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hier führe ich Sie ein in die angewandte Natürliche Mystik. Ich habe
diese auf lebendige Weise in einem Vortrag und Kurs in Hamburg
vor einer kleinen Gruppe erläutert. Ich nehme Sie in diesen Kurs mit.
Auch sonst finden Sie hier vieles, was Ihnen in Ihrem Leben
auf gute Weise weiterhilft. Freuen Sie sich darauf!
Natürliche Mystik
Ich freue mich, hier zu sein und mit euch Erfahrungen zu teilen über
Mystik. Mystik wird hier als natürliche Mystik beschrieben. Viele
verbinden mit dem Wort Mystik religiöse Bilder, auch bestimmte
Gottesvorstellungen. Nun komme ich daher und rede von natürlicher
Mystik.
Wie kam ich zu dieser Vorstellung von natürlicher Mystik. Vor zwei
Jahren ungefähr war ich sehr krank. Da las ich ein Buch über Meister
Eckart, aber kein mystisches Buch. Das Buch war von einem
Philosophen geschrieben. Er wies nach, dass Meister Eckart im
Grunde ein Philosoph war, und dass das Mystische, das er erfahren
hat, zusammenhing mit philosophischen Einsichten. Gerade zu der
Zeit, als er Magister in Paris war, wurden die ersten Übersetzungen
von Aristoteles bekannt, und zwar über Averroes, einen Araber, der
einen langen Kommentar über alle Bücher von Aristoteles verfasst
hat, auf Arabisch, das dann ins Lateinische übersetzt wurde und
verfügbar war. Das war in diesem Buch über Meister Eckhart nur
eine Seite. Alles, was Aristoteles da gesagt hat, war
zusammengefasst in einer Seite. Das war für mich umwerfend.
Konsequenzen
Was heißt das jetzt? Es heißt: alles ist richtig. Wie es ist, ist es
gedacht, ist es gewollt, wie es ist, ohne Unterschied. Könnt ihr mir
noch folgen?
Zustimmung der Teilnehmer
Was heißt das dann genau? Diese geistige Kraft geht weit über das
hinaus, was wir mit unseren Gottesbildern zu erfassen versuchen,
weit hinaus. Sie ist die eigentliche, ursprüngliche schöpferische
Kraft. Für sie gibt es kein Gut und kein Böse, kein Richtig und kein
Falsch, keine Täter, keine Opfer, nichts von dem, nach dem wir
unsere Welt einteilen.
Was hört dann auf, wenn wir das ernst nehmen? Jede Religion, jede
Moral hört auf. Versteht ihr jetzt das Ausmaß von natürlicher Mystik,
wie sie alles auf den Kopf stellt?
Anwendungen
Nun, was ich jetzt mehr philosophisch beschrieben habe, wende ich
an in meiner Arbeit. Wenn ich zum Beispiel mit jemandem arbeite,
der ein Problem hat, der mit mir arbeiten will, stelle ich
Stellvertreter auf, ohne zu benennen, um was es geht. Plötzlich
werden die von einer Bewegung erfasst, unwiderstehlich. Wenn
mehrere Stellvertreter zusammenkommen, wird über diese
Bewegung etwas miteinander verbunden, was vorher getrennt war.
Das ist eine Bewegung des Geistes, der die Unterschiede von Gut
und Böse oder von Zugehörig und Nicht-Zugehörig oder von Erwählt
oder Verdammt, völlig aufhebt. Das ist beobachtbar. Ich gebe euch
ein Beispiel, damit ihr euch das besser vorstellen könnt.
Wie gesagt, das lief ganz langsam ab, ganz langsam. Die
Bewegungen des Geistes sind ganz langsam. Alle waren von einer
anderen Kraft erfasst. Dann, nach ungefähr einer Stunde, ist Stalin
mehr nach außen getreten, hat wieder in den Himmel geschaut und
ist dann zu einer Frau, die auf dem Boden saß, hinunter und hat
seinen Kopf in ihren Schoß gelegt. Er hat die Augen zugemacht, so
als ob er jetzt stirbt.
Nichts wurde gesagt. Alles lief ab wie von selbst. Für mich
war es erledigt, ich wollte auch gar nicht fragen, was da war. Dann
fingen einige aus der Gruppe, die als Stellvertreter mit dabei waren,
an zu berichten, was sie erlebt hatten. Der eine konnte nicht mehr
sprechen. Andere erzählten, wie sie anfingen zu beten.
Hier ist noch nachzutragen: am Ende, als Stalin starb, standen die in
der Mitte auf und einige haben sich vor ihm verneigt, tief verneigt.
Auffällig war: alle, die Täter und die Opfer waren alle
einverstanden mit dem, was abgelaufen ist. Tief in der Seele waren
sie einverstanden, auch die Opfer. Es gab keine Vorwürfe, keine
Anklagen, nichts. Alle haben zutiefst erfasst, dass hier eine
Bewegung ablief von ganz woanders her im Dienste Russlands. Alle
haben zugestimmt.
Das Paradies
Ich war ja mal Theologe, bin es noch auf gewisse Weise, und bin mit
der Bibel vertraut. Ich schaue sie jetzt anders an. Also, die Bilder,
die sich manchmal daran heften, an bestimmte Vorgänge, die da
beschrieben werden, durchschaue ich, weil ich vor Gott keine Angst
habe. Denn der Gott, vor dem viele Angst haben, ist ein Götze. Er ist
einer unter vielen, sonst könnte er ja nicht eifersüchtig sein. Er ist
nur der Gott einer Gruppe, nicht für alle. Sonst könnten keine
auserwählt sein und die anderen verdammt. Dieser Gott ist genau
nach unserem inneren Bild von Gut und Böse, nach unserem Bild.
Ich hab noch mal die Geschichte vom Paradies neu gelesen.
Dann fiel mir etwas auf. Adam und Eva aßen unter dem Einfluss der
Schlange vom Baum der Erkenntnis und wurden dann aus dem
Paradies vertrieben. Es wird gesagt, was es für eine Erkenntnis war.
Es war die Erkenntnis von Gut und Böse.
Ist das eine Erkenntnis? Wenn ihr das vergleicht mit dem,
was ich vorher gesagt habe, kann das eine Erkenntnis sein? Oder ist
es ein Abfall von der Bewegung des Geistes, wo wir plötzlich
unterscheiden, wer gut ist oder böse? Und, in letzter Konsequenz,
wer leben darf und sterben muss. Die Erkenntnis, so genannte
Erkenntnis von Gut und Böse ist der Anfang alles Mordens.
Das fing auch gleich an mit Kain und Abel. Kain brachte
seinen Bruder Abel um. Wieso? Weil er sagte: Gott bevorzugt ihn,
und mich nicht. Er hat also seine Unterscheidung von Gut und Böse
auf Gott übertragen und hat den Bruder umgebracht. Wen hat er
damit umgebracht? Gott hat er umgebracht, natürlich. Wen sonst?
Vielleicht bin ich schon viel zu weit gegangen hier. Ich darf ja
nicht alles sagen. Alle Kriege, alle großen Konflikte, entstehen, weil
die einen sagen: Wir sind gut, und ihr nicht. Oder noch genauer:
Unser Gott ist richtig, und euer Gott ist falsch. All das große Morden
ist im Namen von Gut gegen das Böse. Wir brauchen nur
anzuschauen, was heutzutage abläuft. Ich will das gar nicht
benennen. Ihr wisst das besser als ich.
Nicht? Ich mache das mal konkret. Soll ich das konkret machen?
Das Gewissen
Die Gerechtigkeit
Nun ja, ich bin nicht sicher, ob ich noch viel weiter reden darf. Ich
hab schon zu viel gesagt. Ich erzähle euch ein kleines Beispiel, da
werdet ihr euch wundern.
Ich war mal in Kanada bei Indianern. Ich habe da auch einen
Kurs gehabt. Da hat mir ein Häuptling erzählt, in ihrer Sprache gibt
es kein Wort für Gerechtigkeit. Könnt ihr euch das vorstellen? Kein
Wort für Gerechtigkeit. Dann habe ich ihn gefragt: „Wenn einer
einen anderen umbringt, was macht ihr dann?“ Er sagte: „Er wird
von der Familie des Opfers adoptiert.“
Nun ja, wir wollen ja Gerechte sein. Wir sagen ja, wir wollen
Gerechte sein, und vor allem muss unser Gott gerecht sein. Ich
komme noch einmal zurück auf den ersten Beweger. Kann der
gerecht sein? Wenn alles von ihm kommt, kann er gerecht sein?
Wenn wir von Gott verlangen, dass er gerecht ist, ist er dann
noch Gott? Wenn er der Gerechtigkeit dienen muss, so, wie wir uns
das vorstellen, dann ist die Gerechtigkeit der Gott, und unser so
genannter Gott steht im Dienst dieser Gerechtigkeit. Und was heißt
Gerechtigkeit? Ich bringe dich um. Das ist Gerechtigkeit.
Ich mache mir da nichts vor. Ich weiß, dass das so ist, und
bin dann so vorsichtig geworden. Alle, die Gerechtigkeit wollen,
wollen den Tod von einem anderen. Wenn sie Gott um Gerechtigkeit
anrufen, was soll er machen? Er soll jemanden umbringen. Noch
mehr, er soll sie ewig in der Hölle braten lassen. Ja, genau das,
genau das.
Was machen dann die Seligen im Himmel? Die schauen die
ganze Zeit auf die Hölle. Müssen sie ja. Die schauen die ganze Zeit
auf die Hölle. Und das soll die Seligkeit im Himmel sein?
Der Bannkreis
Was ist das große Unglück des Abendlands? Keiner vor mir hat
verstanden, was Gewissen bewirkt. Alle waren im Bannkreis des
Gewissens. Das ganze Christentum, die ganzen Philosophen, alle im
Bannkreis des Gewissens. Das ging sogar so weit, dass das
Gewissen die Stimme Gottes in der Seele genannt wurde, der man
unbedingt folgen muss. Aber alle die sich bekriegen, bekriegen sich
mit gutem Gewissen, nur mit verschiedenen guten Gewissen. Also,
ich habe das entlarvt. Das ist das, was den Weg öffnet für eine
innere Bewegung der Liebe, die über alle diese Unterscheidungen
hinausgeht.
Ich habe immer Zweifel, ob ich das sagen darf. Wie lange
habe ich schon geredet? Erst eine gute halbe Stunde. Noch
anderthalb Stunden soll ich noch reden hier?
Lachen in der Gruppe
Die Wahrnehmung
Das Gewissen, das uns an eine Gruppe bindet, bestimmt, was wir
wissen dürfen und was nicht. Es bestimmt, was wir wahrnehmen
dürfen und was nicht. Deswegen sind alle, die in einer Gruppe
gefangen sind, auf Gedeih und Verderben dieser bestimmten
Gruppe gefangen sind, blind. Sie haben Angst, etwas anderes
wahrzunehmen, als es ihnen erlaubt ist.
Was ist die Angst? Verstoßen zu werden, das ist die Angst. Die
ganzen Gottesbilder, die wir haben, die ja so unsinnig sind, wie sie
unsinniger nicht sein können, werden dennoch von Gläubigen
festgehalten, aus Angst vor Gott. Wer in dieser Angst gefangen
bleibt, lehnt immer andere ab, im Namen Gottes.
Die Opfer
Ich bringe euch ein Beispiel, ein ganz einfaches. Ich war mal in
Israel. Da gibt es eine Ausgrabung aus der Zeit vor der Landnahme,
also bevor die israelischen Stämme Kanaan besetzt haben. Da war
ein großer viereckiger Altar. Der war für die Kinderopfer. Damals war
es offensichtlich üblich, die Erstgeborenen zu opfern, mit der
Vorstellung, dass Gottes Segen dann auf die Eltern herabfließt.
Nun, was ist die Lehre des Christentums? Gott war beleidigt durch
unsere Sünden. Man muss sich das mal vorstellen. Wirklich, man
muss sich das mal vorstellen. Und dann verlangte er Sühne. Und
wer musste sühnen? Er ließ seinen eigenen Sohn am Kreuz
schlachten. Da war keine andere Stimme, die dazwischen trat.
Und das glauben viele noch heute, dass Gott dem Leben
übel will.
Jetzt schauen wir mal die vielen spirituellen Wege an. Vor kurzem
war ich in Madrid und ging in den Prado, das wunderbare Museum.
Herrliche Bilder sah ich dort, und viele Heiligenbilder. Die waren alle
ausgezehrt, alle, durch die Bank. Ist das nicht merkwürdig? Und
was wird verlangt, damit einer erleuchtet wird, an Entsagung?
Abtötung nannte man das sogar. Alles gegen das Leben? Das alles
vom so genannten Gott der Liebe gewollt?
Ich habe schon viel zu viel gesagt. Ich darf nicht aus dem
Nähkästchen plaudern. Aber ich mache mal was ganz Konkretes,
ganz konkret. Ich fürchte, einige werden mir böse, wenn ich das
mache. Aber die Angst habe ich sowieso längst schon aufgegeben.
Die Mutter
Wo offenbart sich dieser ewige schöpferische Geist am
wunderbarsten? Was ist die größte Gottesoffenbarung? Die Mutter.
Es gibt in der Bibel ein Gebet von Jesus, das heißt: „Vater
unser, der du bist im Himmel.“ Ich habe noch keinen Vater gesehen
ohne eine Mutter. Vater wird einer erst, wenn es auch eine Mutter
dazu gibt. Wo bleibt denn da die Mutter?
Wenn ich sage: „Vater unser, der du bist mein Vater hier mit
meiner Mutter. Hier verneige ich mich tief vor dem Geheimnis des
Lebens.“ Merkt ihr den Unterschied? Auch das ist natürliche Mystik.
Was machen wir dann so? Ich habe ja viel mit Leuten zu tun,
und dann reden die von ihrer Mutter. Ich kriege da immer einen
Schauer, wenn ich das höre.
Viele haben drei Bilder von ihrer Mutter, drei innere Bilder, und an
die heften sich bestimmte Gefühle. Meistens Gefühle der
Ablehnung. Könnt ihr das nachspüren bei euch? Ich mache mir ein
Vergnügen, Mütter anzuschauen Hier lief auch eine Mutter herum
mit einem kleinen Kind im Arm. Es macht mir immer eine große
Freude, das anzuschauen. Ich schaue das mit Andacht an, mit ganz
tiefer Andacht.
Wenn ich mir vorstelle: meine Mutter oder jede Mutter, was
die auf sich genommen hat, angefangen von der Schwangerschaft,
dann auch mit der Angst, ob es gut geht, die Angst vor der Geburt,
die ja für manche Frauen lebensgefährlich ist. Dann hat sie uns an
ihre Brust genommen und genährt, Tag und Nacht an uns gedacht,
immer für uns da, viele, viele Jahre. Und was erinnern wir? Drei
Bilder. Drei Bilder, stellt euch das vor. Dann nehmen wir uns das
Recht heraus, unsere Mutter zu verdammen? Wegen drei Bildern?
Von der Fülle der Mutter sind die Bilder höchstens ein Prozent. Und
danach richten wir uns aus?
Meditation
Ich mache eine Meditation mit euch, zur Abwechslung. Macht mal
die Augen zu. Wir schauen jetzt auf unsere Mutter, wie sie ist, genau
wie sie ist. So wie sie ist, ist sie von diesem ewigen Geist gedacht.
Genau, wie sie ist. So wurde sie von dieser schöpferischen Kraft für
uns ausgewählt, um unsere Mutter zu werden.
Das Problem
frau: Meine Frage ist, ob die Sehnsucht nach einer Lösung, die ihre
Klienten haben, nicht wichtig ist in der natürlichen Mystik?
hellinger: Was mache ich mit jemandem, der sagt, er hätte ein
Problem. Ich stelle ihn hin und schaue, wie er sich bewegt, wie er
bewegt wird von einer Bewegung des Geistes. Dann bekomme ich
alle Informationen – aber nicht die, auf die er gewartet hat. Dann
wird es auch ernst. Kann ich es da lassen?
hellinger: Okay.
hellinger: Ich habe bei meiner Arbeit beobachtet, wie Leute bewegt
werden von einer Kraft. Da gibt es Bewegungen, die kommen aus
dem Gewissen, also aus dem geistigen Feld einer Familie. Diese
Bewegungen haben oft zu tun mit Schuld, und dann auch mit dem
Bedürfnis nach Sühne. Schuld und Sühne sind
Gewissensbewegungen. Sie haben für diese schöpferische Kraft
keinerlei Bedeutung. Jeder, der sich schuldig fühlt, fühlt sich
erhaben. Er meint, dass er sein Schicksal in der Hand hat. Hätte er
nur anders gehandelt, wäre es anders verlaufen. Dann versucht er
die Schuld loszuwerden, und er verkennt völlig, dass die Schuld eine
Bewegung des Geistes ist.
Jetzt auf die andere Ebene zu gehen, jenseits von Schuld und
Sühne, und in allem die Bewegungen des Geistes erkennen und sich
ihnen unterwerfen, und dann in diese große Liebe sich mit bewegen
zu lassen, das sind Bewegungen des Geistes.
Als sie zögert: Nun ja, diese Bewegungen fordern äußersten Einsatz.
Die gibt es nicht billig. Und es gibt sie nur furchtlos.
frau: Meine Frage ist zu dem, was Sie vorher erzählt haben. Der
Zustand bevor Gut und böse, bevor der Erkenntnis im Paradies. Ist
das ein besserer Zustand? Da ist Friede. Ist Friede besser?
Langes Schweigen.
frau: Ja.
mann: Ich glaube, meine Frage zielt in eine ähnliche Richtung. Und
zwar ist es die Frage nach der Entstehung der Moral. Wenn wir uns
verbinden mit der Bewegung des Geistes, mit dem unbewegten
Beweger, ist denn das eigentlich gut? Wenn ich mich nicht verbinde,
sehe ich mich als Opfer und Täter. Wenn ich mich verbinde, auch.
Ich habe ein bisschen weit ausgeholt, aber das war eine
wichtige Frage, die du gestellt hast, eine sehr wichtige Frage.
mann: Ich fühle, die Frage ist schon etwas beantwortet. Ich glaube,
ich habe sie noch nicht genau gestellt.
Ich erlebe das bei mir. Wenn ich plötzlich unruhig werde,
prüfe ich nach: Habe ich jemanden vielleicht abgelehnt oder mich
über ihn erhoben? Dann werde ich sofort unruhig. Aber ich weiß, wie
ich zurückkomme. Also, ich folge dann dem geistigen Gewissen und
hoffe, dass es mich herausführt. Okay?
Überbevölkerung
hellinger: Wenn du dir darum Sorgen machst, wird sich alles ändern.
Oder?
hellinger: Wozu dann die Sorgen? Dahinter wirkt eine gute Absicht.
Aber ist es jemandem, der die Welt verbessern wollte, schon einmal
gelungen? Das Ende davon ist meist schlimmer.
Was heißt mehr? Mehr heißt immer: mehr Leben. Was heißt
weniger? Weniger heißt immer: weniger Leben.
Ich mache mit euch eine kleine Meditation. Spürt mal in euch nach:
Wohin geht die Grundbewegung in der Seele? Geht sie auf mehr,
oder geht sie auf weniger?
Dann ändern wir diese Bewegung auf mehr, mehr, mehr, mehr. Wir
fühlen, was die Wirkung ist: an Kraft, an Freude, an Liebe.
mann: In mehr.
Beide lachen.
mann: Danke.
mann: Meine Frage ist: Wenn da nur der eine Beweger ist, dann ist
kein anderer da. Dann bin ich letztlich nicht mehr da als die Instanz,
die sich dafür oder dagegen entscheiden kann. Ist dann nicht mehr
die Liebe und die Freiheit darin? Ich finde das nicht schlimm, aber
ich kann sie da nicht finden.
hellinger: Das ist eine grundlegende Frage, die sich hier stellt. Die
Beobachtung ist, dass wir uns auch als schöpferisch erleben. Ich
reduziere das hier mehr oder weniger auf einen Witz. Soll ich mal?
Er nickt.
Alle lachen.
mann: Die Frage kam mir letzten Endes, als Sie von Stalin erzählt
haben. Stalin mit Liebe zu assoziieren in der einen Bewegung
drinnen, da würde ich einfach die Liebe weglassen. Ich würde die
eine Bewegung irgendwo noch nachvollziehen können, aber diese
dann letztlich nicht mehr in den Kontext mit Liebe stellen.
hellinger: Wenn ich Russland anschaue jetzt – ich bin ja öfters dort
und kenne viele dort – bin ich beeindruckt von der Liebe. Ich als
Deutscher habe dort zuerst Bammel gehabt. Ich habe nie einen
Vorwurf gehört. Nie. Im Gegenteil, Zuwendung und Freude, dass sie
mich sehen. Das ist ein Ergebnis dessen, was abgelaufen ist. Okay?
mann: Okay.
hellinger: Man muss nur weit schauen. Das ist der Unterschied.
Die Schuld
mann: Ich habe eine persönliche Frage. Ich finde es schwierig, die
Schuld, die in mir ist, richtig ins Herz zu nehmen, weil es da eine
Spaltung gibt.
hellinger: Ich versuche eine Antwort und hoffe, dass ich deine Frage
treffe. Sonst kannst du sie noch mal wiederholen.
Was macht jemand, der sich schuldig fühlt? Er tut jemandem etwas
an. Entweder sich oder anderen. Das Grundgefühl hinter dem
Schuldgefühl ist immer Hass. Nichts steht der Liebe mehr entgegen
als Schuldgefühle. Wenn wir die Schuld lassen, werden wir klein.
mann nach einer Weile: Ich fühle mich besser, aber es ist keine
Freude. Oft habe ich aus einem Schuldgefühl versucht, immer mehr
zu tun, um gut zu sein.
mann: Ja.
hellinger: Die andere ist: wenn ich der Schuld zustimme als
unausweichlich und nicht rückgängig zu machen in keiner Weise,
habe ich Kraft, Kraft, etwas Gutes zu bewirken.
Ziele
mann: Ich habe zwei Fragen. Und zwar würde ich gerne wissen zum
einen: Wo führt diese Kraft hin, die in den Aufstellungen wirkt.
Die zweite Frage, auf die ich gerne eine Antwort wüsste: Wie konnte
das so lange unentdeckt bleiben? Warum hat das keiner gemerkt,
dass es so etwas gibt?
mann: Ja.
junger mann: Obwohl mir das nicht ganz neu war, fand ich es
hilfreich, das bei Ihnen zu sehen. Dass ich nicht nur eine Idee davon
habe, sondern das auch tief verstehe. Was Sie gesagt haben, wirkte
eigentlich sehr schockierend. Ich war überrascht, obwohl ich den
Witz verstanden habe, dass so viele da lachen konnten. Das zu
leben, wenn die ganze Gesellschaft das leben würde, wäre
unglaublich. Das wäre ja katastrophal, könnte man fast sagen. So
empfinde ich das im Moment. Sie sagten, der Umweg ist jetzt zu
Ende. Was meinen Sie damit?
hellinger: Der Unterschied zwischen Gut und Böse ist für mich zu
Ende, oft. Denn in diese Reinheit zu kommen, in diese Bewegung
der Zuwendung zu allem, wie es ist, ist eine Wachstumsbewegung.
Auch hier gilt der Spruch, den ich mal gesagt habe: Jede Kuh
beginnt als Kalb. Man braucht also nicht so schnell zu sein. Die
Schritte auf dem Weg sind alle grundlegende Erfahrungen.
Jetzt machst du mal die Augen zu. Du sagst jemandem: Jetzt bin ich
da.
Nach einer Weile: Gut so?
Zur Gruppe: Solche Sätze wie ich ihm gerade einen gesagt habe,
kommen aus einer Bewegung des Geistes. Sie erfassen viele
gleichzeitig, nicht nur ihn. Das ist ein Kennzeichen der Bewegungen
des Geistes, dass sie viele gleichzeitig erfassen. Sie sind nie
individuell. Sie gehen über das Individuelle weit hinaus.
Ich komme
mann: Ich stand für eine Zeit für die männliche Energie in einem
Projekt. Wie ich mich vor den Ahnen verneigt habe und mich auf den
Boden hingelegt habe, war es sehr schwierig für mich zu atmen.
Jetzt habe ich heute etwas über die weibliche Energie gehört, über
die Mutter. Ich würde gerne über die männliche Energie auch so
einen Satz bekommen.
mann: Danke.
Bitte
hellinger nach einer Weile: Mach die Augen zu und sag zu ihr: Bitte.
frau: Bitte.
Die Auflösung
hellinger zu einer Frau: Ich habe das schöne Kostüm bewundert, wie
du da heraufgekommen bist. Ist das etwas Besonderes?
frau: Ich wollte noch mal sicherstellen, dass ich das richtig
verstanden habe. Vom Gefühl her bin ich mit dem, was Sie gesagt
haben, ganz eins. Ich würde die Bewegung halt Gott nennen, aber
Gott, der kein Götze ist, sondern vor dem ich keine Angst haben
muss, weil wirklich alles gut ist. Wo ich jetzt für mich nicht sicher
bin, war, ob ich es richtig verstanden habe. Ich hänge sehr an
meinem Gewissen, aber nicht im Sinne von Schuld oder Moral,
sondern ich habe die Sichtweise, dass jedes Ding zwei Seiten hat,
dass es ein negatives Gewissen gibt, das mit dem andere Leute
beschuldigen zu tun hat, und dass es ein positives Gewissen gibt,
das mich zu Gott bringt, aber nicht urteilt. Das mich leitet und auf
den richtigen Weg führt. Kann man das so sagen?
hellinger: Das Zweite, was du beschreibst, wäre eine Bewegung des
Geistes.
Das Wort Gott ist sehr belastet, auch weil wir ihn
personifizieren. Die meisten Gottesbilder sind ja Fortsetzungen von
unseren Eltern. Wer nicht zu den Eltern findet, der will dann
wenigstens zu Gott finden.
Aber der Weg ist ungekehrt. Wer zu den Eltern gefunden hat,
der hat auch zu Gott gefunden in dem Sinne.
hellinger: Wie immer. Ich sage das mal allgemein. Die tiefste
Bewegung in der Seele, auch die tiefste Bewegung in der
natürlichen Mystik, geht nach der Auflösung. Die Grenzen bei uns
entstehen durch das Ich. Nichts gegen das Ich. Nur mit dem Ich
können wir uns abgrenzen. Aber gleichzeitig trennt es uns. Wenn wir
uns auf einmal als gleich mit allen erfahren, sind wir gleich
unwichtig, alle, und am Ende lösen wir uns auf. Das Unendliche hat
keine Grenze, es hat auch kein Sein. Das kann es nicht haben. Diese
endlose Bewegung geht über die engeren Bilder hinaus.
hellinger: Nein, keine andere Frage, nur diese. Du fragst nach, weil
das, was ich gesagt habe, draußen vorgeblieben ist.
Einführung
Unser Leben ist Dasein mit den Lebenden und mit den Toten.
Dennoch verhalten wir uns oft, als seien die Toten durch ihren Tod
für immer von uns getrennt. Aber, so fragt Rilke in der ersten
Duineser Elegie: „Könnten wir sein ohne sie?“
Der erste und ältere Mythos rankt sich um die Figur des
Orpheus. Er war der Erste, der lebend aus dem Reich der Toten
zurückkehren konnte, allerdings ohne die geliebte Eurydike vom Tod
ins Leben zurückführen zu können.
Beispiele
Wir können uns einfühlen, was das heißt. Ich zitiere ein Gedicht, das
erste Gedicht aus den Sonetten an Orpheus, wo das auf
verschlüsselte Weise fühlbar wird, und ich erläutere das etwas
anschließend auch. Das Gedicht geht so:
Da stieg ein Baum. Was für ein Baum? Ein hoher Baum im
Ohr. Wessen Baum? Ein Baum des Orpheus, wenn er singt. Im
Gesang des Orpheus wird etwas Sichtbares verwandelt in etwas
Hörbares. Der Baum wird gehört. Noch mehr. Im Gesang des
Orpheus verwandelt sich das Sichtbare über das Hörbare hinaus in
eine letzte Stille. Der Gesang des Orpheus ist Schweigen, und aus
dem Schweigen kommt der neue Anfang. Das ist nur möglich, wenn
auch unser Gehör sich verwandelt.
Das ist hier der Hintergrund. Das ist ein mystischer Weg, dass wir
alles Sichtbare über das Hörbare hinaus verwandeln oder mit ihm
verwandelt werden in eine ewige Stille, völlig gesammelt. Das sind
Bewegungen des Geistes. Jetzt versteht ihr meine Vorliebe für Rilke,
wenn ich ein bisschen erläutere, was hinter diesen Sonetten wirkt.
Davor, nach dem ersten Sonett, führt Rilke dieses Thema der
Verwandlung vom Sichtbaren ins Hörbare weiter. Vielleicht soll ich
das auch noch sagen. Die Sonette an Orpheus sind als ein Grabmal
geschrieben für ein junges Mädchen, eine Tänzerin, die mit der Rilke
verbunden war und früh starb. Das beschreibt er in diesem zweiten
Sonett. Ich hoffe, ich bringe es zusammen.
Sie schläft in seinem Ohr, und alles, was er hört, hört sie mit in
ihrem Schlaf. Sie ist verwandelt in das, was er hört, in einem
Gesang, der Leben und Tod miteinander verbindet. Dieses Mädchen
beschreibt seinen Tod in seinem letzten Sonett n Orpheus. Jetzt bin
ich wieder zu weit gegangen natürlich. Ich galoppiere davon, weil
Rilke mich berührt. Also, hier sein letztes Gedicht, wo er sein
eigenes Sterben beschreibt. Dann höre ich auf mit Rilke. Nur das
noch.
Die ganzen Sonette an Orpheus Teil 1 und Teil 2 habe ich mit
meinen Erläuterungen als ein Hörbuch herausgegeben und nur auch
als Buch. Näheres dazu finde Sie unter www.Hellinger-shop.com
Die Spieler
und spielen
Zug um Zug,
verschiedene Figuren
Meister.
Siebtens: Der Unternehmer freut sich über seinen Erfolg, denn sein
Erfolg macht glücklich. Wenn der Unternehmer glücklich ist und es
anderen zeigt, freuen sich seine Mitarbeiter und mit ihnen ihre
Familien.