst in weniger.

Beide lachen.

hellinger: Alles Gute dir.

mann: Danke.

Der freie Wille

mann: Meine Frage ist: Wenn da nur der eine Beweger ist, dann ist
kein anderer da. Dann bin ich letztlich nicht mehr da als die Instanz,
die sich dafür oder dagegen entscheiden kann. Ist dann nicht mehr
die Liebe und die Freiheit darin? Ich finde das nicht schlimm, aber
ich kann sie da nicht finden.

hellinger: Das ist eine grundlegende Frage, die sich hier stellt. Die
Beobachtung ist, dass wir uns auch als schöpferisch erleben. Ich
reduziere das hier mehr oder weniger auf einen Witz. Soll ich mal?
Er nickt.

Wir alle schwimmen im gleichen Strom, alle. Alles schwimmt im


gleichen Strom, mitgetragen auf ein Ziel hin, das wir nicht kennen,
alle. Manche paddeln ein bisschen, manche wollen dagegen. Es hilft
nichts. Alle schwimmen mit. Und der freie Wille schwimmt auch mit.

Alle lachen.

Es gibt eine gewisse Bewegungsfreiheit. Aber, sie zählt nicht viel.

mann: Die Frage kam mir letzten Endes, als Sie von Stalin erzählt
haben. Stalin mit Liebe zu assoziieren in der einen Bewegung
drinnen, da würde ich einfach die Liebe weglassen. Ich würde die
eine Bewegung irgendwo noch nachvollziehen können, aber diese
dann letztlich nicht mehr in den Kontext mit Liebe stellen.

hellinger: Wenn ich Russland anschaue jetzt – ich bin ja öfters dort
und kenne viele dort – bin ich beeindruckt von der Liebe. Ich als
Deutscher habe dort zuerst Bammel gehabt. Ich habe nie einen
Vorwurf gehört. Nie. Im Gegenteil, Zuwendung und Freude, dass sie
mich sehen. Das ist ein Ergebnis dessen, was abgelaufen ist. Okay?

mann: Okay.

hellinger: Man muss nur weit schauen. Das ist der Unterschied.

Die Schuld

mann: Ich habe eine persönliche Frage. Ich finde es schwierig, die
Schuld, die in mir ist, richtig ins Herz zu nehmen, weil es da eine
Spaltung gibt.

hellinger: Ich versuche eine Antwort und hoffe, dass ich deine Frage
treffe. Sonst kannst du sie noch mal wiederholen.
Was macht jemand, der sich schuldig fühlt? Er tut jemandem etwas
an. Entweder sich oder anderen. Das Grundgefühl hinter dem
Schuldgefühl ist immer Hass. Nichts steht der Liebe mehr entgegen
als Schuldgefühle. Wenn wir die Schuld lassen, werden wir klein.

mann nach einer Weile: Ich fühle mich besser, aber es ist keine
Freude. Oft habe ich aus einem Schuldgefühl versucht, immer mehr
zu tun, um gut zu sein.

hellinger: Ich verstehe dich vollkommen. Die Schuld hat eine


mehrfache Wirkung. Die eine ist, dass ich mir oder anderen etwas
antue.

mann: Ja.

hellinger: Die andere ist: wenn ich der Schuld zustimme als
unausweichlich und nicht rückgängig zu machen in keiner Weise,
habe ich Kraft, Kraft, etwas Gutes zu bewirken.

Unschuldige haben kaum Kraft. Nur Schuldige. Das würde


zeigen, dass das, was zur Schuld führt, eine göttliche Bewegung ist,
wenn wir sie in der Bewegung weiterführen. Dann freust du dich.

Er lacht und die Gruppe lacht mit.

hellinger: Siehst du das jetzt? Okay? Gut.

Ziele

mann: Ich habe zwei Fragen. Und zwar würde ich gerne wissen zum
einen: Wo führt diese Kraft hin, die in den Aufstellungen wirkt.

Die zweite Frage, auf die ich gerne eine Antwort wüsste: Wie konnte
das so lange unentdeckt bleiben? Warum hat das keiner gemerkt,
dass es so etwas gibt?

hellinger: Das habe ich mich auch gefragt.


mann: Was ist die Antwort?

hellinger: Ich hab Glück gehabt, das zu entdecken.

Die Vorstellung von Ziel ist eine ungeistige Vorstellung. Die


Bewegungen des Geistes können kein Ziel haben. Sonst würde das
Ziel die Bewegung bestimmen. Die Bewegung des Geistes ist
immer schöpferisch neu.

In der Weise, wie ich hier arbeite, gibt es laufend


Überraschungen. Was die Leute sich vorgestellt haben an Zielen,
haben sie oft vergessen, hoffentlich. Habe ich deine Frage
beantwortet?

mann: Ja.

Jetzt bin ich da

junger mann: Obwohl mir das nicht ganz neu war, fand ich es
hilfreich, das bei Ihnen zu sehen. Dass ich nicht nur eine Idee davon
habe, sondern das auch tief verstehe. Was Sie gesagt haben, wirkte
eigentlich sehr schockierend. Ich war überrascht, obwohl ich den
Witz verstanden habe, dass so viele da lachen konnten. Das zu
leben, wenn die ganze Gesellschaft das leben würde, wäre
unglaublich. Das wäre ja katastrophal, könnte man fast sagen. So
empfinde ich das im Moment. Sie sagten, der Umweg ist jetzt zu
Ende. Was meinen Sie damit?

hellinger: Der Unterschied zwischen Gut und Böse ist für mich zu
Ende, oft. Denn in diese Reinheit zu kommen, in diese Bewegung
der Zuwendung zu allem, wie es ist, ist eine Wachstumsbewegung.
Auch hier gilt der Spruch, den ich mal gesagt habe: Jede Kuh
beginnt als Kalb. Man braucht also nicht so schnell zu sein. Die
Schritte auf dem Weg sind alle grundlegende Erfahrungen.

Jetzt machst du mal die Augen zu. Du sagst jemandem: Jetzt bin ich
da.
Nach einer Weile: Gut so?

junger mann: Danke.

Zur Gruppe: Solche Sätze wie ich ihm gerade einen gesagt habe,
kommen aus einer Bewegung des Geistes. Sie erfassen viele
gleichzeitig, nicht nur ihn. Das ist ein Kennzeichen der Bewegungen
des Geistes, dass sie viele gleichzeitig erfassen. Sie sind nie
individuell. Sie gehen über das Individuelle weit hinaus.

Ich komme

mann: Ich stand für eine Zeit für die männliche Energie in einem
Projekt. Wie ich mich vor den Ahnen verneigt habe und mich auf den
Boden hingelegt habe, war es sehr schwierig für mich zu atmen.
Jetzt habe ich heute etwas über die weibliche Energie gehört, über
die Mutter. Ich würde gerne über die männliche Energie auch so
einen Satz bekommen.

Lachen in der Gruppe.

hellinger nach einer Weile: Sag deinem Vater: Ich komme.

Nach einer Weile: Okay?

mann: Jetzt pocht mein Herz.

hellinger: Das darf jetzt wirken.

mann: Danke.
Bitte

frau: Es ist auch eine persönliche frage. Die Energie zu meiner


Mutter ist abgeschnitten. Wie kann ich mich da wieder anschließen?

hellinger nach einer Weile: Mach die Augen zu und sag zu ihr: Bitte.

frau: Bitte.

hellinger: Sag es innerlich, einfach so: Bitte.

Nach einer Weile: Okay, das darf jetzt wirken.

Die Auflösung

hellinger zu einer Frau: Ich habe das schöne Kostüm bewundert, wie
du da heraufgekommen bist. Ist das etwas Besonderes?

frau: Ich bin Wandergeselle.

Daran habe ich auch gedacht, an Wandergeselle. Also?

frau: Ich wollte noch mal sicherstellen, dass ich das richtig
verstanden habe. Vom Gefühl her bin ich mit dem, was Sie gesagt
haben, ganz eins. Ich würde die Bewegung halt Gott nennen, aber
Gott, der kein Götze ist, sondern vor dem ich keine Angst haben
muss, weil wirklich alles gut ist. Wo ich jetzt für mich nicht sicher
bin, war, ob ich es richtig verstanden habe. Ich hänge sehr an
meinem Gewissen, aber nicht im Sinne von Schuld oder Moral,
sondern ich habe die Sichtweise, dass jedes Ding zwei Seiten hat,
dass es ein negatives Gewissen gibt, das mit dem andere Leute
beschuldigen zu tun hat, und dass es ein positives Gewissen gibt,
das mich zu Gott bringt, aber nicht urteilt. Das mich leitet und auf
den richtigen Weg führt. Kann man das so sagen?
hellinger: Das Zweite, was du beschreibst, wäre eine Bewegung des
Geistes.

Das Wort Gott ist sehr belastet, auch weil wir ihn
personifizieren. Die meisten Gottesbilder sind ja Fortsetzungen von
unseren Eltern. Wer nicht zu den Eltern findet, der will dann
wenigstens zu Gott finden.

Aber der Weg ist ungekehrt. Wer zu den Eltern gefunden hat,
der hat auch zu Gott gefunden in dem Sinne.

Da ist noch etwas zu bedenken. Wenn Gott ist, wenn es


einen Gott gibt, ist er begrenzt. Alles, was es gibt, ist begrenzt. Alles
Sein ist begrenzt. Schon von daher ist die Vorstellung, dass es ihn
gibt, sozusagen seiner unwürdig.

frau: Ich habe eine ganz spezielle.

hellinger: Wie immer. Ich sage das mal allgemein. Die tiefste
Bewegung in der Seele, auch die tiefste Bewegung in der
natürlichen Mystik, geht nach der Auflösung. Die Grenzen bei uns
entstehen durch das Ich. Nichts gegen das Ich. Nur mit dem Ich
können wir uns abgrenzen. Aber gleichzeitig trennt es uns. Wenn wir
uns auf einmal als gleich mit allen erfahren, sind wir gleich
unwichtig, alle, und am Ende lösen wir uns auf. Das Unendliche hat
keine Grenze, es hat auch kein Sein. Das kann es nicht haben. Diese
endlose Bewegung geht über die engeren Bilder hinaus.

Aber ich habe dich so verstanden, dass du da ganz gut auf


dem Weg bist.

frau: Noch eine Frage.

hellinger: Nein, keine andere Frage, nur diese. Du fragst nach, weil
das, was ich gesagt habe, draußen vorgeblieben ist.

Bei so etwas Wichtigem wie das, was ich gerade gesagt


habe, darf nichts hinzugefügt werden. Auch nicht zu diesem Abend.
Und jetzt ist Schluss.

Rilkes Sonette an Orpheus

Rilke hat in seinen Sonetten an Orpheus auf vielerlei Weise zur


Sprache gebracht, wie Lebende und Tote eine Einheit sind. Im
Gesang des Orpheus, der ja im Totenreich war und zurückkam, und
dann wieder ins Totenreich zurücksank, ist etwas von den Toten in
allem Lebenden da, in einer Einheit.

Die Sonette an Orpheus haben mich über viele Jahrzehnte begleitet.


Immer wieder habe ich sie gelesen. Erst langsam haben sie mir
ihren tiefen Sinn erschlossen. Doch nie ganz, zu tief ist ihr Reichtum.
Oft habe ich sie mir laut vorgelesen, oft mehrmals hintereinander,
bis sich mir ihr tieferer Sinn erschloss. Doch wie gesagt, immer blieb
etwas offen, wie im Grunde bei jeder großen Dichtung.

Hier möchte ich Ihnen einen Vorgeschmack geben, was Sie


in diesen Sonetten erwartet. Es erwartet Sie dort eine mystische
Erfahrung, eine Begegnung hinter dem alltäglichen Schein.

Einführung

Unser Leben ist Dasein mit den Lebenden und mit den Toten.
Dennoch verhalten wir uns oft, als seien die Toten durch ihren Tod
für immer von uns getrennt. Aber, so fragt Rilke in der ersten
Duineser Elegie: „Könnten wir sein ohne sie?“

Diese Daseinserfahrung, dass die Welt der Lebenden und die


Welt der Toten einander durchdringen, wird uns im Abendland durch
zwei mächtige Mythen vor Augen geführt.

Der erste und ältere Mythos rankt sich um die Figur des
Orpheus. Er war der Erste, der lebend aus dem Reich der Toten
zurückkehren konnte, allerdings ohne die geliebte Eurydike vom Tod
ins Leben zurückführen zu können.

Der zweite und für uns ungleich mächtigere Mythos erzählt


die Auferstehung von den Toten des gekreuzigten Jesus von
Nazareth. Jesus, nun der Christus genannt, verbindet die beiden
Reiche durch die an ihn geknüpfte Hoffnung, dass auch alle anderen
Toten durch ihn auferstehen werden. Es ist vor allem der christliche
Glaube, der uns die Toten gegenwärtig erfahren lässt. Er hält die
Verbindung zu ihnen aufrecht, sowohl durch die Hoffnung einer
allgemeinen Auferstehung, als auch durch vielerlei Riten, Gebete
und Opfer.

In den Sonetten an Orpheus verbindet Rilke die in beiden


Mythen verkörperte Daseinserfahrung, dass die Toten den Lebenden
gegenwärtig bleiben, in der Figur des Orpheus. Daher können wir
seine Aussagen über Orpheus nur verstehen, wenn wir sie
zusammen mit der Auferstehung des Christus von den Toten sehen.
Allerdings blieb Orpheus nach seinem Tod, als ihn die Mänaden bei
lebendigem Leibe zerrissen, im Reiche der Toten. Er ist nicht noch
einmal von dort zurückgekehrt. Er bleibt als Toter in allem Lebenden
gegenwärtig und verkörpert auf eine besondere Weise die
Vorstellung und die Erfahrung, dass die Toten das Leben mit uns
teilen. Daher ist er auch kein Gott, obwohl er manchmal von Rilke so
genannt wird. Aber er ist auf das Göttliche bezogen. Denn in seinem
Gesang versammelt Orpheus das ganze Dasein, das der Lebenden
und der Toten, und rühmt es vor etwas, das für uns unsagbar bleibt.

Beispiele

Wir können uns einfühlen, was das heißt. Ich zitiere ein Gedicht, das
erste Gedicht aus den Sonetten an Orpheus, wo das auf
verschlüsselte Weise fühlbar wird, und ich erläutere das etwas
anschließend auch. Das Gedicht geht so:

Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung!

O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr!

Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung

ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor.


Tiere aus Stille drangen aus dem klaren

gelösten Wald von Lager und Genist;

und da ergab sich, dass sie nicht aus List

und nicht aus Angst in sich so leise waren,

sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr

schien klein in ihren Herzen. Und wo eben

kaum eine Hütte war, dies zu empfangen,

ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen

mit einem Zugang, dessen Pfosten beben, -

da schufst du ihnen Tempel im Gehör.

Rilke war natürlich ein Mystiker, ein natürlicher Mystiker. Ich


erläutere kurz den Hintergrund dieses Sonetts.

Da stieg ein Baum. Was für ein Baum? Ein hoher Baum im
Ohr. Wessen Baum? Ein Baum des Orpheus, wenn er singt. Im
Gesang des Orpheus wird etwas Sichtbares verwandelt in etwas
Hörbares. Der Baum wird gehört. Noch mehr. Im Gesang des
Orpheus verwandelt sich das Sichtbare über das Hörbare hinaus in
eine letzte Stille. Der Gesang des Orpheus ist Schweigen, und aus
dem Schweigen kommt der neue Anfang. Das ist nur möglich, wenn
auch unser Gehör sich verwandelt.

Die Hütte, die er da beschreibt, mit einem Eingang, dessen


Pfosten beben, ist unser Ohr. Unser Trommelfell bebt, wenn es hört.
Aber dieses Hören hört auf. Im Ohr entsteht ein stiller Tempel, in
dem Gott hörbar wird als Stille.

Das ist hier der Hintergrund. Das ist ein mystischer Weg, dass wir
alles Sichtbare über das Hörbare hinaus verwandeln oder mit ihm
verwandelt werden in eine ewige Stille, völlig gesammelt. Das sind
Bewegungen des Geistes. Jetzt versteht ihr meine Vorliebe für Rilke,
wenn ich ein bisschen erläutere, was hinter diesen Sonetten wirkt.

Soll ich noch weiterreden über Rilke? Das liegt mir am


Herzen. Rilke liegt mir am Herzen. Es geht um die Verwandlung, bei
Rilke geht es im die Verwandlung.

Im letzten der Sonette an Orpheus beschreibt ein Mädchen


seinen eigenen Tod als Verwandlung. Die Sonette an Orpheus sind ja
einer Toten gewidmet als ein Grabmal. Diese Tote lädt ihn in diesem
Sonett zu sich ein.

Davor, nach dem ersten Sonett, führt Rilke dieses Thema der
Verwandlung vom Sichtbaren ins Hörbare weiter. Vielleicht soll ich
das auch noch sagen. Die Sonette an Orpheus sind als ein Grabmal
geschrieben für ein junges Mädchen, eine Tänzerin, die mit der Rilke
verbunden war und früh starb. Das beschreibt er in diesem zweiten
Sonett. Ich hoffe, ich bringe es zusammen.

Und fast ein Mädchen wars und ging hervor

aus diesem einigen Glück von Sang und Leier

und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier

und machte sich ein Bett in meinem Ohr.


Und schlief in mir. Und alles war ihr Schlaf.

Die Bäume, die ich je bewundert, diese

fühlbare Ferne, die gefühlte Wiese

und jedes Staunen, das mich selbst betraf.

Sie schlief die Welt. Singender Gott, wie hast

du sie vollendet, dass sie nicht begehrte,

erst wach zu sein? Sieh, sie erstand und schlief.

Wo ist ihr Tod? O wirst du dies Motiv

erfinden noch, eh sich dein Lied verzehrte? –

Wo sinkt sie hin aus mir? . . . Ein Mädchen fast . . . .

Sie schläft in seinem Ohr, und alles, was er hört, hört sie mit in
ihrem Schlaf. Sie ist verwandelt in das, was er hört, in einem
Gesang, der Leben und Tod miteinander verbindet. Dieses Mädchen
beschreibt seinen Tod in seinem letzten Sonett n Orpheus. Jetzt bin
ich wieder zu weit gegangen natürlich. Ich galoppiere davon, weil
Rilke mich berührt. Also, hier sein letztes Gedicht, wo er sein
eigenes Sterben beschreibt. Dann höre ich auf mit Rilke. Nur das
noch.

Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,


wie dein Atem noch den Raum vermehrt.

Im Gebälk der finstern Glockenstühle

lass dich läuten. Das, was an dir zehrt,

wird ein Starkes über dieser Nahrung.

Geh in der Verwandlung aus und ein.

Was ist deine leidenste Erfahrung?

Ist dir Trinken bitter, werde Wein.

Sei in dieser Nacht aus Übermaß

Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne,

ihrer seltsamen Begegnung Sinn.

Und wenn dich das Irdische vergaß,

zu der stillen Erde sag: Ich rinne.

Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.

Das ist die Verwandlung, alles wird gleich.


Hinweis

Die ganzen Sonette an Orpheus Teil 1 und Teil 2 habe ich mit
meinen Erläuterungen als ein Hörbuch herausgegeben und nur auch
als Buch. Näheres dazu finde Sie unter www.Hellinger-shop.com

Die Spieler

Sie stellen sich als Gegner vor.

Dann sitzen sie sich gegenüber

und spielen

auf dem gleichen Brett

mit vielerlei Figuren

nach komplizierten Regeln,

Zug um Zug,

das gleiche königliche Spiel.

Sie opfern beide ihrem Spiel

verschiedene Figuren

und halten sich gespannt in Schach,

bis die Bewegung endet.

Wenn nichts mehr geht,

ist die Partie vorbei.

Dann wechseln sie die Seite


und die Farbe,

und es beginnt vom gleichen Spiel

nur wieder eine andere Partie.

Wer aber lange spielt

und oft gewinnt

und oft verliert,

der wird auf beiden Seiten

Meister.

Wie werde und bleibe ich ein guter Unternehmer?

Erstens: Indem ich etwas anzubieten habe, was anderen dient. Je


mehr sie es brauchen, desto wichtiger wird, was ich anbieten kann.
Dem Erfolg steht dann nichts mehr entgegen.

Was zeichnet einen Unternehmer aus?


Er hat, was andere brauchen, und macht es ihnen zugänglich. Je
mehr er hat, was andere brauchen, desto höher sein Ansehen und
sein Erfolg.

Fazit: Ein Unternehmen dient. Je bedeutsamer seine


Dienstleistung, desto größer sein Einfluss.

Zweitens: Ein Unternehmer braucht Gehilfen. Er muss Mitarbeiter


gewinnen und sie entsprechend ausbilden und anleiten, damit sie
das, was er zu bieten hat, auf die bestmögliche Weise erstellen und
an den Mann bringen.

Was er zu bieten hat, muss er also produzieren und auch


verkaufen.

Drittens: Ein Unternehmer muss führen. Er führt durch seine Idee. Er


führt durch die Herstellung. Er führt durch den Verkauf und alles,
was es dazu bedarf.

Viertens: Ein Unternehmer stellt sich dem Wettbewerb. Über den


Wettbewerb verbessert er sein Produkt. Er dient denen, die es
brauchen, damit umso mehr.

Fünftens: Der Unternehmer verteidigt sein Unternehmen gegen


Übergriffe und sichert es entsprechend ab. Er bleibt selbstbewusst
und selbstständig.

Sechstens: Der Unternehmer weiß, dass er auf andere angewiesen


ist, mit denen er gemeinsame Sache machen muss. Er weiß, wie er
sie gewinnt und behält.

Siebtens: Der Unternehmer freut sich über seinen Erfolg, denn sein
Erfolg macht glücklich. Wenn der Unternehmer glücklich ist und es
anderen zeigt, freuen sich seine Mitarbeiter und mit ihnen ihre
Familien.

Achtens: Ein Unternehmer steht mit vielen in einer


Solidargemeinschaft. Er weiß, das Glück von vielen hängt von
seinem Erfolg ab. Daher mehrt er ihn mit Hilfe von vielen, die ihm
helfen, zur Sicherung der Lebensgrundlage für viele.

Neuntens: Ein Unternehmer übergibt sein Unternehmen zur rechten


Zeit an geeignete Nachfolger. Er überlässt ihnen den Spielraum, den
sie, um erfolgreich zu sein, brauchen. Er bleibt weiterhin die Seele
seines Unternehmens. Sein guter Geist wirkt in ihm weiter.

Zehntens: Ein Unternehmer überlässt sein Unternehmen der


Entwicklung, die es nehmen muss, auch wenn diese von seinen
Vorstellungen abweicht. Er überlässt es dem Strom der Zeit, der
auch über ihn hinweggeht, und schaut ihm wohlwollend nach.

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