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Das Prinzip der takijja im Islam.

Von

I. Goldziher.

I. Bereits im Koran wird den Rechtgläubigen die Erlaubnis


erteilt, in Zeiten äußerster Not oder bei Bedrohung des Lebens
rituelle Gesetze des Islam zu übertreten (Sure 5, 5; 6, 119). Die
alten Theologen waren nur darüber nicht derselben Ansicht, ob die
Übertretung des Gesetzes in solchen Fällen bloß als Konzession
zu betrachten , oder aber als Akt der Lebenserhaltung unerlä߬
liche Verpflichtung sei. Die beiden Säulen der alten hanefitischen
Gesetzeskunde vertreten je eine dieser Ansichten. Während Abü
Jüsuf die Übertretung in solchen Fällen bloß als entschuldbar hält,
schließt sich Muhammed al-Sejbäni jener Tradition an, die den¬
jenigen, der trotz der Bedrohung des Lebens bei der Strenge des
Gesetzes ausharrt und ihr zum Opfer fUllt, in die Hölle sendet').
Die Vertreter dieser letzteren , in den Kodifikationen herrschenden
Lehre-) genersilisieren zur Bekräftigung derselben das durchaus
nicbt auf solche Verhältnisse bezügliche Wort des Koran (2, 191):
„ünd stürzt eucb nicht mit eigener Hand ins Verderben'").

1) S. die TeJttbeilage unten Abschnitt V. — Vgl. auch Mufid al-'ulum


wa-mubid al-humüm (Kairo 1310) 105, wo die Frage in einem besonderen

Kapitel (^^aÜi'iS lX.äc jAxJI J«^=I) mit Heranziehung einer Menge


kasuistischer Möglichkeiten erschöpft wird. Von den beiden im Text angeführten

Ansichten schließt sich der Verfasser an die zweite an: Lcjjj i3>^Lj |«J ^^Ls

2k,Jy«jj &,U! 1-^*9 '


£ j - -
2) Kudürl (Kasan 1880) 162,5 v. u.: Lo "J^-^ ^«i
^ «

(«jII (3>^^ (^i *-? l^-'^j' ij*^ *^ i-^J^'i ehenso auch in


anderen Codices, Wikija etc.

3) Fachr al-dln al-RäzI, Mafätlh al-gajb V, p. 525: ».aIc IÖLs

».^tj otj.äJ! ^^^! ^^yo ^ a5ÜÖ} JJ'^! U^p uäaaJL


214 Goldzüier, Das l'rinzip der takijja im lalam.

In der Beantwoi'tung der Frage , ob die Erlaubnis solcher


Übertretung anzuwenden sei , wenn vom Gläubigen mit Bedrohung
des Lebens die offene Verleugnung seines Bekenntnisses zu
Gott und dem Propheten gefordert wird , ist man von Sure
16, 108 ausgegangen, wo von den Folgen der Verleugnung Allahs
1,1

jener ausgenommen wird, „der dazu gezwungen wird — b^J'! —


während sein Herz fest im Glauben verharrt". Im lladit werden

neben Fällen, in denen Getreue Muharanied's Tod und Marter der


Verleugnung der Religion vorzogen, uuch solche erwähnt, in denen
Muhammed selbst seine Billigung darüber aussprach, daß man, um
gewaltsamem Tode zu entgehen , den Heiden gegenüber sich zur
äußerlichen Verleugnung des Bekenntnisses herbeiließt).
Der Fall des 'Ammär b. Jäsir, eines der frühesten Bekenner

Muhammed's (y\.J}^H ^J^JiJL**J! ^y«), wird als stebendes Beispiel für


die letztere Tatsache erwähnt. Er leistete der Nötigung der Heiden
Folge, die heidnischen Götter zu preisen und Muhammed zu
schmähen. Als er darüber die Angst seines Gewissens dem Pro¬
pheten anvertraute, beruhigte ihn dieser: „Wenn nur dein Herz
beim Glauben ausharrt, so tue nur wieder dasselbe, wenn sie dicb
nochmals bedrohen sollten" -). Die in dieser und ähnlichen Er¬
zählungen sich kundgebende Gesinnung steht wohl im Einklang mit
der relativen Schätzung, die dem Märt3'rertum im alten Islam zu¬
teil ward ■'). Es ist jedoch nicht zu übersehen , daß nicht alle
Überlieferer diesem auf den Enkel des 'Ammär zurückgeführten
Berichte günstig sind. Bei Ibn Ishäk wird der Fall 'Ammär und
die Billigung des Propheten geradezu verschwiegen, als ob man in
diesem Kreis ein solches Verhalten nicht als Vorbild für den von

den Ungläubigen bedrängten Muslim wollte gelten lassen. Mit


großer Ausführlichkeit werden die Standhaften aufgeführt''), hin¬
gegen die Schwächeren mit der summarischen Bemerkung ab-

iÄJ> j ^j^^ tÄ^ ^! -i^ynlS »ÄSi j ^1


p .

^.,1 v'-s-jj (_?^^' 'iJM «J(5 tsSj ^^y*^ i^i^ jy^

^J! fJoAjb tsSj ^_^Ljü jJ^äJ.


1) Beispiele für beides in den Kommentaren zum Anfang von B. Kitäb
al-ikräh; KastallSnl VI, IOC.
2) Ibn Sa'd III, I, 178, 11 (f.; Tabari, Tafsir XIV, 113.
3; Vgl. darüber Muhammed. Studien II, 387—391. Auch im Süfismus

unterscheidet man zwischen i_j^.uiJ{ t\i\^ji, und ä^äjcJt ^tiA..^: JSfii,

KilSjat .ll mu'taUid boi Damiri s. v. yLLJt II, 112, 4.


4) Vgl. noch Ibn lli^üm 20G, 4 v. u., wo der Bericht darüber aufgenommen
ist, daß der Prophet bei anderer Gelegenheit gerade denselben 'Ammär und
Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam. 215

gefertigt: xaaaij (^lXJ! j^iLJ! üA^i; ^ a*^H 8*^

auch solche , die in Versuchung kamen durch die große Qual , die
sie traf i). Dies sieht eher einer Mißbilligung ähnlich.
Die alten Gesetzeslehrer betrachten den Fall des 'Ammär als

normgebend in ihren auf ähnliche Verhältnisse bezüglichen Bestim¬


mungen. „Wenn der Machthaber ^) zu jemand sagt : Du mußt
Alläh verleugnen, sonst töte ich dich, so steht es ihm frei (A. zu
verleugnen)"''). Als Bedrohungsarten, die solche Freiheit begründen,
bat man nur Totschlag und körperliche Verstümmelung zugelassen.
„Wer in eine Lage gebracht wird — sagt auch. Tabari im Namen
des Dahhäk — in der er in einer Weise reden muß, die dem Ab¬
fall von Alläh gleichkommt und er redet in dieser Weise aus Furcht
für sein Leben, sein Herz ist aber standhaft im Glauben, so trifi't
ihn keine Verschuldung. Dies gilt aber nur für die Zunge*) d. h.
für mündliche Bekenntnisverleugnung, schließt aber nicht auch
religionsfeindliche Handlungen ein" ^). Später wird dabei als er¬
forderlich bezeichnet, die Verleugnung des Bekenntnisses in solchen
Notfällen möglichst durch doppelsinnige Worte auszudrücken, die
eine reservatio mentalis ermöglichen, und jedenfalls gegen das er¬
zwungene äußerliche kufr innerlich zu protestieren ''); Gott beurteile
die Taten der Menschen nach der innerlichen Intention '). Ge¬
wöhnlich werden die Notlügen, die sich Abraham erlaubt hatte, als
Kechtfertigungsbeweise angeführt. Selbst ein strengen Auffassungen

seine Eltern zum Ausharren bei den ilinen von den Heiden zugefugten Qualen
ermutigt. — Alle diese Erzählungen bei Usd al-gäba s. v. 'Ammär b. Jäsir IV, 44.
[Vgl. auch Ibu Sa'd Vlll, 193, Ilff.]
1) Ibn HisSm 205, 5. Die dazu gehörige Glosse des SuhejlT (ibid. II, 07
unten) hat den Zweck , die gewöhnliche Überlieferung über 'Ammär und die
Billigung des Propheten nachzuholen.

2) Schon Abfi Hanifa beschränkt diese Bestimmung auf Lebensbedrohung

durch die Regierung; Tä^' al-Sari'a, Sarl.i al-wikäja (Kasan 1881) 440: (^»j

JLi »JSi ^^^,LiJUJl ^ ^"t oiL^ »t/:^!! ^^I iÄ^Jj^ ^\ ^

s yot ^^ Lxi!» sLu u^Jö .

3) äejbänl, al-öämi' al-saj;ir (a.K. des Kitäb al-charäji;) 132 unten: ^ Ul ..,
J - ^ w » »

*.*-wo wli li^wü-Äi'ii ^! *JJlj j^.^jäJjJ J-S"-^ i3i.s .


4) Tabari, Tafsir III, 140.

5) Vgl. ibid. im Namen des Abu-I-'Älija: J.**J O*'-*'?} ^.jLwjUb jCAÜXJ!.

6) Fachr al-dln al-RäzI 1. c. 524: jfd JOLc iüi


p

j*aXÄj ^.Jiji Ä.J Ujy! xJLi i^y^. ^1 »^iJ'^ V-??.

oLuajyüJ! .
7) Buchäri wendet die Lehre oLkÄiU ,3^ f"^] auf solche Fälle an.
216 Goldziher, Dae Prinzip der takijija im Islam.

80 geneigter Theolog wie Ibn Hazm leitet daraus die Erlaubnis


ab, aus Rücksichten auf die Sicherheit des Lebens äußerlich die
Verleugnung des Glaubens zur Schau zu stellen i). Die Erlaubnis zu
solchem Vorgehen wird aber nicht in die Kategorie der obligaten
Lebenserhaltung gestellt. Sie ist ein Zugeständnis für die Schwä¬
cheren. Ehrenhafter sei es auszuharren, Tod und Marter zu er¬
dulden und — wie al-Sejbäni (oder sein Kommentator) noch be¬
sonders hervorhebt — damit die Feinde zu ärgern^).

Man nennt mit Bezug auf Sure 3, 27 das rechtfertigende Motiv

solcher notgedrungener Bekenntnisverleugnung iLAÜj, Purcht, Vor¬

sicht*): die Rechtgläubigen sollen die Ungläubigen nicht als Ge¬

nossen erwäblen, ,es sei denn, wenn ibr Furcht vor ihnen empfindet:
5 > « P . ..
üLäj ff^jji (jäXj ^ bSt*. Der terminus takijja sehließt sich an
^ i
eine Textvariante zu dem Worte sLäj an; bei Buchäri (Kitäb

al-ikräb, Anfang) wird das Wort als erklärende Glosse zu den


w p
Koranworten beigebracbt : SC^üj ... bil . Als terminus

tecbnicus für die entschuldbare Bekenntnis Verletzung*) hat das


Wort, das in dieser Bedeutung auch im sunnitischen Islam ein¬
gebürgert ist'), wie wir sehen werden, viel allgemeiner im schi'iti¬
schen Zweig des Islam Anwendung gefunden.

II. Wenn innerhalb des herrschenden sunnitischen Islam die

Frage der Zulässigkeit der Verleugnung des Glaubensbekenntnisses


zumeist nur theoretische Bedeutung batte, da sie sicb ja unter den
bestehenden Verhältnissen docb nur auf den von Nichtmubamme-

danem etwa ausgeübten Zwang beziehen konnte , so tritt ibre


aktuelle Bedeutung um so mebr bei den Anbängern der unter¬
drückten Parteien hervor. Darf man unter dem Druck der das
Leben und die Sicherheit bedrohenden Gewalt der berrscbenden

Staatsmacht sein eigenes, der letzteren widerstrebendes Bekenntnis

1) KitSb al-milal wal-nihal (ed. Küro) IV, 6 nach den Erzählangen über

die Notlügen Abrabam's: 'iusCi ^Ä^t ^1-^1 i5 V''-^^' Oä^. Auch


Joseph übte am Hofe des Pharao takijja ibid. 13, 1.
2) S. unten die Teztbeilage ganz am Ende.

3) (JShiz, Tria opuscula 131, 3 ist iUftj Gegensatz zu ^j^^i, eigentlich:

Verbergung der wirklichen fjberzeugung; bei HilSl al-SSbl ed. Amedroz 63, 6;
115, 3 ist es Gegensatz zu '»ÄfStS-; bei schi'itischen Schriftstellern sehr häufig
aach üclöt, z. B. KulTnl, Usül al-KSfl (Bombay 1302) 37, 18; 482 paenult.
»
4) Vgl. zur Anwendung des Wortes den reichen Nacbweis bei de Goeje, Gloss.
Fragm. nnd besonders 61. Tab. s. v. [Vgl. jetzt Ibn Sa'd V, 70, 10; 158, 11, 15.]
5) Z. B. in der oben angeführten Stelle 'Tabari, Tafsir IU, 140.
Goldziher, Das Prinzip der taUijja im Islam. 217

zeitweilig unterdrücken und äußerlich sich zu den Formeln be¬


kennen, gegen die man im Innern verdammenden Protest erbebt?
Sehr früh ist unter den Chärigiten die Frage besprochen
worden: ob es erlaubt sei, in feindlicher Umgebung das chärigi¬
tische Dogma in Wort und Tat zum Scheine zu verleugnen ^) ; sie
wurde von den verschiedenen Gruppen in verschiedener Weise, von
den Anbängern des Nagda b. 'Ämir in bejahendem, von denen des
Näfi' b. Azrak in verneinendem Sinne entschieden Noch im

Katechismus der heutigen Ibäditen wird als eine der Arten der

Religionsbekennung die Verheimlichung (^UäJ') angegeben*) d. h.


den unter andersgläubigen Muslimen lebenden Chärigiten das öffent¬

liche Hervortreten (jy^) nachgesehen*).


Am entschiedensten ist die Takijja-Lehre im Scbi'itismus zur
Geltung gekommen, wo gegen dieses Prinzip nur ganz ausnahms¬
weise Widersprucb erhoben wird^). Wenn man an die Verfolgung
denkt, mit der jeder Widersprucb gegen die omajjadische Chalifats-
idee geahndet wurde , an die geheimnisvolle Art der Propaganda,
in der allein die Aspirationen der 'Aliden in größeren Volkskreisen
Fuß fassen konnten, bis irgend einer ihrer Imäme sich offen hervor¬
wagte, um dann als Rebell und Religionsfeind hingerichtet zu werden
oder sein Heil in der Flucht zu suchen: so wird man es leicht

begreiflich finden, daß sich gerade hier die Doktrin zeitigte, im


Interesse der Sache ein Geheimnis aus seinem wahren Bekenntnis

zu macben und den Machtbabern gegenüber, der Not gehorchend,


die Zugehörigkeit zu den herrschenden Irrlebren zu simulieren. Zur
Rechtfertigung dieses zweideutigen Vorgebens, das in seiner freien
Anwendung als frivole Heuchelei den allgemeinen Geist des Islam
in Persien in ethischer Beziebung sehr übel beeinflußt hat^), be¬
rufen sicb die Schi'iten auf das Beispiel der Propbeten , die oft
takijja angewandt baben , sowie auf den Vorgang der Frommen
der verschiedensten Zeitalter. Auch die ashäb al-kahf haben zum

1) Vgl. den von Abü BilSl der Charigiten&aa al-Balgä erteilten Hat:

(^yüiÄwli äIsäJ! j t*-* ®"

2) Näfi': |3^' !5! iiÄsÄJt^ Kämil 611, 1; Sahrastäni 90, 4 v. u. Nagda:

J.**!!} iiyüi j Sjjb>- xläxJI ^ Sabrast. 92, 6 v. u. 93, 3 fif.

3) A. de C. Motylinski, L"Aqida populaire des Abadhites algeriens (Alger


1905) 8, 6 (Becueil de Memoires et de Textes . . . en l'honneur du XIV« Con¬
gres des Orientalistes 510, 6).
4) Diese chärigitischen Daten habe Ich jüngst bereits in anderem Zu¬
sammenhang angeführt in Revue de l'Histoire des Religions LII, 231.
5) äahrasUnI 120, 2 «f.
6) Gobineau, Les religions et les philosophies dans l'Asie centrale (Paris
1865) 15—21 u. ö. , z. B. 68. 87 (immer als hetmän); Seil, The Faith of
Islam 84. [Vgl. H. Hartmann, DLZ.- 1906 c. 298.}

\ %
218 Goldziher, Das Prinzip der takiija im Islam.

Schein Kreuze angelegt und an den Pesten ihrer Volksgenossen


teilgenomraen, um der Gefahr zu entgehen*). Wichtig ist den
Schi'iten die Berufung auf ihren ersten Imäm 'All, der die ihra im
Chalifat vorangegangenen Usurpatoren zum Schein anerkannte-), und
als er selbst endlich an die Regierung kam, an den Einrichtungen
derselben nichts änderte, weil dies nicht ohne gefährliche Er¬
schütterungen raöglich gewesen wäre ^) ; auf das Beispiel der Imäme,
die mit ihren Rechtsansprüchen nicht immer offen hervortraten*),
und nicht zura letzten auf das große Beispiel des bis jetzt ver¬
borgenen letzten Imäm , dessen gcy'ba nichts anderes sei , als ein
durch Jahrhunderte andauerndes ketniän, ein ununterbrochener Akt
der takijja, der erst dann aufgehoben werden soll, wenn der Imäm
die Zeit herangekommen sehen wird, sein offenes Hervortreten mit
Erfolg und Sicherheit zu bewirken. In diesem Sinne sind die
Eulogien, die dem latenten Imäm in schi'itischen Schriften gezollt

_ 1) Ja'kübl ed. Houtsma H, 232, 1.

2) Einige Schi'iten bezeichnen dies Verhalten als öjXa*J!^ v^äXi!

^^yj^ÄÜ oöj Bahräni, Manär'al-hud5 (Bombay 1320) 223.

3) Asad Alläh al-KSzimI, Kasf al-kinä' 'an wugüh hu^^ijjat al-i^mä' (Iith.

Bombay) 149 (aus al-Murtadä, Kitäb al-säfi) : <AÄ/0 ^.J,

iX*jjJi Q.« i^.^JiJ^ !i!jttX.Äj Kaäj ^ M^-' \J^^

legung dieser Auffassung gibt Ibn Hagar al-HejtamI, in al-Sawä'ik al-muhrika

(Kairo 1312) 36 ff.

(Leidener Hscbr. Amin 248) fol. 175 die Berechtigung der takijja der ImSme

sehr eingeschränkt; von Ga'far al-Sädik wird zitiert


: ^^y.^jS i^x^ ^Li

j.LoLj ,j«^JLs xäj> v'lLij jJj ^ii-j .

1 »
Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam. 219

J--- 3

werden: ic>.j^:> J^^j-wy „Gott beschleunige seine Be¬

freiung und mache sein Hervortreten leicbt!" oder: Hjy^ *l!t VJys

8j.>*o^ »Möge Gott sein Hervortreten nabe sein lassen und sein Ge¬

lingen herbeiführen!". Dementsprechend in Anrufungen z. B.i): ^^IJ!


w ww>Cm.« P

W LijAoilj IxA^y LLÄ:^ ^^'.S LääL« j*^!} LkJj-cO v_*.>!

iy^.

Die älteste sichere literarische Bezeugung der schi'itischen


■tahijja finden wir in den Gedicbten des poetischen Bekämpfers der
Omajjaden, des Anhängers der'Aliden, Kumejt. In einem Ruhm¬
gedicht auf die 'Aliden klagt er (IV, v. 86), daß er „trotz seiner
Liebe zu ihnen und trotzdem er immer darauf ausgeht, ihnen bei¬
zustehen , doch nur heimlich auf ihrer Bahn wandeln kann und
eine andere Gesinnung vortäuschen muß'-), und im selben Gedicht
V. 104. 105 verwendet er zur Bezeichnung seines zweideutigen Ver¬
baltens den Ausdruck takijja^). Ein 'Alide selbst rechtfertigt den
Dicbter mit Hinweis auf die takijja wegen eines den Omajjaden
scbeinbar günstigen Verses *). In den schi'itischen Traditionen nimmt
die takijja eine sehr hervorragende, fast dogmatische Stelle ein. Im
Unterschiede von der eben dargestellten sunnitischen Auffassung
wird sie nicht als ruchsa, als Konzession für die Schwächeren, be¬
bandelt, sondern als unerläßliche Pflicht, die niemand aus Übereifer
unterlassen darf. In diesem Sinne läßt man nicht nur die späteren
Imäme und Theologen lehren, sondern sie kleiden ihre Ermahnungen
direkt als Sprüche des Propheten ein. „Ein Gläubiger, der die takijja
H £

nicht übt, ist wie ein Körper ohne Kopt" JJu/ «J jUÄj ^ o^y

tjJij ^ iX-wj=- '). „Hätte Gott gewollt — sagt der Propbet <*) —
so hätte er auch die tahijja verboten und eucb befohlen bei allem
•auszuharren, was euch von eueren Feinden trifft durch euer ofienes
Bekenntnis zur Wahrheit. Aber, fürwahr, die wichtigste euch von
<jott auferlegte Pflicbt, nacb der Liebe zu uns und der Bekämpfung
unserer Feinde, ist die Anwendung der takijja für euch und euere
Brüder in Gott. So fürchtet denn Gott und setzet eucb nicbt seinem

Zorne aus durch das Unterlassen der takijja und die Verkürzung
der Interessen euerer rechtgläubigen Brüder". In ganz detaillierter
Weise läßt man den 'All bei der Bekehrung eines griecbischen

1) Manär al-hudä 379.


2) Die Häsimijjät des Kumait, ed. Jos. Horovitz, 137, 12.
3) Ibid. 1. 10. 16.
4) A)>. XV, 127, 3.
5) Hasan 'AskarT, Tafsir 129 unten.
6) Ibid. 239.
220 Goldziher, Dae Prinzip der takijja im Islam.

Philosophen die Einzelheiten der takijja entwickeln. Nachdem er


ihm die Grunddogmen des Islam in schi'itischem Sinne dargestellt
hat, läßt er noch eine ausgedehnte Ermahnung folgen. „Ich befehle
dir, daß du in deinem Religionsbekenntnis die takijja anwendest
(dabei zitiert er Sure 3, 27). Ich erlaube dir demnach, unsere
Peinde als vorzüglicher zu erklären , wenn dich die Purcht dazu
drängen sollte; ich erlaube dir, dicb offen von uns loszusagen


(LL« j.^\) , wenn dich die Angst dazu zwingen sollte; du

darfst die obligaten Gebete unterlassen, wenn du durcb die Leistung


derselben Schaden für deine Person befürchten solltest. Daß du

im Zustand der Purcht unsere Feinde vor uns bevorzugst, kann


ihnen nichts nützen und uns nichts schaden ; ebensowenig kann es
uns Nachteil bringen, wenn du aus Furcht dich von uns lossagst.
Denn du sagst dich von uns los auf kurze Weile mit deiner Zunge,
aber bewahrst uns innerlich deine Treue, damit du dein Leben er¬
rettest und für Monate und Jahre hinaus auch jene schonst, die
du von unseren Getreuen und Brüdern kennst und die dich kennen ;
bis daß diese Bedrängnis gelöst wird und dieser kummervolle Zu¬
stand aufhört. Dies ist vorzüglicher als sich dem Verderben aus¬
zusetzen und dadurcb alle Möglichkeit des Wirkens für den Glauben
und das Heil deiner rechtgläubigen Brüder abzuschneiden. Hüte
dich also , die takijja zu unterlassen , die ich dir anbefehle ; denn
du könntest dadurch dein und deiner Brüder Blut vergießen, dein
und ihr Wohl dem Untergange aussetzen, dich und sie den Händen
der Feinde der Religion ausliefern. Gott hat dir befohlen seinen
Glauben und dessen Bekenner zum Glanz zu bringen. Wenn du
aber meinem Befehle zuwiderhandelst, so schädigst du dich selbst
und deine Brüder mehr als dies die nawäsib *) und die Ungläubigen
tun"-). Wir erseben aus dieser Ermahnung, daß die takijja in
erster Reihe im Interesse der Sicherheit der Bundesgenossen ge¬
fordert wird^), deren Wohlfahrt durch die Kühnheit und den
Märtyrermut des einzelnen leicht aufs Spiel gesetzt werden könnte.
Daher erscbeint die takijja zumeist in Verbindung mit den hukük
al-ichwän , den „Interessen der Brüder". Man fragte den Imäm
'All b. Muhammed: „Wer ist der an guten Eigenschaften voll¬
kommenste Mensch?" Er antwortete: „Derjenige, der die takijja

1) Vgl. ZDMG. 36, p. 281 Anm. 1.


2) 'AskarT, Tafsir 69; eine andere wichtige Stelle in diesem schi'itischen
Korankommentar, von dem nur der zur II. Sure gedruckt vorliegt, ist p. 245.
3) Dies muß besonders bei Vergleichung mit B. IkrSh nr. 6 als charakte¬
ristisch erscheinen, wo die takijja von den Hanatiten zuerst auf die persönliche
Gefahr beschränkt, später auf die der nächsten Blutsverwandten ausgedehnt
wird, aber als unanwendbar gilt, wenn dadurch die Sicherheit Fremder (nicht

Blutsverwandter) gestützt werden konnte — ÄÄm 'w'Lxi' ^ wie Buch.


hinzufügt.
Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam. 221

am sorgMtigsten anwendet und den Ansprüchen seiner


C w t
Brüder am meisten Genüge leistet* j^Luä!» iUixJlj ^>gl t'- i

')jiJt^3-! \Ji,jÄ^.. Man hat dafür den terminus Ä.AÄÄJb ^^,1^.

Aus diesem Gesichtspunkt figurieren in schi'itischen Systemen

des Religionsgesetzes zuweilen die in sunnitischen systematischen

Werken nicht vorkommenden besonderen Kapitel *.AiiÄi! oLä^' und

^t^^! oy> ^\jS^).

Es ist jedocb eine unaufhörliche Klage der unterdrückten An¬


hänger der Schi'a, daß sie zur takijja gezwungen sind. In einer
dem 'All zugeschriebenen Chutba wird die Verfolgung der Gläu¬
bigen gescbildert, wie sie unaufhörlich auf der Flucht sich befinden
und wie sie durch die takijja verdunkelt werden*); und im 8. Jahr¬
hundert d. H. klagt Hasan ibn al-Mutahbar al-Hilll, daß die Schi'iten
in den meisten Zeiten sich aus Furcht vor den Machthabem im

Winkel der takijja verborgen balten mußten*). Der innere Kampf,


den der durch dies Takijja-Verbalten hervorgerufene falscbe Schein
dem Gemüt der ehrlichen Gläubigen verursacht, wird dem Religions¬
krieg gleichgestellt. Der Imäm 6a'far b. Muhammed hat darüber
folgende Sentenz: ,Der Seufzer des über unsere Unterdrückung
Betrübten ist soviel wie die Lobpreisung Gottes, sein Kummer um
uns ist Gottesdienst und das Verbergen seines Geheimnisses
ist ^ihäd' . Der Imäm Abü 'Abdallah bezeicbnete diesen Spruch
als Wahrheit, „die würdig sei, mit Gold wasser aufgeschrieben zu
werden" *).
Es ist denn aucb im Scbi'itismus die Billigung der Verheim¬
lichung immer in Ansprucb genommen worden. In Biographien
schi'itischer Autoritäten sind die dies Verhalten bezeugenden Be¬
merkungen nicbt selten; z. B. vom Historiker al-Wäkidi, der, ein
fester Scbi'ite , in bezug auf 'All absonderliche Ansichten batte,
nach außen bin aber die herrschenden Anschauungen bekannte:

äÄöäJ!^; aucb von anderen in den Scbi'itenlisten vorkommenden

1) Tafsir al-'Askari 131. Vgl. viele SprUche bei Kullnl 1. c. 209; 482 ff. u. ö.
2) Tüsi, List of Shy'ah Bootes 104 paenult, 319, S.

3) '^AÄxit ^v^äIU»-! JsJi Naht' al-baläga (Beimt 1307) ed. 'Abduh, 50, 8.
4) Der Text in meinen Beiträgen zur Literaturgesch. der Si'a (Wien
1874) 33, 21 ff.
5) Me^efl, al-Huntachah fi-l-murätl wal-chutab (Bombay 1311) I, 136:

^ .^1 {-^ tyw ^UJC^'2 b^LaC Lü 2U^j ^'^^^ I i*Wt\ ^y*^^

vio-^-äi- 'j^J» vO^aj ^ '^^ J'**-'

^JJ! fUj.

6) Fihrist 98, 21 (de Goeje, Gloss. Tab.).

1 9 *
222 Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam.

Leuten: ,er gehörte zu unseren Genossen; aber er verheimlichte

seine Sache*'), ,er übte nacb außen (^LLi! ^5) das Fikh nacb dem

madhab des Säfi'i, aber im Innern (j^^LJi ,3) hing er der Lehre
der Imämijja an'-) u. a. m., während allerdings auch Ausnabmen
von mutigem Ausbarren und unerschrocken freiem Bekenntnis be¬
sonders hervorgehoben werden müssen").

III. Die takijja steht also zunächst im Dienste des allgemeinen


Wohles der unterdrückten Partei und wird nicht durch persön¬
liches Interesse begründet. Zu den Einzelheiten , bei denen vom
Recht der takijja Gebrauch gemacbt wird, gehört auch das Ab¬
legen falscher Zeugnisse und Eide*). Aus diesem Gesichtspunkt
wird die in sunnitischen Schriften gegen eine von den Imamiten
nicht anerkannte übertreibende Partei, die Chattäbijja, erhobene
Beschuldigung verständlich , die in verschiedenen Passungen vor¬
gebracht wird. Nach der einen hätte ihr Stifter verordnet , daß
die Zugehörigen in Vermögens-, blut- und eherechtlichen Angelegen¬
heiten falsches Zeugnis zum Schaden der Gegner ablegen dürfen ^) ;
nach der anderen erlaubt diese Religionspartei falsche Zeugen¬
aussagen zum Vorteil der Gesinnungsgenossen ''): also in beiden
Fällen aus dem positiven oder negativen Interesse der Gesamt¬
heit"). Unter den Lehrsätzen des als Ketzer hingerichteten schi'¬
itischen Theologen Muhammed b. 'Ali al-Salmagänl, wird erwähnt,
er habe gestattet, daß jemand zugunsten seines Bruders
auch ohne bestimmtes Wissen sich als Zeuge melde, wenn ihm für
seinen .Anspruch sonst nur ein Zeuge zur Verfügung steht").

1) Tüsi, List of Sliy'ah Books 80,6: syi! jjLi^ LLjL^! ^


2) Ibid. 2C4, 7 IT.
i

3) Ibn Batüta II, 247: ^3 e)*J*^ ^-A^';

!tXs»l ^•,y^^.
4) Aus schi'itischen Grundwerken zitiert bei Mühleisen-Arnold, Der Islam
(Gütersloh 1878) 146.

5) Ibn Rosteh ed. de Goeje 218, 18, aber nicht mit talijja motiviert.

G) al-NawawI zu Muslim I, 33 unten als Lehre des Säfi'i: iioL^.ii uW^t

jjsjJb äJ>L^! ,^,_}^ ü*as!jJ! ^ üLlLÜ ^\ tl^^s!!

A.«jJÜtj.4.i .
7) Wenn man für solche schi'itische Lehren ethnographische Anknüpfungen
zugibt, kann man als Parallele auf die Anschauungen der Brahraanen hinweisen,
von deuen — uach Dubois — „der Meineid sogar für eine Tugend erklärt
wurde, wofern er ihrer Kaste Nutzen bringe' (boi Jolly, ZDMG. 44, 349).

8) Im Bäb al-sahädät seines Fikh-Werkes Kitäb al-takllf: Jj->r. ä>j!


19«
Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam. 223

Die GestattuDg solchei- Freiheit scheint eine Übertreibung der


aus dem Takijjaprinzip folgenden Zulassung zweideutiger Zeugen-
und Eidesaussagen zu sein, um die Gläubigen der Bedrückung und
Vergewaltigung zu entziehen. Die Förderung der allgemeinen Wohl¬
fahrt wird auf die des privaten Vorteils der Glaubensgenossen aus¬
gedebnt.
Wie die takijja der Begünstigung des zweideutigen Verbaltens
in allen Beziehungen des Lebens förderlicb ist, so ist sie es aucb
vornebmlich auf dem Gebiete des Schwures. Die muhammedanische

Ethik hat die Billigung der zweideutigen Schwüre und überhaupt


der Kniffe im Eideswesen aus dem vorislamischen Arabertum ererbt

und der Ansicbt, daß man durch zweideutige Ausdrücke der Lüge
scheinbar entgehen kann , in aufricbtig gemeinten Sentenzen ganz
unverhohlen Ausdruck gegebenDie Möglichkeit der reservatio
mentalis bei der Eidesleistung wird in der Ausbildung des mubam¬
medaniscben Rechtes als zu recht bestehend anerkannt; die Zu¬
lassung derselben allerdings auch in weitem Maße juristisch ein-
gescbränkt. Besonders hat aber die hanafitische Richtung^) in
einer, freilich von ernsteren Lehrern nicht immer gebilligten''),
Literatur das Kapitel der hijal, Recbtsknifie, auch auf dem Gebiete
der Eidesfragen fleißig und scharfsinnig gepflegt. Im Zusammen¬
bange der Takijjadisziplin kann mit ihr die schi'itiscbe Theologie

1*-^ ^jAC tX;»-!} tX^Li iü ^^L^ tti! M*-^ ^i^. ^;yi J^^^,
TiisT, List of Shy'ah Books 306, I.

1) Z. B. : iw^tXiCit ^ (jOJ^Ljttl j B. Adab nr. 114. ^

V-JiXSGt J-^^' ^-y^ - ^ O^Hj'-*^' 'Omar zu¬


geschrieben, MutiSilarSt al-udabä I, 300.
f « M
2) Bei erzwungenen Eiden: jü ^.jLi^ »jbi

li^-LSSj t:;>*AÜ lA/oLs ^Lo »j^j.iit i^^'S L«.li Kastalläni X, 114.


3) Buchäri mißbilligt auch hier die laxen Anschauungen der Hijal-Leute,

indem er seine individuelle Meinung in gewohnter Weise in der Kapitel-

Uberschrift des 1. Bäb des V-jUlT zum Ausdruck bringt: iS


E 1 - ..

L5>^_5 ^^.,L».J^! ^ ijy i^y«! J>^a.J d-*->- ^- ^- »i^'^er die


Unterlassung der Kniffe und daß in SchwUren und anderen Dingen
immer nur die innere Intention in Betracht gezogen wird". Buch, will damit
ausdrücken , daß auch bei Kiden die listigen Täuschungen , wenn sie auch
äußerlich sich in legalen Formen bewegen, zu verpönen sind. Dieser Voraus¬
setzung wird in einigen Codices des Buch, der Boden entzogen durch die Text¬

variante: »jACj ^.^L*j^i ^ ,im Glauben und in anderen Dingen", wodurch


die Eide aus der gegen die Rechtskniffe ausgesprochenen Mißbilligung aus¬
geschlossen würden.
224 Goldziher, Das Prinzip der takijja im Islam,

und Ethik den Wettstreit füglich aufnehmen. Die takijja ist der
richtige Nährboden für die Zulassung und Billigung täuschender
Worte und Ausdrücke, zweideutiger Wendungen im Eide

^j£ujjtji>), um dadurch den Verfolgungen zu entgehen und die


Glaubensgenossen vor Gefahr zu schützen. Der Imäm al-Eidä lehrt:
„AUäh hat diese zweideutige Ausdrucksweise zu einem Mittel ge¬
macht, unsere Si'a und unsere (der 'Aliden) Verehrer zu bewahren"

LLaL^^ Lu*A-i: x: iifts- ü/i iCjjj.ÄJt »•XS' dJt Und die


Billigung eines solchen Vorgebens wird durcb Beispiele aus den
Prophetenerzäblungen und dem Verbalten der alten Prommen be¬
kräftigt , unter denen die Erzäblung , wie der fromme Hazkil , der
Anhänger Moses' am Hofe des Pharao'), durcb stilistische Künste
scheinbar der Anbetung des sich vergötternden Königs beistimmt,
die interessanteste ist^).

IV. Die Anerkennung dieser Art der takijja nimmt denn aucb
früh ihre Stelle in der schi'itischen Literatur ein. Bereits einer

der ältesten schi'itischen Gesetzesgelebrteu, Ahmed b. Muhammed


al-Barkl (3. Jabrb.) trug zu dieser Literatur bei") und es ist be¬

zeichnend, daß eine Schrift über ^xmIS ijoj^^xa von einem späteren
schi'itischen Gelehrten, Mubammed b. Mas'üd al-'Ajjäii, inmitten
einer Reibe gesetzeswissenschaftlicher Scbriften aufgefübrt wird*).
Die philologische Erudition kam dem weiten Gewissen der
Leute durch Zusammentragung der doppelsinnigen Ausdrücke zu
Hilfe. In diesem Sinne verfaßte Ibn Durejd sein durch Thorbecke
herausgegebenes Kitäb al-malähin mit dem in der Einleitung aus¬
gesprocbenen Zwecke, „daß solcbe, die zu einem ihnen unbequemen
Eid gepreßt werden , zu diesem Buche ihre Zuflucht nebmen und
von den in demselben verzeichneten Doppelsinnigkeiten Gebrauch
machen, etwas anderes im Sinne haben, als was ibre Rede scbein¬
bar ausdrückt, und dadurch von der Ungerechtigkeit des Bedrückers
loskommen". Es ist nicht zufällig, daß es ein eifriger Scbi'ite,
Abü 'Abdallah Muhammed al-Mufagga' (st. 320), ist, der gleichzeitig
(i >

mit Ibn Durejd ein '')^Uj:^! jvilJ! ^JixS verfaßte. Seiner

1) Seine Grabesstelle wird in der Nähe der Sudün - Moschee (HSrat


al-Bätilijja) in Kairo verehrt ('All Mubärak, Chijat V, 21).
2) TafsTr al-'Askarl 143.

3) füsl 38, 7: (jaJ^L*!! V'-Äi'i 39, 5: Jjkü oLÄi'.


4) Ibid. 317, 4.
5) Nach anderen ^ .
6) Flügel, Gramm. Sch. 224; Zitat bei Jäküt 111,444, 16; Muhäd. ud.

I, 300: (joj^Lx* ^yt ^JÄA Lo ^LiJ! j^s\ftjü JJiÄlt v_jLÄi' J,^


Ooldziher, Das Prinzip der takijja im Islam. 225

schi'itischen Anhänglichkeit verdankte dieser auch als Dichter und


Philolog bekannte Gelehrte') seinen Beinamen al-Mufagga' ,der
(über das Schicksal der 'alidischen Familie) Betrübte"^). Er ver¬
faßte viele Trauergedichte über die Imame und ibr trauriges Ende.
Zu dem vielfacb nacbgewiesenen Zusammenbange der Mu'tazila
mit dem Scbi'itismus stimmt es ganz gut, daß den bier be¬
bandelten Takijjalebren verwandte Anschauungen auch von alten
mu'tazilitischen Autoritäten berichtet werden. Von Abu-1-Hudejl
al-'Alläf (st. 235) w;ird die Lehre überliefert: „Wenn sicb jemand
. . *OJ
in einer Zwangslage befindet (»yCJt) und sicb nicbt auf zweideutige

Rede ((jiajytXilj iu^jJcJl) verstebt, belastet ihn keine Verfehlung,

wenn er sicb der Lüge bedient" \jyoyri «^j^ (jj-'Sii 'i^*^ i^y' *^
ÄÄt"). Aucb von der Schule der Nazzämijja, deren Stifter in

Politik und Dogma unverkennbar schi'itische Neigung kundgibt*),


wird die Lebre von der bedingungsweisen Zulässigkeit der falschen
Zeugenaussagen überliefert 5); es ist jedocb in letzterem Falle der

Schreib- oder Druckfebler y ^jI ^; !( für x- .'I h'^ nicbt ausgescblossen.

V. Aus Muhammed b. al-Hasan al-Sejbäni's Kitäb


al-aijar al-kabir , mit Kommentar von Muhammed
al - Sarachsi').

(Hdschr. der Leidener Universitätsbibliothek, Nr. 1775; fol. 278»)

tliic eoOc> ^3 JJ'lj jt.^ Vj^ ^ 'J^^

^ ßi^ J*^ ^ »/i i


> <j'
0<s-[j LuJls 'jXe. j yi J>^' '.7*^ V'^'

1) Sein bei H. Ch. nr. 2906 erwähntes ^5 ^.jUä-jäJ! i«jU5'


t zitiert TebrTzT, Ham. 449, 1; daraus scheinen auch die Zitate bei Ibn
Sida, Muchassas XIII, 176, 9; 178, 6 genommen zu sein; ein einzelnes Kapitel
_ t „

aus diesem Buch: i3jiJ! lXj» Tebrizi 540, 4; mit einem anderen: V_j!^ciS! lXj>
(Uber die Gedichte der Beduinen) beschäftigt sich Abu-l-'Alä al-Ma'arrl im Risälat
al-gufrän, JRAS. 1902, 85 unten.

2) Tüsi 271: tU*.! J^ö^_ ki^o^t ij«^l i5 f-^ «J.

L?*^ 1-5^
3) Sahrastäni 36 nr. 7. 4) Sahrastäni 39 nr. 11.
5) Murtadä, Ithäf al-säda (Kairo 1311) II, 253, 9.
6) Leider können die Textworte vom Kommentar nicht unterschieden
werden.
Zeitschrift der D. M. G. Bd. LX. 15
226 Goldzüier, Dat Prinzip der takijja im Islam.

jjüüi ujjj> vy^ls J'^^'

Joo oUi Vr*^ A ey* ^'^ ^f^.i^ jS>^

Jjisk^ fLLc i3yü XsA jOc iui^j i5 ')jj>j 'jLül

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Xs-LjI ^^j^l tLuXwbllj xaJI fä^Ja/k3\ L« ^! r^:r*^'

jjüiel !JLs >—>lyiJ!j ^LxkJb tiÄ* vjüsüt vl^-^a^iXi! U lXjuj

vJlüJj !iS iü«^ ^jLs jÄ<J( ö^li^. Ui! jjb' Joftj ^Ä5>- jJjLlj y^

XÄ^jUh ^ ijLJJt ^_yJLc u^^iüt iUiy -^1/?-' i3 U'^ß

iCHjxJlj LLImX. ^^yCj ^LüCc^b ^ ')^^.jUj^W vJ^'

*)iwJbC3Ü( j ^.,1 ^! Jw^t iUj^L «S^^I^JÜt^ *)iüag>j!lj Loi^yi ^^yCi

Ij^ ^yti ^1 <^^Jts> JLi ^yÜ5 «-*ajLj j »->!jJl vjülkj ^

u^Ufl» ^jLs x:>5 JJ' '')jüa*i:UU j_yJi:uXI Jjut, ^ ^^^1

LL?Lfl>5 jlXäJ! q/« ju J^ UaS oU»J| y" X»-"^ ^mo bS

l^^yÜMj ^ «ut vJL»- yA UaS} oUjJt J*-üaJ J^AäS» Ui! u^^L^!

Oiju ^LaXa!^! ^ ^ 'iiLAS oUxJÜ ^ Uj l>U«J! ji^as U

^^yiJt jduLiw äas L«5 j^-vi! ^3 jübUlJt jLj^! ^J^Jy^! »!^^!

LäS>LJi Vlr^ 'i^^ 5üia*.i\i! v_;^U> j5 \iS u5ÜJ>5

'^t JJ!^ ^.j! oovi:^ jJjäj

1) Nach Flügel zu Wien nr. 1778 (III, 200) wSre in diesem Werke Abü
Jusnf niemals mit Namen erwähnt; daraus kSnnte gefolgert werden, daß hier
ein Einschub des Kommentators beginnt.
2) Sure 6, 119.
3) Vgl. Sure 16, 108.
4) Vgl. Zähiriten 68.
ö) Es ist nicht klar, auf welches „Kitäb* hier Bezug genommen ist.
Wenn der Passus von Sarachsi ist, so könnte er sich auf seinen Ornndtezt be¬
zogen haben ; aber weder hier noch in den unmittelbar vorangehenden Stücken
sind , wie mir auch Herr Dr. Juynboll bestätigt, die zitierten Worte zu finden.
6) Vgl. Sure 5.
227

Excavations at Lauriya*).

By

T. Bloch.

The curious earthen mounds north of the village of iiaariya,


a police outpost in the Bettiah sub-division, bave often been noticed
before and much speculation has been going on as to what tbey
represent. Tbe only clue tbat was hitherto available was the
report of the discovery in one of them of a large leaden or iron
coffin containing a human skeleton. The find was made about
40 years ago and the report bas been confirmed to me by Mr. Moore,
a resident of the place, whose father had told bim about the matter.
Subsequent digging, done raore or less at random, had not revealed
anything of importance, and the mounds remained a puzzle, though
tbey were called more or less confidently either tombs or even
'earthen stüpas'. It was witb the object of probing a few of tbem
by cutting down a trench through tbe centre from the top to the
bottom , that I started excavations at Lauriya. Although the too
sanguine hopes , wbich I cherished at the beginning , with regard
to finds of antiquities or treasure bave not been realized , my ex¬
cavations bave revealed some interesting facts and placed me in a
position to show for what purpose tbese earthen structures had
been erected.

The mounds are arranged in three rows of five each, varying


in height from 50 to 20 feet. The first row runs from east to
west. A little to the nortb between the first and second mounds

in this row, stands tbe famous Asoka column, witb tbe lion capital.
Then follow two parallel rows from nortb to south.- Tbe fourth
mound from north in tbe eastern one of these two rows is the

1) [Diese Mitteilungen sind ein verkürzter (und in einigen Einzelheiten


verbesserter) Abdruck des gleichnamigen Berichts von Dr. Bloch im „Annual
Report of the Archseological Survey, Bengal Circle, for the year ending with
April, 1905" (Calcutta, Bengal Secretariat Press, 1905. Not for sale), Part II, 11 ff.
Ich glaubte sie aufnehmen zu sollen , weil sie ein Anrecht an allgemeineres
Interesse haben, der genannte Report aber vermutlich nur wenigen unserer Mit¬
glieder zugeschickt worden ist, sodann auch, weil noch mindestens ein Jahr ver¬
streichen wird, ehe ein ausführlicherer Bericht über die Ausgrabungen erscheinen
kann. Der Redakteur.]
15»

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