You are on page 1of 49

LsliTdliiiv (fcrinan

A N T O I N E DE S A I N T - E X U P É R Y

D cr A u t o r erz,ahlt uns i n diesem reizenden Marchen

von seiner Begegnung mit -,einem ganz aiu-^cr^cwolm'

lich kleinen Wesen', dem Bewohner eines anderen Pl.incicn,

nicht grosser ais ein Haus. N a c h und nach h ó r t dcr L\-er die

m e r k w ü r d i g e Geschichte dieses winzigen Geschüpíes—der

kleine Prinz—und w i e er sieben Planeten bereiste und zum

i
Schluss auf der Erde landete. Hier, dank einem Fuen-, hat er

endlich das Geheimnis gelernt, was im Lebcn wirkhch

w i c h t i g ist.

Ciiv.T illii'-tr.inrinjí c o p y r i g h t b y H a r c o u n , 1T

i\-t .•wcil i'J/i liy (Consuelo Jo Saint-tixupery

A Harvest Book
H;Li\:ourt, Inc.
525 ¡i Suvet, Sun Diego, C A 92101
15 t'ust 2fiíh Street, New York, N Y 10010
w w w . li.iii_i.uit.ioni

M.inuf.iauiv.L m China 0901


M IT ZEICHNUNGEN DES VERFASSERS

ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY

A.

ÜBERSETZT A U SD E M F R A N Z Ó S I S C H E N V O N
G R E T E U N DJ O S E F L E I T G E B

7
y

•y
A HARVEST BOOK

Ich yjaubc, dafi cr zu .seiner Fincha ciñen Zug wildcr HARCOURT, INC.

Vbgcl hnuutzt hat. San Diego New York London


Copyright 194/5 by Harcourt, Inc.
Copyright renewed 1971 by Consuelo de Saint-Exupéry
Germán translation copyright © 1956
by Karl Rauch Verlag GmbH FÜR LEON WERTH

A1I rigbts reserved. No part of this publication may be reproduced or Ich bitte die Kinder u m Verzeihung, dafi ich
transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, dieses Buch einem Erwachsenen widme. Ich
including photocopy, recording, or any information storage and retríeval
habe eine ernstliche Entschuldigung dafür:
system, without permission in writíng from the publisher.
dieser Erwachsene ist der beste Freund, den
Requests for permission to makx copies of any part of the work ich i n der Welt habe. Ich habe noch eine
should be mailed to the following address: Permissions Department, Entschuldigung; dieser Erwachsene kann alies
i liirvinirt, Inc, 6277 Sea Harbor Drive, Orlando, Florida 32887-6777.
verstehen, sogar die Bücher für Kinder. Ich
www, harcourt. com
habe eine dritte Entschuldigung: dieser Er-
wachsene wohnt in Frankreich, wo er hungert
Library of Congress Catalogíng-in-Publication Data und friert. Er braucht sehr notwendig einen
Saint-Exupéry, Antoine de, 1900-1944.
Trost. Wenn alie diese Entschuldigungen nicht
(Petit prince. Germán.]
Der kleine Prini/Antoine de Saint-Exupéry. ausreichen, so will ich dieses Buch dem Kinde
p. cm. widmen, das dieser Erwachsene einst war. Alie
I. Title. groBen Leute sind einmal Kinder gewesen
P234.S189 2001
(aber wenige erinnern sich darán). Ich ver-
843'.912—dc21 00-13000
ISBN 0-15-601386-X bessere also meine Widmung:

G H F FÜR LEON WERTH


A L S ER N O C H E I N J U N G E W A R
Manufactured in China

The illustrations in this book were done in pen and watercolor


on Fidelity Onion Skin and Macadam Bond papers.
The text typc was set in Goudy Oldstyle by
R & S Book Composition, La Mesa, California.
Color separations by Bright Arts Ltd., Hong Kong
Manufactured by South China Printing Company, Ltd., China
Production supervisión by Sandra Grebenar and Pascha Gerlinger
Designed byjudythe Sieck
A
JLXLS I C H S E C H S Jahre alt war, sah ich einmal i n
einem Buch ü b e r den U r w a l d , das „ E r I e b t e Geschich-
t e n " hieR, e i n práchtiges B i l d . Es stellte eine Riesen-
schlange dar, wie sie ein W i l d t i e r verschlang.
I n dem Buche hieB es: ,,Die Boas verschlingen ihre
Beute ais Ganzes, ohne sie zu zerbeiBen. Daraufhin
k ó n n e n sie sich nicht mehr r ü h r e n u n d schlafen sechs
Monate, u m zu verdauen."
Ich habe damals viel ü b e r die Abenteuer des
Dschungels nachgedacht, u n d ich vollendete m i t einem
Farbstift meine erste Zeichnung. M e i n e Zeichnung Nr.
1. So sah sie aus:

Ich habe den groBen Leuten m e i n Meisterwerk


gczeigt u n d sie gefragt, ob ihnen meine Zeichnung nicht
Angst mache.

1
Sie haben m i r geantwortet: W a r u m sollen w i r vor
n So habe ich i m Laufe meines Lebens m i t einer
einem H u t c Angst haben?" Menge ernsthafter Leute zu t u n gehabt. Ich b i n viel mit
Meine Zeichnung stellte aber keinen H u t ciar. Sie Erwachsenen umgegangen und habe Gelegenheit gehabt,
stellte eine Riesenschlange dar, die einen Elefanten ver- sie ganz aus der N á h e zu betrachten. Das hat meiner
daut. Ich habe dann das Innere der Boa gezeichnet, ura M e i n u n g ü b e r sie nicht besonders gut getan.
es den groBen Leuten deutlich zu machen. Sie brauchen W e n n ich jermanden traf, der m i r ein biBchen
ja i m m e r E r k l á r u n g e n . Hier meine Zeichnung Nr. 2: heller v o r k a m , versuchte ich es m i t meiner Zeichnung
Nr. 1, die ich gut aufbewahrt habe. I c h wollte sehen, ob
er w i r k l i c h etwas los hatte. A b e r jedesmal bekam ich
zur A n t w o r t : ,,Das ist ein H u t , " D a n n r é d e t e ich m i t
i h m weder ü b e r Boas, noch ü b e r U r w á l d e r , noch ü b e r
die Sterne. Ich stellte m i c h auf seinen Standpunkt. Ich
D i e groBen Leute haben m i r geraten, m i t den sprach m i t i h m ü b e r Bridge, Golf, Politik und Krawat-
Zeichnungen v o n offenen oder geschlossenen Reisen- ten. U n d der groBe Mensch war áufíerst befriedigt,
schlangen aufzuhoren u n d m i c h mehr für Geographie, einen so v e r n ü n f t i g e n M a n n getroffen zu haben.
Geschichte, Rechnen und G r a m m a t i k zu interessieren.
So k a m es, daB ich eine groBartige Laufbahn, die eines
II
Malers n á m l i c h , bereits i m A l t e r v o n sechs Jahren auf*
gab. D c r MiBerfolg meiner Zeichnungen Nr. 1 u n d Nr. I C H B L I E B A L S O allein, ohne jemanden, m i t dem ich
2 hatte m i r den M u t genommen. D i e grofíen Leute ver- w i r k l i c h hatte sprechen k ó n n e n , bis ich vor sechs
stehen nie etwas v o n selbst, u n d für die K i n d e r ist es zu Jahren einmal eine Panne i n der W ü s t e Sahara hatte.
anstrengend, ihnen i m m e r u n d i m m e r vvieder erklaren Etwas an meinem M o t o r war kaputtgegangen. U n d da
zu m ü s s e n . ich weder einen Mechaniker noch Passagiere bei m i r
Ich war also gezwungen, einen anderen Beruf zu hatte, machte ich m i c h ganz allein an die schwierige
w á h l e n , u n d lernte fliegen. Ich b i n überall i n der Welt Reparatur. Es war für m i c h eine Frage auf Leben u n d
herumgeflogen, u n d die Geographie hat m i r dabei w i r k - Tod. Ich hatte für k a u m acht Tage Trinkwasser m i t .
l i c h gute Dienste geleistet. Ich konnte auf den ersten A m ersten A b e n d b i n ich also i m Sande einge-
Blick China v o n A r i z o n a unterscheiden. Das ist sehr schlafen, tausend M e i l e n v o n jeder bewohnten Gegend
praktisch, wenn man sich i n der Nacht v e r i r r t hat. entfernt. Ich war viel verlassener ais ein Schiffbrüchiger

2 3
auf einem FloB mitren i m Ozean. I h r k ó n n t euch daher
meine Cberraschung vorstellen, ais bei Tagesanbruch
eine seltsamc kleine Stimme m i c h weckte:
,,Bitte . . . zeichne m i r ein Schaf!"
„Wie bitte?"
Zeichne m i r ein Schaf..,"
Ich b i n auf die FüBe gesprungen, ais w á r e der Blitz
in m i c h gefahren, Ich habe m i r die Augen gerieben u n d
genau hingeschaut. Da sah ich ein kleines, h ó c h s t
u n g e w ó h n l i c h c s M á n n c h e n , das m i c h ernsthaft betrach*
tete. H i e r das beste Portrat, das ich spater v o n i h m
zuwege brachte. A b e r das B i l d ist b e s t i m m t nicht so
bezaubernd wie das M o d e í l . Ich k a n n nichts dafür. Ich
war i m A l t e r v o n sechs Jahren v o n den groBen Leuten
aus meiner Malerlaufbahn geworfen w o r d e n u n d hatte
nichts zu zeichnen gelernt ais geschlossene u n d offene
Reisenschlangen.
Ich schaute m i r die Erscheinung also m i t groBen,
staunenden Augen an. VergeBt nicht, daB ich m i c h
tausend M e i l e n abseits jeder bewohnten Gegend be*
fand. A u c h schien m i r m e i n kleines M á n n c h e n nicht
v e r i r r t , auch nicht h a l b t o t vor M ü d i g k e i t , Hunger,
D u r s t oder A n g s t . Es machte durchaus nicht den Ein*
d r u c k eines m i t t e n i n der W ü s t e verlorenen Kindes,
tausend M e i l e n v o n jeder b e w o h n t e n Gegend. A i s ich
endlich sprechen konnte, sagte ich zu i h m :
, , A b e r . . . was machst denn d u da?"
D a wiedcrholte es ganz sanft, wie eine sehr ernst*
hafte Sache:

4
, , B i t t e . . . zeichne m i r ein Schaf..." ¿,NeinJ Das ist schon sehr krank. M a c h ein anderes."
W e n n das Geheimnis zu e i n d r u c k s v o l l ist, wagt Ich zeichnete.
man nicht zu widerstehen. So absurd es m i r crschien-—
tausend M e i l e n v o n jeder menschlichen Behausung
und i n Todesgefahr—, ich zog aus meiner Tasche ein
Blatt Papier u n d eine Füllfeder. D a n n aber erinnerte ich
m i c h , daB ich vor allem Geographie, Geschichte, Rech-
nen u n d G r a m m a t i k studiert hatte, u n d m i B m u t i g sagte
ich zu dem M á n n c h e n , daB ich n i c h t zeichnen k ó n n e .
Es antwortete: M e i n Freund láchelte artig u n d m i t Nachsicht:
,,Das macht nichts. Zeichne m i r ein Schaf." ,,Du siehst w o h l . . . das ist kein Schaf, das ist ein
Da ich nie ein Schaf gezeichnet hatte, machte ich Widder. Es hat H ó r n e r . .
ihm eine v o n den einzigen zwei Zeichnungen, die ich Ich machte also meine Zeichnung hoch einmal.
zuwege brachte.
Die v o n der geschlossenen Riesenschlange. U n d ich
war h ó c h s t verblüfft, ais ich das M á n n c h e n sagen h ó r t e :
,,Nein! NeinJ Ich w i l l keinen Elefanten i n einer
Riesenschlange. Eine Riesenschlange ist sehr gefáhrlich
und ein Elefant braucht viel Platz. Bei m i r zu Hause ist
wenig Platz. Ich brauche ein Schaf. Zeichne m i r ein A b e r sie w u r d e ebenso abgelehnt wie die vorigen:
Schaf." ,,Das ist schon zu alt. I c h w i l l ein Schaf, das lange
A l s o habe ich gezeichnet. lebt."
Mir ging die G e d u l d aus, es war h ó c h s t e Zeit,
meinen M o t o r auszubauen, so kritzelte ich diese Zeich-
/—
V nung da zusammen u n d k n u r r t e dazu:

Das M á n n c h e n schaute aufmerksam zu, dann sagte es:

6 7
,,Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, steckt LXrnd ich war stolz, i h m sagen zu konnen, daB ich
da d r i n . " fliege. D a rief er:
U n d ich war h ó c h s t ü b e r r a s c h t , ais ich das Gesicht „Wie! D u bist v o m H i m m e l gefallen?"
meines jungen K r i t i k e r s aufleuchten sah: ,Ja", sagte ich bescheiden.
,,Das ist ganz so, wie ich es m i r g e w ü n s c h t habe. , , A h ! Das ist ja l u s t i g . . . "
M e i n s t d u , dafi dieses Schaf viel Gras braucht?" Und der kleine Prinz bekam einen ganz tollen
„Warum?" Lachanfall, der m i c h ordentlich árgerte. Ich lege W e r t
,,Weil bei m i r zu Hause alies ganz klein i s t . . . " darauf, dafi meine U n f á l l e ernst genommen werden. Er
,,Es w i r d bestimmt ausreichen. Ich habe d i r ein ganz aber fuhr fort:
kleines Schaf geschenkt." ,,Also auch d u k o m m s t v o m H i m m e l ! V o n welchem
Er neigte den K o p f ü b e r die Zeichnung: Planeten bist d u denn?"
,,Nicht so klein w i e . . . A b e r sieh nur! Es ist einge- D a ging m i r ein Licht auf ü b e r das Geheimnis seiner
schlafen..," Anwesenheit u n d ich fragte hastig:
So machte ich die Bekanntschaft des kleinen , , D u k o m m s t also v o n einem anderen Planeten?"
Prinzen. A b e r er antwortete nicht. Er s c h ü t t e l t e n u r sanft
den Kopf, i n d e m er mein Flugzeug musterte:
,,Freilich, auf d e m D i n g da kannst d u nicht allzu
III
weit h e r k o m m e n . .
ICH BRAUCHTE LANCE Zeit, u m zu verstehen, U n d er versank i n eine T r á u m e r e i , die lange dauerte.
woher er k a m . Der kleine Prinz, der viele Fragen an D a n n nahm er m e i n Schaf aus der Tasche u n d vertiefte
m i c h richtete, schien die meinen nie zu h ó r e n . Zufállig sich i n den A n b l i c k seines Schatzes.
aufgefangene W o r t e haben m i r nach und nach
sein Geheimnis e n t h ü l l t . So fragte cr, ais er IHR K Ó N N T E U C H vorstellen, wie stark diese A n *
zum erstenmal m e i n Flugzeug sah (ich werde deutung ü b e r die ,,anderen Planeten" m i c h beunruhi*
mein Flugzeug nicht zeichnen, das ist eine gen muBte. Ich b e m ü h t e m i c h also, mehr zu erfahren:
viel zu komplizierte Sache für mich): W o h e r k o m m s t d u , m e i n kleines Kerlchen? W o
,,Was ist das für ein D i n g da?" bist d u denn zu Hause? W o h i n willst d u mein Schaf
,,Das ist kein D i n g . Das fliegt. Das ist ^ | 'i mitnehmen?"
ein Flugzeug." Er antwortete nach einem nachdenklichen Schweigen:

9
,,Die Kiste, die d u m i r da geschenkt hast, hat das mal so klein sind, daB man M ü h e hat, sie i m Fernrohr
Gute, daB sie i h m nachts ais Haus dienen k a n n . " zu sehen. W e n n ein A s t r o n o m einen v o n ihnen entdeckt,
,,GewiR. U n d wenn du brav bist, gebe ich d i r auch gibt er i h m statt des
einen Strick, u m es t a g s ü b e r anzubinden, U n d einen Namens eine N u m -
Pflock dazu." mer. Er nennt ihn
Dieser Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu zum Beispiel: Aster-
kránken: i o i d Nr. 3.251.
,,Anbinden? Was für eine komische Idee!" J Ich habe ernst-
,,Aber wenn d u es nicht anbindest, w i r d es d o c h hafte G r ü n d e zu glau-
weglaufen..." ben, daB der Planet, v o n
Da brach m e i n Freund i n ein neuerliches G e l á c h t e r d e m der kleine Prinz kam, der
aus: A s t e r o i d B 612 ist. Dieser Planet ist n u r
,,Aber w o solí es denn hinlaufen?" ein einziges M a l i m Jahre 1909 v o n
,,Irgendwohin. Geradeaus..." einem t ü r k i s c h e n A s t r o n o m e n i m Fern-
Da versetzte der kleine Prinz ernsthaft: r o h r gesehen worden.
,,Das macht nichts aus, es ist so k l e i n bei m i r zu Er hatte damals b e i m i n t e r n a t i o n a l e n
Hause!" AstronomenkongreB einen groBen V o r t r a g
Und, vielleicht ein biBchen s c h w e r m ü t i g , fügte er ü b e r seine Entdeckung gehalten. A b e r niemand hatte
hinzu: ihm geglaubt, u n d zwar ganz einfach seines Anzuges
,,Geradeaus k a n n man nicht sehr weit g e h n . . . " vvegen. D i e groBen Leute sind so.
Z u m G l ü c k für den Ruf des Planeten B 612 befahl
ein t ü r k i s c h e r D i k t a t o r seinem V o l k bei Todesstrafe,
IV
n u r noch e u r o p á i s c h e Kleider zu tragen. D e r A s t r o n o m
ICH HATTE EINE zweite sehr wichtige Sache er- wiederholte seinen V o r t r a g i m Jahre 1920 i n einem sehr
fahren: der Planet seiner H e r k u n f t war k a u m groBer ais eleganten Anzug. U n d diesmal gaben sie i h m alie recht.
ein Haus! W e n n ich euch dieses n e b e n s á c h l i c h e D r u m u n d
Das erschien m i r gar nicht verwunderlich. Ich wuBte D r a n ü b e r den Planeten B 612 erzáhle u n d euch sogar
ja, daB es auBer den groBen Planeten wie der Erde, dem seine N u m m e r anvertraue, so geschieht das der groBen
Júpiter, dem Mars, der Venus, denen man Ñ a m e n gege- Leute wegen. D i e groBen Leute haben eine Vorliebe
ben hat, noch H u n d e r t e v o n anderen gibt, die manclv für Zahlcn. W e n n i h r ihnen v o n einem neuen Freund

ÍO
erzáhlt, befragen sie
euch nie ü b e r das We-
sentliche. Sie fragen
euch nie: W i e ist der
Klang seiner Stimme?
Welche Spieíe liebt er
am meisten? Sammelt
er Schmcttcrlinge? Sie fragen euch: W i e alt ist
er? W i e v i e l B r ü d e r hat er? Wieviel wiegt er?
Wievie] verdient sein Vater? D a n n erst glauben sie, i h n
zu kennen. W e n n i h r zu den groBen Leuten sagt:
Ich habe ein sehr s c h ó n e s Haus m i t roten Ziegeln
gesehen, m i t Geranien vor den Fenstern u n d Tauben
auf dem D a c h . . . dann sind sie nicht imstande, sich
dieses Haus vorzustellen. M a n m u B ihnen sagen: Ich
habe ein Haus gesehen, das hunderttausend Franken
wer-t ist. D a n n schreien sie gleich: A c h , wie schon!
So auch, wenn ihr ihnen sagt: Der Beweis dafür, daB
es den kleinen Prinzen w i r k l i c h gcgeben hat, besteht
darin, daB er e n t z ü c k e n d war, daB er lachte u n d daB er
ein Schaf haben wollte; denn wenn man sich ein Schaf
w ü n s c h t , ist es doch ein
Beweis dafür, daB man
lebt,—dann werden sie
die Achseln zucken u n d j
euch ais K i n d e r behan-
deln. A b e r wenn i h r U "1
ihnen sagt: der Planet,
von dem er kam, ist dcr

12
Planet B 612, dann werdcn sie ü b e r z e u g t sein u n d euch Zeichnung geht, die andere ist schon nicht mehr ahn-
m i t ihren Fragen i n Ruhe lassen. So sind sie. Vían darf lich. Ich irre m i c h auch m i t u n t e r i n den MaBen. D a ist
ihnen das auch nicht ü b e l n c h m e n . Kinder m ü s s e n m i t der kleine Prinz zu groB u n d da ist er zu k l e i n . A u c h die
groBen Leuten viel Nachsicht haben. Farbe seiner Kleider macht m i r Kummer. D a n n probiere
W i r freilich, die w i r wissen, was das Leben eigent- ich h i n u n d her, so gut es eben geht, I c h werde mich ver-
lich ist, w i r machen uns n u r lustig ü b e r die albernen m u t l i c h auch bei wichtigeren Einzelheiten irren. A b e r
Zahlen. V i e l lieber hatte ich diese Geschichte begonnen das m u B man doch schon nachsehen. M e i n Freund hat
wie ein M a r c h e n . A m liebsten hatte ich so angefangen: m i r nie E r k l á r u n g e n gegeben. Erglaubte wahrscheinlich,
Es war einmal ein kleiner Prinz, der wohnte auf ich sei wie er. A b e r ich b i n leider nicht í m s t a n d e , d u r c h
einem Planeten, der kaum gróBer war ais er selbst, u n d die Kistenbretter h i n d u r c h Schafe zu sehen. Ich gleiche
er brauchte einen F r e u n d . . . F ü r die, die das Leben doch w o h l schon eher den groBen Leuten. Ich muBte ja
richtig verstehen, w ü r d e das viel g l a u b w ü r d i g e r klingen. i m Laufe der Zeit alter werden.
D e n n ich m ó c h t e nicht, daB m a n m e i n Buch leicht
n i m m t . Ich empfinde so viel K u m m e r beim E r z á h l e n
V
dieser Erinnerungen. Es ist n u n schon sechs Jahre her,
daB mein Freund m i t seinem Schaf davongegangen ist. J E D E N T A G E R E U H R ich etwas Neues ü b e r den Pla-
W e n n ich hier versuche, i h n zu beschreiben, so tue ich neten, ü b e r die Abreise u n d ü b e r die Fahrt. Das ergab
das, u m i h n n i c h t zu vergessen. Es ist traurig, einen sich ganz sachte i m Laufe meiner Uberlegungen. So
Freund zu vergessen. N i c h t jeder hat einen Freund lernte ich am d r i t t e n Tage die Tragodie der Affenbrot*
gehabt. U n d ich konnte wie die groBen Leute werden, bá'ume kennen. A u c h dies verdanke i c h schlieBlich dem
die sich n u r für Ziffern interessieren, deshalb habe ich Schaf, denn u n v e r m i t t e l t fragte m i c h der kleine Prinz,
m i r schlieBlich auch einen Farbenkasten u n d Zeichen- ais wáre er v o n einem schweren Zweifel geplagt:
stifte gekauft. ,,Es s t i m m t doch, daB Schafe Stauden fressen?"
Es ist schwer, sich i n meinem A l t e r noch einmal m i t „Ja, das s t i m m t . "
dem Zeichnen einzulassen, wenn man seit seinem sech- , , A c h , da b i n ich froh!"
sten Lehensjahre nie andere Versuche gemacht hat ais die Ich verstand nicht, w a r u m es so wichtig war, daB
mit einer geschlossenen und offenen Klapperschlange. Schafe Stauden fressen. A b e r der kleine Prinz fügte
Ich werde s e l b s t v e r s t á n d l i c h versuchen, die Bilder so hinzu:
wirklichkeitsgetrcu wie m ó g l i c h zu machen. A b e r ich ,,Dann fressen sie doch auch A f f e n b r o t b á u m e ? "
b i n nicht ganz sichcr, ob es m i r gclingen w i r d . D i e eine Ich e r k l á r t e dem kleinen Prinzen a u s f ü h r l i c h , daB

14 15
Affenbrotbaume doch keine Stauden sind, sondern
k i r c h t u r m h o h e Baume, und selbst wenn er eine ganze
Herde Elefanten m i t n á h m e , w ú r d e diese Herde nicht
m i t einem einzigen A f f e n b r o t b a u m fertig werden.
Der Einfall m i r den Eíefanten brachte i h n zum
Lachen.
, , M a n m ü B t e sie ü b e r c i n a n d e r s t e l l e n . .
A b e r dann bemcrkte er klugerweise:
,,Bevor die A f f e n b r o t b a u m e groB werden, fangen
sie ja erst d a m i t an, klein zu sein."
„ D a s ist schon richtig. A b e r w a r u m willst d u , daB
deinc Schafe die kleinen A f f e n b r o t b a u m e fressen?"
Er antwortete: ,,Schon gut! W i r werden ja sehen!"
ais ob es sich da u m das klarste D i n g der W e l t handelte. harmlosen. W e n n es sich u m einen Radiesche-
U n d ich muBte meinen ganzen Verstand aufhieten, u m noder Rosentrieb handelt, kann man i h n wachsen
der Sache auf den G r u n d zu k o m m e n . lassen, wie er w i l l . Aber wenn es sich u m eine schád-
In der Tat gab es auf dem Planeten des kleinen liche Pflanze handelt, muB man die Pflanze beizeiten
Prinzen wie auf alien Planeten gute Gcwá'chse u n d herausreiBen, sobald man erkannt hat, was für eine es
schlechte G e w á c h s e . Infolgedessen auch gute Samen* ist. A u f dem Planeten des kleinen Prinzen gab es fürch-
k ó r n e r v o n guten G e w á c h s e n u n d terliche S a m e n . . . u n d das waren die Samen der A f f e n -
schlechte Samenkorner von brotbaume. D e r Boden des Planeten war v o l l davon.
schlechten G e w á c h s e n . A b e r A b e r einen A f f e n b r o t b a u m k a n n man, wenn man i h n
die Samen sind unsicht- zu spát angeht, nie mehr loswerden. Er b e m á c h t i g t sich
,^ bar. Sie schlafen geheim- des ganzen Planeten. Er d u r c h d r i n g t i h n m i t seinen
nisvoll in der Erde, bis W u r z e l n . U n d w e n n der Planet zu klein ist u n d die
es einem v o n ihnen einfállt, Affenbrotbaume zu zahlreich werden, sprengen sie i h n .
aufzuwachen. D a n n stteckt ,,Es ist eine Frage der D i s z i p l i n " , sagte m i r spáter der
er sich und treibt zuerst kleine Prinz. „ W e n n man seine Morgentoilette beendet
s c h ü c h t e r n einen entzüchenden hat, muB man sich ebenso sorgfáltig an die Toilette des
kleinen SproB zur Sonne, einen ganz Planeten machen. M a n muB sich regelmáBig dazu zwingen,

16 17
die SproBlinge der Affenbrotbaume auszureiBen, sobald
man sie v o n den R o s e n s t r á u c h e r n unterscheiden kann,
denen sie in der Jugend sehr áhnlich sehn. Das ist eine
zwar langweilige, aber leichte A r b e i t . "
U n d eines Tages riet er mir, ich solle m i c h be-
m ü h e n , eine s c h ó n e Zeichnung zustande zu bringen,
d a m i t es den K i n d e r n bei m i r daheim auch richtig i n
den K o p f gehe. ,,Wenn sie eines Tages auf die Reise
gehn'', sagte er, ,, k a n n es i h n e n zugute kommen.
Zuweilen macht es ja w o h l nichts aus, wenn m a n seine
A r b e i t auf spater verschiebt. A b e r wenn es sich u m A f -
fenbrotbaume handelt, f ü r r t das stets zur Katastrophe.
Ich habe einen Planeten gekannt, den ein Faulpelz be-
wohnte. Er hatte drei Straucher ü b e r s e h e n . . . "
U n d so habe ich denn diesen Planeten nach den
Angaben des kleinen Prinzen gezeichnet. I c h nehme
nicht gerne den Tonfall eines M o r a l i s t e n an. A b e r
die G e f á h r l i c h k e i t der A f f e n b r o t b a u m e ist so wenig
bekannt, u n d die Gefahren, die jedem d r o h e n , der sich
auf einen A s t e r o i d e n v e r i r r t , sind so b e t r á c h t l i c h , daB
ich für dieses eine M a l aus meiner Zurückhaltung
heraustrete. Ich sage: Kinder, A c h t u n g ! D i e A f f e n b r o t -
b á u m e í U m meine Freunde auf eine Gefahr aufmerk-
sam zu machen, d i e — u n e r k a n n t — i h n e n wie m i r seit
langem d r o h t , habe i c h so viel an dieser Zeichnung
gearbeitet. D i e Lehre, die ich d a m i t gebe, ist gewiB der
M ü h e w e r t . I h r werdet euch vielleicht fragen: W a r u m
e n t h á l t dieses Buch n i c h t noch andere, ebenso groBar-
tige Zeichnungen wie die Zeichnung v o n den A f f e n -
b r o t b á u m e n ? D i e A n t w o r t ist sehr einfach: Ich habe

18 Die Affenbrotbaume
„ W a r t e n , bis die Sonne untergeht."
D ü hast zuerst ein sehr erstauntes Gesicht gemacht
und dann ü b e r dich selber gelacht. U n d d u hast zu m i r
gesagt:
,,Ich bilde m i r i m m e r ein, ich sei zu Hause!"
In der Tat. W e n n es i n den Vereinigten Staaten
M i t t a g ist, geht die Sonne, wie jedermann weiB, i n
Frankreich unter. U m d o r t einem Sonnenuntergang
beizuwohnen, m ü B t e man i n einer M i n u t e nach Frank-
reich fliegen k ó n n e n . U n g l ü c k l i c h e r w e i s e ist Frank-
reich viel zu weit weg. A b e r auf deinem so kleinen
Planeten g e n ü g t e es, den Sessel u m einige Schritte
w e i t e r z u r ü c k e n . U n d d u erlebtest die D á m m e r u n g , so
oft d u es w ü n s c h t e s t , . .
ist m i r nicht gelungen. A i s ich die Affen- '<fc
, , A n einem Tag habe ich die Sonne dreiundvierzig-
b r o t b á u m e zeichnete, war ich v o m G e f ü h l der \¡>
mal untergehn sehn!"
Dringlichkeit beseelt.
U n d ein wenig spater fügtest d u hinzu:
, , D u weiBt doch, w e n n man recht traurig ist, liebt
VI
man die S o n n e n u n t e r g á n g e . . . "
ACH, K L E I N E R P R I N Z , SO nach u n d nach habe ich , , A m Tage m i t den dreiundvierzigmal warst d u also
dein kleines s c h w e r m ü t i g e s Leben verstanden. Lange besonders traurig?" A b e r der kleine Prinz antwortete
Zeit hast du, u m dich zu zerstreuen, nichts anderes nicht.
gehabt ais die Lieblichkeit der S o n n e n u n t e r g á n g e . Das
erfuhr ich am M o r g e n des vierten Tages, ais d u m i r
VII
sagtest:
,Jch liebe die S o n n e n u n t e r g á n g e sehr. K o m m , laB A M F Ü N F T E N T A G war es wieder das Schaf, das ein
uns einen Sonnenuntergang anschauen . . . " Lebensgeheimnis des kleinen Prinzen e n t h ü l l e n half.
,,Da m u B m a n n o c h w a r t e n . . Er fragte m i c h u n v e r m i t t e k , ohne Umschweife, ais
,,Worauf denn warten?" pflückte er die Frucht eines i n langem Schweigen
gereiften Problems:

21
,,Wenn ein Schaf S t r á u c h e r friBt, so friBt es d o c h D e r kleine Prinz s t ó r t e miene Ü b e r l e g u n g e n v o n
auch die Blumen?" neuem:
,,Ein Schaf friBt alies, was i h m vors M a u l k o m m t . " , , U n d d u glaubst, daB die B l u m e n . . . "
, , A u c h die B l u m e n , die D o r n e n haben?" ,,Aber nein! A b e r nein! I c h glaube nichts! I c h habe
,,Ja. A u c h die B l u m e n , die D o m e n haben." irgend etwas dahergeredet. W i e d u siehst, bescháftige
,,Wozu haben sie dann die D o r n e n ? " ich m i c h m i t wichtigeren D i n g e n ! "
Ich wuBte es nicht. Ich war gerade m i t d e m Versuch Er schaute m i c h verdutzt an.
beschaftigt, einen zu streng angezogencn Bolzen meines , , M i t wichtigeren D i n g e n ! "
M o t o r s abzuschrauben. Ich war i n groBer Sorge, da m i r Er sah m i c h an, wie ich m i c h m i t d e m H a m m e r i n
meine Panne sehr bedenklich zu erscheinen begann, der H a n d u n d v o m S c h m i e r ó l verschmutzten H á n d e n
u n d ich machte m i c h aufs Schlimmste gefaBt, weil das ü b e r einen Gegenstand beugte, der i h m ausgesprochen
Trinkwasser zur Neige ging. háBlich erscheinen muBte.
,,Was für einen Zweck haben die D o r n e n ? " , , D u sprichst ja wie die groBen Leute!"
D e r kleine Prinz verzichtete niemals auf eine Frage, Das b e s c h á m t e m i c h . Er aber fügte unbarmherzig
wenn er sie einmal gestellt hatte. Ich war vóllig m i t hinzu:
m e i n e m Bolzen beschaftigt u n d antwortete aufs Gerate- , , D u verwechselst alies, d u bringst alies durcheinan-
wohl: der!"
,,Die D o r n e n , die haben gar keinen Zweck, die B l u - Er w^ar w i r k l i c h sehr aufgebracht. Er s c h ü t t e l t e sein
m e n lassen sie aus reiner Bosheit wachsen!" goldenes Haar i m W i n d .
„Oh!" ,,ích kennc einen Planeten, auf d e m ein puterroter
Er schwieg, A b e r dann w a r f er m i r i n einer A r t H e r r haust. Er hat nie den D u f t einer B l u m e geatmet.
V e r á r g e r u n g zu: Er hat nie einen Stern angeschaut.
,,Das glaube ich d i r nicht! D i e Blumen sind schwach. Er hat nie jemanden geliebt. Er hat nie etwas anderes
Sie sind arglos. Sie s c h ü t z e n sich, wie sie k ó n n e n . Sie ais A d d i t i o n e n gemacht. U n d den ganzen Tag wieder-
bilden sich ein, daB sie m i t H i l f c der D o r n e n gefáhrlich h o l t er wie d u : Ich b i n ein ernsthafter M a n n ! I c h b i n
wáren..." ein ernsthafter Mann! Und das macht ihn ganz
Ich antwortete nichts u n d sagte m i r i m selben A u - geschwollen v o r H o c h m u t , A b e r das ist kein Mensch,
genblick: W e n n dieser Bolzen n o c h lange bockt, werde das ist c i n S c h w a m m . "
ich i h n m i t einem Hammerschlag heraushauen m ü s s e n . ,,Ein was?"

22 23
,,Ein Schwamm!" Ich nahm i h n i n die A r m e . Ich wiegte i h n . Ich flüsterte
Der kleine Prinz war jetzt ganz blaB vor Z o r n . i h m zu: ,,Die Blume, die d u liebst, ist nicht i n Gefahr.,.
,,Es sind n u n M i l l i o n e n Jahre, daB die B l u m e n D o r - Ich werde i h m einen Maulkorb zeichnen, deinem
nen h e r v o r b r i n g c n . Es sind M i l l i o n e n Jahre, daB die Schaf.... Ich werde dir einen Zaun für deine Blume zeich-
Schafe trotzdem die B l u m e n fressen. U n d d u findest es nen . . . I c h . . . " i c h wuBte nicht, was ich noch sagen sollte.
unwichtig, w e n n man wissen m ó c h t e , w a r u m sie sich so Ich kam m i r sehr ungeschickt vor. Ich wuBte nicht, wie
viel M ü h e geben, D o r n e n hervorzubringen, die zu ich zu i h m gelangen, w o ich i h n erreichen k o n n t e . . . Es
nichts Zweck haben? Dieser K a m p f der Schafe m i t den ist so geheimnisvoll, das Land der T r á n e n ,
B l u m e n solí u n w i c h t i g sein? Weniger ernsthaft ais die
A d d i t i o n e n eines dicken, r o t e n Mannes? U n d wenn ich
eine Blume kenne, die es i n der ganzen W e l t nur ein VIII
einziges M a l gibt, nirgends anders ais auf meinem B A L D S O L L T E I C H jene Blume besser kennenlernen.
kleinen Planeten, u n d w e n n ein kleines Schaf, ohne zu Es hatte auf d e m Planeten des kleinen Prinzen i m m e r
wissen, was es t u t , diese Blume eines Morgens so m i t schon B l u m e n gegeben, sehr einfache, aus einem einzi-
einem einzigen BiB a u s l ó s c h e n kann,—das solí nicht gen Kranz v o n B l ü t e n b l á t t e r n geformt; sie spielten
wichtig sein?!" keine groBe Rolle u n d storten niemanden, Sie leuch-
Er wurde r o t vor Erregung u n d fuhr fort: teten eines Morgens i m Grase auf u n d erloschen am
,,Wenn einer eine Blume liebt, die es nur ein A b e n d . A b e r jene eine hatte eines Tages W u r z e l gesch-
einziges M a l gibt auf alien M i l l i o n e n u n d M i l l i o n e n lagen, aus einem Samen, weiB G o t t woher, u n d der
Sternen, dann g e n ü g t es i h m vollig, daB er zu ihnen h i - kleine Prinz hatte diesen SproB, der den andern S p r ó -
naufschaut, u m glücklich zu sein. Er sagt sich: M e i n e Blingen n i c h t glich, sehr genau ü b e r w a c h t . Das konnte
Blume ist da oben, i r g e n d w o . . . W e n n aber das Schaf eine neue A r t A f f e n b r o t b a u m sein. A b e r der Strauch
die Blume friBt, so ist es für i h n , ais w á r e n plótzlich alie h ó r t e bald auf zu wachsen u n d begann, eine B l ü t e
Sterne a u s g e l ó s c h t ! U n d das solí nicht wichtig sein?" anzusetzen. Der kleine Prinz, der der E n t w i c k l u n g einer
Er konnte nichts mehr sagen. Er brach plótzlich i n riesigen Knospe beiwohnte, fühlte wohl, es
Schluchzen aus. D i e Nacht war hereingebrochen. Ich m ü s s e eine wunderbare Erscheinung aus ihr
hatte mein Werkzeug weggelegt. M e i n Hammer, m e i n hervorgehn, aber die B l u m e w u r d e nicht fertig \
r
Bolzen, der D u r s t u n d der Tod, alies w ar m i r gleichgültig. damit, sich i n ihrer g r u ñ e n Kammer auf ihre
Es galt auf einem Stern, einem Planeten, auf dem meini- S c h ó n h e i t vorzubereiten. Sie w á h l t e ihre Farben
gen, hier auf der Erde, einen kleinen Prinzen zu t r ó s t e n ! m i t Sorgfalt, sie zog sich langsam an, sie ordnete ihre

24 25

V i
{
BlütcnbUnter cins nach dem andern. Sie S O " H A T T E SIE i h n sehr bald schon m i t ihrer etwas
wollte nicht wie die M o h n b l ü t e n ganz zerknit- scheuen Eitelkeit gequalt. Eines Tages zum Beispiel, ais
[ !V' tert herauskommen. Sie w o l l t e nicht f r ü h e r sie v o n ihren vier D o r n e n sprach, hatte sie zum kleinen
erscheinen ais i m vollen, O r n a t ihrer Schon- Prinzen gesagt:
hcit. N u n ja! sie w o l l t e gefallen. Ihre ,,Sie sollen n u r k o m m e n , die Tiger, m i t
geheimnisvolle Toilette hatte also ihren Krallen!"
Tage u n d Tage gedauert, Und . ,,Es gibt keine Tiger auf meinem Pía-
/ dann, eines N4orgens, gerade zur i- n e t e n " , hatte der kleine Prinz eingewendet.
Stunde des Sonnenaufgangcs, hatte ,,und die Tiger fressen auch kein
sie sich e n t h ü l l t . Gras."
U n d die, die m i t solcher Genauigkeit gearbeitet 4// V „ I c h b i n kein Gras", hatte die
hatte, sagte g á h n e n d : Blume sanft geantwortet.
,,Ach! ich b i n k a u m aufgewacht... Ich bitte u m ,,Verzeihen Sie m i r . . . "
V e r z e i h u n g . . . Ich b i n n o c h ganz z e r r a u f t . . , " ,,Ich fürchte m i c h n i c h t vor den T i g e r n , aber m i r
D a konnte der kleine Prinz seine B e w u n d c r u n g graut v o r der Zugluft. H á t t e n Sie keinen Wandschirm?"
nicht m c h r verhalten: Grauen vor Z u g l u f t ? . . . Das sind schlechte Aus-
,,Wie schon Sie sind!" sichten für eine Pflanze, hatte der kleine Prinz fest-
N i c h t wahr?" antwortete sanft die Blume. , , U n d gestellt. Diese Blume ist recht s c l r w i e r i g . , .
ich b i n zugleich m i t der Sonne geboren . . . " „ A m A b e n d werden Sie m i c h unter einen Glassturz
Der kleine Prinz erriet w o h l , daB sie n i c h t allzu stellen. Es ist sehr kalt bei Ihnen. Das ist schlecht ein-
bescheiden war, aber sie w^ar so r ü h r e n d ! gerichtet. Da, w o ich h e r k o m m e . , . "
,,Ich glaube, es ist Zeit zum A b e r sie hatte sich unterbrochen. Sie war i n F o r m
F r ü h s t ü c k e n " , hatte sie bald eines Samenkorns gekommen. Sie hatte nichts v o n den
hinzugefügt, ,,hatten Sie die anderen W e l t e n wissen k ó n n e n . B e s c h á m t , sich bei
Gute, an m i c h zu denken?" einer so einfáltigen Lüge ertappen zu lassen, hatte sie
U n d vóllig v c r w i r r t zwei- oder dreimal gehustet, u m den kleinen
hatte der kleine Prinz eine Prinzen ins U n r c c h t zu setzen:
GieBkanne m i t frischem ,,Der W a n d s c h i r m . . . ? "
Wasser geholt u n d die ,,Ich w o l l t e i h n gerade holen, aber
Blume bedient. Sie sprachen m i t m i r ! "

26 27
D a n n hatte sie sich neucrlich zu i h r e m Husten kochen. Er besaB auch einen erloschenen V u l k a n . Da

gezwungen, u m i h m trotzdem Gcwissensbisse aufzu- er sich aber sagte: man k a n n nie wissen! fegte et auch

nótigen. den erloschenen V u l k a n . W e n n sie gut gefegt werden,


brennen die V u l k a n e sanft u n d regelmáBig, ohne Aus-

SO H A T T E D E R kleine Prinz trotz des guten W i l l e n s b r ü c h e . D i e A u s b r ü c h e der V u l k a n e sind nichts weiter

seiner Liebe rasch an ihr zu zwcifeln begonnen, ihre be- ais K a m i n b r á n d e . Es ist klar: w i r auf unserer Erde sind

langloscn W o r t e bitter ernst genommen u n d war sehr viel zu klein, u m unsere Vulkane zu kehren. Deshalb

u n g l ü c k l i c h gcworden. machen sie uns so viel VerdruB.

,,Ich hatte nicht auf sie h ó r e n sollen", gestand er Der kleine Prinz riB auch ein biBchen s c h w e r m ü t i g
mir eines Tages. , , M a n darf den B l u m e n nicht z u h ó r e n , die letzten Triebe des Affenbrotbaumes aus. Er glaubte
man muB sie anschauen u n d einatmen. D i e meine er- nicht, daB er jemals z u r ü c k k e h r e n m ü s s e . A b e r alie
füllte den Planeten m i t D u f t , aber ich konnte seiner diese vertrauten A r b e i t e n erschienen i h m an diesem
nicht f r o h werden. Diese Geschichte m i t den Krallen, M o r g e n ungemein süB. U n d , ais er die Blume zum letz-
die m i c h so gereizt hat, hatte m i c h r ü h r e n sollen." tenmal begoB u n d sich anschickte, sie unter den Schutz

Er vertraute m i r n o c h an: der Glasglocke zu stellen, entdeckte er i n sich das


B e d ü r f n i s zu weinen.
,,Ich habe das damals nicht verstehen k ó n n e n ! Ich
hatte sie nach ihrem T u n u n d nicht nach ihren W o r t e n , , A d i e u " sagte er zur Blume.
t

beurteilen sollen. Sie duftete u n d g l ü h t e für m i c h . Ich A b e r sie antwortete i h m nicht.


hatte niemals fliehen sollen! Ich hatte hinter all den , , A d i e u " , wiederholte er.
armseligen Schlichen ihre Z á r t l i c h k e i t erraten sollen. Die Blume hustete. A b e r das k a m nicht v o n der
Die B l u m e n sind so widerspruchsvoll! A b e r ich war zu Erkaltung.
jung, u m sie lieben zu k ó n n e n . " ,,Ich b i n d u m m gewesen", sagte sie endlich zu i h m .
,,Ich bitte d i c h u m Verzeihung. Versuche, glücklich zu
sein/'
IX Es ü b e r r a s c h t e i h n , daB die V o r w ü r f e aus- í,"^
ICH GLAUBE, D A B er zu seiner Flucht einen Zug blieben. Er st&nd ganz fassungslos da, m i t der
w i l d e r V ó g e l benutzt hat. A m M o r g e n seiner Abreise Glasglocke i n der H a n d . Er verstand diese '.!/. !•
brachte er scinen Planeten schon in O r d n u n g . Sorg* stille Sanftmut nicht. /
fáltig fegte er seine t á t i g e n Vulkane. Er besaB zwei ,,Aber ja, ich liebe d i c h " , sagte die { í y

tatige Vulkane, das war sehr praktisch zum F r ü h s t ü c k ' Blume, , , D u hast nichts davon gewuBt. ^J~b'\y - /

... \ ,J

28 29
Das ist meine Schuld. Es ist ganz unwichtig. A b e r d u
warst ebenso d u m m wie i c h . Versuche, glücklich zu
s e i n . . . LaB diese Glasglocke liegen! Ich w i l l sie n i c h t
mehr..."
„ A b e r der W i n d . . . "
,,Ich b i n n i c h t so stark e r k á l t e t , d a B . . . D i e frische
Nachtluft w i r d m i r gut t u n . I c h b i n eine B l u m e . "
,,Aber die T i e r e . . . "
,,Ich m u B w o h l zwei oder drei Raupen aushalten,
w e n n i c h die Schmetterlinge kennenlernen w i l l . A u c h
das scheint sehr schon zu sein. Wer w i r d m i c h sonst be*
suchen? D u w i r s f ja weit weg sein. Was aber die groBen
Tiere angeht, so f ü r c h t e ich m i c h nicht. I c h habe meine
Krallen."
Und sie zeigte treuherzig ihre vier D o r n e n . D a n n
fügte sie noch hinzu:
,,Zieh es nicht so i n die Lánge, das ist árgerlich. D u
hast d i c h entschlossen, zu reisen. So geh!"
D e n n sie wollte nicht, daB er sie weinen sáhe. Es
war eine so stolze Blume.

X
ER B E F A N D S I C H i n der R e g i ó n der A s t e r o i d e n 325,
326, 327, 328, 329 and 330. Er begann also, s"ie zu be*
suchen, u m sich zu beschaftigen u n d u m sich zu b i l d e n .
A u f dem ersten w o h n t e ein Kónig.
Der K ó n i g thronte i n Purpur u n d H e r m e l i n auf
einem sehr einfachen u n d dabei sehr k ó n i g l i c h e n T h r o n .

31
Er blieb also stehen, u n d da er mude war, g á h n t e er
,,Es v e r s t ó B t gegen die Etikette, i n Gegenwart eines
Kónigs zu g á h n e n " , sagte der M o n a r c h . , , l c h verbiete es
dir."
,,Ich k a n n es nicht u n t e r d r ü c k e n " , antwortete der
kleine Prinz ganz v e r w i r r t . ,,Ich habe eine weite Reise
gemacht u n d habe nicht geschlafen..."
, , D a n n " , sagte der Kónig, ,,béfenle ich dir, zu gáh-
nen. i c h habe seit Jahren niemanden g á h n e n sehen, das
G á h n e n ist für m i c h eine Seltenheit. Los! g á h n e n o c h
einmal! es ist ein Befehl."
,,Das ángstigt m i c h , ich kann nicht m e h r . . . " , stam-
melte der kleine Prinz u n d e r r ó t e t e .
, , H m , h m ! " antwortete der Kónig. , , A i s o d a n n . . .
befehle ich dir, bald zu g á h n e n u n d b a l d . . . "
Er m u r m e l t e ein biBchen u n d schien verárgert.
D e n n der Kónig hielt i n h o h e m MaBe darauf, daB
man seine A u t o r i t á t respcktiere. Er duldete keinen
, , A h ! Sich da, ein L ' n t e r t a n " , rief der Kónig, ais er Ungehorsam. Er war ein absoluter M o n a r c h . Aber, da

den kleinen Prinzen sah, er sehr gütig war, gab er v e r n ü n í t i g e Befehle,

U n d der kleine Prinz fragte sich: wie kann er m i c h ,,Wenn ich g e b ó t e " , pflegte er zu sagen, ,,wenn i c h

kennen, da er m i c h noch nie gesehen hat! einem General gebóte, sich in einen Seevogel zu ver-

Er wuBte nicht. daB für die Kónige die W e l t etwas wandeln, u n d wenn dieser General n i c h t gehorchte, es

h ó c h s t Einfaches ist: A l i e Menschen sind U n t e r t a n e n . w á r e nicht die Schuld des G e n e r á i s . Es w á r e meine


Schuld."
„ K o m m náher, daB ich dich besser sehe", sagte der
K ó n i g u n d war ganz stolz, daB er endlich für jemanden ,,Darf ich m i c h setzen?" fragte s c h ü c h t e r n der kleine

K ó n i g war, Prinz.
,,Ich befehle dir, dich zu setzen", antwortete der
Der kleine Prinz schaute sich nach einer Sitzgele-
Kónig u n d zog einen Zipfel seines Hermelinmantels ma-
genheit u m , aber der ganze Planet war bedeckt v o n dem
x
jestátisch an sich heran.
herrliehen H e r m e l i n m a n t e l . /" "

32
í ) 33
A b e r der kleine Prinz sraunte. D c r Planet war winzig Machen Sic m i r die F r e u d e . . . Befehlen Sie der Sonne,
klein. W o r ü b e r konnte der Kónig w o h l herrschen? unterzugehen..."
„ H c r r " , sagte er zu i h m ich bitte, verzeiht mir, „ W e n n ich einem General gebóte, nach der A r t der
daB ich Euch frage..." Schmetterlinge v o n einer Blume zur andern zu fliegen
,,ích befehle dir, mich zu fragen", beeilte sich der oder eine T r a g ó d i e 2u schreiben oder sich in ciñen
K ó n i g zu sagen. Scevogcl zu verwandeln, und wenn dieser General den
, , H e r r . . . w o r ü b e r herrscht Ihr?" erhaltcnen Befehl nicht a u s f ü h r t e , wcr wiire i m U n -
,,Uber alies", antwortete der Kónig m i t groBer recht, cr oder ich?"
Einrachheit. ,,Sic wáren es", sagte dcr kleine Prinz ü b c r z e u g t .
X ' h e r aJJcs.'" ,,R¡< filig. M a n muB von je dem fordern, wa.s er leis-
Dcr Koni'j wics mir einer hedí insumen (jchíjrdc ;juf ícji huif)", aní worn-Jí* dcr Kónig. ,,í )ic A u (orí tal
seinen Planeten, auf dic andere: i Planeten und auf die herubt vor allcm auf dcr Vernunft. Wenn du deinem
S terne. Volkc hcfichl.si, zu murschicren und sich ins Meer zu
,,Uber all das?" sagte der kleine Prinz. stürzen, w i r d es revoltieren. Ich habe das Recht, Gehor-
,,Uber all d a s . . . " , antwortete der Kónig. sam zu fordern, weil meine Befehle vernünftig s i n d . "
D e n n cr war nicht n u r ein absoluter M o n a r c h , son* ,,Was ist also m i t meinem Sonnenuntergang?" erin*
d e r n ein universeller. nerte der kleine Prinz, der niemals eine Frage vergaB,
, , U n d die Sterne gehorchen Euch?" w e n n er sie einmal gestellt hatte.
,,GewiB", sagte der Kónig. ,,Sie gehorchen aufs ,,Deinen Sonnenuntergang wirst d u haben. Ich
W o r t . Ich dulde keinen Ungehorsam." werde i h n befehlen. A b e r in meiner Herrscherweisheit
Solche M a c h t verwunderte den kleinen Prinzen werde ich warten, bis die Bedingungen dafür g ü n s t i g
sehr. W e n n er sie selbst gehaht hatte, ware es i h m sind."
m ó g l i c h gewesen, nicht dreiundvierzig, sondern zwei- ,,Wann w i r d das sein?" exkundigtc sich der kleine
undsicbzig oder sogar h u n d e r t oder selbst zweihundert Prinz.
Sonnenuntergangen an ein u n d demselben Tage beizu* , , H m , h m ! " antwortete der Kónig, der z u n á c h s t
wohnen, ohne daB er seinen Sesscl hatte rücken j einen groBen Kalender studierte, ,,hm, h m ! das w i r d
m ü s s e n . U n d da er sich in der Erinnerung an seinen sein gegen... gegen... das w i r d heute abend gegen
kleinen verlasscnen Planeten ein biBchen traurig fühlte, | sieben U h r vierzig sein! U n d du wirst sehen, wie m a n
faBte er sich ein Hcrz und bat den Kónig u m eine Gnade: | m i r gehorcht."
,,Ich móchte einen Sonnenuntergang sehen... [ Der kleine Prinz g á h n t e . Es tat i h m leid u m den

34 j 35
v e r s á u m t e n Sonnenuntergang. Er langweilte sich schon h ó r e sie i n der Nacht. D u k ó n n t e s t Richter ü b e r diese
ein biBchen. alte Ratte sein. D u wirst sie v o n Zeit zu Zeit z u m Tode
,,Ich habe hier nichts mehr zu t u n " , sagte er zum verurteilen. So w i r d i h r Leben v o n deiner Recht-
Kónig. ,,Ich werde wieder abreisen!" sprechung a b h á n g e n . A b e r d u w i r s t sie jedesmal beg-
,,Reise n i c h t ab", antwortete der Kónig, der so stolz nadigen, u m sie aufzusparen. Es gibt n u r eine."
war, einen U n t e r t a n e n zu haben, ,,ich mache d i c h zum ,,Ich liebe es nicht, zum Tode zu verurteilen", ant-
Minister!" wortete der kleine Prinz, ,,und ich glaube w o h l , daB ich
,,Zu was für einem Minister?" jetzt gehe."
, , Z u m . . . zum Justizminister!" , , N e i n " , sagte der Kónig.
,,Aber es ist niemand da, ü b e r den man richten A b e r der kleine Prinz, der seine Vorbereitungen
konnte!" bereits getroffen hatte, wollte d e m alten M o n a r c h e n
,,Das weiB m a n n i c h t " , sagte der Kónig. ,,Ich habe nicht w e h t u n :
die Runde u m m e i n K ó n i g r e i c h n o c h n i c h t gemacht. ,,Wenn Eure M a j e s t á t W e r t auf p ü n k t l i c h e n Gehor-
Ich b i n sehr alt, ich habe keinen Platz für einen Wagen sam legen, k ó n n t e n Sie m i r einen v e r n ü n f t i g e n Befehl
und das Gehen macht m i c h mude." erteilen, Sie k ó n n t e n m i r zum Beispiel befehlen, inner-
„Oh! A b e r ich habe schon gesehen", sagte der halb einer M i n u t e zu verschwinden. Es scheint mir, daB
kleine Prinz, der sich b ü c k t e , u m einen Blick auf die die U m s t á n d e g ü n s t i g s i n d . . . "
andere Seite des Planeten zu werfen, ,,es ist auch d o r t Da der K ó n i g nichts erwiderte, zógerte der kleine
drüben niemand.. Prinz zuerst, dann brach er m i t einem Seufzer auf.
,,Du wirst also ü b e r d i c h selbst r i c h t e n " , ant- „ I c h mache d i c h zu meinem Gesandten", beeilte
wortete i h m der Kónig. ,,Das ist das Schwerste. Es ist sich der Kónig, i h m nachzurufen.
viel schwerer, sich selbst zu verurteilen, ais ü b e r andere Er gab sich den Anschein groBer A u t o r i t á t .
zu richten. W e n n es d i r gelingt, ü b e r d i c h selbst gut zu Die groBen Leute sind sehr sonderbar, sagte sich
Gericht zu sitzen, dann bist d u ein w i r k l i c h e r Weiser." der kleine Prinz auf seiner Reise.
,,Ich", sagte der kleine Prinz, „ i c h kann ü b e r m i c h
richten, w o i m m e r ich b i n . Dazu brauche ich n i c h t hier
zu w o h n e n . " XI
, , H m , h m ! " sagte der Kónig, ,,ich glaube, daB es auf D E R Z W E I T E P L A N E T war v o n einem Eitlen bewohnt.
meinem Planeten irgendwo eine alte Ratte gibt. Ich , , A h , ah, schau, schau, ein Bewunderer k o m m t zu

36 37
v
] - Besuch!" rief der Eitle v o n A b e r der Eitle h ó r t e i h n nicht. D i e Eitlen h ó r e n
y^\' ' weitem, sobald er des kleinen i m m e r n u r die Lobreden.
T\\ <• '-' Prinzen ansichtig wurde. ,,Bewunderst d u m i c h w i r k l i c h sehr?" fragte er den
• ) -' ^ " D e n n für die Eitlen sind kleinen Prinzen.
/' t^yí . die anderen Leute Bewunderer. ,,Was heiBt bewundern?"
•) ••' ¡j' ••• ,,Guten Tag", sagte der ,,Bewundern heiBt erkennen, daB ich der s c h ó n s t e ,
1 /-> * ~" i kleine Prinz. ,,Sie haben der bestangezogene, der reichste und der intelligenteste
, ( /
/^ c i ñ e n spaBigcn H u t auf." Mensch des Planeten b i n . "
• ¡¡ „ D e r ist z u m G r ü B e n " , ant* ,,Aber d u bist d o c h allein auf deinem Planeten!"
' wortete i h m dcr Eitle. ,,Er ist zum , , M a c h m i r die Freude, bewundere m i c h trotzdem!"
/• ' " G r ü B e n , w e n n man m i r zujauchzt. ,,ích bewundere d i c h " , sagte der kleine Prinz,
1
- Unglücklicherweise kommt hier indem er ein biBchen die Schultern hob, ,,aber w o z u
niemand v o r b e i . " n i m m s t d u das wichtig?"
; , , A c h ja?" sagte der kleine U n d der kleine Prinz machte sich davon.
Prinze, der nichts davon begriff. Die groBen Leute sind entschieden sehr verwun*
y ,,Schlag deine Hánde zusam- derlich, stellte er auf seiner Reise fest.
/ men", empfahl i h m der Eitle.
Der kleine Prinz schlug seine H á n d e
XII
• - gegeneinander. Der Eitle grüBte beschci*
den, indem er seinen H u t lüftete. DEN NÁCHSTEN PLANTEN bewohnte ein Sáufer.
Das ist unterhaltender ais der Besuch b e i m Kónig, Dieser Besuch war sehr kurz, aber er tauchte den
sagte sich der kleine Prinz. kleinen Prinzen i n eine tiefe Schwermut.
Und er begann v o n neucm die H á n d e zusammen- ,,Was machst d u da?" fragte er den Sáufer, den er
zuschlagen. Der Eitle wieder fuhr fort, seinen H u t s t u m m vor einer Reihe leerer u n d einer Reihe voller
g r ü B e n d zu lüften. Flaschen sitzend antraf.
Nach fünf M i n u t e n w u r d e dcr kleine Prinz der Ein* ,,Ich t r i n k e " , antwortete der Sáufer m i t d ü s t e r e r
t ó n i g k e i t dieses Spieles ü b e r d r ü s s i g : M i ene.
, , L ' n d was m u B man t u n " , fragte er, ,,damit der H u t „ W a r u m t r i n k s t du?" fragte i h n der kleine Prinz.
herunterfállt?" , , U m zu vergessen", antwortete der Sáufer.

38 39
XIII

DER V I E R T E P L A N E T war der des G e s c h á f t s m a n n e s .


Dieser M a n n war so beschaftigt, daB er bei der A n k u n f t
des kleinen Prinzen nicht einmal den K o p f hob.
,,Guten Tag", sagte dieser zu i h m . ,,Ihre Zigarette ist
ausgegangen."
,,Drei u n d zwci ist fünf. F ü n f u n d sieben ist zwolf.
Zwólf u n d drei ist fünfzehn. G u t e n Tag. F ü n f z e h n u n d
sieben ist zweiundzwanzig. Zweiundzwanzig und sechs
ist achtundzwanzig. Keine Zeit, sie wieder a n z u z ü n d e n .
Sechsundzwanzig u n d fünf ist einunddreiBig. U f f ! Das
macht also f ü n f h u n d e r t e i n e Million, sechshundert-
zweiundzwanzigtausendsiebenhunderteinunddreiBig."

\ , , F ü n f h u n d e r t M i l l i o n e n wovon?"

, , U m was zu vergessen?" erkundigte sich ,,Wie? D u bist i m m e r noch da? Fünfhunderteine


M i l l i o n v o n . . , ich weiB n i c h t m e h r . . . ich habe so viel
der kleine Prinz, der i h n schon hedauerte.
A r b e i t ! Ich b i n ein ernsthafter M a n n , ich gebe m i c h
„ U m zu vergessen, daB ich mich s c h á m e " , ge-
nicht m i t K i n d c r c i e n ab. Zwei und fünf ist s i e b e n . . . "
stand dcr Saufer u n d scnkte den Kopf.
,,Fünfhunderteine Million wovon?" wiederholte
,,Wcshalh schamst d u dich?" fragte der kleine
der kleine Prinz, der niemals i n seinem Leben auf eine
Prinz, der den Wunsch hatte, i h m zu helfen.
Frage verzichtete, die er einmal gestellt hatte.
,,Weil ich saufe!" endetc der Saufer u n d verschloB
Der G e s c h á f t s m a n n h o b den Kopf.
sich e n d g ü l t i g i n sein Schweigen. ,,In den vierundfünfzig Jahren, die ich auf diesem
U n d der kleine Prinz verschwand b e s t ü r z t . Planeten da wohne, b i n ich n u r dreimal gestort worden.
Dic groBen Leute sind cntschieden sehr, sehr Das erstemal war es vor zweiundzwanzig Jahren ein
w u n d e r l i c h , sagte er zu sich auf seiner Reise. Maikáfer, der v o n weiB G o t t w o heruntergefallen war. Er
machte einen schrecklichen L a r m , u n d ich habe i n einer
A d d i t i o n vier Fehler gemacht. Das zweitemal, v o r elf
Jahren, war es ein A n f a l l v o n Rheumatismus. Es fehlt

41
,,Dann sind es w o h l die Sterne."
,,Und was machst d u m i t f ü n f h u n d e r t Millionen
Sternen?"
,.Fünfhunderteine Million sechshundertzweiund-
zwanzigtausendsiebenhunderteinunddreiBig. Ich b i n ein
ernsthafter M a n n , ich nehme es genau."
, , U n d was machst d u m i t diesen Sternen?"
,,Was ich d a m i t mache?"
,Ja."
,,Nichts. Ich besitze sie."
, , D u besitzt die Sterne?"
„Ja."
, , A b e r ich habe schon c i ñ e n Konig gesehn, d e r . . . "
,,Die K ó n i g e besitzen nicht, sie ,regieren ü b e r ' . Das
ist etwas ganz anderes."
mir an Bcwegung. Ich habe nicht Zeit, h e r u m z u b u m - , , U n d was hast d u davon, die Sterne zu besitzen?"
mein. Ich bin ein ernsthafter M a n n . U n d das ist n u n das ,,Das macht m i c h r e i c h . "
drittemal! Ich sagte also, f ü n f h u n d e r t e i n e Million..." , , U n d was hast d u v o m Reichsein?"
,, M i 11 i o n c n vvov on?" ,,Weitere Sterne kaufen, wenn jemand welche

Der G e s c h á f t s m a n n bcgriff, daB es keine Aussicht findet."

auf Frieden gab: Der da, sagte sich der kleine Prinz, denkt ein biBchen
wie mein Sáufer.
, , M i l I i o n e n v o n diesen kleinen D i n g e r n , die m a n
Indessen stellte er n o c h weitere Fragen:
manchmal am H i m m e l sicht."
,,Wie k a n n man die Sterne besitzen?"
,,Fliegen?"
„ W e m g e h ó r e n sie?" erwiderte m ü r r i s c h der Ge-
,,Aber nein, kleine Dinger, die g l á n z e n . "
scháftsmann.
,,Bienen?"
,,Ich weiB nicht. N i e m a n d c m . "
,,Aber nein. Kleine goldene Dinger, v o n denen die
, , D a n n gehoren sie mir, ich habe ais erster d a r á n
K i c h t s t u c r t r á u m e r i s c h werden. Ich b i n ein ernsthafter
gedacht."
M a n n . Ich habe nicht Zeit zu T r á u m e r e i e n . "
,,Das g e n ü g t ? "
, , A c h , die Sterne?"

42 43
,,GewiB. W e n n d u einen Diamanten findest, der jede W o c h e kehre. D e n n ich kehre auch den erlo-
niemandem g e h ó r t , dann ist er dein. W e n n d u eine Insel schenen. M a n k a n n nie wissen. Es ist gut für meine
findest, die niemandem g e h ó r t , so ist sie dein. W e n n d u V u l k a n e u n d gut für meine Blume, daB ich sie besitze.
ais erster einen Einfall hast und d u láBt i h n patenticren, A b e r d u bist für die Sterne zu nichts n ü t z e . . . "
so ist er dein. U n d ich, ich besitze die Sterne, da nie- Der G e s c h á f t s m a n n óffneLe den M u n d , aber er
m a n d vor m i r d a r á n gedacht hat, sie zu besitzen." fand keine A n t w o r t , u n d der kleine Prinz verschwand.
,,Das ist w a h r " , sagte dcr kleine Prinz. , , U n d was D i e groBen Leute sind entschieden ganz u n g e w ó h n -
machst du damit?" lich, sagte er sich auf der Reise.
,,Ich vcrwalte sie. Ich záhle sie u n d záhle sie wieder",
sagte der G e s c h á f t s m a n n . ,,Das ist n i c h t liecht. A b e r ich
XIV
b i n ein ernsthafter M a n n . "
D e r kleine Prinz war noch nicht zufrieden. DER FÜNFTE P L A N E T war sehr sonderbar. Er war
.,Wenn ich einen Siedenschal habe, k a n n ich i h n u m der kleinste v o n alien. Es war da gerade Platz genug für
meinen Hals w i c k e l n u n d m i t n e h m e n . W e n n ich eine eine StraBenlaterne u n d einen L a t e r n e n a n z ü n d e r . D e r
Blume habe, k a n n ich meine Blume p f l ü c k e n u n d m i t - kleine Prinz konnte sich nicht e r k l á r e n , wozu man i r -
nehmen. A b e r d u kannst die Sterne n i c h t p f l ü c k e n ! " gendwo i m H i m m e l , auf einem Planeten ohne Haus
,,Nein, aber ich k a n n sic in die Bank legen." u n d ohne Bewohner eine StraBenlaterne u n d einen

„ W a s solí das heiBen?" L a t e r n e n a n z ü n d e r braucht. D o c h sagte er sich:

,,Das heiBt, daB ich die Zahl meiner Sterne auf ein Es kann ganz gut sein, daB dieser M a n n ein biBchen
kleines Papier schreibe. U n d dann sperre ich dieses Pa- v e r r ü c k t ist. D o c h ist er weniger v e r r ü c k t ais der Kónig,
picr i n eine Schublade." der Eitle, der G e s c h á f t s m a n n und der Sáufer. Seine A r -
„ U n d das ist alies?" beit hat wenigstens einen Sinn. W e n n er seine Laterne
,,Das g c n ü g t . " a n z ü n d e t , so ist es, ais setze er einen neuen Stern i n
Das ist a m ü s a n t , dachte der kleine Prinz. Es ist fast die W e l t , oder eine Blume. W e n n e r seine Laterna aus-
dichterisch. A b e r es ist m c h t ganz ernst zu nehmen. l ó s c h t , so schlafen Stern oder Blume ein. Das ist eine
Der kleine Prinze dachte ü b e r die ernsthaften Dinge sehr h ü b s c h e Bescháftigung. Es ist auch w i r k l i c h n ü t z -
vóllig anders ais die groBen Leute. lich, da es h ü b s c h ist.

, , I c h " , sagte er noch, ,,ich besitze eine Blume, die A i s e r auf dem Planeten ankam, g r ü B t e er den La-
ich jeden Tag begieBe. Ich besitze drei Vulkane, die ich t e r n e n a n z ü n d e r ehrerbietig.

44 45
,,Guten Tag. W a r u m hast d u deine L á t e m e eben
ausgelóscht?"
,,Ich habe dic Weisung", antwortete der A n z ü n d e r ,
,,Guten Tag."
„ W a s ist das, dic Weisung?"
,,Dic Weisung, meine Laterne a u s z u l ó s c h e n . G u t e n
Abcnd."
U n d er z ü n d e t e sie wieder an.
,,Aher w a r u m hast d u sie soeben wieder ange*
zündet?"
,,Das ist die W e i s u n g " , antwortete der A n z ü n d e r .
,,Ich verstehe n i c h t " , sagte dcr kleine Prinz.
,,Da ist nichts zu verstehn", sagte der A n z ü n d e r .
,,Die Weisung ist eben dic Weisung. G u t e n Tag."
U n d er l ó s c h t e seine Latcrnc wieder aus.
D a n n trocknete er sich die S t i r n m i t einem r o t k a n -
erten Taschentuch.
,,Ich tue da einen schrecklichen Dienst. F r ü h e r ging
es v e r n ü n f t i g zu. Ich l ó s c h t e am M o r g e n aus u n d zün-
dete am A b e n d an. D e n Rest des Tages hatte ich z u m
A u s r u h n u n d den Rest der X a c h t zum S c h l a f e n . . . "
, , U n d seit damals w u r d e die Weisung geandert?"
,,Die Weisung w u r d e nicht geandert", sagte der
A n z ü n d e r . ,,Das ist ja das Trauerspiel! D e r Planet hat
sich v o n Jahr zu Jahr s c h n e í l e r u n d schneller gedreht,
u n d die Weisung ist die gleiche geblieben!"
, , U n d ? " sagte der kleine Prinz.
, , U n d jetzt, da er i n der M i n u t e eine U m d r e h u n g
macht, habe ich nicht mehr eine Sekunde Rast. Jede
M i n u t e z ü n d e ich einmal an, l ó s c h e ich einmal aus!" ,,Ich tue da einen schrecklichen Dienst.'

46
,,Das ist d r o l l i g ! D i e Tage dauern bei d i r eine Reise fortsetzte, der w i r d v o n alien andern verachtet
Minute!" werden, v o m Kónig, v o m Eitlen, v o m Sáufer, vom
,,Das ist ganz u n d gar nicht d r o l l i g " , sagte der G e s c h á f t s m a n n . Dabei ist er der einzige, den ich n i c h t
A n z ü n d e r . ,,Das ist n u n schon ein M o n a t , daB w i r lácherlich finde. Das k o m m t vielleicht daher, weil er sich
miteinander sprechen." m i t anderen Dingen beschaftigt statt m i t stch selbst.
,,Ein M o n a t ? " Er stieB einen Seufzer des Bedauerns aus u n d sagte
, Ja, dreiBig M i n u t e n . DreiBig Tage! G u t e n A b e n d . " sich noch:
U n d er z ü n d e t c seine L á t e m e wieder an. Der ist der einzige, den ich zu meinem Freund hatte
D e r kleine Prinz sah i h m zu, u n d er liebte diesen machen k ó n n e n . A b e r sein Planet ist w i r k l i c h zu k l e i n .
A n z ü n d e r , der sich so trcu an seine Weisung hielt. Er Es ist n i c h t Platz für z w e i . . .
erinnerte sich der S o n n e n u n t e r g á n g e , die er einmal Was sich der kleine Prinz nicht einzugestehen wagte,
gesucht hatte u n d u m d c r e t w i l l e n er seinen Sessel war, daB er diesem gesegneten Planeten nachtrauerte,
r ü c k t e . Er w o l l t e seinem Freund beispringen: besonders der tausendvierhundertvierzig Sonnenunter-
M WeiBt d u . . . ich kenne ein M i t t e l , wie d u d i c h aus- gánge wegen, i n vierundzvvanzig Stunden!
r u h e n k ó n n t e s t , wenn d u w o l l t c s t . . . "
,,Ich w i l l i m m e r " , sagte der A n z ü n d e r .
XV
D e n n man k a n n treu u n d faul zugleich sein.
D e r kleine Prinz fuhr fort: DER SECHSTE P L A N E T war zehnmal so groB. Er
,,Dein Planet ist so klein, daB d u m i t drei S p r ü n g e n war v o n einem alten H e r r n bewohnt, der ungeheure
h e r u m k o m m s t . D u muBt n u r langsam genug gehen, u m B ü c h e r schrieb.
i m m e r i n der Sonne zu bleiben. W i l l s t d u dich aus- ,,Da schau! Ein Forscher!" ricf er, ais er den k l e i n e n
r u h e n , dann gehst d u . . . u n d der Tag w i r d so lange Prinzen sah.
dauern, wie du w i l l s t . " D e r kleine Prinz setzte sich an den Tisch u n d ver-
,,Das hat nicht viel W i t z " , sagte der Anzünder, schnaufte ein wenig. Er war schon so viel gereist!
,,was ich i m Leben liebe, ist der Schlaf." ,,Woher k o m m s t du?" fragte i h n der alte Herr.
,,Dann ist es aussichtslos", sagte der kleine Prinz. ,,Was ist das für ein dickes Buch?" sagte der K l e i n e
,,Aussichtslos", sagte der A n z ü n d e r . „ G u t e n Tag." Prinz, ,,was machen Sie da?"
U n d er l ó s c h t e seine Lampe aus. ,,lch b i n Geograph", sagte der alte Herr.
Der, sagte sich der kleine Prinz, w á h r e n d er seine ,,Was ist das, ein Geograph?"

48 49
,,Richtig", sagte der Geograph, ,,aber ich b i n n i c h t
Forscher. Es fehlt uns gánzlich an Forschern. N i c h t der
Geograph geht die S t á d t e , die S t r ó m e , die Berge, die
Meere, die Ozeane u n d die W ü s t e n z á h l e n .
Der Geograph ist zu wichtig, u m herumzustreunen.
Er verláBt seinen Schreibtisch n i c h t . A b e r er empfangt
die Forscher. Er befragt sie u n d schreibt sich ihre Ein*
d r ü c k e auf. U n d wenn i h m die Notizen eines Forschers
beachtenswert erscheinen, láBt der Geograph ü b e r des-
sen M o r a l i t á t eine amtliche Untersuchung anstellen."
,,Warum das?"
,.Weil ein Forscher, der lügt, i n den Geographie-
,,Das ist ein Gelchrter, der weiB, wo sich die Vteere, die b ü c h e r n Katastrophen h e r b e i f ü h r e n w ü r d e . U n d auch
S t r ó m e , die Stádte, die Berge u n d die W ü s t e n befinden." ein Forscher, der zuveil t r i n k t . "
,,Das ist sehr interessant", sagte der kleine Prinz. ,,Wie das?" fragte der kleine Prinz.
,,Endlich ein richtiger Beruf!" ,Weil die Sáufer doppelt sehn. Der Geograph
U n d er w a r f einen B l i c k u m sich auf den Planeten w ü r d e dann zwei Berge einzeichnen, w o n u r ein einziger
des Geographen. Er hatte n o c h nic einen so majestáti- vorhanden ist."
schen P l a ñ e r e n gesehen. ,,Ich kenne einen", sagte der kleine Prinz, ,,der w á r e
,,Er ist sehr schon, Eucr Planet. G i b t es da auch ein schlechter Forscher."
Ozeane?" ,,Das ist m ó g l i c h . D o c h w e n n die M o r a l i t á t des
,,Das kann ich n i c h t wissen", sagte der Geograph. Forschers gut zu sein scheint, macht man eine U n t e r -
,,Ach!" Der kleine Prinz war enttáuscht. ,,Und Berge?" suchung ü b e r seine Entdeckung."
,,Das kann ich auch n i c h t wissen". sagte der ,,Geht m a n nachsehen?"
Geograph. , , N e i n . Das ist zu u n i s t á n d l i c h . A b e r man veríangt
,,Aber I h r seid Geograph! —Und S t á d t e u n d F l ü s s c v o m Forscher, daB er Beweise liefert. W e n n es sich z u m
und W ü s t e n ? " Biespiel u m die Entdeckung eines groBen Berges han-
, , A u c h das k a n n ich n i c h t wissen." delt, v e r í a n g t man, daB er groBe Steine m i t b r i n g t . "
,,Aber I h r seid d o c h Geograph!" Plótzlich ereiferte sich der Geograph.

50 51
l
, , U n d d u , d u k o m m s t von wcit her! D u bist ein ,,Aber was bedeutet ,vergánglich ?" wiederholte der
Forscher! D u wirst m i r deinen Planeten beschreiben!" kleine Prinz, der i n seinem Leben n o c h nie auf eine ein-
U n d der Geograph schlug sein Rcgistrierbuch auf mal gestellte Frage verzichtet hatte.
u n d spitzte seinen Bleistift. ,,Das heiBt: ,von baldigem Entschwinden bedroht'."
Zuerst n o t i e r t man die E r z á h l u n g e n der Forscher ,,Ist meine B l u m e v o n baldigem Entschwinden be-
m i t Bleistift. U m sie m i t T i n t e aufzuschreiben, wartet droht?"
man, bis der Forscher Beweise geliefert hat. ,,GewiB."
,,Nun?" graftc der Geograph. M e i n e B l u m e ist vergánglich, sagte sich der kleine
, , O h , bei m i r zu Hause", sagte der kleine Prinz, ,,ist P r i n z , u n d sie hat n u r vier D o r n e n , u m sich gegen die
nicht viel los, da ist es ganz k l e i n . Ich habe d r e i W e l t zu w e h r e n ! U n d ich habe sie ganz a l l e i n zu Hause
V u l k a n e . Zwei V u l k a n e i n T á t i g k e i t u n d einen erlo- zurückgelassen!
schenen. A b e r man k a n n nie wissen," Das war seine erste R e g u n g v o n Reue. A b e r er faBte
, , M a n weiB nie", sagte der Geograph. wieder Mut:
,,Ich habe auch eine Blume." ,,Was r a t e n Sie mir, w o h i n ich gehen solí?" fragte er.
' ,,Wir schreiben die B l u m e n nicht auf", sagte der
,,Auf den Planeten Erde", antwortete der Geo-
Geograph.
g r a p h , ,,er hat einen g u t e n R u f . . . "
,,Warum das? Sie sind das S c h ó n s t e ! "
U n d der k l e i n e P r i n z machte sich auf u n d dachte an
,,Weil die B l u m e n vergánglich sind."
seine B l u m e .
,,Was heiBt , v e r g á n g l i c h ' ? "
,,Die G e o g r a p h i e b ü c h e r " , entgegnete der Geograph,
XVI
,,sind die wertvollsten v o n alien B ü c h e r n . Sie veralten
nie. Es ist sehr selten, daB cin Berg seinen Platz wech- D E R S I E B E N T E P L A N E T w a r also die Erde.
selt. Es ist sehr selten, daB ein Ozean seine Wasser D i e Erde ist n i c h t irgendein Planet! M a n záhlt
ausleert. W i r schreiben die ewigen Dinge auf." da h u n d e r t e l f Konige, wenn man, wohlgemerkt, die
,,Aber die erloschenen V u l k a n e konnen wieder N e g e r k ó n i g e n i c h t vergiBt, siebentausend Geographen,
aufwachen", unterbrach der kleine Prinz. „ W a s be- neunhunderttausend Gescháftsleute, siebeneinhalb M i l -
deutet ,vergánglich'?" l i o n e n Sáufer, d r i e h u n d e r t e l f M i l l i o n e n Eitle, k u r z —
,,Ob die V u l k a n e erloschen oder tátig sind, k o m m t u n g e f á h r z w e i M i l l i a r d e n erwachsene L e u t e .
für uns aufs Gleiche hinaus", sagte der Geograph. ,,Was Um e u c h einen Begriff von den AusmaBen der Erde
für uns záhlt, ist der Berg. Er v e r á n d e r t sich n i c h t . " zu geben, muB ich euch sagen, daB man vor der Erfindung

52 53
der E l e k t r i z i t á t d o r t auf alien sechs K o n t i n e n t e n zusam- Erde b e v ó l k e r n , sich aufrecht u n d ein biBchen g e d r á n g t
men eine ganze A r m e e v o n vierhundertzweiundsechzig- hinstellten, wie bei einer Volksversammlung etwa,
tausendfünfhundertelf L a t e r n e n a n z ü n d e r n i m Dienst k á m e n sie auf einem ó f f e n t l i c h e n Platz v o n zwanzig
hatte. M e i l e n L á n g e u n d zwanzig M e i l e n Breite leicht unter.
V o n einiger E n t f e r n u n g aus gesehen, w i r k t e das M a n konnte die Menschheit auf der geringsten kleinen
práchtig. D i e Bewegungen dieser A r m e e waren gedrillt Insel des P a z i ñ s c h e n Ozeans zusammenpferchen.
wie die eines O p e r n b a ü e t t s . D e n Reigen begannen die D i e groBen Leute werden euch das freilich n i c h t
A n z ü n d e r der n e u s e e l á n d i s c h e n u n d australischen La- glauben. Sie b i l d e n sich ein, viel Platz zu brauchen, Sie
ternen. H a t t e n sie ihre Lampen a n g e z ü n d e t , gingen sie n c h m e n sich wichtig wie Affenbrotbaume. Gebt i h n e n
schlafen. D a n n traten die A n z ü n d e r v o n C h i n a u n d also den Rat, sichs auszurechnen. Sie beten die Ziffern
Sibirien z u m Tanze an, A u c h sie verschwanden hinter an, das w i r d ihnen gefallen. A b e r i h r sollt eure Zeit
den Kulissen. D a n n kamen die russischen und indi- nicht d a m i t verlieren. Es ist zwecklos. Ihr habt Ver-
schen A n z ü n d e r an dic Reihe. D a n n die v o n A f r i k a u n d trauen zu mir.
Europa. D a n n die v o n S ü d a m e r i k a . D a n n die v o n N o r d - E i n m a l auf der Erde, w u n d e r t e sich der kleine
amerika. U n d niemals i r r t e n sic sich i n der Reihenfolge Prinz, niemanden zu sehen. Er f ü r c h t e t e schon, sich i m
ihres Auftrittcs. Es war groBartig. Planeten gierrt zu haben, ais ein mondfarbener R i n g
N u r der A n z ü n d e r der einzigen Laterne am N o r d - sich i m Sande bewegte.
pol u n d sein Kollcge v o n der einzigen Laterne am ,,Gutc Nacht", sagte der Kleine Prinz aufs Gerate-
S ü d p o l f ü h r t c n ein Leben v o l l M ü B i g g a n g u n d G e m ü t - wohl.
lichkeit: sic arbeiteten zweimal i m jahr. ,,Gute Nacht", sagte die Schlange.
, , A u f welchen Planeten b i n ich gefallen?" fragte der
kleine Prinz.
XVII
, , A u f die Erde, d u bist i n A f r i k a " , antwortete die
W I L L M A N GEISTREICII sein, dann k o m m t es vor, Schlange.
daB man c i n biBchen aufschneidet. Icb war n i c h t ganz , , A h ! . . . es ist also niemand auf der Erde?"
aufrichtig, ais ich euch v o n den Laternenanzündern ,,Hier ist die W ü s t e . I n den W ü s t e n ist n i e m a n d .
crzáhltc. Ich laufe Gefahr, denen, die unsern Planeten D i e Erde ist g r o B " , sagte die Schlange.
nicht kennen, ein talsches B i l d v o n i h m zu geben. D i e D e r kleine Prinz setzte sich auf einen Stein u n d h o b
Menschcn b c n ü t z e n n u r sehr wenig R a u m auf der die Augen z u m H i m m e l :
Erde. W e n n dic zwei M i l l i a r d e n Einwohner, die die ,,Ich frage m i c h " , sagte er, ,,ob die Sterne leuchten,

54 55
d a m i t jeder eines Tages den seinen wiederfinden kann.
Schau meinen Planeten an. Er steht gerade über
u n s . . . A b e r w i e weit ist er f o r t ! "
,,Er ist schon", sagte die Schlange. ,,Was willst d u
hier machen?"
,,Ich habe Schwierigkeiten m i t einer B l u m e " , sagte
der kleine Prinz.
, , A h ! " sagte die Schlange.
U n d sie schwiegen.
,,Wo sind die Menschen?" fuhr der kleine Prinz end-
l i c h fort. , , M a n ist ein biBchen einsam i n der W ü s t e . . . "
, , M a n ist auch bei den Menschen einsam", sagte die
Schlange.
D e r kleine Prinz sah sie lange an:
, , D u bist ein drolliges T i e r " , sagte er schlieBlich,
, , d ü n n wie ein F i n g e r . . . "
,,Aber ich bin máchtiger ais der Finger eines
K ó n i g s " , sagte die Schlange.
D e r kleine Prinz muBte íácheln:
, , D u bist n i c h t sehr m á c h t i g . . . D u hast nicht ein-
m a l FüBe . . . D u kannst nicht einmal r e i s e n . . . "
,,Ich k a n n d i c h weiter wegbringen ais ein Schiff",
sagte die Schlange.
Sie rollte sich u m den K n ó c h e l des kleinen Prinzen
wie ein goldenes A r m b a n d .
,,Wen ich b e r ü h r e , den gebe ich der Erde z u r ü c k ,
aus der er hervorgegangen ist", sagte sie noch. , , A b e r

Einmal auf der Erde, wunderte sich der kleine Prinz, d u bist rein, d u k o m m s t v o n einem S t e r n . . . "
niemanden zu sehen. Der kleine Prinz antwortete nichts.

57
. , D u tust m i r leid auf dieser Erde aus G r a n i t , d u ,
der d u so schwach bist. Ich k a n n d i r eines Tages helfen,
w e n n d u d i c h zu sehr nach deinem Planeten sehnst. Ich
kann..."
, . O h , ich habe sehr gut verstanden", sagte der kleine
Prinz, ,,aber w a r u m sprichst d u i m m e r i n R á t s e l n ? "
,,Ich lose sie alie", sagte die Schlange.
U n d sie schwiegen.

XVIII
DER KLEINE P R I N Z d u r c h q u e r t e die W ü s t e und
begegnete nur einer B l u m e m i t drei B l ü t e n b l á t t e r n ,
einer ganz armseligen B l u m e , , .
, , G u t c n Tag", sagte der kleine Prinz.
, , G u t e n Tag", sagce die Blume.
,,Wo sind die Menschen?" fragte hóflich der kleine
Prinz.

,Du hisf ein drolliges Tier'', sagte cr schlieffli


,,dürm wie ein Finger..."
D i e Blume hatte eines Tages eine Karawane v o r ü -
berziehen sehen.
,,Die Menschen? Es gibt, glaube ich, sechs oder
sieben. Ich habe sie vor Jahren gesehen. A b e r man weiB
nie, wo sie zu finden sind. Der W i n d verweht sie. Es
fehlen ihnen die W u r z e l n , das ist sehr ü b e l für sie."
, , A d i e u ' \ sagte der kleine Prinz.
, , A d i e u " , sagte die Blume.

XIX
D E R K L E I N E P R I N Z stieg auf einen h o h e n Berg. D i e
einzigen Berge, dic cr kannte, waren die drei Vulkane,
u n d sie reichten i h m n u r bis ans Knie, u n d den er-
loschenen V u l k a n benutzte er ais Schemel.
V o n einem Berg so h o c h wie der da, sagte er sich,
werde ich m i t eincmmal den ganzen Planeten u n d alie
Menschen s e h e n . . . A b e r er sah nichts ais die N a d e l n
spitziger Felsen.
,,Guten Tag", sagte er aufs GeratcwohI.
,,Guten T a g . . . G u t e n T a g . . . Guten T a g . . . " ant-
wortete das Echo.
,,Wer bist du?" sagte der kleine Prinz.
„ W e r bist d u . . . W e r bist d u . . . W c r bist d u . . . ? "
antwortete das Echo.
,,Seid meine Freunde, ich b i n allein", sagte en
,,Ich b i n a l l e i n . . . a l l e i n . . . a l l e i n . . . " , antwortete \

das Echo.
Was für ein m e r k w ü r d i g c r Planet! dachte er da. Er
ist ganz trocken, voller Spitzen u n d ganz salzig. U n d Dieser Planet ist ganz trochen, voller Spitzen und ganz salzig-

60
,,Wir sind Rosen", sagten die Rosen.
, , A c h ! " sagte der kleine P r i n z . . .
U n d er f ü h l t e sich sehr u n g l ü c k l i c h . Seine Blume
hatte i h m erzahlt, daB sie auf der ganzen W e l t einzig i n
ihrer A r t sei. U n d siehe! da waren f ü n f t a u s e n d davon,
alie gleich, i n einem einzigen Garten!
Sie w á r e sehr bóse, wenn sie das sáhe, sagte er s i c h . . .
sie w ü r d e fürchterlich husten u n d so t u n , ais s t ü r b e sie,
u m der Lácherlichkeit zu entgehen. U n d ich m ü B t e w o h l
so t u n , ais pflegte ich sie, denn sonst lieBe sie sich w i r k -
lich sterben, u m auch m i c h zu b e s c h á m e n . . .
D a n n sagte er sich noch: I c h glaubte, ich sei reich
d u r c h eine einzigartige Blume, u n d ich besitze n u r eine
g e w ó h n l i c h e Rose. Sie u n d meine drei Vulkane, die
den Menschen fehlt es an Phantasie. Sie wiederholen,
m i r bis ans K n i e reichen u n d v o n denen einer viel-
was man ihnen sagt... Zu Hause hatte ich eine B l u m e :
leicht für i m m e r erloschen ist, das macht aus m i r kei-
sie sprach i m m e r z u e r s t . . .
nen sehr groBen P r i n z e n . . . U n d er w a r f sich ins Gras
u n d weinte.
XX
A B E R N A C H D E M DER kleine Prinz lange ü b e r den
XXI
Sand, die Felsen u n d den Schnee gewandert war,
geschah es, daB cr c n d l i c h eine StraBe entdeckte. U n d IN D I E S E M A U G E N B L I C K erschien der Fuchs:
die StraBen f ü h r e n alie zu den Menschen. ,,Guten Tag", sagte der Fuchs.
,,Guten Tag", sagte er. ,,Guten Tag", antwortete h ó f l i c h der kleine Prinz,
Da war ein b l ü h e n d e r Rosengarten. der sich umdrehte, aber nichts sah.
,,Guten Tag", sagtcn die Rosen. ,,Ich b i n da", sagte die Stimme, ,,unter dem A p f e l -
D e r kleine Prinz sah sie an. Sic glichen alie seiner baum..."
Blume. ,,Wer bist du?" sagte der kleine Prinz. , , D u bist sehr
,,Wer seid ihr?" fragte er sie h ó c h s t crstaunt. hübsch..."

62 63
,,Ich b i n ein Fuchs", sagte der Fuchs.
, , K o m m u n d spiel m i t m i r " , schlug i h m der kleine
Prinz vor. ,,Ich b i n so t r a u r i g . . . "
,,Ich kann nicht m i t d i r spielen", sagte der Fuchs.
,,Ich b i n n o c h nicht g e z á h m t ! "
, , A h , Verzeihung!" sagte der kleine Prinz.
A b e r nach einiger Ü b e r l e g u n g fügte er hinzu:
,,Was bedeutet das; ,zahmen'?"
, , D u bist nicht v o n h i e r " , sagte der Fuchs, ,,was
suchst du?"
,,Ich suche die Menschen", sagte der kleine Prinz.
,,Was bedeutet , z á h m e n ' ? "
, ,Die Menschen", sagte der Fuchs, , ,die haben
Und cr ivarf sich ins Qras und weime. i Gewehre u n d schieBen. Das ist sehr lástig. Sie ziehen

65
auch H ü h n e r auf. Das ist i h r einziges Interesse. D u ,,Das ist interessant! U n d H ü h n e r ? "
suchst H ü h n e r ? " „Nein."
, , N e i n " , sagte der kleine Prinz, ,,ich suche Freunde. ,,Nichts ist v o l l k o m m e n ! " seufzte der Fuchs.
Was heiBt , z á h m e n ' ? " A b e r der Fuchs k a m auf seinen Gedanken z u r ü c k :
,,Das ist eine i n Vergessenheit geratene Sache", , , M c i n Lcbcn ist c i n t ó n i g . Ich jage H ü h n e r , die
sagte der Fuchs. ,,Es bedeutet: sich ,vertraut machen'." Menschen jagen m i c h . A l i e H ü h n e r gleichen einander,
,,Vertraut machen?" u n d alie Menschen gleichen einander. I c h langweile
,,GewiB", sagte der Fuchs. , , D u bist für m i c h n o c h m i c h also ein wenig. A b e r w e n n du m i c h z á h m s t , w i r d
nichts ais ein kleiner Knabe, der hunderttausend m e i n Leben wie d u r c h s o n n t sein. I c h werde den Klang
kleinen Knaben vóllig gleicht. I c h brauche d i c h nicht, deines Schrittes kennen, der sich v o n alien andern u n -
u n d d u brauchst m i c h ebensovvenig. I c h b i n f ü r d i c h terscheidet. D i e anderen Schritte jagen m i c h unter die
n u r ein Fuchs, der hunderttausend F ü c h s e n gleicht. Erde. D e r deine w i r d m i c h wie M u s i k aus d e m Bau
A b e r w e n n du m i c h z á h m s t , werden w i r einander locken. U n d dann schau! D u siehst da d r ü b e n die
brauchen. D u w i r s t für m i c h einzig sein i n der W e l t . I c h Weizenfelder? I c h esse kein B r o t . F ü r m i c h ist der

werde für dich einzig sein i n der W e l t . . . " W c i z c n zwccklos. D i c Weizenfelder e r i n n e r n m i c h an

,,Ich beginne zu verstehen", sagte der kleine Prinz. nichts. LJnd das ist traurig. A b e r d u hast weizenblondes

,,Es gibt eine Blume... ich glaube, sie hat mich Haar. O h , es w i r d wunderbar sein, wenn d u m i c h ein-
mal g e z á h m t hast! Das G o l d der Weizenfelder w i r d
gezáhmt..."
m i c h an dich erinnern. U n d ich werde das Rauschen
,,Das ist m ó g l i c h " , sagte der Fuchs. , , M a n t r i f f t
des W i n d e s i m Getreide liebgewinnen."
auf der Erde alie m ó g l i c h e n D i n g e . . . "
, , O h , das ist nicht auf der Erde", sagte D e r Fuchs verstummte u n d schaute den Prinzen
der kleine Prinz. lange an:
D e r Fuchs schien sehr aufgeregt: , , B i t t e . . . z á h m e m i c h ! " sagte er.
, ,Auf einem anderen ,,Ich m ó c h t e w o h l " , antwortete der kleine Prinz,
Planeten?" ,,aber ich habe nicht viel Zeit. Ich m u B Freunde f i n d e n
,Ja." u n d viele D i n g e kennenlernen."
, , G i b t es Jáger auf die- , , M a n kennt n u r die Dinge, die m a n z á h m t " , sagte
sem Planeten?" der Fuchs. ,,Die Menschen haben keine Zeit mehr, ir-
„Nem." gend etwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alies fertig

66 67
i n den G e s c h á f t e n . A b e r da es keinc K a u f l á d e n für
Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr.
W e n n d u einen Freund willst, so z á h m e m i c h ! "
„ W a s m u B ich da tun?" sagte der kleine Prinz.
„Du mufit sehr guduldig sein", antwortete der
Fuchs. , , D u setzt dich zuerst ein wenig abseits v o n m i r
ins Gras. Ich werde d i c h so verstohlen, so aus d e m A u -
genwinkel anschauen, u n d d u w i r s t nichts sagen. D i e
Sprache ist die Quelle der M i B v e r s t á n d n i s s e . A b e r
jeden Tag w i r s t du d i c h ein biBchen n á h e r setzen
kónnen..."
A m n á c h s t e n M o r g e n k a m der kleine Prinz z u r ü c k .
,,Es w á r e besser gewesen, d u w á r s t zur selben Stunde
w ñ e d e r g e k o m m e n " , sagte der Fuchs. ,,Wenn du z u m
Beispiel u m vier U h r nachmittags k o m m s t , k a n n ich
u m drei U h r anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die
Zeit vergeht, u m so g l ü c k l i c h e r werde ich m i c h f ü h l e n .
U m vier U h r werde ich m i c h schon auf regen u n d be-
unruhigen; ich werde crfahren, wie teuer das G l ü c k ist.
W e n n d u aber irgcndwann k o m m s t , kann ich nie wis-
sen, w a n n mein Hcrz da sein s o l í . . . Es m u B feste
B r á u c h e geben."
,,Was heiBt ,fester Brauch'?" sagte der kleine Prinz.
,,Auch etwas i n Vergessenheit Geratenes", sagte der
Fuchs. ,,Es ist das, was einen Tag v o m andern unter-
scheidet, eine Stunde v o n den andern Stunden. Es gibt
zum Beispiel einen Brauch bei m e i n e n Jagern. Sie
tanzen am Donnerstag m i t den M á d c h e n des Dorfes. , , W e n n du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann
Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag. Ich gehe ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein."

68
bis zum W e i n b e r g spazicrcn. W e n n die Jáger irgend- ich habe i h n zu m e i n e m Freund gemacht, u n d jetzt ist
wann einmal zum Tanze gingen, w á r e n die Tage alie er einzig i n der W e l t . "
gleich u n d ich hatte niemals Ferien." U n d die Rosen waren sehr b e s c h á m t .
,,íhr seid schon, aber ihr seid leer", sagte er noch.
SO M A C H T E D E N N der kleine Prinz den Fuchs m i t ,,Man kann für euch nicht sterben. GewiB, ein Ir-
sich vertraut. U n d ais dic Stunde des Abschieds nahe gendwer, der v o r ü b e r g e h t , konnte glauben, meine Rose
war: á h n l e euch. A b e r i n sich selbst ist sie wichtiger ais i h r
, , A c h ! " sagte der Fuchs, ,,ich werde weinen." alie, da sic es ist, die ich begossen habe. Da sie es ist,
,,Das ist deine S c h u l d " , sagte dcr kleine Prinz, ,,ich die ich unter den Glassturz gestellt habe. Da sie es ist,
w ü n s c h t e d i r nichts Ubles, aber d u hast gewollt, daB die ich m i t dem W a n d s c h i r m g e s c h ü t z t habe. D a sie es
ich d i c h z á h m e . . ist, deren Raupen ich g e t ó t e t habe {auBer den zwei oder

, , G e w i B " , sagte der Fuchs. drei u m der Schmetterlinge willen). D a sie es ist, die i c h

,,Aber n u n w i r s t d u weinen!" sagte der kleine Prinz. klagen oder sich r ü h m e n g e h ó r t habe oder auch manch-

,,Bestimmt", sagte der Fuchs. mal schweigen. D a es meine Rose ist."

,,So hast d u also nichts gewonnen!"


,,Ich habe", sagte der Fuchs, ,,dic Farbe des Weizens UND ER K A M zum Fuchs z u r ü c k :
gewonnen." , , A d i e u " , sagte e r . . .
D a n n fügte er hinzu: , , A d i e u " , sagte der Fuchs. ,,Hier mein Geheimnis.
,,Geh dic Rosen wieder anschauen. D u wdrst be- Es ist ganz einfach: man sieht n u r m i t dem Herzen gut.
greifen, daB die deine einzig ist i n der W e l t . Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
D u w i r s t w i e d e r k o m m e n u n d m i r adieu sagen, u n d ,,Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar",
ich werde d i r ein Geheimnis schenken." wiederholte der kleine Prinz, u m es sich zu merken.
,,Die Zeit, die d u für deine Rose verloren hast, sie
DER KLEINE P R I N Z ging, die Rosen wicdcrzusehn: m a c h í deine Rose so w i c h t i g . "
,,lhr gleicht meiner Rose gar nicht, ihr seid n o c h ,,Die Zeit, die ich für meine Rose verloren h a b e . . . " ,
nichts", sagte er zu ihnen. , , N i e m a n d hat sich euch ver- sagte der kleine Prinz, u m es sich zu merken.
traut gemacht u n d auch i h r habt euch niemandem ver- ,,Die Menschen haben diese W a h r h e i t vergessen",
traut gemacht. Ihr seid, wie m e i n Fuchs war. D e r war sagte der Fuchs. , , A b e r d u darfst sie nicht vergessen.
nichts ais ein Fuchs wie hunderttausend andere A b e r D u bist zeitlebens für das v e r a n t w o r t l i c h , was d u d i r

70 71
vertraut gemacht hast. D u bist für deine Rose verant- U n d es r o l l t e der D o n n e r eines d r i t t e n f u n k e l n d e n
wortlich.. Schnellzuges v o r b e i .
,,Ich b i n für meine Rose v e r a n t w o r t l i c h . . . " , wie- ,,Verfolgen diese die ersten Reisenden?" fragte der
derholte der kleine Prinz, u m es sich zu merken. kleine Prinz.
,,Sie verfolgen gar nichts", sagte der Weichensteller.
,,Sie schlafen da d r i n n e n oder sie g á h n e n auch. N u r die
XXII
K i n d e r d r ü c k e n ihre Nasen gegen die Fensterscheiben."
, , G U T E N T A G " , sagte der kleine Prinz. ,,Nur die K i n d e r wissen, w o h i n sie w o l l e n " , sagte
G u t e n Tag", sagte der Weichensteller. der kleine Prinz. ,,Sie wenden ihre Zeit an eine Puppe
,,Was machst d u da?" sagte der kleine Prinz. aus Stoff-Fetzen, und die Puppe w i r d ihnen sehr
,,Ich sortiere die Reisenden nach Tausenderpake- w e r t v o l l , u n d w e n n m a n sie ihnen w e g n i m m t , w e i n e n
ten", sagte der Weichensteller. ,,Ich schicke die Züge, sie..."
die sie f o r t b r i n g e n , bald nach rechts, bald nach l i n k s . "
Und ein lichterfunkelnder Schnellzug, grollend ,,Sie haben es gut", sagte der Weichensteller.
wie der Donner, machte das W e i c h e n s t e l l e r h á u s c h e n
erzittern.
XXIII
,,Sie haben es sehr eilig", sagte der kleine Prinz.
,,Wohin w o l l e n sie?" , , G U T E N T A G " , sagte der kleine Prinz.
,,Der M a n n v o n der L o k o m o t i v e weiB es selbst ,,Guten Tag", sagte der H á n d l e r .
n i c h t " , sagte der Weichensteller. Er handelte m i t hochst w i r k s a m e n , d u r s t s t i l l e n d e n
Und ein zweiter blitzender Schnellzug donnerte Pillen. M a n schluckt jede Woche eine u n d s p ü r t ü b e r -
vorbei, i n entgegengesetzter Richtung. haupt kein B e d ü r f n i s mehr, zu t r i n k e n .
,,Sie k o m m e n schon z u r ü c k ? " fragte der kleine ,,Warum verkaufst d u das?" sagte der kleine Prinz.
Prinz... ,,Das ist eine groBe Zeitersparnis", sagte der H á n d -
,,Das sind nicht die gleichen", sagte der Weichen- ler. ,,Die S a c h v e r s t á n d i g e n haben Berechnungen ange-
steller. ,,Das w e c h s e í t . " stellt. M a n erspart d r e i u n d f ü n f z i g Minuten in der
7
,,Waren sie nicht zufrieden d o r t , w o sie waren?" Woche."
, , M a n ist nie zufrieden d o r t , w o man ist", sagte der ,,Und was macht m a n m i t diesen dreiundfünfzig
Weichensteller. Minuten?"
, , M a n macht d a m i t , was m a n w i l l . . . "

72 73
„Warum?"
,,Weil m a n v o r D u r s t sterben w i r d . . . "
Er verstand meinen E i n w a n d nicht, er antwortete:
,,Es ist gut, einen Freund gehabt zu haben selbst
w e n n m a n sterben m u B . Ich b i n froh, daB ich einen
Fuchs z u m Freunde h a t t e . . . "
Er ermiBt die Gefahr n i c h t , sagte ich mir. Er hat nie
Hunger, nie D u r s t . E i n biBchen Sonne g e n ü g t i h m . . .
A b e r er sah m i c h an u n d antwortete auf meine
Gedanken:
,,Ich habe auch D u r s t . . . suchen w i r einen B r u n -
nen..."
M W e n n ich d r e i u n d f ü n f z i g M i n u t e n ü b r i g hatte",
Ich machte eine G e b á r d e der Hoffnungslosigkeit: es
sagte der kleine Prinz, , , w ü n d e ich ganz gemachlich zu
ist sinnlos, auf gut G l ü c k i n der Endlosigkeit der
einem B r u n n e n l a u f c n . . . "
W ü s t e einen B r u n n e n zu suchen. D e n n o c h machten
w i r uns auf den Weg.
XXIV
ALS WIR STUNDENLANG schweigend dahingezo-
ES W A R A M achten Tag nach meiner Panne i n der gen waren, brach die Nacht herein u n d die Sterne be-
W ü s t e u n d ich h ó r t e gerade die Gcschichte v o m Pil- gannen zu leuchten. Ich sah sie wie i m T r a u m , ich hatte
lenverkáufer, ais ich den letzten Tropfen meines Wasser- ein wenig Fieber v o r D u r s t . D i e W o r t e des k l e i n e n
vorrats t r a n k :
Prinzen tanzten d u r c h m e i n BewuBtsein:
, , A c h " , sagte ich z u m k l e i n e n Prinzen, ,,deine E r i n - , , D u hast also auch Durst?" fragte i c h i h n .
nerungen sind ganz hühsch, aber ich habe mein Er antwortete nicht auf meine Frage. Er sagte
Flugzeug n o c h n i c h t repariert, habe nichts mehr zu einfach:
trinken und wáre glücklich, wenn auch ich ganz ,,Wasser k a n n auch gut sein für das H e r z . . . "
gemachlich zu einem B r u n n e n gehen k o n n t e ! " Ich verstand seine W o r t e nicht, aber i c h s c h w i e g . . .
, , M e i n Freund, der Fuchs", sagte e r . . . 7
Ich w uBte gut, daB man i h n nicht fragen durfte.
, , M e i n kleines Kerlchen, es handelt sich n i c h t m e h r Er war mude. Er setzte sich. I c h setzte m i c h neben
u m den Fuchs!" i h n . U n d , nach einem Schweigen sagte er noch:

74 75
,,Die Sterne sind schon, weil sie an eine B l u m e erin- diese i m W i n d e zitternde H a a r s t r á h n e , u n d ich sagte i r a d , wen
n e r n , die man n i c h t s i e h t , , . " mir: Was ich da sehe, ist nur eine H ü l l e . Das Eigentliche
Ich antwortete: , , G e w i B " , u n d bctrachtete schwei- ist u n s i c h t b a r . . .
,,wir W'
gend die Falten des Sandes unter dem M o n d e . Da seine h a l b g e ó f f n e t e n L i p p e n ein.halbes L á c h e l n
,.Die W ü s t e ist schon", fügte er h i n z u . . . andeuteten, sagte ich m i r auch: Was m i c h an diesem
7
Und das war w ahr. I c h habe die W ü s t e immer k l e i n e n eingeschlafenen Prinzen so sehr r ü h r t , ist seine i i h m , ,,d
geliebf. M a n setzt sich auf eine S a n d d ü n e . M a n sieht Treue zu einer Blume, ist das B i l d einer Rose, das i h n
nichts. M a n h ó r t nichts. U n d w á h r e n d d e s s e n strahlt durchstrahlt wie die Flamme einer Lampe, selbst w e n n Brunnen
etwas in der Stille. er s c h l á f t . . . U n d er kam m i r n o c h zerbrechlicher v o r rneinen C
,,Es macht die W ü s t e schon", sagte der kleine ais bisher. M a n m u B die L a m p e n sorgsam s c h ü t z e n : ein /inde, u n
Prinz, ,,daB sie irgendwo einen Brunne b i r g t . " W i n d s t o B k a n n sie z u m V e r l ó s c h e n b r i n g ¿ n . . . une zitter
Ich war ü b e r r a s c h t , dieses geheimnisvolle Leuchten U n d w á h r e n d ich so weiterging, entdepkte ich bei er", sagt
des Sandes plótzlich zu verstehen. A i s ich ein kleiner Tagesanbruch den B r u n n e n . \
Knabe war, w o h n t e ich i n einem alten Haus, u n d die te.
Sage erzahlte, daB d a r i n ein Schatz versteckt sei. GewiB, ; Er tranl
XXV
es hat i h n nie jemand zu entdecken vermocht, vielleicht in Fest. L
hat i h n auch nie j e m a n d gesucht. A b e r er verzauberte , , D l E L E U T E " , sagte der kleine Prinz, ,,schieben sich Frunk. E;
dieses ganze Haus. M e i n Haus barg ein Geheimnis auf i n die S c h n e l l z ü g e , aber sie wissen gar nicht, w o h i n sie i Sternen
d e m G r u n d e seines H e r z e n s . . . fahren w o l l e n . Nachher regen sie sich auf u n d drehen meiner /
, Ja", sagte ich z u m kleinen Prinzen, ,,ob es sich u m sich i m K r e i s . . . " pik. Gena
das Haus, u m die Sterne oder u m die W ü s t e handelt, U n d er fügte hinzu: ter des C
was ihre S c h ó n h e i t ausmacht, ist unsichtbar!" ,,Das ist n i c h t der M ü h e w e r t . . . " , die Sanf
,.lch b i n f r o h " , sagte er, ,,daB du m i t m e i n e m Fuchs D e r B r u n n e n , den w i r erreicht hatten, glich n i c h t er Gesch
übereinstimmst." den B r u n n e n der Sahara. D i e B r u n n e n der Sahara sind
Da der kleine Prinz einschlief, n a h m ich i h n i n einfache, i n den Sand gegrabene Lócher. Dieser da glich igte der l
meine A r m e und machte m i c h wieder auf den Weg. Ich einem D o r f b r u n n e n . A b e r es war keinerlei D o r f da, i n d dems
war bewegt. M i r war, ais t r ü g e ich ein zerbrechliches u n d ich glaubte zu t r á u m e n . sie suche
K l e i n o d . Es schien m i r sogar, ais gábe es nichts Zer- ,,Das ist m e r k w ü r d i g " , sagte ich zum kleinen Prinzen, i...
brechlicheres auf der Erde. Ich bctrachtete i m M o n d - alies ist bereit: die W i n d e , der K ü b e l u n d das S e i l . . . " ichen, i n
licht diese blasse S t i r n , diese geschlossenen Augen, Er lachte, b c r ü h r t e das Seil, lieB die Rolle spielen. sser finde]

76 77
,,Gan: gewift", antwortete ich. [ch kritzelte also einen M a u l k o r b h i n . U n d das
U n d dcr kleine Prinz fügte hinzu: Herz krampfte sich m i r zusammen, ais ich i h n d e m
„ A b e r die Augen sind b l i n d . M a n m u B m i t d e m kleinen Prinzen gab:
Herzen suchen." , , D u hast Plañe, v o n denen ich nichts w e i B . .
A b e r er antwortete nicht. Er sagte:
I C H H A T T E G E T R U N K E N . ES atmete sich wieder , , D u weifít, mein Sturz auf die E r d e . . . M o r g e n
gut. D e r Sand hat bei Tagesanbruch die Farbe des w i r d es ein Jahr s e i n . .
Honigs. A u c h ü b e r diese Honigfarbe war ich glücklich. D a n n , nach einem Schweigen, sagte er noch:
W a r u m muBte ich K u m m e r haben . . . ,,Ich war ganz i n der N á h e heruntegefallen..."
, , D u m u B t dein Vcrsprechen halten", sagte sanft U n d er e r r ó t e t e .
der kleine Prinz, der sich wieder zu m i r gesetzt hatte. W i e d e r fühlte ich einen m e r k w ü r d i g e n Kummer,
,,Welches Versprechen?" . ohne zu wissen w a r u m . Indessen k a m m i r eine Frage:
, , D u weiBt, einen M a u l k o r b für mein Schaf... Ich ,,Dann ist es kein Zufall, daB d u am M o r g e n , da
b i n v e r a n t w o r t l i c h für diese Blume!" ich dich kennenlernte, v o r acht Tagen, so ganz allein,
Ich n a h m meine Skizzen aus der Tasche. Der kleine tausend M e i l e n v o n alien bewohnten Gegenden ent-
Prinz sah sie u n d sagte lachend: fernt, spazieren gingst! D u kehrtest zu d e m Punkt
,.Deine A f f e n b r o t b a u m e schauen cin biBchen wie z u r ü c k , w o h i n d u gefallen warst?"
K o h l k ó p í e aus.. Der kleine Prinz e r r ó t e t e noch mehr.
„Oh!" U n d ich fügte z ó g e r n d hinzu:
Und ich war auf die A f f e n b r o t b a u m e so stolz ,,Vielleícht war es der Jahrestag?..
gewesen! V o n neuem e r r ó t e t e der kleine Prinz. Er antwortete
,.Dein F u c h s . . . seine O h r e n . . . sie schauen c i n nie auf die Fragen, aber wenn man e r r ó t e t , so bedeutet
(
wenig wie H ó r n e r a u s . . . sie sind viel zu lang!" das ,ja , n i c h t wahr?
U n d er lachte wieder. , , A c h ' \ sagte ich, ,,ich habe Angst!"
, , D u bist ungerecht, kleines Kerlchen, ich konnte A b e r er anrwortete:
nichts zeichnen ais geschlossene u n d offene Riesen- , , D u m u B t jetzt arbeiten. D u mufít wieder zu deiner
schlangen!" Maschine z u r ü c k k e h r e n . Ich erwarte d i c h hier. K o m m
1
, , O h ! Es w i r d schon gehn' , sagte er, ,,die K i n d e r morgen abend w i e d e r . . . "
wissen ja Bescheid." A b e r ich war nicht beruhigt. I c h erinnerte m i c h an

80 81
den Fuchs. M a n láuft Gefahr, ein biBchen zu weinen,
wenn man sich hat zahmen lassen . . .

XXVI
NEBEN D E M B R U N N E N stand dic Ruine einer alten
Steinmauer. A i s ich am n á c h s t e n A b e n d v o n meiner
A r b e i t z u r ü c k k a m , sah ich meinen kleinen Prinzen v o n
weitem da oben sitzen, m i t h e r a b h á n g e n d e n Betnen.
U n d ich h ó r t e i h n sprechen:
, , D u erinnerst dich also nicht mehr?" sagte er. ,,Es
ist nicht ganz genau hier!"
Zwctfellos antwortete i h m cine andere Stimme, da
er erwiderte:
,,Doch! D o c h ! Es ist w o h l dcr Tag, aber n i c h t genau
der O r t . . . "
Ich setzte meinen Weg zur M a u e r fort. Ich sah u n d
h ó r t e niemandcn. D e n n o c h erwiderte der kleine Prinz
v o n neuem:
,,Gew-iB. D u w i r s t sehen, w o meine Spur i m Sande
beginnt. D u brauchst m i c h n u r d o r t zu erwarten. I c h
werde heute nacht d o r t sein."
Ich war zwanzig M e t e r v o n der M a u e r entfernt u n d
sah noch i m m e r nichts. Der kleine Prinz sagte n o c h ,
nach einem kurzen Schweigen:
, , D u hast gutes Gift? Bist d u sicher, daB d u m i c h
nicht lange leiden láBt?"
Ich blieb stehen u n d das Herz preBte sich m i r
zusammen, aber ich verstand noch i m m e r nicht.
,,jetzt geh wcg", sagte er, ,,ich will hinunterspringen!"

82
i
D a riehtetc ich selbst den Blick auf den FuB der „ A u c h ich werde heute nach Hause z u r ü c k k e h r e n . .
M a u e r u n d ich machte einen Satz! D a war, zum k l e i n e n Dann schwermütig:
Prinzen emporgereckt, eine dieser gelben Schlangen, ,,Das ist viel w e i t e r . . . Das ist viel schwieriger..
die euch in dreiBig Sckunden e r l e d i g e n . . . Ich w ü h l t e i n Ich f ü h l t e wohl, daB etwas AuBergewóhnliches
meiner Tasche nach m e i n e m Revolver u n d begann zu vorging. Ich schloB i h n fest i n die A r m e wie ein kleines
laufen, aber bei d e m L á r m , den ich machte, íieB sich die K i n d , u n d d o c h schien es mir, ais s t ü r z t e er senkrecht
Schlange sachte i n den Sand gleiten, wie ein Wasser- i n einen A b g r u n d , ohne daB ich imstande war, i h n
strahl, der stirbt, u n d , ohne allzu groBe Eile, s c h l ü p f t e zurückzuhalten...
sie m i t einem leichten metallenen K l i r r e n zwischen die
Sein Blick war ernst; er verlor sich i n weiter Ferne:
Steine.
,,Ich habe dien Schaf. U n d ich habe die Kiste für
Gerade rechtzeitig k a m ich zur Mauer, u m m e i n das Schaf. U n d ich habe den M a u l k o r b . . . "
kleines Kerlchen v o n einem Prinzen i n meinen A r m e n U n d er láchelte s c h w e r m ü t i g .
aufzufangen; er war bleich wie der Schnee. Ich wartete lange. Ich fühlte, daB er sich m e h r u n d
,,Was sind das für Geschichten! D u sprichst jetzt mehr e r w á r m t e :
m i t Schlangen?!" ,,Kleines Kerlchen, d u hast A n g s t g e h a b t . . . "
Ich hatte i h m sein ewiges gelbes H a l s t u c h weg- Er hatte A n g s t gehabt, ganz gewiB! A b e r er lachte
genommen. Ich hatte i h m die Schláfen genetzt u n d i h m sanft:
zu t r i n k e n gegeben. U n d jetzt wagte ich nicht, i h n weiter ,,Ich werde heute abend n o c h viel m e h r Angst
zu fragen. Er schaute m i c h ernsthaft an u n d legte seine haben..."
A r m e u m meinen Hals. I c h f ü h l t e sein Herz k l o p f e n
W i e d e r lief es m i r eisig ü b e r den Ruchen bei d e m
wie das eines sterbenden Vogels, den man m i t der
G e f ü h l des Unabwendbaren. Dieses Lachen nie m e h r
Flinte geschossen hat. Er sagte zu m i r :
zu h o r e n — i c h begriff, daB ich den Gedanken nicht
,,Ich b i n froh, daS d u gefunden hast, was an deiner ertrug. Es war für m i c h wie ein B r u n n e n i n der W ü s t e .
Maschine fehlte. D u wirst nach Hause z u r ü c k k e h r e n ,,Kleines Kerlchen, ich w i l l dich noch lachen
kónnen..." hóren..."
,,Woher weiBt du das?" A b e r er sagte zu m i r :
Ich hatte i h m gerade e r z á h l e n w o l l e n , daB m i r gegen ,,Diese N a c h t w i r d es ein Jahr. M e i n Stern w i r d sich
alie E r w a r t u n g meine A r b e i t g e g l ü c k t sei! gerade ü b e r d e m O r t befinden, w o ich letztes j a h r ge-
Er antwortete nicht auf meine Frage, fuhr aber fort: landet b i n . . . "

84 85
Kleines Kerlchen, ist sie n i c h t ein b ó s e r Traum, F ü h r e r . F ü r andere sind sie nichts ais kleine Lichter. F ü r
diese Geschichte m i t der Schlange u n d der Verein- wieder andere, die Gelehrten, sind sie Probleme. F ü r
barung u n d d e m S t e r n . . . " meinen G e s c h á f t s m a n n waren sie G o l d . A b e r alie diese
A b e r er antwortete nicht auf meine Frage. Er sagte: Sterne schweigen. D u , d u w i r s t Sterne haben, w i e sie
, Was wichtig ist, sieht m a n n i c h t . . . "
( niemand h a t . . . "
M GewiB..." ,,Was w i l l s t d u sagen?"
,,Das ist wie m i t der Blume. W e n n d u eine Blume ,,Wenn d u bei Nacht den H i m m e l anschaust, w i r d
liebst, die auf einem Stern w o h n t , so ist es s ü B , bei es d i r sein, ais lachten alie Sterne, weil ich auf einem
Nacht den H i m m e l zu betrachten. A l i e Sterne sind v o l l v o n ihnen wohne, weil ich auf einem v o n ihnen lache.
Blumen." D u allein w i r s t Sterne haben, die lachen k ó n n e n ! "
„GewiB..." U n d er lachte wieder.
,,Das ist wie m i t dem Wasser. Was d u m i r zu t r i n k e n , , U n d w e n n d u dich g e t r ó s t e t hast (man t r ó s t e t sich
gabst, war wie M u s i k , die W i n d e u n d das S e i l . . . d u i m m e r ) , w i r s t d u f r o h sein, m i c h gekannt zu haben. D u
erinnerst d i c h . . . es war gut." w i r s t i m m e r m e i n Freund sein. D u w i r s t Lust haben,
,,GewiB..." m i t m i r zu lachen. U n d d u w i r s t manchmal dein Fen-
, , D u w i r s t i n der Nacht die Sterne anschauen. M e i n ster ó f f n e n , gerade so, z u m V e r g n ü g e n . . . U n d deine
Zuhause ist zu k l e i n , u m d i r zeigen zu k ó n n e n , w o es Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen,
umgeht. Es ist besser so. M e i n Stern w i r d für dich einer daB d u den H i m m e l anblickst u n d lachst. D a n n w i r s t
der Sterne sein. D a n n w i r s t d u alie Sterne gern an- d u i h n e n sagen: ,Ja, die Sterne, die bringen m i c h
s c h a u e n . . . A l i e werden sie deine Freunde sein. U n d i m m e r z u m Lachen!' U n d sie werden dich für v e r r ü c k t
dann werde ich d i r ein Geschenk machen..." halten. I c h werde d i r einen h ü b s c h e n Streich gespielt
Er lachte noch. haben..."
, , A c h ! kleines Kerlchen, kleines Kerlchen! Ich h ó r e U n d er lachte wieder.
dieses Lachen so gern!" ,,Es w i r d sein, ais h á t t e ich d i r statt der Sterne
,.Gerade das w i r d m e i n Geschenk s e i n . . . Es w i r d eine Menge kleiner Schellen geschenkt, die lachen
sein wie m i t d e m W a s s e r . . . " kónnen..."
,,Was willst d u sagen?" U n d er lachte noch immer. D a n n w u r d e er wieder
,,Die Leute haben Sterne, aber es sind nicht die emst:
gleichen. F ü r die einen, die reisen, sind die Sterne ,,Diese N a c h t . . . weiBt d u . . . k o m m nicht!"

86 87
,,Ich werde dich nicht verlassen." Ich schwieg.
,,Es w i r d so aussehen, ais w á r e ich k r a n k . . . , ein Er v e r l o r ein biBchen den M u t . A b e r er gab sich
biBchen, ais s t ü r b e ich. Das ist so. K o m m n i c h t das noch M ü h e :
anschauen, es ist nicht der M ü h e . . . " ,,WeiBt d u , es w i r d allerliebst sein. A u c h ich werde
,,Ich werde dich nicht verlassen." die Sterne anschauen, A l i e Sterne werden B r u n n e n
A b e r er war v o l l Sorge. sein m i t einer verrosteten W i n d e . A l i e Sterne werden
,,Ich sage d i r d a s . . . auch wegen der Schlange. Sie m i r zu t r i n k e n g e b e n . . . "
d a r f dich n i c h t b e i B e n . . . D i e Schlangen sind b ó s e . Sie Ich schwieg.
k ó n n e n zum Vergnügen beiBen..." ,,Das w i r d so lustig sein! D u w i r s t f ü n f h u n d e r t M i l -
,,lch werde dich n i c h t verlassen." l i o n e n Schellen haben, ich werde f ü n f h u n d e r t Millio-
A b e r etwas beruhigte i h n : nen B r u n n e n h a b e n . . . "
,,Es ist wahr, sie haben für den zweiten BiB kein Gift U n d auch er schwieg, weil er w e i n t e . . .
mehr..."

ICH H A B E ES nicht gesehen, wie er sich i n der Nacht


auf den Weg machte. Er war laudos entwischt. A i s es
m i r gelang, i h n einzuholen, marschierte er m i t raschem,
entschlossencm Schritt d a h i n . Er sagte nur: , , A h , d u
bist d a . . . "
U n d er n a h m m i c h bei der H a n d . A b e r er q u á l t e
sich n o c h :
, , D u hast n i c h t recht getan. Es w i r d d i r Schmerz
bereiten. Es w i r d aussehen, ais w á r e ich t o t , u n d das
7
w i r d n i c h t w ahr s e i n . . . "
Ich schwieg.
, , D u verstchst. Es ist zu weit. I c h k a n n diesen Leib
da n i c h t m i t n e h m e n . Er ist zu seluver."
I c h schwieg.
,,Aber er w i r d daliegen wie eine alte verlasscne H ü l l e .
M a n solí nicht traurig sein u m solche alten H ü l l e n . . . "

88 89
, , D A I S T ES. LaB m i c h c i ñ e n Schritt ganz allein t u n . "
U n d er setzte sich, w e i l er A n g s t hatte.
Er sagte n o c h :
, , D u w e i B t . . , meine B l u m e . . . ich b i n für sie ve-
r a n t w o r t l i c h ! U n d sie ist so schwach! U n d sie ist so
k i n d l i c h . Sie hat vier D o r n e n , die nicht taugen, sie
gegen die W e l t zu s c h ü t z e n . . . "
Ich setzte m i c h , weil ich m i c h n i c h t mehr aufrecht
halten konnte. Er sagte:
, , H i e r . . . Das ist a l i e s . . . "
Er z ó g e r t c n o c h ein biBchen, dann erhob er sich. Er
tat einen Schritt. Ich konnte m i c h nicht r ü h r e n .
Es war nichts ais ein gelber Blitz bei seinem
K n ó c h e l . Er blieb einen Augenblick regios. Er schrie
nicht. Er fiel sachte, wie ein B a u m fállt. O h n e das lei-
seste G e r á u s c h fiel er i n den Sand.

XXVÍI

U N D J E T Z T S I N D es gewiB schon wieder sechs Jahre


h e r . . . Ich habe diese Geschichtc n o c h nie erzahlt. D i e
Kameraden, die m i c h wiedergesehen haben, waren
f r o h , m i c h lebend wiederzusehen. Ich war traurig, aber
ich sagte zu i h n e n : Das ist dic E r s c h ó p t u n g . . .
Jetzt habe ich m i c h ein biBchen getrostet. Das
h e i B t . . . nicht ganz. A b e r ich weiB gut, er ist auf seinen
Planeten z u r ü c k g e k e h r t , d e n n bei Tagesanbruch habe
ich seinen K ó r p e r nicht wiedergefunden. Es war k e i n so
schwerer K o r p e r . . . U n d ich liebe es, des Nachts den Und er setzte sich, weil er Angst hatte.

90
Das ist für mich die schürtste und trau-
rigste Landschaft der Welt. Sie ist dieselbe
wie auf der vorhergehenden Seite, aber ich
habe sie nochmals gezeichnet um sie euch
einzupraegen. Hier ist der kleine Prinz auf der
Erde erschienen und wieder verschwunden.
Schaut diese Landschaft genau an, damit ihr
sie sicher wiedererkennt, wenn ihr eines Tages
durch die afrikanische W ü s t e reist. U n d
wenn ihr zufállig da vorbeikommt, eilt nicht
weiter, ich flehc euch an—wartet ein biBchen,
gerade unter dem Stern! Wenn dann ein Kind
auf euch zukommt, wenn es lacht, wenn es
goldenes Haar hat, wenn es nicht antwortet,
so man es fragt, dann werdet ihr wohl erraten,
wer es ist. Dann seid so gut und Iafit mich
nicht weiter so traurig sein: schreibt mir
schnell, wenn er wieder da i s t . . .

You might also like